Rechtsanwältin Dr. Helena Sophia Wirsing
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Rechtsanwältin Dr. Helena Sophia Wirsing
Zulässigkeit und Steuerung von Spielhallen nach Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes ForumPlanenBauen am 22. Oktober 2013 Rechtsanwältin Dr. Helena Sophia Wirsing 1. Regelungsbereiche des LGlüG Regelungen zur Ausführung des Ersten GlüÄndStV Erstmals Bündelung der verschiedenen Glücksspielbereiche Lotterien Spielhallen Sportwetten Pferdewetten Spielbanken zuvor: Spielbankengesetz §§ 40 ff LGlüG Das LGlüG gilt seit dem 29.11.2012. 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 2 2. Spielhallen Spielhallen - Definition in § 40 LGlüG Unternehmen oder Teil eines Unternehmens im stehenden Gewerbe ausschließlich oder überwiegend zur Aufstellung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit nach § 33c Abs. 1 Satz 1 GewO Geld- oder Warenspielgeräte oder für die Veranstaltung anderer Spiele nach § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO insbesondere Geschicklichkeitsspiele 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 3 2.1 Abgrenzung Gaststätte und Spielhalle Gaststätte Schank- oder Speisewirtschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV Ist ein Betrieb trotz Aufstellung eines Geld- oder Warenspielgeräts als Gaststätte einzustufen, so bedeutet dies: Keine Erlaubnis nach LGlüG erforderlich Keine Einhaltung von Abstandsvorschriften usw. erforderlich Ausschluss von Vergnügungsstätten in Bebauungsplan greift nicht keine Möglichkeit der Kommune, diese Art von Gaststätten zu steuern 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 4 2.1 Abgrenzung Gaststätte und Spielhalle Sind Geldspielgeräte ergänzend aufgestellt - als Zubehör - oder dominieren Geldspielgeräte so, dass Getränke und Speisen Nebensache sind? Kriterien Aufteilung des Ladenlokals Größe, Aufstellung und Funktionsweise der Geldspielautomaten Sitzende Bedienung oder Anbringung der Geldspielautomaten an der Wand Abschottung der Geldspielautomaten hinter Raumteilern Gepräge der Außen-Eingangstür Gestaltung der Schaufensterscheiben Außenwerbung für Gaststättennutzung OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.03.2010 – 1 ME 54/10 Namentliche Aufnahme von Speisen und Getränken Räumliche Verbindung mit einer Spielhalle 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 5 2.2 Abstandsregelungen für Spielhallen Mindestabstand zwischen Spielhallen zu bestehenden Einrichtungen zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen § 42 LGlüG Absatz 1: Absatz 3: 500 m Luftlinie von Eingangstür zu Eingangstür 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 6 2.3 Abstandsregelungen für Spielhallen Mögliche Problembereiche der Regelung zum Mindestabstand zwischen Spielhallen Keine Abweichungen von Mindestabstand möglich Erlaubnis ausreichend oder Spielhallenbetrieb erforderlich? Bemessung der Luftlinie nach Plänen und Karten Viele Bereiche im Gemeindegebiet scheiden damit als Standort aus 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 7 Bereich Marienstraße/ Eberhardstraße in Stuttgart 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 8 Bereich Marienstraße/ Eberhardstraße in Stuttgart vom Rotebühlplatz/ Eberhardstraße über Marienstraße bis Paulinenstraße ca. 200 m 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 9 2.4 Abstandsregelungen für Spielhallen Mögliche Problembereiche der Regelung zum Mindestabstand zu Kinder-/ Jugendeinrichtungen Keine Abweichungen von Mindestabstand möglich Definition von Einrichtung? Vgl. § 10 Abs. 2 GemO Gebäude, Anlagen: insbesondere Schulen, Jugendheime, Einrichtungen für Schulsport Definition von Kindern und Jugendlichen? Nach der Gesetzesbegründung sollen nur Jugendliche vor der Spielsucht geschützt werden Viele Bereiche im Gemeindegebiet scheiden damit als Standort aus 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 10 2.5 Verbot der Mehrfachkonzessionen § 42 Abs. 2 LGlüG: Keine Erlaubnis für Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere Unterbringung in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex dieses Verbot kann voneinander unabhängige Spielhallen (auch unterschiedlicher Betreiber) betreffen, wenn sich die Spielhallen in einem Gebäude oder Gebäudekomplex befinden 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 11 2.5 Verbot der Mehrfachkonzessionen BVerwG, Urteil vom 27.03.1990 – 1 C 47/80 Eingang Eingang Spielcenter 1 Spielcenter 2 Aufsicht und Thekenbereich Spielcenter 3 Spielcenter 4 Eingang Eingang Toiletten Toiletten Alte Rechtslage: 4 Konzessionen Räumliche Unabhängigkeit - Optische Sonderung - Betriebsfähigkeit der einzelnen Betriebsstätte Neue Rechtslage: unzulässig 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 12 2.5 Verbot der Mehrfachkonzessionen Aufgeworfene Fragen Baulicher Verbund aufgezählte Beispiele: gemeinsames Gebäude oder Gebäudekomplex Gebäude vgl. § 2 Abs. 2 LBO Gebäudekomplex Umgang mit mehreren Anträgen für Erteilung der Spielhallenerlaubnis innerhalb eines Gebäudes? 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 13 Einkaufscenter Läden 11- 15 Spielhalle 3 Läden 6- 10 Cafés 1- 5 Spielhalle 1/ Spielcenter 1 Spielhalle 1/ Spielcenter 2 Verbot der Mehrfachkonzessionen Einhaltung der Abstandsregelung Es kann in einem Fall sowohl ein Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachkonzessionen vorliegen als auch ein Verstoß gegen das Abstandsgebot. 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 14 3. Verhältnis Spielhallenerlaubnis und Baugenehmigung Spielhallenerlaubnis und Baugenehmigung sind in ihrem Bestand voneinander unabhängig! Wegfall der Spielhallenerlaubnis hat auf den Bestand der Baugenehmigung keine Auswirkungen je nach Reichweite der Baugenehmigung verbleibt unter Umständen die Möglichkeit einer Umnutzung Vorgaben des LGlüG sind „von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften“, soweit „über deren Einhaltung nicht eine andere Behörde in einem gesonderten Verfahren durch Verwaltungsakt entscheidet“; § 58 Abs. 1 S. 1 und 2 LBO Beispiel: Baugenehmigung für eine Werbeanlage; Berücksichtigung der Anforderungen an die Werbung bei Spielhallen (§ 44 LGlüG) 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 15 Versagung Baugenehmigung unter Verweis auf eine fehlende Spielhallenerlaubnis wegen fehlendem Sachbescheidungsinteresse Ausnahmsweise, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Eindeutige Bauantragsunterlagen: ausschließlich Betrieb einer Spielhalle i.S.d. § 40 LGlüG beabsichtigt Voraussetzungen für die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis liegen offensichtlich nicht vor. Ansonsten können aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs des LGlüG und des differierenden baurechtlichen Verständnisses einer Spielhalle andere Nutzungsmöglichkeiten verbleiben. (z.B. Unterhaltungsspiele wie Billard). Die der Erteilung der Spielhallenerlaubnis entgegenstehenden Hindernisse dürfen sich „schlechthin nicht ausräumen“ lassen. 22. Oktober 2013 VG Stuttgart, Urteil vom 11.12.2012 – 5 K 4749/10 © RAin Dr. Wirsing 16 4. Übergangsregelungen § 51 LGlüG Abs. 3: Erteilung der Erlaubnis nunmehr nach LGlüG (bisher nach § 33 i GewO) Abs. 4: Erlaubnis wird nicht übergeleitet, zusätzliche Erlaubnis nach § 41 LGlüG in folgenden Fällen erforderlich: - nach dem 30.06.2017, wenn Erlaubnis nach GewO bis zum 28.10.2011 erteilt wurde beispielsweise Einhaltung Mindestabstand dann erst ab 01.07.2017 erforderlich Antrag ist bis zum 28.02.2017 zu stellen - nach dem 30.06.2013, wenn Erlaubnis nach GewO nach dem 28.10.2011 erteilt wurde Antrag war bis 28.02.2013 zu stellen - Beim Wechsel der die Erlaubnis innehabenden Person 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 17 5. Härtefallregelung § 51 Abs. 5 LGlüG Unbillige Härte: tatsächliche oder rechtliche Gründe, unvereinbar mit wirtschaftlicher Betriebsführung, Vertrauenstatbestand Befreiung vom Abstandsgebot der Spielhallen untereinander Befreiung vom Verbot der Mehrfachkonzessionen Mindestabstand zur anderen Spielhalle: 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür Härtefallregelung gilt nicht für Spielhallen, denen eine Erlaubnis nach GewO nach dem 28.10.2011 erteilt wurde nur befristet Ermessensentscheidung: 22. Oktober 2013 - Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis nach GewO - Schutzzweck des LGlüG © RAin Dr. Wirsing 18 6. Sonderregelung für das Abstandsgebot zu Kinderund Jugendeinrichtungen § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG Die Regelung zum Mindestabstand von 500 m zu einer bestehenden Einrichtung zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen nach § 42 Abs. 3 LGlüG gilt nur für Spielhallen, für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des LGlüG eine Erlaubnis nach § 33i GewO noch nicht erteilt worden ist. d.h. keine rückwirkende Anwendung dieser Regelung aber: 22. Oktober 2013 Inhaberwechsel erfordert neue Erlaubnis, Regelung des § 42 Abs. 3 LGlüG ist anzuwenden © RAin Dr. Wirsing 19 7. Spielhallen in der Bauleitplanung 7.1 Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Spielhallen Bebauungsplan vorhanden § 30 Abs. 1 oder 2 BauGB Bebauungsplan nicht vorhanden und kein Außenbereich Festsetzungen Kerngebiet (MK): allgemein zulässig Gewerbegebiet (GE): ausnahmsweise zulässig Mischgebiet (MI): allgemein zulässig, wenn nicht kerngebietstypisch und in den Bereichen mit überwiegend gewerblicher Nutzung; ausnahmsweise in anderen Bereichen 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing unbeplanter Innenbereich § 34 BauGB 20 7.2 Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Spielhallen Entscheidend: Handelt es sich um eine kerngebietstypische Spielhalle? Definition der Kerngebietstypik: Zentrale Dienstleistungsbetriebe auf dem Unterhaltungssektor mit einem größeren Einzugsbereich, für ein größeres Publikum erreichbar und Gefahr, dass diese Unruhe von außen in das Gebiet tragen Kriterium: grundsätzlich Größe des Betriebs bei Spielhallen: 100 qm Grundfläche Aktuell VGH Mannheim: 22. Oktober 2013 BVerwG, Urteil vom 25.11.1983 – 4 C 64/79 örtliche Gegebenheiten insbesondere Betriebsgröße, Besucherplätze, Art/ Zahl der Spielgeräte © RAin Dr. Wirsing VGH Mannheim, Urteil vom 22.02.2011 – 3 S 445/09 21 7.2 Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Spielhallen Auswirkungen LGlüG auf Bauleitplanungsrecht Einschränkungen der Planungshoheit der Gemeinde durch die Abstandsregelungen des LGlüG Möglicherweise nur noch eine oder keine Spielhalle mehr genehmigungsfähig Konfliktpotential insbesondere in Kerngebieten, da dort Spielhallen bauplanungsrechtlich allgemein zulässig; hier finden sich in der Regel auch Kinder- und Jugendeinrichtungen Möglicherweise versuchen Spielhallenbetreiber insbesondere auf Mischgebiete auszuweichen Wird es angesichts dieses Konfliktpotentials bei dem Schwellenwert von 100 qm bleiben oder setzt sich die Auffassung des VGH Mannheim durch 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 22 8. Steuerung der Zulässigkeit nach BauGB-Novelle 2013 NEU: § 9 Abs. 2b BauGB Ausschluss oder Beschränkung von Vergnügungsstätten durch einfachen Bebauungsplan für Gebiete nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB Vereinfachtes Verfahren, § 13 Abs. 1 BauGB vor allem Schutz der Wohnnutzungen Erhaltung der Gebietsfunktion Entgegenwirken städtebaulicher Fehlentwicklungen: „trading down-Effekt“ 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 23 9. Vergnügungsstättenkonzepte 9.1 Auswirkungen des LGlüG auf bereits umgesetzte Konzepte Soweit sich ein Konzept, das nach dem 28.10.2011 beschlossen wurde, nicht mit den Vorgaben des LGlüG befasst: Gefahr eines Abwägungsfehlers im umsetzenden Bebauungsplan Soweit das LGlüG noch nicht berücksichtigt werden konnte: wegen der neuen Abstandsregelungen kann eine Festsetzung zur Zulässigkeit von Spielhallen funktionslos und damit unwirksam werden 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 24 9.2 Auswirkungen des LGlüG auf noch umzusetzende Konzepte Änderung bzw. Neuaufstellung von Bebauungsplänen: Einstellen des LGlüG und seine Auswirkung auf die Zulässigkeit von Spielhallen im Plangebiet in den Abwägungsvorgang Abwägung mit den betroffenen Belangen Welche Bereiche stehen für Spielhallen aufgrund des LGlüG überhaupt noch zur Verfügung Eine Bauleitplanung, die dazu führt, dass im Gemeindegebiet (faktisch) keine Spielhallen zulässig sind, dürfte abwägungsfehlerhaft sein wohl unverhältnismäßige Einschränkung der Berufs- und Eigentumsfreiheit von Spielhallenbetreibern 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 25 Vielen Dank! Noch Fragen? WURSTER WIRSING KUPFER Rechtsanwälte Freiburg Stuttgart Königstraße 36 D-70173 Stuttgart Tel. 0711/ 22 29 19-40 Fax 0711/ 22 29 19-45 E-Mail: stuttgart@w2k.de Homepage: www.w2k.de Rechtsanwältin Dr. Helena Sophia Wirsing 22. Oktober 2013 © RAin Dr. Wirsing 26