journal - TÜV Süd

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journal - TÜV Süd
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Editorial
LIEBE LESERINNEN
UND LESER,
in dieser Ausgabe des TÜV SÜD Journals nehmen wir Sie mit auf eine Reise in die
Zukunft: Ein Abstecher mit der Bahn nach Norditalien, in einem gigantischen Tunnel direkt unter den Alpen hindurch? Schon in wenigen Jahren wird dies möglich
sein. Fahrerlose Autos, die uns sicher von A nach B bringen? Erste Feldversuche
laufen. Wertvolle Rohstoffe aus nicht mehr benötigten Konsumartikeln sortenrein
trennen? Forscher entwickeln schon jetzt vielversprechende Konzepte. Über alle
diese Entwicklungen können Sie auf den folgenden Seiten lesen.
Einen interessanten Beitrag darüber, was erfolgreiche Innovationen ausmacht, liefert Navi Radjou, Professor an der Universität von Cambridge. Seine These: Neue
Produkte können gelegentlich technisch simpel sein – wenn sie nur die Bedürfnisse des Markts treffen (S. 16). Egal, ob man die Botschaft teilt, dass »gut manchmal gut genug ist «: Mit seiner Aussage, dass der Erfolg jeder Innovation davon
abhängt, die (potenziellen) Kunden wirklich zu verstehen und auf ihre Bedürfnisse
einzugehen, trifft er voll ins
Schwarze.
Bei TÜV SÜD steht der
Kunde im Mittelpunkt: Dies
ist keine Floskel, sondern
stellen wir in unserem kommenden Geschäftsbericht vor, der
meine tiefe Überzeugung.
Anfang Mai erscheint. Unter www.tuev-sued.de/geschaeftsbericht
können Sie sich schon jetzt ein Exemplar vorab bestellen.
In unserer neuen Strategie
Weitere Innovationen
2020, in der wir die Ziele
unseres Unternehmens für die
kommenden Jahre definiert haben, nimmt diese Kundenorientierung den zentralen Platz ein. Wir sind dann zufrieden, wenn unsere Kunden es sind. Unser
Versprechen: TÜV SÜD hat es sich zum Ziel gesetzt, das kundenfreundlichste
Unternehmen unter den Prüf- und Zertifizierdienstleistern zu sein. Nehmen Sie
mich beim Wort!
Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing. Axel Stepken
Vorsitzender des Vorstands der TÜV SÜD AG
2 TÜV SÜD Journal
Inhalt
#06
TITELSTORY
Mit über 57 Kilometern wird der Gotthard-Basistunnel der längste Tunnel der Welt. Die Vorbereitungen für den Testbetrieb laufen auf Hochtouren.
Auf die
Auf dem
Auf den
Was treibt Menschen weltweit um? Wir
nehmen technische und gesellschaftliche
Entwicklungen unter die Lupe.
Die Welt von morgen im Blick: Diese Innovationen könnten schon bald unser Leben
prägen.
Nachgefragt! Unsere »Mehrwert«-Seiten
machen komplexe Zusammenhänge leicht
verständlich.
#16 Gut ist oft gut genug
Erfolgreiche neue Produkte müssen technisch
simpel, aber effizient sein, behauptet Innovationsforscher Navi Radjou. Als Vorbild sieht er
Schwellenländer.
#22 Das Kompetenzzentrum
Mit hochinnovativen Motoren- und Rollenprüfständen setzt das neue Technologie- und Umweltzentrum von TÜV Hessen Maßstäbe auf dem Gebiet der Fahrzeugprüfung und Emissionsmessung.
#28 Vorsorge in 3-D
Die Computertomografie gilt inzwischen
als gleichwertige Alternative zur Darmspiegelung. Aber wie funktioniert dieses
medizinische Gerät eigentlich?
#18 Das Recycling der Zukunft
Wertvolle Rohstoffe aus Handys, Computern oder
Autos lassen sich nur schwer zurückgewinnen.
Deshalb entwickeln Forscher neue Trenntechniken, die bis in die molekulare Ebene reichen.
#24 Frauen im Chefsessel
Sie war die erste Frau an der Spitze einer
deutschen Börse, heute ist sie Geschäftsführerin des Deutschen Aktieninstituts: Dr. Christine
Bortenlänger über weiblichen Führungsstil.
#30 Ratgeber Wintersport
Ob in den Alpen oder in den Rocky Mountains:
Jetzt ist die Zeit für Ski-, Snowboard- und
Rodelspaß. Fünf Tipps, damit das Vergnügen
im Schnee stets ungetrübt bleibt.
#4 TÜV SÜD im Bild
#14 5 Minuten mit TÜV SÜD
#21 Vor Ort
#31 Termine/Impressum
#32 5 Minuten mit TÜV SÜD
#34 Zu guter Letzt
PROBE
WEG
PUNKT
TÜV SÜD Journal 3
TÜV SÜD im Bild
Die zwei Leben der
raupen
Spätnachmittags rückt sie aus. Sie nennt sich »Beast«, ist so stark wie 527 Pferde und
bringt 11,5 Tonnen auf die Waage. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 22 km/h erklimmt die 388-kWPistenraupe des Südtiroler Herstellers Prinoth Berghänge mit einer Steigung von bis zu 100 Prozent. Nachdem ihr riesiges Schild die Schneemassen verschoben hat und die Raupen den Schnee festgewalzt haben,
zermahlt die Fräse des Fahrzeugs Schnee und Eisbröckchen puderzuckerfein. Der rote Finisher am Heck formt
aus den winzigen Kristallen schließlich ein perfektes Stück Piste. Meter für Meter verrichtet die Raupe ihre
Arbeit, immer in einem Skigebiet – oder sie beginnt ein zweites Leben: als Gebrauchtfahrzeug. Doch bevor
die Prinoth-Pistenfahrzeuge, die auch nach mehreren Jahren Dienst noch Spitzenleistungen bringen, auf
den Markt kommen, unterziehen neutrale Sachverständige von TÜV Italia die Fahrzeuge einer umfassenden
Inspektion und dokumentieren ihren Zustand. Nur wenn dieser auch wirklich gut ist, gibt es das Gebrauchtmaschinen-Zertifikat der Tochtergesellschaft von TÜV SÜD. »Prinoth sieht in ihm eine Bestätigung der hohen Qualität seiner Fahrzeuge«, erklärt Bruno Paonessa, Direktor der Division Auto Service bei TÜV Italia.
Wintersportfans und -regionen wollen sich schließlich auf perfekt präparierte Pisten verlassen können.
Mehr Infos zum Thema: www.tuv.it
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Text: Sandra Lehmann
Fotos: Jan Scheutzow
57 Kilometer Schienen, 28 Millionen Tonnen Ausbruchsmaterial und
6.000 Kilometer Kabel: Der Gotthard-Basistunnel ist nicht nur der
längste Eisenbahntunnel der Welt, sondern auch ein europäisches
Jahrhundertprojekt, das den Bahnverkehr revolutioniert.
TÜV SÜD Journal 7
Titelstory
176 57
der Gotthard-Basistunnel beeindruckt mit
E
duard Gruner hatte sich die Zukunft näher vorgestellt. Der geistige Vater des Gotthard-Basistunnels war bis zu seinem Tod
1984 fest davon überzeugt, dass bereits im
Jahr 2000 Güterzüge unter der Erde von der
Schweiz nach Italien fahren. Zufrieden wäre
er aber sicherlich trotzdem. Schließlich wird
gerade ein Großteil der mehr als 65 Jahre
alten, visionären Pläne des schweizerischen
Ingenieurs und Verkehrsplaners umgesetzt
– auf der längsten Baustelle der Welt. Bohrer
mit einem Durchmesser von fast zehn Metern
begannen 1998 zwei Röhren mit jeweils 57 Kilometer Länge durch die Alpen zu fräsen. Seit
dem erfolgreichen Durchbruch im Oktober
2010 läuft nun der Innenausbau des Tunnels
auf Hochtouren. Was Maurer und Elektriker
im Schichtbetrieb leisten, bringt die Schweizerischen Bundesbahnen SBB ihrem Ziel, den
Güter- und Personenverkehr von der Straße
auf die Schiene zu verlagern, Tag für Tag ein
Stück näher.
Alternative zu Auto und Flugzeug
Warum man dazu einen Tunnel braucht?
Enge Kurven, viele Straßenübergänge und
Steigungen von bis zu 26 Promille machen
den bisherigen Bahnverkehr zwischen der
Schweiz und Italien langsam. Die unterirdische Doppelröhre soll 2016 fertig werden und
gemeinsam mit dem Ceneri-Basistunnel, der
Harte Arbeit für harte Kerle: Die Fundamente für die
Schienenanlagen werden im Gotthard-Basistunnel
in Handarbeit gelegt.
8 TÜV SÜD Journal
Rettungsquerschlägen
170.000
Kilometer
Gesamtlänge
Kubikmeter Beton für die Fahrbahn
und verlegten Kabeln in einer gesamtlänge von
6.000 Kilometern
zeitgleich im Kanton Tessin entsteht, für eine
schnellere Beförderung von Fahrgästen und
Gütern sorgen. Personenzüge beispielsweise
sollen für die Strecke von Zürich nach Mailand weniger als drei Stunden benötigen –
statt wie bisher drei Stunden und 40 Minuten.
Die Zeitersparnis ergibt sich hauptsächlich
daraus, dass die Tunnelstrecke als sogenannte
Flachbahn die jetzige maximale Steigung um
mehr als die Hälfte auf zwölf Promille verringert. »Die neue Strecke erspart daher nicht
nur bis zu einer Stunde Fahrtzeit, sondern es
können auch mehr Züge darauf verkehren –
mehr als 300 pro Tag. Damit entlasten wir die
Straßen um ein Vielfaches und werden zur
echten Alternative für den Auto- und selbst
den Flugverkehr«, sagt Maurus Huwyler, Mediensprecher bei der AlpTransit Gotthard AG.
Die Tochtergesellschaft der SBB nimmt
im Auftrag der Regierung die Rolle des Bauherren wahr und koordiniert das Jahrhundertprojekt. »Unser Ziel ist nicht nur, Personen von A nach B zu bringen, sondern auch
die Integration des schweizerischen Bahnsystems ins europäische Hochgeschwindigkeitsnetz«, erklärt Huwyler. Doch nicht nur
Titelstory
Wer hier arbeitet, muss nicht nur viel Sorgfalt,
sondern auch eine hohe körperliche Belastbarkeit mitbringen. Bei der Gleismontage werden die
meisten Arbeitsschritte kniend ausgeführt.
»Präzisionsarbeit
die Infrastruktur könnte vom Megabau
Gotthard-Basistunnel profitieren, sondern
auch die sensible Umwelt der Alpenregion.
Denn Züge auf einer Flachbahn verbrauchen deutlich weniger Energie und verursachen damit auch weniger CO2-Emissionen.
In guten Händen
Um diese Dinge machen sich die Arbeiter im
Tunnel derweil keine Gedanken, denn der
nächste Zug mit frischem Beton ist bereits
unterwegs. Bereits verlegte Schienen bekommen ihr festes Fundament. Im Gegensatz zu
oberirdischen Strecken werden die Gleise hier
in einem Betonbett fixiert, um größtmögliche
Lagestabilität für die Züge zu gewährleisten.
Gearbeitet wird in mehreren Abschnitten. Ein
Teil der Handwerker montiert die Schwellen
unter die bereits ausgelegten Schienenstränge. Das erfordert nicht nur präzises Arbeiten,
sondern auch genaue Messtechnik. Denn
sind die Schienen einmal fest im Fundament
verankert, können sie nicht mehr verschoben
werden. Erst wenn sie mithilfe eines Gleis-
ist bei einer Hochgeschwindigkeitsstrecke das A und O. Sie
minimiert das Risiko von Unfällen.« – Hans Funder, Vorarbeiter
messwagens exakt ausgerichtet sind, füllen
Fachkräfte den Schacht zur Hälfte mit Beton.
Dabei ist volle Konzentration und eine ruhige
Hand gefragt. »Das Material muss den hohen
Geschwindigkeiten standhalten können. Damit der Beton später nicht porös wird, muss
er besonders sauber verarbeitet werden. Wenn
wir an dieser Stelle nicht ordentlich arbeiten,
riskieren wir Unfälle«, sagt Hans Funder,
Vorarbeiter im Gotthard-Basistunnel. Täglich kommen so bis zu zwei Kilometer fertige
Strecke zusammen.
Im Notfall hier lang! Die Querschläge, die beide
Tunnelröhren miteinander verbinden, ermöglichen
im Ernstfall eine sichere und schnelle Evakuierung
aller Fahrgäste.
Kleine Kästen für mehr Sicherheit
Trotz der zeitaufwendigen Präzisionsarbeit
liegt das Projekt gut im Plan. War die Eröffnung der Strecke ursprünglich für 2017 geplant, ist heute von 2016 die Rede. »Wenn
TÜV SÜD Journal 9
Titelstory
»Momentan liegen wir mit dem Projekt sehr gut
im Zeitplan.
Wenn es so weitergeht, beginnen wir Ende 2013 mit dem Versuchsbetrieb.« – Maurus Huwyler, Mediensprecher AlpTransit Gotthard AG
10 TÜV SÜD Journal
Titelstory
Mit TÜV SÜD in
sicheren Bahnen
Überall auf der Welt sind Menschen und Märkte auf die sichere Beförderung von Personen
und Gütern angewiesen. Mit den Angeboten zur Prüfung und Zertifizierung von Bahnsystemen sorgt TÜV SÜD Rail für die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Gleis- und Signalanlagen,
der Energieversorgung und Schienenfahrzeugen.
Experten für die Schiene
Basis für den Erfolg ist die mehr als 30-jährige
Erfahrung bei der Begutachtung von einzelnen
sicherheitsrelevanten Komponenten bis zu vollständigen Metrosystemen und Hochgeschwindigkeitsstrecken weltweit. Experten auf allen
relevanten Feldern, beispielsweise Brandschutz,
Lauftechnik, Strukturfestigkeit, Soft- und Hardware, Risiko- und Gefährdungsanalysen und Instandhaltung unterstützen Hersteller, Behörden
und Betreiber an zwölf Standorten in Europa und
18 Standorten weltweit.
die Arbeiten weiterhin so zügig voranschreiten, können wir schon Ende 2013 mit dem
Probebetrieb starten«, sagt Huwyler. Damit
der reibungslos läuft und die Züge später gefahrlos den Tunnel passieren können, fehlen
auf der Strecke noch wichtige Details: die sogenannten Balisen. Die unscheinbaren gelben Kästchen, die an Kühlakkus erinnern,
sind technische Wunderwerke, die den sicheren Zugverkehr im Tunnel erst möglich
machen. Sie werden direkt ans Eisenbahngleis montiert und übertragen Informationen der vorbeifahrenden Züge über ein
spezielles digitales Funksystem (GSM-R)
direkt an eine angeschlossene Leitstelle und
auf das Fahrerdisplay des Zuges. Bei Spitzengeschwindigkeiten von 250 km/h kann der
Zugführer Signale so besser wahrnehmen als
am Streckenverlauf.
Im Ernstfall können die Balisen sogar Leben retten. Bricht im Tunnel beispielsweise
ein Brand aus, meldet die Balise das Feuer in
der Leitstelle und gibt den genauen Standort
des Zuges durch. Auch für die Evakuierung
ist der Gotthard-Basistunnel gut ausgestattet. Entlang der gesamten Strecke befinden
sich alle 325 Meter sogenannte Querschläge,
kurze Tunnel, die beide Röhren miteinander
verbinden und mit hitzebeständigen Brandschutztüren verschlossen werden können.
Im Notfall gelangen die Fahrgäste so schnell
auf die andere Seite, wo sie von einem Rettungszug in Sicherheit gebracht werden.
Nach der Schicht ist vor der Schicht
Während sich der Arbeitstag im Tunnelabschnitt Amsteg-Erstfeld für Hans Funder
langsam dem Ende zuneigt, sind einige Arbeiter in Gedanken schon bei der nächsten
Schicht. Bis die Testphase auf der Strecke be-
Volle Konzentration für Präzisionsarbeit: Der Betonmischzug muss mit viel Fingerspitzengefühl navigiert
werden, damit die Betonmasse zentimetergenau in der
Fahrrinne platziert werden kann.
ginnen kann, müssen noch Hunderte Balisen
installiert und mehr als 2.000 Meter Kabel
verlegt werden – natürlich wie gewohnt mit
ruhiger Hand und klarem Kopf.
Mehr Infos zum Thema:
www.tuev-sued.de/rail
Basisarbeit: Vom Betonmischzug aus wird
die fertige Masse in der Fahrrinne verteilt.
TÜV SÜD Journal 11
Standpunkte
Stand-
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Fengler
Professor für die Gestaltung von Bahnanlagen an der Technischen Universität Dresden
»Dem unterirdischen
Zugverkehr gehört die
Zukunft, zumindest in
der Alpenregion.«
O
b Personen- oder Güterverkehr, die Zukunft des
Transportwesens in den
Alpen liegt unter der Erde. Mit einer
Untertunnelung der Alpenhauptkette kann nicht nur wertvolle Zeit,
sondern auch CO2 eingespart werden.
Das schützt die sensible Alpenregion.
Weniger Emissionen, keine
Lärmbelästigung und mehr
volkswirtschaftlicher Nutzen: Keine Frage, in Hochgebirgen ist Güter- und Personenverkehr künftig nicht nur
auf der Schiene, sondern auch unterirdisch
besser aufgehoben. Gerade im Gotthard-Basistunnel kann der Güterverkehr seine systemeigenen Vorteile sehr gut ausspielen.
Durch die geringe Steigung ist es nicht mehr
nötig, einen Güterzug von mehreren Lokomotiven ziehen zu lassen. Gleichzeitig verkürzt sich die Streckenlänge erheblich und
es können endlich die im Flachland üblichen
Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 120
km/h gefahren werden, was den Transport
höherer Gütermengen in kürzerer Zeit ermöglicht. Ähnliches gilt auch für den Personenverkehr in den Eisenbahn-Basistunneln,
der dort mit bis zu 250 km/h Höchstgeschwindigkeit fahren kann. Bei mittleren
Reiseentfernungen von bis zu 800 Kilometern
wird die Eisenbahn dank der Tunnel konkurrenzfähig zum Pkw- und Flugverkehr. Aus
dem Blickwinkel der Allgemeinheit dürfte
zudem unbestritten sein, dass die CO2-Bilanz
der Eisenbahn besser ist. Also ein Gewinn für
alle: Reisende, Anwohner und Wirtschaft.
Zug verkehr
Tunnel oder Streckenausbau?
12 TÜV SÜD Journal
Standpunkte
W
ann ein Tunnel mehr
bringt als der Ausbau der Strecke,
hängt von vielen Faktoren ab. Am
wichtigsten ist eine Strecke ohne
nennenswerte Steigungen, um den
Verkehr allgemein von der Straße
auf die Schiene zu verlagern.
Auf einer Flachbahn,
egal ob unter oder über
der Erde, können Züge
effizienter fahren. Trotzdem liegt in ganz Europa der Schwerpunkt der
Investitionen noch immer im Straßenund Luftverkehr – dabei könnte sich gerade im Gütertransport ein Umdenken
lohnen. Lärmbelastung und Emissionen würden sich nachhaltig reduzieren
lassen. Hier nimmt die schweizerische
Politik mit ihrer Unterstützung von
Schienenbauprojekten eine klare Vorreiterrolle ein. Bereits 2008 beschloss
das Parlament das Projekt »Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur«
mit zahlreichen Tunnel- und Ausbauarbeiten. Die Ziele sind klar definiert: Es
geht um die Erhöhung der Streckenkapazität, um die Stabilisierung des Fahrplans und um die Verringerung von
Fahrtzeiten. In diesem Gesamtzusammenhang ist der Gotthard-Basistunnel
zu sehen. Aber neben dem Ausbau der
Transitachsen darf auch auf der für die
Schweiz mindestens ebenso wichtigen
Ost-West-Achse der Güterverkehr nicht
vernachlässigt werden.
Punkte
Dr.-Ing. Dirk Bruckmann, Bauingenieur
Leitender Wissenschaftler an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH)
»Ausbau oder Untertunnelung? Es muss generell
in die Zuginfrastruktur
investiert werden.«
Die Zukunft des Güter- und Personenverkehrs liegt auf der Schiene, da sind sich die Experten
Dr. Dirk Bruckmann und Prof. Dr. Wolfgang Fengler einig. Aber führt die Reise dorthin durch den Tunnel
oder besser auf offener Strecke?
TÜV SÜD Journal 13
5 Minuten
Kooperation für die
chemische Industrie
EMV-Prüfungen in Singapur
nach europäischen Standards
TÜV SÜD als Arbeitgeber
immer beliebter
TÜV SÜD wird im Bereich Chemie Service künftig eng
mit dem Unternehmen maexpartners zusammenarbeiten. Beide Unternehmen vereinbarten eine strategische
Kooperation. Gemeinsam bieten sie nun das komplette
Dienstleistungsangebot für die Prozessindustrie an: von
der Strategieentwicklung, dem Prozessaudit und der Anlagenüberwachung bis zur operativen Umsetzung.
Das TÜV SÜD-Testlabor für Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) in Singapur prüft nach europäischen Standards.
Dies ist jetzt offiziell vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt
anerkannt worden. Hersteller von Fahrzeugen und Komponenten können damit in dem südostasiatischen Staat direkt für
den internationalen Markt testen lassen. Geprüft wird nach
den Normen EN/ISO 17025:2005 und EN/ISO 17020:2004.
Spitzenbewertung im aktuellen Universum-Arbeitgeberranking der Zeitschrift »Wirtschaftswoche«: Mehr als 4.500
Ingenieure mit maximal acht Jahren Berufserfahrung wurden befragt. TÜV SÜD landete unter den Top 20 (Vorjahr:
Platz 31). Damit zählt das Unternehmen zu den beliebtesten
Arbeitnehmern für Ingenieure in Deutschland, auch international holt der Konzern in Rankings kontinuierlich auf.
georg.moravec@tuev-sued.de
shirlee.lee@tuv-sud-psb.sg
thomas.schultz@tuev-sued.de
TÜV Report: Mängel an Autos nehmen zu
Die Mängel an den Autos auf Deutschlands
Straßen nehmen immer mehr zu. Das zeigt der
TÜV Report 2013, der Anfang Dezember 2012
vom Verband der TÜV e.V. vorgestellt wurde. In
ihn fließen die Daten aus mehr als acht Millionen
Hauptuntersuchungen ein, die in Deutschland
zwischen Juli 2011 und Juni 2012 durchgeführt
wurden. Jedes fünfte vorgeführte Auto weist
mittlerweile mindestens einen erheblichen
Mangel auf, am häufigsten wird die Beleuchtung
beanstandet. Die goldene Plakette – für den
Gebrauchtwagen mit den wenigsten Mängeln
– geht in diesem Jahr an den VW Polo. Lediglich
2,2 Prozent der Polos, die das erste Mal zur HU
fahren, fallen durch erhebliche Mängel auf. Auf
den Plätzen zwei bis drei folgen der Mazda 3 sowie der Audi Q5. Ebenfalls Ende 2012 vorgestellt
wurde der TÜV Bus-Report – mit ganz ähnlichen
Ergebnissen. Auch bei Reise-, Überland- und Linienbussen stieg die Zahl der erheblichen Mängel
gegenüber dem Vorjahr leicht an. Die TÜV SÜDExperten können aber beruhigen: Denn sicher ist
der Busverkehr trotzdem. Die Zahl der Fahrzeuge, die bei der Hauptuntersuchung aus dem Verkehr gezogen wurden, bleibt konstant niedrig.
vincenzo.luca@tuev-sued.de
14 TÜV SÜD Journal
5
TÜV SÜD wächst mit Erneuerbaren Energien
Der Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung ist eines der wichtigsten aktuellen Themen weltweit. TÜV SÜD bietet verstärkt Dienstleistungen zur Optimierung der Energieeffizienz an – und baut sein Angebot im Bereich der Erneuerbaren
Energien, vor allem der Windenergie, massiv aus. So hat sich das Unternehmen
zwei Jahre nach dem Start seiner Einheit Offshore Wind Services in Hamburg
als feste Größe in diesem Markt
etabliert. Im Auftrag von Siemens
Gemeinsam mit dem Tochterunter- prüfen die TÜV SÜD-Experten zum
nehmen PMSS bietet TÜV SÜD
Beispiel 30 Offshore-Windturbinen
international Beratungsleistungen für des Projekts Riffgat in der Nordsee.
Betreiber, Hersteller und Investoren Windenergie ist auch im Binnenland ein entscheidender Energieim Bereich der Windenergie an.
lieferant für die Zukunft. TÜV SÜD
hat dies mehrfach in Deutschland
aufzeigen können – beispielsweise beim Windatlas für Baden-Württemberg und
der Windpotenzialkarte für Hessen. Die Analysen der TÜV SÜD-Fachleute zeigen:
Durch die technische Weiterentwicklung und Nabenhöhen der Windkraftanlagen
von 140 Metern und mehr werden Standorte in waldigen Mittelgebirgslagen
zunehmend für die Windenergie interessant.
peter-herbert.maier@tuev-sued.de
5 Minuten
Corporate Health Award für
vorbildliche Arbeitgeber
300
Die gesündesten Unternehmen Deutschlands stehen fest: Mitte November 2012
zeichnete TÜV SÜD gemeinsam mit der
Tageszeitung Handelsblatt, dem Bera- Fast
tungsunternehmen EuPD Research und
Unternehmen bewarben sich für
der Techniker Krankenkasse Arbeitgeber
in neun verschiedenen Kategorien mit die vierte Auflage des Corporate
dem Corporate Health Award aus. Prä- Health Awards 2012.
miert wurden Unternehmen, die sich vorbildhaft für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter einsetzen und damit
Standards setzen. Unter den Bewerbern setzten sich große Arbeitgeber wie die Landeshauptstadt München, IBM Deutschland, EnBW oder OTTO ebenso durch wie kleinere
Arbeitgeber – beispielsweise die Universitätsmedizin Mannheim oder die OKE-Gruppe.
monika.niedermeier@tuev-sued.de
Minuten
mit TÜV SÜD
Akkreditierung in China
TÜV SÜD ist »Marke des
Jahrhunderts«
TÜV SÜD ist eine der stärksten Marken
Deutschlands: Der Technologie- und Prüfkonzern hat einen herausragenden Bekanntheitsgrad und genießt hohes Ansehen. Dies wurde
jetzt auch von externer Seite anerkannt: Zum
zweiten Mal in Folge erhielt TÜV SÜD den Preis
»Marke des Jahrhunderts«. Das Unternehmen
gehört damit zum exklusiven Kreis von etwa
250 deutschen Marken, die jeweils als Repräsentanten mit Alleinstellungsmerkmal für
ihre Produktgattung stehen. Für die prominent
besetzte Jury war klar: TÜV SÜD steht stellvertretend – quasi als Synonym – für die deutschen Prüfdienstleister. Bei den »Marken des
Jahrhunderts« befindet sich das Unternehmen
damit in bester Gesellschaft: Unter anderem
wurden die Marken Haribo, Tempo, Persil oder
der Dübelhersteller Fischer ausgezeichnet.
Dr. Boris Gehring (Foto, r.), Leiter der Division
Industry Service von TÜV SÜD, nahm die Auszeichnung im Rahmen einer Gala Ende November im Berliner Hotel Adlon aus den Händen des
Verlegers Dr. Florian Langenscheidt entgegen.
boris.gehring@tuev-sued.de
Konsumprodukte in Indien unter der Lupe
Die global tätigen Kunden von TÜV SÜD
schätzen die weltweite Verfügbarkeit qualifizierter Experten. Gerade in der Division
Management Service wird es beispielsweise
immer wichtiger, dass ein einziger Auditor
für alle Standorte der Kunden weltweit einsetzbar ist – denn nur so können belastbare
Vergleichsanalysen durchgeführt werden.
Für den Einsatz in China ist TÜV SÜD jetzt gut
gerüstet: Die nationale Akkreditierungsbehörde CCAA bescheinigte den Mitarbeitern
eine hohe Kompetenz. Angestrebt wird eine
automatische Anerkennung der TÜV SÜDAuditoren durch die CCAA.
Mit der Eröffnung eines hochmodernen Prüflabors für Konsumprodukte hat
TÜV SÜD seine Präsenz in Indien weiter verstärkt. Das mit modernster Technik
auf vier Etagen ausgestattete Labor in Gurgaon nahe der indischen Hauptstadt
Neu-Delhi bietet Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsleistungen für Lebensmittel,
Textilien, Leder und andere Produkte wie Spielzeug, Schmuck oder Kochgeschirr
unter einem Dach. Mit diesem Labor – dem größten für die Prüfung von Konsumprodukten in Indien, Bangladesch und Sri Lanka – betreibt TÜV SÜD insgesamt elf
Prüflabore auf dem indischen Subkontinent. Es verfügt über modernste Prüfstände
und umfasst auch ein mikrobiologisches Labor sowie ein chemisches Labor mit Präzisionsgeräten für die Massenspektrometrie, für Ultrahochleistungschromatografie
und Gaschromatografie. Mit seinen Leistungen unterstützt TÜV SÜD die indischen
Unternehmen bei der Aufgabe, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in
Einklang zu bringen. Das Labor bietet Prüfungen für den lokalen Markt und Prüfungen von Exportwaren nach internationalen Qualitäts- und Sicherheitsstandards.
eva.lindgren@tuev-sued.de
biswas.shyamli@tuv-sud.in
TÜV SÜD Journal 15
Auf die Probe
AUF DIE
PR O B E
TECH#16 LOW
GIE
STRATE
CLING
#18 RECY
UNFT
DER ZUK
Navi Radjou, 42, ist Lehrbeauftragter an
der Universität von Cambridge und beratendes Mitglied des Weltwirtschaftsforums.
Mit seinem Buch »Jugaad Innovation« (Wiley 2012) hat er eine Diskussion über neue
Innovationsstrategien ins Rollen gebracht.
16 TÜV SÜD Journal
Auf die Probe
Ist gut auch
gut genug?
Um konkurrenzfähig zu sein, müssen neue Produkte technisch simpel, sicher und effizient
sein, behauptet der amerikanische Innovationsforscher Navi Radjou. Im Interview erklärt er,
was Industrienationen dabei von Schwellenländern lernen können.
Text: Lukas Pitule
Herr Radjou, was machen Länder
wie Indien, Brasilien oder China besser als der Westen?
Unternehmen in Schwellenländern haben
gelernt, mit geringen finanziellen und personellen Mitteln auszukommen. Sie kennen
keine großen Entwicklungsabteilungen und
Forschungsbudgets. Trotz der erschwerten
Bedingungen schaffen sie Produkte, die einfach, funktional und gleichzeitig qualitativ
hochwertig sind. Damit erfüllen sie die Bedürfnisse der Kunden. Ich nenne das frugale
Innovation.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Tata Motors aus Indien hat mit dem Tata
Nano den günstigsten Pkw der Welt konstruiert. Diese Idee hat die Automobilbranche
nachhaltig verändert. Louis Schweitzer, der
damalige Chef von Renault-Nissan, brachte
daraufhin 2004 den Dacia Logan, ein energieeffizientes Fahrzeug mit allen wesentlichen
Funktionen für rund 10.000 Dollar, auf den
Markt. Das Motto dahinter: Gut ist gut genug.
Offensichtlich gibt es auch in Europa eine
große Nachfrage nach bezahlbaren Autos,
die auch ohne Hightech ihren Zweck erfüllen.
»Im Westen
verlangt eine
neue Bescheidenheit der Kunden frugale Innovationsstrategien.«
Sind diese Lowtech-Produkte wirklich konkurrenzfähig?
Das müssen sie sein. Sie müssen genauso hohe
Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen erfüllen. Nur kommen sie ohne die vielen
Extrafeatures aus, die kaum jemand braucht.
Wäre Hightech in Schwellenländern
nicht genauso erfolgreich?
Nein. Bleiben wir beim Automobilmarkt. In
Indien zum Beispiel haben alle Besserverdiener Chauffeure. Autos, die viel für den Fahrer
bieten, sind dort nicht gefragt. Kaufentscheidend ist der Komfort im Fond.
Glauben Sie, dass sich das Prinzip
»Gut ist gut genug« auch in Industriestaaten durchsetzt?
Im Westen ist eine neue Bescheidenheit zu beobachten, die sich in der Nachfrage nach ökologischen, simplen und bezahlbaren Produk-
ten und in einer entsprechenden Lebensweise
äußert. Bestes Beispiel dafür ist Carsharing,
ein Trend, der immer mehr Anhänger findet.
Was raten Sie westlichen Firmen?
Angesichts knapper werdender Ressourcen
und Sparzwängen infolge der Wirtschaftskrise sollten sich Unternehmen proaktiv
überlegen, wie sie die frugale Innovationsstrategie adaptieren können. Denn wenn sie
es nicht tun, öffnen sie im heimischen Markt
der Konkurrenz – dazu zählen Start-ups und
Wettbewerber aus Schwellenländern – Tür
und Tor. Auch in den vielversprechenden
Märkten in China, Indien, Russland und
Brasilien werden Konzerne aus Europa und
den USA ansonsten nicht erfolgreich sein.
Mehr Infos zum Thema Unternehmensführung:
www.tuev-sued.de/akademie_de/seminare_management
TÜV SÜD Journal 17
Auf die Probe
Klar
getrennt
Recycling klingt nach grünem Punkt, Altpapier und Glascontainer. Das Recycling der Zukunft
allerdings wird zum Wettbewerbsfaktor, wenn sich damit seltene Rohstoffe zurückgewinnen lassen.
Via »Molecular Sorting« zum Beispiel, einem Verfahren zur Stofftrennung auf kleinster Ebene.
Text: Timour Chafik
D
ie Welt ist ein geschlossener
Kreislauf: Alles, was ist, und alles, was war, kommt garantiert
in irgendeiner Form zurück.
Das klingt hochphilosophisch, ist aber oft
nur der Apfel, der nicht weit vom Stamm zu
Humus verrottet, oder die banale Aludose,
die sich geadelt in einer Autokarosserie wiederfindet. Alles ist, alles fließt, alles bleibt.
Man könnte auch sagen: Alles wird recycelt.
Oder: Man sieht sich immer zweimal.
Wenn es nur so einfach wäre. Denn der
Mensch ist erfinderisch und hat gelegentlich
große Ideen. Er forscht, entwickelt, treibt
voran und braucht dazu immer besseres,
immer spezielleres Material. Rohstoffe, die
gestern vielleicht noch genügten, gehören
18 TÜV SÜD Journal
heute schon zum alten Eisen, im wahrsten
Sinn des Wortes. Die Industrie verlangt in
ihren immer kürzeren Innovationszyklen
nach immer komplexeren, leistungsfähigeren Werkstoffen. Irgendwann genügt dem
Automobilbau die recycelte Aludose einfach
nicht mehr.
Die Vorkommen versiegen,
die Preise ziehen an
»Rohstoffe intelligenter und effizienter zu
nutzen ist ein elementarer Beitrag zur Sicherung des Industriestandortes Deutschland.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten stärkt
eine hohe Ressourceneffizienz die Industrie
im globalen Wettbewerb«, schreibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung
in seiner Veröffentlichung »Innovative Technologien für Ressourceneffizienz – rohstoffintensive Produktionsprozesse«. Das klingt
noch einigermaßen entspannt, hat aber einen ökonomisch höchst brisanten Hintergrund: Die weltweiten Rohstoffvorkommen
versiegen, zeitgleich steigt die Nachfrage in
Schwellenländern rasant, entsprechend ziehen die Preise an.
Die Welt mag vielleicht ein geschlossener
Kreislauf sein, in dem in Summe nichts verloren geht. Die jährlich rund 60 Milliarden
Tonnen Rohstoffe, die ge- und verbraucht
werden, wechseln allerdings nur zu gerne je
nach Verwendungszweck ihre Aggregatzustände, Reinheitsgrade und ihre Zusammensetzung. Die »Rohstoff-DNA« wird letztlich
Auf die Probe
»Neue Baustoffe
erfordern neue Trenn- und Sortiertechniken, sonst lassen sich die
Rohstoffe nicht mehr zurückgewinnen.« – Prof. Jörg Woidasky
Glas und die Grenzen
bisherigen Recyclings
Glasfaserkabel könnten noch bessere Leiter sein,
würde nicht ein geringer Eisenanteil den Datenfluss bremsen. Die Frage ist: Wie lässt sich das
Metall herausfiltern?
durch Innovation grundlegend verändert:
»In der Automobilbranche werden heute
zum Beispiel für Träger- und Dachstrukturen leichte Hochleistungswerkstoffe zu Hybridbauteilen kombiniert, die übermorgen
zum Recycling anstehen. Solche Hochleistungswerkstoffe erfordern neue Trenn- und
Sortiertechniken. Mit konventionellen Recyclingprozessen werden sich solche Werkstoffe künftig in vielen Fällen nicht mehr
wirtschaftlich sinnvoll zurückgewinnen
lassen«, sagt Prof. Jörg Woidasky, der am
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie in Pfinztal bei Karlsruhe Koordinator
des Projekts »Molecular Sorting for Resource
Efficiency« ist. Ein sogenanntes Übermorgen-Projekt.
Trennung auf der kleinsten,
der molekularen Ebene
Die Fraunhofer-Forscher wollen das konsequente Wiederverwerten und Produzieren
in Kreisläufen vorantreiben und dies – so ihr
Ansatz – ohne den Einsatz neuer Rohstoffe.
Indem Sekundärrohstoffe – also Rohstoffe,
die durch Recycling gewonnen werden –
gleich mehrfach genutzt werden, im Expertenjargon »Kaskadennutzung«, und in den
Produktionsprozess zurückgeführt werden,
lassen sich natürliche Ressourcen in großem
Umfang einsparen. Im Fokus der Wissenschaftler: knappe Metalle sowie mineralische, organische und silikatische Rohstoffe,
die bereits in den Produktionsbetrieben oder
im ersten Aufbereitungsschritt abgetrennt
Glas spielt für künftige Schlüsseltechnologien
eine bedeutende Rolle. Es ist für Solartechnologien, energieeffiziente Häuser, elektronische Anwendungen wie die Display- oder
Beleuchtungstechnik sowie für Informations- und Kommunikationstechnologien
unverzichtbar. In allen diesen Fällen wird ein
Glas mit maximaler Transparenz benötigt, um
eine möglichst hohe Leistung erzielen zu können. Maximale Transparenz bedeutet jedoch
die Verwendung von reinsten Gläsern, sogenanntes Ultra-Weißglas. Zu den Stoffen, die
bereits in geringster Konzentration von weniger als 0,1 Prozent die Transparenz deutlich
senken, gehört das Eisen, eine natürliche
Verunreinigung in den Ausgangsrohstoffen,
aber auch einer der häufigsten Verschmutzer, weswegen bisher im Glasrecycling ein so
genanntes Downcycling vorherrscht: Wertvolles Flachglas wird für die Herstellung von
billigem Behälterglas verwendet. Maximal
ein Fünftel der Alt-Flachgläser wird derzeit
wieder in den Kreislauf der Flachglasproduktion zurückgeführt und dort mit ebenso
teuren wie immer seltener werdenden hochreinen Rohstoffen vermischt.
TÜV SÜD Journal 19
Auf die Probe
Die Nachfrage nach Photovoltaikmodulen wächst, doch das dafür
nötige hochtransparente Glas ist
knapp. Forscher des Fraunhofer-Instituts haben das Problem erkannt.
und in nur wenigen Schritten wieder aufbereitet werden können. »Die Trennprozesse
sollen nun auf der kleinsten erforderlichen,
das heißt bis hinab auf die molekulare Ebene erfolgen. Wir nennen das Molecular
Sorting«, erläutert Woidasky.
Zum Beispiel Glas: Zukunftstechnologien wie die Photovoltaik oder die Solarthermie, aber auch Glasfaserkabel brauchen
mehr als banales Fensterglas. Vollkommen
transparent soll das Glas dafür sein, so
rein wie möglich, damit ein Maximum an
Sonnenenergie eingefangen werden kann
und möglichst viele Informationen schnell
durch die Fasern gehen. Gefragt sind Gläser, die vor allem wenig Eisen enthalten – die
am meisten verbreitete Verunreinigung im
Glas –, weil das schon in geringen Mengen
die Transmission als Maß für die Licht- und
Energiedurchlässigkeit erheblich senkt.
Derzeit wächst die Solarbranche so
schnell, dass weder die natürlichen eisenfrei-
en Rohstoffquellen noch die Recyclingmenge von ausgedienten Photovoltaikmodulen
mit hochtransparenten Gläsern ausreicht,
um den Bedarf der nächsten Jahrzehnte an
hochtransparentem Flachglas zu decken.
Hier, so die Fraunhofer-Forscher, böte sich
Flachglas als Rohstoffquelle an, das bisher
etwa zu billigem Behälterglas weiterverarbeitet wird, aber auch als Ausgangsmaterial
für Spiegel- und Automobilglas Verwendung
findet.
Billiges Flachglas, bei 1.500 Grad veredelt
Das Problem dabei: Der Eisengehalt dieses
Flachglases ist zu hoch. Im Rahmen des
Fraunhofer-Projekts werden derzeit Verfahren entwickelt, über die das Eisen auf
molekularer Ebene vom Glas getrennt sowie verbleibende geringste Eisengehalte so
umgewandelt werden, dass die Transmission nicht beeinträchtigt wird. »Im Prinzip
fischen wir in der Glasschmelze bei rund
1.500 Grad Celsius die Eisenatome heraus«, so Woidasky. Entweder über chemische Prozesse, die die Eigenschaften
des Eisens so verändern, dass es weniger
Licht absorbiert, oder über magnetische
Felder, »das ist aber noch im Laborstadium und daher noch sehr, sehr visionär«,
sagt der Projektleiter. Die hochtransparente Glasscheibe, aus der das Eisen gefischt wurde, soll in etwa drei Jahren als
Modell vorliegen. Übermorgen eben.
Mehr zum Thema Recycling:
www.tuev-sued.de/anlagen_bau_industrietechnik/
technikfelder/umwelttechnik/abfallwirtschaft
1.500
Grad Celsius ist die Temperatur, bei der sich Eisenatome aus geschmolzenem Glas fischen lassen.
20 TÜV SÜD Journal
20 TÜV SÜD Journal
Vor Ort
Menschen:
Dem Wind
auf der Spur
S
eine Erwartungen liegen
hoch, genau gesagt 140
Meter. So weit ragt der
Windmessmast am
Rande des Hessenreuther Waldes
in der Oberpfalz empor. Er ist das
wichtigste Instrument für die aktuellen Forschungsarbeiten von Thomas
Arnold. Mit der Messstation – eine der
höchsten ihrer Art – erhebt der Diplom-Ingenieur der Abteilung Wind Cert Services von
TÜV SÜD Industrie Service Wetterdaten. Sie
bilden die Grundlage für detaillierte Computersimulationen, mit denen der Experte das Ertragspotenzial von Windenergieanlagen in der
Region präzise berechnen kann.
Der Messmast verfügt über acht spezielle
Windmesser, sogenannte Schalenkreuz-Anemometer, die in 10- beziehungsweise 20-Meter-Abständen montiert sind. Sie erfassen die
Windgeschwindigkeiten in unterschiedlichen
Luftschichten – von der Mastspitze bis zu
den Baumwipfeln. Weitere Sensoren messen
Windrichtung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit
und Luftdruck. »Bereits nach einem Jahr haben wir genügend Daten für die Ertragsanalyse«, erklärt Thomas Arnold. „Ein weiteres Jahr
messen wir für Forschungszwecke weiter, um
noch mehr Erkenntnisse über die komplexen
Strömungsverhältnisse in hügeligen und bewaldeten Gebieten zu sammeln – denn hier besteht
noch erheblicher Forschungsbedarf.« So hat
nicht nur die lokale Energie-Initiative Natural
Energy Solutions eine solide Datenbasis für ihren geplanten Windpark, sondern auch Bauvorhaben an anderen Waldstandorten profitieren
von den Ergebnissen.
Thomas Arnold erklimmt
den Windmessmast im bayerischen Städtchen Erbendorf.
Privat bewegt er sich auch
gerne an der frischen Luft –
allerdings lieber beim Joggen.
Mehr Infos zum Thema:
www.tuev-sued.de/windenergie
TÜVSÜD
SÜDJournal
journal 21
21
TÜV
Auf dem Weg
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Das Kompe
Mit hochinnovativen Motoren- und Rollenprüfständen setzt das neue
Technologie- und Umweltzentrum von TÜV Hessen Maßstäbe auf dem
Gebiet der Fahrzeugprüfung und Emissionsmessung.
Text: Thomas Weber
Die Schleuse bietet Tankmöglichkeiten für Benzin, Diesel,
Autogas (LPG), Erdgas (CNG)
und Strom für E-Fahrzeuge.
Der Rollenprüfstand 1 ist achsweise
angetrieben. Er kommt für Emissions-,
Verbrauchs- und Konditionierfahrten
zum Einsatz.
Der Rollenprüfstand 2 »Advanced«
treibt jedes Rad einzeln an. Mit Windmaschine und Computern lassen sich
so reale Fahrsituationen simulieren.
Im Leitstand werden die Messungen auf den Rollen- und Motorenprüfständen überwacht und ausgewertet.
Das Kalibrierlabor beherbergt eine
Waage, mit der das Gewicht von Partikeln aufs Mikrogramm genau bestimmt
werden kann.
S
eit November vergangenen Jahres ist es in Betrieb: das
neue Technologie- und Umweltzentrum (TUZ) von
TÜV Hessen. Es bietet Automobil- und Motorenherstellern sowie Zulieferern und Nachrüstern eine einzigartige
Bandbreite an Leistungen in den Bereichen Fahrzeugprüfung und
Emissionsmessung. Dabei sind die hochmodernen Prüfstände und
Testeinrichtungen des TUZ nicht nur für alle Gegenwarts-, sondern
auch für Zukunftstechnologien gerüstet – egal ob Hybrid- oder Elektroantrieb, ob Batterie oder Brennstoffzelle als Stromlieferant, ob
Diesel oder Autogas als Kraftstoff.
Die Straße auf den Prüfstand bringen
Standort des zur Division Automotive von TÜV SÜD gehörenden
Testcenters ist Pfungstadt, mitten in der Metropolregion Rhein22 TÜV SÜD Journal
Main, die für die internationale Automobil- und Zulieferbranche
ein Standort von zentraler Bedeutung ist. »Vor allem unser Rollenprüfstand Advanced mit vier einzeln angetriebenen Rollen für
alle Fahrzeuge mit bis zu 3,5 Tonnen Gewicht ist ein Magnet für
internationale Kunden«, sagt Ottmar Degrell, Leiter des TUZ. Mit
diesem Prüfstand sei es möglich, Kraftstoffverbrauch und CO2Emissionen realistischer zu messen als mit jedem anderen Prüfverfahren bisher. »Wir bringen quasi die Straße auf den Prüfstand«,
erklärt Degrell. »Möglich wird dies, indem wir eine virtuelle Umgebung in die Steuerung des Prüfstands einbinden. Mit für jedes Rad
einzeln angetriebenen Rollen lassen sich Geschwindigkeiten bis zu
260 km/h und alle Fahrsituationen wirklichkeitsgetreu simulieren,
von Kurven- bis zu Berg- und Talfahrten. Das hat es bisher weltweit
so nicht gegeben.«
Auf dem Weg
tenzzentrum
Das Herz des Technologie- und Umweltzentrums in
Pfungstadt ist das Testcenter. Die Illustration zeigt, was
sich hinter dessen neun Toren verbirgt.
Der Motorenprüfstand 1 »Heavy Duty«
eignet sich insbesondere für Motoren
von Nutzfahrzeugen und mobilen Maschinen mit bis zu 660 kW Leistung.
Der Motorenprüfstand 2 ist für die Prüfung von Nutzfahrzeugmotoren ausgelegt. In einem separaten Raum dahinter
sind Kraftstoffpumpen untergebracht.
Die Shed-Kammer ist hermetisch abgeriegelt und dient zur Messung von
Verdunstungsemissionen, die bei warm
gefahrenen Fahrzeugen entstehen.
Der Werkstattbereich mit Werkbänken, Schweißplatz
und Hebebühnen dient der Vorbereitung von Fahrzeugen, Motoren und Bauteilen für nachfolgende Messungen und Prüfungen.
Profis für stationäre und mobile Emissionsmessungen
Ebenfalls Maßstäbe setzt das TUZ bei der stationären Motorenmessung: Sogenannte Heavy-Duty-Motoren mit bis zu 660 Kilowatt
Leistung können dort getestet werden. Sie kommen typischerweise
in Lkws, Land- und Baumaschinen vor. Prüfstände in dieser Leistungsklasse gibt es selten. Die dazugehörige Mess- und Auswertetechnik ermöglicht die Überprüfung, Weiterentwicklung und Zertifizierung von Motoren nach weltweiten Standards.
Aber auch sogenannte In-Use-Messungen werden vom TUZ angeboten. Das sind Abgas- und Verbrauchsmessungen während des
Betriebs von Fahrzeugen und mobilen Maschinen. Damit sind das
TUZ und seine Kunden bestens auf gesetzliche Anforderungen der
Zukunft vorbereitet. So ist von der EU-Kommission bereits geplant,
dass Fahrzeuge und Maschinen auch während ihrer Lebensdauer ei-
ner regelmäßigen Überwachung im Realbetrieb – zum Beispiel beim
Pflügen, Mähen, Baggern – unterzogen werden müssen. »Die mobile
Emissionsmessung, alternative Antriebe und der Bereich Nutzfahrzeuge sind ganz klar die Schwerpunkte des TUZ. Es ergänzt damit
perfekt das Labornetzwerk von TÜV SÜD, das sich bisher vor allem
auf Pkws konzentriert hat mit den Anlagen in Heimsheim und Prag
als Speerspitze in Richtung Osteuropa«, fasst Degrell zusammen. »Gemeinsam sind wir bestens aufgestellt, um alle Bedürfnisse des weltweiten Markts zu bedienen.«
Mehr Infos zum Technologie- und Umweltzentrum in Pfungstadt:
www.tuev-hessen.de/tuz
TÜV SÜD Journal 23
Auf dem Weg
Freude
am Führen
Verträgt sich Familie mit Führungsverantwortung? Ja, sagt Dr. Christine Bortenlänger,
geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts und Aufsichtsratsmitglied von TÜV SÜD.
Weil nirgendwo so viel gefördert und gefordert wird wie im Umgang mit Kindern, könne Familie sogar
eine wichtige »Zusatzqualifikation« für das Lenken und Entwickeln von Mitarbeitern sein.
Interview: Jörg Riedle & Timour Chafik
Fotos: Enno Kapitza
Frau Dr. Bortenlänger, führen Frauen
anders als Männer?
Ja, manches können Frauen besser, manches
Männer. Frauen fällt es beispielsweise eher
auf, wenn Inhalte – zum Beispiel in Präsentationen – nicht überzeugen. Männer hingegen
fällen Entscheidungen oft schneller, während
Frauen alle überzeugen und ins Boot holen
wollen. Eine gute Führungsperson muss sich
aber gelegentlich in den eiskalten Wind stellen und einfach machen. Die schlechtesten
sind die, die nicht entscheiden, ganz egal, ob
Mann oder Frau.
Wie kalt war der Wind, als Sie im Alter von 31 Jahren zunächst stellvertretende Geschäftsführerin der Bayerischen Börse in München wurden?
Der war nicht kalt. Oder er kam mir nicht kalt
vor. Ich habe mir auch nie die Frage gestellt,
24 TÜV SÜD Journal
ob ich den Job als Frau und Mutter eines
damals 10-jährigen Sohnes bekomme oder
nicht. Zugegeben, ich habe rückblickend einen gehörigen Respekt vor der Entscheidung,
mich in so jungen Jahren für eine leitende
Position an die Börse zu holen. Aber ich hatte
zu einem Börsenthema promoviert, eine abgeschlossene Banklehre, ein BWL-Studium,
Berufserfahrung. Und ich war Mutter – da
hat alles gepasst, ich war einfach die Richtige!
Wurde die Richtige auch richtig bezahlt?
Im Endeffekt schon, ja.
Das heißt?
Als ich meine erste Gehaltsvorstellung genannt hatte, blickte ich in erstaunte Gesichter. Aber statt in zähe Verhandlungsrunden
einzusteigen, habe ich angeboten: Zahlt mir
doch einfach das Einstiegsgehalt meines Kollegen in der Geschäftsführung. Am Ende bekam ich mehr, als ich gefordert hatte.
Müssen Frauen also rücksichtsloser
werden?
Nicht rücksichtsloser, aber informierter. Das
fängt zum Beispiel damit an, sich intensiver
über Gehälter auszutauschen. Und es endet
damit, sich mehr zuzutrauen. Ein einfaches
Beispiel: Einem Mann und einer Frau – beide Führungskräfte – wird ein Posten im Aufsichtsrat eines großen Chemiekonzerns angeboten. Der Mann sieht das als Riesenchance,
die Frau sagt eher: »Chemie? Ich weiß nicht,
ob ich dafür die Richtige bin.« Oder ganz
banal bei Dienstwagen: Der Mann nimmt
immer die größtmögliche Fahrzeugklasse,
die Frau ist da bescheidener. Eine falsche Bescheidenheit, wie ich finde – ich kann nicht in
Auf dem Weg
Christine Bortenlänger ist jung
in der obersten Führungsetage
angekommen. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in München. Nach Stationen in der
Bayern LB und einer Unternehmensberatung wurde sie 1998
in die Geschäftsführung der
Bayerischen Börse berufen.
TÜV SÜD Journal 25
Auf dem Weg
einem niedlichen Kleinwagen in mein Zweierbüro fahren und Chef sein. Noch nicht.
Wie können Unternehmen dabei unterstützen?
Indem sie den Frauen mehr Verantwortung geben – klingt einfach, ist aber doch
manchmal sehr schwer. Denn es gilt immer
noch häufig das Prinzip »Gleich und Gleich
gesellt sich gern«. Das bedeutet: Der Abteilungsleiter, der einen Nachfolger sucht, findet instinktiv die Person, die ihm möglichst
ähnlich ist – also in der Regel einen Mann.
So sind Menschen eben, das ist keineswegs
verwerflich, aber Unternehmen müssen
Instrumente schaffen, die diese Strukturen
durchbrechen.
26 TÜV SÜD Journal
Zum Beispiel?
Schon in den Zielvereinbarungen fixieren, dass
ein bestimmter Anteil an Frauen Führung
übernehmen soll – natürlich immer abhängig
davon, wie groß das Potenzial im Unternehmen ist. Außerdem sollten Unternehmen schon
frühzeitig Aufmerksamkeit und damit eine
Sensibilisierung für technische, naturwissenschaftliche und mathematische Berufe
schaffen. Dazu braucht es weibliche Vorbilder,
die an der Unternehmensspitze Verantwortung übernehmen und Führung vorleben.
Und es braucht Frauen, so Ihre These, die früher Kinder bekommen.
Das ist zumindest meine Empfehlung, aus eigener Erfahrung. Wer jung ist und studiert,
hat es einfacher als jemand, der in seinem
zweiten Job steckt und Arbeitszeiten hat, die
auch einmal ein wenig länger sind. Ob Sie eine
Vorlesung an der Uni ausfallen lassen, weil Ihr
Kind krank ist, ist dem Professor letztlich egal.
Wenn hingegen das wichtige Meeting wegen
Windpocken platzt, hängt einfach mehr dran:
die Kollegen, das Projekt – schlichtweg der Job.
Andererseits sagen Sie, dass der
Faktor Familie auch ein Einstellungskriterium sein kann?
Mehr noch: Ich glaube, Familie kann sogar
eine Qualifikation für eine Führungsaufgabe
sein. Denn typischerweise machen Kinder
oft etwas, was sich im Vorfeld nicht wirklich
planen lässt, woraus sich eine Flexibilität und
Auf dem Weg
»Heute wird viel partizipativer geführt als früher. Der
Teamgedanke
ist in den Vordergrund gerückt. Manchmal wird es aber
mit der Teilhabe am Führen auch übertrieben.«
Christine Bortenlänger
Souveränität ergeben kann, die auch in der
Mitarbeiterführung hilfreich ist.
Wird es also irgendwann Familienmütter
und -väter in Teilzeit geben, die dem Vorstand eines Unternehmens vorsitzen?
Das wäre schön, passt meiner Meinung nach
aber nicht zusammen. Ja, Familie und Führung
haben viele Gemeinsamkeiten – das Prinzip
Fördern und Fordern, eine klare Kommunikation, manchmal auch Strenge. Aber Familie
und Führung brauchen auch Präsenz. Und
hier kann ab einer gewissen unternehmerischen Ebene nur erfolgreich geführt werden,
wenn das Team weiß, dass die Führungsperson anwesend, zumindest aber ansprechbar
ist. Es gibt Führungspositionen, die in Teilzeit
funktionieren, mit steigender Verantwortung
steigt aber auch die »Präsenzpflicht«. Hier
habe ich auch mit meinem Team und den
Teilzeitkräften noch keine dauerhafte Alternative gefunden. Was ich sehr bedauere!
Sie arbeiten seit zwölf Jahren in
Führungspositionen. Wie hat sich
das Führen in der Zeit verändert?
Der Teamgedanke ist immer mehr in den
Vordergrund gerückt, es wird heute viel partizipativer geführt. Manchmal wird es aber
mit der Teilhabe am Führen auch übertrieben. Es gibt einfach Situationen, in denen
ich von meinen Mitarbeitern erwarte, dass
sie meine Entscheidungen mittragen. Das
macht am Ende eine gute Führungskraft aus.
»Das schöne Gesicht von Baisse und Hausse«
oder »Bestaunt wie ein Wesen aus einer anderen Galaxie«: Als Dr. Christine Bortenlänger,
46, zur Jahrtausendwende den Chefposten
der Bayerischen Börse in München übernahm,
war das Medienecho so bild- wie klischeehaft.
Und überhaupt: diese ewigen Frauenfragen.
»Unnötig« findet sie die, beantwortet sie im
Interview aber dennoch.
Ihre Grundeinstellung? »Wir brauchen eine
andere, eine neue Toleranz gegenüber neuen
Lebensentwürfen.« Es müsse akzeptiert werden, dass Paare sich entscheiden, Kinder zu
bekommen, und beide arbeiten. Dass einer
von beiden zu Hause bleibt oder beide Teilzeit
arbeiten. Dass jemand überhaupt keine Kinder möchte. »Lebensentwürfe, für die dann
aber auch jeder Einzelne die Verantwortung
tragen muss«, sagt sie. Seit dem 1. Juli 2012
ist Bortenlänger geschäftsführender Vorstand
des Deutschen Aktieninstituts, seit Mai 2011
Mitglied des Aufsichtsrats von TÜV SÜD.
Mehr Infos zum Thema:
www.tuev-sued.de/akademie_de/seminare_management
TÜV SÜD Journal 27
Auf den Punkt
AUF DEN
PU N K T
EIN CT
#28 WIE
NIERT
FUNKTIO
EBER
#30 RATG
SPORT
WINTER
Vorsorge
in 3-D
Text: Hendrik Nölle
Jährlich sterben Tausende Menschen an Darmkrebs, dennoch meiden viele die wichtige Vorsorgeuntersuchung – oft aus reiner Angst vor einer
Darmspiegelung. Die Computertomografie gilt
als weniger abschreckende Alternative. Aber
wie funktioniert diese Technik eigentlich?
28 TÜV SÜD Journal
Auf den Punkt
D
as Virtuelle wird mehr und mehr Realität:
Um den menschlichen Darm von innen zu
untersuchen, war lange Zeit das Endoskop
das Mittel der Wahl. Inzwischen hat sich die
sogenannte virtuelle Darmspiegelung zur Alternative
entwickelt. Dafür muss der Arzt dem Patienten weder
eine Narkose verpassen noch einen dünnen Schlauch
mit Mini-Kamera einführen. Stattdessen kommen
Röntgenstrahlen in Verbindung mit modernster Computertechnik zum Einsatz – die Computertomografie
(CT). Bei dieser Methode entstehen zahlreiche feine
Schichtbilder des Darms, die zu einer dreidimensionalen Ansicht verrechnet werden. Das Ziel der CT ist
dabei dasselbe wie das der herkömmlichen Spiegelung:
Polypen aufzuspüren, kleine Wucherungen aus der
Darmschleimhaut. Mit zunehmender Größe können
sie zu gefährlichen Tumoren heranwachsen. Durch das
Entfernen verringert sich das Darmkrebsrisiko Studien
zufolge um etwa 50 Prozent.
Perspektivische Darstellung bis ins Detail
Ein Computertomograf besteht aus einer oder mehreren
parallelen Röntgenröhren und Empfangsdetektoren, die
sich sehr schnell um den Patienten drehen, während er
auf einer Liege langsam durch das ringförmige Gehäuse
des Geräts geschoben wird. Die Röntgenröhre erzeugt
einen gefächerten Strahl, der den Körper durchdringt
und durch die Gewebestrukturen unterschiedlich stark
abgeschwächt wird. Die Detektoren empfangen die verschieden starken Signale und leiten sie an einen Computer weiter, der daraus Schichtbilder des Körpers erstellt
und sie zu einer 3-D-Darstellung zusammensetzt. Bei
modernen Geräten rotiert das Detektorsystem mehrmals pro Sekunde um den Patienten. So lässt sich der zu
untersuchende Bereich bis ins kleinste Detail erfassen.
Parallele Röhren vermindern die Untersuchungszeit.
Die ersten Computertomografen standen bereits
1972 zur Verfügung. Dass sie erst seit Kurzem für
Darmuntersuchungen verwendet werden, liegt an
der Risikoabwägung, die sich inzwischen verändert
hat: Während statistisch gesehen bei jeder 10.000. endoskopischen Spiegelung ungewollt die Darmwand
durchstochen wird, besteht bei der CT eine Gefahr für
den Patienten durch frei werdende Röntgenstrahlung.
»Bei modernen Geräten tritt allerdings nur noch eine
Strahlenbelastung auf, die weniger als die natürliche
jährliche Strahlendosis beträgt«, sagt Prof. Dr. Michael
Früherkennung hilft
Leben retten
Darmkrebs kann jeden treffen. Wird die Erkrankung frühzeitig entdeckt, kann sie in der
Regel vollständig geheilt werden. Dennoch
ist Darmkrebs eine der häufigsten Krebstodesursachen. Ein Grund dafür ist, dass der
Darmkrebs und seine Vorstufen lange keine
Symptome verursachen. Erste Anzeichen
werden zudem leicht mit anderen, harmloseren Krankheiten verwechselt.
Stuhlbluttest und Darmspiegelung
Um Darmkrebs frühzeitig zu erkennen, werden in der Regel zuerst ein Stuhlbluttest und
später eine Darmspiegelung durchgeführt.
Mit einem Stuhlbluttest wird der Stuhl auf
verdecktes Blut getestet. Im Falle eines positiven Ergebnisses ist eine Darmspiegelung zur
Abklärung der Ursache notwendig. Mit diesem Verfahren können Polypen und Krebsgewebe mit hoher Sicherheit erkannt und auch
rechtzeitig entfernt werden. Deshalb rät
Arbeitsmediziner Dr. Rumen Alexandrov von
TÜV SÜD jedem Unternehmen, Aufklärung
rund um das Thema Darmkrebs und das Angebot von Stuhlbluttests in ihr betriebliches
Gesundheitskonzept zu integrieren.
Uder, Direktor des Radiologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen. Das bestätigt auch Dr.
Patrik Rogalla, Radiologieprofessor an der Universität Toronto, und weist darauf hin, dass die Genauigkeit beider Methoden ähnlich gut sei: »Ab einer Polypengröße von zehn Millimetern erzielt die virtuelle
Technik ebenso wie die optische eine Trefferquote
von rund 90 Prozent.« Einen Vorteil der virtuellen
Spiegelung sieht er allerdings darin, dass im Gegensatz zur herkömmlichen Methode Vorder- und
Rückseite einer Darmfalte gleich gut zu erkennen
sind. Zudem gibt er der Computertomografie bei
starken Darmverengungen den Vorzug.
Mehr zum Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement:
www.tuev-sued.de/arbeitsmedizin_sicherheit_gesundheit
TÜV SÜD Journal 29
Auf den Punkt
Ratgeber:
Wintersport
Ob in den Alpen, den Rocky Mountains oder ganz exotisch im nordafrikanischen
Atlas-Gebirge: Jetzt ist die Zeit für Ski-, Snowboard- und Rodelspaß. Fünf Tipps,
damit das Vergnügen im leuchtend weißen Schnee stets ungetrübt bleibt.
1
Niemals oben ohne!
Bei einem Sturz beugt ein Helm schweren Verletzungen vor – allerdings nur, wenn er nicht zu
locker sitzt. Er darf weder wackeln noch verrutschen, wenn man mit geöffnetem Kinnband den
Kopf schüttelt.
3
Drum prüfe, wer
sich bindet …
Vor jeder Saison die Skibindung von einem Profi kontrollieren lassen: Nur wenn sie
optimal auf Gewicht, Größe,
Fahrstil, Alter und Schuhsohlenlänge eingestellt ist, bietet
sie ausreichend Sicherheit.
2 Rücksicht auf
den Rücken
Ein Protektor schützt die Wirbelsäule sowie den Schulter- und
Snowboards haben im Gegensatz
Lendenbereich. Bei der Anpro-
zu Skiern keine Bindung, die sich bei
einem Sturz automatisch öffnet. Umso
mehr gilt es, Bänderdehnungen oder
Muskelzerrungen schon vor der Saison
durch Gymnastik vorzubeugen.
be darauf achten, dass er die
Bewegungsfreiheit nicht
zu sehr einschränkt. Wichtig: den Hüftgurt ausreichend festziehen, damit
der Protektor bei einem
Aufprall nicht verrutscht!
4
Das Zwiebelschalen-Prinzip
Mit Wintersportkleidung in mehreren dünnen Schichten
ist man für jedes Wetter optimal gerüstet. Funktionsunterwäsche, die den Körper trocken und warm hält, gehört
ebenso dazu wie eine wind- und wasserabweisende Jacke
und Hose. Als Zwischenlage eignen sich Materialien wie
Fleece und Merinowolle, die besonders atmungsaktiv sind.
30 TÜV SÜD Journal
5
Wachsamer Blick
Skibrillen verbessern nicht nur die Sicht
bei schlechtem Wetter, sondern schützen
die Augen auch vor UV-Strahlen.
Mehr Infos zum Thema:
www.tuev-sued.de/industrie-konsumprodukte/
branchenloesungen/sportgeraete-schutzausruestung
Akademie | Termine
Training-Tipps
TÜV SÜD Akademie
In jeder Ausgabe des TÜV SÜD Journals stellen wir Ihnen
eine ausgewählte Seminarreihe vor. Diesmal zum Thema:
Fortbildung zum Betrieblichen Präventionsund Gesundheitsmanager – TÜV
Gesunde und motivierte Mitarbeiter sind der Motor eines jeden
Unternehmens, und planvolles Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist das Öl, das ihn am Laufen hält. Zudem senkt
es die Kosten, die beispielsweise durch Fehltage entstehen.
Betriebliche Präventions- und Gesundheitsmanager sind in der
Lage, eine übergreifende und präventiv wirkende Gesundheitsstrategie und ein passendes Portfolio an Gesundheitsangeboten
auszuarbeiten, um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu stärken. Mit modernen Analyse-Tools ermitteln sie den Status der
BGM-Maßnahmen und optimieren sie durch nachhaltiges Qualitätsmanagement. Die Ausbildung besteht aus vier Modulen:
Modul 1: Nutzen, Trends und rechtliche Grundlagen
02/03/04
KALENDER
Auf folgenden Messen, Kongressen und Veranstaltungen können Sie TÜV SÜD live erleben.
Unsere Expertenteams freuen sich auf Ihren Besuch.
Mehr Infos zu den Terminen: www.tuev-sued.de/konzernevents
Februar
IMOT, München, 15.–17.02.
Wind und Energie, Ulm, 20.–21.02.
MedTech Europe, Stuttgart, 26.–28.02.
Facility Management, Frankfurt am Main, 26.–28.02.
intec, Leipzig, 26.02.–01.03.
Modul 2:Ziele, Strategien und Organisationsaufbau
Modul 3:Bedarfsanalyse, moderne Instrumente und Methoden
Modul 4: Messbarkeit, Kommunikation und Motivation
März
Die Module können einzeln (je 2 Tage) oder als Gesamtkurs (8 Tage)
gebucht werden. Termine mit Startmöglichkeit während des ganzen Jahres finden an Standorten im gesamten Bundesgebiet statt.
EMV, Stuttgart, 05.–07.03.
Weitere Informationen zu den Seminaren und freie Termine im
Internet unter: www.tuev-sued.de/akademie/bgm
birgit.klusmeier@tuev-sued.de
MIPIM, Cannes, 12.–15.03.
Impressum
Retro Classics, Stuttgart, 07.–10.03.
Internationaler Autosalon, Genf, 07.–17.03.
netinforum, Erfurt, 13.–14.03.
medical.device.forum, München, 13.–14.03.
eltefa, Stuttgart, 20.–22.03.
smart.grids.forum, München, 21.–22.03.
Herausgeber: TÜV SÜD AG, Westendstraße 199, 80686 München
Inhaber: TÜV SÜD e.V. (74,9 %), TÜV SÜD Stiftung (25,1 %), Westendstraße 199, 80686 München
Leiter Unternehmenskommunikation: Matthias Andreesen Viegas
Projektleitung & Chefredakteur: Jörg Riedle
Kontakt: +49 (0)89 5791-0, info@tuev-sued.de
Realisation: Medienfabrik Gütersloh GmbH, Neumarkter Straße 22, 81673 München
Druck: Eberl Print GmbH, Kirchplatz 6, 87509 Immenstadt
Fotonachweis: Ben Watkins (16), Corbis (12, 18, 19, 20, 28, 29, 30, 36), Deutsche Bahn (13),
Enno Kapitza (24, 25, 26, 27), Jan Scheutzow (1, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 11), Prinoth (4, 5), TÜV SÜD (2,
14, 15, 21, 32, 33); Illustration (34, 35): LULU*, Infografik (22, 23): Mo Büdinger
Das TÜV SÜD Journal erscheint vierteljährlich. Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind
urheberrechtlich geschützt. Das TÜV SÜD Journal wird klimaneutral auf einem Papier aus
nachhaltiger Holzwirtschaft gedruckt.
April
Hannover Messe, Hannover, 08.–13.04.
Interalpin, Innsbruck, 10.–12.04.
Personal Süd, Stuttgart, 23.–24.04.
klimaneutral
safe.tech, München, 24.–25.04.
natureOffice.com | DE-141-646401
gedruckt
TÜV SÜD Journal 31
5 Minuten
Sercura aus Hongkong ist Teil
der TÜV SÜD Gruppe
Umweltmesstechnik an neuem
Standort in Garching
Nachhaltiges Wachstum für
Chinas Wirtschaft
China ist das bedeutendste Herstellerland für Verbraucherprodukte – und TÜV SÜD hat seine Aktivitäten vor Ort jetzt
deutlich gestärkt. Seit Herbst 2012 gehört das Unternehmen
Sercura mit Sitz in Hongkong zu TÜV SÜD. Die neue Tochtergesellschaft ist auf die Durchführung von Pre-ShipmentInspektionen und Fertigungsstätten-Audits spezialisiert.
Sercura beschäftigt über 200 Mitarbeiter in 17 Ländern.
Neue Labore für die Abteilung Umweltmesstechnik von
TÜV SÜD: Das komplette Leistungsspektrum rund um Kalibrierungen, Emissions-, Immissions- und Feinstaubmessungen sowie Schadstoff- und Geruchsmessungen werden künftig vom TÜV SÜD-Prüfzentrum in Garching bei München aus
erbracht. Eine Besonderheit: TÜV SÜD testet auch neue Messgeräte, die dann vom Umweltbundesamt zugelassen werden.
China schickt sich an, in den nächsten Jahren die größte
Volkswirtschaft der Welt zu werden – und sorgt sich zunehmend, wie das Wachstum ressourcenschonend gestaltet werden kann. In einem mehrtägigen Forum diskutierte TÜV SÜD
in Peking mit Experten aus der Region zum Thema. TÜV SÜDVorstandsvorsitzender Dr. Axel Stepken: »Energieeffizienz
hat weltweit bei Entscheidungsträgern Top-Priorität.«
misha.lu@tuv-sud.tw
norbert.ullrich@tuev-sued.de
haiyan.wang@tuv-sud.cn
Kompetenzzentrum für Airbags in Tschechien
Mit einem neuen Labor zum Test von
Airbags erweitert TÜV SÜD seine Kompetenzen rund um die Sicherheit von Autos.
Das neue Kompetenzzentrum in Nymburk
rund 40 Kilometer nordöstlich von Prag ist
mit modernster Technik, unter anderem
für Tests in Klimakammern, ausgestattet. Im Labor werden »Schusstests« aller
gängigen Airbagtypen durchgeführt. Mit
der neuen, unabhängigen Testeinrichtung
reagiert TÜV SÜD auf die Anforderungen
des Marktes: Komponententests werden
für Automobilhersteller und ihre Zulieferer immer wichtiger. TÜV SÜD verfügt
über enormes Fachwissen in puncto Tests
von Airbags. Bereits 2004 eröffnete ein
entsprechendes Labor in Mladá Boleslav.
»Unser neues Testcenter ist die logische
Weiterentwicklung unseres Engagements
in diesem Bereich und die Antwort auf
die Bedürfnisse des Marktes«, sagt Jiří
Socha, Geschäftsführer der Division Automotive von TÜV SÜD Czech.
jiri.socha@tuv-sud.cz
32 TÜV SÜD Journal
5
Bei Winterreifen nicht nur
auf das neue Reifenlabel vertrauen
Käufer von Haushaltgeräten kennen das Energieeffizienz-Label schon länger. Seit
Ende 2012 ist nun eine ähnliche Kennzeichnung für Autoreifen Pflicht. Das europaweite
Reifenlabel gibt dem Pkw-Fahrer drei Basisinformationen: Die Angaben zum Rollwiderstand bewegen sich zwischen der Bestnote A bis zum schlechtesten Wert G. Für
den Bremsweg auf nasser Straße gilt die Klassifizierung A bis F. Die Geräuschemission
symbolisieren ein bis drei Schallwellen – je
mehr, desto lauter ist der Pneu. Allerdings:
Während für Sommerreifen die Kriterien des
Reifenlabels sehr gut passen, ist dies bei den
Modellen für den Winter nicht der Fall. »Die
Eignung für Eis und Schnee erkennt man am
nach bis zu
besten am Schneeflockensymbol«, sagt MiKriterien bewerten die Experten
chael Staude, Reifenexperte von TÜV SÜD.
von TÜV SÜD einen Reifen.
Ist dieses Zeichen in das Gummi einvulkanisiert, hat der Reifen in einem festgelegten
Testverfahren eine entsprechende Winterperformance nachgewiesen. Zusätzliche
hilfreiche Orientierung bieten Reifentests von Automobilclubs, Fachzeitschriften und
Verbraucherschutzorganisationen.
30
michael.staude@tuev-sued.de
5 Minuten
Nachhaltigkeit von Gebäuden
Das Zertifikat TÜV SÜD SCoRE (Sustainability Certification
of Real Estate) fasst energetische Aspekte, das Gebäude- fünf module mit
konzept, die Wasser-, Abwasser- und Abfallsituation, mögliche Altlastenrisiken sowie Standortfaktoren und grundstücksspezifische Kriterien von Gebäuden zusammen und
bewertet diese. Ein unschätzbarer Vorteil für Betreiber von
Immobilien: Denn Nachhaltigkeit auch im Sinne einer langfristigen Vermarktbarkeit lässt sich nicht nur durch eine hö- einzelnen Kriterien bilden die
here Energieeffizienz begründen. Weitere zentrale Faktoren fundierte Grundlage für die
für die Gesamtkosten über die Lebensdauer sind die Quali- Nachhaltigkeitseinschätzung
tät der verwendeten Baustoffe und die Umweltqualität des
Baugrunds. Aktueller Träger des TÜV SÜD SCoRE-Siegels nach TÜV SÜD SCoRE.
in Gold: das Wissenschafts- und Technologiezentrum VTP
Roztoky in der Nähe von Prag. In dem viergeschossigen Neubau sind auf einer Gesamtfläche von 4.200
Quadratmetern mehrere Testlabore für Motoren, Fahrzeuge und Getriebe sowie Büroräume angesiedelt.
150
pavel.zinburg@tuv-sud.cz
Minuten
mit TÜV SÜD
GreenFleet Award prämiert
effiziente Flotten
Für mehr Energieeffizienz und weniger CO2
kommen in Flotten immer häufiger Gas-,
Hybrid- oder Elektroantriebe zum Einsatz.
Das zeigen die Gewinner des aktuellen
GreenFleet Award, der von der TÜV SÜDTochter FleetCompany vergeben wurde.
Ein Gewinner: der Flughafen Hamburg, der
bis zum Jahr 2020 alle seine Fahrzeuge auf
alternative Antriebe umstellen will. Auch
die UniCreditbank-HypoVereinsbank und
Globetrotter Ausrüstung Denart & Lechhart
überzeugten die Jury. Sie setzen auf eine
Deckelung des CO2-Ausstoßes bei ihren
Flotten – entweder pro Kilometer oder als
Jahresgesamtausstoß.
roland.vogt@fleetcompany.de
Kompetenz für die Schiene
Mit der Übernahme der isar Independent Safety Assessment
for Railway Signalling GmbH, Braunschweig, stärkt TÜV SÜD
weiter seine Dienstleistungen zur Beratung, Prüfung und Zertifizierung von Nahverkehrsprojekten in Metropolregionen weltweit. »Wir bauen damit unser Portfolio zu Verkehrsprojekten in
Metropolregionen weiter aus und können als Partner bei TurnKey-Projekten große Systemhäuser noch besser unterstützen«,
sagt Klaus Bosch, Leiter der Division Rail von TÜV SÜD. Die
Leistungspalette reicht dabei von Plan- und Abnahmeprüfungen bis hin zur Zertifizierung von Komplettsystemen. Die isar
GmbH bringt gerade im Bereich Metro- und Stadtbahnen große Erfahrungen ein, begleitet seit 15 Jahren global komplexe
Projekte in diesem Bereich. Asien mit seinem hohen Bedarf
an Nahverkehrsprojekten auf der Schiene zählt für TÜV SÜD
zu einem Schlüsselmarkt. Wie schon mit der Übernahme der
MetroSolutions, Hongkong, im Frühsommer ergibt sich für
TÜV SÜD Rail nicht nur eine Stärkung für das Geschäft in
Asien – sondern die Komplettierung des Portfolios bringt neue
Impulse für die Aktivitäten von TÜV SÜD weltweit.
Arbeits- und Gesundheitsschutz
für Unternehmen
TÜV SÜD hat seine Dienstleistungen für Arbeits- und
Gesundheitsschutz neu aufgevon Gesundheitsleistungen stellt. Ab sofort bieten interdisbedeutet: Konzentration auf ziplinäre Expertenteams aus Medizinern, Arbeitspsychologen,
Kernkompetenzen.
Sicherheitsingenieuren und Assistenzen ihre Dienstleistungen
gebündelt für Betriebe an. Unternehmen aller Größen können die Dienstleistung im Baukastenprinzip buchen und so individuell, ganzheitlich
und kompetent auf die aktuellen Herausforderungen im Arbeits- und
Gesundheitsschutz reagieren. Dadurch können sich Unternehmen auf
ihre Kernkompetenzen konzentrieren, ihre Effizienz steigern und mit
einem kompetenten Partner gleichzeitig eine individuelle und flexible
Gesundheitsvorsorge für ihre Mitarbeiter anbieten. Infos gibt’s im Internet unter: www.tuev-sued.de/zag
Outsourcing
klaus.bosch@tuev-sued.de
juliana.quaranta-hoeflin@tuev-sued.de
TÜV SÜD Journal 33
Zu guter Letzt
Hände we
34 TÜV SÜD Journal
Zu guter Letzt
g vom Steuer!
Las Vegas ist um eine Attraktion reicher: Auf den Straßen der USMetropole sind selbstfahrende Autos unterwegs – im Testbetrieb.
B
eim Autofahren Zeitung lesen oder noch kurz ein
Nickerchen machen, bevor man im Büro angekommen ist: Das könnte bald schon möglich sein, zumindest wenn es nach Google geht. Wissenschaftler
und Ingenieure des Internetunternehmens arbeiten am »SelfDriving Car«, an einem Auto, bei dem der Fahrer kaum mehr
etwas zu tun hat – nur einsteigen, Ziel eingeben, Route auswählen. Den Rest erledigt das Fahrzeug. Auf dem Dach und rund
um die Karosserie befinden sich Radarsensoren, Laser und Kameras, die Tempolimits, rote Ampeln und Hindernisse
erkennen. Ununterbrochen scannen sie den Verkehr.
Im Kofferraum rechnet ein Computer die gesammelten Informationen in Fahrbefehle um. Wie von
Geisterhand dreht sich schließlich das Lenkrad,
gibt der Wagen Gas, bremst oder blinkt.
Die ersten dieser Roboterautos sind zu Testzwecken schon auf öffentlichen Straßen in den
USA unterwegs. Der Fahrer kann bei den umgebauten Serienwagen jederzeit die Kontrolle
übernehmen. Laut Google habe die Flotte in Kalifornien, Florida sowie in und um Las Vegas bereits mehr als 500.000 Kilometer zurückgelegt, rund
80.000 davon ohne jegliches menschliche Eingreifen. Ein
Anteil, der darauf schließen lässt, dass die Computersteuerung
noch Mängel zeigt. Google-Chefingenieur Chris Urmson sagt
zwar, dass sie noch nie einen Unfall verursacht habe, räumt
aber ein: »Die selbstfahrenden Autos müssen noch lernen, auf
schneebedeckten Straßen zurechtzukommen und Situationen
wie vorübergehende Baustellen zu meistern.«
Das Ziel, den Straßenverkehr mit dem »Self-Driving Car«
sicherer zu machen, scheint also noch fern zu sein. »Bis die
Fahrzeuge so ausgereift sind, dass sie wirklich autonom am
Straßenverkehr teilnehmen können, wird es
wohl noch etwa zehn Jahre dauern«, meint
Raúl Rojas, der als Professor für künstliche Intelligenz an der Freien Universität Berlin ebenfalls an einem
selbstfahrenden Auto arbeitet.
Halb so wild: So bleibt wenigstens Zeit, neben letzten technischen auch rechtliche Fragen
zu klären: Wer zum Beispiel haftet bei einem Unfall, wenn kein
Mensch am Steuer sitzt? Der Autohersteller, der Computerhersteller
oder das Unternehmen, das die Sensoren gebaut hat? Sucht man bei Google
danach, findet man noch keine Antwort.
TÜV SÜD Journal 35
so isst
die Welt
E
s ist ein Bild der Extreme, das der aktuelle Hungerreport der
Welternährungsorganisation FAO zeichnet. Das eine Extrem:
Jeder achte Mensch auf der Erde ist unterernährt. Immerhin ist
die Gesamtzahl der Hungernden in den vergangenen zwei Jahrzehnten
um 132 auf 868 Millionen gesunken. Nur die Lage in den afrikanischen
Ländern südlich der Sahara hat sich verschlechtert. Waren dort vor zwei
Dekaden noch 170 Millionen Menschen unterernährt, sind es inzwischen 234 Millionen. Insbesondere politische Konflikte nennt der Report
als Grund für den Anstieg. Um den Hunger zu bekämpfen, empfiehlt er
Investitionen in eine nachhaltige, standortangepasste und kleinbäuerliche Landwirtschaft sowie den Aufbau sozialer Sicherungssysteme.
»Aber nicht nur der Hunger ist ein Problem, sondern auch die Zahl
der Übergewichtigen«, sagt FAO-Direktor José Graziano da Silva
und kommt auf das andere Extrem zu sprechen. Der Report, den
die Welternährungsorganisation Ende letzten Jahres veröffentlichte,
belegt selbst für arme Länder: Wer nicht hungert, nimmt heute mehr
Kalorien zu sich denn je (siehe Tabelle unten). Um den Folgen falscher
Ernährung vorzubeugen, rät da Silva zu verstärkter Aufklärungsarbeit in den Bereichen Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Auch TÜV SÜD engagiert sich intensiv für die Lebensmittelsicherheit:
Das Unternehmen baut sein Netz an Lebensmittellaboren weltweit
aus, jüngst in Brasilien und Indien.
Wer nicht hungert, nimmt mehr Kalorien denn je zu sich
Die Entwicklung der durchschnittlichen Energiezufuhr pro Person in Kilokalorien, unterteilt nach Nahrungsgruppen (Quelle: www.fao.org, 2012)
3500
Andere
Zucker
3000
Fette und Öle
Tierische Produkte
2500
Obst und Gemüse
Hülsenfrüchte
2000
Wurzeln und Knollen
Getreide
1500
1000
500
0
1990–92 2007–09 1990–92 2007–09 1990–92 2007–09 1990–92 2007–09 1990–92 2007–09 1990–92 2007–09
Asien
36 TÜV SÜD Journal
Entwickelte
Länder
Lateinamerika und
karibische Länder
Nordafrika
Ozeanien
Afrika südlich
der Sahara