Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt
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Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt
Karen Jaehrling Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt Marktregulative Politik im deutsch-französischen Vergleich1 Das Verhältnis von Eigenarbeit, öffentlichen und marktförmigen Dienstleistungen im Privathaushalt wird gegenwärtig politisch neu justiert. Maßnahmen zur Ausweitung eines marktförmigen Angebotes haushaltsnaher Dienstleistungen, wie zuletzt das Hartz-II-Gesetz, sollen zur Entlastung berufstätiger Frauen beitragen und zugleich andere Frauen in Arbeit bringen. Der Beitrag zieht anhand der Erfahrungen in Deutschland und Frankreich eine Zwischenbilanz und analysiert die dabei auftretenden Probleme hinsichtlich des quantitativen Wachstums und hinsichtlich der Qualität der Arbeitsplätze. In beiden Hinsichten stellen die besonderen Strukturen des Arbeitsmarktes Privathaushalt besondere Herausforderungen an politische Interventionen. Der Ländervergleich zeigt unterschiedliche Wege, mit diesen Herausforderungen umzugehen. 1. Einleitung Die Arbeitsmarktintegration von Frauen, genauer die Förderung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, ist in mehreren europäischen Ländern seit Anfang der 1990er Jahre durch einen Politikwechsel gekennzeichnet: In Ergänzung zum Ausbau wohlfahrtsstaatlicher Leistungen in Bereichen, die Frauen eine Erwerbstätigkeit erleichtern (v.a. Kinderbetreuung, Altenpflege), sind Bemühungen getreten, Frauen selbst als Anbieterinnen marktförmiger Dienstleistungen in diesen Bereichen zu integrieren. Jüngstes Beispiel für 1 Der vorliegende Beitrag ist eine überarbeitete Fassung eines Vortrags, der im Rahmen der ‚2. Marburger Arbeitsgespräche‘ vom 25. bis 27. Februar 2004, veranstaltet vom Netzwerk feministische Arbeitsforschung (GendA), gehalten wurde. Ich danke den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Tagung sowie den beiden anonymen Gutachter/innen und der Redaktion der ZSR für hilfreiche Überarbeitungsvorschläge. ZSR, 50. Jahrgang (2004), Heft 6, S. 617-645 Karen Jaehrling diese Strategie ist in Deutschland die Förderung von ‚Minijobs‘ in Privathaushalten durch das im April 2003 verabschiedete, so genannte Hartz-IIGesetz. Von dieser Förderung versprach man sich die Schaffung einer hohen Anzahl von Arbeitsplätzen im Bereich der hauswirtschaftlichen Tätigkeiten sowie in der dezentralen Erbringung von Betreuungs- und Pflegeleistungen für Kinder, Kranke und Ältere.2 Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen ist auch hier damit eine Verschiebung vom Leistungsstaat zum Regulierungsstaat zu beobachten, also eine Ausweitung der staatlichen Regulierung des privaten Angebots bestimmter Leistungen anstelle von oder in Ergänzung zu staatlichen Aktivitäten bei der Bereitstellung dieser Leistungen. Auf die Anzahl und Qualität der dabei entstehenden Arbeitsplätze nehmen regulierungsstaatliche Maßnahmen im Unterschied zu leistungsstaatlichen Maßnahmen nur mittelbaren Einfluss. Wie dies geschieht und welche spezifischen Schwierigkeiten im Arbeitsmarkt Privathaushalt auftreten, ist Thema des folgenden Beitrags. Die besonderen Charakteristika dieses Arbeitsmarktes bilden dabei den Schlüssel zum Verständnis: Erstens kann gezeigt werden, dass nur die Berücksichtigung des erweiterten Spektrums an Arbeitsformen im Privathaushalt die Entwicklung des quantitativen Wachstums zu verstehen erlaubt. Dabei erschweren nicht nur die politisch bekämpfte informelle Erwerbsarbeit, sondern auch verschiedene politisch geförderte Varianten von Eigenarbeit die Schaffung von regulären Arbeitsplätzen. Zweitens birgt der Umstand, dass Privathaushalte und nicht Unternehmen als Arbeitsort und Arbeitgeber fungieren, besondere Herausforderungen für die Absicherung der Arbeitsplatzqualität. Die besonderen Charakteristika des Arbeitsmarktes Privathaushalt werden im folgenden Abschnitt 2 des Beitrags skizziert. Der Vergleich zwischen 2 Diese Tätigkeiten werden im Folgenden in Anlehnung an den politischen Sprachgebrauch als ‚haushaltsnahe Dienstleistungen‘ bezeichnet. Diese Gruppe von Dienstleistungen zeichnet sich durch zwei Kriterien aus: 1) Sie umfasst sowohl personenbezogene als auch sachbezogene, hauswirtschaftliche Dienstleistungen wie Putzen oder Einkaufen. 2) Die Dienstleistungen werden dezentral erbracht, sei es im Haushalt des Nachfragers, sei es im Haushalt des Anbieters der Dienstleistungen. Die Kinderbetreuung im Haushalt von Tagesmüttern zählt damit dieser Definition zufolge ebenfalls zu den haushaltsnahen Dienstleistungen (siehe Abschnitt 3), nicht hingegen die institutionellen Angebote der Kinderbetreuung oder Altenpflege. Im Unterschied zu dieser politisch-administrativen Definition fassen soziologische Definitionen institutionelle und dezentrale Angebote zum Teil zusammen (vgl. Geissler 2002a: 33). 618 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt Deutschland und Frankreich illustriert in Abschnitt 3 unterschiedlich erfolgreiche Wege, vor dem Hintergrund dieser besonderen Strukturen Arbeitsplätze zu schaffen und ihre Qualität zu sichern. 2. Der erweiterte Arbeitsmarkt Privathaushalt Wie in Großbritannien das reformierte nationale Gesundheitssystem, so sind in Deutschland die Pflegeversicherung und mehr noch die zusätzliche Säule im System der Altersvorsorge (‚Riester-Rente‘) als Prototypen einer neuen Sozialpolitik analysiert worden, die anstelle der Bereitstellung von wohlfahrtsstaatlichen Leistungen die Regulierung von ‚Wohlfahrtsmärkten‘, also die Aufsicht und Kontrolle privatwirtschaftlicher Anbieter solcher Leistungen zum Ziel hat (vgl. LeGrand 1993 und 2003; Taylor-Gooby 1999; Nullmeier 2001; Leisering et al. 2002). Damit wurden für die Sozialpolitik ähnliche Entwicklungen beobachtet wie für andere Bereiche (z.B. Verkehr), in denen der Staat bislang den Bau und den Betrieb bestimmter Infrastrukturen und Dienste selbst übernommen hatte (vgl. Majone 1994; Grande 1997; Grande/ Eberlein 2000). Die Beobachtungen wurden verdichtet zur mittlerweile weithin geteilten These eines Übergangs vom Leistungs- zum Regulierungsstaat, wobei der Terminus ‚Regulierung‘ die Aufgaben der Marktschaffung, der Markteinbettung und der Marktkorrektur umfasst (Czada/Lütz 2000: 11-19).3 Das Marktkonzept hat jedoch eine Vernachlässigung derjenigen Akteure befördert, die nicht oder nur am Rande als Markteilnehmer auftreten: Die Publikationen zur Entstehung von Wohlfahrtsmärkten befassen sich schwerpunktmäßig mit den Aktivitäten privatwirtschaftlicher Akteure wie beispielsweise Versicherungsunternehmen und den staatlichen oder para-staatlichen Agenturen, die deren Aktivitäten beaufsichtigen. Weniger Aufmerksamkeit kam demgegenüber weiteren Akteuren zu, die traditionell eine wichtige Rolle in der Wohlfahrtsproduktion spielen: den Wohlfahrtsverbänden und anderen Organisationen des so genannten ‚Dritten Sektors‘ (vgl. hierzu aber Evers/Olk 3 Die Markteinbettung wird von manchen Autoren als drittes Element von der Marktschaffung und -korrektur unterschieden und umfasst dann Regelungen zur Sicherung und Förderung von Wettbewerb, sowie weitere Institutionen und Regelungen, die die Produktion und Distribution von Gütern und Dienstleistungen strukturieren (vgl. Czada/Lütz 2000: 12-13). 619 Karen Jaehrling 2002), vor allem aber den Privathaushalten. Dies verstellt nicht nur den Blick auf spezifische ‚Marktstrukturen‘ im Sozialsektor, sondern auch auf wichtige Entwicklungsdynamiken und -tendenzen, wie ich im Folgenden zeigen möchte. 2.1 Marktstrukturen: Eigenarbeit und informelle Erwerbsarbeit Die tradierten Strukturen der Wohlfahrtsproduktion weisen gegenüber den übrigen staatsnahen Sektoren wie Verkehr, Post und Telekommunikation zwei Besonderheiten auf: Dienstleistungen werden hier in nennenswertem Umfang in Form von unbezahlter Eigenarbeit sowie von bezahlter, aber informeller Erwerbsarbeit4 in Privathaushalten erbracht. Der erste Aspekt, die unbezahlte Eigenarbeit, hat infolge der Thematisierung von Haushaltstätigkeiten als Arbeit durch die Frauen- und Geschlechterforschung mittlerweile zumindest seinen festen Platz in theoretisch-analytischen Konzepten der Wohlfahrtsforschung und gilt hier als ein Segment der Wohlfahrtsproduktion (vgl. Zapf 1984; Kaufmann 1994; Ostner/Lewis 1995; Dörr/Glatzer 1995; Evers/Olk 1996). Demgegenüber fand der zweite Aspekt, die informelle Erwerbsarbeit, bislang im Kontext der Wohlfahrtsstaatforschung so gut wie keine Beachtung. Die Substitution und Ergänzung unbezahlter Eigenarbeit durch informelle, bezahlte Arbeit ist jedoch in jüngerer Zeit durch migrationsund arbeitssoziologische Beiträge analysiert worden, die zugleich die zunehmende Globalisierung dieses informellen Marktes durch vorwiegend weibliche Migration aufgezeigt haben (vgl. u.a. Andall 2000; Anderson 2000; Odierna 2000 sowie die Beiträge in Gather et al. 2002 und Ehrenreich/Hochschild 2003). Die Beiträge verdeutlichen, dass der Ausbau öffentlicher und regulärer marktförmiger Dienstleistungen mit dem Tempo der Auslagerung von Haushaltstätigkeiten nicht mithalten konnte: Der Anstieg der Frauenerwerbstätig4 Unter ‚informeller Arbeit‘ oder dem ‚informellen Sektor‘ werden in der deutschen Wohlfahrtsforschung zumeist allein die ehrenamtlichen Aktivitäten in Selbsthilfegruppierungen, Bürgerinitiativen und anderen Organisationen des ‚Dritten Sektors‘ verstanden, also die „informelle Nichterwerbsarbeit“ (Kristof/Scherhorn 2002: 523). Im vorliegenden Beitrag wird der Terminus stattdessen in Anlehnung an das im internationalen politischen Sprachgebrauch verbreitetere Verständnis auf die informelle Erwerbsarbeit bezogen, also auf alle bezahlten Tätigkeiten, die nicht auf der Basis eines Arbeitsvertrages erfolgen und – zum Teil entgegen geltender Bestimmungen – nicht bei Steuer- und Sozialbehörden als Erwerbsarbeit registriert sind (vgl. Smet 2002). 620 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt keit und der demographische Wandel in den OECD-Ländern wurden in der Vergangenheit zwar nachgewiesenermaßen von einer wachsenden Nachfrage nach Dienstleistungen begleitet (vgl. Meyer 1997; Bosch 1999). Jedoch haben weder öffentlich finanzierte institutionelle Angebote (Kindergärten, Pflegeheime) oder reguläre marktförmige Dienstleistungen (Wäschereien, Gastronomie) den Bedarf decken können, noch haben andere Familienangehörige (Partner, Großeltern) die entstehende Lücke gefüllt. Der ungedeckte Bedarf mündete in das Wachstum eines informellen Marktes mit seinen typischerweise niedrigen Verdienstmöglichkeiten und ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen. In diesem Teilsegment gehen nicht nur einheimische Frauen einem unangemeldeten Nebenerwerb nach; zunehmend suchen Migrantinnen hier mangels Alternativen eine Möglichkeit, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen. 2.2 Entwicklungstendenzen: Politische Interventionen zur Formalisierung und Monetarisierung von Arbeit Diese Marktstrukturen bilden den Hintergrund für eine Reihe von politischen Maßnahmen, die in das Verhältnis von Eigenarbeit, ehrenamtlicher Arbeit, öffentlich finanzierten Angeboten sowie informellen und formellen marktförmigen Dienstleistungen intervenieren. Drei Arten von politischen Interventionen und damit verbundenen Entwicklungstendenzen lassen sich unterscheiden: Erstens die Monetarisierung von Eigenarbeit, zweitens die Legalisierung bzw. Sanktionierung informeller Erwerbsarbeit und drittens die Schaffung eines regulären Marktes. Ihnen ist gemeinsam, dass sie nicht auf die Bereitstellung eigener Leistungen, sondern auf die Aktivierung und Regulierung der Angebote Dritter zielen. a) Monetarisierung von Eigenarbeit. Dass die Konstitutierung von Wohlfahrtsmärkten nicht notwendigerweise mit einer Absenkung, sondern einer Umschichtung, zum Teil sogar einem Ausbau von sozialstaatlichen Sach- und Geldleistungen einhergeht, hat eine Reihe von Publikationen herausgearbeitet (zum Überblick vgl. Leisering et al. 2002: 78-79). Die Umschichtung oder der Ausbau erfolgen dabei vor allem zugunsten sozialpolitischer Leistungen für Familien und zugunsten der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Kennzeichnend für die jüngeren politischen Interventionen ist nun, dass das Geld nicht allein in den Ausbau des öffentlichen Angebotes an Dienstleistun- 621 Karen Jaehrling gen fließt, beispielsweise in Form von zusätzlichen Kindergartenplätzen,5 sondern auch in eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für die im wortwörtlichen Sinne privaten Anbieter. Zu den klassischen, nicht-zweckgebundenen Transfers direkter und indirekter Art (z.B. Kindergeld, Ehegattensplitting) kommen neue zweckgebundene Transfers zugunsten derjenigen, die Familienangehörige in Eigenarbeit betreuen und pflegen: in Deutschland in Form des 1989 eingeführten Erziehungsgeldes sowie des 1994 mit der Pflegeversicherung eingeführten Pflegegeldes, wie es in den anglophonen und skandinavischen Ländern schon etwas früher existierte (vgl. Evers et al. 1994). Dieses letztgenannte Element ist in seiner Besonderheit bislang in der deutschsprachigen Analyse der jüngeren sozialpolitischen Reformen nur vereinzelt gewürdigt worden (vgl. Evers 1995; Behning 1997b).6 Die neuen zweckgebundenen Transfers kommen einer Monetarisierung von Eigenarbeit gleich – Eigenarbeit ist also nicht lediglich ein Merkmal der tradierten Strukturen der Wohlfahrtsproduktion, das auf dem Wege der Substitution durch marktförmige und staatliche Dienstleistungen verschwindet; vielmehr wird sie durch die politischen Reformen in den Status eines tragenden Elementes im neuen ‚Wohlfahrtsmix‘ erhoben, nun allerdings auch in Form bezahlter Arbeit.7 Daneben subventionieren nach wie vor die tradierten steuerlichen 5 So sollen nach dem Gesetzesentwurf der rot-grünen Bundesregierung (Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG) bis zum Jahre 2010 Kindertageseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren ausgebaut werden, um zum Niveau der anderen EU-Länder aufzuschließen. Die Kommunen sollen diesen Ausbau mit jährlich bis zu 1,5 Mrd. Euro finanzieren, werden aber im Gegenzug im Rahmen von Hartz IV um 2,5 Mrd. Euro entlastet (vgl. Bundesregierung 2004a). Wie das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe vorrechnet, fällt die Entlastung der Kommunen durch Hartz IV allerdings regional recht unterschiedlich aus und bietet damit keine solide finanzielle Grundlage für den Ausbau der Kinderbetreuung (vgl. BIAJ 2004). 6 Darüber hinaus wird in der im angelsächsischen Sprachraum angestoßenen Diskussion zu ‚care work‘ über die verschiedenen Möglichkeiten der materiellen Anerkennung von ‚Fürsorgearbeit‘ diskutiert (vgl. zum Überblick Daly/Lewis 2000 und Geissler 2002b). 7 Die zeitnahe Vergütung unterscheidet diese Interventionen von einem anderen Typus, der bereits früher in die wohlfahrtsstaatlichen Arrangements Einzug hielt, nämlich die zeitversetzte Vergütung insbesondere von Kindererziehungszeiten in Gestalt des Erwerbs von eigenständigen Sozialversicherungsansprüchen (vgl. u.a. Veil 1997). Auch Leistungen diesen Typs wurden in den vergangenen Jahren ausgeweitet (vgl. Bundesregierung 2004b: 6). 622 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt Regelungen wie das Ehegattensplitting die unbezahlte Eigenarbeit (vgl. Ott 1997: 32-35). Mit der neuen Politik der Aktivierung von Eigenarbeit mittels zweckgebundener Transfers werden neue Zwischenformen oder ‚Hybride‘ zwischen bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Eigenarbeit geschaffen. Denn es gilt zu beachten, dass die Monetarisierung nicht mit dem Ziel einer vollwertigen Vergütung der Eigenarbeit erfolgt, sondern gerade dazu dient, die im Verhältnis zu professionellen Dienstleistungen günstige Ressource der nicht-professionellen Eigenarbeit zu erschließen. Das Pflegegeld besitzt daher in Deutschland weder die Höhe noch den steuerrechtlichen Status von Erwerbseinkommen.8 Die Höhe von Erwerbseinkommen besitzen vergleichbare Transfers im Übrigen auch nicht in den Ländern, in denen sie nicht den Pflegebedürftigen, sondern direkt den Pflegenden zugewiesen werden, wie in den angelsächsischen und skandinavischen Ländern (vgl. Evers 1995: 121-123; Lewis 1997: 81-84). Die geringe Beachtung dieses neuen Elementes in der deutschsprachigen Debatte ist umso erstaunlicher, als es das Hauptziel der Reform war, den „Vorrang der häuslichen Pflege“ (§ 3 SGB XI) sicherzustellen – ein Ziel, das auch die aktuellen Pläne der rot-grünen Bundesregierung zur Reform der Pflegeversicherung verfolgen (vgl. Bundesregierung 2004b). Zudem hat die statistische Erfassung gerade infolge der Monetarisierung der Eigenarbeit Fortschritte gemacht und das ganze Ausmaß an Eigenleistungen offengelegt.9 Wie Evers/Olk (2002: 9) bemängeln, mögen Konzepte von Sozialmärkten, „die stärker auf Engagement und Koproduktion bei den Adressaten setzen“, daher derzeit mit Blick auf bürgerschaftliches Engagement in Organisationen des Dritten Sektors noch ein „Denkmodell“ sein – bezüglich der Eigenarbeit sind sie jedoch längst Realität. Nicht nur privatwirtschaftliche Anbieter, son8 Ein Umdenken scheint hingegen beim Erziehungsgeld einzusetzen, das nach den jüngsten Überlegungen des Familienministeriums in Anlehnung an das skandinavische Modell den Verdienstausfall in der Erziehungsphase nahezu vollständig kompensieren soll (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2004). 9 So wurden trotz eines starken Wachstums der Plätze in Pflegeheimen infolge der Einführung der Pflegeversicherung (vgl. Roth 2003: 75) im Jahr 2001 weiterhin mehr als zwei Drittel der Pflegebedürftigen im Sinne des SGB XI (1,44 Mio) zu Hause versorgt, nicht einmal bei einem Drittel davon (440 000) erfolgte die Versorgung zum Teil oder vollständig durch ambulante Pflegedienste (Statistisches Bundesamt 2003: 461). 623 Karen Jaehrling dern auch subsidiäre Anbieter, nämlich Familienangehörige, werden also durch regulierungsstaatliche Maßnahmen finanziell subventioniert, beaufsichtigt und kontrolliert. b) Legalisierung und Sanktionierung informeller Erwerbsarbeit. Ein weiterer Typus politischer Interventionen reguliert den Marktzugang: In einer Reihe von Ländern sind die Regierungen dem Phänomen der informellen globalisierten Märkte in der jüngeren Vergangenheit mit Regularisierungswellen begegnet, also der nachträglichen Legalisierung von Aufenthalt und Arbeitsverhältnissen illegaler Migrant(inn)en, die eine Beschäftigung in einem Privathaushalt nachweisen können (vgl. Smet 2002: 185; Sarti 2003: 10).10 Parallel zu den Maßnahmen der Legalisierung, die Migrant(inn)en den Zugang zum regulären Arbeitsmarkt eröffnen, sind jedoch auch Maßnahmen zu beobachten, die in die entgegengesetzte Richtung weisen, nämlich die verschärfte Kontrolle und Sanktionierung von illegaler Zuwanderung und von informeller Erwerbsarbeit. Das einzelstaatliche Vorgehen wird dabei zunehmend durch Entscheidungen auf europäischer Ebene koordiniert (vgl. Renooy et al. 2004: 114-119). c) Förderung eines regulären Marktes für haushaltsnahe Dienstleistungen. Auch die Legalisierung und Sanktionierung informeller Erwerbsarbeit dient bisweilen dem Ziel, einen regulären Arbeitsmarkt für haushaltsnahe Dienstleistungen zu fördern, wie das Beispiel der Diskussionen um eine Verschärfung von Sanktionen für Schwarzarbeit in Privathaushalten zu Beginn des Jahres 2004 gezeigt hat (vgl. u.a. Süddeutsche Zeitung 2004). Während die strafrechtlichen Maßnahmen jedoch an den bestehenden informellen Erwerbsverhältnissen ansetzen, bilden reguläre Arbeitsverhältnisse den Fluchtpunkt für eine Reihe weiterer sozialrechtlicher, steuer- und arbeitsmarktpolitischer Reformen. Mittels positiver oder negativer Anreize werden Nachfrager und Anbieter haushaltsnaher Dienstleistungen dazu angehalten, reguläre Arbeitsverhältnisse im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen zu schaffen. Hierunter fällt erstens die bereits erwähnte steuerliche Förderung von Mini10 In Deutschland blieb es diesbezüglich bislang bei einer „Anwerbestoppausnahmeverordnung“ für Pflegehilfskräfte aus den EU-Beitrittsländern im Jahr 2001/2002 (vgl. Rerrich 2002: 27), die als Übergangslösung bis zur Verabschiedung eines neuen Zuwanderungsgesetzes gedacht war und zwischenzeitlich wieder aufgehoben wurde. Forderungen nach einer Neuauflage dieser ‚Green Card‘ für Haushaltshilfen bleiben in der politischen Debatte jedoch aktuell. 624 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt jobs in Privathaushalten. Zweitens gehören hierzu Maßnahmen, die dezentrale Leistungen privater Anbieter haushaltsnaher Dienstleistungen als Alternative zu institutionellen Angeboten fördern, beispielsweise in Gestalt der Finanzierung von Leistungen privater Altenpflegedienste im Rahmen der Pflegeversicherung.11 Ein weiteres Beispiel ist die öffentliche Förderung der Kindertagespflege, die durch ihre Gleichstellung mit Angeboten der institutionellen Kinderbetreuung im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) aufgewertet wurde. Infolgedessen wird die Betreuung durch Tagesmütter und -väter seit einigen Jahren in unterschiedlichem Ausmaß von den Bundesländern als kostengünstige und flexible Lösung von Versorgungsengpässen in der institutionellen Kinderbetreuung unterstützt (vgl. van Santen/Seckinger 2002; Jampert et al. 2003: 131-139). Schließlich fallen hierunter drittens Maßnahmen, die in der Wohlfahrtsforschung als Kennzeichen eines ‚aktivierenden Sozialstaates‘ analysiert wurden, wie die generelle Absenkung von monetären Transferleistungen im Falle der Arbeitslosigkeit, die Verschärfung von Kriterien für den Bezug von Transferleistungen sowie monetäre Anreize zur Aufnahme niedrig entlohnter Arbeit (vgl. Trube 2003).12 Mehr oder weniger intendiert werden dabei gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, wie anschaulich das folgende Zitat aus einer Broschüre des Bundesarbeitsministeriums zu Zeiten Norbert Blüms zum Ausdruck bringt: „Viele wissen nicht, wo sie im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit arbeiten können, andere wissen nicht, wie sie die Anforderungen von Familie, 11 Die privatgewerblichen Anbieter treten dabei neben die etablierten freigemeinnützigen Anbieter, die traditionell als Alternative zu öffentlichen Einrichtungen die Bereitstellung von Leistungen in der institutionellen wie ambulanten Altenpflege übernehmen. Die lange Tradition freigemeinnütziger Anbieter verdeutlicht, dass die öffentliche Finanzierung und Regulierung anstelle der öffentlichen Bereitstellung von Leistungen keine gänzlich neue Entwicklung darstellt. Neu ist in erster Linie das höhere relative Gewicht der Regulierung durch die Ausweitung nicht-staatlicher Angebote. Umgekehrt ist zu beachten, dass es auch gegenwärtig Bereiche gibt, die noch nicht für privatwirtschaftliche Anbieter geöffnet wurden – dies trifft bis auf wenige Ausnahmen auf die institutionelle Kinderbetreuung zu (vgl. Kreyenfeld et al. 2001). 12 An diesem Punkt laufen die Strategien des regulierenden Sozialstaates und die Strategien des aktivierenden Sozialstaates (zur Abgrenzung vgl. Leisering et al. 2002: 80), die in der Literatur häufig getrennt diskutiert werden, also real zusammen: Strategien der Aktivierung münden unter anderem in Arbeitsverhältnisse, die das marktförmige Angebot haushaltsnaher Dienstleistungen erweitern. 625 Karen Jaehrling Haushalt und Beruf allein bewältigen sollen“ (zitiert nach Klenner/StolzWillig 1997: 157). Mit diesen wie auch den anderen regulierungsstaatlichen Maßnahmen sollen also Angebot und Nachfrage zusammengeführt werden, ohne dass zu diesem Zweck ein öffentliches Angebot bereitgestellt wird.13 Zusammenfassend lassen sich die tradierten und neuen Arbeitsformen entlang zweier Achsen anordnen (vgl. Schaubild 1). Ich möchte in diesem Zusammenhang vorschlagen, zur Erfassung des gesamten Spektrums von Arbeitsformen von einem erweiterten Arbeitsmarkt Privathaushalt zu sprechen – Schaubild 1: Der erweiterte Arbeitsmarkt Privathaushalt informell unbezahlt unbezahlte Eigenarbeit formell ehrenamtliche Arbeit bezahlte Eigenarbeit bezahlt informelle Erwerbsarbeit formelle Erwerbsarbeit im Rahmen gewerblicher, öffentlicher oder freigemeinnütziger Angebote von haushaltsnahen Dienstleistungen Quelle: Eigene Darstellung 13 Die finanzielle Subventionierung der neuen marktförmigen Angebote trägt zugleich dem von William Baumol (1967) formulierten Problem der ‚Kostenkrankheit‘ von Dienstleistungen Rechnung, demzufolge die Nachfrage nach Dienstleistungen unter der zu geringen Lohndifferenz zwischen Nachfragenden und Anbietern der Dienstleistungen leidet. International vergleichende empirische Untersuchungen belegen allerdings, dass dieser Zusammenhang nicht für alle Dienstleistungsbereiche nachzuweisen ist; vielmehr steht das Volumen an bezahlter Dienstleistungsarbeit in engem Zusammenhang mit der Quote der Frauenerwerbstätigkeit, die als eigenständige Triebkraft die Nachfrage nach Dienstleistungen zu steuern scheint (vgl. Bosch/Wagner 2003). 626 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt auch wenn zentrale Kennzeichen marktförmiger Transaktionen eben nicht auf alle Formen gleichermaßen zutreffen (vgl. Ott 1997: 28). Das Schaubild veranschaulicht zweierlei: Erstens stellt die formelle Erwerbsarbeit im Rahmen marktförmiger Angebote, die im Zentrum der hiesigen Analyse steht, lediglich einen Ausschnitt aus einem breiteren Spektrum an alternativen Arbeitsformen dar, von denen einige parallel politisch gefördert werden. Dazu zählen nicht nur tradierte Formen wie die unbezahlte Eigenarbeit, sondern auch weitere politisch geförderte Formen wie die bezahlte Eigenarbeit. Ohne diesen Kontext ist die Entwicklungsdynamik im Bereich der formellen Erwerbsarbeit nicht zu verstehen. Zum Zweiten verdeutlicht das Schaubild ein wichtiges Spezifikum der politischen Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt, das ihn von anderen Wirtschaftssektoren, aber auch von anderen Teilen des Wohlfahrtssektors, wie dem Gesundheitssektor, unterscheidet: Eine mindestens ebenso weitreichende Änderung wie die Schaffung von Märkten durch die Öffnung für privatgewerbliche Anbieter ist hier die viel grundlegendere Tendenz zur Monetarisierung und Formalisierung von Arbeit, die jedem öffentlichen, marktförmigen oder freigemeinnützigen Angebot logisch vorausgeht.14 Diese partielle Herauslösung von Arbeit aus der Logik privater Beziehungen dient sowohl arbeitsmarktpolitischen Zielen als auch dem sozialpolitischen Ziel, kostengünstigere – und nach Auffassung einiger Befürworter auch qualitativ bessere oder zumindest gleichwertige – dezentrale Alternativen und Ergänzungen zu den institutionellen Angeboten der Kinder- und Altenbetreuung zu erschließen. Im Unterschied zur Bereitstellung eigener institutioneller Angebote nimmt der Staat auf die Quantität und Qualität der Arbeitsplätze in den neuen dezentralen Angeboten nur noch mittelbar Einfluss. Mit welchen Mitteln, in welchem Umfang und mit welchem Ergebnis er dies tut, wird anhand eines Vergleichs der verschiedenen Modelle in Deutschland und Frankreich in Abschnitt 3 analysiert. Für diesen Vergleich ist es hilfreich, an dieser Stelle abschließend die analytischen Dimensionen politischer Regulierung festzuhalten. 14 Dabei ist zu beachten, dass die politischen Interventionen nicht ausschließlich auf eine vollständige Monetarisierung und Formalisierung setzen, sondern mit der bezahlten Eigenarbeit eine Alternative ‚auf halbem Weg‘ zwischen unbezahlter Eigenarbeit und formeller Erwerbsarbeit fördern. Zudem zielen politische Initiativen ja zum Teil auch auf die Aktivierung von ehrenamtlicher Arbeit (vgl. Kristof/Scherhorn 2002), die ebenfalls explizit als Alternative zur formellen Erwerbsarbeit gefördert wird. 627 Karen Jaehrling 2.3 Dimensionen politischer Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt Im bisherigen Verlauf der Argumentation ist in Anlehnung an die Literatur zum einen zwischen den Aufgaben der Bereitstellung, der Finanzierung und der Regulierung von Leistungen unterschieden worden – wobei die Bereitstellung im Rahmen regulierungsstaatlicher Maßnahmen vom Staat an andere Anbieter abgetreten wird, während die Finanzierung auch bei nichtstaatlichen Angeboten zum Teil oder ganz in öffentlicher Hand bleiben kann (vgl. LeGrand 1993). Innerhalb der marktregulativen Politik wiederum wird zwischen den Aufgaben der Marktschaffung, Markteinbettung und der Marktkorrektur unterschieden. Für den Zweck der folgenden Analyse ist es nützlich, hier weitere Differenzierungen einzuführen, die quer zu diesen Aufgaben liegen: Bezüglich der Finanzierung ist zwischen Art, Umfang und Verteilung der Mittel zu unterscheiden, bezüglich der Regulierung zwischen der Form der Leistungserbringung und den Inhalten der Leistungen. Letzteren lassen sich beispielsweise Regelungen zuordnen, die für die staatlicherseits finanzierten Versicherungsprodukte im Interesse der Verbraucher bestimmte Mindestanforderungen festlegen (vgl. Nullmeier 2001). Zur Regulierung der Form der Erbringung sollen Bestimmungen gezählt werden, die regulieren, welcher Personenkreis und welche Organisationsformen als Anbieter am Markt auftreten dürfen, des Weiteren Regelungen zu den Beziehungen der Marktteilnehmer untereinander sowie Regelungen zu den internen Arbeitsbeziehungen innerhalb der Organisationen. Zu unterschiedlichen Anteilen tragen diese Interventionen zur Marktschaffung, -einbettung und -korrektur bei. Schaubild 2: Analytische Dimensionen marktregulativer Politik Bereitstellung Finanzierung Art Umfang Regulierung Verteilung Form der Leistungs- Inhalt der erbringung Leistungen Marktschaffung, Markteinbettung, Marktkorrektur Quelle: Eigene Darstellung Die oben skizzierten politischen Interventionen beinhalten Regelungen zu einer oder mehreren Zellen: So ist das Pflegegeld wie erwähnt im Umfang nicht als kostendeckendes Erwerbseinkommen für pflegende Angehörige 628 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt konzipiert. Darüber hinaus legt das Pflegeversicherungsgesetz die Art der Finanzierung (als Pflichtversicherung und als direkter Transfer an die Nachfrageseite) und mit den Regelungen zum leistungsberechtigten Personenkreis (§§ 14-19 SGB XI) die Verteilung der Leistungen fest. Regelungen zur Form der Erbringung enthält das Pflegeversicherungsgesetz beispielsweise in Gestalt des Prinzips ‚häusliche vor stationärer Pflege‘ (§ 3), Regelungen zu Inhalten in Gestalt der Eingrenzung der Hilfeleistungen (§ 14) sowie in Gestalt von Maßnahmen zur Qualitätskontrolle bei häuslicher Pflege durch Angehörige (§ 37). Die französischen und deutschen Maßnahmen zur Förderung eines regulären Marktes für haushaltsnahe Dienstleistungen sollen nun ebenfalls entlang dieser Dimensionen verglichen werden. Dabei interessieren neben der Finanzierung vor allem die Regelungen zur Form der Erbringung, da diese Auswirkungen auf die Qualität der Arbeitsplätze besitzen. Es lässt sich zeigen, dass die Regelungen zur Finanzierung in Frankreich in höherem Maße mit Auflagen zur Form der Erbringung verknüpft werden. 3. Die politische Konstitutierung eines formellen Marktes für haushaltsnahe Dienstleistungen Maßnahmen zur Förderung eines Marktes für haushaltsnahe Dienstleistungen sind seit Anfang der 1990er Jahre in vielen europäischen Ländern zu beobachten (vgl. für eine Übersicht Cancedda 2001). Sie greifen in die ‚wildwüchsig‘ etablierten Marktstrukturen mittels marktregulativer Politik gestaltend ein. Die zunehmende Arbeitsmarktintegration von Frauen hatte wie erwähnt die Arbeitsmarktintegration einer anderen Gruppe von Frauen nach sich gezogen – allerdings zum guten Teil eine Integration in den informellen Arbeitsmarkt mit seinen typischerweise niedrigen Verdienstmöglichkeiten und ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen. Mit den neuen politischen Maßnahmen wird das Ziel der Entlastung berufstätiger Frauen nun durch eine aktive Förderung der Arbeitsmarktintegration einer anderen Gruppe von Frauen in marktförmige Angebote haushaltsnaher Dienstleistungen verfolgt. Dadurch sollen die informellen Marktstrukturen, die sich in Ermangelung eines ausreichenden leistungsstaatlichen Angebotes haushaltsnaher Dienstleistungen am Staat vorbei herausgebildet haben, in formelle Marktstrukturen überführt werden. 629 Karen Jaehrling Inwieweit dies gelingt und inwieweit damit eine Verbesserung der Arbeitsplatzqualität einhergeht, soll nun ein vergleichender Blick auf entsprechende Maßnahmen in Deutschland und Frankreich erhellen. Die Entwicklungen in Deutschland und Frankreich sind in der Literatur gut aufgearbeitet (vgl. für Deutschland Drohsel 1996; Munz 1996; zukunft im zentrum 1997; Weinkopf 1997; Klenner/Stolz-Willig 1997; Bittner et al. 1999; Bittner/Weinkopf 2002; für Frankreich Labruyère 1996; Le Feuvre 2000 und Le Corre 2001) und können daher hier in systematisierender Weise zusammengefasst werden. Als zentrales Steuerungsinstrument werden zweckgebundene Transfers an die Nachfrage- oder an die Angebotseite eingesetzt, wobei jedoch die Gewährung dieser Transfers mit – in Umfang und Art unterschiedlichen – Auflagen verbunden wird. So werden unterschiedliche Varianten von vertraglichen Beziehungen zwischen den Marktteilnehmern befördert. Wie ich im Folgenden zeigen möchte, betrifft der folgenreichste Unterschied für die Qualität der Arbeitsplätze dabei die Anzahl der beteiligten Parteien. Generell lassen sich drei verschiedene Formen der Erbringung von haushaltsnahen Dienstleistungen unterscheiden: Modell 1: Die Transfers fördern direkte bilaterale Vertragsbeziehungen zwischen Kundenhaushalt und Haushaltshilfe, sei es in Form einer abhängigen Beschäftigung der Haushaltshilfe im Privathaushalt, sei es in Form einer selbständigen Tätigkeit der Haushaltshilfe für einen oder mehrere Haushalte auf Rechnungsbasis. Über die allgemeingesetzlichen Bestimmungen hinaus wird das vom Staat finanziell geförderte Arbeitsverhältnis nicht in der Form der Erbringung reguliert, es herrscht also weitgehende Vertragsfreiheit zwischen den Marktteilnehmern. Modell 2: Wie in Modell 1 fördern die Transfers direkte bilaterale Vertragsbeziehungen. Durch staatliche Auflagen tritt hier jedoch ein mehr oder weniger ‚unsichtbarer Dritter‘ hinzu, der die Vertragsfreiheit einschränkt und punktuell zur Zusammenarbeit mit spezifischen staatlichen oder quasistaatlichen Agenturen verpflichtet. Auf diese Weise soll die Einhaltung allgemeingesetzlicher Bestimmungen (z.B. Mindestlöhne, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) oder spezifischer Auflagen (z.B. zur Qualifizierung von Haushaltshilfen) sichergestellt werden. Modell 3: Die Transfers fördern trilaterale Vertragsbeziehungen, bei denen eine Agentur zwischen Kundenhaushalte und Haushaltshilfe tritt. Die Haushaltshilfen sind in diesem Fall bei der Agentur angestellt; diese vermittelt sie 630 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt gegen Rechnung stundenweise an Privathaushalte. Die Verantwortung für die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und für die Qualität der Arbeitsplätze allgemein liegt in diesem Fall bei der staatlichen, freigemeinnützigen oder gewerblichen Agentur, die als Arbeitgeber auftritt. Bei der folgenden Einordnung der empirisch vorfindbaren Maßnahmen in Deutschland und Frankreich ist zu beachten, dass der Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Modell – das Ausmaß der Vertragsfreiheit – gradueller Natur ist und eine eindeutige Zuordnung daher nicht immer möglich ist. In diesen Fällen lassen sich aber zumindest Aussagen über die relative Position der einzelnen Maßnahmen im Vergleich zu anderen Maßnahmen machen. Welchen Modellen entsprechen die Regelungen in Deutschland und Frankreich nun also am ehesten, und welche Arbeitsplatzbedingungen gehen mit den unterschiedlichen Modellen einher? Frankreich kommt für die Regulierung der haushaltsnahen Dienstleistungen eine Vorreiterrolle zu, da hier bereits ab Mitte der 1980er Jahre entsprechende Initiativen eingeleitet wurden, die für Maßnahmen in anderen Ländern Modell standen. Dies gilt vor allem für den 1993 eingeführten Chèque Emploi Service (CES), der wiederum auf einer Reihe von Vorläufern aus den 1980er Jahren basiert: Mit ihm werden Haushalte ermuntert, als Arbeitgeber eine Haushaltshilfe anzustellen, indem ihnen einen Steuerermäßigung von 50 % der gezahlten Löhne und Sozialabgaben bis zu einem Höchstbetrag gewährt wird.15 Zudem erleichtert der CES das administrative Verfahren bei der Anmeldung des Arbeitsverhältnisses bei Steuer- und Sozialbehörden, sowie bei der Abführung von Abgaben und Steuern. Man könnte sagen, dass der Staat die Tatsache, dass Haushalte eben keine Unternehmen mit eigenen Personalabteilungen sind, dadurch auszugleichen sucht, dass er ihnen bei der Buchhaltung behilflich ist. Zwei weitere, in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eingeführte Transfers werden für berufstätige Eltern mit Kindern unter sechs Jahren gewährt, wenn sie entweder jemanden zur Kinderbetreuung in ihrem eigenen Haus beschäftigen (Allocation de garde d’enfant à domicile – AGED), oder ihre Kinder bei einer Tagesmutter abgeben, die sich zuvor bei einer staatlichen Agentur akkreditieren lassen muss und hierfür bestimmte 15 Im Jahr 1995 lag die Obergrenze bei 90.000 Francs; die maximale Steuerermäßigung betrug also 45.000 Francs. Dieser Betrag wurde im Jahr 1998 auf die Hälfte reduziert (vgl. Le Feuvre 2000: 16 und 20). 631 Karen Jaehrling Anforderungen erfüllen muss (Aide à la famille pour l’emploi d’une assistante maternelle agréée – AFEAMA). Diese drei finanziellen Transfers – CES, AGED und AFEAMA16 – wurden seit ihrer Einführung nach und nach mit einem ganzen Kranz an Gesetzen und intermediären Agenturen umgeben, die in die Beziehungen zwischen den Marktteilnehmern regulierend eingreifen – sei es in Form von Bestimmungen zur Lohnhöhe, Instanzen und Bestimmungen zur Zertifizierung von Anbietern oder Maßnahmen zur Professionalisierung der Tätigkeiten (vgl. Le Feuvre 2000: 15-17). So wurde beispielsweise durch den allgemeinverbindlichen (!) nationalen Tarifvertrag für Haushaltsangestellte ein Fonds eingeführt, der überwiegend aus einer arbeitgeberseitigen Umlage gespeist wird, und aus dem den Beschäftigten die ihnen gesetzlich zustehende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gezahlt wird.17 Die zweckgebundenen finanziellen Transfers fördern mithin primär bilaterale Beziehungen, sie sind jedoch an relativ detaillierte Bestimmungen zur Form der Erbringung im Rahmen dieser bilateralen Beziehungen geknüpft. Genau darin besteht ein zentraler Unterschied zu den Transfers in Deutschland, denn hier wurden die Transfers von ihren Auflagen bezüglich der Form der Erbringung sukzessive befreit. Während die französischen Transfers eindeutig dem Modell 2 zuzuordnen sind, rücken die jüngsten Reformen in Deutschland von diesem Modell ab und nähern sich dem Modell 1. Dabei sah es zunächst so aus, als würde auch in Deutschland der französische Pfad eingeschlagen. Im Jahr 1997 wurde nach dem französischem Vorbild des CES ein ‚Haushaltsscheck‘ eingeführt, der ähnliche administrative Erleichterungen für die Anmeldung von Haushaltshilfen vorsah. Zum Zweiten wurden damit Verteilung und Umfang der öffentlichen Subventionen ausgeweitet: Die seit 1990 bestehenden Steuererleichterungen für Haushaltshilfen, die bislang auf Haushalte mit zwei Kindern unter 10 Jahren oder einer pflegebedürftigen Person beschränkt waren, wurden auf alle Haushalte ausgeweitet und die Höchstgrenze für die steuerliche Absetzbarkeit von 12.000 auf 18.000 DM 16 Mit Beginn des Jahres 2004 wurden die beiden kinderbezogenen Transfers AGED und AFEAMA sowie weitere Transfers zu einem neuen Transfer mit dem Akronym PAJE (prestation d'accueil du jeune enfant) zusammengefasst. 17 Vgl. ‚Convention collective nationale des salariés du particulier employeur, étendue par arrêté du 2 mars 2000, Annexe VI – Prévoyance – conditions d’application de l’article 19 ‚Couverture maladie accident‘. 632 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt jährlich angehoben (vgl. Weinkopf 2003a: 135). Wie in Frankreich war der Transfer zudem mit einer Auflage bezüglich der Form der Erbringung versehen, indem nur die Kosten für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse steuerlich geltend gemacht werden konnten. Weitere Auflagen bezüglich Lohnhöhe, Weiterbildung o.ä. waren hingegen nicht mit der Inanspruchnahme der Steuervergünstigung verbunden. Der Haushaltsscheck lässt sich daher zwar grundsätzlich dem Modell 2 zuordnen, tendiert jedoch deutlich stärker zu Modell 1 als sein französisches Pendant. Anders als in Frankreich bedeutete die Auflage bezüglich der Sozialversicherungspflicht aber in Deutschland, dass nur Beschäftigungsverhältnisse über einer Mindeststundenzahl gefördert wurden. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse unter 15 Wochenarbeitsstunden fielen hingegen nicht unter die Förderung. Diese Institution des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses, die es in Frankreich nicht gab und die wie wenig andere den Unterschied zwischen den beiden Ländern bezüglich ihres tradierten Leitbilds zur Erwerbstätigkeit von Frauen widerspiegelt, ist an zentraler Stelle für den unterschiedlichen Erfolg des Haushaltsschecks in Deutschland und Frankreich verantwortlich. Denn in Frankreich gewährte man allen Haushalten mit den Steuererleichterungen im Vergleich zu vorher eine starke Entlastung und gab ihnen damit Anreize zur Transformation eines zuvor informellen in ein formelles Arbeitsverhältnis.18 Demgegenüber profitierte in Deutschland nur jene Minderheit von Haushalten von dem Haushaltsscheck, die Haushaltshilfen mit einem nicht-geringfügigen Arbeitsvolumen benötigten und sich dies zugleich finanziell leisten konnten. Für die weitaus größere Gruppe von Haushalten mit geringerem Bedarf und Finanzkraft änderte die Reform nichts an den finanziellen Rahmenbedingungen. Es überrascht daher kaum, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Privathaushalten in Deutschland lediglich bescheiden wuchs. Während in Frankreich bereits bis 1996 über 280 000 Haushalte den CES in Anspruch genommen hatten (vgl. Munz 1996: 45), stieg die Anzahl sozialver18 Mit den Steuererleichterungen waren zugleich Auflagen zur Mindesthöhe von Arbeitslohn und Lohnnebenleistungen verknüpft, wenngleich auf niedrigem Niveau (vgl. Le Feuvre 2000: 18). Auch die Beschäftigten erhielten somit begrenzte Anreize zur Transformation von informellen in formelle Beschäftigungsverhältnisse. Sie stehen allerdings der Pflicht zur Zahlung von arbeitnehmerseitigen Sozialabgaben und Steuern gegenüber, die ein formelles Arbeitsverhältnis für Beschäftigte zumindest auf kurze Sicht gerechnet unattraktiv macht. 633 Karen Jaehrling sicherungspflichtig Beschäftigter in Privathaushalten in Deutschland von rund 34.000 im Jahr 1994 (vgl. Munz 1996: 39) auf rund 39.800 im Jahr 2000 (vgl. Schupp 2002: 51). Demgegenüber nahmen laut Umfrageergebnissen aus demselben Jahr insgesamt rund 2,9 Millionen Haushalte tatsächlich regelmäßig eine Haushaltshilfe in Anspruch (vgl. Schupp 2002: 59). Neben der informellen Erwerbsarbeit hatte sich zudem zwischenzeitlich die bezahlte Eigenarbeit in der Kinderbetreuung und Altenpflege als kostengünstige Alternative zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung etabliert (siehe Abschnitt 2.2). Alternativ zu den Haushaltsschecks wurden von Bund, Ländern und Kommunen seit Mitte der 1990er Jahre so genannte Dienstleistungspools gefördert. Bei diesen handelt es sich vorwiegend um gemeinnützige Unternehmen, die ihre Beschäftigten stundenweise Privathaushalten zur Verfügung stellen und dadurch die fragmentierten Arbeitsverhältnisse bei verschiedenen Haushalten zu vollzeitnahen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bündeln.19 Die Dienstleistungen werden hier also im Rahmen einer trilateralen Beziehung nach Modell 3 erbracht. Die Zwischenschaltung eines Unternehmens hat, wie die Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT) zeigen (vgl. Bittner et al. 1999; Bittner/Weinkopf 2002), zusätzlich zur sozialen Absicherung und der besseren Verdienstmöglichkeit infolge längerer Arbeitszeiten weitere Vorteile für die Beschäftigten im Vergleich zu bilateralen und informellen Arbeitsbeziehungen: So äußerten die Beschäftigten Zufriedenheit darüber, dass sie ihr Gehalt regelmäßig und auch, wie gesetzlich vorgeschrieben, während urlaubs- und krankheitsbedingter Fehlzeiten erhielten. Sie begrüßten außerdem, dass das Management im Falle von Konflikten zwischen Beschäftigten und Kundenhaushalten schlichtend eingreifen konnte und die Beschäftigten hier in ihrer Position gegenüber den nachfragenden Haushalten stärkte (vgl. Bittner/Weinkopf 2002: 137-38). Ähnlich waren die Erfahrungen in Frankreich, das auch bei diesem Modell Vorreiter war: Bereits 1992 hatte man hier einen eigenen rechtlichen Status und damit verbundene steuerliche Vergünstigungen für gemeinnützige Agenturen im Bereich der personenbezogenen haushaltsnahen Dienstleistungen geschaffen, die 1996 auf 19 Wie jüngste Umfragen zeigen, entsprechen diese längeren Arbeitszeiten durchaus dem Wunsch der Mehrheit der erwerbsfähigen Frauen in Europa (vgl. Bielinski et al. 2002). 634 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt hauswirtschaftliche Tätigkeiten ausgedehnt und für privatgewerbliche Unternehmen geöffnet wurden (vgl. Le Feuvre 2000: 17-18). Mit dem Titre Emploi Service (TES) wurden im selben Jahr Gutscheine für die Nutzung dieser Agenturen eingeführt. Mit der Förderung trilateraler Beziehungen setzte man einen Gegenpunkt zur ‚Individualisierung industrieller Beziehungen‘ (Le Feuvre 2000: 19), die die bilateralen Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen des CES kennzeichnete. Trotz der im Vergleich zu Deutschland höheren Auflagen zur Form der Erbringung hatten auch dort Beschäftigte über die mangelnde Einhaltung dieser Auflagen geklagt sowie über den hohen Aufwand, eigenständig mehrere kleinteilige Beschäftigungsverhältnisse zu akquirieren, um ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen (vgl. Le Feuvre 2000: 19-20). Demgegenüber liegt die Verantwortung für die Aquise von Kundenaufträgen und für die Einhaltung von Ansprüchen an bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Weiterbildung im Falle des TES bei der öffentlich zertifizierten Agentur, die Haushaltshilfen einstellt und Kunden gegen Rechnung überlässt. Diese Erfahrungen verdeutlichen erneut den Unterschied zwischen Haushalten und Unternehmen, genauer: das unterschiedliche Ausmaß der institutionellen Einbettung und der Möglichkeiten, die Einhaltung gesetzlicher Regelungen zu kontrollieren. Arbeitsbeziehungen innerhalb von Unternehmen sind nicht nur wesentlich stärker verrechtlicht – man denke an das Betriebsverfassungsgesetz –, sondern bei Unternehmen stehen die Chancen auch höher, dass die Nichteinhaltung von Gesetzen entdeckt und mit Sanktionen belegt wird. Demgegenüber wird auf Seiten der Privathaushalte dem Schutz der Privatsphäre der Vorzug vor einer stärkeren Kontrolle gegeben. Dies hat zuletzt die weitgehende Rücknahme der Androhung einer stärkeren strafrechtlichen Sanktionierung von Schwarzarbeit in Privathaushalten zu Beginn des Jahres 2004 anschaulich belegt. Zudem ist das Wissen über arbeitsrechtliche Standards bei Privatpersonen weniger ausgeprägt als bei Unternehmen, so dass die Befolgung bestimmter Pflichten wie der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder der Anmeldung der Beschäftigten zur gesetzlichen Unfallversicherung in der Vergangenheit vielfach an Unwissenheit scheiterte. Die höhere Arbeitsplatzqualität in Dienstleistungspools hat allerdings ihren Preis. Laut Ergebnissen einer 1998 durchgeführten Umfrage unter 84 Dienstleistungspools lag der den Kunden in Rechnung gestellte Stundenpreis bei durchschnittlich 24 DM in Westdeutschland und 18 DM in Ostdeutschland und überstieg die Preise 635 Karen Jaehrling auf dem informellen Markt damit zum Teil um das Doppelte (vgl. Bittner et al. 1999).20 Vor diesem Hintergrund ist es daher auch hier wenig überraschend, dass bis Ende der 1990er Jahre nur zwischen 1000 und 2000 neue Arbeitsplätze in Dienstleistungspools entstanden waren. Das im April 2003 in Kraft getretene Hartz-II-Gesetz21 vollzieht im Vergleich zu Haushaltsscheck und Dienstleistungspools nun eine Kehrtwende: Mit den Sonderregeln zu ‚Minijobs‘ in Privathaushalten verlegt man sich explizit auf die Förderung von Niedriglohnjobs, und schreibt die informell etablierten Marktstrukturen mitsamt den ungünstigen Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Segment haushaltsnaher Dienstleistungen damit eher fort, anstatt sie zu verändern. „Durch dieses Gesetz“, so kommentiert die oppositionelle Bundestagsfraktion der CDU/CSU zustimmend, wird die von der CDU/CSU seit langem geforderte Möglichkeit eröffnet, insbesondere Frauen aus der Schwarzarbeit zu holen und sie im Geringfügigkeits- und Niedriglohnbereich wieder in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. […] Mit diesem Gesetz werden auch die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie erweitert. Einerseits wird es für Frauen attraktiv, neben ihrer Familienarbeit eine Beschäftigung aufzunehmen, auf der anderen Seite können Familien zu günstigeren Bedingungen als bisher Haushaltshilfen einstellen. Dies ist vor allem für die Frauen eine große Entlastung (CDU/CSU-Fraktion 2004: 1). Eine Entlastung mag dieses Gesetz für Frauen in ihrer Rolle als Nachfragerinnen haushaltsnaher Dienstleistungen darstellen, da die Zusatzkosten für ein reguläres Beschäftigungsverhältnis stark gesenkt werden. Auf die Minijobs wird das Haushaltsscheckverfahren inklusive der steuerlichen Absetzbarkeit übertragen; zudem ist mit der Pauschale von 12 % an Sozialabgaben und Steuern ein nochmals niedrigerer Satz als bei Minijobs in Unternehmen abzuführen (vgl. hierzu ausführlich Weinkopf 2003a und 2003b).22 Die Reduzie20 Die Preisdifferenz deckt nicht nur die Lohnnebenkosten, sondern auch ‚unproduktive‘ Zeiten, die durch Fahrtzeiten, Qualifizierung und Auftragsmangel entstehen. 21 ‚Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt‘ vom 23. 12. 2002 (BGBL I S. 4621). 22 Zwar kann erstmals auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungspools steuerlich geltend gemacht werden, diese Vergünstigung wird jedoch nahezu vollständig dadurch neutralisiert, dass bei ihnen im Unterschied zur Beschäftigung in Privathaushalten der 636 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt rung der Sozialversicherungspflicht und der daraus abgeleiteten Ansprüche rückt die so geförderten Arbeitsverhältnisse stärker in Richtung des oben skizzierten Modells 1. Außerdem erfahren die Inhalte der geförderten Leistungen eine Ausweitung: Einbezogen sind nun auch die Leistungen von selbständigen Tagesmüttern, die Kinder nicht im Haushalt des Arbeitgebers, sondern im eigenen Haushalt betreuen.23 Die Preisdifferenz zwischen Minijobs und Preisen auf dem informellen Arbeitsmarkt wird dadurch minimiert und somit auch die Schwelle für Haushalte, ein formelles Arbeitsverhältnis abzuschließen. Allerdings bieten die Minijobs für Beschäftigte keine sonderlich hohen positiven Anreize, ihr informelles Erwerbsverhältnis in ein formelles zu transformieren24 – dies mag einer der Gründe für die ersten eher ernüchternden Bilanzen der Minijob-Zentrale sein.25 Zugleich wurden mit dem HartzIV-Gesetz26 jedoch die negativen Anreize für eine Aufnahme solcher Jobs volle Mehrwertsteuersatz zu zahlen ist – zusätzlich zu dem ohnehin höheren Stundenpreis (vgl. Weinkopf 2003a: 144). 23 Mit dieser Ausweitung unterliegt die öffentliche Subventionierung von Tagesmüttern einer ähnlichen Entwicklung wie die Subventionierung der übrigen haushaltsnahen Dienstleistungen. Die Minijobs treten hier ebenfalls in Konkurrenz zu anderen öffentlich geförderten Formen der Leistungserbringung, in denen staatliche Instanzen und Regelungen in stärkerem Maße die Interaktionen der Marktteilnehmer steuern. Im Bereich der Tagesmütter sind dies die bereits erwähnten Fördermaßnahmen von Kommunen und Ländern, die der Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) Rechnung tragen und bei Bedarf die Kosten für Tagesmütter teilweise oder ganz übernehmen. Dadurch wirken Behörden zugleich bei der Festsetzung der Lohnhöhe mit. Zudem wird die Vermittlung von Tagesmüttern, ihre Registrierung und Qualifizierung häufig von kommunalen Behörden übernommen (vgl. Jampert et al. 2003). 24 Den Beschäftigten entstehen aus der arbeitgeberseitigen Pauschale von 12 % des Lohns allenfalls minimale Ansprüche an eine Rente, soweit sie die Rentenbeiträge freiwillig aufstocken. Eigene Ansprüche an Kranken- und Arbeitslosenversicherung entstehen den Beschäftigten nicht. 25 Die Anzahl geringfügig Beschäftigter in Privathaushalten stieg zwischen März 2003 und März 2004 von rund 24.000 auf 47.000 Beschäftigte (vgl. Bundesknappschaft 2004: 11) – eine eher schwache Resonanz angesichts der im Hartz-Bericht zitierten 3,5 Millionen Haushalte, die de facto eine Haushaltshilfe in Anspruch nehmen (vgl. Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt 2002: 164). 26 ‚Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt‘ vom 24. Dezember 2003 (BGBL I S. 2954). 637 Karen Jaehrling erhöht, da Minijobs mit der Senkung von Zumutbarkeitskriterien vollwertigen Beschäftigungsverhältnissen gleichgestellt wurden, inklusive der Sanktionen, die bei Ablehnung eines solchen zumutbaren Jobs möglich sind. Es bleibt abzuwarten, wie weit die Arbeitsverwaltungen bei der Umsetzung dieses Gesetzes gehen, was auch davon abhängen wird, wie weit Privathaushalte dazu übergehen, die Arbeitsverwaltung bei der Suche nach einer Haushaltshilfe einzubeziehen. 4. Fazit Regulierungsstaatliche Maßnahmen haben in den vergangenen fünfzehn Jahren verschiedene Varianten von Arbeitsbeziehungen im Markt für haushaltsnahe Dienstleistungen gefördert. Erst die Berücksichtigung des erweiterten Arbeitsmarktes Privathaushalt erlaubt es, die Entwicklungsdynamik in diesem Bereich zu verstehen. Die informelle Erwerbsarbeit, aber auch die neue Form der politisch geförderten, bezahlten Eigenarbeit stellen kostengünstige Alternativen zu formellen marktförmigen Angeboten dar und begrenzen das Potenzial an regulären Arbeitsplätzen. Der erweiterte Kontext ist aber nicht nur für die Analyse, sondern auch als Vergleichsfolie für die normative Bewertung der Entwicklungen hilfreich. Die obige Analyse hat gezeigt, dass die politischen Maßnahmen zur Konstituierung eines Marktes für haushaltsnahe Dienstleistungen durchaus Verbesserungen für die Qualität von (Frauen-)Arbeitsplätzen im Vergleich zu den anderen Arbeitsformen im Status quo ante mit sich bringen können. Dies gilt insbesondere für die Arbeitsplätze in Dienstleistungsagenturen, die sich hinsichtlich der Arbeitsplatzqualität deutlich von der informellen Erwerbsarbeit abheben. Wählt man statt des Status quo ante hingegen ein in diesem Bereich immer schon fiktives Normalarbeitsverhältnis zum Maßstab oder noch darüber hinaus das Ziel einer Überwindung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, so fällt die Bilanz vernichtend aus (vgl. Klenner/Stolz-Willig 1997). Zu Recht ist gegen diese Herangehensweise jedoch eingewandt worden, dass es angesichts der faktisch existenten Exklusionsmechanismen angeraten erscheint, einen Weg zwischen kurzfristig-pragmatischen und langfristigen, normativ anspruchsvolleren Lösungen zu suchen (vgl. Klein 1997). Wie dieser Weg aussehen kann, dazu bedarf es weiterer politischer und wissenschaftlicher Analyse und Auseinandersetzung. 638 Die politische Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt In Deutschland tendiert die Entwicklung der jüngeren Zeit in Richtung kurzfristig-pragmatischer Lösungen, die die Qualität von Arbeitsplätzen hintanstellen und die informell etablierten Marktstrukturen eher fortschreiben als sie zu verändern. Mit den Hartz-Reformen wurden die öffentlichen Transfers von Auflagen zur Form der Erbringung befreit; statt sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse werden nun alle Arten von Beschäftigung gefördert, einschließlich sozialversicherungsfreier Arbeitsplätze im Rahmen bilateraler Vertragsbeziehungen, die sich bezüglich ihrer Arbeitsplatzqualität in der Vergangenheit als besonders nachteilig für die Beschäftigten herausgestellt haben. Anregungen für eine andere marktregulative Politik können aus der Analyse des französischen Entwicklungspfades gewonnen werden: Zwar sollte der größere Erfolg Frankreichs bei der Formalisierung der Arbeitsverhältnisse nicht den Blick darauf verstellen, dass auch dort bislang in erster Linie ein Niedriglohnsektor entstanden ist. Der vergleichsweise frühe Zeitpunkt, zu dem dort Maßnahmen eingeleitet wurden, hat jedoch auch bewirkt, dass die damit verbundenen Probleme seit längerem diskutiert und Gegenmaßnahmen in Richtung einer stärkeren institutionellen Einbettung bilateraler Arbeitsbeziehungen eingeleitet wurden – wie beispielsweise die Einführung der umlagefinanzierten Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ähnliches wäre denkbar zur Umsetzung des gesetzlich verbürgten Rechtes auf bezahlten Urlaub. Maßnahmen wie die Umlagefinanzierung suchen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Privathaushalte eben keine Unternehmen sind. Darüber hinaus gilt es auch bei künftigen Untersuchungen zur Zukunft der Arbeit im Privathaushalt, das gesamte Spektrum von Arbeitsformen im Blick zu behalten, inklusive der Option auf einen weiteren Ausbau (leistungs-) staatlicher Angebote. Auch die dritte politisch geförderte Form, die bezahlte Eigenarbeit, bedarf der weiteren analytischen und normativen Untersuchung – handelt es sich dabei um eine konservativ motivierte Refamilialisierung (vgl. Evers 1995), um einen „gender-centered approach to welfare state change“ (Lewis 2002) oder um eine ambivalente „Arbeitsdeaktivierung“ von Müttern (Dingeldey/Reuter 2003: 58)? Nur wenn solche Fragen erörtert werden, und dabei sowohl das Ziel einer kurzfristigen Verbesserung von Arbeitsbedingungen als auch das Ziel einer langfristigen Überwindung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung bedacht wird, lässt sich klären, in welche Modelle der 639 Karen Jaehrling Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt öffentliche Mittel investiert werden sollten. Literaturverzeichnis Andall, Jaqueline (2000): Gender, Migration and Domestic Service. The Politics of Black Women in Italy. Aldershot: Ashgate. Anderson, Bridget (2000): Doing the Dirty Work? The Global Politics of Domestic Labour. London: Zed Books. Behning, Ute (Hg.) (1997a): Das Private ist ökonomisch. Widersprüche der Ökonomisierung privater Familien- und Haushaltsdienstleistungen. Berlin: edition sigma. Behning, Ute (1997b): „Richtungswechsel in der Sozialversicherungspolitik? Zur Anerkennung von nicht-professionellen häuslichen Pflegeleistungen durch das Pflege-Versicherungsgesetz“, in: Behning (Hg.) 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