gourmet/ hUhN
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gourmet/ hUhN
gourmet / h U H N klassisch und modern 84 falstaff 06 / 12 Rezepte mit Huhn sind oft gar nicht so einfach, wie man denken mag – die drei Beispiele von Paul Bocuse, Juan Amador und Gerhard Fuchs zeigen das. Selbst beim steirischen Backhuhn gibt es ein paar Tricks. Und für ein perfektes Brathuhn verrät Kochikone Ewald Plachutta seine Methode, wie das Fleisch saftig bleibt. Text Jan Brinkmann FOTOS Michael Rathmayer Food-Styling Franz Karner 06 / 12 falstaff 85 gourmet / h U H N Was soll man über Paul Bocuse noch sagen? Seit 1965 wird sein Restaurant »L’auberge du Pont de Collonges« mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Eine Hommage an den Großmeister der N ouvelle Cuisine, der inzwischen sieben Restaurants in Lyon und Umgebung betreibt, selbst aber kaum noch am Herd steht Coq au Vin à la Bocuse Rezept von Paul Bocuse, Restaurant »L’auberge du Pont de Collonges«, Collonges-au-Mont-d’Or (für 6 Personen) ZUTATEN 1 Hahn, aus der Bresse, ca. 3 kg 2 Karotten 1 Zwiebel 1 Thymianzweig ½ Lorbeerblatt Pfefferkörner 2 Flaschen roter Burgunder 3 EL Erdnussöl 3 Knoblauchzehen 1 gehäufter TL Salz FÜR DIE GARNITUR 100 g junge Zwiebeln 250 g Champignons 250 g durchwachsener Räucherspeck 30 g Butter 10 Petersilienstiele Zubereitung – Am Vorabend den kochfertigen Hahn in 10 große Stü- cke zerteilen, in eine tiefe Schüssel legen. Karotten und Zwiebel schälen, in dünne Scheiben schneiden und über das Fleisch streuen. Thymian, Lorbeer und einige Pfefferkörner zufügen, den Wein angießen. Über Nacht zugedeckt in den Kühlschrank stellen. Ein Klassiker der französischen Küche: Coq au Vin à la Bocuse 86 falstaff 06 / 12 Fotos: Michael Rathmayer (2), Corbis B ei Hühnern gute Qualität zu bekommen ist so einfach nicht. Tiere aus konventioneller Mast sind für Gourmets in diskutabel – aber es gibt Alter nativen. Biohühner haben mehr Platz und Zeit bis zur Schlachtreife zur Verfügung. Zudem führt streng biodyna misches Futter dazu, dass eine Kontami nation durch Antibiotika – wie sie in der industriellen »Produktion« immer wieder vorkommt – so gut wie nicht zu befürchten ist. Biobauern greifen inzwischen immer häu figer auch auf alte Rassen zurück. Die Tiere liefern dann als sogenanntes »Zweinutzen huhn« Fleisch und Eier. Die Schweisfurth-Stiftung, 1985 vom ehe maligen Wurstfabrikanten Karl-Ludwig Schweisfurth gegründet, der sich vom Inhaber des größten Fleisch verarbeitenden Unterneh mens in Europa zum Pionier ökologischer Landwirtschaft wandelte, stellte jüngst bei den Hermannsdorfer Landwerkstätten in Glonn bei München Varianten eines Zwei nutzenhuhns vor: ein österreichisches Land huhn, das französische »Les Bleus« und eine Kreuzung aus beiden Rassen. Alle liefern Eier hoher Qualität und gutes Fleisch aus bio dynamischer Aufzucht, allerdings sind sie mit einem Kilopreis von rund 30 Euro schwierig zu vermarkten. Immerhin aber gab es den Förderpreis Ökologischer Landbau 2012. – Am nächsten Tag die Fleischstücke und das Würz- gemüse aus der Marinade heben und trockentupfen. Die Marinade durch ein feines Sieb seihen. Die Fleischstücke in einer großen Pfanne partienweise in heißem Öl anbraten. Anschließend in einen guss eisernen Schmortopf legen. – Das trockengetupfte Würzgemüse ebenfalls in der Pfanne anbräunen, danach zum Fleisch geben. Die zerdrückten Knoblauchzehen sowie etwas Salz zufügen, die Marinade angießen und alles gut miteinander vermischen. Zum Kochen bringen, anschließend den Deckel auflegen und auf ganz kleiner Flamme je nach Alter des Hahns 1 bis 2 Stunden schmoren lassen. – Unterdessen für die Garnitur die Zwiebeln schälen und die Champignons putzen. Die Zwiebeln ganz lassen, die Champignons vierteln. Den Räucher- speck von der Schwarte befreien und in kleine Streifen schneiden. Zusammen mit den Zwiebeln und den Champignons in der Butter anbräunen und acht Minuten garen. Erst kurz vor dem Servieren unter das Ragout heben. Anrichten Coq au Vin abschmecken, mit fein geschnittener Petersilie bestreuen und servieren. Einfacher hat es der Feinschmecker mit französischem Geflügel der Qualität »Label Rouge«. Die Bedingungen für dieses staat liche Gütesiegel wurden 1965 definiert: mindestens 75 Prozent Getreidefutter, 81 bis 110 Tage Lebensdauer, kleine Betriebs größen, zwei Quadratmeter Auslauffläche pro Tier, maximal elf Hühner pro Quadrat meter im Stall, der höchstens 400 Quadrat meter groß sein darf. Die Chefs der Sterne gastronomie favorisieren hier zumeist Schwarzfederhühner – vor allem, wenn sie von Jean-Claude Mieral stammen. Der Name Mieral steht für ein Paradies, eines für Hühner wie für Gourmets gleicher maßen. Der grauhaarige Mann mit dem scharf g eschnittenen Gesicht gilt als unge krönter König der Bresse, auch wenn er seinen Betrieb mittlerweile an seine beiden Söhne weitergegeben hat. 1957 rang Mierals Vater gemeinsam mit seinen Freu den Paul Bocuse und Alain Chapel dem französischen Staat eine AOC (»Appellation d’Origine Contrôlée«) für Bressehühner ab – die erste überhaupt für eine Nutztierart in Frankreich, das sonst vor allem seinen Wein und seinen Käse mit einem höchst strengen AOC-Regelwerk schützt. »Nur knapp ein Zehntel der rund 400 Bressehuhn-Züchter erfüllte Mierals Anforderungen. Doch so einfach wird man nicht einer von ›seinen Männern‹«, sagt > 06 / 12 falstaff 87 gourmet / h U H N Mieral-Huhn Purple Curry Juan Amador ist einer der innovativsten deutschen Spitzenköche. Seine m oderne Interpretation klassischer Gerichte sorgt für Überraschungen am Gaumen. Größten Wert legt er auf erstklassige Produkte. Wer seine Rezepte nach kochen will, muss sich auf eine etwas aufwendigere Zubereitung einstellen Rezept von Juan Amador, Restaurant »Amador« in Mannheim (für 4 Personen) 4 Hühnerbrüste Curryöl Salz und Pfeffer Butter Maldon Sea Salt FÜR DIE Curryschmelze 50 g Butter 50 g Nussbutter 20 g Purple Curry Mie de Pain 20 g Rote-Bete-Granulat 80 g getrocknetes Honigbrot Salz FÜR DIE Currysauce Je 1 EL geschnittene Schalotten und Knoblauch Etwas Butter 1 TL Purple Curry 30 ml Rotweinessig 200 ml roter Banyuls ½ l Taubenjus Pfeilwurzelstärke Salz FÜR DAS Kokosgelee 1 l Kokosmilch 1 Prise Salz 1 Prise Zucker 10 g Agar-Agar 4 Blatt Gelatine Arganöl FÜR DIE Mango-Mayonnaise 400 g Mangopüree 6 g Lota (Textura) 200 ml Olivenöl > Wolfgang Otto vom Online-Fleischversand Otto Gourmet. »Mit der gleichen Penibilität, wie Mieral die besten Hühner bestimmt, wählt er auch deren Züchter aus. Diese be stehen nur dann seine Feuertaufe, wenn sie ruhige, gewissenhafte und ordentliche Men schen sind. Seiner Meinung nach färben sol che positiven Charaktereigenschaften der Züchter auch auf die Tiere ab und lassen sie entspannt in einer sauberen Umgebung auf wachsen.« Otto Gourmet hat die Tiere im Sortiment. »Da Mierals Vorstellungen von traditioneller, artgerechter Haltung mit un serer Firmenpolitik der Nachhaltigkeit, Ver antwortung und Rückverfolgbarkeit kon form gehen, lag es auf der Hand, ihn ins Boot zu holen«, so Wolfgang Otto, »denn obwohl ihnen ein Ende im Kochtopf voraus bestimmt ist, können seine Hühner ihre an geborenen Bedürfnisse wie beispielsweise das Baden im Sand oder die selbstständige Fut tersuche ohne Einschränkungen ausleben.« 88 falstaff 06 / 12 Garnitur Mangowürfel Shiso-Purple-Kresse ZUBEREITUNG – Die Hühnerbrüste einzeln mit etwas Curryöl vakuumieren und im Wasserbad kontrolliert bei 65 °C (Julabo-Einhängethermostat) 9 Minuten garen. – Für die Curryschmelze Butter und Nussbutter in einem Topf schmelzen lassen. Purple Curry, Mie de Pain, das zerbröselte Honigbrot und Rote- Bete-Granulat dazugeben. Mit etwas Salz ab- schmecken und warm stellen. – Für die Currysauce Schalotten und Knoblauch in etwas Butter anschwitzen, mit Purple Curry bestäuben und mit Rotweinessig ablöschen. Banyuls dazugeben und sirupartig einkochen lassen. Anschließend mit Taubenjus auffüllen, auf die Hälfte reduzieren und durch ein Sieb passieren. Eventuell mit Salz abschmecken und mit etwas Pfeilwurzelstärke leicht binden. – Für das Kokosgelee Kokosmilch mit Salz und Zucker zum Kochen bringen, Agar-Agar ein rühren, einmal aufkochen lassen, passieren und die eingeweichte Gelatine einrühren. In eine 2 cm hohe Form gießen und kalt stellen. Vor dem Servieren das Gelee im Thermomixer mit etwas Arganöl zu einer geschmeidigen Creme mixen. Anrichten Die Hühnerbrüste aus dem Beutel nehmen, mit Salz und Pfeffer würzen und in schäumender Butter auf beiden Seiten kurz anbraten. Mit Curryschmelze bestreichen, etwas Maldon Sea Salt darüberstreuen und wie abgebildet anrichten. Das Bressehuhn ist schlichtweg das beste. Eine mindestens 500 Jahre alte Rasse in den Farben der Grande Nation: blaue Stelzen, weißes Gefieder, knallroter Schopf. Die Tiere sind halbwilde Geschöpfe, hochbeinig, mit langer Brust. Das Fleisch ist derart fein strukturiert, dass es – wie beim Wild – reifen muss, bevor es sein Potenzial ent faltet. Die von e iner einzigen Zuchtanstalt, dem »Centre de sélection de la volaille de Bresse« in Béchanne, ausgebrüteten Küken werden zu einem Stückpreis von rund einem Euro an die Züchter verkauft. Wenn das Federkleid ausgebildet ist, geht es frühmor gens nach einer kräftigen Milch-Mais-Mahl zeit (von eigenen Maisfeldern und eigenen Kühen) auf die Wiese. Pro Kopf garantiert die AOC jedem Bressehuhn zehn Quadrat meter Platz. Der Auslauf ins Grüne mit Gras und Kräutern, I nsekten und Würmern, Bäumen und schützenden Sträuchern sowie Sandplätzen zum Scharren umfasst viele > Fotos: Michael Rathmayer (2), beigestellt ZUTATEN Die Kombination aus Curry, Kokos und Mango gibt dem Mieral-Huhn ein asiatisch-exotisches Aroma. Und auch optisch ist das Gericht ein Genuss 06 / 12 falstaff 89 gourmet / h U H N Das typische steirische Backhuhn wird vor der Zubereitung in kleinere Stücke zerteilt und langsam in Schmalz ausgebacken Steirisches Backhuhn Rezept von Gerhard Fuchs, Restaurant »Kreuzwirt am Pössnitzberg« in Leutschach (für 2 Personen) Zutaten 1 Backhuhn (in gefällige Stücke zerteilt, jedoch nicht vom Knochen gelöst – das Huhn bleibt auf diese Weise saftiger) Meersalz und Pfeffer aus der Mühle 3 EL saure Sahne 1 TL Paprikapulver Etwas frisch geschnittener Rosmarin Mehl, Ei und Weißbrotbrösel für die Panade Butter- oder Schweineschmalz zum Ausbacken Frittierte Petersilie und Zitronenhälften zum Garnieren Zubereitung – Die Hühnerstücke mit Salz und Pfeffer würzen, in saurer Sahne, Paprikapulver und Rosmarin Mit Bravour verbindet Gerhard Fuchs bodenständige steirische Küche mit internationalen Aromen. Der Produkt fanatiker sichert sich durch seine Lieferanten regionale Lebensmittel höchster Qualität. Seit rund sechs Jahren kocht Fuchs auf dem südsteirischen Pössnitzberg und hat nicht nur den »Kreuzwirt« zur besten Gourmetadresse der Steiermark gemacht, seine Küche hat auch die gesamte Region aufgewertet 90 falstaff 06 / 12 Fotos: Michael Rathmayer (2), BASSIGNAC GILLES / Eyedea / picturedesk.com, Pfeil, Fotolia > Hundert Meter Abenteuerstrecke. Nach vier bis fünf Monaten Mindestlebenszeit in diesem Hühner-Dorado werden die Tiere schonend geschlachtet. Weil das Fleisch der halbwilden Vögel mindestens eineinhalb Wochen Reifezeit be nötigt, werden sie in Frankreich »étouffée«, also nicht ausgenommen, sondern nur vom Enddarm befreit und mit Kopf und Krallen gehandelt. Ausgenommene Bressehühner sollte man meiden, sie können nicht lange genug reifen. Der Kilopreis beträgt bei Spe zialversendern um die 25 Euro. »Den Preis muss man dann eben auch zahlen«, sagt die Wiener Kochikone Ewald Plachutta, »bei keinem anderen geschlachte ten Tier ist der Unterschied zwischen indus triell gezüchteter und Bio-Ware so groß wie beim Huhn.« Um das gute Fleisch schätzen zu können, muss sich beim Verbraucher seiner Meinung nach eine Änderung der Ess philosophie durchsetzen. »Über ein Bresse Das Bressehuhn: blaue Stelzen, weißes Gefieder, roter Schopf marinieren und ca. eine Stunde gekühlt ziehen lassen. – Die Hühnerstücke mit Mehl, Ei und Weißbrotbröseln panieren und langsam in Schmalz ausbacken. Das dauert ca. 30 Minuten. – Die weit verbreitete Methode, die Backhühner zuerst im Fett nur Farbe nehmen zu lassen und dann im Backofen oder – schlimmer – in der Mikro- welle fertig zu garen, sorgt nur für lasche Panade und zähes Fleisch. Anrichten Auf traditionelle Art wird das Huhn im Körbchen auf einer Stoffserviette serviert und mit frittierter Petersilie und Zitronenhälften garniert. huhn würde ein Österreicher wahrscheinlich sagen, es sei zäh und schmecke nicht. Wir haben 90 Prozent Schlucker und nur zehn Prozent Beißer«, sagt Plachutta. »Die meis ten wollen eben, dass das Fleisch auf der Zunge zergeht.« Zudem bedauert er, dass oft auch in der Spitzenküche das Dressieren, also das Binden und In-Form-Bringen, weit gehend abhanden gekommen ist. Seine Art, ein Huhn zu braten, geht so: von allen Sei ten anbraten, am Anfang eher rasant, dann im Backofen bei reduzierter Hitze garen, dabei öfter übergießen und wenden. »Ich brate nicht mit Umluft, sondern statisch, dann trocknet es nicht aus.« < Jean-Claude Mieral gilt als der König der Bresse. Seine Hühner sind fast schon Schmuckstücke, ihre Qualität ist nach wie vor unerreicht 06 / 12 falstaff 91