B eren B erg n 13

Transcription

B eren B erg n 13
Berenberg
DAS M agazin für Wirtschaft, Gesellschaft & Lebensart
N 13
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1
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D iI t
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R iI a
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Z Wei H erZen. H öCHSte P räZiSion.
Foto:
Foto: Berenberg
Berenberg Bank
Bank
RAUM | ZEIT
Dr. Hans-Walter Peters,
Sprecher der persönlich
haftenden Gesellschafter
der Berenberg Bank
Liebe Kunden,
verehrte Freunde unseres Hauses,
Duomètre à Quantième Lunaire. Kaliber Jaeger-LeCoultre 381.
Das “Dual-Wing”-Konzept ist eine wahre uhrmacherische revolution, die zwei
unabhängige räderwerke beherbergt, welche über ein einziges regulierorgan
synchronisiert werden. Die patentierte blitzende Sekunde ermöglicht Zeitmessungen
auf die 1/6 Sekunde genau.
HaBen Sie JemaLS eine riCHtiGe uHr GetraGen?
Transparenz, Geradlinigkeit und unabhängige Beratung – das können Sie von uns als inhabergeführte Privatbank erwarten. Ich habe kürzlich in einem Interview etwas scherzhaft gesagt:
„Berenberg ist eigentlich ein Beratungshaus.“ Dieses Selbstverständnis bildet bei uns die Klammer
um unser Tun und Handeln. Wir wollen Tag für Tag intelligente Lösungen für die Bedürfnisse
finden.
unserer Kunden finden.
Wir haben daher unser volkswirtschaftliches Know-how deutlich ausgebaut und verfügen
siebenköpfigesTeam
Teamsehr
sehrrenommierter
renommierterVolkswirte,
Volkswirte,die
dieininKundengesprächen,
Kundengesprächen,
mittlerweile über ein zehnköpfiges
Studien und Interviews unsere Sicht auf das makroökonomische Umfeld wiedergeben.
Wir verfügen über 70 Aktienanalysten in London, die europaweit fast 500 Unternehmen beobachten und analysieren – das ist mehr als so manche Großbank heute an Researchkapazität vorhält.
Wir untersuchen uns interessant erscheinende Gebiete, um unseren Kunden eine fundierte
Meinung bieten zu können. So haben wir gerade mit dem HWWI zusammen eine Studie zum
Thema Sachwerte erstellt. Zu Kunst und Oldtimern halten wir eigene Spezialisten in unserer Tochter­
Tochtergesellschaft Berenberg Art Advice vor, bei Investments in Wald, Ackerland oder Diamanten steht
Ihnen die Berenberg Private Capital zur Seite, bei Immobilieninvestments das Berenberg Real Estate
Office und bei besonders komplexen Fragestellungen insbesondere um Unternehmervermögen das
Office
Office.
Berenberg Office.
All diese Spezialisten, dazu unsere Berater im Private Banking, im Investment Banking, im Asset
Management und im Corporate Banking, stehen Ihnen jeden Tag zur Verfügung. Wir sehen uns hier
ganz in der Tradition der Privatbankiers. Und das ist es – davon bin ich fest überzeugt –, was von den
Banken künftig wieder gefragt ist: die Beratung ihrer Kunden und nicht das Kreieren von Finanz­
Finanzprodukten, die niemand versteht. Dazu haben wir unser Team in den letzten Jahren immer wieder
mit Spezialisten verstärkt und werden auch künftig unser Know-how ausbauen.
Viel Vergnügen bei der Lektüre von BERENBERG N° 13!
N° 13!
Ihre
UHREN SCHMUCK JUWELEN
4
Berlin Düsseldorf Frankfurt Hamburg München Nürnberg | Basel Bern Davos Genève Interlaken Lausanne
Locarno Lugano Luzern St. Gallen St. Moritz Zermatt Zürich | Wien | bucherer.com
5
Inhalt
I n h a lt
boom ohnegleichen: Seit den Tagen
der kaiserlichen Wohltäterin und
­Heiligen Kunigunde wurde niemals ­
so viel gestiftet. Stiftungen sind
so etwas wie das ethische Rück-
Was hat die FDP in dieser
grat ­der bürgerlichen Gesellschaft,
Legislaturperiode zustande
­vertrauensbildende Maßnahmen
gebracht? Und wie will sie
­von nachhaltiger Wirkung.
30
Voller Einsatz
Sie haben einen der
­schönsten Berufe der
Welt – und sie wissen es:
Berenberg-Autor und
44
Schule auf Schalke
Die herausragenden jungen
Spieler aus Bundesliga
58
M e n sc h e n
Deutschland erlebt einen Stiftungs-
Sport
Partei im Feuer
Tue Gutes
D i r i ge n t e n
P OLITIK
10
S t i f t u n ge n
16
Vorliebe fürs Hässliche
Die südafrikanische
Schauspielerin Charlize
Theron ist einzigartig:
Attraktiv und selbstbewusst
wie kaum eine Zweite hat
und Nationalmannschaft
sich die Prachtfrau mit den
Kisch-Preisträger
stammen auffällig oft
Maßen eines Supermodels
Emanuel Eckardt begleitet
aus den Fußballschulen
in die erste Reihe der Stars
mit ihrem unpopulären
Wir beschreiben das Phänomen
Vorsitzenden Philipp Rösler in
und beantworten Fragen nach
den Wahlkampf 2013 ziehen?
dem Wie und Warum, den Vorteilen
und beobachtet die Stars
und -internaten der
gespielt. Ihre Lieblings­rollen:
Fraktionschef Rainer Brüderle,
und ­den Stolpersteinen.
der Zunft (unten Claudio
großen Vereine. Wir haben
dicke, hässliche und
Routinier und Hoffnungs­
Abbado) seit vielen Jahren –
Hoffnungsträger wie
unsympathische Frauen
träger zugleich, macht seiner
und beschreibt erstaunlich
Ken Rayomba (l.) und
in erstklassigen Filmen.
Partei Mut.
unterschiedliche Interpre­-
Sidi Sané „auf Schalke“
ta­tionen ihrer Arbeitsweise
besucht.
E DITION
Dieter Blum
8
Politik
Rainer Brüderle im Gespräch
10
S t i f t u n ge n
Deutschland erlebt einen Gründungsboom
Fotografie
Octocopter
24
D i r i ge n t e n
Wie sie ihre Macht ausüben
Marken
Vacheron Constantin
30
38
Sport
Nachwuchsförderung
44
Re i se n
Ein Wochenende in Berlin
M e n sc h e n
Charlize Theron
16
50
58
BERENBERG Intern
und ihrer Macht.
62
Imp r ess u m
Herausgeber: Berenberg Bank, Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG,
Neuer Jungfernstieg 20, 20354 Hamburg;
Projektleitung: Karsten Wehmeier;
Redaktion: Dr. Werner Funk (v. i. S. d. P.); Emanuel Eckardt,
Constanze Lemke, Farimah Justus
Adresse: Dr. Werner Funk, Mittelweg 157, 20148 Hamburg;
Lektorat: www.lektornet.de
Anzeigen: Armin Roth, Telefon (040) 361 31-425,
anzeigen@berenberg.de
Druck: NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG,
Schillerstrasse 2, 29378 Wittingen
Repro: Allzeit Media Consult, 22767 Hamburg;
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung
der Redaktion. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte
Manuskripte oder Fotomaterialien
Titelfoto: Dieter Blum „Der Fuß”
Fotos Inhalt: Steffen Roth, Bildmaschine.de/Volker Rauch,
Peter Fischli/Lucerne Festival, Dorothea Schmid,
Ian West/dpa Picture-Alliance
6
7
Beschnittzugabe
B e r e n be r g E d i t i o n
Inszenierte Träume Solisten des Stuttgarter Balletts und ein schlafender Cowboy (linke Seite). Dramatische Bewegung.
Sir Simon Rattle mit den Berliner Philharmonkern im Einsatz, ein Tänzer im Flug und Lasso schwingende Cowboys
band mit einem Vorwort von Léopold Sédar Senghor, Dichter und Staatspräsident von Senegal. Das opulente Werk erschien gleichzeitig in New York, Paris und Düsseldorf und
brachte es bei einem Preis von 200 US-Dollar­zu einer Auflage von 23.000 Stück. Weil auch Valentin Falin, Botschafter
der Sowjetunion in der Bundesrepublik, an dem Buch Gefallen fand, bot er Blum an, Russland zu fotografieren.
er Fotograf Dieter Blum, am 6. Januar 1936 in „Auch aus der Luft?“, fragte der Fotograf. „Das wird
Esslingen geboren, ist ein Wanderer zwischen den schwierig“, sagte der Diplomat. „Dann lassen wir’s.“
Genres: Amateur und Profi, Werbe­
fotograf und Typisch Blum. Er hatte gut zu tun. Und er konnte warten.
Bildjournalist, inszenierender Künstler und Unternehmer. Nach ein paar Wochen kam das Angebot. Blum durfte als ers­
Mit 18 Jahren organisierte er in Esslingen seine erste Aus- ter westlicher Fotograf Moskau und russische Landschaften
stellung mit eigenen Bildern. Er machte seinen Weg, fo- aus der Luft fotografieren. Ein Staatsakt: Nur die Luftbilder,
tografierte Werbung für Kessler Sekt, reiste für Agfa nach die vom Außenminister Andrei Gromyko unterschrieben
Ostafrika. 1972 gründete er sein eigenes Fotolabor mit­ waren, durften an die Öffentlichkeit.
­
Blum weiß, wie man Öffentlichkeit herstellt. Das Buch
18 Angestellten, wurde als Werbefotograf von der MercedesKundenabteilung oder von Robert Bosch gebucht, fotogra- „Russia“ erschien gleichzeitig in der UdSSR, in Frank­reich
fierte Porsche-Prototypen am Polarkreis. Er ging als Foto­ und in den USA; es wurden knapp 100.000 Exemplare für
reporter für „Stern“ und „Spiegel“ oder das „Zeit-Magazin“ 200 US-Dollar verkauft.
Dieter Blum fotografierte internationale Werbekampag­
auf Reisen. Internationale Blätter wie „Time“ und „Vanity
nen, die sich ins kollektive Gedächtnis einer Generation
Fair“ kamen dazu.
Als Naturfotograf setzte er Maßstäbe, seine Bilder der einprägten, wie die Cowboys für Marlboro. Der Fotograf
afrikanischen Kultur scheinen zu tanzen, ein Rausch der ging eigene Wege. „Ich nahm keine Rücksicht aufs Briefing,
Far­ben, bewegende Poesie. In Afrika unterstützte er die machte das Fenster ganz weit auf.“ Er blieb der einzige nicht
humanitäre Arbeit von Karlheinz Böhm. Als politischer amerikanische Fotograf, nach dem Philip Morris das Lasso
Groß­wildjäger landete er in Uganda im Gefängnis. Als der­ auswarf. Über zwölf Jahre fotografierte er die Kampagne
Diktator Idi Amin den Reporter endlich freiließ und zum für Freiheit und Abenteuer. Ein Topjob. Von einem Teil des
Interview einlud, lehnte der ab, wegen schlechten Benehmens. Erlöses gründete Blum eine Stiftung in Utah/USA, die arSei­ne Impressionen aus Afrika versammelte er in ­ei­nem Bild­- beitslose Cowboys unterstützt. Inzwischen sind die Bilder
Dieter Blum –
Fotograf von Freiheit
und Abenteuer
D
8
Kult. Ein Unikat schaffte es bereits auf seinem einsamen Ritt
durch die Auktionshäuser auf ein Gebot von 96.000 Euro.
Wenn es in Blums Schaffen ein Prinzip gibt, dann ist es:
The Sky is the Limit. Er inszenierte spontane Aktbilder mit
Künstlern wie Alfred Hrdlicka und Jörg Immendorf, Sandro
Chia oder Günther Uecker – das Modell brachte er mit. In ei­
ner anderen Serie wurde er selbst zum Dramatiker und komponierte apokalyptische Tanzszenen mit eigenen Kostümen.
Und immer zog es ihn zu großen Tieren. Er fotografierte
Elefanten, Spitzlippennashörner und Bundeskanzler, ging in
die Luft, machte Aufnahmen von Kampfflugzeugen für die
NATO ebenso wie von Kranichen in der Inneren Mongolei.
Wer Dieter Blum kennt, weiß: Dieser Mann ist unwiderstehlich. Wie ein Schneepflug räumt er beiseite, was ihm im
Weg sein könnte, Bürokraten, Bedenkenträger, Art-Direktoren, die mitreden wollen, aber eben auch die ganz verständlichen Hemmungen und Ängste, die Menschen vor seiner
Kamera entwickeln könnten. Er brachte Solisten des Stuttgarter Balletts ebenso wie das russische Tanzgenie Malakhov,
damals noch Star des Bolschoi-Balletts, oder den Tänzer und
Choreografen Ismael Ivo dazu, nackt vor seiner Kamera zu
agieren. Den Solotänzer Jiri Jelinek, seinen „Michel­angelo“,
ließ Blum dreimal vom nackten Estrich seines Ateliers in die
Luft springen. Einen vierten Versuch gab es nicht. Der Tänzer, der jedes Mal brutal auf den Boden knallte, streikte. Auf
die Frage einer Boulevardzeitung, warum er Tänzer unbedingt nackt fotografieren müsse, hat der Fotograf eine verblüffend einfache Antwort. „Tänzer haben so wunderbare
Körper, da stört jeder Fetzen Stoff.“
Tanz blieb sein Thema. 18 Jahre lang hat er den Tänzer
Vladimir Malakhov begleitet. Das Ergebnis ist ein Bildband
erster Klasse. Handsigniert und in einer Kassette aus rotem
Pergament verwahrt, kostet das Werk 1500 Euro. Die Auflage ist limitiert auf 499 Exemplare. Das Buch ist, weniger
luxuriös ausgestattet, auch schon als Collector’s Edition für
400 Euro zu haben. Eine Popular Edition für 49,95 Euro gibt
es auch.
Wer Blum bei der Arbeit erlebt, kommt aus dem Staunen
nicht heraus. Als Manager seines Motivs ist er von kompromissloser Autorität. Widerspruch ist nicht nur zwecklos,
son­dern undenkbar. Die Musiker der Berliner Philharmoniker dirigierte er mit knappen Anweisungen in die Zimmer des
Okura-Hotels in Tokio, dessen Fassade er von einem gegenüberliegenden Haus aus fotografierte. Für die „Stern“-Reportage mit dem Bild der in ihren Zimmern übenden Musiker erhielt er 1982 den World Press Photo Award, den Os­car
der Fotografie. Das Thema ließ ihn nicht los. 25 Jahre lang
hat er die Berliner Philharmoniker immer wieder auf ihren
Reisen begleitet und mehrere Bücher über sie veröffentlicht.
Die Verbindung zu Russland blieb. 2003 gelang es ihm,
unter dem Titel „Körperkathedralen“ nicht nur seine dramatischen Tanzbilder großformatig in der Eremitage in­
St. Petersburg zu präsentieren, es war Platz genug für eine
Retrospektive seines Gesamtwerks. Über 300.000 Besucher
kamen, darunter auch mehrmals Wladimir Putin. Gerhard
Schröder hatte die Schirmherrschaft übernommen.
B e r e n be r g E d i t i o n N o 1 3
Dieter Blum
„Der Fuß” (Tänzerin Elisa Carrillo Cabrera,
Erste Tänzerin im Staatsballett Berlin)
Format: 90 x 60 cm (B x H),
signiert und limitiert,
hochwertiger Fine Art Print.
Print Nr. 1–3: 950 EUR
Print Nr. 4–7: 1200 EUR
Print Nr. 8–9: 1500 EUR
Print Nr. 10: 1800 EUR
Bezugsquelle:
Studio Dieter Blum, Postfach 1001 50, 73701 Esslingen,
pitzer@studio-blum.de
9
Politik
„Wir sind in der Vergangenheit
vielleicht zu sehr gehüpft“
Rainer Brüderle, Fraktionsvorsitzender der FDP im Deutschen
Bundestag über den Zustand seiner Partei und ihrer Führung
Alles klar bei der FDP? Im Prinzip ja. Es ist in der liberalen Partei unumstritten, dass man einen neuen Parteivorsitzenden braucht. Und endlich ein Ende der Diskussion darüber. Sie läuft schließlich seit Jahren. Denn auch unter Guido
Westerwelle wurde schon die Frage diskutiert, wer hievt die
FDP bei der Bundestagswahl über die Fünf-Prozent-Marke?
Was alle denken, aber keiner zu sagen wagt: Mit Rösler schaffen wir es nicht, Rainer Brüderle wäre der bessere Mann fürs
politische Überleben. Aber auch er hält sich eisern an das
Gesetz, das derzeit in der liberalen Partei gilt: Vor der niedersächsischen Landtagswahl findet keine Rösler-­Diskussion
statt. Scheitert die FDP auch dort, dürfte die Frage über Nacht
entschieden sein – zugunsten Brüderles.
Herr Brüderle, wie erklären Sie sich den dramatischen
Absturz der FDP in der Wählergunst von 14,6 Prozent bei
der letzten Bundestagswahl auf jetzt unter 5 Prozent?
Das eine sind Umfragen, das andere sind Wahlergebnisse.
Wir haben bei den letzten beiden Landtagswahlen in NRW
und Schleswig-Holstein stark abgeschnitten. Wir werden
auch bei der Bundestagswahl ein gutes Ergebnis erreichen.
Deutschland steht gut da. Wir haben Rekordbeschäftigung.
Schwarz-Gelb wirkt.
Aber warum kommt das bei
den Wählern nicht an? Können Sie
den Menschen Ihre Leistung nicht
vermitteln?
Richtig ist, dass die politischen
Entscheidungen relativ komplex
sind. Nehmen Sie die Bankenregulierung. Das beginnt bei den Landesbanken, die unter politischem
Einfluss nicht gerade erfolgreich
waren. Und wir haben innerhalb
Europas leider Schwierigkeiten,
die notwendigen Rahmenbedin-
10
gungen gemeinsam hinzubekommen, weil unsere britischen
Freunde bei der Regulierung des Bankenmarkts einen völlig
anderen Weg gehen und gar nicht daran denken, in Europa
koordiniert die Missstände zu beseitigen.
Keine andere Partei hat auch nur annähernd so viel Stimmen verloren wie die FDP.
Die Bundestagswahl ist in einem Jahr. Klar, wir müssen uns
kräftig anstrengen. Dass wir das können, haben ja Christian Lindner in Nordrhein-Westfalen und Wolfgang Kubicki in
Schleswig-Holstein bewiesen.
Vielleicht liegt es daran, dass die schwarz-gelbe K
­ oalition
seit Monaten den Eindruck macht, sie sei fast schon Geschichte, auch wenn sie nur formal noch bis zur Bundestagswahl existiert?
Die christlich-liberale Koalition arbeitet erfolgreich. Leider
überdecken wir mit öffentlichen Diskussionen gelegentlich
selbst unsere gute Bilanz. Wir können in jeder Sitzungswoche neue Häkchen hinter Punkten auf unserer Agenda machen. Gerade haben wir z. B. das Mietrecht reformiert und
den Hochfrequenzhandel reguliert. Denken Sie doch auch
nur mal an die Stabilisierungsmaßnahmen für den Euro.
Ohne Schwarz-Gelb hätten wir doch längst Eurobonds und
eine Schuldenunion, wie sie Grüne und SPD wollen. Ich sehe
gute Chancen, dass die christlich-liberale Koalition bei der
Bundestagswahl bestätigt wird.
Vorausgesetzt, die FDP schafft die Fünf-Prozent-Hürde.
Die FDP wird ein gutes Ergebnis erreichen.
Dass Sie Ihren Optimismus auf Nordrhein-Westfalen und
Schleswig-Holstein stützen, ist kühn. In beiden Ländern sind
Sie mit Ihren politischen Solitären angetreten, vergleichbare
Kaliber hat die FDP ansonsten nirgendwo aufzubieten.
Als Solist können sie in der Politik keinen Erfolg haben. Wir
sind in der FDP ein Team. Und dazu gehören ganz unter-
11
PO
o Ll Ii Tt Ii K
k
P
„Es darf
Ihr Vorsitzender
Vorsitzender Rösler
Rösler hat
hat Anfang
Anfang des
des Jahres
Jahres das
das Wort
Wort
Ihr
„Wachstum“ als
als neue
neue Parole
Parole der
der FDP
FDP ausgegeben.
ausgegeben. Was
Was ist
ist
„Wachstum“
daraus geworden?
geworden?
daraus
schiedliche Typen.
Typen. Einschätzungen
Einschätzungen ändern
ändern sich
sich übrigens
übrigens
schiedliche
auch ständig.
ständig. Guido
Guido Westerwelle
Westerwelle etwa
etwa bekommt
bekommt jetzt
jetzt viel
viel
auch
­Zuspruch für
Arbeit als
für seine
seine Arbeit
als Bundesaußenminister.
Bundesaußenminister.
Zuspruch
Aus einem
einem sehr
sehr tiefen
tiefen Tal,
Tal, weiter
weiter unten
unten als
als er
er kann
kann man
man
Aus
als Bundesaußenminister
Bundesaußenminister ja
ja gar
gar nicht
nicht sitzen.
sitzen.
als
Für mich
mich zählt
zählt seine
seine Arbeit
Arbeit für
für Deutschland
Deutschland und
und nicht
nicht
Für
die tägliche
tägliche Umfrage.
Umfrage. Er
Er ist
ist international
international ein
ein geschätzter
geschätzter
die
Gesprächspartner und
und hat
hat Deutschland
Deutschland erfolgreich
erfolgreich im
im UNUNGesprächspartner
Sicherheitsrat vertreten.
vertreten. Und
auch die
die anderen
anderen FDP-MinisFDP-MinisUnd auch
Sicherheitsrat
Arbeit. Zum
ter sind
sind sehr
sehr erfolgreich
erfolgreich in
in ihrer
ihrer Arbeit.
Zum Beispiel
Beispiel ist
ist Frau
Frau
ter
Leutheusser-Schnarrenberger überaus
überaus aktiv
aktiv als
als BürgerBürgerLeutheusser-Schnarrenberger
rechts-Gewissen dieser
dieser Regierung
Regierung …
…
rechts-Gewissen
Das wollen
wollen Sie
Sie doch
doch nicht
nicht auch
auch für
für den
den FDP-VorsitzenFDP-VorsitzenDas
den und
und Wirtschaftsminister
Wirtschaftsminister Rösler
Rösler behaupten.
behaupten.
den
Philipp Rösler
Rösler ist
ist genauso
genauso engagiert
engagiert für
für die
die liberale
liberale Sache
Sache
Philipp
wie wir
wir alle.
alle. Er
Er arbeitet
arbeitet als
als Wirtschaftsminister
Wirtschaftsminister intensiv
intensiv an
an
wie
der Eurostabilisierung
Eurostabilisierung und
und der
der Energiewende.
Energiewende. Wir
Wir sind
sind ein
ein
der
gutes Team.
Es ist
ist im
im Übrigen
Übrigen nicht
nicht fair,
fair, einen
einen aus
aus der
der MannMannTeam. Es
gutes
schaft herauszupicken.
herauszupicken. Was
Was zählt,
zählt, ist
ist die
die Gesamtleistung.
Gesamtleistung.
schaft
Sie gelten
gelten als
als der
der Mann,
Mann, der
der liberale
liberale Positionen
Positionen auf
auf dem
dem
Sie
Feld der
der Wirtschaftspolitik
Wirtschaftspolitik noch
noch glaubwürdig
glaubwürdig vertreten
vertreten
Feld
kann. Es
Es gibt
gibt aber
aber auch
auch ein
ein Zitat
Zitat über
über Sie,
Sie, das
das klingt
klingt so:
so: „Er
„Er
kann.
ist der
der Trommler
Trommler auf
auf einer
einer Galeere,
Galeere, von
von der
der man
man nicht
nicht weiß,
weiß,
ist
ob sie
sie noch
noch Wasser
Wasser unterm
unterm Kiel
Kiel und
und genügend
genügend Ruderer
Ruderer an
an
ob
den Riemen
Riemen hat.“
hat.“ Trifft
Trifft das
das zu:
zu: Brüderle
Brüderle der
der einzige
einzige HoffHoffden
nungsträger der
der FDP?
FDP?
nungsträger
Wenn die
die Natur
Natur nicht
nicht mehr
mehr wächst,
wächst, ist
ist sie
sie tot.
tot. Wachstum
Wachstum
Wenn
ist der
der Prozess
Prozess von
von Veränderungen
Veränderungen und
und Neuentwicklungen,
Neuentwicklungen,
ist
Rhythmen.Wir
auch die
die Wirtschaft
Wirtschaft entwickelt
entwickelt sich
sich ja
ja in
in Rhythmen.
Wir braubrauauch
chen Wachstum
Wachstum als
als Voraussetzung
Voraussetzung dafür,
dafür, damit
damit wir
wir RessourRessourchen
cen haben.
haben.Wachstum
Wachstum ist
ist kein
kein Selbstzweck,
Selbstzweck, sondern
sondern ein
ein MitMitcen
tel zum
zum Zweck.
Zweck. Mit
Mit Wachstum
Wachstum haben
haben wir
wir die
die Chance
Chance in
in der
der
tel
Umweltpolitik, in
Sozialpolitik, der
der Umweltpolitik,
in der
der Entwicklungshilfe,
Entwicklungshilfe, ananSozialpolitik,
Arme zu
deren unter
unter die
die Arme
zu greifen,
greifen, etwas
etwas zu
zu bewegen.
bewegen. Für
Für die
die
deren
Ressourcen. DesDesWende in
in der
der Energiepolitik
Energiepolitik brauchen
brauchen wir
wir Ressourcen.
Wende
Ansatz als
halb ist
ist Wachstum
Wachstum der
der richtige
richtige Ansatz
als Mittel
Mittel zum
zum Zweck
Zweck
halb
für
Wohlstand
in
unserem
Land.
für Wohlstand in unserem Land.
Ich habe
habe den
den Schritt
Schritt von
von Christian
Christian Lindner
Lindner damals
damals bedauert,
bedauert,
Ich
weil ich
ich gern
gern mit
mit ihm
ihm zusammengearbeitet
zusammengearbeitet habe.
habe.Aber
Aber er
er hat
hat
weil
sich so
so entschieden
entschieden –
– und
und für
für die
die FDP
FDP in
in Nordrhein-WestfaNordrhein-Westfasich
len war
war sein
sein Schritt
Schritt ja
ja auch
auch sehr
sehr erfolgreich
erfolgreich mit
mit Blick
Blick auf
auf die
die
len
Landtagswahlen. Und
Und noch
noch einmal:
einmal: Wir
Wir sind
sind ein
ein Team
Team und
und
Landtagswahlen.
wollen zusammen
zusammen die
die Wahlen
Wahlen gewinnen.
gewinnen. Dazu
Dazu brauchen
brauchen wir
wir
wollen
keine Personalspekulationen,
Personalspekulationen, sondern
sondern beharrliche
beharrliche KärrnerKärrnerkeine
arbeit, wie
wie ich
ich das
das gern
gern nenne.
nenne.
arbeit,
Traurig sagen
sagen Sie?
Sie?
Traurig
11 22
Mann wie Rösler setzen, der einmal gesagt hat: Er wolle mit
45 Schluss machen mit der Politik. 39 ist er inzwischen schon.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie persönlich hätten es auch so
gemacht …
(Brüderle laut lachend) … Das ist eine Frage des persönlichen
Lebensentwurfs. Und dazu müssen Sie ihn schon selbst befragen. Grundsätzlich gilt: Sie können in schon fortgeschrittenem Lebensalter noch gute Politik machen. Andererseits
gibt es in der deutschen Politik hinreichend jung Vergreiste …
Mit Lindner
Lindner hat
hat sich
sich in
in der
der Tat
Tat Wachstum
Wachstum verbunden.
verbunden.
Mit
Wie können
können Sie
Sie dagegen
dagegen die
die Zukunft
Zukunft der
der FDP
FDP auf
auf einen
einen
Wie
Gestatten Sie uns noch einen Versuch, die Erfolgsträger
der FDP herauszufinden
herauszufinden …
(Herzhaftes Lachen Brüderles)
… ist Philipp Rösler ein FDP-Chef auf Abruf?
Nein.
Sagen Sie das mit oder ohne Ausrufezeichen?
Gern noch einmal: Nein!
Das erinnert sehr an das Wort von Rainer Barzel im Jahr
1966: „Ludwig Erhard ist und bleibt Bundeskanzler der
Bundesrepublik Deutschland.“ Kurz darauf saß Erhard auf
dem Altenteil. Könnte es auch mit Rösler so laufen?
Also, meine Herren, ich halte überhaupt nichts davon, dass
wir solche Personaldiskussionen führen. Rösler ist der FDPVorsitzende. Und bekanntlich gewinnen auch die Liberalen
mit dem Dreiklang von Hans-Dietrich Genscher: Inhalt, Personen und Stil. Dazu gehört also auch die Art und Weise, wie
wir mit unserem Führungspersonal öffentlich umgehen. Deshalb betone ich noch einmal: Er ist der Vorsitzende, und er
hat mein Vertrauen.
Alles wächst,
wächst, nur
nur die
die FDP
FDP nicht.
nicht. Der
Der zurückgetretene
zurückgetretene
Alles
FDP-Generalsekretär Lindner
Lindner hat
hat mal
mal gesagt,
gesagt, es
es gebe
gebe den
den
FDP-Generalsekretär
Moment, in
in dem
dem man
man seinen
seinen Platz
Platz frei
frei machen
machen muss,
muss, um
um
Moment,
eine neue
neue Dynamik
Dynamik zu
zu entwickeln.
entwickeln. Sollte
Sollte das
das nicht
nicht auch
auch RösRöseine
ler beherzigen?
beherzigen?
ler
Mit Sicherheit
Sicherheit nicht.
nicht. Das
Das wäre
wäre ja
ja traurig.
traurig.
Mit
Ich meine,
meine,es
es wäre
wäre traurig,
traurig,wenn
wenn es
es in
in einer
einer Partei
Partei mit
mit 60.000
60.000
Ich
Mitgliedern nur
nur einen
einen Hoffnungsträger
Hoffnungsträger geben
geben würde.
würde. Da
Da gibt
gibt
Mitgliedern
es viele
viele Hoffnungsträger.
Hoffnungsträger. Wir
Wir müssen
müssen uns
uns wieder
wieder mehr
mehr auf
auf
es
die liberalen
liberalen Kernthemen
Kernthemen konzentrieren.
konzentrieren. Ich
Ich meine
meine damit
damit vor
vor
die
allem die
die Bürgerrechte,
Bürgerrechte, die
die soziale
soziale Marktwirtschaft,
Marktwirtschaft, wo
wo der
der
allem
Mittelstand große
große Hoffnungen
Hoffnungen auf
auf uns
uns setzt,
setzt, und
und das
das Thema
Thema
Mittelstand
Bildung.
Bildung.
Altersrassismus geben“
in Deutschland keinen A
Dazu zählen Sie Rösler aber doch nicht …
… dazu zähle ich ihn in der Tat nicht. Ich finde,
finde, es darf in
Deutschland auch keinen Altersrassismus geben. Mir macht
meine Arbeit nach wie vor Freude.
Wechseln wir daher von einem Erfolgsträger der FDP,
von Rösler, zum nächsten, zu Wolfgang Kubicki. Haben Sie
seine Hymne auf Steinbrück gelesen, die kürzlich im „Handelsblatt“ erschienen ist? Die FDP habe als Marke „generell verschissen“, hat Ihr Parteifreund Kubicki andererseits
schon einmal gesagt. Machen solche Worte das Überleben
der FDP wahrscheinlicher?
Wie bewerten Sie denn die Art, wie die SPD ihr Führungsproblem gelöst hat? Da steckte ja viel mehr Mumm drin, als
die FDP gegenüber ihrer Führung zeigt.
Zunächst einmal hat das Vorgehen der SPD gar nichts mit
Willy Brandts altem Versprechen zu tun: „Wir wollen mehr
Demokratie wagen.“ Steinbrück wurde im kleinsten Kreis
gekürt, man war sich wohl schon seit Längerem einig, wer
es wird. Dennoch wurde die Inszenierung einer Troika noch
ziemlich lange fortgeführt. Jetzt dürfen die Gremien der SPD
Also da war doch auch Selbstkritik im Spiel, und die hat dazu
geführt, dass Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein sehr
erfolgreich war. Ich kenne ihn seit über 30 Jahren, wir sind
befreundet. Er ist eine Klasse-Type, die weiß, dass Politik
auch Kritik braucht. Insofern ist er eine echte Bereicherung
der FDP, aber auch immer für Überraschungen gut. Bei seinem Loblied auf SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück müssen
Sie auch bedenken, dass die beiden miteinander studiert
haben und sich seit Urzeiten kennen. So etwas verbindet ein
Leben lang, wie ich aus meinem Studium weiß.
13
POlitik
„Ich bin kein Wanderer, ich bin keine Karawane,
Wenn die FDP sich von ihrem Umfragetief erholen will,
muss sie ihren besten Mann oder ihre beste Frau zum Spitzenkandidaten machen. Sehen Sie das anders?
Es ist in der Politik wie beim Fußball. Dort braucht man ein
Team aus elf Spielern, manchmal geht es eine Zeit lang auch
mit zehn. Aber das reicht nur zum Durchhalten. Mit voller
und geschlossener Mannschaft spielt es sich besser, allein
geht gar nichts.
Aber wenn ein van der
Vaart zum HSV kommt,
dann marschiert plötzlich die
ganze Mannschaft. Das täte
auch der FDP ganz gut. Wer
ist ihr neuer Spielmacher?
Van der Vaart ist ja eben kein
neuer Spielmacher, sondern
kennt den HSV. Sein guter
Einstand spricht eher für
Kontinuität und für das Besinnen auf eigene Stärken.
Tatsächlich hat sich die inhaltliche Entleerung der FDP unter
Westerwelle unter ihm nur fortgesetzt. Von Bildung war nie
die Rede.
Bildung wird ein zentrales Thema der FDP im Bundestagswahlkampf sein. Denn Bildung sorgt für gerechtere Chancen
der Kinder. Das ist ein schwieriges Feld, denn das Sagen haben in der Bildung 16 verschiedene Bundesländer. Und da
dürfen Kinder nicht zu Versuchskaninchen werden, wie das
jetzt bei den verschiedenen Schulreformen leider immer
wieder der Fall ist.
Nennen Sie die doch mal konkret.
Unsere Leitthemen sind Bildung, Bürgerrechte, soziale Marktwirtschaft und Europa. Man kann nicht jedes Thema gleich
intensiv beackern, dann geht die Orientierung verloren.
Genau das hat Rösler doch in Rostock versprochen: „Ich werde liefern“, war sein Schlüsselsatz fürs Amt des Parteichefs.
Wie könnte die FDP Ihrer Ansicht nach ehemalige Wähler zurückgewinnen?
Weshalb reden, besser: streiten Sie dann in der schwarzgelben Koalition vorwiegend über die Frage des Betreuungsgelds?
Das ist ein Punkt, der im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Ein Herzensanliegen
der FDP ist das Thema gewiss
nicht. Aber es wird vernünftig
gelöst werden.
Sie haben als weiteres
Kernthema auch noch die
soziale und liberale Marktwirtschaft
genannt.
Das
Freidemokraten Lindner, Brüderle, Rösler „Wir leben in
einer komplizierten Zeit“
Wirtschaftsministerium unter
Also gut. Besteht das Pro­
Rösler hat da eine zentrale
blem der FDP darin, worunter auch Röslers Ansehen leidet, Stellung für die Selbstdarstellung der Partei. Aber das will
nämlich in ihrer inhaltlichen Leere und in der Schwäche, ihm nicht gelingen.
ihre Anhänger zu mobilisieren? Das ist vor allem eine Mo- Das ist ein neuer Anlauf gegen meinen Parteichef. Aber es
mentaufnahme und kein Wahl­ergebnis. Trotzdem ist die Entwicklung natürlich nicht erfreulich. Aber inhaltliche Leere ist
ein unberechtigter Vorwurf. Die FDP regiert erfolgreich. Gerade in der Eurokrise halten wir klaren Kurs und zeigen klare
Kante. Darüber hinaus halten wir uns an die Brot-und-ButterThemen.
nicht stellen. Für eine Ampel sehe ich auch gar keine Basis.
Denn ein ganz wichtiges Thema der FDP muss sein, dass wir
bei der Eurostabilisierung weiter einen vernünftigen Weg gehen. Denn eines ist für eine Freiheitspartei wirklich entscheidend: die Wahrung der Geldwert-Stabilität. Die Deutschen
haben zweimal ihr Geld verloren. Rot-Grün hat in dieser Frage
Europa nicht weiterentwickelt, sondern zurückentwickelt. Mit
Rot-Grün lässt sich kein stabiles, vernünftiges Europa bauen.
bleibt dabei: Wir sind ein Team, und ich bin loyal zu meinem
Vorsitzenden, und Sie werden mir keine andere Äußerung
entlocken können.
Sie haben erst im Mai gesagt, die Diskussion einer Ampel
im Bund sei Unfug. Bleiben Sie dabei?
Ja! Unsere jetzige inhaltliche koalitionäre Basis ist klar besser.
Prominente Parteifreunde werden aber neuerdings einer
schwarz-gelben Koalition untreu. Entwicklungshilfeminister
Dirk Niebel schwärmt: „Auch andere Mütter haben schöne
Töchter.“ Schließen Sie eine Ampel völlig aus?
Schwarz-Gelb wird die Wahl gewinnen, diese Frage wird sich
Durch solide Arbeit.
Aber dafür hatten Sie doch schon drei Jahre Zeit! Wollen
Sie damit jetzt endlich zum Endspurt ansetzen?
Die Menschen wollen in unsicheren Zeiten einen Stabilitätsanker haben. Das wird man nur durch seriöse, solide Arbeit, die
man offen darlegt. Hüpfen bringt keine Zustimmung der Wähler. Wir sind in der Vergangenheit vielleicht zu sehr gehüpft.
Foto: ddp images/dapd
nur noch zustimmen. Das ist bei der FDP völlig anders. Da
entscheiden die Parteigremien. Mit mehr Demokratie hatte
das Vorgehen der SPD wirklich nichts zu tun.
aber jetzt kämpfe ich gern hier im Bundestag“
Zu sehr gehüpft. Dem wollen wir nicht widersprechen.
Aber Sie sind auch nicht in der Lage gewesen, ein modernes,
zeitgerechtes Parteiprogramm neu zu beschließen. Über Ihre
Wiesbadener Erklärung sind Sie nicht hinausgekommen:
Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass sich die FDP jetzt
in einem wachkomatösen Zustand befindet: Es gibt heute
Probleme, an die man im Jahr 1997 nicht gedacht hat, die
keine Rolle spielten.
Das ist völlig richtig. Und doch wieder nicht: Unsere Geisteshaltung als Grundlage unserer Politik ist verlässlich. Nehmen
Sie das Grundgesetz: Es ist von 1948 und immer noch richtig,
auch wenn die Auslegung immer wieder der Zeit angepasst
wird. Die Grundeinstellung der FDP steht auf felsenfestem
Boden: Privat vor Staat, Eigenverantwortung vor Bevormundung. Das ist unsere grundlegende Philosophie. Die Fragestellungen und Anwendungen sind heute natürlich andere
als 1997. Da haben Sie recht. Damals haben wir nicht an eine
Finanzmarktkrise gedacht und nicht daran, dass Europa in so
einen Gärprozess kommt, wie er derzeit stattfindet. Aber unser Programm ist unser Leitfaden auch für diese Probleme.
Vielleicht sollten Sie wieder zurück ins Wirtschaftsministerium, dort hätten Sie mehr Einfluss auf die notwendigen
Entscheidungen?
Politik ist kein Wunschkonzert. Ich habe den Fraktionsvorsitz
übernommen, auch wenn mir die Entscheidung nicht leicht
fiel. Ich bin kein Wanderer, ich bin keine Karawane, aber jetzt
kämpfe ich gern hier im Bundestag.
Eine letzte Frage: Wie kann eine Partei in einen Bundestagswahlkampf ziehen, deren Vorsitzender in allen Umfragen so schlechte Werte hat?
Ich lasse mich nicht von täglichen Umfragen beirren. Die
Entscheidung fällt erst am Wahltag. Und dann werden
wir Liberalen wie in
Schleswig-Holstein und
Nordrhein-Westfalen
erfolgreich sein. Etwas
anderes werden Sie mir
nicht entlocken, auch
wenn Sie es hartnäckig
versucht haben.
D a s G esp r äc h fü h r t e n W e r n e r F u n k u n d
H a n s P e t e r S c h ü t z | F o t o s : S t effe n R o t h
14
15
S t i f t u n ge n
Vom Segen des guten Geldes
Deutschland erlebt einen beispiellosen Stiftungsboom
T e x t: J a n L o r e n z
Foto: Your Photo Today/PM
A
16
lle gehen stiften. Der Trend ist unübersehbar. Nie
wurden in Deutschland so viele Stiftungen gegründet, 817 allein im vergangenen Jahr, so viele wie
früher in einem Jahrzehnt. In Deutschlands Stiftungen ruht ein Milliarden-Vermögen. Allein die 15 größten
Stiftungen in Deutschland versammeln ein Kapital von über
26,8 Milliarden Euro unter ihrem Dach und investierten im
vergangenen Jahr mehr als 730 Millionen Euro.
Stiftungen sind das ethische Rückgrat der bürgerlichen Gesellschaft, vertrauensbildende Maßnahmen von nachhaltiger
Wirkung. Derzeit sind rund 19.000 rechtsfähige Stiftungen
bürgerlichen Rechts und mindestens 300 Unternehmensstiftungen registriert. Die Zahl nicht rechtsfähiger Stiftungen
oder Treuhandstiftungen lässt sich nur schätzen, denn ein
zentrales Melderegister gibt es nicht. Sie liegt i­rgendwo
zwischen 30.000 und 100.000. Vielleicht auch ­darüber.
Stiften dient dem Gemeinwohl. 96 Prozent aller Stiftungen in Deutschland verfolgen gemeinnützige Zwecke.
Ihre Erträge fließen in Bildung, Wissenschaft und Forschung, Umwelt- und Denkmalschutz, Kultur, Sport und
soziale Institutionen wie Jugend- und Altenhilfe. Manchmal
sind es Millionenbeträge, manchmal ein eher kleines Budget,
das dem guten Zweck dient.
„Was uns Sorge bereiten muss, ist ein gravierend gewachsener Vertrauensverlust in die tragenden gesellschaftlichen
Institutionen – von Kirchen bis zu Gewerkschaften. Dieser
Vertrauensverlust, so verständlich er auch sein mag, ist des­
truktiv für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“, bemerkt Jürgen Chrobog, 72, Ex-Diplomat und Staatssekretär
im Auswärtigen Amt, der 2005 als Vorsitzender des Vorstands in die BMW Stiftung Herbert Quandt wechselte. In
seiner „Hildesheimer Rede“ zum Stiftungstag 2010 betonte
er die stabilisierende Wirkung von Stiftungen in einer Gesellschaft, die sich ständig neuen Herausforderungen gegenübersieht: „Sie bringen Stabilitätsdividende für das Gesamtsystem.“ Deshalb sei die Förderung des Stiftungswesens im
Steuerrecht legitim und für die Gesellschaft lohnend.
Bürgerliches Engagement öffnet die Schleusen für über
Jahrzehnte angesammeltes Vermögen; kinderlose Paare und
Singles ohne Nachkommen suchen einen sicheren Hafen
für ihre Rücklagen, Familienunternehmen stehen schon seit
einigen Jahren am Scheideweg; eine Generation ohne Nachfolger dankt ab.
Stiften tut gut. Soziales oder kulturelles Engagement verbindet Familien und Unternehmen, wirkt identitätsstiftend
über Generationen hinweg. Stiften dient dem guten Namen.
Wer sein Vermögen einem guten Zweck zuführt, bleibt der
Nachwelt in Erinnerung. Immerhin: 40 Prozent der Gründer verzichten darauf, mit einer Stiftung ihrem eigenen Namen Glanz zu verleihen. Wesenstypisch für Stiftungen sei
die Fähigkeit zu langfristiger Betrachtung und eine besondere Sensibilität für das auf Dauer Wichtige, formuliert der
Diplomat Chrobog. „Stiftungen werben dafür, dass dezentrale Eigenverantwortung gestärkt wird und nicht paternalistische Fürsorge eines bürokratischen Wohlfahrtstaats dies
erstickt.“
Das Stiftungswesen ist höchst lebendig. Laut einer
Studie der Bertelsmann Stiftung erfolgen acht von zehn
­
­Gründungen zu Lebzeiten. Das heißt: Stifter unterschreiben nicht nur ihren Letzten Willen, sondern werden noch
zu Lebzeiten aktiv. Annähernd 40 Prozent sind jünger als 60
Jahre, und 42 Prozent haben keine direkten Nachkommen.
Stifter sind überdurchschnittlich gebildet, 36 Prozent haben
einen Hochschulabschluss, zwei Drittel bezeichnen sich als
gläubig.
Lebendiges Mittelalter
Stiftungen haben eine lange Tradition. Im Mittelalter sicher­
ten sie den Nachruhm des Stifters und sein Seelenheil.
­Kaiserin Kunigunde, Gemahlin des letzten Ottonenkaisers
Heinrich II., stiftete ihre ganze Aussteuer dem Bistum Bamberg und wurde dafür sogar heiliggesprochen. 1521 stiftete Jakob Fugger „der Reiche“ eine Wohnsiedlung für Bedürftige,
die Fuggerei. Die Jahresmiete für eine Wohnung beträgt bis
17
S t i f t u n ge n
Die größten deutschen Privatstiftungen
Ausgaben 2010 in Millionen Euro
heute 0,88 Euro sowie täglich drei Gebete für den Stifter und das Geheime Staatsarchiv. Die Stiftung Warentest, eine Idee
seine Familie.
von Konrad Adenauer und 1964 gegründet, setzt in der QuaIn einem zerrissenen Land, das viele Jahrhunderte lang litätsprüfung von Produkten und Dienstleistungen Maßstäunter Kriegen und Katastrophen zu leiden hatte, bilden Stif- be. Die unmittelbar nach der Wende gegründete Deutsche
tungen allen Zeitläufen zum Trotz ein erstaunliches, in sich Bundesstiftung Umwelt (DBU) wuchs zu einer der größten
ruhendes Kontinuum. Rund 250 Stiftungen sind älter als 500 Stiftungen in Europa und hat bisher 8200 Projekte mit rund
Jahre!
1,4 Milliarden Euro unterstützt.
Mit dem Fahrtwind des Wirtschaftswunders wurden auch
Stiftungen brachten ihrem Gründer als Lehnsherrn aber
auch gute Rendite und sicherten den Besitz der feudalen Ge- bedeutende Unternehmensstiftungen wie die Robert Bosch
sellschaft. „Im Würgegriff der toten Hand“ war ein Beitrag in Stiftung oder die Bertelsmann Stiftung ins Leben gerufen.
der „FAZ“ überschrieben, der schildert, wie es gelang, über Der Generationenwechsel setzte ein, Persönlichkeiten, die
den Fideikommiss Ländereien, vor allem Grundeigentum in aus dem Nichts ein bedeutendes Vermögen angehäuft ­hatten,
Landwirtschaft und Forsten, als unangreif­bares Erbe ­feudaler wie Else Kröner (Fresenius), Kurt A. Körber und zuletzt die
SAP-Gründer Klaus TschiZeiten zu bewahren. Diera, Dietmar Hopp und Hasser Grund war weder Stiftungszwecke
so Plattner, überschrieben
zu verkaufen noch zu in Deutschland (Anteil 2010 in Prozent)1
es einer Stiftung, die ihren
beleihen, ein AdelspriWissenschaft, Forschung
Kunst, Kultur
Namen trägt.
vileg, das die Weimarer
13
15
Hamburg gilt als StifReichsverfassung
von
Umweltschutz
Bildung,
4
tungshauptstadt der Repu1919 durch ein Verbot Erziehung
15
4 Privatnützige
Zwecke
blik. Die Hansestadt zählt
beendete.
derzeit 1227 Stiftungen.
Das große
Mehr als die Hälfte sind
Soziales
18
31
Stiftungssterben
nicht älter als zwölf ­Jahre.
Andere
gemeinnützige
Anfang des 20. Jahrhun­
Peter Rawert, Notar in
Zwecke
Basis: 11.729 Stiftungen
derts gab es rund 100.000
Hamburg und HonorarStiftungen im Deutschen
professor in Kiel, sieht die
Reich. Weil viele Stifter ihr Vermögen in Staatspapieren und Gründe „im relativen Wohlstand der Stadt und ihrer Bürabenteuer­
lichen Projekten wie Kaiser Wilhelms Bagdad- gerinnen und Bürger. Zudem gilt die Stiftungsaufsicht in
bahn angelegt hatten, standen sie nach dem Ersten Weltkrieg Hamburg als besonders liberal. Wo immer sie kann, kommt
vor dem Nichts. Viele Stiftungen wurden von der Inflation sie Stifterinnen und Stiftern im Anerkennungsverfahren und
dahingerafft, jüdische Stiftungen in der Nazizeit durch eine in der späteren Begleitung der Stiftung sehr bereitwillig entschnelle Folge von Reichsverordnungen eiskalt enteignet gegen.“
und ihr Vermögen eingesackt. In der DDR wurden bürgerDie Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, 1971 von
liche Stiftungen gleichgeschaltet oder verstaatlicht.
dem Hamburger Verleger Gerd Bucerius eingerichtet, hat in
zehn Jahren zum Beispiel 158 Millionen Euro in die FördeDer Aufschwung des guten Geldes
rung von Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung,
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in der Bundesrepu- Bildung und Erziehung gesteckt. Die Bucerius Law School
blik wuchs die Spendierfreude. Der Staat ging mit gutem wurde zur international renommierten Privathochschule.
Beispiel voran. Die 1957 gegründete Stiftung Preußischer Der Stiftung gehört die Villa an der Alster, die als LiteraturKulturbesitz, eine der größten Stiftungen dieser Art welt- haus zur Institution wurde, und das Bucerius Kunst Forum
weit und zu 75 Prozent vom Bund und 25 Prozent von am Rathaus.
den Ländern getragen, betreut 17 Museen, darunter die
Bemerkenswert ist auch die Entwicklung der Deutschen
Museums­insel in Berlin, die Staatsbibliothek zu Berlin und Stiftung Musikleben. Vor 50 Jahren in Hamburg gegründet,
1)
18
115,4
78,8
Robert Bosch Stiftung
75,5
62,7
60,3
52,9
VolkswagenStiftung
Alexander von Humboldt-Stiftung
Studienstiftung des deutschen Volkes
Bertelsmann Stiftung
Deutsche Bundesstiftung Umwelt
50,2
Baden-Württemberg Stiftung
49,2
Stiftung Warentest
48,5
Hans-Böckler-Stiftung
35,0
32,1
Kulturstiftung des Bundes
Deutsche Stiftung Denkmalschutz
27,5
Dietmar Hopp Stiftung
26,8
Gemeinnützige Hertie-Stiftung
25,6
Stiftung Mercator
23,6
Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
um den Nachwuchs junger Musiker zu fördern, hat sie seither eine halbe Million Teilnehmer beim Wettbewerb Jugend
musiziert gefördert. Seit 1993 verwaltet die Stiftung treuhänderisch wertvolle Streichinstrumente und verleiht sie an
hochbegabte junge Musiker.
Hehre Vielfalt
Die Stiftungslandschaft in Deutschland gleicht einem artenreichen Mischwald, einem Forst, der auf ewig angelegt
ist. Hoch wachsen die öffentlichen Stiftungen bürgerlichen
Rechts, neben den öffentlich-rechtlichen Stiftungen, die per
Gesetz ausgesät wurden, ein Staatsforst, in dem auch die Anstaltsträgerstiftungen zur Vielfalt beitragen, Krankenhäuser,
Pflegeheime, Forschungsstätten und Museen; kirchliche
Stiftungen gedeihen nach eigenem Recht, unternehmensverbundene Stiftungen beeindrucken durch dicke Stämme und
starken Wuchs. Daneben wachsen Verbundstiftungen; Familienstiftungen und Treuhandstiftungen spenden Schatten.
Gemeinschaftsstiftungen wie die Deutsche Stiftung Denk-
malschutz wurzeln tief; neue gemeinnützige Stiftungen bereichern das Biotop, und mittendrin im Unterholz wuchert
die vitale Graswurzelbewegung der Bürgerstiftungen. Eher
am Rand siedeln Verbrauchsstiftungen, Flachwurzler, deren
Sinn es ist, ein Kapital für einen guten Zweck abfließen zu
lassen.
Damit der Wald kein Dschungel wird, hat der Gesetz­
geber einige Bestimmungen gegen Wildwuchs erlassen, aber
in kaum einem Gebiet der Rechtsprechung genießen das
Steuern zahlende Individuum und seine Familie solche Freiheit. Längst nicht alle Stifter sind vermögend; jeder fünfte hat
weniger als 250.000 Euro auf der hohen Kante; 43 Prozent
der Stiftungen starten mit weniger als 100.000 Euro.
Solche Beträge können in Gemeinschaftsstiftungen
durchaus Wirkung zeigen, vor allem wenn die Stifter sich
aktiv engagieren. „Wir haben zum Beispiel das Projekt
‚Lese­zeit‘“, erzählt Klaus Rollin, Initiator der BürgerStiftung Hamburg. „200 Leute lesen Kindern vor. Mit unserer
Aktion ‚Guter Rat vor Ort‘ bieten wir kostenlosen Rechtsrat für Menschen, die sich keinen Anwalt leisten können.
Ein Projekt widmet sich der Unterstützung von Obdachlosen, ein anderes dem Andenken der zivilen Bombenopfer
in Hamburg.“ Engagement lohnt sich. Die BürgerStiftung
Hamburg, 1999 von 14 Erststiftern mit einem Kapital von
100.000 Mark als Gemeinschaftsstiftung gegründet, hat heute ein Kapital von mehr als 30 Millionen Euro angesammelt,
davon 14 Millionen Euro als Treuhandkapital.
Stiftungen schaffen Werte. „Die meisten Bürgerinitiativen sind flüchtige Erscheinungen“, stellt Klaus Rollin fest.
„Bürgerstiftungen sind auf Jahrhunderte eingerichtet, ein
wichtiges Element der Kontinuität in einer Zeit, in der vielen die Zukunft egal ist.“
Die größten Stiftungen öffentlichen Rechts
in Deutschland, Ausgaben 2010 in Millionen Euro
894
Georg-August-Universität
Göttingen
655
Goethe-Universität Frankfurt (Main)
260
172
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Stiftung Deutsches Krebszentrum
19
S t i f t u n ge n
Stiften kann jeder
Berenberg-Stiftungsexpertin Martina Erlwein beantwortet die häufig gestellten Fragen zum Thema
Stiften kann jeder – Privatpersonen,
Unter­­­­nehmen, Vereine und Verbände.
Stiften kann eine Kirche, eine Stadt, ein
Bundesland oder die Bundesrepublik
Deutschland, solange der Zweck der Stiftung das Gemeinwohl nicht gefährdet.
Was unterscheidet eine Stiftung
vom Verein?
Eine rechtsfähige Stiftung ist unabhängig und organisiert sich selbst. Sie hat
einen Zweck, eine Satzung und einen
Vorstand und vor allem ein Vermögen,
aber – anders als ein Verein – keine Mitglieder.
Vorurteil. Wer stiftet, muss sich ja erst
einmal von einem Vermögen trennen.
Richtig ist, dass gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Stiftungen von
den meisten Steuern befreit sind. Mit
dem Gesetz zur weiteren Förderung
des bürgerschaftlichen Engagements
aus 2007 wurde der Höchstbetrag für
die Ausstattung von Stiftungen angehoben. Unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt das Gemeinnützigkeitsrecht, dass die Stiftung aus ihren
Erträgen bis zu einem Drittel für den
Unterhalt des Stifters und seiner Familie, inklusive Grabpflege, verwenden
darf. Diese Einkünfte muss der Stifter
natürlich versteuern.
Wie viel Geld braucht eine Stiftung?
Die Mindestanforderungen liegen im Ermessen der Stiftungsbehörden in den
Bundesländern. Sie liegen zwischen
50.000 und 100.000 Euro. Stiftungen
mit dieser Ausstattung sind aber ohne
persönliches Engagement der Stifter
kaum funktionsfähig, denn die Erträge aus dem Stiftungsvermögen lassen
kaum Spielraum für sinnvolles Engagement. Eine Stiftung ohne Geld ist wie
ein Dach ohne Haus. Spätere Spenden
und Zustiftungen sind meist gern gesehen und steuerlich als Sonderausgaben
abzugsfähig. Um also nachhaltig den
Stiftungszweck erfüllen zu können,
empfehlen wir eine Ausstattung des
Stiftungsvermögens mit mindestens
einer Million Euro.
Bieten Stiftungen Steuervorteile?
Nicht wirklich. Dass man mit Stiftungen
Steuern sparen kann, ist ein beliebtes
20
Wie meldet man eine Stiftung an?
Stiften ist juristisch ein Akt eigener
Rechtsetzung. Es genügt die einfache
Schriftform, solange kein Grundbesitz
übertragen wird. Eine Stiftung entsteht
mit der Anerkennung durch die Stiftungsaufsicht. Sie darf den Stiftungszweck zur Kenntnis nehmen, aber ihm
nicht widersprechen. Entscheidend ist,
dass er dem Gemeinwohl nicht abträglich ist. Anerkennungsfähige Zwecke
finden sich in der Abgabenordnung.
Was passiert mit dem Stiftungskapital?
Sobald die Anerkennung erfolgt, muss
das Stiftungsvermögen übertragen
werden. Die Würfel sind gefallen. Nicht
einmal der Stifter kann noch darüber
verfügen oder den Stiftungszweck än­
dern. Die Stiftung kann den Stifter beerben. Sie ist seinem Einfluss entzogen, es
sei denn, er hat sich selbst als Mitglied
des Vorstands oder sogar als­ Alleinvorstand bestellt. Damit kann er zumindest
Entscheidungen über die Verwendung
der Erträge beeinflussen oder durch ein
Vetorecht blockieren. Aber an das Vermögen kommt er nicht mehr heran.
Zweck der Stiftung nicht zu eng zu formulieren.
Wo hört die Gemeinnützigkeit auf?
Familienstiftungen sind nicht gemeinnützig und genießen keine steuerlichen
Vorteile. Wird ein Vermögen auf eine
solche privatnützige Stiftung übertragen, fällt Schenkungssteuer an. Alle
Einkünfte der Stiftung unterliegen Ertragsteuern – und alle 30 Jahre wird die
sogenannte Erbersatzsteuer fällig, bei
der ein Vermögensübergang auf zwei
Kinder simuliert wird. Die Stiftung beerbt sich gewissermaßen selbst. Eine
Familienstiftung kann auch für mittelständische Unternehmen als Nachfolgelösung interessant sein, weil sie die
Kontinuität des einzubringenden Unternehmens gewährleisten kann. Die
gewählte Organstruktur muss sicherstellen können, dass auch nach dem
Tod des Stifters seine Intentionen befolgt werden.
Kann man mit einer Stiftung
Erben ärgern?
Nur begrenzt. Sie haben einen Anspruch auf den Pflichtteil. Gegebenenfalls kann dieser auch nach der Stiftungsgründung eingefordert werden.
Darüber hinaus genießt der Stifter jede
Freiheit, sein Vermögen vor leichtsinnigen oder als unfähig eingeschätzten
Nachkommen in Sicherheit zu bringen,
indem er es einer Stiftung überantwortet. Eine Stiftung ist im deutschen
Recht die einzige Möglichkeit für einen
Menschen, seinen Willen auch noch
Jahrhunderte nach seinem Ableben
durchzusetzen. Das Vermögen einer
Stiftung darf nicht angetastet werden,
der Stiftungszweck muss aus den Erträgen verwirklicht werden. Der Stifterwille ist für alle Zeiten verbindlich
festgeschrieben. Nur das Erlöschen der
Stiftung lässt ihn verstummen.
Wie funktioniert eine Doppelstiftung?
Welcher Zweck heiligt die Mittel?
Ein Stifter sollte sich gut überlegen, wie
er den Zweck seiner Stiftung formuliert,
und auch dessen Nachhaltigkeit im
Blick haben. Berühmt ist das Beispiel
einer Stiftung, deren Zweck es ist, wollene Unterwäsche für Kapitänswitwen
und Hinterbliebene von Seeleuten
bereit­zustellen. Oft ist es klüger, den
Foto: Berenberg
Wer kann stiften?
Bei einer Doppelstiftung wird das Unternehmen teilweise auf eine Familienstiftung und teilweise auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen. So werden
die Interessen der eigenen Familie gewahrt und die unternehmerische Verantwortung bei der Familie gebündelt.
Trotzdem können Steuervorteile für gemeinnützige Stiftungen, für den Anteil
des Vermögens, der in die gemeinnützige Stiftung eingebracht wird, genutzt
werden. Somit kann die Erbschaftsund Schenkungssteuerlast für die
Übertragung des Unternehmens ver-
ringert werden. Ein bekanntes Beispiel
ist die Bertelsmann Stiftung, die als
gemeinnützige Stiftung mehr als drei
Viertel der Aktien des Unternehmens
besitzt, während ein zweites, deutlich
kleineres Paket in die nicht gemeinnützige Familien-AG überführt wurde.
Kann man ohne Geld eine Stiftung
gründen?
Das kann nur der Staat, mit Stiftungen
des öffentlichen Rechts. Sie entstehen durch Gesetz oder Rechtsverordnung, manchmal auch durch einfachen
­Kabinettsbeschluss. Wegen knapper
­öffentlicher Kassen werden sie häufig
mittellos oder mit nur geringem Stiftungskapital gegründet. Die Stiftungen
besitzen zum Beispiel unverkäufliche
Kunstwerke und Liegen­schaften, die
weder Mieten noch Pachten erbringen.
Diese Stiftungen sind dauerhaft auf die
Zuweisung entsprechender Budgets
angewiesen, um ihrem Stiftungszweck
nachkommen zu können. Der Staat
unterhält aber auch Stiftun­gen des
Privatrechts, wie die Kulturstiftung der
Länder oder die Bundeskulturstiftung.
Die als gemeinnützig anerkannte VolkswagenStiftung ist 1961 aus dem Erlös
von Staatsbe­teiligungen entstanden,
die Deutsche Bundes­stiftung Umwelt
1989 aus ­dem Verkaufserlös der bundeseigenen Salzgitter AG.
Kann man stiften, ohne eine Stiftung
zu gründen?
Kein Problem. Seit das Stiftungsprivileg
auf Zustiftungen erweitert wurde, kann
ein Ehepaar in zehn Jahren bis zu zwei
Millionen Euro absetzen und den Betrag
nach eigenem Gutdünken aufteilen.
Eine Blütezeit erleben deshalb Gemeinschaftsstiftungen, die von mehreren
Stiftern und Zustiftern getragen werden. Regional erfolgreich sind Bürgerstiftungen, die meist mehrere Zwecke
verfolgen und viele Interessen unter
ihrem Dach versammeln. Bürgerstiftungen wachsen dynamisch, ein Trend,
der dem amerikanischen Modell der
„Community Foundation“ folgt und in
Deutschland seit 1996 um sich greift.
Inzwischen gibt es über 300 Bürgerstiftungen in Städten, Gemeinden und
Regionen.
Gibt es neue Entwicklungen und
Trends im Stiftungswesen?
Ein Großteil der existierenden Stiftungen wurde in den letzten zehn Jahren gegründet, man spricht deshalb
auch vom Stiftungsboom. Dennoch
entwickeln sich auch neue Formen der
Gemeinnützigkeit weiter wie z. B. die
gemeinnützige GmbH. Die Grenzen
zwischen Wirtschafts- und Gemeinnützigkeitssektor verschwimmen zusehends, neue Ansätze wie Impact Inves­
ting finden Eingang in gemeinnützige
Zielsetzungen. Unter Impact Investments versteht man Investitionen, die
neben einer finanziellen Rendite auch
ein soziales oder ökologisches Problem
angehen. Anders als bei Spenden und
der Dotierung von Stiftungskapital erwartet der Geber neben einer positiven
sozialen Rendite, dem „Impact“, die
Rückzahlung des eingesetzten Kapitals
und eine Verzinsung oder Dividende.
21
Rubrik
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22
Als Basis für die Verbrauchsermittlung gilt der ECE-Fahrzyklus. Abbildung zeigt Sonderausstattungen.
QR-Code scannen. Kontakt speichern.
Zu jeder Zeit mehr erfahren.
23
Fotografie
Der Flug des Octocopter
Mit der Kamera seines ferngelenkten Fluggeräts
präsentiert ein Fotograf einen neuen Blick auf die Welt
T e x t: P e t e r S a n d m e y e r
Fotos: Jörg Wischmann
E
in freundlicher Herbstabend an der Hamburger Binnenalster. Das Wasser spiegelt letztes Sonnenlicht, die Alsterfontäne sprudelt, Ruderer rudern, Schwäne betteln, Paare und Passanten promenieren. Plötzlich entsteht Unruhe,
ein kleiner Auflauf bildet sich. Männer lassen ihre Frauen stehen und drängen sich um einen seltsamen Apparat, der auf dem Stoppelgras vor der Lombardsbrücke steht. Er sieht aus wie ein unförmiges großes Insekt: 1,20 Meter lang und­
1,40 Meter b
­ reit, er hat vier schwarze Carbonarme, die sich jeweils noch einmal gabeln,
und an jedem Ende seiner acht Extremitäten einen Rotor. Untereinander sind sie verbunden mit einem wirren Geflecht aus Kabeln, Steckern und Platinen. Unter alldem
hängt eine Kamera. Die acht Propeller setzen sich in Bewegung, rote und grüne Lampen
Binnenalster / Hamburg
Aufnahmehöhe 38 m
24
25
Fotografie
Pferdekoppel / Lüneburger Heide
Aufnahmehöhe 3 m
Maisernte
Aufnahmehöhe 25 m
Lüneburger Heide
Aufnahmehöhe 85 m
Waldlichtung / Hamburg
26
Aufnahmehöhe 9 m
Rundlingsdorf Güstritz / Wendland
Aufnahmehöhe 8 m
blinken auf, das Gerät hebt ab, Luftstrom
faucht, es steigt auf, kippt etwas nach vorn
und fliegt dann lautlos und rasend schnell
hinaus auf das Wasser.
„Octocopter“ nennt der 49-jährige Fotograf Jörg Wischmann sein jüngstes Arbeitsgerät, das er vor zwei Jahren gemeinsam
mit einem versierten Techniker gebaut hat
und das ihm seither eine neue fotografische
Dimension erschließt: den Luftraum über
Baumwipfeln und Dächern, aber unterhalb
der Flughöhe eines Helikopters. Aus diesem Höhensektor des Himmels bieten sich
Perspektiven, die zuvor von keiner Kamera
wahrgenommen werden konnten.
Wischmann steht am Ufer der Binnen­
alster und steuert seine fliegende Kamera vorsichtig immer näher an die Gischt
der Wassersäule heran, die sich 60 Meter
über der Alster bricht. Gesteuert wird per
Fernbedienung über die Veränderung der
Drehzahl der Rotoren. Pro Sekunde bekommt jeder Elektromotor 500 Signale.
„Man muss sehr viel üben“, sagt der Pilot,
der für seine Flüge eigens eine behördliche
„allgemeine Aufstiegserlaubnis“ erwerben
musste. Über Wischmanns Schulter hängt
eine Tasche, in der sich die Stromversorgung für den Monitor befindet, den er in
seinen Händen hält. Der zeigt ihm, was die
Kamera sieht. Der Fotograf dirigiert sie
jetzt in die richtige Position vor der Fontäne und löst aus. Sein Fluggerät kann in
der Luft stehen, sich um die eigene Achse
drehen, locker bis zur erlaubten Höhe von
300 Metern steigen und bis zu 100 km/h
schnell fliegen. Mit einem Auto gleicher
Geschwindigkeit könnte der Octocopter
mühelos Schritt halten. „Die Einsatzmöglichkeiten“, sagt Wischmann, „sind sensationell.“
Aber zeitlich straff limitiert, der Fotograf muss sich jetzt beeilen. Der Monitor
zeigt an, dass die Akkuladung seines Ap-
27
Fotografie
Rundlingsdorf Satemin / Wendland
Aufnahmehöhe 121m
Queen Mary 2 / Hamburg
Aufnahmehöhe 67 m
Wempe-Sternwarte / Glashütte, Sachsen
Aufnahmehöhe 76 m
Chilehaus / Hamburg
28
Aufnahmehöhe 39 m
Reetdachhaus
Aufnahmehöhe 5 m
parats zur Neige geht – sie reicht für sieben
bis zehn Minuten pro Flug –, er muss den
Einsatz schleunigst beenden, sonst droht
ein Absturz in die Alster. Dann hätte er
rund 15.000 Euro versenkt – 10.000 mit
dem Octocopter und 5000 mit der Nikon
D 800 und dem Objektiv, die dranhängen. In der Testphase ist ein solcher Crash
schon passiert, zum Glück aus niedriger
Höhe und mit begrenztem Schaden.
Das fliegerische Risiko erhält immerhin
etwas von dem Nervenkitzel aufrecht, der
die früheren Berufsjahre des Fotografen
prägte. Manche Abschnitte davon hat Jörg
Wischmann in Gips verbracht. Das war
eine unmittelbare Folge des Ehrgeizes, mit
seinen Fotos möglichst genau das zu versinnlichen, was diese Fotos zeigten. Und
das war sehr oft Extremsport. Wischmann
fotografierte für „Stern“ und für „Geo“:­
Formel-1- und Motorradrennen, Motocross und Fallschirmspringen, Basejumping und wilde Kajakfahrten. Für letztere
paddelte er selbst durchs Wildwasser mit
einer wasserdichten Kamera, die in seinen
Helm eingebaut war. Und um den Lesern
eine authentische Vorstellung davon zu
vermitteln, was der Fahrer eines Motorradrennens wahrnimmt, raste er über den
Nürburgring mit Kameras, die am Motorrad und an seinem Knie befestigt waren.
Bei einem Sturz brach er sich Bein und
Wirbelsäule.
Später kamen ruhigere Jahre, in denen
er sich darauf spezialisierte, das virtuose Innenleben kostbarer mechanischer
Uhren zu fotografieren, vor allem für Lange & Söhne. ­Aber auch da blieb er seinem
Prinzip treu, mit Makrotechnik und unerhörter
Schärfenpräzision
eine
besondere Sicht auf seine
Objekte zu entwickeln.
Fotograf Wischmann
29
D i r i ge n t e n
Dirigenten
Magie der Macht
30 Jahre lang schreibt
Emanuel Eckardt als
­neugieriger Beobachter über
Musik und erlebte in vielen
Orchester­proben das
Spannungs­feld zwischen
Orchester und Dirigent.
Wie üben die Pultstars ihre
Macht aus? Wie motivieren sie ein miss­
gestimmtes Orchester? Spielen Machtfragen
überhaupt noch eine Rolle? Antworten aus
den Notizbüchern eines Reporters
V
on Elias Canetti stammt der Satz: „Es gibt keinen
anschaulicheren Ausdruck für Macht als die Tätigkeit des Dirigenten.“ Vermutlich hatte er Machtmenschen wie Arturo Toscanini vor Augen. Der warf mit
Taschenuhren, zerbrach Taktstöcke und verletzte einen
Geiger mit dessen eigenem Bogen an der Stirn. Oder Wilhelm Furtwängler, den fast mythisch verehrten Ergründer
der Tiefen des großen Beethoven, der rechtschaffen taktlos
befand, „dass die Wiener Philharmoniker wie eine Kurkapelle klingen können und eine Kurkapelle wie die Wiener
Philharmoniker“.
Allein Leonard Bernstein empfand Sinnenlust beim Dirigieren. Es gäbe keinen Akt, welcher der Liebe näher käme,
sagte er einmal. Herbert von Karajan sah eher
einen Schöpfungsakt: Er behauptete, dass Orchester keinen eigenen Klang hätten, der entstehe erst durch den Diri­
genten. Ich darf ihn und die Berliner Philharmoniker 1981
als „Stern“-Reporter auf einer Japan-Tournee begleiten. Wir
30
sitzen uns im Dunkel einer Stretchlimousine gegenüber, unterwegs zum Flugsimulator der Japan Airlines. Der Maestro,
der auch seinen Privatjet gern selbst flog, wollte beweisen,
dass er auch eine Boeing 747 fliegen kann. Ich frage ihn nach
seinem Verhältnis zum Orchester. „Das ist wie zu Kindern“,
sagt er. „Ich lasse sie spielen, wie ich Kinder spielen lassen
würde. Ich lasse sie kommen. Ich zeige ihnen nie, wie etwas
gemacht wird. Ich lehre sie, Fehler zu finden. Wenn man es
nicht stört, findet das Orchester von selbst einen Weg. Das
ist wie beim Springturnier.“
„Beim Springturnier?“
„Ja sicher, man kann das Pferd nicht über die Hürde
zwingen. Man muss dem Pferd den richtigen Winkel geben,
an dem es losspringen kann. Nur dann nimmt es einen über
die Hürde.“
Erstaunlich, wie dieses Orchester jede Hürde nimmt, und
mit welcher Spielfreude. „Die Freude am Musizieren“, sagt
er mit grollender Stimme, „die habe ich ihnen von Anfang
an eingebläut. Immer wieder habe ich ihnen gesagt: ‚Es muss
nicht nur schön klingen, es muss auch schön aussehen, wenn
Sie sich anstrengen.‘“
Bei seinem ersten Auftritt 1938 in Berlin war vom „Wunder Karajan“ die Rede. Ich frage ihn, ob er an Wunder glaube. „Schauen Sie: Da wird ein Lauf gespielt von Leuten, die
im Abstand von eineinhalb bis zwölf Metern vor mir sitzen. Ich höre sie alle. Sie hören sich untereinander nur sehr
unvollständig, zum Teil überhaupt nicht. Und die spielen
zusammen! Dass im entscheidenden Moment aus 115 Menschen eine Person wird, ein Atem, das zu erreichen braucht
seine Zeit. Ich habe diese Zeit gehabt. Das ist das Ergebnis
von 32 Jahren Arbeit und sehr viel Liebe. Aber es bleibt ein
Wunder.“
Eine Stunde später sitze ich im Simulator der Japan Airlines hinter ihm. Herbert von Karajan dirigiert den Jumbo
trotz heftigen Seitenwinds sicher auf die Landebahn. Ein
kleiner Wackler. Mehr nicht.
Foto: Dieter Blum
T e x t: E m a n u e l E c k a r d t
31
D i r i ge n t e n
Alexander Liebreich
Die großen amerikanischen Orchester wurden von europäischen Dirigenten aufgebaut: Fritz Reiner, Serge Koussevitzky, George Szell oder Arturo Toscanini. Allesamt waren
sie legendäre Autokraten und wurden wie Halbgötter verehrt. Der in England geborene Dirigent Leopold Stokowski
wusste auch, warum Dirigenten (und Generäle) in der Regel
so alt werden: „Vielleicht liegt es am Vergnügen, anderen
seinen Willen aufzuzwingen.“
Christoph von Dohnányi übernahm 1984 die
Leitung des von George Szell geprägten Cleveland Orches­
tra. Dort sehe ich ihm ein paar Tage lang bei der Arbeit
zu. „Die Zeit der Pultstars ist vorbei“, erklärt er in einem
unserer Gespräche. „Ich glaube, es ist etwas ganz anderes
entstanden: eine Partnerschaft zwischen Dirigent und
­Orchester, die es unmöglich macht, dass sich ein Dirigent
heute noch wie ein Star verhält. Wir erleben das Ende eines
total patriarchalischen Systems mit dem Dirigenten als absolutem Herrscher.“
„Üben Sie denn keine Herrschaft aus?“
„Nein. Der Dirigent wird zu 80 Prozent für die Erarbeitung eines Konzerts gebraucht, und dann am Abend kommt
das Moment der Inspiration dazu, die etwas Besonderes
entstehen lässt, oder auch nicht. Aber kein Orchester kann
bestehen, wenn nicht eine leitende Figur die musikalische
Richtung bestimmt. Es geht nun mal nicht anders. Sie können nicht 50 Leute in einen Bus setzen und jedem ein Lenkrad, Gaspedal und eine Bremse zur Verfügung stellen. Der
Bus käme nicht weit. Einer muss ans Steuer.“
18 Jahre lang hat er den „Bus“ in Cleveland gefahren, ist
dann nach London gegangen und war von 2004 bis Ende
2011 Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters in Hamburg. Jetzt dirigiert der 83-Jährige wieder in den USA,
32
Daniel Barenboim
Wilhelm Furtwängler
v­ orzugsweise die Big Five, die großen Orchester, die zu den
besten Orchestern der Welt gehören.
Peking, September 1998. Den Dirigenten Zubin Mehta treffe ich in der Verbotenen Stadt. Hier, im Allerheiligs­
ten des alten und des neuen China, inszeniert der chinesische
Hollywood-Regisseur Zhang Yimou die Oper „Turandot“
als Kostümfest der großen Töne, das weltweit im Fernsehen übertragen wird. Sondereinheiten der Volksarmee marschieren als Statisten in prachtvollen Kostümen auf. Maestro
Mehta, Chef des Israel Philharmonic Orchestra, soeben auch
zum Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in
München ernannt, hat so gar nichts von einem musikalischen
Heerführer an sich. „Motivation läuft nur über die Musik“,
sinniert er, „nur wenn ich mich ganz auf die Musik konzentriere, wird das Orchester mir folgen.“
„Und das Publikum?“
„Das ist manchmal sehr schwer. Ich war 16 Jahre in Los
Angeles. Wir haben sehr viele Konzerte außerhalb von Los
Angeles gegeben. Da kann es passieren, dass Sie in einem
Kino spielen müssen. Da sitzen Leute, die manchmal gar
nicht wissen, warum. Sie haben die Konzertkarten geschenkt
bekommen. Und für diese Menschen müssen Sie die Vierte
von Brahms so spielen, dass Sie bei jedem von ihnen auf
Lebenszeit einen Eindruck hinterlassen. Manchmal überkommt es mich dann, wenn ich in den Saal blicke. Dann sage
ich mir: Ich will das nicht! Ich bin dafür nicht geschaffen!
Trotzdem gehe ich hinaus aufs Podium. Die Musiker können nichts dafür, dass ich schlechte Laune habe. Und dann
spielen sie die erste Phrase so schön, dass sich der Himmel
auftut, und alles ist vergessen.“
„Und wenn ein Fehler in der Intonation dieses schöne
Bild zerreißt?“
Fotos:ddp images/ap (2), Paul van Riel/p.vanriel@planet.nl, akg-images, ddp images/dapd, Getty Images/Cameron Spencer
Claudio Abbado
Simon Rattle
„Fehler sind menschlich. Aber wenn ich sehe: Da sitzt ein
Geiger, der sich langweilt, dessen linke Hand nicht vibriert;
wenn ich spüre: Der ist mit den Gedanken ganz woanders,
dann macht mich das wütend! Und diese Wut beeinflusst
die Musik. Ich weiß: Das ist nicht fair. Nicht gegenüber dem
Werk. Nicht gegenüber den Musikern, die alles geben.“
„Was würden Sie so einem gelangweilten Geiger sagen?“
„Dass wir als Musiker gesegnet sind. Wir dürfen jeden
Tag die schönste Musik der Welt interpretieren. Wie kann
sich jemand in diesen zwei Stunden eines Konzerts langweilen?! Er hat doch noch 22 Stunden vom Tag, wo er viel
besser abschalten kann. Warum auf der Bühne? Aber dann
kann es Ihnen auch passieren, dass der Musiker sagt: Dieser
Dirigent hat mich einfach nicht inspiriert.“
Von Claudio Abbado, 79, geht eine Aura aus, die
sich nicht in Worte fassen lässt, die ein Orchester mitreißt
und einen ganzen Saal verzaubert. Bei Proben ist das anders.
Ich habe ihn bei den Berliner Philharmonikern erlebt. Er
wirkte müde, beugte sich tief über die vom Vater geerbte
Taschenpartitur. Einmal fragte ich ihn: „Warum tragen Sie
keine Brille, Maestro?“
„Toscanini hat mir einmal gesagt: Dirigiere nie mit Brille.
Das Orchester muss deine bösen Augen sehen.“
„Aber was macht ein Dirigent, der keine bösen Augen
hat?“
„Er kann sich trotzdem mit Blicken verständlich machen.“
„Auch wenn die Musiker tief in die Noten gucken?“
„Sie sehen alles, glauben Sie mir.“
Zu den Berliner Philharmonikern, die ihn 1989 als Nachfolger von Herbert von Karajan zum Chefdirigenten wählten, wahrte er – bei aller Nähe – über mehr als ein Jahrzehnt
eine merkwürdige Distanz. Er kannte jeden Musiker beim
Christian Thielemann
Vornamen. Sie nannten ihn Claudio. Sie haben Sternstunden
mit ihm erlebt, große Abende, die aus dem Musikeralltag
heraus­ragten. Aber die Probenarbeit mit ihm empfanden
viele von ihnen als anstrengend. „Es macht die Arbeit mit
ihm nicht immer leicht, dass er niemals äußert, was er sucht“,
klagte ein Geiger. Karajan, ja der wusste immer, was er hören wollte, und er verlangte es, manchmal barsch, immer
deutlich. Und als Günter Wand mit ihnen Schuberts große
C-Dur-Symphonie probte, rief er aus: „Meine Herren, das
ist keine Orchidee, das ist eine Wiese. Lassen Sie etwas spüren von der Bescheidenheit, über eine Wiese zu staunen.“
Abbado liefert keine Bilder. Bei ihm sollen die Musiker
nur hören, was sie selbst spielen, ein musikalisches Mitbestimmungsmodell, in dem der Dirigent als schweigender
Moderator eine sensibel und manchmal auch sauer reagierende Selbsterfahrungsgruppe anleitet, ihren eigenen Weg
zu finden.
„Warum mögen Sie Ihre Vorstellungen nicht in Worte
kleiden, Maestro?“
„In Konzerten rede ich gar nicht.“
„Gibt es denn bei Proben nichts zu erklären?“
„Warum sollen Musiker auf meine Worte hören? Und
nicht auf das, was sie und die anderen spielen? So entsteht
Musik.“
Daniel Barenboim, 69, in Buenos Aires als Kind
russisch-jüdischer Eltern geboren, wurde als zwölf Jahre
altes Klavier spielendes Wunderkind von Wilhelm Furt­
wängler eingeladen, in Berlin zu konzertieren. Der Vater
fand, es sei noch zu früh für ein jüdisches Kind, neun Jahre
nach dem Ende des Holocausts in Berlin aufzutreten. Das
Kind wurde zum Weltstar als Pianist und Dirigent. Der Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden ist viel
33
D i r i ge n t e n
Arturo Toscanini
Leonard Bernstein
unterwegs. Einmal haben wir uns im Flugzeug verabredet,
obwohl er ungern gleichzeitig fliegt und Fragen beantwortet. Machtfragen schon gar nicht.
„Ich weiß nicht, wie dieses Bild des Dirigenten als Machthaber überhaupt entstehen konnte. Macht über Musik haben zu wollen ist für mich eine absurde Idee von Autorität.
Macht heißt Kontrolle. Aber der Dirigent ist derjenige, der
am wenigsten Kontrolle hat unter allen Musikern. Er hat
keinen direkten Kontakt zum Klang. Er ist immer abhängig,
von dem, was der Oboist will, und ob der Oboist kann, was
er will. “
„Was passiert, wenn Dirigenten Fehler machen?“
„Das merkt doch keiner. Wenn ein Geiger sich in einem
Streichquartett verspielt, kann es jeder hören. Aber beim
Symphonieorchester kann niemand hören, wo der Fehler
des Dirigenten anfängt. Ein gutes Orchester organisiert
vieles ohne den Einfluss des Dirigenten. Wie oft hat Karajan
das Orchester einfach spielen lassen? Der hat doch nicht jedes Achtel präzise geschlagen.“
Einmal habe ich den Maestro nach Ramallah begleitet,
im Mai 2004. Es ist heiß im Palestine Media Centre. Presse
füllt den Raum, Fernsehteams haben ihn auf dem Schirm.
Good News. Zum ersten Mal seit 1936 gibt es ein Orchester
in Palästina, ein Jugendorchester, das nun ein erstes Konzert
geben wird: Das West-Eastern Divan Orchestra mit Musikern im Alter von 14 bis 25 Jahren aus Andalusien, Ägyp-
34
Honeymoon in Berlin. Nach langem Zögern hat Simon
Rattle die Nachfolge Claudio Abbados angetreten. Eine
fast unwirkliche Euphorie erfasst das Orchester, die Musiker sprechen vom Honeymoon mit Simon. Simon nimmt
auf, was vom Orchester kommt. Bei Simon ist alles klar.
­Simon sagt wunderbare Sachen. Simon ist witzig, immer
charmant, aber in der Sache unglaublich ernst. Simon hat
unsere Bereitschaft, etwas Neues zu machen, super abgerufen. Sein Haydn: toll, voller Humor, eine Entdeckung. Und
dann dieser Bruckner! Bruckners Symphonien waren für
die Musiker das Vermächtnis des Dirigenten Günter Wand,
der im Februar 2002 im Alter von 90 Jahren starb. Sie haben
seinen Bruckner noch im Ohr, seine gläserne Größe, seine
Wucht. Wand hatte ihren Bruckner eisenhart ausgekehrt.
„Schmusen Sie nicht!“, hatte er den Streichern zugerufen.
Wie überrascht sie nun waren. Wie Simon ranging bei der
neunten Symphonie, ohne Schmus, aber mit Sinn für den
Atem, für große Bewegung. Er hat das Werk wie eine Kathedrale hingestellt, sagen sie.
„Guys“, rief der Neue, „das waren die fantastischsten
Wochen meines Lebens.“ Ein wunderbarer Anfang. Heute
sind es zehn Jahre Ehe, über die es viel zu erzählen gäbe,
aber das ist eine andere Geschichte.
Wie schwer es Frauen haben, wenn sie einem Orches­
ter als Dirigentin gegenübertreten, habe ich in Pjöngjang
gelernt. Der Deutsche Akademische Austauschdienst und
Fotos: akg-images, Robert Maass/Corbis
ten, Syrien, Iran, Libanon, Jordanien, Tunesien, Israel und
Palästina.
„Als Musiker kämpfe ich gegen zu viel Lärm und gegen
die Stille“, sagt er. „Lärm, das sind für mich Panzer, Bomben
und die täglichen Gewaltandrohungen auf beiden Seiten.
Stille ist das Schweigen der Mehrheit, das ich unerträglich
finde.“
Mit der Gründung dieses Orchesters verbindet er die Vision, „dass dieser Wahnsinn eines Tages beendet sein wird,
dass in Palästina zwei Staaten in Freiheit und Gleichheit in
friedlicher Nachbarschaft existieren.“ Wie das West-Eastern
Divan Orchestra es vorlebt. Im vergangenen Jahr war es auf
dem Lucerne Festival zu hören, mit Beethovens fünfter und
sechster Symphonie. Barenboims Baby, zum WeltklasseOrchester gereift. Auch ein Wunderkind. Zwölf Jahre und
schon erwachsen.
das Goethe-Institut hatten Alexander Liebreich,
44, heute Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters
und seit Anfang September auch des Nationalen Symphonieorchesters des Polnischen Rundfunks, in die Hauptstadt
Nordkoreas eingeladen, um dort Dirigenten auszubilden.
Ich durfte mit, als Reporter für die „Zeit“, erlebte Proben
und Konzerte und kam aus dem Staunen nicht heraus. Die
jungen Musiker des Universitätsorchesters und des IsangYun-Ensembles spielten Kompositionen vom Blatt, die
sie vorher noch nie gehört haben. „Ich habe mich hier geschämt für unsere westliche Arroganz asiatischen Musikern gegenüber“, sagt der Dirigent aus Deutschland. „Ich
bin total ­beeindruckt. Von asiatischer Zurückhaltung spüre
ich nichts. Im Gegenteil. Das ist Leidenschaft pur, wie die
­rangehen! An der Selbstverständlichkeit, mit der sie Musik machen, merkt man, dass sie von Kind an damit groß
­geworden sind.“
Die jungen Dirigenten wechseln sich ab. Als es darum
geht, wer ein Stück aus der ersten Mahler-Symphonie dirigieren soll, baut sich Widerstand auf. Alexander Liebreich
hat die Studentin Mrs. O. dafür ausgewählt. Die stets anwesenden Funktionäre und Dozenten wollen das nicht. Eine
Frau kann das nicht, sagen sie. Nur widerwillig akzeptieren
sie am Ende den Wunsch des Dirigenten, der hoch musikalischen Studentin O. diese Aufgabe zuzuweisen.
Mrs. O. hat die Diskussion mitbekommen und ist völlig
eingeschüchtert. Scheu blickt sie ins Orchester, in dem so
viele Männer sitzen, fast alle älter als sie. Sie dirigiert präzise,
aber verklemmt. Das Orchester spielt lausig.
Liebreich greift ein, drückt ihr seine Aktentasche in die
Hand und verlangt: „So, jetzt dirigieren Sie!“
Die Wirkung ist erstaunlich. Das Orchester spürt, welche
Kraft notwendig ist, mit einer schweren Aktentasche in der
Hand zu dirigieren. Die Dirigentin hat plötzlich Respekt,
Ausstrahlung, Autorität. Das Orchester klingt gleich ganz
anders.
Thomas Hengelbrock, seit 2011 Chefdirigent
des NDR Sinfonieorchesters und Hamburgs Hoffnungsträger als musikalischer Hausherr der künftigen Elbphilharmonie, sieht keinen Grund, den Zeiten nachzutrauern,
in denen sich das Bedürfnis nach Autorität an der Figur des
Dirigenten festmachte. „Das ist einer aufgeklärten Gesellschaft nicht würdig.“
„Kann Musik demokratisch funktionieren?“
„Demokratie ist anstrengend. Der Streit der Meinungen
kann nicht mit Machtworten gelöst werden. Am Ende steht
der Kompromiss. In der Musik ist das anders: Wir leben ein
Ideal der Demokratie. Wir ziehen alle an einem Strang, wir
folgen einer gemeinsamen musikalischen Idee, die im Werk
des Komponisten sichtbar wird. Der Weg dorthin ist mühsam. Mit basisdemokratischen Verfahren kommen wir nicht
weit, es braucht einen Dirigenten, der diese Idee erkennt
und verfolgt, aber er kann es nicht allein. Das System muss
durchlässig sein, er muss hören, was aus dem Orchester
kommt, offen sein für Ideen und Freiheiten lassen für ihre
Entwicklung.“
„Braucht es in der Probe nicht klare Ansagen?“
„Es läuft nicht über Autorität oder Ansage, sondern über
Energie. Ich setze die Leute auf meinen Atem. Es braucht
auch Feingefühl, Kommunikation, Aufeinanderhören.“
„Stellt sich nie die Führungsfrage?“
(Lacht) „Die Führung übernimmt die Bassgruppe. Das ist
ganz wichtig! Nichts ist so schlimm wie Bässe, die schleppen.“
„Welche Rolle spielen die Solisten?“
„Sie sind Impulsgeber im Orchester. Ein Dirigent sollte
die Solisten nicht bevormunden, sie haben es schwer genug,
sondern ihnen Freiheiten geben, Vertrauen.“
„Wie gehen Sie mit Musikern um, die Schwächen ­zeigen?“
35
D i r i ge n t e n
Thomas Hengelbrock
Ge fäh r li c h e r Zau b e r stab
Die Partitur
Die Partitur ist Herrschaftswissen. Die Musiker im Orchester
haben ihre „Stimme“ auf den Pulten, die Noten, die nur für
ihr Instrument bestimmt sind. Die Stimmen der Streicher
mit den Bogenstrichen, die sie in ihrer Gruppe vereinbart
und mit Bleistift in ihre Notenblätter eingetragen haben.
Der Dirigent hat alle Stimmen vor sich, angefangen bei den
Holzbläsern mit Flöten, Oboen, Klarinetten und Fagotten,
gefolgt von den Blechbläsern: den Hörnern, Trompeten, Posaunen und Tuben. Den Schlaginstrumenten Pauke, Celesta,
Glockenspiel oder Xylofon, Trommeln, Becken und Triangel
folgen die Harfe und die fünf Gruppen der Streicher: erste
und zweite Violinen, Bratschen, Celli und Kontrabässe. Das
bedeutet: Ein Dirigent liest nicht eine, sondern üblicherweise
rund 20 Zeilen gleichzeitig. Es geht die Legende, dass Ausnahmebegabungen wie Lorin Maazel oder Daniel Barenboim
mit einem Blick auf die Seite einer Orchesterpartitur nicht
nur alle Stimmen sehen und hören können, sondern das Blatt
auch sofort in ihrem fotografischen Gedächtnis speichern.
Bei Proben ist die Partitur unerlässlich, im Konzert gilt,
was Hans von Bülow einst von seinem Assistenten Richard
Strauss verlangte: „Sie müssen die Partitur im Kopf und
nicht den Kopf in der Partitur haben.“ Die meisten dirigieren
auswendig, was sie in den Proben mit dem Orchester einstudiert haben, suchen den Blickkontakt mit dem Orchester.
Doch es gibt Werke, vor allem Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, bei denen auch während des Konzerts die Partitur auf
dem Dirigentenpult unverzichtbar ist.
36
Heute verwenden die musikalischen Einsatzleiter meist
ein „Billigteil“ aus Glasfiber. Esa-Pekka Salonen und ­Christoph
Eschenbach bevorzugen das Modell K 13, ein Serienprodukt
von Yamaha. Edlere Teile sind aus Balsaholz oder Ahorn mit
einem runden oder länglichen Griffteil aus Kork. Naturreine
Taktstöcke sind wetterfühlig. In feuchter Luft werden sie
krumm. Sie sind aber um vieles robuster als eine Stradivari. ­Der Taktstock von Kent Nagano wurde von einem Hund
gebissen, von einer Katze angenagt und von einem ­Cadillac
überfahren.
Taktstöcke geraten schnell außer Kontrolle, schwirren ins
Orchester, sausen ins Publikum. Das Verletzungsrisiko ist
groß. Nicht nur blutige Anfänger wanken angestochen vom
Pult. Manch großer Maestro musste schon an der Hand operiert werden, weil er sich den Taktstock hineingerammt hat.
Taktstöcke brechen schnell, durchstoßen das Trommelfell,
bleiben im Oberkörper stecken. Simone Young riss der Taktstock einen Ohrring heraus, Sir Georg Solti blutete am Auge,
Eliahu Inbal stach ihn sich mitten ins Auge hinein. Zum Glück
war der Nerv nicht getroffen.
Angst oder Angewohnheit: James Levine hält sein Stöckchen so fest, dass sein Arm zu steif wurde fürs Klavierspiel.
Andere machen um den gefährlichen Zauberstab einen Bogen. Kurt Masur kann keinen Taktstock halten, weil bei einem
Autounfall seine Hand verletzt wurde. Mariss Jansons hatte
zwei Operationen am rechten Daumen.
Die Partitur ist kein Gesetzestext. „Noten sind Andeutungen“, sagt Herbert von Karajan, „Musik ist Interpretation
und die Notenschrift eine der ungenauesten Schriften, die es
gibt.“ Gern erzählt er von einem Gespräch mit dem Physiker
Werner Heisenberg, den er gut kannte. „Untersuchen Sie eine
Schneeflocke“, hatte der ihm geraten. „In dem Moment, wo
man sie mit der Hand berührt, hat sie sich verändert. Genauso
ist das mit der Musik.“
In großen Orchestern werden Dirigentenpartituren wie
Schätze gehütet, in denen Newcomer viel über die Interpretation ihrer Vorgänger lernen. Ein schweres Erbe, manchmal
auch physisch. Vor allem Chorpartituren haben es in sich.
Wenn Thomas Hengelbrock auf Reisen ist, trägt er einen
Rucksack, unter dem manch gestandener Möbelpacker zusammenbrechen würde.
Der Taktstock
Der Taktstock ist das billigste und gefährlichste Musikinstrument. Jean-Baptiste Lully, Komponist und Kapellmeister am
Hofe Ludwig des XIV. benutzte als Taktstock ein langes Rohr,
mit dem er den Takt auf dem Boden schlug. Bei der Probe zu
einem „Te Deum“ mit 400 Mitwirkenden verletzte er sich mit
dem Stock am Fuß und starb 1687 an Wundbrand. Johann Sebastian Bach warf mit seiner Perücke, Beethoven verschwand
schon mal hinterm Pult, um sein Orchester zum Pianissimo
zu bewegen. Offenbar vertrauten sie nicht auf das Mysterium
des Taktstocks.
Gasparo Spontini (1774–1851) dirigierte noch mit einem
dicken Stab aus Ebenholz mit
Elfenbeinknäufen an beiden Enden; Hector Berlioz
(1803–1869) steuerte seine Klangmassen mit einem schweren Eichenstock. Carl Maria von Weber (1786–1826) half sich
mit einer Papierrolle aus Notenblättern, das Gesicht dem Publikum zugewandt. Erst Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–
1847) brachte Eleganz ins Spiel, er bevorzugte ein mit weißem Leder bezogenes Fischbeinstäbchen. Richard Wagner
(1813–1883) mühte sich bei der Probe des „Rienzi“ mit einem
abgesägten Quirl.
Hans von Bülow (1830–1894), erster Chef am Pult der Berliner Philharmoniker, war der erste nicht selbst komponierende große Dirigent im Hauptberuf. Der begnadete Showmaster
ließ sich zum Trauermarsch in Beethovens „Eroica“ schwarze
Handschuhe auf einem Silbertablett reichen.
Fotos: Corbis, Angelika Warmuth/dpa Picture-Alliance
Orchesterproben
Amerikanische Orchester proben weniger, weil sie schon bei
der ersten Probe konzertreif spielen. Hierzulande suchen Dirigent und Orchester in den Proben den Weg zu neuen Erfahrungen. Zubin Mehta berichtet von 33 Proben für den „Tris­
tan“ in München. „Proben vertiefen die Erkenntnis über das
Werk“, sagt Thomas Hengelbrock, „in der Regel sind leider
immer zu wenig Proben angesetzt.“ Bei den Berliner Philharmonikern setzt der Chefdirigent für ein Werk des Repertoires
meist fünf Proben an. Karajan achtete darauf, dass Gastdirigenten selten mehr als drei Proben bekamen. „Auch wenn
sie fünf Proben bekommen, kriegen sie nicht das zu hören,
was ich bekomme“, sagte er selbstbewusst. Immerhin hatte
er 33 Jahre lang mit dem Orchester geprobt und musiziert.
Pierre Boulez, berühmt für seine Körpersprache
und Schlag­­technik, lehnt Taktstöcke kategorisch ab. „Manche ­Dirigenten identifizieren sich mit dem Taktstock“, sagt
er. „Es ist viel besser, selbst ein Taktstock zu sein.“ Sein
­Kollege René Jacobs verachtet das Stöckchen gar als „eine
Art faschistoide Erfindung des 19. Jahrhunderts“. Thomas
Hengelbrock dirigiert ohne, Christian Thielemann mit.
Doch zu Hause, wenn niemand zusieht, sitzen sie über ihren Stöcken; Colin Davis repariert in seiner Küche einen zerbrochenen Stab, klebt ihn mit Uhu, umwickelt ihn mit Garn.
Gerd Albrecht nagt so lange an seinem Taktstock, bis er die
richtige Länge hat. Die britische Dirigentin Sian Edwards glättet die Spitze ihres Stöckchens mit Sandpapier und taucht
sie in Tipp-Ex, damit es in schönstem Weiß erstrahlt.
Und wenn ein Stab nicht mehr zu retten ist? Bernard Hai­
tink hebt alle für seine Freunde auf. Sie nehmen sie immer
wieder gern. Fürs Barbecue, um Würstchen darauf zu braten.
„Ich bin auch als Dirigent nicht vom Himmel gefallen. Sicherheit erwirbt man durch Erfahrung. Man sollte
als ­Dirigent auch immer ein guter Kollege sein und nicht
­vergessen: Irgendwann haben wir alle zusammen im Orches­
ter gesessen. Es wäre extrem unsolidarisch, wenn man nicht
auch die Schwächeren mitnimmt. Es gibt Chefdirigenten,
die bestimmte Musiker eines Orchesters nicht am Pult
sehen wollen, wenn sie dirigieren. Das ist für diese ­Musiker
vernichtend und für das Orchester ein großes Problem.
Ich finde, das geht nicht. Wir leben auch davon, ­
dass
wir in einem Orchester einen sozialen Frieden
­verwirklichen.“
September 2012. Christian Thielemann gibt
sein Antrittskonzert als Kapellmeister der Staatskapelle Dresden, gegründet 1548. Carl Maria von Weber und
Richard Wagner dienten hier als Hofkapellmeister, Robert
Schumann und Richard Strauss standen am Pult dieser Kapelle, die unbeeindruckt vom Zeitgeist ihren höchst eigenen Originalklang bewahrt hat: dunkel, tief und glanzvoll
schimmernd. Eine Zeitinsel. Thielemann hat dort gefunden,
was er suchte: das Klangideal von Furtwängler, Knappertsbusch und Karajan.
In der Semperoper dirigiert er Bruckners siebte Symphonie, lässt das Riesenwerk leuchten. Das Orchester folgt jedem Fingerzeig seiner schönen Hände voller Hingabe und
mit fliegenden Bögen. Der Neue kann den Klang streicheln,
Blicke schleudern, mit vorgerecktem Kinn Gefolgschaft
befehlen oder die Musiker mit der wuchtigen Attacke seiner machtvollen Körpersprache zum Äußersten treiben.
Ein Kapellmeister der alten Schule, jung, dynamisch und
selbstgewiss. Beim Festakt in der Gläsernen Manufaktur
verspricht er den Dresdner Klang zu bewahren. Es wird
sein Klang sein, Thielemann pur. „Was gibt es Schöneres,
als i­mmer aufs eigene Konto einzuzahlen“, lacht er. Ein
­Triumphator im Glück.
37
Ra
V
uc
bh
re
i kr o n C o n s t a n t i n
Luxus ist es, sich Zeit zu nehmen
In der Genfer Uhrenmanufaktur Vacheron Constantin entsteht
seit 257 Jahren Kunsthandwerk auf höchstem Niveau.
Ein Hausbesuch
T e x t : DORIAN I V EN
W
ie das Scherwerk eines überdimensionalen Trockenrasierers ragt die Firmenzentrale von Vacheron Constantin ins
weiträumig bebaute Landschaftsbild
von Plan-les-Ouates, wenige Kilometer­
südlich von Genf gelegen und weltbe­
rühmt als Uhrheimat Schweizer Präzision. Auch Piaget, Patek Philippe und Rolex gehen hier zu Werke; Frankreich liegt
in Sichtweite. Im Inneren zeigt sich der „Rasierer“ unter kühn
schwingendem Dach als transparente Arbeitswelt mit viel Glas
und lichten Räumen, ein Entwurf des französisch-schweizerischen Meisterarchitekten Bernard Tschumi, der auch
schon Paris mit der Gestaltung des Parc de la Villette und
Athen mit dem Akropolis-Museum zu bereichern wusste.
Vacheron Constantin, älteste, kontinuierlich tätige Uhrenmanufaktur der Welt, zählt zu den ganz wenigen Unternehmen, die gleichsam vom Gipfel der Uhrmacherkunst auf die
unruhigen, digital vermessenen und elektronisch getakteten
Zeitläufte herabblicken. Mit der ersten Einstellung eines
Lehrburschen gilt der 17. September 1755 als Gründungsdatum des Handwerksbetriebs. 1755 schmachtete Casanova in den Bleikammern des Dogenpalastes in Venedig, und
Anna Maria Mozart, geborene Pertl, ging mit ihrem Wolferl
schwanger. Lange her. Ungewöhnlich ist es schon, dass eine
Manufaktur, in der gearbeitet wird wie vor 257 Jahren, von
keiner technischen Revolution, keiner Automatisierung und
von keinem Chipstorm davongefegt wurde, sondern immer
noch in Handarbeit Produkte fertigt, denen niemand ihre
künftige Museumsreife absprechen würde.
Unter den Uhren, die in der Genfer Manufaktur entstanden, gibt es Überraschungstaschenuhren für Herren, die
als eckige Silberdosen getarnt sind, oder die Fliegeruhr von
1904 mit Chronometer-Uhrwerk und langem Lederband,
am Oberschenkel zu tragen, entwickelt von den Motorflugpionieren Orville und Wilbur Wright. Es gibt eine Uhr mit
schrägem Zifferblatt für Rennfahrer, damit die Hand am
Lenker bleibt. Und es gibt die Tour de l’Ile, Kaliber 2750,
mit 834 Bauteilen, das Resultat von über 10.000 Stunden
Forschung und Entwicklung: Minutenrepetition auf Abruf,
Tourbillon, Mondphase und Mondalter, Schaltjahrzyklus,
Sonnenaufgang, Sonnenuntergang, Himmelskarte. Nur sieben Stück wurden von Hand gefertigt.
Die Kunsthistorikerin Armelle Carreras führt durch das
Werk. Sie spricht deutsch mit französischem Akzent, also
frei von uncharmanten Rachenlauten. Am Arm trägt sie einen zierlich-eleganten Zeitmesser mit dem flachsten mechanischen Uhrwerk der Welt, 1,64 mm hoch, was in etwa der
Höhe einer Ein-Eurocent-Münze entspricht. Beredt und mit
Uhrmacherkunst in kleinen Schritten Der Graveur legt die Umrisse fest, der Emailleur legt einen Goldfaden um die Felder,
füllt sie mit Farbpulver und brennt die Emaille in mehreren Arbeitsschritten. Der Guillocheur stichelt das Federkleid der
Tauben, der Steinsetzer platziert 40 Brillanten (großes Bild links)
38
39
Vac h e r o n C o n sta n t i n
ansteckender Begeisterung führt sie den
Gast in die Wunderkammern Schweizer
Präzisionsarbeit, lenkt den Blick auf Winzigkeiten, die auch unter der Lupe kaum
zu sehen sind, wie die handgemachten goldenen Schräubchen, so winzig klein, dass
30.000 e­inen Fingerhut füllen würden; es sind
die kleinsten Schrauben der Welt. Jede einzelne
will mit der Pinzette erfasst und fest verschraubt
werden. Die Spitze des Schraubendrehers ist rasierklingendünn. Wir sind eindeutig an der Grenze des
Menschenmöglichen angelangt.
D
as Handwerk ist viele Hundert Jahre alt, aber Präzi­
sion und Messgenauigkeit sind State of the Art. Computer helfen bei Design, Prüfung und Fehleranalyse;
Elektrokardiogramme prüfen die Hemmung der Uhren. Wie
Notenlinien strömen die Messwerte als schwarze Streifen aus
dem Drucker, keine Abweichung, kein Zittern, so soll es sein.
Madame Carreras gestattet einen Blick ins Binokular. Was
für ein Objekt! Im gleißenden Licht füllt das Innere einer
Uhr mit dem ultraflachen Kaliber 1003 das Bild, skelettiert,
sodass nur die tragenden Brücken und Flächen stehen blieben
und das filigrane Räderwerk bei der Arbeit sichtbar
wird, der hoch komplizierte Bewegungsablauf
und das verwirrende Huschen der Unruh
mit ihren 18.000 Schwingungen in der Minute. Rubine leuchten, Gold schimmert,
feinste Gravuren und polierte Kanten
brechen das Licht. Technik in vollendeter Schönheit, Handwerk als Kunst. Das
charakteristische Malteser Kreuz zeigt
den Stolz des Hauses, das goldene Gütesiegel der Genfer Punze verbrieft Herkunft
und höchsten Qualitätsstandard.
1886 wurde das begehrte Siegel zum ersten
Mal vergeben und seither dem Stand der Technik entsprechend modifiziert und aktualisiert. Die
Genfer Punze bekommt nur eine Uhr mit polierten
Flächen und von Hand anglierten Kanten. Das Werk
muss in Genf oder im Kanton Genf eingeschalt werden,
und das entspricht einer geschützten Herkunftsbezeichnung wie beim Champagner oder beim Parmaschinken. Man
nimmt es hier genau. Jede Uhr bekommt einen vierfachen
40
Glanzvolle Komplikation Mechanische Uhr ­
Anatomie eines Kunstwerks
in Rotgold mit Handaufzug, Kaliber 2755.
Minutenrepetition auf Wunsch, Tourbillon,
ewiger Kalender und 58 Stunden Gangreserve
Polierte Kanten, geschliffene Stirn­
flächen, perlierte Platine, Genfer Streifen
und Korbmuster. Wahre Schönheit
kommt von innen
Identitätsnachweis: Nummer des Kalibers,
Werksnummer, Gehäusenummer und
Nummer der Genfer Punze. Nur Uhren
mit korrektem Identitätsnachweis werden zur
Reparatur angenommen. Ohne dieses Echtheitszertifikat sind sie bei Auktionen unverkäuflich.
Eine harte Nuss für Fälscher. Allerdings gibt es
eine Sicherheitslücke: Fälscher, die eine Originaluhr
kaufen, um sie in einigen Hundert, naturgemäß minderwertigen Exemplaren nachzubauen, prägen am
Ende die Nummern des Originals in die Fälschungen.
Der Trick: Zertifikate lassen sich fälschen, die Papierform stimmt mit den Codes im Inneren der Uhr überein.
Jetzt kann nur noch ein geschulter Uhrmacher erkennen,
dass da etwas nicht stimmt. Wer nicht sicher ist, sollte die
Uhr einem Meister von Vacheron Constantin zur Prüfung
vorlegen.
Im Inneren liegt die Wahrheit. Komplizierte Uhren haben
eine Vielzahl handwerklicher Finessen, Prägungen, Schliffe
und Guillochierungen wie die Genfer Streifen, die sich unter
bestimmtem Lichteinfall verändern. Wer diese Uhren originalgetreu nachbauen wollte, müsste vermutlich Jahre an der
Fälschung arbeiten.
In der Haute Horlogerie, der hohen Uhrmacherkunst,
vereinigen sich die Handwerkskünste Gravur, Emaillierung,
Edelsteinfassung und Guillochierung. In der Serie Me­
tiers d’Art – Les Univers Infinis bauen die Meister
von Vacheron Constantin dekorative Automatikuhren mit Zifferblättern nach Vorbildern
des niederländischen Meisters Maurits
Cornelis Escher (1898–1972). Der Blick
durch den Saphirglasboden erfasst die
perlierte Platine, Genfer Streifen auf Brücken und Kloben und das Korbmuster der guillochierten Aufzugschwungmasse. Es gibt drei Motive: Tauben, Muscheln und Fische. Je 20 Exemplare werden in
limitierter Auflage als Sammlerstücke angeboten.
Im „Atelier des Grandes Complications“ ist die Stille
spürbar wie eine Wand aus Watte. Hier werden hoch komplizierte Uhren gebaut, Grandes Complications sind einsame
Spitzenprodukte in der Gipfelregion des Uhrmacherhandwerks, hoch über den Seilschaften der Designeruhren, dem
Schwemmland der Serienproduktion und den MikrochipLawinen. Pardon, selbst schmucke Uhren mit Mondphasen
und Gangreserve gelten in diesem Atelier
als einfache Komplikationen. Hier geht es
um mehr.
„Wer hier anfangen will, sollte zehn bis­
15 Jahre Erfahrung mitbringen“, sagt Atelier­
leiter Chrystian Lefrançois. Am 1. Mai 1966
kam er zu Vacheron Constantin; im nächsten
Jahr wird er in Pension gehen. Und es wird
ihm so ergehen wie den meisten hier. Er kann und
will nicht aufhören. Er wird weitermachen, mit reduzierter Arbeitszeit … Mal sehen.
Lefrançois bildet seit vielen Jahren Meisteruhrmacher aus, was sehr viel mehr bedeutet als Uhrmachermeister. Er betont, dass es hier keine Hierarchien gebe.
Wer hier arbeitet, ist nicht Teil eines Produktionsprozesses,
sondern baut in 300 bis 400 Arbeitsstunden „seine“ Uhr allein, vom Anfang bis zum Ende. Dabei protokolliert er jeden
wichtigen Arbeitsschritt fürs Archiv. So entsteht – hilfreich
für künftige Reparaturen – ein Charakterbild seiner Uhr. Es
ist nicht entscheidend, wie lange er für seine Arbeit braucht.
Es genügt, dass die Uhr perfekt ist. Meisteruhrmacher genießen künstlerische Freiheiten. Sie kommen und gehen, wann
sie wollen. Es gibt für sie keine Stechuhren. Manche arbeiten
gern nachts, wenn alles still ist.
S
onderwünsche werden im „Atelier Cabinotiers“ für die Individualanfertigung
erfüllt. Es residiert in Genf, im historischen Firmensitz auf der Insel im Genfer
See. Der Kunde kann eine Uhr nach eigenen Vorstellungen entwerfen lassen, auch
ein nur für ihn entwickeltes Werk. Das kostet drei
bis fünf Millionen Euro, dauert drei bis fünf Jahre. ­Von
solchen Uhren produziert diese Abteilung höchs­
tens 40 Stück pro Jahr.
Der Clou aller Uhrmacherkunst gelingt
Vacheron Constantin mit einer kühnen
Tat, die eigentlich kaum zu fassen ist: Die
Kunsthandwerker von Genf miniaturisieren
das Deckengemälde der Pariser Opéra Garnier für
eine Uhrenserie. 1963 hatte der französische Kulturminis­
ter André Malraux bei dem damals 77-jährigen Künstler
Marc Chagall das Kolossalbild in Auftrag gegeben. Ein Jahr
lang brauchte der Meister für sein monumentales Spätwerk,
220 Quadratmeter Poesie und Musik in fünf
Segmenten, und das in 20 Meter Höhe, große
Oper fürwahr. Nun wird das Meisterwerk
auf die Fläche von acht Quadratzentimetern
miniaturisiert, als Sammlerstück der Uhren­
kollektion Metiers d’Art – Hommage aux Compositeurs Illustres. Zwölf Unikate sind ge­plant.
Das erste soll auf dem Zifferblatt die Nachbildung des vollständigen Deckengemäldes zeigen, ausgeführt in Emaillemalerei und gebrannt in der traditionellen Genfer „Grand Feu“-Technik, die kaum
noch e­ in Künstler beherrscht. Niemand wird diese Uhr
­erwerben können. Sie landet im Museum von Vacheron
Constantin.
Die folgenden elf Unikate kosten rund 145.000 Euro und
sind jeweils einem der Komponisten gewidmet, deren Werk
Chagall in seinem Deckengemälde die Ehre erweist. Drei
Uhren sind schon fertig. Die anderen folgen in den nächsten
Jahren. Eine Miniatur in dieser Klasse des Extrem-Filigranismus braucht Zeit, vier Monate mindestens. Um seinen Chagall in hauchzarten Strichen aufzutragen, bewegt der Künstler unter dem Binokular einen dünnstmöglichen Pinsel mit
allenfalls zwei bis drei Haaren des sibirischen Rotmarders.
Die Arbeit des Grand-Feu-Emailleurs ist nur mit großer­
Erfahrung zu bewältigen. Die hauchzarte, aber glasklare
und sehr harte Grand-Feu-Emaille schmilzt bei
Temperaturen über 800 Grad Celsius. Jede
Farbe, jede Nuance muss eigens im Ofen gebrannt werden und lässt sich hinterher nicht
mehr korrigieren. 20 Brennvorgänge sind
nicht ungewöhnlich.
Dominique Bernaz bittet zum Lunch, ein
Gentleman in vollendeter Symbiose von Schlaksigkeit und Eleganz. Monsieur Bernaz leitet das Atelier
Cabinotiers von Vacheron Constantin in Genf und
gehört damit zum engsten Führungskreis des
Weltunternehmens. Seine Augen blicken
abenteuerlustig, am Arm trägt er die Aronde,­
eine „Schwalbe“ in Weißgold, 1954 als Prototyp für die Swiss Jewellery Collection gebaut, eine
Pillendose als Taschenuhr für Herren und Fliegeruhr
von 1904 mit langem Lederband, am Oberschenkel zu
tragen, entwickelt von den Brüdern Wright (linke Seite)
41
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St
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ns
Für alle Anforderungen im Innen- und Außenbereich
Gira Türkommunikations-System
www.gira.de/tuerkommunikation
Miniaturwunder Kaliber 1003,
flachstes mechanisches Uhrwerk
der Welt im Vergleich mit einer
Schweizer 20-Rappen-Münze
D
as Gespräch kommt aufs Thema Restaurierung und
den Clash der Kulturen. „In Europa steigen Classic
Cars im Wert, wenn sie aus Originalteilen bestehen.
In den USA zählt der Glanz, werden historische Autos resres­
tauriert, bis sie aussehen wie neu, auch wenn die Schönheitsoperationen alle Spuren des Alters tilgen.“ Für Bernaz
typische
­typische Symptome einer Kultur, die das Altern nicht erträgt. (Siehe auch S. 62 Gefragte Oldtimer)
Für Uhren gilt: Der Wert einer Sammlung steigt, wenn
sie im Originalzustand erhalten sind. Jeder Versuch einer
Modernisierung mindert ihre Qualität. „Eine historische
Uhr wird bei uns durchgesehen und gangbar gemacht. Wo
es notwendig und irgendwie noch möglich ist, werden hishis­
torische Teile für die Restaurierung verwandt. Nichts, was
zur Entstehungszeit der Uhr noch nicht erfunden wurde,
sollte Eingang in ihr Gehäuse finden.“ Uhren zu restaurieren
ist Denkmalpflege an einem Kulturerbe.
Das Erbe wächst. „Zurzeit bauen wir etwa 19.000 Uhren
pro Jahr. Die Gesamtsumme der Uhren, die in 257 Jahren gebaut wurden, beträgt knapp eine Million. So viele baut Rolex
in einem Jahr.“ Eine Million, die in der Masse verschwindet. „Uhren gibt es überall. Wer wissen will, wie spät es ist,
braucht nur auf sein Smartphone oder auf seinen Backofen
42
zu schauen. So gesehen sind Manufaktur-Uhren
zu
sinnlos. Ihr
Ihr Wert
Wert liegt
liegt im
im Zanshin, was in der
sinnlos.
Zen-Unterweisungder
der‚Geist
‚Geist der
der Geste‘
Geste‘ genannt
Zen-Unterweisung
wird. Luxus ist, was man kann, aber nicht braucht. Luxus
braucht keine Gründe, das macht ihn so charmant.“
Luxus ist es, sich Zeit zu nehmen. Vacheron Constantin
hat die Schirmherrschaft für ein selbstbewusstes Projekt
übernommen. „Le Cercle 250“ hat sich zum Ziel gesetzt,
weltweit und branchenübergreifend jahrhundertealte handwerkliche Fertigkeiten zu bewahren. Ein stolzer, exklusiver
zusammenund nicht nur wohlhabender Kreis hat sich da zusammen­
gefunden, Traditionsunternehmen, die älter sind als 250 Jahre und seither ohne Unterbrechung produzieren. Sie sind
sich einig im Bekenntnis zu handwerklichen Traditionen,
verstehen sich als Erbengemeinschaft jahrhundertealten
Wissens und wollen es an die junge Generation weitergeben.
Unter ihnen ist auch Zôhiko, Werkstatt für Japanlack
Maki-e,
M
­
aki-e, gegründet 1661, mit einer rekordverdächtigen
Kunstfertigkeit der Verfeinerung. Sie verwenden Pinsel mit
den Achselhaaren von Mäusen. Die Tiere werden eigens für
diese Bestimmung gezüchtet. Seit Jahrhunderten.
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Komfortable Türkommunikation mit Gira
Sehen, wer klingelt, Gespräche in bester Qualität führen und
komfortabel die Tür öffnen: Das Gira Türkommunikations- System
macht die Verständigung zwischen Wohnbereich und Haustür
einfach und intuitiv. Das Sortiment umfasst Türsprechanlagen mit
und ohne Videofunktion, innovative IP- Lösungen, Systeme für
den schlüssellosen Zugang und vieles mehr. Die hochwertigen
Tür- und Wohnungs stationen sind in ver schie de nen Varianten
passend zu den Gira Schalterpro grammen erhältlich und fügen
sich so perfekt in das Erscheinungsbild der gesamten Elektroinstallation ein. Ob Aufputz, Unterputz, Ein- oder Mehrfamilienhaus – das Gira Türkommunikations- System ist für alle Anwendungen optimal geeignet.
Abb. links: Gira Wohnungsstation Video AP, Zweifachkombination
Tastschalter / SCHUKO-Steckdose, Gira E2, Reinweiß glänzend,
Abb. rechts: Gira Türstation mit Farbkamera, Gira TX_44, Farbe Alu
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Die älteste kontinuierlich arbeitende Uhrenmanu
Uhrenmanu­faktur
faktur
der Welt wurde 1755 in Genf gegründet, gehört seit
1996 zur Richemont Gruppe (Cartier, Jaeger LeCoultre,
Lange & Söhne). Die Manufaktur in Plan-les-Ouates
bei Genf ist zugleich internationaler Hauptsitz der Marke. La Maison Vacheron Constantin, 1906 als erste
Boutique des Hauses auf der Genfer Stadtinsel errichtet, verwahrt als „Patrimoine“ historische Uhren und
Werkzeuge und erfüllt im Atelier Cabinotiers individuelle Kundenwünsche. Die Ateliers im Vallée de Joux dienen der Forschung und Entwicklung sowie der Herstellung und Dekoration von Uhrenkomponenten. Vacheron
Constantin beschäftigt rund 600 Mitarbeiter weltweit,
davon etwa 120 Uhrmacher in der Schweiz, ist in rund­
80 Ländern vertreten und vertreibt seine Uhren über
derzeit 30 exklusive Boutiquen sowie 440 ausgewählte
Juweliere.
Fotos: ©Vacheron Constantin
kostbare Rarität. Monsieur Bernaz spricht von
von
Werten, die nicht für Spekulationen geeignet sind.
sind.
Sie seien beständig, besser als Gold oder Aktien. Der
Der
Wert einer solchen
solchen Uhr
Uhr sei
seinicht
nichtnur
nurininZahlen
Zahlenmessbar,
messbar,bebestehe auch in dem, was an Technik, Know-how und Talent
in ihnen stecke.
Er ist weit herumgekommen, kennt den Weltmarkt aus
eigener Anschauung und Erfahrung, die dynamisch wachsenden Märkte für Luxusgüter in Nahost und in Asien.
„Chinesen haben ein fundamentales Verständnis für Uhren
entwickelt, ein hohes Qualitätsbewusstsein und das Bedürfnis nach Sicherheit. Deshalb entscheiden sie sich für den
Namen, für das Bewährte. Sie wollen Qualität und keine
Risiken.“ Der Markt ist frisch, der Bedarf ist groß. Wohlhabende Chinesen kaufen nicht eine Uhr, sondern legen sich
gern eine Sammlung zu. „Das ist eine jahrhundertealte Tradition. Die Sammlungen der chinesischen Kaiser und ihres
Hofes sind berühmt. „Wer sich für das kulturelle Erbe Europas interessiert, sollte unbedingt die Sammlungen in der
Verbotenen Stadt ansehen“, empfiehlt Bernaz.
Einfache Integration in IP-Netzwerke
Noch komfortabler und flexibler wird die Türkommunikation mit
dem Gira TKS-IP-Gateway. Die intelligente Schnittstelle inte griert
Gira Tür- und Wohnungsstationen mit 2-Draht-Bus ganz einfach
in IP-basierte Netzwerke. So lässt sich die Türkommu nikation nahtlos in die Gebäudesteuerung mit dem Gira Home Server einbinden
Designauszeichnungen:
Plus X Award 2009, iF award 2009, red dot award 2009 [Gira Wohnungsstation Video AP]
Plus X Award 2011, iF award 2011 [Gira Control 9]
[Interface Konzeption/Design: schmitz Visuelle Kommunikation]
und über die Gira Control Clients oder den Computer bedienen.
Darüber hinaus können die Gira Control Clients, PCs oder Macs
mit der Gira TKS- Communicator-Software auch als eigenständige
Wohnungs stationen genutzt werden.
Abb. links: Gira Control 9 Client, Glas Schwarz, Abb. rechts:
Gira Türkommunikation auf einem Laptop
43
Sport
Schalkes Knappenschmiede: So viel Talent war nie Die Fußballbundesliga feiert ihr
50-jähriges Bestehen – und wird
immer jünger. Die großen Klubs
setzen auf Talente aus dem eigenen
Nachwuchsbereich. Welcher Aufwand
in Sachen Förderung mittlerweile
betrieben wird, zeigt das Beispiel der
Gelsenkirchener Knappenschmiede
Glückauf – es herrscht Hochbetrieb im Schlagschatten
der Veltins-Arena, und wer seinen Blick über die sattgrünen
Trainingsfelder schweifen lässt, der schaut in einen regelrechten Genpool. Es trainiert die Zukunft des Revierklubs,
und ob nun neun oder 17 Jahre alt – im Theater hochfliegender Profiträume ist alles dabei: vom Torhüter über Verteidiger, den großen Mittelfeldstrategen bis hin zum Torjäger.
„Das sind lauter Rohdiamanten“, schwärmt Paul, 81, und
zeigt auf einen kleinen dribbelstarken Rotschopf. „Der hat
Götze-Format.“
Paul schließt Wetten auf Fußballerkarrieren ab. Das ist sein
Zeitvertreib. Özil und Neuer, Draxler, Höwedes, Matip –
das waren nur die letzten Volltreffer, und während gerade
der allerjüngste Nachwuchs zum Nachmittagstraining anrückt, ist wieder Zeit für eine Prognose. „So wie der da“,
sagt er und zeigt auf einen schmächtigen Jungen mit Storchenbeinen, „sah der lütte Matip aus. Und der daneben läuft
wie der kleene Julian.“
Gemeint sind Pharel Babo und Aristidis Schmidt, zwei
Neunjährige, die viel zu große Taschen schleppen. „Die
ham allet, watte brauchst“, urteilt das Orakel. Doch da ist
einer, der heißt Bodo Menze und widerspricht: „Allet
Schwachsinn.“
Menze, 59, ist adminis­
tra­­
tiver Leiter oder besser:
die graue Eminenz der Schalker Nachwuchsabteilung. Er
sagt: „Ich habe Legionen von
hochbegabten Spielern gesehen, aber wer E-Jugendlichen
eine Profilaufbahn weissagt,
den erklär ich für bekloppt.
Da gab es viele, die waren
immer Beste ihres Jahrgangs,
und am Ende hat es dann
doch nur für die Landesliga
gereicht. Es gibt eigentlich
nur ganz, ganz wenige, von
denen man relativ früh sagen
kann: Der packt es.“
T e x t : H a n s B o r c h e r t | F o t o s : D o r o t h e a s c h m i d
44
Foto: dpa Picture-Alliance/firo Sport
D
ie überraschende Nachricht vorweg. Schalke
kann gegen Bayern München gewinnen und
ist sogar Deutscher Meister. Allerdings nur im
Feld der Jugend. Da zeigten sich die Königsblauen ihren bayrischen Rivalen überlegen und entschieden
das U-19-Endspiel 2012 mit
2:1 für sich. Schalke hat dazu
jede Menge vielversprechender Talente, was bedeutet:
Vorsprung durch exzellente
Förderung. Ein paar Namen gefällig? Donis Avdijaj, Thilo Kehrer, Maurice
Multhaup. Oder Esad Morina, Vincent Reinert. Nie
gehört? Dann vielleicht Max
Meyer.­Der ist schon auf dem
Sprung, dem großen Sprung
ins Profileben. Man höre und
staune – mit 16. Er darf auf
dem heiligen EurofighterÜbungsrasen mittrainieren
und dabei seinen Idolen aus
der ersten Mannschaft die
Bälle abjagen.
Pharel Babo und
Aristidis Schmidt
aus der U9
45
sp o r t
Spielfreude pur Am Ball können Schalkes
allerkleinste Kicker schon jede Menge,
aber ob es am Ende zur Profikarriere
reicht, steht in den Sternen. Immerhin
tragen viele schon das bunte Schuhwerk
ihrer großen Vorbilder. Im Bereich U 9 bis
U 11 werden unter der Regie von Frank
Naß (Bild unten links) allerdings zuerst
wichtige Grundlagen gelegt und mittun
dürfen dabei nur handverlesene Talente.
Dazu gilt das Trainerwort: „Wenn du nicht
stark bis, musst du eben schlau sein.“
Klar, Mesut Özil, heute bei Real
­ a­drid, war so ein Fall. Mit 15 Knappe,
M
mit 17 Bundesliga-Debüt, mit 19 schon
für 2,5 Millionen Euro verkauft nach
Bremen. Ein Shootingstar in jeder Hinsicht, gesegnet in allerfrühsten Jahren mit
unübersehbar großem Talent, allerdings
auch mit einem ambitionierten Umfeld.
Deshalb die frühe Trennung. „Generell
gesagt“, so Menze, „gibt es Fälle, da passen Anspruch und Wirklichkeit nicht
ganz zusammen, und wenn ein 17-jähriger Spieler eine Stammplatzgarantie
plus eine bestimmte Rückennummer
fordert, dann wird es eben schwierig.“
M
anuel Neuer war pflegeleichter. Der heutige Nationaltorwart, mittlerweile in
Diensten des FC Bayern München, durchlief das komplette Schalker Ausbildungsprogramm. Spielte von U 9
bis U 19 in allen Jugendmannschaften und bekam unter
Trainer Mirko Slomka mit 20 Jahren als jüngster Bundesligatorwart aller Zeiten seine erste Chance. „Letztendlich“,
sagt Bodo Menze, „muss alles stimmen. Die psychische Bereitschaft, also Wille und unbedingtes Wollen, das Leistungsvermögen, aber es braucht auch den richtigen Zeitpunkt und
dazu den richtigen Trainer. Insofern war Manuel ein Glücksfall. Bei ihm kulminierte alles in einem kleinen Moment, und
das war sein Durchbruch.“
Die sogenannte Knappenschmiede ist Menzes Erfindung
und zugleich sein Lebenswerk. 1991 begann der vormalige
Verbandsfußballlehrer mit dem Aufbau des vereinseigenen
Talentschuppens, und er wurde damit zum Vorreiter einer
professionellen – nicht beim DFB und seinen Organen, sondern bei den Erstligaklubs angesiedelten – Nachwuchsarbeit.
Was auf Schalke früh begann, das ist heute Bundesliga­
standard und gehört zum offiziellen Lizenzierungsverfahren
der Vereine durch die DFL. Verlangt wird von allen in Profiligen spielenden Klubs Unterhalt und Betrieb sogenannter
Leistungszentren, die wiederum unter dem Projektnamen
„Foot PASS Deutschland“ von einer unabhängigen Agentur
zertifiziert werden. Kriterien der Beurteilung und Überprüfung sind sowohl praktische Ausbildung und ihre Leitlinien
46
als auch Verwaltung, Infrastruktur und Organisation.
Eingeführt wurde das System 2007 von Matthias Sammer, dem ehemaligen Sportdirektor des DFB. Ihm ging es
„um Kriterien, die konkrete Qualitätsaussagen liefern und
die Effektivität der Nachwuchsförderung in den Leistungszentren nachhaltig sicherstellen“. Dafür gibt es nach Vorbild
des Gastronomieführers „Guide Michelin“ ein Gütesiegel in
Form von Sternen. „Drei“, heißt es auf Schalke, „sind top.
Und wir haben drei.“
Der Aufwand, der getrieben wird, ist entsprechend groß,
und wer sich das Organigramm der Knappenschmiede anschaut, der vergisst nahezu, dass es noch einen Profikader
gibt. Aufgelistet sind allein elf Mannschaften, unterteilt in
Grundlagenbereich U 9 bis U 11, Aufbaubereich U 12 bis
U 15 sowie Leistungsbereich U 16 bis U 19 und Übergangsbereich U 23. In der Summe macht das über 200 aktive
­Spieler, die von 55 Mitarbeitern betreut werden. Wissenswert dazu: Nachwuchs-Förderverträge mit einer Laufzeit
von drei Jahren binden Talente des Leistungsbereichs (U 16
bis U 19) an den Klub, und sie sehen eine monatliche Ausbildungsvergütung von 250 Euro vor. Denkbar sind auch
höhere Beträge, doch darüber spricht man nicht. Fußball ist
eben Fußball und hat eigene Gesetze. Jeder Mannschaft zugeordnet ist ein Coach nebst Assistent. Hinzu kommen spezielle Technik-, Torwart-, Athletik- und Individual-Trainer,
Zeugwarte, Physiotherapeuten, die komplette sportmedizinische Abteilung, Spezialisten für Videoanalyse, Ernährung
und psychologische Beratung. Aber damit nicht genug.
Beschäftigt sind auch ein Ehepaar, welchem die Leitung
­
des vereinseigenen Internats obliegt, 30 Chauffeure, die den
­alltäglichen Fahrdienst leisten, sechs Scouts, die sowohl regional als auch bundesweit und international Ausschau nach
neuen Talenten halten, sowie eine Dame für Trikotagen, ein
Beauftragter für Schulkooperation, dazu eine Pressesprecherin und ein ­Sekretariat.
D
as alles kostet viel Geld“, sagt Oliver Ruhnert,
seines Zeichens sportlicher Leiter der Knappenschmiede, „aber es bringt auch viel Geld.“ Genau
genommen die zweithöchsten Klubeinnahmen nach den Erlösen des Profibereichs. Wobei die 20 Millionen Euro Transfersumme, die Bayern München für Nationaltorwart Neuer
nach Schalke überwies, in ihrer Höhe eher eine Ausnahme
als die Regel ist. Anders ausgedrückt: Kleinvieh macht auch
Mist. Dazu sagt Ruhnert: „Natürlich wollen wir möglichst
viele Spieler in unseren eigenen Profikader integrieren, aber
grundsätzlich will unsere Ausbildung auf Schalke den jungen Leuten die Möglichkeit auf eine solide Fußballerlaufbahn geben, und zwar egal in welcher Liga und bei welchem
Verein.“
Klingt altruistisch, ist aber durchaus ernst gemeint. „Refinanzierung des Aufwands ist natürlich ein Thema, aber es
ist nicht nur das liebe Geld“, sagt Bodo Menze. „Jugend und
Nachwuchs haben für uns auf Schalke einen ganz großen
ideellen Wert, und wir sind unheimlich stolz auf jeden Jungen, der es am Ende, wo auch immer, schafft. Aber es ist ein
langer, steiniger, ein unvorhersehbarer Weg, denn die Entwicklung geht nie linear. Sie hat Höhen und Tiefen, kennt
regelrechte Leistungsexplosionen, aber auch unbegreifliche
Rückschläge. Manches erklärt sich mit der Pubertät, in der
die Jungen mit ihrem Körper kämpfen, anderes über familiäre Verhältnisse, den Einfluss von Beratern oder eben die
eigene charakterliche Disposition.“
Aller Anfang ist spielerisch, und wer Frank Naß, dem Trai­ner der U 10, bei seiner Arbeit zuschaut, der versteht Lust
und Leidenschaft des Schalker Urgesteins am Job, den er
schon seit zwölf Jahren bei den Königsblauen ausübt. Da ist
so viel kindlicher Eifer, so viel losgelassene Bewegungs- und
Spielfreude, auch so viel Temperament – es ist, wie er sagt,
„die pure Inspiration“. Laufschule ist ein Programmschwerpunkt, daneben werden Taktik und Koordination geübt, man
fördert die Konzentrationsfähigkeit, lobt viel, tadelt wenig,
legt allerdings Wert auf Fairness untereinander und auf Disziplin. „Wie sie alles aufsaugen und umsetzen, das ist schon
sensationell“, sagt Naß, der dem einen oder anderen seiner
47
Sport
„Siege sind schön, Niederlagen sind wichtig“
gängige und einheitliche Spielphilosophie gibt. Man setzt
bewusst auf Vielseitigkeit, sowohl bei Systemen als auch bei
der Trainerhandschrift. Und auf Mannschaftsgeist. „Individuelle Talentförderung“, sagt U-16-Trainer Sven Hübscher,
„findet nur in intakten Mannschaften statt, sonst gehen gute
Talente unter.“
Sein neu formiertes Team bildet zusammen mit der vom
ehemaligen Stuttgarter Bundesligacoach Jens Keller trainierten U 17 den Übergang vom Aufbau- zum Leistungsbereich, und im Raumfahrtjargon würde man wohl sagen: Jetzt
zündet die dritte Raketenstufe.
A
Den Ball flach halten Standpauke in der „Eliteschule
des Fußballs“ Berger Feld. Dort dulden die Projektlehrer
Guido Hein (li.) und Arthur Preuß (re.) keine Starallüren
und nehmen mit Ex-Schalke Profi Tomasz Waldoch
(Mitte) die jungen Spieler ins Gebet. Disziplin ist auch
bei U 17 Trainer Jens Keller erstes Gebot. Für Felix
Platte, 16, kein Problem: Die Wand seines Zimmers im
Internat ziert ein selbst gewähltes Motto. Es ist täglich
Ansporn und Trost zugleich.
„Kleinen“ Riesenpotenzial bescheinigt. „Gewinnen wollen
sie natürlich alle, aber darum geht es in dem Alter noch gar
nicht. Im Gegenteil: So schön der Sieg ist, so wichtig ist die
Erfahrung der Niederlage.“
Die einmal gelegten Grundlagen erfahren im Aufbaubereich (U 12 bis U 15) ihre Vertiefung, wobei es keine durch-
48
uf dem Plan stehen Schnelligkeit, Zweikampfstärke,
Spielintelligenz. Beidfüßige Koordination ist gefragt,
technisch-taktisches Verständnis, physische, aber
auch psychische Robustheit, feingetunte Motorik, dazu
bewusste, professionelle Lebensführung. Ernährung ist ein
Thema, man klärt mit Blick auf Antidopingtests über zulässige und verbotene Medikamente auf, ermittelt anhand von
Lactatwerten ganz individuelle Fitnessparameter und kümmert sich intensiv um schulische Belange.
Praktischerweise liegt die Lehranstalt in unmittelbarer
Nähe der Trainingsplätze. Es sind über Ernst-Kuzorraund Ötte-Tibulsky-Weg nur zehn Gehminuten bis zur Gesamtschule Berger Feld, die seit 2007 stolz den Titel „Eliteschule des Fußballs“ trägt. „Uns liegt die Entwicklung
der Gesamtpersönlichkeit jugendlicher Leistungsfußballer
am Herzen“, sagt Direktor Georg Altenkamp. Die Kooperation mit Schalke 04 geht auf seine Initiative zurück und
trug in den letzten zehn Jahren unter Leitung des Pädagogen
Arthur Preuß reiche Früchte. Mesut Özil machte hier seine
mittlere Reife, Manuel Neuer und Julian Draxler legten ihr
Fach­abitur ab, Joel Matip marschierte gar bis Klasse 13 zum
Abitur.
„Wir sind erzieherisch tätig, legen Wert auf Regelorientierung und vermitteln den jungen Spielern klare Werte“, erklärt Altenkamp. „Es gibt mehr als nur den Ball, denn Schule ist keine Spielwiese, und was wir überhaupt nicht mögen,
ist die Tendenz zum Starkult, die manche Jungen ganz automatisch mitbringen.“
Das strikte Regiment, auf Schalker Seite vom Ex-Profi
Tomasz Waldoch sorgfältig beobachtet, schürt keinerlei
Schulverdruss. Im Gegenteil: Matip und Draxler lassen sich
noch heute des Öfteren in ihrer Penne sehen, Manuel Neuer
Königsblaue Zukunft Beste Aussichten auf eine Profikarriere haben (v.l.n.r.) Esad Morina, 15, Donisi Avdijaj, 16, Maurice
Multhaupt, 16, Thilo Kehrer, 15, und Max Meyer, 16, der sich beim Training der Profis schon mit Altstar Christoph Metzelder
messen darf. „Mein Junge schafft das“, sagt der aus dem Kosovo ausgewanderte Vater von Supertalent Donisi Avdijaj und
das wird wohl stimmen, denn in seiner Familie gilt: „Vaters Wort ist Amenwort“.
finanziert gar über seine Stiftung „Kids Foundation“ täglich
Frühstückskörbe für die Unterstufe, und auch Mesut Özil
zeigt sich dankbar. Altenkamp freut sich: „Keine Frage,
wenn ich für ein Projekt Kohle brauche, rufe ich Mesut an,
und der ist gern mit dabei.“
Schulische Talentförderung genießen im Kooperationsprojekt derzeit 42 Schalker Talente. Jahrgangsübergreifend
(U 15 bis U 19) trainieren sie dreimal in der Woche morgens zu normaler Unterrichtszeit. Gebüffelt wird dann am
Nachmittag. In Grundzügen erinnert das System an Sportförderung à la DDR, wo die Leistungselite in Kinder- und
Jugend-Sportschulen ausgebildet wurde, und ebenso wie
dort leben auch auf Schalke einige Spieler im klubeigenen
Internat.
Es ist eine weiße nur fünf Gehminuten von der Geschäftsstelle entfernte Villa, in der gegenwärtig
15 Jungen in Ein- oder Zweibettzimmern unter­
gebracht sind. Beaufsichtigt und verköstigt wer­
den sie vom Ehepaar Anita und Dieter Krüger, die sich als Schalke-Fans der Aufgabe mit
„Haut und Haaren“ verschrieben haben. „Natürlich ist das nicht immer einfach, denn es sind
ganz unterschiedliche Charaktere, aber im Prinzip können wir uns zu hundert Prozent auf die Jungs
verlassen“, erzählt Anita Krüger. Und da ist nur ein Punkt,
über den sie gelegentlich stöhnt: „Das Einkaufen. Man kann
sich gar nicht vorstellen, was die so am Tag wegputzen.“
Es ist eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die eines
eint: der unbedingte Wunsch, Profi zu werden, und dazu die
blau-weiße Schalke-Bettwäsche. Darin schläft Thilo Kehrer,
15, Verteidigertalent aus Stuttgart, darin schlafen auch Felix
Platte, 16, aus Bad Pyrmont, Henrik Lohmar, 16, aus Siegen
und ebenso Torwart Berkay Yilmaz, 15, und Donis Avdijaj,
16, aus Osnabrück.
Letztgenannter ist der Spaßvogel der Truppe und zugleich
ihr Toptalent. Entsprechend selbstbewusst präsentiert der
Sohn eines vor 20 Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland
ausgewanderten Vaters sein Trikot mit der Nummer 10. „Ich
brauche kein Vorbild“, sagt Donis, „ich bin mein eigenes
Vorbild.“
Starke Worte, denen er auf dem Platz allerdings auch
Taten folgen lässt. Trickreich, mit viel Spielübersicht und
Kampfgeist, dazu enorm torgefährlich. Sowohl in der U 17
von Schalke als auch in der entsprechenden Jugend-Nationalmannschaft des DFB. Man wird sich den Namen ebenso
merken müssen wie den von Thilo Kehrer oder auch Esad
Morina, 15.
Der für sein Alter hochgewachsene Stürmer (15
Spiele, 30 Tore) lebt nicht im Internat, sondern bei
den Eltern in Essen. Dort beginnt morgens um
7.15 Uhr sein Tag. Vor der Tür wartet der Schalke-Fahrdienst und bringt ihn zur Schule Berger
Feld. „Abends bin ich dann gegen 21 Uhr wieder
zu Hause“, erzählt Esad. „Noch etwas essen, dann
Zähne putzen und ab ins Bett.
Der Jahrgangsbeste übrigens im Revier, und dennoch
halten sich die Trainer mit Prognosen bedeckt. „Um Gottes
willen, die haben zwar alle eine Riesenqualität, aber auch
noch drei Jahre vor sich“, sagt U-17-Trainer Jens Keller, und
Norbert Elgert, 55, langjähriger Erfolgscoach der Schalker
U 19, sagt zu diesem Thema überhaupt nichts. Der gelernte
Schornsteinfeger hütet seine Rohdiamanten, liebt die stille
Arbeit im Schatten der großen Schlagzeilen, ist aber vermutlich Schalkes wichtigster Trainer der letzten 16 Jahre.
49
Re i se n
Berenberg-Autor Stefan Elfenbein lädt ein zu einem außergewöhnlichen,
anstrengenden Wochenende in
Berlin: Wo der Bär swingt
I
ch bin Berliner, Kreuzberger.
Ich wohne in einer der alten Miets­
kasernen
mit
Stuck­
schnörkeln
und Löwenköpfen an der Fassade
– so wie man im Kiez hier eben wohnt.
Im Fenster liegt ein Sofakissen. In den
Stefan Elfenbein
Schreibpausen guck ich auf die Straße.
Über mir wohnt Frau Schwieger. Auch die guckt aus dem
Fenster, mit Kissen und manchmal auch mit Lockenwicklern. Gegen Mittag strömen die Touristen vorbei. Manche
winken, machen Fotos – vom Idyll. Wir winken zurück.
Und ich denk mir manchmal, ob die Berlin wirklich sehen,
verstehen!? Die Stadt ist doch so riesig, endlos – und in permanentem Wandel. Ich selbst komme kaum hinterher mit
den Erkundungstouren durch Charlottenburg, Schöne­berg,
Friedrichshain, Wedding, Neukölln, Moabit. Auch jetzt
muss ich gleich wieder los – Freunde aus Hamburg treffen.
Denen will ich Berlin zeigen, mein Berlin, ein Wochenende lang. Das mach ich gern. Ja, und diesmal hat Berenberg mich überzeugt, so eine Art Logbuch zu führen, für
Leser, die uns folgen wollen. Also Fenster zu, Kissen rein.
Los geht’s.
Hackeschen Höfe
50
Fotos: alimdi.net, PR
Donnerstag, 17 Uhr 30.
Treffpunkt Mitte, mitten in Mitte, Auguststraße, Ecke Rosenthaler, im
wuseligsten Teil des alten
neuen Zentrums, da wo die
Straßen doch noch enger
sind, mit Kopfsteinpflaster,
nen. Noch vor 20
Gaslater­
Jahren war hier Tristesse;
Brachflächen, marode Häuser. Man glaubt es kaum. Die Mitte, das war Osten, DDR.
Altes war passé, Geschichte nur im Weg. Das ist vorbei,
zum Glück. Heute ist die Mitte bunt, lebendig, international. Und wer hier wohnt, ist mittendrin. Im Amano habe
ich die Zimmer für die Freunde reserviert, in einem meiner
Lieblingshotels; jung, frisch, elegant. Eine schöne Alternative wäre das Casa Camper gewesen, schräg gegenüber.
51
Hotel Amano
Re i se n
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3) Al Contadino Weinbar
Gormann Straße 10
10119 Berlin
Tel: 030 – 27 59 21 02
weinbar.alcontadino.eu
4
4) Absinth Depot
Weinmeisterstraße 4 10178 Berlin
Tel: 030 – 28 16 789
erstesabsinthdepotberlin.de
Absinth
Depot
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bijou
5) Hackesche Höfe
Rosenthaler Straße 40-41
10178 Berlin
hackesche-hoefe.com
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Oranienburgerstraße
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Hackesche
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Monbijoupark
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Volkspark
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13) C/O Berlin
Oranienburger Straße 35/36 10117 Berlin
Tel: 030 – 28 44 41 60
co-berlin.info
14) Clärchens Ballhaus
Auguststraße 24 10117 Berlin
030 – 28 29 295
ballhaus.de
Potsdamer StraSSe
15) Andreas Murkudis
Potsdamer Str. 81E
10785 Berlin
Tel: 030 – 68 07 98 306
andreasmurkudis.com
16) Fiona Bennett
Potsdamer Str. 81
10785 Berlin
Tel: 030 – 28 09 63 30
fionabennett.com
17) Joseph-Roth-Diele
Potsdamer Straße 75 10785 Berlin
Tel: 030 – 26 36 98 84
joseph-roth-diele.de
18) Victoria Bar
Potsdamer Straße 102 10785 Berlin
Tel: 030 – 25 75 99 77
victoriabar.de
Kreuzberg
19) Sarotti Höfe
Mehringdamm
10961 Berlin
Bergm
22) Viktoriapark
23) Destille
Mehringdamm 67 10961 Berlin
Tel: 030 – 69 25 124
Prenzlauer Berg
24) Mauerpark
23 Destille
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Viktoriapark
22
12) meCollectors Room
Berlin/Stiftung Olbricht
Auguststr. 68
Tel: 030 – 86 00 85 10
me-berlin.com
21) Marheineke Markthalle
Marheinekeplatz/ Bergmannstr.
10961 Berlin
meine-markthalle.de
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11) KW Institute for
Contemporary Art
Auguststraße 69
10117 Berlin
Tel: 030 – 24 34 590
kw-berlin.de
20) Biomarkt
Chamissoplatz
10965 Berlin
oekomarkt-chamissoplatz.de
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10) Mogg & Melzer
Auguststraße 11-13
10117 Berlin
Tel: 030 – 33 00 60 770
moggandmelzer.com
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9) Pauly Saal
Auguststr. 11 - 13
10117 Berlin
Tel: 030 – 33 00 60 70
paulysaal.com
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7) Cookies Cream
Behrenstraße 55 10117 Berlin
Tel: 030 – 27 49 29 40
cookiescream.com
8) The Kosher Classroom
Auguststrasse 11-13
10117 Berlin
Tel: 030 – 31 59 50 950
thekosherclassroom.com
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Fotos: Christian del Monte, PR
Schönhauser Allee
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Clärchens
Ballhaus
2) Casa Camper
Weinmeisterstraße 1
10178 Berlin
Tel: 030 – 20 00 34 10
casacamper.com
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18 Uhr 30. Zeit fürs erste Getränk.
Schönstes Lokal im Kiez ist die Al
Contadino Weinbar. Und
genau jetzt, zum Geschäftsschluss,
trifft sich hier das Modevölkchen
aus den Boutiquen, die hier heute
Al Contadino
sind. Und wahrhaft herrlich sind die
schweren Roten, die Padrone Mimo selbst aus der Basilicata, seiner alten Heimat, importiert. Auch das Essen
schmeckt. Wir gucken rein. Und klar, der Besuch würde
gern bleiben. Spannender und mulackmäßiger ist aber
der Geheimtipp um die Ecke, das Absinth Depot.
100 Sorten des grünen Gifts gibt’s hier zu kaufen und
zu trinken, das nötige Zubehör – Fontänen, Kristallgläser, Silberlöffel – gleich dazu. Wir schlürfen, probieren,
werden immer lustiger. Das ist die Berliner Luft. Hamburg scheint jwd, schon janz weit weg. Aber wir sind
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Berlin Mitte
1) Hotel Amano
Auguststraße 43
10119 Berlin
Tel: 030 – 80 94 150
hotel-amano.com
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Um 16 Uhr 46 ist der ICE aus Hamburg eingelaufen.
Eine Stunde und 40 Minuten dauert die Fahrt. Dann
noch die kurze Taxitour. Und da sind die Freunde schon,
quirlig, aufgeregt. Welcome to Berlin! Schnell die Koffer aufs Zimmer und gleich aufs Dach, mit Lounge und
Paradeblick. Vor unserer Nase steht der Fernsehturm,
daneben der Dom. In der anderen Richtung schaut man
übers Häusermeer vom Prenzlberg; rote Ziegeldächer,
Kirchtürme, Schornsteine. Zu Berlins größter Boomzeit, nach industrieller Revolution und Reichsgründung,
wurden gleich ganze Stadtteile aus dem Boden gestampft.
1830 hatte Preußens Kapitale 240.000 Bewohner. Hundert Jahre später waren es vier Millionen mehr. Jetzt aber
auf die Straße, Leutekontakt. Heute auf dem Programm:
der kleine Mitte-Überblick mit Marsch zur Friedrichstraße. Wir halten uns links vom Hotel. Dort liegt das
Mulackviertel, einst schwer berüchtigt. Zu Zeiten des
Alten Fritz und auch später war es in Gaunerhand.
Gesprochen wurde Rotwelsch, ein rabiater SprachenMix. Statt malocht wurde rumbaldovert und auch der
schlimmste Schlamassel beim Glückspiel schnell vergessen. Die Berliner Schnauze hat viel davon behalten. Aber
genug geredet. Der Mund ist trocken.
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Biomarkt 20
Fidicinst
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25) Badeschiff
Eichenstraße 4
12435 Berlin
info@arena-berlin.de
arena-berlin.de
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53
Schwiebusserstraße
Re i se n
21 Uhr. Der Magen knurrt. Ungläubige Blicke. Ungewöhnli­
ches hatte ich versprochen. Aber keine Angst: Unser DinnerStopp für heute, das Cookies Cream, ist nur ganz zufällig
hier, passt eigentlich gar nicht in die Gegend. Wir s­ chlurfen
am Westin Grand vorbei, das nächste Gebäude ist die Komi­
sche Oper. Genau dazwischen lockt dann eine düstere Gasse,
der Versorgungsweg für die Müllabfuhr. Ja, und genau da,­
hinter einer schwarzen Tür mit Klingel (die Website anschauen ­– sonst findet man’s nicht), liegt ein Mitte-Geheimtipp par
excellence, das Reich von Küchenchef Stephan Hentschel
und Berlins bester Vegetarier (ohne, dass man’s merkt). Die
Tür geht auf, die Treppe hoch – und Neu-Berlin vom Feinsten; junge Kreative, Geschäftsleute, Anzugträger, buntes
Publikum an der Bar, einer der Orte, der genau so ist, wie
man sich gerade im Ausland Berlin eben vorstellt. Wir gucken, genießen: geräucherte Wachteleier, Parmesanknödel,
geräucherter Vacherin Mont-d’Or mit Trüffel und Pfefferbirne, Dattelbiskuit im Kakaosud mit Ingwer-Confit. Dazu
diverse Rieslinge und Spätburgunder. Zufriedenes Grunzen.
Ein schöner erster Abend. Morgen geht’s dann richtig los.
Freitag, 12 Uhr. Treffpunkt für heute ist die ehemalige jüdische Mädchenschule in der Auguststraße, in Laufweite
vom Hotel, diesmal rechter Hand. Ans Mulackviertel schließt sich das
Scheunenviertel an. Im
Mittelalter standen hier
die Scheunen, aus feuertechnischen Gründen vor
der Stadt. Später wurde
das Viertel zum Zentrum
jüdischen Lebens. Mittendrin liegt die MädchenPauly Saal
schule, Berlins aktueller
17 Uhr. Schnell, ein Nachmittagskaffee ist nötig. Und ein
Gebäude müssen wir eh noch sehen: Clärchens
Ballhaus, auch in der Auguststraße. Otto Dix hat hierfür einst Plakate gemalt. Im Krieg wurde das Vorderhaus
zerstört, der Saal blieb erhalten, dann vergessen. Seit ein paar
Jahren ist alles wieder offen – und leider auch in jedem Reiseführer. Hier die Gebrauchsanweisung: auf keinen Fall am
Freitag- oder Samstagabend kommen. Dann ist’s rappelvoll,
der Charme dahin. Am besten schaut man tagsüber rein …
oder geht dienstags zur romantisch-magischen TangoNacht. Zum Kaffee futtern wir noch warmen Blechkuchen,
träumen von „CabaClärchens Ballhaus
ret“, Liza Minnelli, den
Golden Twenties. Der
Bollerofen rumpelt. Die
Kellner tragen Fliege.
Das Setting stimmt. Den
Spiegelsaal im zweiten
Stock muss man aber
auch noch sehen. Den
verpassen viele. Dorthin geht’s, leicht versteckt, durch die kleine Tür rechts vom
Haupteingang. Ja, und dort – das ist Berlin! – ist die Zeit so
richtig stehen geblieben, eine Zeitkapsel. Die Spiegel an den
Wänden sind im Krieg zersprungen, notdürftig mit Glasplomben geflickt, die Dielen abgetanzt, auch Strom gibt’s
nicht, nur Kerzen. Was hier wohl so alles schon passiert ist?!
The Kosher Classroom
Talk of Town. Und die muss man sehen, allein der Architektur wegen; feinstes Art déco, liebevoll hergerichtet bis ins
Detail, ohne Geschichte zu vergessen. Im alten Biologiesaal
hat The Kosher Classroom aufgemacht. Dort wird
jeden Freitag ein Schabbat-Dinner angerichtet, ohne Zwänge
und Tabus, für jedermann. Und im ehemaligen Turnsaal ist
nun das Pauly Saal, Berlins Restaurant-Neueröffnung
Nummer eins. Das heben wir uns auf für morgen. Heute essen wir legerer, im Mogg & Melzer, dem „Deli“ gleich
rechst vom Eingang. Küchenchef Joey Passarella serviert hier
traditionelle Lower-East-Side-Küche: Matzeknödel-Suppe,
Borschtsch, Bagels, Pastrami, Reuben-Sandwich. Aus Katz’s
Deli in New York hat Passarella die Rezepte, dem Schauplatz
von „Harry und Sally“. An Meg Ryans Hochgenuss erinnert
sich doch jeder! Einen Reuben-Sandwich hatte sie im Film.
Und wer will den nicht!
14 Uhr. Jetzt aber Galerien-Gucken, rund um die August-
straße. Wir ziehen von Tür zu Tür, und eigentlich lohnt sich
jede Ausstellung, allein die Orte sind ja spannend. Gleich
gegenüber der Mädchenschule liegt das Kunst-Werke,
KW Institute for Contemporary Art, in einer alten Marga­
rinefabrik. Direkt daneben ist der me Collec­tors
Room, neu, riesig, futuristisch, der Spielplatz vom Wella-­
Erben Thomas Olbricht – und dort die Wunderkammer
nicht verpassen: Olbrichts privates Kuriositäten-Kabinett
mit Einhorn-Hörnern, Kugelfischen, Schrumpfköpfen.
Die dritte Galerie, die man
anschauen muss, ist das C/O
Berlin im mächtigen kaiserzeitlichen Postfuhramt in
der Tucholskystraße. Zu
DDR-­Zeiten waren hier Bü- Kunst-Werke
ros. Innen hat man einfach
alles so gelassen; von den
Wänden bröckelt Putz, auf
dem Linoleum das Wachs von
hundert Jahren. Die Hamburger Freunde werden schwach,
zu viel Kunst, zu viele Eindrücke – oder waren’s doch me Collectors Room
die Schrumpfköpfe!?
54
Fotos: dpa Picture-Alliance (2), Caro/Geilert, Nicola Bramigk, Stefan Korte, Poslada/Face to Face, Julia Zimmermann, PR
noch gar nicht weit gekommen. Also marsch, die Neue
Schönhauser hinunter und kurz in die Hackeschen
Höfe – trotz Touristenrummels doch ein Muss! An der
Ecke Oranien­burger Straße wird’s dann lasziv. Hier stehen
die leichten Damen, im Mitte-Dirnen-Outfit, mit hüft­hohen
Lack­stiefeln und Netzoberteil. „Wie wär’s, Kleiner?“, „Ich
mach dir’s schön!“ So mancher Tourist hat hier beim ­zu lange Hingucken schon von Frau oder Freundin eine gewatscht
bekommen. Also schnell weiter auf der Oranienburger.
Kurz vor der der Neuen Synagoge biegen wir aber ab in
den M
­ onbijoupark. Einst stand hier ein Rokoko-­
Schlösschen. Heute wird in den Strandbars an der Spree unter Lampions getanzt. Jetzt noch über die Brücke am BodeMuseum, an der Humboldt-Uni vorbei, über den Bebelplatz
und in Richtung Friedrichstraße. Wir stehen vorm Westin
Grand, gegenüber die Galeries Lafayette. Hier sieht alles so
ein bisschen aus wie auf New Yorks Fifth Avenue.
18 Uhr 30. Nun aber Szenenwechsel. Zum ­
Abendessen
geht’s in einen anderen Stadtteil, nach Tiergarten, in die
Potsdamer Straße, in den Westen. Rein ins Taxi, Unter
den Linden entlang, am Brandenburger Tor vorbei, über
den Potsdamer Platz, rechts Philharmonie, Kunst-Forum,
Neue Nationalgalerie. Auch die Potse, wie die Berliner
sagen, wird so langsam schick. Highlight hier ist das alte
„Tagesspiegel“-Haus. Die Zeitung ist ausgezogen, Galerien, Boutiquen, Modeläden sind eingezogen. Den schickweißen Modetempel Andreas Murkudis in der
Druckmaschinenhalle muss man sehen – und Fiona
Bennett, den neuen Laden von Deutschlands erster
Hutmacherin in der alten Anzeigenannahme. Brad Pitt und
Nina Hagen tragen ihre Hüte. Treffpunkt der neuen PotseAvantgarde ist die Joseph-Roth-Diele. Und genau
da gehen wir auch hin.
Das Taxi hält. Der
Fahrer strahlt; zwei
Häuser weiter w
­ ohne
die
Lieblingsfreundin, sagt er. In jedem
Stadtteil eine, für
die Pausen! Dielen,
das waren früher die
Wirtsstuben fürs Volk,
Fiona Bennett
C/O Berlin
für Dienstmädchen und
Joseph-Roth-Diele
Schichtarbeiter. Nur die
eine ist noch erhalten,
eine ganz besondere. In
den 20er-Jahren wohnte
Schriftsteller Joseph Roth
gleich nebenan. In der
Diele soll er geschrieben
haben. Und Holztische,
Stühle, Bänke, die Theke – alles sieht so aus wie früher. An
den Wänden hängen Fotos aus dem Roth’schen Leben. Am
Mittag wird Klavier gespielt. Zu essen gibt’s Altberliner
Dielen-Klassiker: Roulade, Kassler, Strammer Max. Wir
machen uns über die Stullen her, mit Harzer, Mettwurst,
Leberwurst und Schmalz. Das Bier kommt im kühlen
Steinkrug. Wir bestellen gleich noch eins.
Es ist schon 22 Uhr. Egal! Wenn wir schon mal hier sind,
auf der Potse, gehen wir zum Absacker auch noch in die
Victoria Bar, eine der besten Cocktailbars der Stadt;
flippig, klassisch, gut. Die liegt praktischerweise fast gegenüber auf der anderen Straßenseite. Aber auch hier, typisch
Berlin: von außen nix zu sehen – also Tür finden, klingeln,
freundlich lächeln, rein! Und einmal drin, wird’s immer
spät.
Samstag, 12 Uhr. Treffpunkt U-Bahnhof Mehringdamm.
Gleiche Uhrzeit wie gestern, anderer Stadtteil, ganz anderes
Programm. Samstag ist der beste Tag, um Kreuzberg anzuschauen, zumindest einen Teil davon, den Bergmann-Kiez.
Hier ist Berlin zumindest optisch wirklich noch so erhalten
wie vor hundert Jahren; Straße über Straße unverändert.
Filme werden hier gedreht, ab und zu rennen Komparsen mit
Pickelhauben rum. Der Flughafen Tempelhof ist um die Ecke.
Und da der von den Alliierten nach Kriegsende noch benutzt
werden sollte, fielen hier kaum Bomben. Wir wandern los,
den Mehringdamm entlang, einst eine der Prachtstraßen,
die in die Stadt führten; prächtige Häuser, weitverzweigte
Hinter­höfe. Wir gehen kurz in die Sarotti-Höfe, in
Hof 3 steht das Stammhaus der bekannten süßen Marke.
Und wir flanieren weiter über die Bergmannstraße mit ihren
bunten Cafés, Kneipen, Restaurants und Trödelläden. Beim
kleinsten Sonnenstrahl sitzt alles und jeder draußen.
13 Uhr 30. Unser erster Stopp, Berlins ältester
Biomarkt auf dem Chamissoplatz, mit bestem Regionalem, an einem der schönsten historischen Plätze der Stadt.
Ein wahrer Kreuzberger Geheimtipp. Wir lunchen auf
Holztischen und -bänken, mitten zwischen den Ständen.
Musik gibt’s auch, diesmal Country, live natürlich. Schnell
ist zusammengesammelt, was wir brauchen: Schafsmilch,
Buttermilch, Ziegenkäse aus dem Spreewald, Brot und
Wildschweinwurst vom Scharmützelsee, Sanddornsaft aus
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Saal. Der letzte Abend,
20 Uhr 30. Treffpunkt Pauly
PAULY SAAL.
zurück in der Mädchenschule, aufgebrezelt, schick gemacht.
Wir rekeln uns auf tannengrünen Polstern, über uns funkeln
die bernsteinfarbenen Lüster. Und langsam füllt sich auch
der Saal. Die Hauptstadt-Crème-de-la-Crème läuft ein, alles
und jeder, der Rang und Namen hat, Filmstars und -sternchen, die Größen aus der Kunstszene. Die Macher hinter
dem Pauly Saal sind die Damen und Herren, die schon vor
G E N I E S S E N S I E J E D E N E I N Z E L N EN.
Sonntag, 11 Uhr. Berlin ade! Nein, noch nicht ganz! Ausge-
checkt ist schon. Die Koffer sind im Hotel geblieben. Ein paar
Stunden Hauptstadt gibt’s aber noch. Der Zug zurück geht
um 15 Uhr 25. Sommers, bei gutem Wetter würde ich meine
Mauerpark entführen. Jeden
Freunde jetzt noch in den MAUERPARK
Sonntag tobt dort auf dem ehemaligen Todesstreifen an der
Bernauer Straße das pralle Leben, die Jugend der Welt ist am
Karao­
Tanzen, Chillen, Grillen, mit Gitarren, Trommeln, Karaoke, Ghettoblastern – Woodstock-Feeling bis in die Nacht.
Jetzt im Winter hab ich mir aber was anderes ausgedacht.
Badeschiff. Und mit HandWir stehen in Treptow am BADESCHIFF.
tuch um die Hüfte geht’s auch schon über Stege und Bohlen.
riesi­
Mitten in der Spree schwimmt die mit Wasser gefüllte riesileicher
ge Wanne. Noch bis in die 30er-Jahre gab’s hier an ­ggleicher
Stelle gleich eine
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allerdings war als
Happening ge­
lant,
gep
plant,
als Kunstobjekt.
Badeschiff
Dann ist es halt
geblieben, weil’s so
schön war. Zur kühlen Jahreszeit kommt eine Kuppel auf
die Wanne, es wird zur Sauna. Man dampft dann vor sich
hin –
hin – perfekt zum Sinnieren, Durchkauen, Nachdenken,
über all die Welten, die Menschen, die einem so begegnet
sind.
Meine Freunde steigen ins Taxi. Auch ich fahre nach Hause,
mit dem Rad, durch Kreuzberg. Frau Schwieger winkt am
Fenster. Ich hol das Kissen raus, schau noch in die Abendsonne. Auf dem Tisch liegen all die Blätter mit Notizen, das
Logbuch. Ob die Berenberg’schen Leser damit etwas anfangen können? Ich hoffe!
Fotos: Paul Carpenter, Jersey Tourism, Matt Porteous
17 Uhr 10. Einen haben wir aber noch, ein Kreuzberger
DestilUnikum. Auf dem Weg zur U-Bahn liegt die DESTILle, 140 Jahre alt, eine der ältesten Kneipen der Stadt, mit
LE,
urigem Ambiente und besonderer Geschichte. Stammgast
hier war Arzt und Dichter Gottfried Benn. Benns Praxis
war am Mehringdamm. Berühmt ist die Destille aber auch
für Hochprozentiges, fürs selbst Destillierte. Dutzende
Glasballons mit Bränden, Geist, Schnäpsen hängen hinter
der Theke wie eh und je, gläschenweise wird abgefüllt. Kellner Perry trinkt mit. Haselnuss, Schlehe, Himbeer – in den
Mund, auf die Zunge und die Kehle runter. Um uns herum
buntes Palaver in diversen Sprachen. Man kommt schnell ins
Gespräch. Jeder erzählt seine Geschichte. Also noch ein paar
Worte zur neueren Berlin-Statistik. 2,2 Millionen Menschen
sind seit der Wende in die Stadt gezogen, aus Deutschland,
Europa, aller Welt, haben die östlichen Stadtteile aufgefüllt,
die im Westen aufgemischt. Ebenso viele sind aber auch verstorben oder haben sich ins Umland abgesetzt, ins grüne
Brandenburg. 3,4 Millionen Menschen leben heute in Berlin. Und das mal schnell durchgerechnet heißt, dass tatsächlich jeder Zweite, genauer gesagt jeder Anderthalbste, den
man auf der Straße sieht, quasi neu ist: Neu-Berliner. Ein
Wahnsinn! Und genau das, die geballte neue Energie, all die
Lebensziele, -träume, -wünsche, das ist das, was Berlin so
besonders macht. Jetzt aber ins Hotel, kurz ausruhen, umziehen, dann geht’s weiter.
VO N D E N S TE R NE N,
ein paar Jahren mit dem Grill Royal für Aufsehen sorgten.
Nun hat Restaurant Nummer zwei dem einstigen MitteTreffpunkt Nummer eins sogar den Rang abgelaufen. Aber
keine Angst, hier geht’s nicht nur ums Sehen und GesehenOberfläche.
werden, um Show und Oberfl
äche. Im Pauly Saal stimmt
auch der „Inhalt“; Philosophie und Küche. Chefkoch Siegfried Danler, der auch schon im Hamburger Le Canard war,
arbeitet mit Brandenburger Bauern, lässt anbauen, produzieren, legt und weckt im Keller selbst ein. Am Tisch neben
Gräfin
uns nimmt Veruschka Platz, Vera Gräfi
n von Lehndorff, in
den 60er-Jahren das erste wahre Topmodel der Welt. Sie lächelt rüber. Zu uns? Scheinbar! Wir gehören dazu, irgendwie. Naomi Campbell war auch schon hier.
Foto: Torsten Seidel
der Uckermark. Es schmeckt. Und wie! Gestärkt geht’s weihis­
ter, wieder auf die Bergmannstraße. Am Ende liegt die hisMarheineke Markthalle,
torische MARHEINEKE
MARKTHALLE, ein weiteres
Samstags-Highlight. Die schauen wir auch noch an – und
trinken noch einen starken Kaffee … als Stärkung vor dem
Aufstieg …
Aufstieg
… auf Berlins höchsten Berg, den Kreuzberg. Ja,
den gibt’s wirklich, 66 Meter hoch, immerhin. Rauf geht’s
Viktoriaüber die Methfesselstraße und durch den VIKTORIApark. Und nicht wundern, auf den Pfaden wird’s richtig
PARK.
steil. Einst war die Erhebung Weinberg und Mühlenhügel.
Ausflugslokale.
Am Fuß gab’s Ausfl
ugslokale. Selbst Goethe soll hier schon
schnabuliert haben. Oben dann die Hauptattraktion: Nationaldenkmal und Aussichtsplattform. 1821 hat Preußens Stararchitekt Karl Friedrich Schinkel den gusseisernen Turm in
Kathedralen-Form geschaffen, mit Kreuz auf der Spitze, als
Erinnerung an den Rauswurf Napoleons aus Preußen und
Berlin. „Kreuz-Berg“ hieß der Stadtteil dann.
Nirgends zählen Sie mehr Ster ne als bei uns an Bord. Erleben Sie die
Ster ne-K o c h l e g e n d e D i e t e r M ü l l e r u n d d i e K u n s t s o v i e l e r s t e r n e d e k o r i e r t e r G a s t - K ö c h e w i e a u f k e i n e m z w e i t e n S c h i ff . U n d d a s i n
d e m e x k l u s i v e n A m b i e n t e , d e m d i e E U R O PA i h re A u s n a h m e b e w e r t u n g
5 - S t e r n e - p l u s * v e rd a n k t .
* Lt. Berlitz Cruise Guide 2013.
56
We i te r e I n fo r m a t i o n e n e r h a l te n S i e i n I h r e m R e i s e b ü r o o d e r u n te r w w w.h l k f.d e
57
M e n sc h e n
Die Schöne
ist ein Biest
Charlize Theron ist nicht nur eine der schönsten Schauspielerinnen
dieses Jahrzehnts. Sie ist wohl die wandlungsfähigste Diva Hollywoods
S
ie war 15, als ihr betrunkener Vater nach
ren, schon immer“, sagt sie. Im Frühjahr 2012 trennte sie sich
Hause kam, die Familie mit einem Gewehr
mal wieder, adoptierte aber ein Kind, einen Sohn, und lebt
bedrohte, und ihre Mutter den Mann in
nun als alleinerziehende Mutter. Man merkt schon, im LeNotwehr erschoss. Man fand sie danach
ben von Charlize Theron gibt es viel Sperriges, Derbes und
wimmernd unter einer Decke. Heute, über
wenig Zusammenpassendes. Aber was soll’s, was passt schon
20 Jahre später, hat sie einen Pitbull-Hund,
zusammen in der Entertainment-Maschine Hollywood?­Da
den sie liebt. Und sie schaut Horrorfilme,
gibt es haufenweise falsche Ehen, versteckte Homosexualium sich zu beruhigen,
tät und vom Chirurgen geformte Körper.
wie sie sagt. Sie mag im Fernsehen gern
Das sieht man auf jedem roten Teppich,
sehen, wenn Männer sich in Käfigen bis
und in den Bars der Hotels hört man, wer
aufs Blut verhauen, „Steel Cage Fighting“
bei welchem Therapeuten wegen welcher
heißt so was in den USA. Sie hat einen
Sucht in Behandlung ist, und so weiter.
Oscar für die Rolle einer SerienmördeNur einen Namen hört man nie. Ihren.
rin in „Monster“ bekommen, und für
Charlize Theron. Sie ist in diesem Enihren Auftritt in der Märchenverfilmung
semble ein bemerkenswertes Einzelstück,
„Snow White and the Huntsman“ hieß es:
das wenige Geheimnisse um sich macht
„Schönheit, so grausam.“ Und nun schaut
und etwas hat, dass man bei Männern
man sich diese Frau an, das Gesicht, das
immer mit „balls“, also Eiern, übersetzt.
Lachen, die langen Beine, und denkt, die
Bei einer Frau wie Charlize Theron sollte
sieht überhaupt nicht so aus, wie sie lebt.
man schlicht von Willen sprechen. Einem
Früher hat Charlize Theron mal geWillen, den schon viele Produzenten und
raucht, sagt sie, und wenn man fragt, wie Schauspielerin Theron
Regisseure vergeblich versucht haben zu
viel, kommt: „Ich habe nicht wie normale in „Kaltes Land“ (oben) und
bändigen oder einzuordnen. Charlize
Menschen geraucht, ich habe geraucht, dem Oscar-prämierten „Monster“ macht es ihnen verdammt schwer.
um zu sterben.“ Wenn sie Auto fährt und
Sie hat die Schönheit und die Maße
auf der Straße wenden will, kann es passieren, dass sie Volleines Supermodels, sie war schon das Gesicht von Dior, und
gas gibt, die Handbremse zieht und eine reifenquietschende
was macht sie vor der Kamera? Zeigt sich nackt mit bluSchleuderwende hinlegt. Hat sie mal gelernt, in „The Italian­ tenden Wunden auf dem ganzen Körper. Oder als trinkende
Job“, einem ziemlich schnellen Goldräuber-Film. Sie war
und mordende Hure mit Müllhaaren und speckiger Haut.
noch nie verheiratet, hatte aber immer Männerfreunde.
Oder als aschfarbene Gestrandete nach dem Weltuntergang.
„Wenn einer ging, hatte ich einen Monat später einen andeOder als billige, nervensägende Kleinstadtschönheit. Man
58
Fotos: Fabrizio Ferri/Contour by Getty Images, ddp images, Cineliz/AllPix/laif
T e x t: J o c h e n S i e m e n s
59
M e n sc h e n
„Wenn ich eine perverse
spielen soll, werde ich pervers“
Hollywoodstar Theron in „24 Stunden Angst“, „Aeon Flux“, „Head in the Clouds“ and „Snow White and the Huntsman“
Werbefigur Theron
Schönheit und Maße
eines Supermodels
60
Benoni heißt die kleine Stadt in Südafrika, ganz in
der Nähe von Johannesburg. Am 7. August 1975 wurde
Charlize Theron hier auf einem Bauernhof geboren. Ihr
­
Vater Charles war ein angesehener Bauunternehmer, ihre
Mutter ­Gerda hatte deutsche Vorfahren. Charlize’ Kindheit
war wie ein südafrikanisches Bullerbü, sie spielte, ging zur
Schule, ­mistete den Hühnerstall aus und trieb die Kühe auf
die W
­ eide. Dann, im Juni 1991, kam ihr Vater eines Abends
volltrunken nach Hause, er stritt mit der Mutter, er randalierte, warf die Möbel um, holte sein Gewehr und legte
an. Gerda riss ein anderes Gewehr an sich und drückte ab.
­Charlize hatte sich in ­ihrem Zimmer versteckt, sie war 15.
Gerda Theron wurde n
­ ie a­ngezeigt. Man weiß nicht, ob
Charlize dieses Trauma v­ erdrängen wollte, aber als sie als
„wenn einer ging, hatte ich
einen Monat später einen
anderen, schon immer“
Schauspielerin erste ­Interviews gab und nach ihrem Vater
gefragt wurde, erzählte sie jahrelang, er sei bei einem Autounfall umgekommen. Dann wurde in ­Südafrika irgendwann
einmal der ­Polizeibericht aus der Nacht veröffentlicht. Heute beantwortet Charlize dann s­ olche Fragen gar nicht oder
sehr knapp und kühl.
15 ist ein beschissenes Alter für
ein solches Erlebnis, man ist zu jung,
um es zu verstehen, und zu alt, um
zu vergessen. Man wird buch­
es ­
stäblich b
­ rutal erwachsen, härtet seine
Schale und trainiert sich in Parallelwelten. Später wird sie einmal sagen:
traurig es ist, aber Liebeskum„So ­
mer, Schmerz und Tod beschäftigen
uns einfach mehr ­als all die schönen
Dinge des Lebens.“ Gerda Theron
schickte ihre Tochter weit weg, sie
wusste, dass der Vorfall sie in dem
kleinen Nest Benoni ­irgendwann erdrücken würde.
Fotos: Cineliz/AllPix/laif, ddp images (4), DAF/Face to Face, Imago Stock+People
kann in der Liste ihrer 36 Filme lange suchen, man findet keine romantische Komödie oder andere Fließbandstücke, sondern nur fast Schwieriges, manchmal Krachendes und immer
Rollen mit Abgründen und doppelten Böden. Selbst in Woody Allens Film „Celebrity“ spielt Theron zwar ein Supermodel, aber ein kettenrauchendes mit perversen Vorlieben.
„Jeder Teil meines Körpers liefert mir sexuellen Spaß“, sagt
sie da. Der Drehbuchautor des Films „Young Adult“, Diablo
Cody, erinnert sich: „Ich muss zugeben, ich hatte große Bedenken mit Charlize, sie war mir zu schön, ich wollte lieber
normale Menschen in dem Film. Aber es war beeindruckend,
wie sie ihre Schönheit in etwas vorstädtisch Oberflächliches
verwandeln konnte. Charlize ist wirklich sehr überzeugend.“
Hollywood geht so: Wer hierherkommt, verkauft das, was
er hat. Die meisten ihre Schönheit. Bei Charlize Theron ist es
umgekehrt, sie versucht immer wieder zu zeigen, wie sehr sie
das, was sie hat, zerstören kann. Das hat auf bestimmte Weise auch Konjunktur im Film, Hollywood mag die, die sich
entstellen, Behinderte oder Todkranke spielen. Tom Cruise,
Angelina Jolie, Tom Hanks, Dustin Hoffman, sie alle spielten schon Behinderte oder Verrückte, so was fordert Schauspiel und große Gesten, und das Publikum schaut gebannt
zu. Aber so etwas spielt man ein-, zweimal, um dann wieder
in den Glanz des großen Stars und Helden zurückzukehren.
Nur Charlize Theron sagt, dass der irre Jack Nicholson,
axtschwingend in „Shining“, eine
ihrer schauspielerischen Initial­
zündungen gewesen sei: „Das hat
mich wirklich inspiriert.“ Wenn
sie einen Raum betritt, sei es, als
ob Marlene Dietrich und John
Wayne erscheinen würden, erzählen die, die Charlize besser
kennen. Man muss noch einmal
zurück in die Teenagerjahre von
Charlize Theron, um das zu verstehen. Denn sie kommt aus einer
ganz anderen Welt.
Und Charlize war groß gewachsen, blond und sehr schön.
Sie ging nach Mailand, gewann einen Modelcontest und hielt
es dort ein Jahr aus. Sie war 16, aber eben viel erwachsener,
zynischer, härter: „Ich hasste es, den Mund nicht aufmachen
zu dürfen.“ Sie ging nach New York an eine Ballettschule
und war auf ihre Art erfolgreich, das Joffrey Ballet in New
York engagierte sie. „Ich liebte Tanzen, weil ich merkte, dass
es Schauspiel war. Ich war technisch wirklich nicht die Beste,
aber ich bekam Hauptrollen, denn wenn ich auf der Bühne starb, starb ich wirklich, und wenn ich verrückt werden
sollte, wurde ich wirklich verrückt.“ Doch Charlize war für
den Tanz zu groß, mit 19 musste sie wegen vieler Verletzungen aufgeben: „Ich hatte die Knie einer 89-jährigen Polin“, erzählte sie einmal.
Und wieder war es die Mutter, die sie antrieb. Wie war
das mit dem Schauspiel? Das willst du? Dann geh dorthin,
wo Filme gemacht werden. Versuch es. Charlize flog nach
Los Angeles, sie kannte niemanden, und Gerda hatte ihr nur
ein One-Way-Ticket geschenkt. Aber hier zu scheitern hieß,
Südafrika, Benoni, die Tochter des erschossenen Vaters kehrt
erfolglos zurück – eine Aussicht wie Stacheldraht. Was dann
passierte, könnte eine hübsche erfundene Legende sein und
ähnelt einer Filmszene, aber Los Angeles und Hollywood ist
ein Ort, der nach genau dieser Regie lebt. Charlize ging in
eine Bank, um einen Scheck aus einem ihrer letzten Model­
aufträge einzulösen, der Mann am Schalter sagte: „Sorry, den
können wir nicht einlösen, der ist nicht aus Kalifornien, sie
müssten …“ Weiter kam er nicht, denn die 1,86 Meter große
Südafrikanerin holte Luft und zerlegte den Mann mit Worten
„ich hatte die Knie einer
89-jährigen Polin“
in Schnipsel oder zu Staub, was jedenfalls einen Schauspiel­
agenten in der Warteschlange so beeindruckte, dass er Charlize seine Karte gab. So ist das in Hollywood, Karten werden
den ganzen Tag verteilt, aber Charlize Theron rief den Mann
an. Noch am selben Tag. Und wenige Wochen später hatte sie
ihre erste Rolle. Nackt auf einem Bett in „Zwei Tage L.A.“.
„Über manche Filme, die ich gemacht habe, muss man nicht
reden“, sagt sie heute.
Privatperson Theron
mit Nelson Mandela (oben)
und Adoptivsohn Jackson
Natürlich dachten sie in Hollywood:
Oh, blonde Zuckerstange, die sich auch
auszieht, kommt genau richtig, Sharon
Stone wird ja auch nicht jünger. Genau­
so denken und reden sie in den Besetzungsbüros. Aber Charlize Theron
schlug­schon bald die ersten Haken, sie
feuerte ihren Agenten, als er sie in dem
Busen-Tanzfilm „Showgirls“ unterbringen wollte, sie überzeugte Woody Allen
mit ihrem Können – „wenn ich eine Per­verse spielen soll, werde ich pervers“ –­,
und sie fiel vor der Kamera mit etwas auf,­
das viele nur vorspielen: Intensität. Es ist
die Intensität, man könnte auch sagen
Schizophrenie von Menschen, die sich in­
andere Welten und Personen versetzen wollen, um sich zu tar­nen oder zu verstecken. Das lernt man nicht auf Schauspielschulen, das lernt man wie Charlize Theron im Leben. 2003
kam dann die große Chance: „Monster“, eine Geschichte
über die Prostituierte Aileen Wuornos, die zur Serienmörderin wird, ein ganz harter Film mit einer ganz harten, irritierend fremden Theron, hässlich, verzweifelt, brutal. Es ist ein
Film, in dem sie aus Rache Männern mit der Pistole den Kopf
wegschießt, für den sie den Oscar bekommt. Aber es wäre
viel zu billig, darin Zusammenhänge ihres Lebens zu sehen.
Man kommt Charlize Theron anders nahe. Mit ihrer
­Mutter, sagt sie, hat sie viele Gedichte von Rainer Maria
­Rilke gelesen, damals, an den Abenden auf dem Bauerhof.
Und Rilke schrieb einmal: „Denn das Schöne ist nichts als
des Schrecklichen Anfang, den wir noch gerade ertragen, und
wir bewun­dern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören.“ Muss man zweimal lesen, um Charlize Theron­auf
der Leinwand zu verstehen. Wie sie da gelassen ­verschmäht,
uns zu zerstören.
61
B e r e n be r g News
Gefragte Oldtimer
Florian Zimmermann leitet den Bereich Classic Cars bei der Berenberg Art Advice GmbH.
Zuvor war er zwölf Jahre für Mercedes-Benz
tätig, zuletzt als Leiter des Mercedes-Benz
Classic Centers in Stuttgart. Der erfahrene
und ausgewiesene Experte hält die Investition
in Oldtimer für die „passionierte Art der Geldanlage“.
Herr Zimmermann, wie hat sich der Oldtimermarkt in den
letzten zehn Jahren entwickelt?
In den letzten Jahren haben wir einen wahren Boom erlebt.
Dies betrifft nicht nur den Handel mit Fahrzeugen, sondern
ebenso den Bereich der Veranstaltungen, auf denen Enthusiasten ihrem Hobby frönen und in die mobile Welt vergangener
Tage eintauchen können. Es vergeht kein Wochenende, ohne
dass nicht irgendwo in Europa Oldtimer auf Ausfahrten zu
bewundern sind. Neben Rallyes, Rennveranstaltungen und
sogenannten Concours d’Élégance erschließen immer mehr
Großveranstaltungen mit Unterhaltungscharakter wie zum
Beispiel das Goodwood Festival of Speed oder auch Messen
wie die Techno Classica in Essen die Welt der Oldtimer einem breiten Publikum. Dies beeinflusst auch den Markt und
sorgt für ein stabiles Wachstum in einem durch natürliche
Verknappung gekennzeichneten Segment – die Fahrzeuganzahl originaler Oldtimer aus den besonders interes­santen
Jahren bis 1970 wird immer geringer. Gleichzeitig erleben wir
ein steigendes Interesse an diesen historischen Kulturgütern
in bis dato fast unerschlossenen Märkten wie zum Beispiel
Asien, die für eine weitere Belebung sorgen werden.
Haben Sie dramatische Preisschwankungen beobachtet?
ten Jahren in diesem Segment relativ stabil. Baureihen mit
relativ geringer Stückzahl und besonderen Karosserieformen sind insbesondere in diesem Segment anzutreffen. Im
oberen Segment finden sich die besonderen und exklusivsten Fahrzeuge aus 126 Jahren Automobilgeschichte, viele
Vorkriegsfahrzeuge der bekannten Marken, Design-Ikonen
aber auch historische Rennfahrzeuge mit entsprechender
Geschichte. Die Wertentwicklung in diesem Segment ist sehr
fahrzeugspezifisch und hat in den letzten Jahren schon fast
utopische Ausmaße angenommen.
Generell haben wir in den letzten Jahren einen relativ stabilen Wertzuwachs beobachtet. Preisschwankungen innerhalb
einzelner Fahrzeugkategorien ließen sich in der Regel auf die
Qualität des Oldtimers und die belegte Geschichte zurückführen, sprich, es wird inzwischen sehr genau beim Kauf auf
die richtige Wahl geachtet. Bei besonders seltenen und exklusiven Fahrzeugen beobachten wir seit einiger Zeit regelrechte Preissprünge nach oben, die sich durch die geringe
Verfügbarkeit dieser Preziosen erklären lassen. So gehören
Auktionsergebnisse von weit über zehn Millionen Dollar inzwischen schon fast zum Alltag eines Auktionators – vor Jahren undenkbar. Generell lässt sich jedoch sagen, dass ein gut
ausgewählter Oldtimer eine sichere Anlage ist, die oft kolportierten Renditen von über zehn Prozent pro Jahr jedoch nur
im Einzelfall zu erreichen sind.
Wo sehen Sie die größten Entwicklungschancen?
Die größten Entwicklungschancen sehe ich bei Fahrzeugen
der heute noch bekannten, exklusiven Marken. Beispielhaft
hierfür seien Bentley, Ferrari oder auch Aston Martin und
Mercedes-Benz genannt. In den einzelnen Fahrzeugkategorien sind es die Roadster und Cabriolets, die die stabilsten
Wertentwicklungen aufweisen. Eine immer größere Rolle
spielen die Themen Originalität und lückenlose Dokumentation der Geschichte des Fahrzeugs. Nur gut dokumentierte Fahrzeuge mit geprüfter Originalität werden in ihrem
Wert langfristig stabil wachsen. Dennoch zählt auch hier der
Grundsatz „Die Ausnahme bestätigt die Regel“, die Entwicklungschancen des einzelnen Fahrzeugs müssen immer im
Einzelfall bewertet werden.
In welche Segmente teilt sich der Markt?
Ich sehe drei Hauptsegmente: Einstiegsmodelle, die den
größten Anteil am Markt ausmachen. Hierbei handelt es sich
in der Regel um Fahrzeuge, die in erster Linie Spaß bringen
und nicht so sehr das Thema Wertentwicklung berücksichtigen. In der Regel sind dies auch die volumenstarken Baureihen der Hersteller. Im mittleren Segment sind insbesondere
die exklusiven Baureihen und bekannte Hersteller anzutreffen, die Wertentwicklung der Fahrzeuge erfolgte in den letz-
Was raten Sie einem Neuling, der Geld in diesen Markt investieren will?
Für mich gelten folgende Regeln:
Grafik: Berenberg Art Advice | Fotos: Berenberg, René Staudt
1. Kaufen Sie nur das Fahrzeug, das Ihnen gefällt. Wählen Sie
nach Ihrer persönlichen Passion.
62
2. Sollte bereits eine Sammlung bestehen oder der Aufbau
einer Sammlung geplant sein, muss der Kauf im Hinblick auf
die Sammlungsstrategie geprüft werden.
3. Kaufen Sie nur ein möglichst original erhaltenes Fahrzeug.
Lassen Sie diesen Punkt vor dem Kauf genau prüfen (siehe
auch Grafik S. 62)
4. Prüfen Sie, ob das Fahrzeug eine nachvollziehbare, fundierte Historie besitzt.
5. Lassen Sie, unbedingt vor dem Kauf, eine technische Bewertung und Zustandsaufnahme durchführen.
6. Lassen Sie Marktanalysen und Vergleichstransaktionen in
die Kaufpreisfindung mit einfließen.
Berenberg Bank Classic Team
bei Schloss Bensberg Classics
Innerhalb von nur vier Jahren haben sich die Schloss Bensberg Classics zu einer der bedeutendsten Oldtimerveranstaltungen in Europa entwickelt. Von Beginn an unterstützt
die Berenberg Bank die aus einem Concours d’Elegance und
einer Rallye Historique bestehende Veranstaltung als Sponsor. Mit neun Teams aus Kunden und Freunden des Hauses
ging das „1590 Berenberg Bank Classic Team“ um Berenberg-Partner Andreas Brodtmann in diesem Jahr auf die
200 Kilometer lange Strecke durch das Bergische Land.
Sichere Häfen
Das Interesse an Investitionen in Sachwerte
hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Zum einen ist es durch die Verstärkung
der Finanz- und Schuldenkrise zu erheblichen Verwerfungen an den Kapitalmärkten
gekommen. Zum anderen gelten Anleihen
bestimmter Staaten aufgrund ihres Ausfallrisikos nicht mehr als „sichere Häfen“. Gerade in diesen Zeiten ist das Investment in
Sachwerte vergleichsweise stabil. Darüber
hinaus schützen Sachwerte vor Inflation und korrelieren
nur wenig mit anderen Anlageklassen. Die Berenberg Bank
und das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut HWWI haben in ihrer Studienreihe „Strategie 2030 – Vermögen und
Leben in der nächsten Generation“ das Thema Sachwerte
genauer untersucht. Die Autoren beleuchten die Segmente
Rohstoffe, Infrastruktur, Immobilien, Ackerland und
Forstwirtschaft, Diamanten, Kunst sowie Luxus und zeigen
in diesen Bereichen auch Anlagemöglichkeiten auf.
63
B e r e n be r g News
HWWI/Berenberg Kulturstädteranking
Stuttgart ist
Kulturmetropole Nr. 1
1. Stuttgart
2.Dresden
3.München
4. Berlin
5. Bonn
6. Frankfurt am Main
7.Münster
8.Karlsruhe
9.Hamburg
10. Augsburg
11.Düsseldorf
12. Leipzig
13.Essen
14.Köln
15.Nürnberg
64
16.Mannheim
17.Hannover
18. Braunschweig
19.Aachen
20.Chemnitz
21. Bremen
22. Bochum
23. Wiesbaden
24.Kiel
25. Bielefeld
26.Dortmund
27.Mönchengladbach
28.Gelsenkirchen
29. Duisburg
30. Wuppertal
Jugend-Training mit
Golflegende Gary Player
Er ist einer der ganz Großen des Golfsports. Auch mit
77 Jahren ist Gary Player aktiv und spielt noch fast täglich
Golf. Der fünffache Majorsieger ist von Beginn an Aushängeschild der Berenberg Bank Masters und zusammen mit
Bernhard Langer Turnierbotschafter.
„Wer von euch möchte Golfprofi werden?“, fragte Gary
Player in die Runde von 20 Jugendlichen. Eine Hand ging
nach oben, eine zweite folgte schüchtern. „Hallo, was ist
das, in meiner Heimat Südafrika hätten alle sofort Ja gerufen!“ Dennoch war er fasziniert: „Es ist großartig, so viele
talentierte Jugendliche zu sehen, die mit Begeisterung unseren Sport ausüben.“ Das war aber nur der Auftakt zu einer
einmaligen Trainingsstunde mit der Golfikone. Teilnehmer
waren Jungen und Mädchen im Alter von 9 bis 17 Jahren,
die sich über einen „Nearest to the Pin“-Wettbewerb in
den Leading Golf Courses of Germany qualifiziert hatten.
Die Gewinner aus allen Teilen Deutschlands waren von der
­Berenberg Bank zum Besuch des Turniers und zum Training
mit der Golflegende eingeladen worden.
„Wir wollen neben dem Profisport auch den deutschen
Nachwuchs fördern und konnten unseren Turnierbotschafter Gary Player gleich für diese Aktion gewinnen“, freute
sich Berenberg-Chef Dr. Hans-Walter Peters. Gary Player
gab jedem einzelnen Teilnehmer individuelle Tipps für sein
Spiel, ehe er für alle Jugendlichen Kappen signierte und für
ein persönliches Foto bereitstand. Ein unvergessliches Erlebnis für alle Teilnehmer.
Hitzeschlacht am Wörthsee
Fotos: Frank Föhlinger, Phil Inglis/Getty Images
Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat
im Auftrag der Berenberg Bank die 30 größten Städte
Deutschlands im Hinblick auf ihr Kulturleben untersucht.
Das Ergebnis: Stuttgart ist Kulturmetropole Nr. 1, Dresden,
München und Berlin folgen auf den Plätzen 2, 3 und 4, während altindustrielle Städte wie Gelsenkirchen, Duisburg und
Wuppertal das Schlusslicht bilden.
Das HWWI/Berenberg Kulturstädteranking greift die
vielseitige Bedeutung des kulturellen Klimas für die Stadt­
entwicklung auf und vergleicht zahlreiche Aspekte der
Kulturproduktion und -rezeption. Dabei bezieht sich die
Kulturproduktion auf Elemente und Grundlagen, die für
die Entstehung von Kunst und Kultur notwendig sind, wie
etwa die kulturelle Infrastruktur mit Opernhäusern und
Theatern, die kulturelle Bildung an Musik- und Kunsthochschulen oder die Anzahl der Beschäftigten in der Kulturwirtschaft. Die Kulturrezeption umfasst die Aufnahme des
kulturellen Angebots durch die Bewohner und Besucher
der Städte. Sie zeigt sich beispielsweise in den verkauften
Theater- und Museumskarten. Dabei können den Auswertungen nur quantitative Aussagen entnommen werden.
Die äußeren Voraussetzungen waren bis auf die enorme
Hitze optimal und das Spielerfeld hochklassig. Die Spitzenspieler der European Senior Tour waren der Einladung von
Deutschlands ältester Privatbank zur dritten Auflage der
Berenberg Bank Masters gefolgt, ebenso wie über 11.000
Zuschauer. Südafrika, Köln, Wörthsee – das sind die Stationen des mittlerweile größten Turniers der European Senior
Tour. Die durchweg positiven Kommentare der Teilnehmer,
die vor allem den perfekten Pflegezustand und die enorm
schnellen Grüns lobten, bestätigten den Veranstaltern, die
richtige Wahl getroffen zu haben. Kein Wunder, dass Dr.
Hans-Walter Peters, Sprecher der persönlich haftenden
Gesellschafter der Berenberg Bank, hochzufrieden war:
„Als wir vor zwei Jahren in Südafrika die Berenberg Bank
Mas­ters ins Leben gerufen haben, konnten wir nicht ahnen,
welch positive Entwicklung dieses Turnier in kürzester Zeit
nehmen würde.“
Der Finaltag der Berenberg Bank Masters 2012 brachte die
Entscheidung – mit Spannung bis zum letzten Putt. Bei
schwierigen Verhältnissen mit böigem Wind kämpften der
Amerikaner Tim Thelen, der Waliser Mark Mouland, Peter Fowler (Australien) und Barry Lane (England) bis zur
Finalbahn um den Sieg. Thelen begann die Finalrunde mit
einem Sensationsschlag und einem daraus resultierenden Albatros (drei unter Par!), mit dem er die Führung übernahm.
Mit einem Schlussspurt und Birdies auf den Löchern 16 und
18 konnte Thelen seinen Vorsprung auf drei Schläge ausbauen und sich den Erfolg sichern. Bei den Berenberg Bank
Masters 2011 hatte der in Texas lebende Thelen sein erstes
Turnier auf der Senior Tour gespielt, in Wörthsee gelang ihm
nun der erste Sieg. „Sobald ich in Deutschland abschlage,
gelingt fast alles. Vielleicht liegt das an meinem deutschen
Urgroßvater.“
Auch Lokalmatador Bernhard Langer zählte zu den Titelanwärtern, doch an diesem Sonntag verließ ihn das Glück
auf den Grüns. „Ich hatte einige Chancen auf Birdies, doch
die Putts wollten nicht fallen.“ Langer beendete das Turnier
nach 205 Schlägen (-11) auf dem alleinigen fünften Rang.
65
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Investorenkonferenz
zur Stärkung des
Wirtschaftsstandorts
BerenbergKids:
75.000 Euro für
bedürftige Kinder
Baggern für den guten Zweck: Insgesamt 20 Mannschaften
der Berenberg Bank traten beim Beachvolleyball-Turnier
zugunsten der BerenbergKids Stiftung an. Zuvor waren als
„Startgeld“ 75.000 Euro an Spenden gesammelt worden, die
nun für verschiedene soziale Projekte für Kinder verwendet
werden sollen. Das Prominententeam um die Profiturnerin
Magdalena Brzeska, den „Tagesschau“-Sprecher Thorsten
Schröder sowie die Schauspielerin Gesa Dreckmann unterlag den „Berenberg Allstars“ nur knapp. Die BerenbergKids
wurden im Frühjahr 2007 von Mitarbeitern der Berenberg
Bank gegründet. „Wir wollen mit BerenbergKids sozial benachteiligten Kindern helfen und einen Beitrag dazu leisten,
ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern. Diese Initiative kommt von Herzen und wird durch das Engagement unserer Mitarbeiter getragen“, sagt Andreas Brodtmann, persönlich haftender Gesellschafter der Berenberg Bank und
Vorsitzender der Stiftung.
100 Unternehmen aus DAX, MDAX, SDAX und TecDAX
präsentierten sich – zumeist auf Vorstandsebene – auf der
ersten „Berenberg Bank and Goldman Sachs Inaugural German Corporate Conference“ Ende September in München.
500 institutionelle Anleger, darunter 15 der 20 weltweit
größten Asset Manager, waren gekommen. „Wir wollen mit
dieser Konferenz den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken, das Interesse ausländischer Investoren an Deutschland
steigt wieder“, sagte Hendrik Riehmer, Berenberg-Partner
im Vorfeld zu Journalisten. Im Beiprogramm der Konferenz
sprachen unter anderem EZB-Direktoriumsmitglied Dr. Jörg
Asmussen, Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner von der TU
München sowie FC-Bayern-München-Chef Uli Hoeneß.
HolAuf einem Podium diskutierten die Chefvolkswirte Dr. Hol­
v. l.) und Huw Pill (Goldger Schmieding (Berenberg, 2. v. l.)
man Sachs) mit Nikhil Srinivasan (CIO Allianz Investment
Management) und Patrick Vermeulen (J.P. Morgan Asset
Management). Moderation: Prof. Dr. Dr. Otmar Issing (l.)
Automobile Kunst in Perfektion
Hr
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SPr
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EC h
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Rt
Tn
Ne
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Ih
350 60-513
Private Banking: Silke Krüger (040) 350 60-513
32 07-78 00
Investment Banking: +44 (20) 32 07-78 00
350 60-713
Asset Management: Tindaro Siragusano (040) 350 60-713
350 60-780
Corporate Banking: Tobias Bittrich (040) 350 60-780
Niederlassung Bielefeld · Welle 15 · 33602 Bielefeld
97 79-100
Volker Steinberg (0521) 97 79-100
Repräsentanz Braunschweig · Vor der Burg 1 · 38100 Braunschweig
12 05 82-20
Torben Friedrichs-Jäger (0531) 12 05 82-20
Niederlassung Bremen · Hollerallee 77 · 28209 Bremen
348 75-11
Thomas Müller (0421) 348 75-11
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Niederlassung Düsseldorf · Cecilienallee 4 · 40474 Düsseldorf
54 07 28-10
Raymund Scheffler (0211) 54 07 28-10
Niederlassung Frankfurt · Bockenheimer Landstraße 25 · 60325 Frankfurt/Main
91 30 90-13
Lars Andersen (069) 91 30 90-13
Niederlassung München · Maximilianstraße 30 · 80539 München
25 55 12-100
Tindaro Siragusano (089) 25 55 12-100
Niederlassung Stuttgart · Bolzstraße 8 · 70173 Stuttgart
490 44 90-10
Oliver Holtz (0711) 490 44 90-10
Repräsentanz Wiesbaden · Wilhelmstraße 12 · 65185 Wiesbaden
711 85-10
Albrecht von Harder (0611) 711 85-10
Fotos: Berenberg
Berenberg Bank · Neuer Jungfernstieg 20 · 20354 Hamburg
Wir sind stolzer Partner von Berenberg Art Advice.
Denn wir verstehen etwas von Investments
in wahre Meisterwerke.
Der Bentley Mulsanne.
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CO2- Emissionen 393 g/km; Effizienzklasse: G
Berenberg Bank (Schweiz) AG · Kreuzstrasse 5 · 8034 Zürich
284 21-84
Jens Schütrumpf +41 (44) 284 21-84
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1839 entwickelte Vacheron Constantin zahlreiche Maschinen, darunter
auch den berühmten Pantographen. Dieses mechanische Werkzeug
ermöglichte zum ersten Mal in der Geschichte der Uhrmacherkunst
die perfekte Reproduktion von Uhrenbestandteilen. Hierdurch wurde
die Qualität der Zeitmesser erheblich verbessert. Diese Erfindung
läutete die Zukunft der Marke ein und revolutionierte gleichzeitig die
gesamte Schweizer Uhrmacherkunst.
Getreu der Geschichte und entsprechend dem traditionellen Renommee der Marke verpflichtet sich Vacheron
Constantin, alle Uhren, die seit der Unternehmensgründung gefertigt wurden, zu warten, zu reparieren und
zu restaurieren. Dies ist nicht nur Garant für herausragende Qualität, sondern auch Maß für die Vertrauenswürdigkeit, auf dem auch heute noch der gute Ruf
des Hauses beruht.
Patrimony Traditionnelle Tourbillon 14 Tage Kaliber 2260
Rotgold (5N) 18K , Versilbertes Opalin-Zifferblatt,
Genfer Punze, Mechanisches Uhrwerk mit Handaufzug,
Tourbillon, Ø 42 mm
Ref. 89000/000R-9655
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Vacheron Constantin · Postfach 21 01 20 · 80671 München Tel. +49 (0)89 55 984 325 · Fax +49 (0)89 55 984 310
www.vacheron-constantin.com · www.thehourlounge.com