Kosten und Potenziale der Ver meidung von Treibhausgas
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Kosten und Potenziale der Ver meidung von Treibhausgas
1 Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland Eine Studie von McKinsey & Company, Inc., erstellt im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ Sektorperspektive Energie Vorwort Die vorliegende Sektorperspektive Energie ist Teil der sektorübergreifenden Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“, die McKinsey & Company, Inc., im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klima schutz“ erstellt hat. Die Ergebnisse der Studie wurden separat in einem Gesamtbericht veröffentlicht. Die Sektorperspektive enthält eine detaillierte Darstellung der Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen im Energiesektor in Deutschland. Dem Energiesektor wurde dabei neben der zentralen, industriellen und dezentralen Stromerzeugung auch die Erzeugung von Fernwärme zugerechnet. Insgesamt waren mehr als 70 Unternehmen und Verbände an der Bewertung von über 300 Hebeln zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland beteiligt. In der Arbeitsgruppe Energie waren dies die Versorger EnBW Energie Baden-Württem berg AG, E.ON Energie AG, RWE AG und Vattenfall Europe AG, die BASF AG als großer industrieller Stromerzeuger sowie die Anlagenbauer Hitachi Power Europe GmbH und Siemens AG und die Verbände Fachverband Dampfkessel, Behälter- und Rohrlei tungsbau e.V. (FDBR), Verband der Verbundunternehmen und Regionalen Energiever sorger in Deutschland e.V. (VRE), Wirtschaftsverband Stahlbau und Energietechnik e.V. (SET) und Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI). Zudem wurden die Annahmen und Ergebnisse mit zahlreichen unabhängigen Experten dis kutiert. Wir danken den Unternehmen, Verbänden und Experten, die an der Ableitung der Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen mitgearbeitet haben, für die konstruktive Zusammenarbeit und den unermüdlichen Einsatz über die vergangenen Monate. Die breite Unterstützung von allen Beteiligten war eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der vorliegenden Studie. 3 Der BDI dankt den folgenden Sponsoren herzlich für ihre finanzielle Beteiligung: 5 Inhaltsverzeichnis 7 Vorwort 3 Glossar 9 Zusammenfassung der Studienergebnisse für den Energiesektor 15 Herkunft der Treibhausgasemissionen im Energiesektor 21 Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor seit 1990 25 Zukünftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion) „Stand der Technik“-Projektion: Methodik „Stand der Technik“-Projektion: Annahmen und Ergebnisse für den Energiesektor Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Bewertung von Hebeln zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen: Methodik Hebel zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen im Energiesektor bis 2020 Senkung der Energienachfrage Verbesserung konventioneller Kraftwerkstechnologie Ausbau erneuerbarer Energien CO2 -Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) Kraft-Wärme-Kopplung Kohle-Gas-Substitution Stromimport Weitere Entwicklung nach 2020 – Vermeidungspotenziale und -kosten 2030 (Basisszenario) Vergleich der Szenarien 29 29 30 37 37 43 45 45 47 53 55 57 58 58 61 Voraussetzungen für die Umsetzung und Implikationen 65 Anhang: Detailzahlen Vermeidungskostenkurve 71 Glossar Glossar 9 BasisjahrBasisjahr zur Messung der erreichten Reduzierung von Treib hausgasemissionen im Sinne des Kyoto-Protokolls (1990 für CO2-Emissionen; 1995 für eine Reihe weiterer Treibhausgase); vgl. Nationaler Inventarbericht des UBA (Dessau, März 2007) für Details Bruttostrom- erzeugung Stromerzeugung vor Abzug Eigenverbrauch und Netzverlusten Co-firingMitverbrennung von Biomasse in einem bestehenden fossil be feuerten Kraftwerk CCS arbon Capture and Storage – Technologien zur Abscheidung C und Speicherung von CO2 CDM(-Projekte) lean Development Mechanism – Mechanismus im Rahmen des C Kyoto-Protokolls, der Emittenten in den Unterzeichnerstaaten die Möglichkeit gibt, unter Beachtung bestimmter Vorgaben in Projekte in Entwicklungsländern zu investieren und dafür CO2Zertifikate zu erhalten CO2 Kohlendioxid CO2eKohlendioxid-Äquivalent, d.h. Kennzahl für die Intensität eines Treibhausgases, gemessen an der Treibhauswirkung von Koh lendioxid, z.B. 21 für CH4 (Methan), 310 für N2O (Lachgas) Eigenstrom- verbrauch Stromverbrauch innerhalb eines Kraftwerks, z.B. für Pump leistung EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz EntscheiderDerjenige, der über die Durchführung einer Investition entschei det, d.h. das Unternehmen (z.B. für Industrieanlagen) bzw. die Privatperson (z.B. der Auto- oder Hausbesitzer) EOR Enhanced Oil Recovery – Injektion von CO2 in Ölfelder, um die Ölausbeute zu erhöhen EU ETSEU Emissions Trading Scheme – Europäisches Emissionshan delssystem EUR Euro EVU Energieversorgungsunternehmen GW Gigawatt, d.h. eine Milliarde [109] Watt Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 10 GWh Gigawattstunde(n), d.h. eine Million [106] kWh Gt Gigatonne(n), d.h. eine Milliarde [109] Tonnen (Vermeidungs-) Technischer Ansatzpunkt zur Verminderung von Treibhausgas Hebel emissionen, z.B. Verwendung effizienterer Prozesse oder Mate rialien IGCC Integrated Gasification Combined Cycle – kombinierte Gas- und Dampfturbinenanlage mit vorgeschalteter Kohle-Vergasungs anlage. Technologie eignet sich auch zur CO2-Abscheidung, da CO2 aus wasserstoffhaltigem Gasgemisch (Synthesegas) ent fernt werden kann kW Kilowatt, d.h. 1.000 Watt kWh Kilowattstunde(n) KWK Kraft-Wärme-Kopplung m Meter Mt Megatonne(n), d.h. eine Million [106] Tonnen MW Megawatt, d.h. eine Million [106] Watt MWh Megawattstunde(n), d.h. tausend [103] kWh MWhel Megawattstunde(n) elektrische Energie MWhth Megawattstunde(n) thermische Energie NettonutzungsgradDurchschnittlicher Wirkungsgrad eines Kraftwerks über ein Jahr nach Abzug des Eigenverbrauchs Nettostrom- erzeugung Stromerzeugung nach Abzug Eigenverbrauch und vor Netzverlusten OxyfuelTechnologie zur CO2-Abscheidung: Brennstoff wird mit reinem Sauerstoff verbrannt, um Rauchgas mit sehr hohem CO2-Ge halt zu erhalten Post-CombustionTechnologie zur CO2-Abscheidung: konventionelle Verbrennung mit Luft; CO2-Abscheidung mittels Rauchgaswäsche ReferenztechnologieTechnologie auf dem Stand der Technik, mit der eine treibhaus gaseffiziente Lösung im Hinblick auf Vermeidungspotenzial und -kosten verglichen wird Glossar SektorIm Rahmen dieser Studie vorgenommene Gruppierung von Wirtschaftszweigen1, und zwar Energie: Emissionen aus zentraler, industrieller und dezentraler Stromerzeugung sowie aus der Erzeugung von Nah- und Fern wärme Industrie: Direkte und indirekte Emissionen aller Industriezweige mit Ausnahme der Stromerzeugung und des Transportsektors; inklusive industrieller Wärmeerzeugung Gebäude: Direkte und indirekte Emissionen aus privaten Haus halten und dem tertiären Sektor (GHD, öffentliche Gebäude, Gebäude in der Landwirtschaft) Transport: Emissionen aus dem Straßenverkehr (Personenver kehr: kleine, mittlere und große Personenkraftwagen (PKW), Güterverkehr: leichte Nutzfahrzeuge („Sprinterklasse“), mittlere und schwere Lastkraftwagen (LKW), Busse), dem Schienen verkehr (Personennah- und -fernverkehr, Güter), dem inner deutschen Luftverkehr (ziviler Personen- und Frachtverkehr), inklusive Effekte durch Veränderungen im Kraftstoffmix (Mineral ölindustrie) ntsorgungswirtschaft: Emissionen aus der Deponierung von E Abfällen und aus der Behandlung von Abwasser Landwirtschaft: Emissionen aus Viehhaltung und Bewirtschaf tung von Böden Stand der TechnikDurchschnittliche Energie- bzw. Treibhausgaseffizienz im heuti gen (2006) Verkaufs- bzw. Investitionsmix „Stand der Technik“- Projektion der Entwicklung von Treibhausgasemissionen in ProjektionDeutschland auf Basis des heute erwarteten Wirtschaftswachs tums und bei allmählicher Durchdringung des Bestands mit dem Stand der Technik (für Details vgl. unten Seite 29ff.) StromkennzifferVerhältnis von Strom- zu Wärmemenge in einer Anlage zur KraftWärme-Kopplung t Tonne(n) TreibhausgasTreibhausgas im Sinne des Kyoto-Protokolls, d.h. CO2 (Kohlen dioxid), CH4 (Methan), N2O (Lachgas), HFC/PFC (Fluorkohlen wasserstoffe) und SF6 (Schwefelhexafluorid) 1Die Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Transport wurden im Rahmen der Studie jeweils in dedizierten Arbeitsgruppen bearbeitet, an denen Vertreter von Unternehmen und Verbänden teilnahmen, die in den Sektoren als Akteure und/oder Zulieferer aktiv sind. Die Entsorgungswirtschaft und die Landwirtschaft wurden jeweils in einer Reihe von Einzelinterviews mit Experten und Vertretern von Unternehmen und Verbänden diskutiert, jedoch nicht durch eigene Arbeitsgruppen abgedeckt. 11 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 12 TWh Terawattstunde(n), d.h. eine Milliarde [109] kWh TWhel Terawattstunde(n) elektrische Energie TWhth Terawattstunde(n) thermische Energie Vermeidungshebel S. „Hebel“ Vermeidungskosten Zusätzliche Kosten (bzw. Ersparnisse), die sich durch den Ein(in EUR/t CO2e) satz einer Technologie mit geringerer Treibhausgasintensität gegenüber dem jeweils vorherrschenden Stand der Technik ergeben (ohne Berücksichtigung von Sekundäreffekten aus volkswirtschaftlicher Sicht), in der vorliegenden Studie aus Sicht des jeweiligen Entscheiders bewertet, d.h. unter Berücksich tigung der jeweils spezifischen Diskontierungsraten und Amor tisierungszeiträume Vermeidungs- kostenkurve Zusammenstellung von Vermeidungspotenzialen und -kosten für einen Sektor Vermeidungs- potenzial (in Mt CO2e) Potenzial zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen, das sich durch die ambitionierte, aber in der Praxis realisierbare Umsetzung eines Vermeidungshebels ergibt (Aus Entscheider- Vermeidungshebel, bei dessen Umsetzung für den Entscheider sicht) Wirtschaftlicher unter Berücksichtigung der jeweiligen Amortisierungszeiträume Vermeidungshebel und Diskontierungsraten Einsparungen entstehen Glossar 13 Zusammenfassung der Studienergebnisse für den Energiesektor Zusammenfassung der Studienergebnisse für den Energiesektor Der Energiesektor – insbesondere die Stromerzeugung – ist für rund 35 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich (2004: 359 Mt CO2e). Ohne Umsetzung weiterer Vermeidungshebel würden die Emissionen des Sektors bis 2020/2030 erheblich ansteigen, da auf Grund des Ausstiegs aus der Kernenergie emissions intensivere Kohle- und Gaskraftwerke nachgebaut würden. Um demgegenüber die Emissionen aus der Stromerzeugung zu reduzieren, stellt – bei Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernenergie2 – im Rahmen der Umstellung des Energiemix der weitere Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2020 den wichtigsten Vermeidungshebel dar (34 Mt CO2e). Mit der Umsetzung der entsprechenden Vermeidungshebel würde sich der Strommix in Deutschland im Jahr 2020 gegenüber heute erheblich verschieben: Erneuerbare Energien, Steinkohle und Braunkohle würden jeweils etwa ein Viertel, Gas ein Fünftel des Stroms in Deutschland liefern. Dadurch könnten – in Kombination mit dem reduzierten Strombedarf aus dem Industrie- und dem Gebäudesektor sowie mit der erhöhten Effizienz konventioneller Kraftwerke – die Emissionen des Sektors gegenüber dem heutigen Stand trotz Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernkraft um 21 Prozent gesenkt werden. Im Jahr 2004 stammten 35 Prozent (359 Mt CO2e) der Treibhausgasemissionen in Deutschland aus dem Energiesektor, dem neben der Stromerzeugung auch Anlagen zur Fernwärmeerzeugung zugerechnet wurden. Etwa die Hälfte der Emissionen des Energiesektors stammte aus der Verstromung von Braunkohle und ein weiteres Drittel aus der Verstromung von Steinkohle, obgleich beide Energieträger nur jeweils etwa ein Viertel zur Bruttostromerzeugung beitrugen. Der Strom in Deutschland war da mit im europäischen Vergleich mit einer CO2-Intensität von 0,57 t CO2e/MWh3 eher emissionsintensiv. Die Emissionen im Energiesektor sanken auf Grund eines leichten Rückgangs der Bruttostromerzeugung um 13 TWh (infolge des Umbruchs der Industrie in den neuen Bundesländern) und der spezifischen Emissionen (infolge der beginnenden Moderni sierung bzw. des Austauschs von Kraftwerken) bis zum Jahr 1995 um 12 Prozent. Die bisher niedrigsten absoluten Emissionen wurden im Jahr 2000 erreicht: Trotz wieder ansteigender Bruttostromerzeugung führten der weitere Austausch veralteter Kraft werke und die damit einhergehende Reduzierung der spezifischen Emissionen4 zu einem Absinken der Emissionen auf 337 Mt CO2e (2000). Seit 2000 blieben die spezi fischen Emissionen konstant, so dass die absoluten Emissionen bis 2004 mit der Bruttostromerzeugung um 7 Prozent auf 359 Mt CO2e (2004) anstiegen5. 2Zu den Auswirkungen einer Verzögerung des Ausstiegs aus der Kernenergie vgl. Seiten 18 und 62. 3Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten. 4Von 0,69 t CO2e/MWh (Basisjahr) auf 0,57 t CO2e/MWh (2004) – bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten. 5Die Bruttostromerzeugung entwickelte sich im betrachteten Zeitraum wie folgt: 550 TWh (1990), 537 TWh (1995), 577 TWh (2000), 616 TWh (2004). 15 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 16 Ohne Umsetzung weiterer Vermeidungshebel („Stand der Technik“-Projektion) steigen die Treibhausgasemissionen im Energiesektor in Deutschland deutlich an. Insbeson dere im Zeitraum bis 2020 führt der Ausstieg aus der Kernkraft dazu, dass – ohne weitere politische Eingriffe – ein Mix aus CO2-intensiveren Gas- und Kohlekraftwerken zugebaut werden müsste. Die Emissionen des Energiesektors steigen dadurch in der „Stand der Technik“-Projektion – bei insgesamt leicht steigender Bruttostromerzeu gung6 – von 359 Mt CO2e (2004) auf 408 Mt CO2e (2020) bzw. 415 Mt CO2e (2030). Ent sprechend erhöht sich die CO2-Intensität der Stromerzeugung von 0,57 t CO2e/ MWh (2004) auf 0,64 t CO2e/MWh (2020) bzw. 0,62 t CO2e/MWh (2030)7. Gegenüber dieser „Stand der Technik“-Projektion sinkt die Stromnachfrage in Deutsch land nach Umsetzung der Vermeidungshebel in den Industriesektoren, im Gebäude bereich und im Schienenverkehr, was zu einem Rückgang der Bruttostromerzeugung um 117 TWh auf 519 TWh (2020) führt. Dies entspricht einer Reduzierung um 16 Pro zent im Vergleich zum Stand von 2004 (616 TWh). Diese Reduzierung vermindert die Treibhausgasemissionen des Energiesektors im Vergleich zur „Stand der Technik“Projektion um 70 Mt CO2e8. Obwohl die Nachfrage nach Strom durch Umsetzung der Vermeidungshebel in den Industriesektoren und im Gebäudebereich zurückgeht, müssen in Deutschland neue Erzeugungskapazitäten zur Produktion von 220 TWh errichtet werden. Durch den ge planten Ausstieg aus der Kernenergie müssen etwa 150 TWh jährlich aus anderen Quellen erzeugt werden. Darüber hinaus gelangt eine Reihe von Kraftwerken an das Ende ihrer Lebensdauer und muss ersetzt oder erheblich modernisiert werden; dies führt zu einem Ersatzbedarf von Kapazitäten zur Erzeugung von ca. 70 TWh. Im Zuge der notwendigen Ersatzinvestitionen kommt es zu einer erheblichen Umstruk turierung der Stromerzeugung in Deutschland. Zum einen werden die neu gebauten konventionellen Kraftwerke im Vergleich zum heutigen Bestand deutlich effizienter sein, zum anderen soll ein erheblicher Anteil der benötigten Stromerzeugung in Zu kunft aus erneuerbaren Energien stammen. Bei allen konventionellen Technologien zur Stromerzeugung werden in den Jahren bis 2020 wichtige technologische Verbesserungen eingeführt, welche die Wirkungs grade der Kraftwerke erhöhen. Hierzu zählen beispielsweise die Wirbelschichttrock nung in der Stromerzeugung aus Braunkohle oder das 700°C-Kraftwerk (Steinkohle). In der „Stand der Technik“-Projektion wurde die Einführung der heute aktuellen Kraft werkstechnik bereits berücksichtigt; die Zusatzpotenziale, die sich darüber hinaus aus weiterer Verbesserung der vorhandenen Technologien ergeben, sind deshalb vergleichsweise gering. Bereits in der „Stand der Technik“-Projektion erhöhen sich die durchschnittlichen Nettonutzungsgrade im Kraftwerkspark für Braunkohle von heute 34 Prozent auf 39 Prozent, für Steinkohle von 38 Prozent auf 43 Prozent und für Gas von 50 Prozent auf 58 Prozent. Eine weitere Effizienzsteigerung gegenüber der „Stand 6Die Bruttostromerzeugung steigt in der „Stand der Technik“-Projektion von 616 TWh (2004) auf 636 TWh (2020) bzw. 661 TWh (2030). Darin sind neben dem Stromverbrauch aus dem Industrie- und dem Gebäudesektor (2004: 516 TWh) auch der Stromverbrauch von Schienenfahrzeugen sowie der Eigenverbrauch der Kraftwerke und Netzverluste enthalten. 7Berechnet auf Basis der Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten. 8Die Vermeidungspotenziale aus den entsprechenden Maßnahmen wurden jeweils den stromverbrauchenden Sektoren zugerechnet. Mit dem Rückgang der Nachfrage sind für die Stromerzeugung auch 16 TWh vermiedene Verluste verbunden, die bei höherer Nachfrage durch den Eigenverbrauch der Kraftwerke und durch Netzverluste entstanden wären (entspricht ca. 10 Mt CO2e); diese wurden dem Energiesektor zugerechnet. Zusammenfassung der Studienergebnisse für den Energiesektor der Technik“-Projektion durch Modernisierung (Retrofit) älterer Kraftwerke und zusätz liche Verbesserung neu gebauter Kraftwerke führt darüber hinaus zu einem Potenzial von knapp 5 Mt CO2e zu Vermeidungskosten von bis zu 20 EUR/t CO2e. Den größten Beitrag zur Treibhausgasvermeidung in der Stromerzeugung in Deutsch land leisten im Vergleich zur „Stand der Technik“-Projektion die erneuerbaren Energien, aus denen bis 2020 etwa ein Viertel des in Deutschland erzeugten Stroms produziert werden soll. Diese strukturelle Verschiebung trägt zu einer Reduzierung der Treib hausgasemissionen um 34 Mt CO2e bei. Den größten Anteil daran haben die Stromer zeugung aus Wind (Onshore/Offshore mit jeweils ca. 11 Mt CO2e) und Biomasse (fest/ gasförmig, zusammen ca. 9 Mt CO2e). Einen mengenmäßig kleineren Beitrag leistet der weitere Ausbau der Photovoltaik (knapp 2 Mt CO2e), der auf Grund der hohen Förderung aus Entscheidersicht wirtschaftlich ist. Eine verstärkte Nutzung von Geo thermie (ca. 1 Mt CO2e) ist dagegen aus Entscheidersicht mit Vermeidungskosten von mehr als 100 EUR/t CO2e verbunden und wurde daher im Gesamtpotenzial zunächst nicht berücksichtigt. Die Vermeidungskosten, die durch diese Umstellung des Energiemix entstehen, lie gen mit durchschnittlich 32 EUR/t CO2e deutlich höher als das historisch beobachte te Niveau der CO2-Preise im EU ETS9. Derzeit werden die meisten der geschilderten Vermeidungshebel allerdings durch Mechanismen außerhalb des EU ETS gefördert, so dass sich keine Rückwirkungen auf den CO2-Preis ergeben sollten. Sollte sich dies in Zukunft ändern, so würden durch die Umstellung des Energiemix insbesondere für Industrieunternehmen erhebliche Zusatzkosten entstehen, sowohl durch direkte Kosten für die verbleibenden Emissionen als auch durch Erhöhung des Großhandels preises für Strom (um ca. 15 EUR/MWh bei einem CO2-Preis von 30 EUR/t CO2e). Im Zeitraum bis 2020 werden darüber hinaus die ersten Pilot- und Demonstrationsan lagen zur Abscheidung von CO2 aus Kraftwerken in Betrieb gehen. Im Energiesektor ergeben sich hierdurch weitere Reduzierungen von knapp 6 Mt CO2e zu Vermeidungs kosten von gut 30 EUR/t CO2e (Braunkohle) bzw. gut 50 EUR/t CO2e (Steinkohle). Auch die Umsetzung dieser Vermeidungshebel im Rahmen des EU ETS hätte eine Strom preiserhöhung von 15 bis 25 EUR/MWh zur Folge. In der oben geschilderten Entwicklung ist auch ein verstärkter Einsatz von KWK-An lagen enthalten, der in der vorliegenden Untersuchung über den Wärmebedarf der verbrauchenden Sektoren (Gebäude und Industrie) abgeleitet wurde. Erwartet wird insgesamt ein Anstieg der Wärmemenge aus KWK von heute 134 TWhth auf 191 TWhth. Dies entspricht – bei steigenden Stromkennziffern der zunehmend effizienteren Anla gen – einem Anstieg der Stromproduktion aus KWK-Anlagen von heute 63 TWhel auf 100 TWhel bis 2020, d.h. etwa 19 Prozent der gesamten Stromerzeugung in diesem Jahr. Der höchste absolute Anstieg von KWK-Anlagen (plus 19 TWhel) ist in der de zentralen Versorgung bei Blockheizkraftwerken (10 KWel bis 10 MWel), insbesondere in Neubaugebieten zu erwarten; die Nutzung von KWK-Anlagen in der Industrie nimmt demgegenüber nur um etwa 10 TWhel zu. Die Vermeidungspotenziale, die sich durch die Umstellung auf KWK-Anlagen ergeben, wurden für die Wärmeversorgung von Ge bäuden und Industrieanlagen in den jeweiligen Sektoren berücksichtigt. 9In der Berechnung der Vermeidungskosten aus Entscheidersicht ist die EEG-Förderung enthalten. Vgl. für Details unten Seiten 47ff. 17 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 18 Insgesamt wurden damit im Energiesektor im Vergleich zur „Stand der Technik“-Projek tion Vermeidungspotenziale von 55 Mt CO2e berücksichtigt. Nach Berücksichtigung des Nachfragerückgangs (70 Mt CO2e) würde eine Umsetzung dieser Vermeidungs hebel die Emissionen des Sektors auf 283 Mt CO2e reduzieren, was gegenüber dem heutigen Stand einer Senkung um 21 Prozent entspräche. Gegenüber dem Basisjahr wäre dies eine Reduzierung um etwa 29 Prozent. Neben der fortschreitenden Effizienzsteigerung in allen Technologien zur Stromer zeugung könnte auch eine verstärkte Nutzung von Erdgas (an Stelle von Braun- oder Steinkohle) einen erheblichen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen leisten. Wenn nicht nur – wie in der „Stand der Technik“-Projektion angenommen – die Hälfte der neu gebauten Kraftwerke, sondern drei Viertel der neuen Kapazitäten Gas kraftwerke wären, so ergäbe sich eine weitere Reduzierung der Emissionen um knapp 18 Mt CO2e (2020), die allerdings mit Vermeidungskosten von knapp 28 EUR/t CO2e (Erdgas statt Steinkohle) bzw. rund 50 EUR/t CO2e (Erdgas statt Braunkohle) verbun den wären. Eine Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke über eine durch schnittliche Laufzeit von 32 Jahren hinaus wurde im Basisszenario nicht eingeschlos sen. Würde man die deutschen Kernkraftwerke, wie technisch möglich und in anderen westlichen Industrienationen üblich, 60 oder auch nur 45 Jahre laufen lassen, ergäbe sich für das Jahr 2020 ein um rund 90 Mt CO2e höheres Vermeidungspotenzial als im Basisszenario10. Gleichzeitig würden die Vermeidungskosten im Vergleich zum Basis szenario, das die Beibehaltung des Kernkraftausstiegs unterstellt, um 4,5 Milliarden EUR pro Jahr geringer ausfallen. 10Etwa 150 TWh Bruttostromproduktion aus Kernkraftwerken müssen beim Ausstieg aus der Kernenergie durch einen Zubaumix aus Kohle und Erdgas mit einer durchschnittlichen CO2-Intensität von 0,64 t CO2e/MWh (2020) abgedeckt werden. Zusammenfassung der Studienergebnisse für den Energiesektor 19 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 20 Herkunft der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Herkunft der Treibhausgasemissionen im Energiesektor 21 Im Jahr 2004 stammten 35 Prozent (359 Mt CO2e) der Treibhausgasemissionen in Deutschland aus dem Energiesektor, dem neben der Stromerzeugung auch Anlagen zur Fernwärmeerzeugung zugerechnet wurden. Etwa die Hälfte der Emissionen des Energiesektors stammte aus der Verstromung von Braunkohle und ein weiteres Drittel aus der Verstromung von Steinkohle, obgleich beide Energieträger nur jeweils etwa ein Viertel zur Bruttostromerzeugung beitrugen. Der Strom in Deutschland war damit im europäischen Vergleich mit einer CO2-Intensität von 0,57 t CO2e/ MWh11 eher emissionsintensiv. 35 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen stammten im Jahr 2004 aus dem Energiesektor. Dem Sektor sind dabei sämtliche zentralen, industriellen und dezen tralen Anlagen zur Stromerzeugung sowie zur Fernwärmeerzeugung zugerechnet. Mehr als 92 Prozent der Emissionen des Sektors wurden durch die Stromerzeugung verursacht, 8 Prozent entfielen auf die Fernwärmeerzeugung. Betrachtet wurde die Stromerzeugung in Deutschland; Stromimport-/-exportbilanzen wurden nicht berück sichtigt. Energiesektor: Anteil an Treibhausgasemissionen – Deutschland 2004 in Prozent Stromerzeugung 100% = 1.025 Mt CO2e 100% = 359 Mt CO2e 8 LandwirtEntsorgungsschaft wirtschaft Gebäude 6 1 17 6 5 Fernwärme* Öl und Sonstige Erdgas CO2-Intensität** in t CO2e/MWh 0,32 0,85 0,40 33 Steinkohle 0,90 48 Braunkohle 1,16 35 Energie Transport 18 23 Industrie Ø*** 0,57 * Heizwerke/KWK-Wärme der Energieversorgungsunternehmen ** Auf Basis Nettostromerzeugung *** Einschließlich Kernkraft und erneuerbare Energien Quelle: UBA, AG Energiebilanzen, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie 11Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten. Schaubild 1 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 22 Wesentlich für die Emissionen in der Stromerzeugung waren die Braun- und Stein kohleanlagen. Beide Energieträger trugen mit Anteilen von 26 bzw. 23 Prozent jeweils rund ein Viertel zur Bruttostromerzeugung bei, machten aber aufgrund der vergleichs weise hohen CO2-Intensitäten von 1,16 bzw. 0,90 t CO2e/MWh 48 bzw. 33 Prozent der Emissionen aus. Die übrigen Kraftwerke auf Gas- und Ölbasis mit 6 bzw. 5 Prozent Anteil an der Bruttostromerzeugung verursachten 11 Prozent der Emissionen. Emis sionsfrei sind Kernenergie mit einem Anteil von 27 Prozent an der Bruttostromerzeu gung sowie sämtliche erneuerbaren Energien, deren Anteil im Jahr 2004 bei etwa 10 Prozent lag (vor allem Wind- und Wasserkraft). Daraus ergab sich eine durchschnitt liche CO2-Intensität der deutschen Stromerzeugung von 0,57 t CO2e/MWh12, ein im europäischen Vergleich hoher Wert. Wie in allen anderen europäischen Ländern ist der Mix der Stromerzeugung und da mit dessen CO2-Intensität eine Folge natürlicher Gegebenheiten sowie politischer Ent scheidungen und wirtschaftlicher Erwägungen. In Deutschland steht Braunkohle aus heimischen Tagebauen sicher und kostengünstig zur Verfügung und wird daher zur Grundlaststromversorgung eingesetzt. Kernenergie wurde, ebenfalls zur Grundlast stromversorgung, nur bis in die 1980er Jahre zugebaut. Steinkohle, Erdgas, Öl und Sonstige schlossen zunächst die Lücke zur Deckung der Nachfrage. Der Anteil der erneuerbaren Energien wuchs stetig. Energiesektor: Vergleich CO2-Intensitäten Stromerzeugung – Europa 2004 in t CO2e/MWh Erläuterung Schweiz Wasserkraft und Kernenergie decken über 95% der Stromerzeugung 0.01 Schweden 0.06 Wasserkraft und Kernenergie decken fast 95% der Stromerzeugung Frankreich 0.07 Ca. 90% Kernenergie Österreich Spanien Großbritannien Ca. 70% Wasserkraft 0.23 Anteil erneuerbarer Energien ca. 30%*, ca. 25% Kernenergie, ca. 10% Erdgas** 0.42 Ca. 20% Kernenergie und ca. 40% Erdgas 0.49 Italien Deutschland Dänemark Polen 0.54 Ca. 65% Erdgas, keine Kernkraft Ca. 25% Kernenergie, relativ hohe CO2-Intensität auf Grund von hohem Kohleanteil (ca. 45%) 0.57 Anteil fossiler Brennstoffe über 80%, keine Kernenergie 0.61 1.05 Ca. 90% Kohle * Inklusive nicht erneuerbarer Wasserkraft ** Anteil 2006 bereits ca. 20% Schaubild 2 Quelle: IEA, AG Energiebilanzen Andere Länder, wie die Schweiz, Schweden, Frankreich und Österreich, haben wesent lich stärker auf emissionsfreie Energieträger wie Wasserkraft und Kernenergie gesetzt. Italien und Großbritannien weisen deutlich höhere Anteile von Erdgas an der Stromer 12 Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten. Herkunft der Treibhausgasemissionen im Energiesektor zeugung auf; in Großbritannien ist dies eine Folge der Verfügbarkeit heimischer Erd gasfelder. Im Vergleich zu Deutschland höhere CO2-Intensitäten besitzen Länder wie Dänemark und Polen, die nicht über Kernkraft verfügen und einen hohen Anteil der Stromerzeugung über Kohle decken. 23 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 24 Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor seit 1990 Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor seit 1990 25 Im Energiesektor sanken die Emissionen auf Grund eines leichten Rückgangs der Bruttostromerzeugung um 13 TWh (infolge des Umbruchs der Industrie in den neuen Bundesländern) und der spezifischen Emissionen (infolge der beginnenden Modernisierung bzw. des Austauschs von Kraftwerken) bis zum Jahr 1995 um 12 Prozent. Die bisher niedrigsten absoluten Emissionen wurden im Jahr 2000 erreicht: Trotz wieder ansteigender Bruttostromerzeugung führten der weitere Austausch veralteter Kraftwerke und die damit einhergehende Reduzierung der spezifischen Emissionen13 zu einem Absinken der Emissionen auf 337 Mt CO2e (2000). Seit 2000 blieben die spezifischen Emissionen konstant, so dass die absoluten Emissionen bis 2004 mit der Bruttostromerzeugung um 7 Prozent auf 359 Mt CO2e (2004) anstiegen14. Energiesektor: Historische Entwicklung Treibhausgasemissionen – Deutschland Basisjahr - 2004 in Mt CO2e Fernwärme* 397 43 Veränderung Basisjahr - 2004 in Prozent 359 28 -10% 349 29 337 27 320 310 331 Basisjahr 1995 2000 2004 Bruttostromerzeugung in TWh 550 537 577 616 12 CO2-Intensität** in t CO2e/MWh 0,69 0,64 0,57 0,57 -16 Stromerzeugung 354 -35 -6 * Heizwerke/KWK-Wärme der Energieversorgungsunternehmen ** Auf Basis Nettostromerzeugung Quelle: UBA, AG Energiebilanzen, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Mit der Wiedervereinigung setzte im Jahr 1990 eine durchgreifende Modernisierung des ostdeutschen Energiesektors ein. Sie lässt sich an der Entwicklung der Treib hausgasemissionen des Energiesektors direkt nachvollziehen. Im Zeitraum von 1990 13Von 0,69 t CO2e/MWh (Basisjahr) auf 0,57 t CO2e/MWh (2004) – bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten. 14Die Bruttostromerzeugung entwickelte sich im betrachteten Zeitraum wie folgt: 550 TWh (1990), 537 TWh (1995), 577 TWh (2000), 616 TWh (2004). Schaubild 3 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 26 bis 1995 nahm, getrieben durch den starken Rückgang der Industrieproduktion in Ostdeutschland, die Stromnachfrage und mit ihr die Bruttostromerzeugung um etwa 2,5 Prozent ab. Da in diesem Zeitraum bereits die ältesten und am wenigsten effi zienten Anlagen aus dem Kraftwerkspark ausschieden, sank die CO2-Intensität der Stromerzeugung von 0,69 auf 0,64 t CO2e/MWh. Damit gingen die Emissionen des Energiesektors um 12 Prozent zurück von 397 auf 349 Mt CO2e. Die Modernisierung des Kraftwerksparks setzte sich bis etwa zum Jahr 2000 fort, die CO2-Intensität ging weiter zurück auf 0,57 t CO2e/MWh15. Trotz des Anstiegs der Bruttostromerzeu gung um 7 Prozent nahmen damit die Emissionen noch einmal um 3 Prozent ab auf 337 Mt CO2e. Da sich die Emissionsintensität der Stromversorgung seitdem nicht mehr signifikant verbessert hat, stiegen die Emissionen parallel zur Bruttostromerzeu gung bis zum Jahr 2004 wieder um rund 7 Prozent auf 359 Mt CO2e an. 15Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten. Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor seit 1990 27 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 28 Zukünftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion) Zukünftige Entwicklung der Treibhausgas emissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“Projektion) Im Energiesektor in Deutschland steigen die Treibhausgasemissionen in der „Stand der Technik“-Projektion deutlich an. Insbesondere im Zeitraum bis 2020 führt der Ausstieg aus der Kernkraft dazu, dass – ohne weitere politische Eingriffe – ein Mix aus CO2-intensiveren Gas- und Kohlekraftwerken zugebaut werden müsste. Die Emissionen des Energiesektors steigen dadurch in der „Stand der Technik“-Projektion – bei insgesamt leicht steigender Bruttostromerzeugung16 – von 359 Mt CO2e (2004) auf 408 Mt CO2e (2020) bzw. 415 Mt CO2e (2030). Entsprechend erhöht sich die CO2Intensität der Stromerzeugung von 0,57 t CO2e/MWh (2004) auf 0,64 t CO2e/ MWh (2020) bzw. 0,62 t CO2e/MWh (2030)17. „Stand der Technik“-Projektion: Methodik Als Aufsetzpunkt für die Bewertung von technischen Hebeln zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen in Deutschland wurde in der vorliegenden Studie eine „Stand der Technik“-Projektion erstellt. Diese Fortschreibung der Emissionsentwicklung je Sektor beruht auf zwei Grundprinzipien: Das derzeit prognostizierte Mengenwachstum (z.B. Produktionswachstum in der In dustrie und der sich daraus ergebende Anstieg des Stromverbrauchs) wird als gege ben vorausgesetzt. In Summe entspricht das hier angenommene Wachstum einem Wachstum des Bruttosozialprodukts um 1,6 Prozent pro Jahr. Angenommen wird, dass alle neu angeschafften Güter jeweils auf dem durchschnitt lichen Stand der Technik sind, der im heutigen Verkaufs- bzw. Investitionsmix er reicht ist. Dabei werden für die verschiedenen Wirtschaftszweige jeweils spezifische Lebensdauern für verschiedene Güter berücksichtigt. In dieser „Stand der Technik“-Projektion durchdringt der heutige Verkaufs- bzw. Investi tionsmix über Zeit den Bestand, bis nach komplettem Austausch aller Güter bzw. An lagen für den gesamten Bestand die Effizienz dieses heutigen Verkaufs- bzw. Investi tionsmix erreicht ist. Diese „Stand der Technik“-Projektion erlaubt eine Bewertung von technischen Vermeidungshebeln, bei der Doppelzählungen vermieden werden. Damit unterscheidet sich die „Stand der Technik“-Projektion von einem Business as usual-Sze nario, das üblicherweise implizit sowohl eine zu erwartende Weiterentwicklung von Tech nologien als auch eine über den heutigen Verkaufs- bzw. Investitionsmix hinausgehende Durchdringung des Bestands mit der effizientesten Technik annimmt. 16Die Bruttostromerzeugung steigt in der „Stand der Technik“-Projektion von 616 TWh (2004) auf 636 TWh (2020) bzw. 661 TWh (2030). Darin sind neben dem Stromverbrauch aus dem Industrie- und dem Gebäudesektor (2004: 516 TWh) auch der Stromverbrauch von Schienenfahrzeugen sowie der Eigenverbrauch der Kraftwerke und Netzverluste enthalten. 17Berechnet auf Basis der Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten. 29 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 30 Bei der Bestandserneuerung wurde davon ausgegangen, dass die ausgetauschten Güter jeweils vollständig vom deutschen Markt verschwinden und in Deutschland keine Energie mehr verbrauchen bzw. keine Emissionen mehr verursachen. Emissi onen, die durch einen Export „ausgebrauchter“ Güter (beispielsweise die Weitergabe alter Fahrzeuge oder Flugzeuge ins Ausland) entstehen könnten, wurden – im Sinne der Abgrenzung des Kyoto-Reportings – nicht auf die zukünftigen Treibhausgasemis sionen in Deutschland angerechnet. Ferner wurde unterstellt, dass der Umfang zusätz licher Emissionen, die durch eine Weiterverwendung ausgetauschter Güter innerhalb Deutschlands (z.B. Einsatz alter Kühlschränke oder Fernseher als Zweit- oder Dritt geräte) entstehen könnten, sich nicht signifikant auf den Gesamtenergieverbrauch bzw. die Gesamtemissionen auswirkt. Bei der Ableitung der „Stand der Technik“-Projektion blieben politische Zielsetzungen und Selbstverpflichtungen einzelner Industrien unberücksichtigt. Gleiches gilt für staat liche Förderprogramme wie den Ausbau erneuerbarer Energien auf Basis des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz). Hier wurden lediglich Projekte berücksichtigt, die sich bereits heute im Bau oder in Planung befinden. Der Ausstieg aus der Kernenergie für die Stromerzeugung in Deutschland wurde als geltendes Recht im Basisszenario als gesetzt angenommen. Die „Stand der Technik“-Projektion unterstellt für alle Sektoren bereits ambitionierte Investitionsentwicklungen. Durch den angenommenen Austausch des Bestands im regulären Investitionszyklus und das Vordringen des heutigen Stands der Technik wer den damit in vielen Wirtschaftszweigen im Vergleich zur Effizienz im heutigen Bestand deutliche Effizienzgewinne erzielt. „Stand der Technik“-Projektion: Annahmen und Ergebnisse für den Energiesektor Im Energiesektor musste für die „Stand der Technik“-Projektion sowohl mit Blick auf die Energienachfrage als auch mit Blick auf die Energieversorgung eine Reihe von An nahmen getroffen werden: Die Entwicklung der Stromnachfrage wurde für die verbrauchenden Sektoren In dustrie, Gebäude und Transport im Rahmen der Studie detailliert abgeschätzt, in dem für jeden Sektor jeweils eine eigene „Stand der Technik“-Projektion entwickelt wurde, die das Wachstum des Sektors sowie das Vordringen effizienterer Technik in den Bestand berücksichtigt. Auf dieser Basis würde die Bruttostromerzeugung in der „Stand der Technik“-Projektion gegenüber 2004 bis zum Jahr 2020 um 4 Pro zent (auf 636 TWh) und bis zum Jahr 2030 um 7 Prozent (auf 661 TWh) ansteigen. Für die Entwicklung der Stromerzeugung wurden verschiedene technologiespezi fische Annahmen getroffen: •Kernkraft: In der „Stand der Technik“-Projektion wurde gemäß geltender poli tischer Beschlusslage der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie angenom men. Im Jahr 2004 hatte die Kernenergie noch einen Anteil von 27 Prozent an der Bruttostromerzeugung. In der „Stand der Technik“-Projektion fällt dieser An teil auf 2 Prozent im Jahr 2020. Von heute rund 20 GW würden dann noch 2 GW Zukünftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion) genutzt. Im Jahr 2022 würden die letzten Kernkraftwerke vollständig aus dem Kraftwerkspark ausscheiden. •Braunkohle: Bestehende Braunkohlekraftwerke, die heute eine Gesamtkapazi tät von ca. 21 GW besitzen, scheiden in der „Stand der Technik“-Projektion nach Ende ihrer mit 45 Jahren angenommenen Lebensdauer aus dem Kraftwerkspark aus. Für die jeweils verbleibenden Kraftwerke wird von einer durchschnittlichen Auslastung von 85 Prozent bzw. 7.450 Volllaststunden ausgegangen. Dies ent spricht im Wesentlichen der heutigen Auslastung. Darüber hinaus wurde ein Zu bau von neuen Braunkohlekraftwerken angenommen, der die Gesamtkapazität bis zum Jahr 2020 auf ca. 23 GW erhöht. Hier liegt die Prämisse zugrunde, dass die als konstant angenommene Braunkohlefördermenge vollständig in Deutsch land verstromt wird. Aufgrund von Effizienzsteigerungen lässt sich so mittels der heutigen Braunkohlemenge bis zum Jahr 2030 ein leichter Erzeugungszuwachs erreichen. •Steinkohle: Auch die derzeit im Bestand befindlichen Steinkohlekraftwerke, die eine Gesamtkapazität von ca. 28 GW besitzen, scheiden in der „Stand der Technik“-Projektion nach Ende ihrer mit 45 Jahren angenommenen Lebens dauer aus dem Kraftwerkspark aus. Die Auslastung der jeweils verbleibenden Kraftwerke sinkt von heute durchschnittlich 55 Prozent bzw. 4.800 Volllaststun den auf durchschnittlich 39 Prozent bzw. 3.400 Volllaststunden im Jahr 2020, um dann konstant zu bleiben18. •Gas: Bestehende Gaskraftwerke, die derzeit eine Kapazität von ca. 22 GW be sitzen, scheiden in der „Stand der Technik“-Projektion ebenfalls nach Ende ihrer mit 30 Jahren angenommenen Lebensdauer aus dem Kraftwerkspark aus. Für die jeweils verbleibenden Kraftwerke wurde die heutige durchschnittliche Aus lastung von 39 Prozent bzw. 3.400 Volllaststunden unterstellt19. Hierbei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die Auslastungen einzelner Kraftwerke deut lich voneinander abweichen können, je nachdem, ob sie als Grundlast- oder als Spitzenlastkraftwerke gefahren werden. •Öl-basierte und sonstige Stromerzeugungsanlagen: Wegen ihrer geringen Be deutung in Deutschland wurden für diese Anlagen in der „Stand der Technik“Projektion vereinfachend konstante Kapazität und Produktion mit konstanter CO2-Intensität unterstellt. •Wasserkraft: Bestehende Wasserkraftanlagen mit einer Kapazität von ca. 9 GW werden weitergeführt und bei Bedarf ersetzt oder nachgerüstet. Daraus er gibt sich eine Zunahme der Kapazität von 1 GW bis zum Jahr 2020. Ein darü ber hinausgehender Zubau ist aufgrund der geologischen Gegebenheiten in Deutschland kaum möglich und wird in der „Stand der Technik“-Projektion nicht angenommen. 18Der Rückgang der Auslastung ist bedingt durch eine sich mit zunehmendem Alter der Kraftwerke verschlechternde Kostenstruktur und mehr Stillstandzeiten, d.h., der Altbestand an Steinkohlekraftwerken bewegt sich in der Merit-OrderKurve schrittweise vom Grundlast- in den Spitzenlastbereich. 19Hier kommt der zuvor für die Steinkohlekraftwerke beschriebene Alterungseffekt im Durchschnitt nicht zum Tragen. 31 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 32 • E rneuerbare Energien: Bestehende Anlagen, insbesondere Wind mit einer der zeit installierten Kapazität von ca. 21 GW (Stand Mitte 2007), werden unter Annahme historischer Auslastungen (z.B. Wind Onshore 1.750 Volllaststunden pro Jahr) bis 2030 weiterbetrieben. Ein über den heutigen Bestand bzw. den begonnenen oder in konkreter Planung befindlichen Kapazitätsausbau hinaus gehender Ausbau erfolgt in der „Stand der Technik“-Projektion nicht, da diese Anlagen ohne Förderung nicht wettbewerbsfähig sind. •Kraft-Wärme-Kopplung: In der „Stand der Technik“-Projektion wird die gekop pelt erzeugte Strommenge aus fossilen und erneuerbaren Energiequellen kon stant gehalten. • S trom-Import/-Export: Im Jahr 2004 wurden per Saldo 7 TWh bzw. 1 Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung exportiert. Da die Größenordnung dieses Effekts vernachlässigbar ist, wird in der „Stand der Technik“-Projektion von einer ausgeglichenen Import-Export-Bilanz ausgegangen. • F ür den Ersatz der aufgrund der politischen Beschlusslage aus dem Kraftwerks park ausscheidenden Kernkraftwerke und der am Ende ihrer Nutzungsdauer stillgelegten, fossil befeuerten Kraftwerke sowie zur Deckung des wachsenden Strombedarfs in der „Stand der Technik“-Projektion wurde ein zweistufiges Vor gehen gewählt: In einem ersten Schritt wurden alle derzeit im Bau befindlichen Kraftwerke sowie jene, deren Bau aufgrund fortgeschrittener Planungen abzu sehen ist, als Neubau angenommen (11 GW Steinkohle, 3 GW Braunkohle und 11 GW Erdgas). Für die Braunkohle wurde, wie oben bereits näher beschrieben, mit einer bei konstanter Fördermenge leicht ansteigenden Erzeugung gerechnet. Die Nettonutzungsgrade der Ersatzinstallationen sind höher als die der aus dem Kraftwerkspark ausscheidenden Kraftwerke. In einem zweiten Schritt wurde dann für den verbleibenden Bedarf ein Neubaumix aus Steinkohle und Erdgas im Erzeugungsverhältnis 50:50 unterstellt. Der sich in diesen beiden Schritten ergebende Neubaumix bildet zugleich die Referenztechnologie für die Bewer tung der Hebel zur Treibhausgasvermeidung im Energiesektor. Aus den oben genannten Annahmen ergibt sich in der „Stand der Technik“-Projektion für den Zeitraum bis zum Jahr 2030 der in Schaubild 4 dargestellte Mix der Stromer zeugung. Zukünftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion) 33 Energiesektor: „Stand der Technik“-Projektion Bruttostromerzeugung – Deutschland 2004 - 2030* in TWh Erneuerbare Energien** Wasserkraft*** Öl und Sonstige**** Erdgas Steinkohle 616 37 28 25 62 58 30 25 58 31 25 +7% 1,8 0,4 0 140 3,2 204 218 1,7 179 190 0,7 14 2020 0 2030 126 140 Braunkohle 158 Kernenergie 167 2004 * ** *** **** 636 Wachstumsrate in Prozent 661 Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg Exklusive Wasserkraft Inklusive nicht erneuerbarer Wasserkraft (ca. 6 TWh) Z.B. nicht biogener Müll, Grubengas „Stand der Technik“Projektion Quelle: UBA, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Wärmenachfrage: Die Nachfrage nach Fernwärme wurde vor dem Hintergrund des vergleichsweise geringen Anteils der mit ihr verbundenen Emissionen in der „Stand der Technik“-Projektion als konstant angenommen. Wärmeversorgung: Der Erzeugungsmix der Fernwärme (Kraft-Wärme-Kopplung und reine Heizwerke) und die damit verbundenen Emissionen wurden in der „Stand der Technik“-Projektion ebenfalls als konstant angenommen. In der „Stand der Technik“-Projektion steigen die Treibhausgasemissionen aus der Energieversorgung in Deutschland bis 2020 um 14 Prozent bzw. 49 Mt CO2e gegen über 2004, bis 2030 dann um weitere 2 Prozent bzw. 7 Mt CO2e. Schaubild 4 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 34 Energiesektor: „Stand der Technik“-Projektion Treibhausgasemissionen – Deutschland 2004 - 2030* Stromerzeugung in Mt CO2e Fernwärme Öl und Sonstige** Erdgas Steinkohle Braunkohle 408 28 20 40 415 28 20 44 117 149 152 171 171 171 2020 2030 359 28 20 23 2004 Wachstumsrate in Prozent +16% 0 0 2,6 1,0 0 „Stand der Technik“-Projektion Bruttostromerzeugung TWh CO2-Intensität*** in t CO2e/MWh 616 636 661 0,3 0,57 0,64 0,62 0,3 * Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg ** Z.B. nicht biogener Müll, Grubengas *** Auf Basis Nettostromerzeugung, einschließlich Kernkraft und erneuerbare Energien Schaubild 5 Quelle: UBA, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Dieser Anstieg ist zu einem geringeren Teil auf die Zunahme des Stromverbrauchs in Industrie, Haushalten, Gewerbe, Handel und Dienstleistungssektor zurückzuführen (Zunahme um 4 Prozent bis 2020), zu einem größeren Teil aber auf den Anstieg der CO2-Intensität der Stromerzeugung. Die Annahme des Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie und die Konstanz der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und KWK in der „Stand der Technik“-Projektion zieht zwangsläufig einen Zubau von CO2-emittierenden Kohle- (und Gas-)Kraftwerken nach sich und führt so zu einer Ver schlechterung der CO2-Intensität der Stromerzeugung von 0,57 auf 0,64 t CO2e/ MWh bis zum Jahr 202020. Bis zum Jahr 2030 würden die Treibhausgasemissionen um wei tere 5 Mt CO2e ansteigen und damit 16 Prozent über dem Niveau von 2004 liegen. Dabei steigt die erzeugte Bruttostrommenge gegenüber dem Jahr 2020 noch einmal leicht an, während die spezifischen Emissionen durch das Vordringen modernerer Technik in den Kraftwerkspark leicht zurückgehen. Die „Stand der Technik“-Projektion illustriert das Spannungsfeld, in dem sich die Strom erzeugung in Deutschland in den kommenden Jahren befindet. Der Ausstieg aus der Kernkraft erfordert einen signifikanten Neubau von Erzeugungskapazitäten. Nach rein wirtschaftlichen Erwägungen (und in der „Stand der Technik“-Projektion ohne Berück sichtigung von CO2-Kosten und von Subventionen/Förderung) würden die notwen digen Neubaukapazitäten durch die Errichtung emissionsintensiver Kohle- oder Gas anlagen abgedeckt. Erneuerbare Energien, ohne Förderung nicht wettbewerbsfähig, hätten keinen Anteil an den zugebauten Kapazitäten. 20Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten. Zukünftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion) 35 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 36 Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Hebel zur Reduzierung der Treibhausgas emissionen im Energiesektor In der vorliegenden Studie wurden insgesamt über 300 technische Vermeidungshe bel bewertet, davon mehr als 30 im Energiesektor. Damit sind nach Einschätzung der beteiligten Unternehmen und Verbände alle derzeit diskutierten technischen Ansatz punkte mit mittlerer bis hoher Realisierungswahrscheinlichkeit abgedeckt. Bewertung von Hebeln zur Vermeidung von Treibhausgasemis sionen: Methodik Bei der Bewertung der Vermeidungshebel wurde als Aufsetzpunkt die „Stand der Technik“-Projektion verwendet, die im vorigen Kapitel beschrieben ist. Die Bewertung der Vermeidungspotenziale und -kosten betrachtet neben dem Jahr 2020 auch das Jahr 2030, da im Zeitraum zwischen 2020 und 2030 erhebliche technologische Wei terentwicklungen vor allem im Bereich der Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage – CCS) zu erwarten sind. Auf eine weitere Ausweitung des Zeithorizonts wurde verzichtet, da die Einschätzung weitergehender technolo gischer Entwicklungen für die Jahre nach 2030 aus heutiger Perspektive mit zu hohen Unsicherheiten behaftet ist. Allerdings ist davon auszugehen, dass im Zeitraum bis 2030 weitere innovative Technologien auf den Markt kommen können, die gegenüber heute eine weitere Steigerung der Energieeffizienz bzw. eine weitere Senkung von Emissionen bewirken können. Jede Maßnahme wurde hinsichtlich ihres Vermeidungspotenzials für Treibhausgas emissionen und ihrer Nettokosten im Vergleich zur Referenztechnologie in der „Stand der Technik“-Projektion bewertet. Die Bewertung des Vermeidungspotenzials erfolgte in drei Schritten: 1.Ermittlung des maximalen technischen Vermeidungspotenzials unter Berücksich tigung von externen Limitationen (z.B. technische Realisierbarkeit, Ressourcen knappheit oder Zyklen der Bestandserneuerung) 2.Festlegung der erwarteten Durchdringungsraten unter der hypothetischen Annah me, dass der Entscheider für die Mehrkosten der jeweiligen Maßnahme kompen siert wird. Die Durchdringung wurde so im Vergleich zum maximalen technischen Potenzial verringert, um beispielsweise nicht ökonomisch motivierten Präferenzen der Entscheider Rechnung zu tragen (z.B. Ablehnung von Energiesparlampen auf grund besonderer Beleuchtungsbedürfnisse). Grundsätzlich reflektieren die Annah men über die Durchdringungsraten aber ambitionierte und trotzdem in der Praxis realisierbare Umsetzungsvolumina. 3.Berücksichtigung von Interdependenzen mit anderen Vermeidungshebeln. Dies ist insbesondere im Energiesektor wichtig, da das Vermeidungspotenzial von der Rei henfolge der Betrachtung der Maßnahmen abhängt. Grundsätzlich wurden dabei folgende Priorisierungsregeln angewendet, über deren Nutzung jedoch im Einzelfall jeweils pragmatisch entschieden wurde: 37 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 38 •Vermeidung vor Verminderung: Maßnahmen zur Vermeidung von Energiever brauch (z.B. Senkung des Stromverbrauchs) wurden vorlaufend bewertet, da sie in der Regel wirtschaftlich sind. Für die Berechnung der Vermeidungspotenziale im Energiesektor wurde zunächst die Stromnachfrage ermittelt, die sich nach Umsetzung aller Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in den anderen Sektoren ergibt. Auf der Basis dieser reduzierten Nachfrage wurden dann die Vermeidungshebel zur Senkung der Treibhausgasemissionen in der Erzeugung bewertet. •Vorhandene Technologien vor Zukunftstechnologien: Eine schnelle Umsetzung von Vermeidungshebeln ist nur in den Fällen möglich, in denen die notwendigen Technologien heute schon vorhanden sind. Entsprechende Vermeidungshebel (z.B. Verbesserung existierender Kraftwerkstechnik) wurden daher vor Hebeln priorisiert, die technologische Weiterentwicklung erfordern (z.B. CCS). Die Berechnung der Vermeidungspotenziale erfolgte auf Basis der direkten Wirkung der Hebel. Vor- und Nachkette wurde im Rahmen dieser Studie abgesehen von der Bestimmung der Vermeidungspotenziale von Biokraftstoffen im Transportsektor nicht berücksichtigt, um Doppelzählungen zu vermeiden21. Bei der Berechnung der Vermeidungskosten wurde jeweils die Differenz zwischen den Kosten des Vermeidungshebels und den Kosten der jeweiligen Referenztechnologie auf Basis einer Vollkostenrechnung bewertet, die Betriebskosten und Investitionen umfasst. Die Berechnung erfolgte nach spezifischer Prüfung, welche Referenztechnologie/-an lage durch die Maßnahme verdrängt wird. So führt beispielsweise der verstärkte Aus bau erneuerbarer Energien zu einer Verminderung des Zubaus und wird damit gegen den im Wesentlichen aus Braun- und Steinkohle und Erdgas bestehenden Mix gerech net. Bei Carbon Capture and Storage hingegen ist die Referenz jeweils der spezifische Energieträger (Braunkohle-CCS gegen Braunkohle in verbesserter Kraftwerkstechnik). Der Kostenunterschied ergibt sich aus der Differenz der Kosten für die Maßnahme und den vermiedenen Kosten der Referenztechnologie. Weiterhin wurden für neue Tech nologien jeweils technologiespezifische Lernraten unterstellt, die zu einer allmählichen Kostendegression bis 2020 bzw. bis 2030 führen. An einem Beispiel aus dem Energie sektor kann das Vorgehen illustriert werden: Die Stromgestehungskosten für Photo voltaikstrom betragen heute ca. 340 EUR/MWh22. Auf Basis historischer Lernraten wurde bis 2030 eine Degression der Investitionskosten in Höhe von 75 Prozent ange nommen. Dadurch reduzieren sich die Stromgestehungskosten auf ca. 100 EUR/ MWh im Jahr 2030. Die Berechnung der Vermeidungskosten erfolgte zum einen aus Perspektive des je weiligen Entscheiders, zum anderen aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive. Während die Vermeidungspotenziale der beiden Perspektiven sich nicht unterscheiden, gibt es im Energiesektor insbesondere bei den erneuerbaren Energien deutliche Unterschiede in den Vermeidungskosten. Aufgrund der Förderung sind die Vermeidungskosten aus Entscheiderperspektive deutlich niedriger als aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive. 21Neben der Stromerzeugung auf Basis von Biomasse und Photovoltaik fallen auch bei der CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) in der Vorkette Treibhausgasemissionen an. 22Freiflächenanlage größer 1 MW Spitzenleistung. Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Bei der Bewertung der Vermeidungshebel aus der Entscheiderperspektive wur de insbesondere mit den jeweils spezifischen Amortisierungszeiträumen gerech net. Für alle Investitionen im Energiesektor wurde in der Entscheiderperspektive mit einer Amortisierungsdauer von 20 Jahren gerechnet. Die einzige Ausnahme bilden Offshore-Windkraftanlagen mit einer Amortisierungsdauer von 15 Jahren. Als Zinssätze in der Entscheiderperspektive wurden 7 Prozent real angenommen. Förderungen für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (EEG) und KraftWärme-Kopplung (KWKG) wurden in der Entscheiderperspektive so berücksich tigt, wie sie sich in heutiger Gesetzgebung darstellen bzw. mit den hinterlegten Degressionen für die Zukunft ergeben werden23. Steuern spielen hingegen in der Entscheiderperspektive im Energiesektor keine Rolle, da der Brennstoffeinsatz von einer Besteuerung ausgenommen ist, wenn er der Stromerzeugung dient. Auch Veränderungen in der Kaufbereitschaft, die sich aus der Umsetzung einzelner Ver meidungshebel ergeben können, wurden nicht abgebildet. Im vorliegenden Bericht zeigen wir – sofern nicht ausdrücklich anders angegeben – Vermeidungskosten aus der Entscheiderperspektive. Bei der Bewertung aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive wurden gesamtwirt schaftliche Amortisierungszeiträume veranschlagt (z.B. 45 Jahre für Kohlekraft werke und 30 Jahre für Gaskraftwerke). Die Kapitalkosten betragen wie in der Entscheiderperspektive 7 Prozent real. Kosteneinsparungen, z.B. durch reduzierte Energiekosten, wurden zu Herstellkosten der eingesparten Güter eingerechnet. Förderprogramme, Steuern und Transaktionskosten blieben bei der gesamtwirt schaftlichen Perspektive unberücksichtigt. Auf eine separate Darstellung der ge samtwirtschaftlichen Perspektive wurde hier verzichtet, da für die Umsetzung der einzelnen Vermeidungshebel vor allem relevant ist, wie attraktiv sie für die jeweiligen Investoren sind. Lediglich bei den erneuerbaren Energien ist ein Vergleich beider Perspektiven dargestellt. Vermeidungspotenziale und -kosten wurden für jeden Sektor in einer Vermeidungs kostenkurve zusammengestellt. Diese Kurve zeigt auf der X-Achse, welchen Beitrag jeder einzelne Vermeidungshebel zur Treibhausgasvermeidung liefert. Auf der Y-Achse sind die Vermeidungskosten pro Tonne CO2e für den jeweiligen Vermeidungshebel ab getragen, und zwar jeweils für ein bestimmtes Jahr. Die Vermeidungshebel, die sich links in der Vermeidungskurve (auf oder unterhalb der Nulllinie) befinden, sind aus Ent scheidersicht über die Nutzungsdauer der Maßnahme wirtschaftlich, d.h. entweder kostenneutral oder sogar mit einer Ersparnis verbunden. Von links nach rechts sind die Maßnahmen in aufsteigender Reihenfolge nach der Höhe der jeweiligen Vermeidungs kosten sortiert. Dabei sind die Vermeidungshebel jeweils überschneidungsfrei (auch für sich gegenseitig ausschließende Hebel), so dass das Vermeidungspotenzial aller Hebel über die Kurve addiert werden kann. Die Reihenfolge impliziert allerdings nicht, dass die Vermeidungshebel in der dargestellten Abfolge umgesetzt werden sollen. Eine Addition der Vermeidungskosten über die verschiedenen Sektoren hinweg ist dagegen nicht möglich, da es hierbei – auf Grund der gewählten Entscheiderperspektive – zu Überschneidungen kommt. Für die Berechnung der Vermeidungspotenziale im Energiesektor wurde zunächst die Stromnachfrage ermittelt, die sich nach Umsetzung aller Maßnahmen zur Steigerung 23„Erfahrungsbericht 2007 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)“, BMU, 2007. 39 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 40 der Energieeffizienz in den anderen Sektoren ergibt. Auf der Basis dieser reduzierten Nachfrage wurden dann die Vermeidungshebel zur Senkung der Treibhausgasemis sionen in der Stromerzeugung bewertet. Die Berechnung der Vermeidungskosten für die Hebel im Energiesektor erfolgte jeweils im Vergleich mit der spezifischen Referenz technologie bzw. -anlage, die durch die Umsetzung des Hebels ersetzt wird. Für die Bewertung von Maßnahmen zur Steigerung der Stromeffizienz in den Be reichen Industrie, Gebäude und Transport wurde die durchschnittliche CO2-Intensität der Stromerzeugung der zugebauten Kapazität aus der „Stand der Technik“-Projektion zu Grunde gelegt24. Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Intensität in der Strom erzeugung wurden dem Energiesektor zugerechnet. Entsprechende Effekte aus der Stromerzeugung in industriellen KWK-Anlagen wurden ebenfalls im Energiesektor be rücksichtigt, auch wenn der verstärkte Einsatz entsprechender Anlagen durch die In dustrie veranlasst wird. Das entsprechende Vermeidungspotenzial in der industriellen Wärmeerzeugung wurde hingegen dem Industriesektor zugerechnet. Im Vergleich mit dem Basisszenario wurde auch ein „Öl-Hochpreisszenario“ bewertet. In diesem sinken die Vermeidungskosten der meisten Maßnahmen in den energiever brauchenden Sektoren im Vergleich zur jeweiligen Referenztechnologie um 10 EUR/t CO2e bis zu 50 EUR/t CO2e, da insbesondere durch Energieeffizienzmaßnahmen bei höheren Ölpreisen höhere Einsparungen entstehen. Die verstärkte Nutzung von Erd gas im Energiesektor (anstelle von Stein- oder Braunkohle) wäre durch die gestiegenen Gaspreise in einem solchen Szenario mit höheren Vermeidungskosten verbunden. Wesentliche makroökonomische Grundannahmen sind in der folgenden Tabelle zu sammengefasst. Sektorübergreifende Grundannahmen • Jährliches Wachstum BIP • BevölkerungsAllgemeine Grundannahmen • entwicklung in Mio. Diskontierungsraten (real) – Energiesektor – Industriesektor – Gewerbe – Privatpersonen • Rohöl in USD pro Barrel* – Hochpreisszenario Energiepreise, real (2005) Annahmen 2010 2020 2030 Quelle 1,6% 1,6% 1,6% Global Insight 82,0 80,7 78,5 7% 9,5% 9% 4% 7% 9,5% 9% 4% 7% 9,5% 9% 4% 57 52 59 DESTATIS Arbeitsgruppen Annual Energy Outlook 2007 (EIA) 63 66 75 EWI/EEFA** • Steinkohle 7,2 7,6 8,1 EWI/EEFA** • Braunkohle 4,3 4,3 4,3 EWI/EEFA** 20,1 18,8 20,3 EWI/EEFA** 22,0 23,0 25,0 EWI/EEFA** in EUR/MWh in EUR/MWh • Erdgas*** in EUR/MWh – Hochpreisszenario * Umrechnung: 1 EUR = 1,2 USD ** Energiewirtschaftliches Gesamtkonzept 2030 *** Frei Kraftwerk; berechnet auf Basis EIA Ölpreis Schaubild 6 Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ 24Die durchschnittliche CO2-Intensität des Zubaumix aus Kohle und Erdgas nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und nach Netzverlusten sinkt in der „Stand der Technik“-Projektion von 0,72 t CO2e/MWh (2004) auf 0,64 t CO2e/MWh (2020) und steigt dann auf 0,68 t CO2e/MWh (2030). Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Da die Vermeidungspotenziale und -kosten der einzelnen Vermeidungshebel im Ener giesektor wesentlich von rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen be einflusst werden, wurden in der vorliegenden Studie mit Blick auf den Energiesektor drei Szenarien bewertet: Neben dem Basisszenario gibt es ein „Öl-Hochpreisszenario“ und ein Szenario „Kernenergie“. Im Folgenden werden die drei betrachteten Szenarien detailliert erläutert. Das Basisszenario setzt auf den aktuellen politischen Rahmenbedingungen auf, be rücksichtigt jedoch auch Interdependenzen mit den Sektoren Industrie, Gebäude und Transport, wie z.B. die Entwicklung des Energieverbrauchs und der KraftWärme-Kopplung. Das Basisszenario entspricht damit weitgehend, aber nicht vollständig dem für den Energiegipfel 2007 erarbeiteten EWI/Prognos-Szenario „Koalitionsvertrag“25. Konkret heißt dies: •Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie erfolgt wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Im Jahr 2020 werden noch 14 TWh Strom aus Kernenergie erzeugt. Es wird davon ausgegangen, dass in den Jahren 2020/21 die Laufzeiten der Kraftwerke Emsland, Neckar 2 und Isar 2 enden. Von einer Umverteilung von Restlaufzeiten von älteren auf neuere Kraftwerke mit der Folge einer früheren Abschaltung älterer Blöcke und einem Auslaufen der letzten Kernkraftwerke erst in den Jahren 2022 bis 2025 wird nicht ausgegangen. •Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien – Biomasse, On- und OffshoreWindkraft, Photovoltaik, Geothermie und erneuerbare Wasserkraft – wird bis zum Jahr 2020 auf 132 TWh zunehmen. Dies entspricht der Annahme im EWI/Pro gnos-Szenario „Koalitionsvertrag“. Eine stärkere Zunahme, etwa auf 163 TWh, wie im EWI/Prognos-Szenario „Stärkerer Ausbau erneuerbarer Energien“26 an genommen, wird derzeit verhindert durch die aktuellen bzw. zu erwartenden Degressionssätze der Einspeisevergütung, die im Rahmen des ErneuerbareEnergien-Gesetzes (EEG) gewährt werden. Insbesondere die Förderung von Offshore-Windkraftanlagen, wie derzeit im EEG hinterlegt27, wäre hier prohibitiv niedrig. Aus dem „Erfahrungsbericht 2007 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)“ des BMU lässt sich ablesen, dass für den aus Entscheidersicht wirt schaftlichen Betrieb einer Offshore-Windkraftanlage eine Förderung zwischen 11,0 und 14,0 Cent/kWh erforderlich ist28. Da die Politik die Notwendigkeit zur gezielten Förderung der Offshore-Windkraft erkannt hat, wird im Basisszenario davon ausgegangen, dass entsprechend eine Förderung von 11,0 Cent/kWh erfolgt. •Die Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) nimmt im Basisszena rio von 63 TWh heute bis zum Jahr 2020 um knapp 60 Prozent auf 100 TWh zu. Der überwiegende Teil des Zuwachses stammt dabei aus der Kraft-WärmeKopplung aus Nahwärme und Objektversorgung (von 8 TWh im Jahr 2005 auf 30 TWh im Jahr 2020). Bei industrieller KWK wird ein Anstieg von 29 auf 39 TWh gesehen, da in den Bereichen, in denen KWK möglich ist, diese bereits vielfach 25„Energieszenarien für den Energiegipfel 2007“, EWI/Prognos, 2007. 26„Energieszenarien für den Energiegipfel 2007“, EWI/Prognos, 2007. 2712 Jahre erhöhte Vergütung i.H.v. 91 EUR/MWh danach Basisvergütung 62 EUR/MWh, ab 2008 Degression von 2 Prozent pro Jahr. 28 „Erfahrungsbericht 2007 zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG)“, BMU, 2007. 41 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 42 umgesetzt wurde und der Wärmebedarf insgesamt nicht steigt. Im Bereich der Fernwärmeerzeugung lässt sich die KWK-Strommenge kaum noch steigern. Vor dem Hintergrund abnehmender Fernwärmenachfrage (infolge verbesserter Ge bäudedämmung) kann die Strommenge nur noch über einen Anstieg der Strom kennziffer gehalten, allenfalls sehr moderat gesteigert werden. Die im EWI/Prog nos-Szenario „Koalitionsvertrag“ angenommenen 125 TWh KWK-Strommenge konnten damit aus der detaillierten Analyse der Potenziale im Industrie- und Ge bäudesektor sowie zentraler Versorgung nicht abgeleitet werden29. •Es wird angenommen, dass CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) bei allen kohlebasierten und zudem bei der Hälfte der erdgasbasierten Neubauten ab 2020 eingesetzt wird. Dies ist eine sehr ambitio nierte Annahme, da die entsprechenden Technologien erst in den nächsten Jah ren in die Testphase eintreten. Auch für Bestandsanlagen wird die Nachrüstung von CCS-Technologie ab 2020 im Zuge ohnehin anstehender großer Revisionen angenommen, und zwar für etwa die Hälfte der nach 2005 errichteten Kohle kraftwerke. •Die Entwicklung des Stromverbrauchs wurde bottom-up in den Sektoren Indus trie, Gebäude und Transport über die jeweiligen „Stand der Technik“-Projekti onen und spezifischen Vermeidungsmaßnahmen ermittelt. Daraus ergeben sich für die Sektoren Strombedarfe und über deren Aggregation unter Berücksichti gung von Netzverlusten, Pumpspeicher- und Eigenverbräuchen der Kraftwerke ergibt sich die erforderliche Bruttostromerzeugung. Dieses Verfahren unter scheidet sich wesentlich von einer Top-down-Ableitung über Vorgabe eines Effi zienzsteigerungsziels. Das Öl-Hochpreisszenario entspricht weitestgehend dem Basisszenario. Unab hängige Variable ist einzig der Rohölpreis. Wurde im Basisszenario in Anlehnung an EIA (2007)30 mit einem Ölpreisverlauf von 57, 52 und 59 USD/Barrel für die Jahre 2010, 2020 und 2030 (in realen Zahlen 2005) gerechnet, basiert das Öl-Hochpreis szenario entsprechend dem EWI/EEFA-Hochpreisszenario (2007) auf 63, 66 und 75 USD/Barrel31. Der Gaspreis wurde entsprechend angepasst, die Preise für Kohle hingegen konstant gehalten. Das Szenario Kernenergie unterscheidet sich vom Basisszenario lediglich durch die Annahme der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke von 32 auf 60 Jahre, wie sie technisch möglich und in verschiedenen anderen westlichen Industrie nationen üblich sind. Damit entspricht dieses Szenario bis auf die bereits im Basis szenario genannten Abweichungen (Kraft-Wärme-Kopplung, Stromnachfrage) wei testgehend dem EWI/Prognos-Szenario „KKW“32. Die dort unterstellte Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke um 20 Jahre auf 52 Jahre macht für 2020 keinen wesentlichen Unterschied und führt erst im Jahr 2030 zu einem geringeren Anteil von Kernenergie an der Stromversorgung. 29 30 31 32 „Energieszenarien für den Energiegipfel 2007“, EWI/Prognos, 2007. „Annual Energy Outlook 2007“, EIA, 2007. „Energiewirtschaftliches Gesamtkonzept“, EWI/EEFA, 2007. „Energieszenarien für den Energiegipfel 2007“, EWI/Prognos, 2007. Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Die quantitative Darstellung der Maßnahmen zur CO2-Vermeidung erfolgt zunächst im Basisszenario. Für die beiden übrigen Szenarien werden dann nachfolgend die we sentlichen Unterschiede im Vergleich dargestellt. In allen Szenarien wurde davon aus gegangen, dass Vermeidungshebel mit Kosten bis zu 20 EUR/t CO2e realisiert werden. Zudem wurden Hebel berücksichtigt, die zur politisch gewollten Umstellung des Ener giemix beitragen, insbesondere der weitere Ausbau erneuerbarer Energien33. Hebel zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen im Energie sektor bis 2020 In der Energiewirtschaft stellt – bei Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernenergie34 – im Rahmen der Umstellung des Energiemix der weitere Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2020 den wichtigsten Vermeidungshebel dar (34 Mt CO2e). Hierdurch entstehen für die Stromerzeuger Vermeidungskosten, die sich im Durchschnitt auf 32 EUR/t CO2e (2020) belaufen35. Mit der Umsetzung der entsprechenden Vermeidungshebel würde sich der Strommix in Deutschland im Jahr 2020 gegenüber heute erheblich verschieben: Erneuerbare Energien, Steinkohle und Braunkohle würden jeweils etwa ein Viertel, Gas ein Fünftel des Stroms in Deutschland liefern. Dadurch können – in Kombination mit dem reduzierten Strom bedarf aus dem Industrie- und dem Gebäudesektor sowie mit der erhöhten Effizienz konventioneller Kraftwerke – die Emissionen des Sektors gegenüber dem heutigen Stand trotz Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernkraft um 21 Prozent gesenkt werden. Insgesamt wurden im Energiesektor im Basisszenario Vermeidungshebel mit einem Potenzial von 76 Mt CO2e (2020) betrachtet. Davon lassen sich 55 Mt CO2e zu Ver meidungskosten bis 20 EUR/t CO2e realisieren oder stammen aus Hebeln, die Teil der politisch gewollten Umstellung des Energiemix sind. Dazu gehören mit einem Poten zial von 10 Mt CO2e auch vermiedene Verluste aus Eigenverbrauch der Kraftwerke und Netzverlusten, die sich aus der Nachfragereduzierung der stromverbrauchenden Sektoren ergeben. Nach Einbeziehung des Nachfragerückgangs (70 Mt CO2e) wür de eine Umsetzung dieser Vermeidungshebel die Emissionen des Energiesektors auf 283 Mt CO2e reduzieren, was gegenüber dem heutigen Stand einer Senkung um 21 Prozent entspräche. Gegenüber dem Basisjahr 1990 wäre dies eine Reduzierung um etwa 29 Prozent. Die zum politisch gewollten Umbau des Energiemix gehörenden Hebel, d.h. der Aus bau der erneuerbaren Energien (34 Mt CO2e, ohne Geothermie) und die Kraft-WärmeKopplung in der zentralen Stromversorgung (0,3 Mt CO2e), sowie die Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS, knapp 6 Mt CO2e), bieten im Jahr 2020 zusammen ein Vermeidungspotenzial von 40 Mt CO2e, die sich zu 33Exkl. Geothermie, da dieser Hebel im Vergleich zu den übrigen erneuerbaren Energien mit Vermeidungskosten von mehr als 100 EUR/t CO2e unverhältnismäßig teuer ist. Für 2020 wurden zur Umstellung des Energiemix die Potenziale aus ersten Anlagen für die Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) in Höhe von 6 Mt CO2e hinzugerechnet. 34 Zu den Auswirkungen einer Verzögerung des Ausstiegs aus der Kernenergie vgl. Seite 62. 35In der Berechnung der Vermeidungskosten aus Entscheidersicht ist die EEG-Förderung enthalten; ohne Berücksichtigung dieser Förderung würden die Vermeidungskosten der Maßnahmen im Durchschnitt bei knapp 80 EUR/t CO2e liegen. 43 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 44 durchschnittlichen Vermeidungskosten von 32 EUR/t CO2e realisieren lassen. Hinzu kommen knapp 5 Mt CO2e aus dem Einsatz verbesserter Kraftwerkstechnik zu Vermei dungskosten unter 20 EUR/t CO2e. Neben diesen Hebeln gibt es weitere, die jedoch nicht Bestandteil der politisch gewollten Umstellung des Energiemix sind und höhere Vermeidungskosten verursachen. Dazu gehört neben dem Einsatz verbesserter Kraft werkstechnik beim Neubau von Steinkohlekraftwerken (knapp 3 Mt CO2e) und der mit Vermeidungskosten von über 100 EUR/t CO2e teuren Geothermie insbesondere die Substitution von Kohle durch Gas im Kraftwerksneubau (18 Mt CO2e). Sie lässt sich für Steinkohle zu 28 EUR/t CO2e und für Braunkohle zu 50 EUR/t CO2e realisieren. Energiesektor: Vermeidungskostenkurve – Deutschland 2020* ENTSCHEIDERPERSPEKTIVE BASISSZENARIO 2020 Kosten in EUR/t CO2e 110 Geothermie 100 90 80 70 KWK Steinkohle 60 Biomasse (gasförmig) CCS Braunkohle (neu) Biomasse (Co-firing) KWK Erdgas Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (neu) Erdgas statt Braunkohle 50 40 30 Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (neu) 20 Biomasse (fest) 10 -20 -30 -40 -50 Wind Onshore Wind Offshore Vermiedene Verluste 0 -10 Erdgas statt Steinkohle CCS Steinkohle (neu) 5 10 15 20 25 30 Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (neu) Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (Retrofit) Photovoltaik Freifläche (> 1 MWp) Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (Retrofit) Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (Retrofit) Photovoltaik Gebäude (ca. 50 kWp) 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Kumuliertes Vermeidungspotenzial in Mt CO2e Umstellung Energiemix* Vermeidungshebel < 20 EUR/t CO2e Vermeidungshebel > 20 EUR/t CO2e * Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg und unter Berücksichtigung der Förderung von erneuerbaren Energien (EEG), inklusive 6 Mt CO2e aus CCS-Pilotprojekten Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Schaubild 7 Im Folgenden wird nun detailliert auf die Kosten und Potenziale der einzelnen Vermei dungshebel des Energiesektors im Jahr 2020 eingegangen. Hierzu zählen neben der Senkung der Energienachfrage aus den verbrauchenden Sektoren Industrie, Gebäude und Transport die Verbesserung konventioneller Kraftwerkstechnologie – im Neubau und durch Nachrüstung –, der Ausbau erneuerbarer Energien, die Abscheidung und Speicherung von CO2, der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und die Verschiebung des Zubaus neuer Kraftwerke von Kohle zu Gas36. 36Die Treibhausgasreduzierung, die sich aus der Laufzeitverlängerung der existierenden Kernkraftwerke ergibt, wird im Rahmen des Szenarios „Kernenergie“ separat betrachtet (vgl. Seite 62). Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Senkung der Energienachfrage Die Senkung der Energienachfrage ergibt sich aus den Maßnahmen zur Effizienzstei gerung, die in den Sektoren Industrie, Gebäude und Transport ausführlich abgeleitet wurden. Im Basisszenario wird im Jahr 2020 eine Reduzierung des Strombedarfs in Höhe von 19,5 Prozent (117 TWh) gegenüber der „Stand der Technik“-Projektion er reicht. Einschließlich der zurückgegangenen Nachfrage nach Fernwärme entspricht dies einem Vermeidungspotenzial in Höhe von 70 Mt CO2e. Aufgrund der verringer ten Stromnachfrage aus den Sektoren Industrie, Gebäude und Transport kommt es zudem zu einer Reduzierung des Eigenstromverbrauchs von Kraftwerken sowie der Netzverluste im Energiesektor. Die sich hieraus ergebende Vermeidung in Höhe von 10 Mt CO2e im Jahr 2020 wurde dem Energiesektor zugerechnet. Insgesamt resultiert damit aus den Effizienzsteigerungen in den stromverbrauchenden Sektoren eine Ver meidung in Höhe von 80 Mt CO2e. Verbesserung konventioneller Kraftwerkstechnologie Bereits in der „Stand der Technik“-Projektion ist der Einsatz heutiger moderner Kraft werkstechnologie, d.h. das Vordringen von Anlagen mit höheren Nettonutzungsgraden, berücksichtigt. Darüber hinausgehende Verbesserungen machen weitere Erhöhungen der Nettonutzungsgrade und damit Vermeidungen von Treibhausgasemissionen möglich. Ein Großteil des Potenzials ergibt sich im Neubau von Kraftwerken. Zudem lassen sich Treibhausgasemissionen durch die Nachrüstung von Bestandsanlagen mit effizienterer Kraftwerkstechnologie reduzieren. Mittels verbesserter Kraftwerks technologie können im Jahr 2020 gut 7 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von 24 EUR/t CO2e eingespart werden, davon knapp 5 Mt CO2e zu Vermeidungskosten unter 20 EUR/t CO2e. Für die Zeit nach 2010 wird davon ausgegangen, dass sich der Nettonutzungsgrad von neu gebauten Steinkohle-, Braunkohle- und Erdgaskraftwerken über den „Stand der Technik“ hinaus erhöht. Der Nettonutzungsgrad eines Erdgaskraftwerks auf heutigem Stand der Technik beträgt 56 Prozent37. Bis zum Jahr 2020 wird eine Verbesserung auf 61 Prozent er wartet. Diese Verbesserung wird zum einen getrieben durch kontinuierliche Anlagen optimierung, zum anderen durch temperaturresistentere Materialien (z.B. Keramik schaufeln), die höhere Turbineneintrittstemperaturen ermöglichen. Die Erhöhung des Nettonutzungsgrads geht einher mit einem Anstieg der Investitionskosten pro kW installierte Leistung. Im Vergleich zur „Stand der Technik“-Projektion steigen die Kos ten dadurch um 15 Prozent bis 2020. Das Vermeidungspotenzial im Jahr 2020 beträgt knapp 1 Mt CO2e. Diesem relativ geringen Potenzial liegen zwei Ursachen zu Grunde. Erstens wird die verbesserte Kraftwerkstechnologie erst ab 2010 eingeführt und durchdringt den Kraftwerkspark nur allmählich. Zweitens reduziert sich die CO2-Inten sität neuer Erdgaskraftwerke nur geringfügig von 0,36 t CO2e/MWh im Jahr 2010 auf 0,33 Mt CO2e/MWh im Jahr 2020. Die Maßnahme ist wirtschaftlich, da die Erhöhung der Kapitalkosten weniger stark wiegt als die Reduzierung der Brennstoffkosten auf grund des steigenden Nettonutzungsgrads. Allerdings beträgt die Ersparnis lediglich rund 2 EUR/t CO2e (2020). 37Basierend auf dem unteren Heizwert. 45 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 46 Für ein Braunkohlekraftwerk beträgt der Nettonutzungsgrad auf heutigem Stand der Technik 43 Prozent. Bis 2020 wird eine Verbesserung auf 48 Prozent angenommen. Der Wirkungsgradanstieg um 5 Prozentpunkte bis 2020 wird größtenteils durch die Einführung der integrierten Braunkohlewirbelschichttrocknung erreicht, die eine effizi entere Verbrennung ermöglicht. Zudem erfolgt – wie bei Erdgas- und Steinkohlekraft werken – eine kontinuierliche Anlagenoptimierung. Die Erhöhung des Nettonutzungs grades geht einher mit einem Anstieg der Investition pro kW installierte Leistung um 20 Prozent. Dies entspricht auch dem Anstieg gegenüber der „Stand der Technik“Projektion für das Jahr 2020. Das Vermeidungspotenzial beläuft sich im Jahr 2020 auf 2,7 Mt CO2e und liegt damit leicht unterhalb des Wertes von Steinkohle, da die Netto nutzungsgradsteigerung sowie der Zubau von neuen Kraftwerken etwas niedriger aus fallen. Diesen beiden Hebeln wirkt allerdings die höhere Vermeidung pro Energieeinheit entgegen. So reduziert sich die CO2-Intensität im Vergleich zur „Stand der Technik“Projektion um 0,12 t CO2e/MWh bis 2020 (gegenüber 0,08 t CO2e/MWh bei Steinkohle und 0,03 t CO2e/MWh bei Erdgas). Die Vermeidungskosten im Jahr 2020 liegen bei 17 EUR/t CO2e. Relativ zu Steinkohle ergibt sich eine Abweichung nach unten, da der Anstieg der Kapitalkosten pro MWh erzeugtem Strom geringer ausfällt. Dies erklärt sich vor allem durch die höhere durchschnittliche Auslastung von Braunkohlekraft werken in Höhe von 85 Prozent (gegenüber 55 Prozent bei Steinkohle). Allerdings ist auch die Brennstoffkosteneinsparung bei Braunkohle geringer. Der Nettonutzungsgrad eines Steinkohlekraftwerks auf heutigem Stand der Technik beträgt 45 Prozent. Zwischen den Jahren 2010 und 2020 wird eine Verbesserung auf 51 Prozent erwartet. Die Wirkungsgradsteigerung um 6 Prozentpunkte wird zum einen durch die Einführung der 700°C-Technologie mit einem Dampfdruck von ca. 350 Bar erreicht (zum Vergleich in der „Stand der Technik“-Projektion: Dampftemperatur 600°C, Dampfdruck 280 Bar), zum anderen erfolgt eine weitere Optimierung der Anlage, z.B. durch Reduzierung des Eigenstromverbrauchs und durch eine Verbesserung des Ge nerators. Die Erhöhung des Nettonutzungsgrads ist verbunden mit einem Anstieg der Investitionskosten pro kW installierte Leistung. Im Vergleich zur „Stand der Technik“Projektion steigen die Kosten um 25 Prozent bis 2020. Diese Kostensteigerung ist vor allem getrieben durch die Verwendung von hochtemperaturfesten Werkstoffen auf Nickelbasis. Die Entwicklung der Investitionskosten unterliegt allerdings einer hohen Unsicherheit, da das Ausmaß des Kostenanstiegs stark von den zukünftigen Nickel preisen abhängt. Das Vermeidungspotenzial im Jahr 2020 beträgt 2,9 Mt CO2e und liegt damit deutlich oberhalb des Potenzials von Erdgaskraftwerken. Die Abweichung erklärt sich einerseits durch einen höheren Zubau von Steinkohlekapazitäten, anderer seits führt der Nettonutzungsgradanstieg zu einer stärkeren Reduzierung der CO2Intensität als bei Erdgas: Gegenüber der „Stand der Technik“-Projektion verringert sich die CO2-Intensität neuer Kraftwerke von 0,75 t CO2e/MWh auf 0,67 t CO2e/ MWh im Jahr 2020. Die Vermeidungskosten dieses Hebels betragen 49 EUR/t CO2e. Die Verbesserung der Technologie von Steinkohlekraftwerken ist teurer als bei Erdgas, da zum einen die Investitionskosten pro Prozentpunkt Nettonutzungsgradsteigerung höher sind und zum anderen die Ersparnisse auf der Brennstoffseite aufgrund der im Vergleich zu Erdgas relativ kostengünstigen Steinkohle niedriger ausfallen. Durch eine kontinuierliche Verbesserung von Kraftwerken, die bereits heute am Netz sind (Retrofit), lässt sich zusätzliches Vermeidungspotenzial heben. Sämtliche Kraft werke aus dem heutigen Bestand, die auch 2030 noch am Netz sind, kommen unter der Maßgabe von Wirtschaftlichkeit für eine Nachrüstung in Frage. Es wird davon aus Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor gegangen, dass diese Kraftwerke zwischen 2010 und 2020 sukzessive einer Nach rüstung unterzogen werden, die eine durchschnittliche Steigerung des Nettonutzungs grads in Höhe von 0,5 Prozentpunkten erwirkt. Vereinfachend wurde hier angenommen, dass spezifische Kosten für die Nachrüstung nicht anfallen, d.h. die Steigerung des Nettonutzungsgrads tritt als „Nebeneffekt“ einer großen Kraftwerksrevision auf. Im Jahr 2020 wird ein Vermeidungspotenzial von 1,2 Mt CO2e erreicht. Etwa zwei Drit tel dieses Potenzials entfallen auf Braunkohlekraftwerke. Die Steigerung des Netto nutzungsgrads führt hier zur höchsten CO2-Ersparnis pro Energieeinheit. Zum einen ist dies bedingt durch den hohen Emissionsfaktor von Braunkohle, zum anderen durch den niedrigen durchschnittlichen Nettonutzungsgrad von Braunkohlekraftwerken, die vor 1994 gebaut wurden (31 Prozent). Die Kosten dieses Vermeidungshebels sind ne gativ, da eingesparten Brennstoffkosten keine zusätzlichen Kapitalkosten für die Nach rüstung gegenüberstehen. Im Jahr 2020 betragen die Einsparungen 3 EUR/t CO2e bei Erdgaskraftwerken, 22 EUR/t CO2e bei Steinkohlekraftwerken und 10 EUR/t CO2e bei Braunkohlekraftwerken. Ausbau erneuerbarer Energien Im Basisszenario wird von einem Ausbau der erneuerbaren Energien auf 132 TWh bis zum Jahr 2020 ausgegangen. Dies entspricht dem Mengengerüst im EWI/PrognosSzenario „Koalitionsvertrag“, bedeutet eine Steigerung des Anteils erneuerbarer En ergien an der Bruttostromerzeugung von 11,4 Prozent im Jahr 2006 auf 25 Prozent im Jahr 2020 und ist gleichbedeutend mit einer Treibhausgasreduzierung in Höhe von 34 Mt CO2e. Damit stellen die erneuerbaren Energien den wichtigsten Vermeidungs hebel im Energiesektor dar. Einhergehend mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wird von einer deutlichen Degression der Investitionskosten für diese Technologien ausge gangen. Dies führt zu einer signifikanten Reduzierung der Stromgestehungskosten aus erneuerbaren Energien bis 2020. Als Aufsatzpunkt zur Festsetzung der Kostendegres sion je Technologie bis 2030 dienten die historisch beobachteten Lernraten38. Die durchschnittlichen Vermeidungskosten der erneuerbaren Energien betragen aus Entscheidersicht 32 EUR/t CO2e im Jahr 2020, während sie bei gesamtwirtschaftlicher Sichtweise – d.h. ohne Berücksichtigung der Förderung erneuerbarer Energien und bei Einbeziehung der zusätzlichen Belastungen für das Netz (insbesondere durch Wind energie) – bei 80 EUR/t CO2e liegen. Der Vergleich beider Perspektiven zeigt die deut lichsten Unterschiede bei der Photovoltaik und bei der Offshore-Windkraft. Einzig bei Co-firing von Biomasse gibt es keinen Unterschied zwischen beiden Perspektiven, da dieses Verfahren nicht gefördert wird. 38Die Lernrate stellt die prozentuale Degression der Investitionskosten bei einer Verdopplung der installierten Kapazität dar. 47 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 48 Energiesektor: Vermeidungskostenvergleich erneuerbare Energien – Deutschland 2020/2030 in EUR/t CO2e Gesamtw. Perspektive 2020 35 35 Biomasse, Co-firing Biomasse, fest 14 31 Wind, Onshore 34 Wind, Offshore 34 34 40 Biomasse, gasförmig Photovoltaik, Freifläche 22 57 58 39 Schaubild 8 38 39 30 104 34 153 -6 106 54 53 85 19 213 Photovoltaik, Gebäude -49 Geothermie Entscheiderperspektive 2030 11 159 123 150 135 163 Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Trotz unterstellter Förderung durch das EEG weisen die erneuerbaren Energien in den Jahren 2020 und 2030 mit Ausnahme der Photovoltaik in der Entscheiderperspektive deutlich positive Vermeidungskosten auf. Ursache hierfür ist die starke Degression der EEG-Fördersätze, welche den Rückgang der Stromgestehungskosten (über eine Lern rate) übersteigt39. Die Entwicklung der Fördersätze bis 2030 basiert auf den im EEG festgelegten Degressionssätzen sowie auf den im Rahmen des „Erfahrungsbericht 2007 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)“ vorgeschlagenen Anpassungen40. Ergänzend zu den dort hinterlegten Förderdegressionen wurde angenommen, dass der Fördersatz die Gestehungskosten für Strom in konventionellen, fossil befeuerten Kraftwerken nicht unterschreiten wird41. Bei steigenden Vermeidungskosten erneuer barer Energien scheint es jedoch fraglich, ob der Gesetzgeber bis 2030 keine An passung der aus heutiger Sicht absehbaren EEG-Förderung nach oben vornimmt. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde eine solche Anpassung allerdings nicht unter stellt, um die Auswirkungen der heutigen Förderpolitik deutlich zu machen. Auf Basis der angenommenen Förderung steigen die EEG-Kosten aufgrund des Ausbaus der erneuerbaren Energien von heute 3,2 Milliarden EUR (2006) auf ca. 4 Milliarden EUR (real) im Jahr 202042. 39Heute, d.h. vor Eintreten von Kosten- und Förderdegression, sind Investitionen in erneuerbare Energien hingegen noch wirtschaftlich. 40Z.B. Anhebung der Kostendegression für Photovoltaikstrom um 2 Prozentpunkte bis 2011, deutliche Steigerung der Fördersätze für Offshore-Windkraftanlagen. 41Dabei wurde ein Mix aus Erdgas- und Kohlekraftwerken unterstellt. 42Hierbei handelt es sich um EEG-Differenzkosten, d.h. gezahlte EEG-Umlage abzüglich des Marktwerts des im Rahmen des EEG erzeugten Stroms. Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Wind Im deutschen Energiemix spielt die Windenergie bereits heute eine wichtige Rolle. Es wird erwartet, dass sich die Dynamik des Windenergieausbaus Onshore wie Offshore auch in Zukunft weiter fortsetzt. Von heute 31 TWh verdoppelt sich die Stromerzeugung aus Windkraft auf rund 65 TWh im Jahr 2020, was sich in 22 Mt CO2e Vermeidungs potenzial zu durchschnittlichen Kosten von 36 EUR/t CO2e übersetzt. Damit stellt die Windenergie den mit Abstand wichtigsten Vermeidungshebel im Bereich erneuerbarer Energien dar. Im Jahr 2006 wurden 31 TWh aus Onshore-Windkraftanlagen erzeugt. Bis 2020 wird ein Ausbau auf 48 TWh prognostiziert. Getrieben wird dieses Wachstum zu nächst vor allem durch die Erschließung neuer Standorte. Ab Mitte des nächsten Jahrzehnts wird Repowering (Kapazitätserhöhung) zunehmend an Bedeutung ge winnen, da die Flächenpotenziale in Deutschland begrenzt sind und es somit zu einem Mangel an guten Windstandorten kommt. Die Investitionskosten pro kW installierte Leistung werden heute mit 1.300 EUR angenommen und liegen damit deutlich höher als vor ein bis zwei Jahren. Ursache hierfür sind unter anderem die stark gestiegenen Stahlpreise. Die Betriebskosten wurden mit 0,018 EUR/kWh an gesetzt. Bei durchschnittlich 1.750 Volllaststunden pro Jahr ergeben sich heute so Stromgestehungskosten in Höhe von 0,088 EUR/kWh. Bis 2020 wird von einer 26prozentigen Kostendegression der Investitionskosten ausgegangen (35 Prozent bis 2030), so dass die Stromgestehungskosten auf 0,067 EUR/kWh im Jahr 2020 sin ken. Bei einer Kostenbetrachtung aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive werden der Windenergie zusätzliche Kosten für die Bereitstellung von Regelenergie und Reservekapazität zugeordnet. Diese liegen in der Größenordnung 0,008 EUR/kWh im Jahr 2020. Das Vermeidungspotenzial des Hebels „Wind Onshore“ beträgt mit 11 Mt CO2e im Jahr 2020 ein Drittel der gesamten Vermeidung aus erneuerbaren Energien. Die Vermeidungskosten betragen 34 EUR/t CO2e. Aus gesamtwirtschaft licher Perspektive liegen die Kosten allerdings erheblich höher (58 EUR/t CO2e). Die Stromerzeugung mittels Offshore-Windkraftanlagen ist heute noch sehr gering. Eine breite Markteinführung dieser Technologie wird für den Beginn des kommenden Jahrzehnts erwartet. So sind bereits zahlreiche Windparks in Nord- und Ostsee ge nehmigt. Insgesamt bietet Offshore-Windenergie ein enormes Potenzial und könnte langfristig deutlich mehr als 10 Prozent der deutschen Stromerzeugung decken. Bis 2020 wird ein Ausbau auf 17 TWh erwartet. Die Stromgestehungskosten von Offshore-Windenergie liegen heute mit einem Schätzwert von 0,12 EUR/kWh deutlich höher als bei Onshore-Windenergie. Haupttreiber hierfür sind die Investitionskosten pro kW installierte Leistung in Höhe von etwa 2.600 EUR. Damit sind sie doppelt so hoch wie für Onshore-Anlagen. Insbesondere das Fundament ist deutlich kosten intensiver, da die meisten deutschen Offshore-Windparks aus Naturschutzgründen in mehr als 30 km Entfernung von der Küste und damit in Wassertiefen um 40 m errichtet werden müssen. Auch die Offshore-Betriebskosten von 0,032 EUR/kWh liegen ca. 75 Prozent höher als die von Onshore-Anlagen. Allerdings erzielen Offshore-Anlagen deutlich höhere Auslastungen als Anlagen an Land (3.250 gegen über 1.750 Volllaststunden). Die besseren Windverhältnisse über dem Meer kom pensieren somit teilweise die höheren Investitions- und Betriebskosten. Bis zum Jahr 2020 wird von einer Degression der Investitionskosten um 34 Prozent ausge gangen (40 Prozent bis 2030). Als Folge verringern sich die Stromgestehungskosten 49 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 50 auf 0,073 EUR/kWh im Jahr 2020. Somit erreicht Offshore-Windenergie ab 2020 fast die Wettbewerbsfähigkeit mit der Onshore-Erzeugung. Gesamtwirtschaftlich ergeben sich aus Offshore-Windenergienutzung allerdings zusätzliche Kosten, so dass die Stromgestehungskosten in dieser Betrachtung merklich höher liegen als in der Entscheiderperspektive (heute: 0,143 EUR/kWh; 2020: 0,098 EUR/kWh). Es entstehen insbesondere Kosten für den Netzanschluss und -ausbau, die der Betrei ber nicht selbst tragen muss. Diese liegen in der Größenordnung von 800 EUR pro kW installierte Leistung. Hierbei ist der Stahlpreisanstieg seit 2005 noch nicht be rücksichtigt. Zudem fallen Kosten für Regelenergie und Reservekapazität in Höhe von ca. 0,005 EUR/kWh im Jahr 2020 an. Die Abweichung nach unten bei letztge nanntem Kostenblock gegenüber Onshore-Windenergie ergibt sich aufgrund der höheren Volllaststunden von Offshore-Windkraftanlagen. Das Vermeidungspoten zial von Offshore-Windenergie beträgt im Jahr 2020 11 Mt CO2e und liegt damit in derselben Größenordnung wie die Vermeidung durch Onshore-Windenergie. Die Vermeidungskosten betragen aus Entscheiderperspektive 39 EUR/t CO2e (2020). Die gesamtwirtschaftlichen Vermeidungskosten sind mit 104 EUR/t CO2e mehr als doppelt so hoch. Biomasse Die Stromerzeugung aus Biomasse trug im Jahr 2006 etwa 3 Prozent (18,8 TWh) zur Bruttostromerzeugung in Deutschland bei. Dabei werden drei unterschiedliche Verfah ren angewendet: das alleinige Verbrennen fester Biomasse (meist in kleineren Anlagen), das Verbrennen von Biogas sowie die Beimischung von Biomasse zu einem anderen Brennstoff (Co-firing, in der Regel wird feste Biomasse Kohle beigemischt). Durch die Nutzung heimischer Biomassepotenziale lässt sich bis zum Jahr 2020 eine Verdopp lung auf ca. 35 TWh realisieren (ca. 16 TWh Biogas, ca. 15 TWh feste Biomasse und ca. 4 TWh Co-firing). Im Jahr 2020 ergibt sich so ein Vermeidungspotenzial in Höhe von 9 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von 24 EUR/t CO2e. Etwas mehr als die Hälfte der speziellen Biomassekraftwerke ist auf Kraft-Wärme-Kopplungs-Betrieb aus gelegt und erzeugt neben Elektrizität auch Wärme. Die aus der KWK resultierenden zusätzlichen Vermeidungspotenziale und Kosten wurden in den Sektoren Gebäude und Industrie näher analysiert. Im Bereich der Fernwärmeerzeugung wird nicht von einem Zuwachs von Biomasse-KWK ausgegangen. Für die Kalkulation der Stromgestehungs kosten wurde die ungekoppelte Erzeugung von Elektrizität angenommen. Die heutigen Investitionskosten eines Biomassekraftwerks, das mit fester Biomas se befeuert wird, liegen bei ca. 2.000 EUR pro kW installierte Leistung und werden sich bis 2020 um etwa 10 Prozent reduzieren (15 Prozent bis 2030). Auf der Be triebskostenseite entfällt das Gros der Kosten mit 0,045 EUR/kWh auf den Brenn stoff. Es wurde ein Biomassepreis in Höhe von 18 EUR/MWhth zu Grunde gelegt, der auf durchschnittlichen Bereitstellungskosten unterschiedlicher Biomassearten (z.B. Waldrest- und Schwachholz) basiert. Marktpreise können allerdings unter Umständen deutlich über diesem Niveau liegen. Insgesamt betragen die Betriebs kosten 0,06 EUR/kWh. Ausgehend von 7.000 Volllaststunden im Jahr ergeben sich so heute Stromgestehungskosten in Höhe von 0,085 EUR/kWh. Bis 2020 reduzie ren sich die Kosten leicht auf 0,081 EUR/kWh. Das Vermeidungspotenzial aus der Verstromung fester Biomasse beläuft sich im Jahr 2020 auf 4 Mt CO2e zu Vermei dungskosten von rund 14 EUR/t CO2e. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht betragen die Vermeidungskosten etwa 40 EUR/t CO2e. Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Die Investitionskosten eines Biogaskraftwerks betragen heute ca. 3.000 EUR pro kW installierte Leistung und somit ca. 50 Prozent mehr als bei fester Biomas se. Allerdings wird bis 2020 eine höhere Degression der Investitionskosten von 21 Prozent prognostiziert (30 Prozent bis 2030). Auf der Betriebskostenseite fal len analog zur Verstromung fester Biomasse 0,06 EUR/kWh an. Hier wurde eben falls ein Biomassepreis in Höhe von 18 EUR/MWhth angenommen. Ausgehend von 7.000 Volllaststunden ergeben sich so heute Stromgestehungskosten in Höhe von 0,101 EUR/ kWh. Die Kosten reduzieren sich auf 0,092 EUR/kWh bis 2020. Das Vermeidungspotenzial aus Biogasverstromung fällt etwas höher aus als bei fester Biomasse. Es beläuft sich im Jahr 2020 auf 5 Mt CO2e zu Vermeidungs kosten von 30 EUR/t CO2e. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht betragen die Kosten 57 EUR/t CO2e. Die Stromerzeugung aus Co-firing von Biomasse steigt bis 2020 gegenüber heute um etwa 1 TWh an. Aus zwei Gründen wurde hier kein höheres Ausbaupotenzial angenommen. Erstens stellt sich bei Co-firing die prinzipielle Herausforderung, dass eine große Menge Biomasse an einem Ort verfügbar sein muss, um eine effi ziente Stromerzeugung zu gewährleisten. Zweitens erhält das Co-firing keine För derung im Rahmen des EEG. Da Co-firing in Großkraftwerken erfolgt, wurde zur Bestimmung der Vermeidungskosten die Kostenstruktur von Steinkohlekraftwerken zu Grunde gelegt. Somit ergeben sich Stromgestehungskosten, die etwas unter halb der Kosten fester und gasförmiger Biomasse liegen. Ausgehend von einem Biomassepreis in Höhe von 18 EUR/MWhth betragen sie heute 0,071 EUR/kWh und ändern sich kaum im Laufe der Zeit. Das Vermeidungspotenzial aus Co-firing ist verhältnismäßig gering. Es beläuft sich im Jahr 2020 auf weniger als 1 Mt CO2e. Die Vermeidungskosten im Jahr 2020 liegen bei 35 EUR/t CO2e. Trotz geringerer Stromgestehungskosten als bei fester Biomasse fallen die Vermeidungskosten da mit höher aus. In der gesamtwirtschaftlichen Perspektive, d.h. ohne Förderung, sind die Vermeidungskosten beim Co-firing mit 35 EUR/t CO2e (2020) hingegen niedriger als bei alleiniger Stromerzeugung aus fester Biomasse (40 EUR/t CO2e) und Biogas (57 EUR/t CO2e). Photovoltaik Die Stromerzeugung aus Photovoltaik verzeichnete in den zurückliegenden Jahren einen sehr starken Anstieg. Der Beitrag zur deutschen Stromerzeugung ist jedoch nach wie vor gering (0,3 Prozent im Jahr 2006). Bis 2020 wird mehr als eine Verdopplung der Erzeugung von heute 2 TWh auf 5 TWh prognostiziert43. Dies bedeutet eine Abschwä chung der in der Vergangenheit beobachteten Wachstumsdynamik. Ursache hierfür ist die zu erwartende Erhöhung der heutigen EEG-Degressionssätze ab 2009. Doch auch vor dem Hintergrund einer stärkeren Degression der Förderung handelt es sich hierbei um eine konservative Wachstumsannahme mit sehr hoher Unsicherheit. Im Jahr 2006 wurden 2 TWh aus Photovoltaik erzeugt. Davon entfielen 1,9 TWh auf gebäudegebundene Anlagen. Bis 2020 wird ein Ausbau auf 3,2 TWh prognostiziert. Die Investitionskosten betragen heute ca. 4.000 EUR pro kW installierte Leistung, wäh rend sich die Betriebskosten auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau bewegen 43Die Stromerzeugung aus solarthermischen Kraftwerken wurde nicht als Vermeidungshebel betrachtet, da die Globalstrahlung in Deutschland für einen effizienten Betrieb solcher Anlagen nicht ausreichend ist. 51 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 52 (0,025 EUR/kWh). Somit ergeben sich unter Annahme von durchschnittlich 875 Voll laststunden pro Jahr heutige Stromgestehungskosten von 0,48 EUR/kWh. Bis 2020 wird eine rund 65-prozentige Degression der Kapitalkosten erwartet (75 Prozent bis 2030), wodurch sich die Stromgestehungskosten auf 0,16 EUR/kWh im Jahr 2020 re duzieren. Grundvoraussetzung für diese Kostendegression sind massive Sprünge der Photovoltaiktechnologie in den kommenden 15 Jahren, z.B. durch Verringerung des Materialverbrauchs für Solarzellen (Dünnschichttechnologie). Aber auch die Entwick lung neuer Technologien (z.B. Farbstoffzellen oder organische Solarzellen) besitzt das Potenzial, die Investitionskosten deutlich zu reduzieren. Das Vermeidungspotenzial beträgt etwas weniger als 1 Mt CO2e im Jahr 2020. Dies entspricht ca. 2 Prozent des Potenzials der erneuerbaren Energien. Aus Entscheidersicht bleibt die Photovoltaik bis zum Jahr 2020 wirtschaftlich. Die Einsparung beträgt etwa 49 EUR/t CO2e, da die Re duzierung der Stromgestehungskosten annähernd die Degression der EEG-Förderung kompensiert. In der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung – also insbesondere ohne Berücksichtigung der EEG-Förderung – liegen die Kosten deutlich höher. Sie belaufen sich im Jahr 2020 auf etwas mehr als 200 EUR/t CO2e. Die Stromerzeugung aus Freiflächenphotovoltaikanlagen betrug im Jahr 2006 nur etwa 0,1 TWh. Bis 2020 wird ein Hochlauf auf 1,8 TWh prognostiziert. Aufgrund von Skaleneffekten liegen die heutigen Investitionskosten mit ca. 3.700 EUR pro kW instal lierte Leistung leicht unterhalb der Kosten von Aufdachanlagen. Die im Vergleich zu gebäudegebundenen Anlagen geringeren Betriebskosten in Höhe von 0,01 EUR/kWh resultieren vor allem aus niedrigeren Aufwendungen für Versicherung und Instand haltung. Zudem liegt die Auslastung von Freiflächenanlagen ca. 10 Prozent höher als im Fall von gebäudeintegrierten Anlagen, da in der Regel eine bessere Ausrich tung zur Sonne vorliegt. Somit ergeben sich heute Stromgestehungskosten in Höhe von 0,37 EUR/ kWh – dies sind 20 Prozent weniger als bei gebäudeintegrierten Anla gen. Die Degression der Kapitalkosten um rund 65 Prozent bis 2020 (75 Prozent bis 2030) verringert die Stromgestehungskosten auf knapp 0,13 EUR/kWh im Jahr 2020 (0,10 EUR/ kWh im Jahr 2030). Das Vermeidungspotenzial bewegt sich in einer ähn lichen Größenordnung wie bei gebäudeintegrierten Anlagen. Es beträgt etwas mehr als 1 Mt CO2e im Jahr 2020. Geothermie Die Stromerzeugung aus Geothermie befindet sich zurzeit in Deutschland noch in einem Versuchsstadium. Im Jahr 2006 betrug die Produktion weniger als 0,5 GWh. Auch zu künftig wird nicht erwartet, dass die Geothermie einen signifikanten Beitrag zur deut schen Stromerzeugung liefern kann. Die Stromerzeugung steigt auf 1,6 TWh im Jahr 2020. Die Investitionskosten betragen heute ca. 9.000 EUR pro kW installierte Leistung und die Betriebskosten bewegen sich in einer Größenordnung von 0,07 EUR/kWh. Ausgehend von 7.000 Volllaststunden pro Jahr ergeben sich heute Stromgestehungs kosten von etwa 0,19 EUR/kWh. Eine Degression der Investitionskosten von 8 Prozent bis 2020 (10 Prozent bis 2030) führt zu einer leichten Reduzierung der Stromgeste hungskosten auf ca. 0,18 EUR/kWh im Jahr 2020. Das Vermeidungspotenzial beläuft sich auf etwa 1 Mt CO2e zu Vermeidungskosten von 106 EUR/t CO2e. Technologische Durchbrüche sind möglich, sind heute jedoch noch nicht absehbar und werden daher nicht unterstellt. Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Wasserkraft Die Wasserkraft leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Treibhausgasvermei dung in Deutschland. Im Jahr 2006 wurden ca. 22 TWh (3,5 Prozent der Bruttostrom erzeugung) aus erneuerbarer Wasserkraft erzeugt. Für die Zukunft ist allerdings mit keiner über die in der „Stand der Technik“-Projektion hinterlegte Strommenge hinaus gehenden Stromerzeugung aus Wasserkraft zu rechnen. Die geologischen Gegeben heiten in Deutschland wirken hier als begrenzender Faktor. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft bietet somit kein zusätzliches Vermeidungspotenzial. CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) Etwa ab dem Jahr 2020 kann CO2-Abscheidung und Speicherung einen bedeutenden Beitrag zur Vermeidung von CO2-Emissionen in Deutschland leisten. Die Technologie hat das Potenzial, etwa 90 Prozent des emittierten CO2 eines Kraftwerks dauerhaft vor dem Eintritt in die Atmosphäre zu bewahren. Erste CCS-Kraftwerke in Deutsch land sind im Bau oder in Planung: Vattenfall wird im Jahr 2008 eine Pilotanlage mit 30 MW Leistung auf Basis von Braunkohle in Betrieb nehmen. RWE plant, im Jahr 2014 ein Demonstrationskraftwerk mit 360 MW ans Netz zu bringen. Die Treibhaus gasvermeidung aus CCS-Pilot- und Demonstrationsanlagen beläuft sich im Jahr 2020 auf rund 6 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von 42 EUR/t CO2e (Braunkohle ca. 30 EUR/t CO2e, Steinkohle ca. 50 EUR/t CO2e). Neben der Verwendung von CCS im Rahmen von Neubauprojekten ist auch das Nachrüsten, das so genannte Retrofitting, von bereits bestehenden Kraftwerken möglich. Dieser Vermeidungshebel greift aller dings erst nach dem Jahr 2020. Zurzeit wird auf EU-Ebene diskutiert, ob ab dem Jahr 2020 sämtliche neu gebauten Kohlekraftwerke in der EU mit CCS-Technologie auszustatten sind. Es wurde deshalb im Rahmen dieser Studie davon ausgegangen, dass ab 2020 alle neu gebauten Kohle kraftwerke mit CCS ausgestattet werden. Die Durchdringungsrate für Erdgas-CCS wurde mit 50 Prozent ab 2020 deutlich niedriger gewählt, da CCS bei Erdgas bedingt durch die niedrigere CO2-Intensität einen weniger bedeutenden Hebel zur CO2-Ver meidung darstellt. Die zusätzlichen Kosten für Carbon Capture and Storage gegenüber konventioneller Kraftwerkstechnologie setzen sich aus drei Elementen zusammen. Die mit Abstand höchsten Kosten fallen für das Abscheiden und Verdichten von CO2 an. Darüber hinaus verursachen der Transport und die Speicherung von CO2 weitere Kosten. Sämtliche für die Abscheidung zur Verfügung stehenden Technologien (Oxyfuel, PostCombustion und Pre-Combustion/IGCC) erhöhen Betriebskosten und Kapitalkosten von Kraftwerken. Die Stromerzeugungskosten für Anlagen mit CCS liegen deshalb im Vergleich zu konventioneller Technologie im Jahr 2020 um 40 bis 50 Prozent höher. Zwei Treiber liegen diesem Kostenanstieg zu Grunde: Einerseits fallen Investitions kosten für die CO2-Abscheidungstechnologie in Höhe von ca. 500 bis 600 EUR pro kW installierte Kraftwerksleistung an. Andererseits geht mit der CO2-Abscheidung ein Nettonutzungsgradverlust von etwa 10 Prozentpunkten einher. Dies führt wiederum zu höheren Betriebskosten, insbesondere in Form von zusätzlichem Brennstoffein satz. Gleichzeitig werden zusätzliche Investitionen in weitere Kraftwerkskapazitäten notwendig, um die benötigte Leistung zu erreichen. Der gesamte Kapitalkostenan 53 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 54 stieg gegenüber konventionellen Kraftwerkstechnologien wird im Jahr 2020 mit etwa 55 Prozent für Braunkohle, 65 Prozent für Steinkohle und 85 Prozent für Erdgas ange nommen. Den zusätzlichen Kosten für CCS steht eine signifikante Reduzierung der CO2-Intensität gegenüber. Für Kohle und Erdgas wird davon ausgegangen, dass im Jahr 2020 90 Prozent des emittierten CO2 abgeschieden und dauerhaft in die Speiche rung überführt werden können. Nach der Abscheidung und Komprimierung des CO2 erfolgt der Transport zum Speicherort. Für CO2 stehen grundsätzlich Transportmöglichkeiten zur Verfügung, die denen von Erdgas entsprechen. Sowohl Transport per Pipeline als auch per Schiff ist grundsätzlich möglich. Abgesehen von Kraftwerken in Küstennähe wird abgeschie denes CO2 in Deutschland voraussichtlich hauptsächlich per Pipeline transportiert. In Abhängigkeit von geografischen und geologischen Gegebenheiten fallen unterschied lich Transportkosten an. Für Deutschland wurde angenommen, dass abgeschiedenes CO2 durchschnittlich 150 km zum Speicherort transportiert werden muss und dabei Kosten in Höhe von 5 EUR pro Tonne anfallen. Diese Kosten haben allerdings nur im Rahmen eines nationalen CO2-Pipelinenetzes Gültigkeit. Sporadische Punkt-zu-PunktPipelineverbindungen würden signifikant höhere Transportkosten aufweisen. Da im Jahr 2030 rund 100 Mt CO2e aus dem Energiesektor und der Industrie vom Abschei dungsort zum Speicherort transportiert werden müssen, muss bis dahin in Deutsch land ein Netz aufgebaut werden, dessen Transportkapazität mit dem des heutigen Erdgasnetzes vergleichbar ist. Angesichts der dichten Besiedlung Deutschlands stellt dies eine erhebliche Herausforderung dar. Als Speicherstätten für CO2 können in Deutschland vor allem erschöpfte Erdgasfelder oder Aquifere (tief liegende Speichergesteine) dienen. In sehr begrenztem Ausmaß ste hen auch Erdölfelder und Kohleflöze als Speicherstätten zur Verfügung. Erschöpfte Erd gasfelder stellen zwar die kostengünstigste Speicheralternative dar (ca. 4 EUR/t CO2e in 3.000 m Tiefe), stehen allerdings nur in begrenztem Umfang zur Verfügung. Aquifere bieten zu höheren Kosten (ca. 6 EUR/t CO2e in 3.000 m Tiefe) hingegen ein deutlich größeres Potenzial44. In Deutschland stehen ca. 25 bis 30 Gt Speichervolumen zur Verfügung45. Davon ausgehend, dass aus dem Energiesektor und der Industrie etwa 100 Mt CO2 jährlich in die Speicherung überführt würden, ergibt sich somit eine Reich weite der deutschen Speicherstätten von etwa 300 Jahren, sofern die öffentliche Ak zeptanz und die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Nutzung dieser Speicherstätten geschaffen werden können. Zur Berechnung der CO2-Vermeidungskosten wurden 6 EUR/t CO2e Speicherkosten unterstellt. Die Speicherung von CO2 ist auch im Rahmen von EOR (Enhanced Oil Recovery) mög lich. Hierbei wird CO2 in Ölfelder injiziert, um die Ölausbeute zu steigern, indem entwe der eine CO2-Blase das Öl in Richtung Bohrloch drückt oder indem CO2 die Viskosität von Öl verringert. Im Rahmen von EOR, das bereits heute Anwendung findet, besitzt CO2 damit einen ökonomischen Wert. Dieser liegt bei ca. 30 USD/t CO2 bei einem Ölpreis von 50 USD pro Barrel. EOR kann somit im Einzelfall Speicherkosten deutlich reduzieren oder sogar negativ werden lassen. In Deutschland besteht allerdings keine Möglichkeit zur Enhanced Oil Recovery. Darum wurde EOR bei der Berechnung der CCS-CO2-Vermeidungskosten nicht berücksichtigt. Dessen ungeachtet besteht die 44„Global carbon dioxide storage potential and costs“, Ecofys, 2004. 45 „Entwicklungsstand und Perspektiven von CCS-Technologien in Deutschland“, BMWi, BMU und BMBF, 2007. Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor 55 Möglichkeit, deutsches CO2 ins Ausland zu transportieren, um dort EOR zu betreiben. Aus der Sicht von deutschen Stromversorgern ist der Verkauf von CO2 an Ölunter nehmen nur profitabel, wenn die höheren Transportkosten zu ausländischen Ölfeldern durch den Preis für CO2 überkompensiert werden. Das Vermeidungspotenzial von neu gebauten CCS-Kraftwerken liegt im Jahr 2020 bei ca. 6 Mt CO2e. Hierbei handelt es sich um erste Pilot- und Demonstrationsanlagen. Die Vermeidungskosten bei neu gebauten CCS-Kraftwerken liegen etwa zwischen 30 und 100 EUR/t CO2e. Braunkohle-CCS stellt mit 31 EUR/t CO2e (2020) die kosten günstigste CCS-Technologie dar. Steinkohle liegt bei 52 EUR/t CO2e und Erdgas bei knapp 100 EUR/t CO2e. Die relativ niedrigen Kosten für CCS in Braunkohlekraftwerken sind zum einen getrieben durch den geringsten absoluten Anstieg der Erzeugungs kosten, da Braunkohle der mit Abstand kostengünstigste Energieträger ist, zum ande ren durch die höchste CO2-Einsparung pro produzierter Energieeinheit. Energiesektor: Vermeidungskosten CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) – Deutschland 2020 Erzeugungskosten EUR/MWh Braunkohle 34 Steinkohle 49 14 24 24 Erdgas 59 48 73 Ohne CCS CO2-Vermeidungskosten EUR/t CO2e CO2-Intensität t CO2e/MWh 0,11 Speicherung Transport Abscheidung 5 5 0,08 Speicherung Transport Abscheidung 0,83 0,73 0,67 0,59 Speicherung Transport 83 0,33 0,29 Mit CCS Ohne CCS 2020 NEUBAU ENTSCHEIDERPERSPEKTIVE 0,04 Abscheidung 31 6 20 52 6 41 95 5 6 84 Mit CCS Quelle: ZEP, Ecofys, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Zur Berechnung der Vermeidungskosten wurden Auslastungen wie bei der konven tionellen Kraftwerkstechnologie unterstellt (durchschnittliche Volllaststunden über die Kraftwerkslebensdauer: Erdgas 3.500 Stunden, Braunkohle 7.500, Steinkohle 4.800 Stunden). Da sich die CCS-Technologie noch in der Erprobungsphase befindet, unterliegen die Vermeidungskosten einer hohen Unsicherheit. Dies gilt insbesondere für die Abscheidungs- und Speicherkosten. Kraft-Wärme-Kopplung Mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) lässt sich Primärenergie in der Regel effizienter nutzen als durch separate Strom- und Wärmeerzeugung; dadurch werden gleichzeitig Schaubild 9 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 56 CO2-Emissionen vermieden. Sowohl die Elektrizität als auch ein Großteil der erzeugten Wärme werden in Nutzenergie überführt. Bereits heute werden mehr als 10 Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung (63 TWhel im Jahr 2005) in KWK-Anlagen er zeugt. Bis zum Jahr 2020 wird – ausgehend von den nutzbaren KWK-Wärmemengen (von heute 134 TWhth ansteigend auf 191 TWhth im Jahr 2020) und anzunehmenden Stromkennziffern – ein weiterer Ausbau um 36 TWhel auf 100 TWhel KWK-Strom als realistisch erachtet. Zu diesem Wachstum tragen die folgenden vier Kategorien von KWK bei: Heizkraftwerke, industrielle und dezentrale KWK, bestehend aus Blockheiz kraftwerken und objektgebundenen Anlagen. Auf die Heizkraftwerke entfallen aller dings lediglich 3 TWhel des Wachstumspotenzials, da die Nachfrage nach Fernwärme insbesondere aus dem Gebäudesektor aufgrund verbesserter Häuserdämmung limi tiert ist. Für die Stromerzeugung aus industrieller KWK wird ein Anstieg um 10 TWhel prognostiziert. Für die dezentrale KWK wurde in der Arbeitsgruppe Gebäude das größte Wachstumspotenzial mit einem Anstieg um 22 TWhel zwischen 2005 und 2020 abgeleitet. Mit der zunehmenden Reife der Technik der dezentralen Stromversorgung kann die hohe Effizienz der Kraft-Wärme-Kopplung auch in Gebieten mit geringerer Siedlungsdichte genutzt werden. Die Vermeidungspotenziale aus der zumeist stromgeführten KWK zur Fernwärmepro duktion werden der Stromerzeugung zugeordnet und dementsprechend im Energie sektor ausgewiesen. Die Vermeidungspotenziale aus der größtenteils wärmegeführten industriellen und dezentralen KWK werden der Wärmeerzeugung im Industrie- bzw. im Gebäudesektor zugerechnet. Im Folgenden wird deshalb an dieser Stelle ausschließ lich auf das aus KWK zur Fernwärmeproduktion stammende Vermeidungspotenzial näher eingegangen. Energiesektor: KWK-Stromerzeugung – Deutschland 2005 - 2030 Bruttostromerzeugung aus KWK in TWh Wachstumsrate in Prozent +2% Objektversorgung (< 10 kWel) Blockheizkraftwerke (10 kWel - 10 MWel) Fernwärme* Industrielle KWK Wärmeerzeugung TWh 63 7 1 28 78 1 15 28 110 9 11,0 26 31 6,1 31 31 100 4 28 34 39 39 2005 10 20 2030 134 148 191 211 0,4 1,3 1,8 * Heizwerke/KWK-Wärme der Energieversorgungsunternehmen Schaubild 10 Quelle: DLR, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor Für ein konkretes Heizkraftwerk zur Strom- und Fernwärmeproduktion können die für KWK notwendigen zusätzlichen Kapital- und Betriebskosten relativ präzise bestimmt werden. Auf Grund der hohen Heterogenität von KWK-Projekten lassen sich die durch schnittlichen Mehrkosten allerdings nur grob abschätzen. Basierend auf Erfahrungs werten in konkreten KWK-Projekten und den heutigen Fördersätzen des Kraft-WärmeKopplungsgesetzes (KWKG) wurden gegenüber reiner Kondensationsstromerzeugung durchschnittliche Mehrkosten für KWK-Anlagen in Höhe von 0,005 EUR/ kWhel ange setzt. Zur Berechnung des KWK-Vermeidungspotenzials wurde das KWK-System mit dem Referenzfall der separaten Erzeugung verglichen, d.h., es wurde beispielsweise Erdgas-KWK mit der separaten Wärme- und Stromerzeugung (in Großkraftwerken) aus Erdgas verglichen. Die Vermeidung, die sich aus einer Brennstoffverschiebung, z.B. von Kohle zu Erdgas ergibt, ist somit nicht Teil des KWK-Vermeidungspotenzials. Im Jahr 2020 ergibt sich ein Vermeidungspotenzial von deutlich weniger als 1 Mt CO2e durch Fernwärmeerzeugung, sofern man Emissionsreduzierungen durch eine Ver schiebung des Brennstoffmix (KWK aus Biomasse) nicht mit dem Effekt der KraftWärme-Kopplung vermischt. Die Vermeidungskosten bewegen sich im Jahr 2020 zwi schen 15 EUR/t CO2e für Braunkohle und 55 EUR/t CO2e für Erdgas. Für Steinkohle fallen Kosten in Höhe von 19 EUR/t CO2e an. Die relativ hohen Vermeidungskosten für Erdgas-KWK werden durch die bereits sehr niedrige CO2-Intensität in der separaten Erzeugung von Wärme und Strom mit Erdgas getrieben. Die KWK-Erzeugung trägt hier nur noch zu einer geringen Verbesserung der CO2-Intensität bei. Kohle-Gas-Substitution Auch nach Durchführung der oben beschriebenen Maßnahmen bedarf es noch Er satz- und Neubau von Kraftwerken, um die Stromnachfrage in Deutschland zu decken. Aus wirtschaftlichen Erwägungen würden etwa zwei Drittel dieses Zubaus als Stein kohle- oder Braunkohlekraftwerke erfolgen. Durch eine Substitution von Kohle- durch Erdgaskraftwerke ließe sich somit zusätzliches CO2-Vermeidungspotenzial heben. Eine 50-prozentige Substitution des geplanten Zubaus von Kohlekapazität46 zwischen 2010 und 2020 durch Erdgas ist aus Portfolioüberlegungen und unter Berücksichti gung der Erdgas-Versorgungssicherheit ambitioniert, aber realisierbar. Nach 2020 wird von keinem weiteren Ersatz von Kohle- durch Erdgaskapazität ausgegangen, da CCS in diesem Zeitraum das größere Vermeidungspotenzial bietet. Neben einer Verschie bung beim Zubau von Kohle- zu Erdgaskapazität, lassen sich auch durch eine höhere Auslastung von bestehender Erdgaskapazität CO2-Emissionen einsparen. Eine solche Verschiebung von Volllaststunden zwischen Erdgas- und Kohlekraftwerken wurde im Rahmen dieser Studie allerdings nicht quantifiziert. Die Mehrkosten des Vermeidungshebels „Kohle-Gas-Substitution“ ergeben sich aus den im Vergleich zu Stein- und Braunkohle höheren Stromgestehungskosten von Erd gas. Während im Jahr 2020 Braunkohlestrom zu voraussichtlich 34 EUR/MWh und Steinkohlestrom zu 49 EUR/MWh erzeugt werden kann, betragen die Gestehungs kosten von Erdgasstrom 59 EUR/MWh. Dieser Kostenunterschied wird hauptsäch lich durch den relativ hohen Erdgaspreis getrieben. Im Jahr 2020 lässt sich ein Ver meidungspotenzial in Höhe von etwa 18 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von 46Dies betrifft sowohl Braunkohlekraftwerke, die als Ersatz für aus dem Bestand ausscheidende Altanlagen gebaut werden, als auch Steinkohlekraftwerke, bei denen es sich zum Teil ebenfalls um Ersatzinstallationen handelt, zum Teil aber auch um Zubau zur Deckung der sich durch den Ausstieg aus der Kernenergie ergebenden Lücke. 57 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 58 39 EUR/t CO2e realisieren. Der Wechsel von Steinkohle zu Erdgas ist hierbei günstiger als der Wechsel von Braunkohle zu Erdgas (28 EUR/t CO2e gegenüber 50 EUR/t CO2e). Diese Differenz resultiert aus dem größeren Unterschied der Stromgestehungskosten zwischen Braunkohle und Erdgas. Die gegenüber Steinkohle höhere CO2-Einsparung bei Braunkohle kompensiert diesen Kostenunterschied nur teilweise. Stromimport Ein Import von CO2-neutralem Strom (z.B. aus Kernenergie oder erneuerbaren Ener gien) wurde im Rahmen der vorliegenden Studie nicht betrachtet, da die Potenziale einer nationalen Erreichung der Klimaschutzziele bestimmt werden sollten. Dennoch besteht natürlich die Möglichkeit, die Emissionen des Energiesektors in Deutschland durch den Import von Strom zu reduzieren. Es wird angenommen, dass die Importka pazität aus dem europäischen Netz von heute etwa 100 TWh pro Jahr bis zum Jahr 2020 auf etwa 200 TWh pro Jahr ansteigt. Weitere Entwicklung nach 2020 – Vermeidungspotenziale und -kosten 2030 (Basisszenario) Zwischen 2020 und 2030 wächst das Vermeidungspotenzial des Energiesektors im Basis szenario um 121 auf 197 Mt CO2e. Davon lassen sich 148 Mt CO2e zu Vermeidungskosten bis 20 EUR/t CO2e realisieren, stammen aus Hebeln, die Teil der politisch gewollten Um stellung des Energiemix sind, oder werden abgeschieden und gespeichert (CCS). Nach Einbeziehung des Nachfragerückgangs (78 Mt CO2e) würde eine Umsetzung dieser Ver meidungshebel die Emissionen des Energiesektors auf 189 Mt CO2e reduzieren, was ge genüber dem heutigen Stand einer Senkung um 47 Prozent entspräche. Gegenüber dem Basisjahr 1990 wäre dies eine Reduzierung um etwa 52 Prozent. Der Potenzialzuwachs stammt einerseits aus einem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, andererseits aus der flächendeckenden Nutzung von CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS). Nach dem Ausstieg aus der Kernkraft soll nach derzeitigen politischen Vorgaben zwi schen 2020 und 2030 die Umstellung des Energiemix weiter fortschreiten; insbesondere soll der Ausbau erneuerbarer Energien noch einmal erheblich zunehmen. Zusätzlich zu den bereits 2020 ausgewiesenen Potenzialen ergeben sich weitere Vermeidungspoten ziale von 27 Mt CO2e, vor allem durch zusätzliche Stromerzeugung aus Wind (Offshore weitere 15 Mt CO2e; Onshore weitere 5 Mt CO2e) und Biomasse (weitere 4 Mt CO2e). Auch die Vermeidungspotenziale durch Stromerzeugung aus Photovoltaik steigen wei ter an (um etwas mehr als 1 Mt CO2e). Die durchschnittlichen Vermeidungskosten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bleiben aus Entscheidersicht auf Grund rückläufiger Förderungshöhen in etwa auf dem Niveau von 2020 (gut 30 EUR/t CO2e). Dabei werden einzelne Vermeidungshebel aus Entscheidersicht sogar teurer werden (z.B. Stromerzeugung aus Biomasse, Photovoltaik). Zudem erschließt sich durch den Einsatz von CCS-Technologien bis 2030 maximal ein Vermeidungspotenzial von 66 Mt CO2e47. Dies setzt aber voraus, dass ab 2020 alle neu gebauten Stein- und Braunkohlekraftwerke sowie die Hälfte aller neuen Gaskraftwerke mit CCS-Technologie ausgestattet werden und dass zusätzlich etwa die Hälfte der zwischen 2005 und 2020 gebauten Kohlekraftwerke bis 2030 mit CCS-Technologie 47Darin enthalten sind 6 Mt CO2e aus Pilot- und Demonstrationsprojekten in der Stromerzeugung, die bereits für 2020 ausgewiesen wurden. Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor 59 nachgerüstet werden. Zwischen 2020 und 2030 kommt es voraussichtlich zu einem leichten Rückgang der Vermeidungskosten von neuen CCS-Kraftwerken. Braunkohle liegt dann bei knapp 30 EUR/t CO2e, Steinkohle bei 48 EUR/t CO2e und Erdgas bei knapp 90 EUR/t CO2e. Die Vermeidungskosten für die Nachrüstung von CCS-Tech nologie sind jeweils etwa 10 Prozent höher. Da sich die Technik derzeit noch in der Erprobung befindet, technologische Unwägbarkeiten existieren und rechtliche Rah menbedingungen noch nicht geschaffen sind, kann das aus CCS resultierende Ver meidungspotenzial noch nicht als sicher erreichbar angesehen werden. Ohne CCS betrüge die Vermeidung gegenüber der „Stand der Technik“-Projektion im Energie sektor im Jahr 2030 160 Mt CO2e mit Einbeziehung des Verbrauchsrückgangs bzw. 40 Prozent gegenüber 1990. Energiesektor: Vermeidungskostenkurve – Deutschland 2030* ENTSCHEIDERPERSPEKTIVE BASISSZENARIO 2030 Kosten in EUR/t CO2e 250 Beschleunigte Erneuerung Erdgas 200 Beschleunigte Erneuerung Steinkohle 150 Geothermie Photovoltaik Gebäude (ca. 50 kWp) Biomasse (gasförmig) KWK Steinkohle Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (neu) 100 Biomasse (Co-firing) Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle CCS Steinkohle (neu) (neu) Photovoltaik Freifläche (> 1 MWp) Biomasse (fest) 50 0 Wind Onshore Erdgas CCS statt Braunkohle CCS Braun- Stein- (Retrofit) kohle (neu) kohle Wind Offshore CCS Erdgas (neu) Erdgas statt Braunkohle Beschleunigte Erneuerung Braunkohle CCS Steinkohle (Retrofit) Vermiedene Verluste 10 -50 KWK Erdgas 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Verbesserte Kraftwerkstechnik • Steinkohle (Retrofit) • Braunkohle (Retrofit) • Erdgas (Retrofit) • Erdgas (neu) 150 160 170 180 190 200 Kumuliertes Vermeidungspotenzial in Mt CO2e Umstellung Energiemix* Vermeidungshebel < 20 EUR/t CO2e Vermeidungshebel > 20 EUR/t CO2e * Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg und unter Berücksichtigung der Förderung von erneuerbaren Energien (EEG) Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie In der obigen Detailbeschreibung der einzelnen Vermeidungshebel bis zum Jahr 2020 sind die beiden nachstehend erläuterten Hebel „Nachrüstung von CCS“ und „Be schleunigte Bestandserneuerung“ noch nicht enthalten, da sie erst nach dem Jahr 2020 greifen. Das aus der beschleunigten Bestandserneuerung erwachsende Poten zial findet allerdings auch bis zum Jahr 2030 keinen Eingang in das Vermeidungs potenzial des Basisszenarios, weil die Vermeidungskosten weit jenseits der Grenze von 20 EUR/t CO2e liegen und der Hebel nicht zum politisch intendierten Umbau des Energiemix gehört. Schaubild 11 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 60 Nachrüstung von CCS Im Jahr 2030 können durch die Nachrüstung von Kraftwerken mit CCS-Technologie 24 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von 44 EUR/t CO2e vermieden werden. In wieweit die Nachrüstung von CCS sinnvoll ist, hängt vom Alter der eingesetzten Kraft werkstechnologie ab. Kraftwerke am Ende ihres Lebenszyklus mit relativ geringen Nettonutzungsgraden kommen zur Nachrüstung nicht in Frage, da die zusätzlichen Betriebs- und Kapitalkosten prohibitiv hoch wären. Es wurde daher angenommen, dass etwa die Hälfte der zwischen 2005 und 2020 gebauten Kohlekraftwerke im Zeit raum nach 2020 nachgerüstet wird. Von der Nachrüstung von Erdgaskraftwerken wird nicht ausgegangen, da hier die Vermeidungskosten höher als 100 EUR/t CO2e lägen und die Nutzungsdauern kürzer sind. Die Vermeidungskosten, die aus der Nachrüs tung von CCS entstehen, bewegen sich prinzipiell oberhalb der Vermeidungskosten von neu gebauten CCS-Kraftwerken. Zwei Treiber tragen hier zu höheren Kosten bei: Zum einen entstehen zusätzliche Kapitalkosten, da das Nachrüsten eine mehrmona tige Kraftwerksstilllegung erfordert. Als Stilllegungszeitraum wurden für Steinkohleund Braunkohlekraftwerke acht Monate angenommen. Zum anderen liegen die In vestitionskosten für die CO2-Abscheidungstechnologie bei Retrofit höher als beim Neubau von CCS-Kraftwerken. Angesichts der Tatsache, dass der Bau neuer Kohle kraftwerke zunehmend capture-ready48 erfolgt, werden hier Mehrkosten in Höhe von 5 Prozent unterstellt. Allerdings liegt die Abscheidungsrate bei nachgerüsteten Kraft werken unterhalb der Rate von neu gebauten CCS-Kraftwerken. Für 2030 wurde eine CO2-Abscheidungsrate von 85 Prozent unterstellt. Bedingt durch höhere Kapitalkos ten und niedrigere Abscheidungsraten liegen die Vermeidungskosten im Jahr 2030 etwa 10 Prozent höher als bei neu gebauten CCS-Kraftwerken. Das Nachrüsten von Braunkohlekraftwerken mit CCS verursacht Vermeidungskosten von 33 EUR/t CO2e. Steinkohle liegt bei 52 EUR/t CO2e. Beschleunigte Bestandserneuerung Durch eine beschleunigte Erneuerung des Bestands ließe sich im Jahr 2030 ein Ver meidungspotenzial von 21 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von rund 80 EUR/t CO2e erzielen. Im Jahr 2030 befinden sich noch rund 20 GW Kraftwerkskapazität (4 GW Steinkohle, 8,5 GW Braunkohle und 7 GW Erdgas) am Netz, die bereits heute installiert sind. Etwa 5 GW dieser Kapazität (1 GW Steinkohle, 2 GW Braunkohle, 2 GW Erdgas) stehen weniger als 5 Jahre vor dem Ende ihrer Lebensdauer. Durch den Er satz dieser 5 GW Kraftwerksleistung (in der Folge als „Altbestand“ bezeichnet) durch aktuelle Kraftwerkstechnologie ließe sich erhebliches Vermeidungspotenzial heben. Es wird angenommen, dass der Altbestand Erdgas zwischen 2020 und 2030 sukzessive durch konventionelle verbesserte Kraftwerkstechnologie substituiert wird. Der Stein kohle- und Braunkohlealtbestand wird durch CCS-Technologie ersetzt. Zwischen 2010 und 2020 wird von keiner beschleunigten Bestandserneuerung ausgegangen, da in dieser Periode CCS noch nicht zur Verfügung steht und somit im Rahmen einer sol chen Maßnahme konventionelle Kraftwerkstechnologie zugebaut würde, die das CCSNeubau-Potenzial ab 2020 deutlich reduzieren würde. Der Vermeidungshebel „Beschleunigte Bestandserneuerung“ induziert Mehrkosten aufgrund der für den Neubau von Kraftwerken anfallenden Kapitalkosten. Für den 48D.h., die Technologie zur Abscheidung von CO2 kann ohne große Modifikationen in ein bestehendes konventionelles Kraftwerk integriert werden. Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor bereits abgeschriebenen Altbestand sind hingegen ausschließlich Betriebskosten zu tragen. Der Kapitalkostenposition bei neu gebauten Erdgaskraftwerken stehen aller dings im Vergleich zum Altbestand niedrigere Betriebskosten gegenüber, da neu ge baute Kraftwerke höhere Nettonutzungsgrade aufweisen. Im Fall der beschleunigten Bestandserneuerung von Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken werden die Mehr kosten zusätzlich durch den Einsatz von CCS-Technologie getrieben, die sowohl hö here Kapital- als auch höhere Betriebskosten verursacht. Mittels beschleunigter Be standserneuerung ließen sich im Jahr 2030 ca. 21 Mt CO2e vermeiden, das entspräche ca. 10 Prozent des gesamten Vermeidungspotenzials des Energiesektors. Das Vermei dungspotenzial entfiele fast ausschließlich auf CCS-Stein- und Braunkohlekraftwerke. Die beschleunigte Bestandserneuerung von Erdgaskapazität würde hierzu lediglich mit deutlich weniger als 1 Mt CO2e beitragen. Die Verbesserung des Nettonutzungsgrads des Altbestands um einen halben Prozentpunkt durch die Nachrüstung verbesserter Kraftwerkstechnologie wird bei der Berechnung der Vermeidungspotenziale berück sichtigt. Die Vermeidungskosten der beschleunigten Bestandserneuerung von Steinund Braunkohlekapazität betragen im Jahr 2030 139 EUR/t CO2e bzw. 65 EUR/t CO2e. Selbst ohne den Einsatz von CCS würde diese Maßnahme noch mit erheblichen Ver meidungskosten zu Buche schlagen (Steinkohle ca. 90 EUR/t CO2e, Braunkohle ca. 36 EUR/t CO2e). Die Vermeidungskosten für die beschleunigte Bestandserneuerung von Erdgaskapazität liegen im Jahr 2030 bei 240 EUR/t CO2e. Haupttreiber ist der geringe Unterschied der CO2-Intensitäten zwischen Altbestand und verbesserter Kraftwerkstechnologie. Das aus der beschleunigten Bestandserneuerung erwachsen de Potenzial findet allerdings keinen Eingang in das Vermeidungspotenzial des Basis szenarios, weil die Vermeidungskosten weit jenseits der Grenze von 20 EUR/t CO2e liegen und der Hebel nicht zum politisch intendierten Umbau des Energiemix gehört. Vergleich der Szenarien Neben dem Basisszenario wurden, wie bereits erläutert, die Szenarien „Kernenergie“ und „Öl-Hochpreis“ bewertet. Während sich Basisszenario und Öl-Hochpreisszenario lediglich in ihren durchschnittlichen Vermeidungskosten, nicht aber in den Vermei dungspotenzialen unterscheiden, ändern sich beim Wechsel zum Kernenergieszenario sowohl Kosten als auch Potenziale. Gegenüber dem Basisszenario sinken die durchschnittlichen Vermeidungskosten im Öl-Hochpreisszenario um etwas mehr als 2 Prozent im Jahr 2020 bzw. knapp 3 Pro zent im Jahr 2030, wobei sich einzelne Hebel natürlich z.T. deutlich stärker verändern. Diese Abweichungen sind hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Hebel deut lich günstiger werden, die den Nettonutzungsgrad der Erdgasverbrennung verbessern (verbesserte Kraftwerkstechnik). Insgesamt sind die Abweichungen moderat, da die Steinkohle- und Braunkohlepreise nicht vom Ölpreis abhängen und somit im Basisund Öl-Hochpreisszenario identisch sind. Wesentlich deutlicher ist die Abweichung zum Basisszenario im Kernenergieszenario. Das Potenzial liegt im Jahr 2020 um 93 Mt CO2e49, im Jahr 2030 noch um 66 Mt CO2e höher als im Basisszenario. Die Verminderung gegenüber dem Basisjahr beträgt 49Bei Berücksichtigung der Umstellung des Energiemix und sämtlicher Vermeidungshebel mit Kosten bis zu 20 EUR/t CO2e. Sofern sämtliche Vermeidungshebel (inkl. Kohle-Gas-Substitution) realisiert werden, beträgt die Differenz zum Basisszenario ca. 75 Mt CO2e. 61 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 62 amit 52 bzw. 69 Prozent inklusive Nachfragerückgang. Da die Verlängerung der d Laufzeit der Kernkraftwerke aus Entscheiderperspektive wirtschaftlich ist (Ersparnis von 41 EUR/t CO2e im Jahr 2020), sinken die durchschnittlichen Vermeidungskosten gegenüber dem Basisszenario um 47 EUR/t CO2e auf -23 EUR/t CO2e im Jahr 2020 bzw. um 39 EUR/t CO2e auf -7 EUR/t CO2e im Jahr 2030. Sensitivitätsanalysen haben gezeigt, dass dasselbe Vermeidungspotenzial sich durch andere Maßnahmen, etwa den über das Basisszenario hinausgehenden Ausbau erneuerbarer Energien, bis zum Jahr 2020 nicht erreichen ließe und bis zum Jahr 2030 nur zu sehr hohen Kosten reali sierbar wäre. Im Rahmen des Kernenergieszenarios wurde von einer technisch realistischen Laufzeit der deutschen Kernkraftwerke von 60 Jahren ausgegangen. Unter dieser Prämisse wäre im Jahr 2020 noch keines der heute im Betrieb befindlichen 17 Kernkraftwerke vom Netz gegangen, und selbst 2030 würden noch alle heute vorhandenen Kernkraft werke Strom liefern. Mittels einer Laufzeitverlängerung könnten im Jahr 2020 gegen über der „Stand der Technik“-Projektion ca. 165 TWh anstatt 14 TWh aus Kernenergie erzeugt werden. Da für die bestehenden Kernkraftwerke lediglich Betriebskosten an fallen, belaufen sich die Stromgestehungskosten der Kernenergie in Deutschland auf rund 20 EUR/MWh, wovon etwa 9 EUR/MWh auf Uran entfallen. Energiesektor: Auswirkungen Verzögerung Kernkraftausstieg – Deutschland 2020/2030 Durchschnittliche Vermeidungspotenzial* Vermeidungskosten EUR/t CO2e in Mt CO2e 2020 Basisszenario 55 24 Öl-Hochpreisszenario 55 23 Kernkraftszenario 148 2030 -29 -29 -23 +93 Veränderung ggü. 1990** in Prozent -52 -47 Basisszenario 148 32 -52 Öl-Hochpreisszenario 148 31 -52 Kernkraftszenario 214 +66 -7 -39 -69 * Exklusive Nachfragerückgang ** Veränderung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor gegenüber 1990 inkl. Nachfragerückgang Schaubild 12 Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor 63 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 64 Voraussetzungen für die Umsetzung und Implikationen Voraussetzungen für die Umsetzung und Implikationen Bei einigen der Hebel zur Treibhausgasvermeidung im Energiesektor bestehen Implementierungshürden, die zwingend überwunden werden müssen, um die ausgewiesenen Potenziale realisieren zu können. Diese Hürden sind teils rechtlicher, teils technischer Natur, teils liegen sie auch in der Akzeptanz durch die Bevölkerung. Wenn es gelingt, die Hürden zu überwinden und diejenigen Hebel umzusetzen, deren Vermeidungskosten unter 20 EUR/t CO2e liegen oder die zum politisch intendierten Umbau des Energiemix gehören, führt dies zu erheblichen Veränderungen des Kraftwerksparks und der Erzeugungsstruktur in Deutschland. Durch die Umsetzung der Vermeidungsmaßnahmen wird die Emissionsintensität der Stromerzeugung trotz des beschlossenen Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie sinken. Die Strompreise für Industrie, Gewerbe und private Verbraucher werden vor allem aufgrund des anzunehmenden Anstiegs der Preise von Emissionszertifikaten und des weiteren Anwachsens der EEG-Umlage steigen. Trotz des deutlichen Anstiegs des Erdgasbedarfs für die Stromerzeugung kann vor dem Hintergrund eines abnehmenden Wärmebedarfs im Gebäudesektor von einer sicheren Versorgung ausgegangen werden. Transparente Rahmenbedingungen für Investitionen Für den politisch intendierten Umbau des Energiemix müssen die rechtlichen Rahmen bedingungen geschaffen werden. Über die bestehenden Gesetze und Verordnungen hinausgehend sind dies insbesondere: Förderung erneuerbarer Energien: Wie zuvor eingehend beschrieben, ist die Strom erzeugung aus erneuerbaren Energien nicht wirtschaftlich und kann nur durch eine entsprechende Förderung erreicht werden. Im aktuellen Erneuerbare-EnergienGesetz sind Degressionen der Fördersätze hinterlegt. Würde hier keine Weiterent wicklung stattfinden, würden einige Technologien bei anzunehmenden Kostende gressionen in Zukunft zu hoch gefördert, während andere nicht umgesetzt würden. Hätten die heutigen Fördersätze Bestand, würden beispielsweise Offshore-Wind parks nicht gebaut. Abscheidung und Speicherung von CO2: Bei der Abscheidung und Speicherung von CO2 bestehen nicht nur technische, sondern in erheblichem Umfang auch rechtliche Implementierungshürden. Dazu gehören die bisher fehlende gesetzliche Regelung zum Transport von rund 100 Mt CO2e pro Jahr (aus Energiewirtschaft und Industrie) und die ebenfalls fehlende bergrechtliche Genehmigung der Einspei cherung. Zusätzlich ist die Akzeptanz für Pipelines und Speicherstätten in der Be völkerung nicht sicher. Dies kann zu erheblichen Umsetzungsproblemen führen. Verlängerung Kernkraft: Ebenso groß ist die rechtliche Implementierungshürde vor der im Szenario „Kernkraft“ angenommenen Verlängerung der Laufzeit der existie renden Kernreaktoren in Deutschland. Die herrschende politische Beschlusslage schreibt eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 32 Volllastjahren vor. Wie zuvor 65 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 66 eingehend geschildert, bedeutet dies ein Abschalten der letzten drei Kernkraft werke (Emsland, Isar 2 und Neckar 2) im Jahr 2021. Einer Verlängerung müsste eine Revision der politisch beschlossenen Ausstiegsbedingungen vorausgehen. Voraussetzungen für neue Technologien Der größte Teil der in der vorliegenden Studie bewerteten Vermeidungspotenziale lässt sich durch Weiterentwicklungen heute bereits bekannter und erprobter Techno logien realisieren. Zwar stellen auch diese Weiterentwicklungen (z.B. Wirbelschicht trocknung bei der Braunkohle, 700°C-Technologie bei Steinkohle, Keramikschaufeln beim Erdgas) noch große Herausforderungen dar, doch befinden sie sich bereits in einem umsetzungsnäheren Entwicklungsstadium als Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) und Stromerzeugung in Offshore-Wind kraftanlagen. Mit beiden Technologien bestehen heute noch wenige Erfahrungen, und beide Technologien sollen zwischen 2020 und 2030 einen erheblichen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Deutschland leisten (CCS im Jahr 2030 66 Mt CO2e, Offshore-Windkraft im Jahr 2030 26 Mt CO2e). Damit dieser Beitrag tat sächlich im erwarteten Umfang realisiert werden kann, müssen allerdings zunächst die technischen Voraussetzungen geschaffen werden: Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 sind heute weltweit in einem frühen Entwicklungsstadium. Auch in Deutschland sind mehrere Pilot- und Demonstrationsanlagen im Bau bzw. in der Planung. Keine der drei möglichen Technologien (IGCC, Post-Combustion und Oxyfuel) hat sich bisher klar gegenüber den anderen durchsetzen können. Für ihren Erfolg ist maßgeblich, wie schnell ein Einsatz in industriellem Umfang zu akzeptablen Kosten möglich wird. Eine gezielte Unterstützung der technologischen Ansätze kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten und steile Lernkurven für die neu zu entwickelnden Prozesse ermöglichen. Auch ist der Bau von Pipelines, die rund 100 Mt CO2e pro Jahr (davon 66 Mt CO2e aus dem Energie- und knapp 40 Mt CO2e aus dem Industriesektor) über einige hun dert Kilometer durch Deutschland vom Abscheidungsort zum Speicherort trans portieren können, nicht nur eine rechtliche und technische Herausforderung, son dern auch eine Herausforderung hinsichtlich der Vermittlung an die Bevölkerung. Die Stromerzeugung aus Offshore-Windparks steht in Deutschland vor besonde ren Herausforderungen, weil die meisten Parks in deutlich tieferen Gewässern geplant sind als bisher erprobte Anlagen beispielsweise in Skandinavien und Großbritannien. Die hierdurch entstehenden technologischen und betrieblichen Schwierigkeiten (z.B. Materialanfälligkeit, erhöhte Risiken bei der Wartung, größere Transportentfernungen zum Festland) sind in ihrem Umfang und in ihren Kosten heute noch nicht vollständig abschätzbar. Versorgungssicherheit und Balance in der Nutzung verschiedener Energieträger Die Versorgungssicherheit mit importierten Energieträgern wie Steinkohle und Erdgas ist durch die Umsetzung der Vermeidungsmaßnahmen nur dann nicht gefährdet, wenn es gelingt, neben dem Umbau der Stromwirtschaft auch die Effizienzsteigerung bei den Verbrauchern umzusetzen. Deutschland kann auch in Zukunft Steinkohle aus verschie denen Regionen und von verschiedenen Lieferanten beziehen. Der Erdgasbedarf in der Voraussetzungen für die Umsetzung und Implikationen 67 Stromerzeugung steigt von 115 TWh (2004) über 160 TWh (2020) auf 165 TWh (2030) und auch der Erdgasverbrauch in den Industriesektoren nimmt von 364 TWh (2004) über 380 TWh (2020) auf 390 TWh (2030) zu. Bei entsprechend ambitionierter Um setzung der Hebel im Gebäudebereich (insbesondere energetische Sanierungen und Ersatz alter Heizungsanlagen) sinkt dort gleichzeitig der Erdgasbedarf von 450 TWh (2004) über 350 TWh (2020) auf 280 TWh (2030). In Summe ergibt sich damit bei Um setzung aller Vermeidungshebel keine signifikante Veränderung in der Gesamtmenge des Erdgasbedarfs. Implikationen: Emissionen nach Umsetzung der Vermeidungshebel Die Umsetzung der zuvor eingehend beschriebenen Hebel führt zu einer deutlichen Veränderung des Kraftwerksparks bzw. des Erzeugungsmix. Energiesektor: Bruttostromerzeugung nach Umsetzung der Vermeidungshebel – Deutschland 2004 - 2030* in TWh Erneuerbare Energien** Wasserkraft*** Öl und Sonstige**** Erdgas Steinkohle 616 37 28 25 62 140 Wachstumsrate in Prozent 519 108 16 Kernenergie * ** *** **** 158 123 167 134 2004 14 2020 Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg Exklusive Wasserkraft Inklusive nicht erneuerbarer Wasserkraft (ca. 6 TWh) Z.B. nicht biogener Müll, Grubengas -16% 527 150 30 95 Braunkohle BASISSZENARIO 15 31 -14% 5,6 0,4 -1,9 101 1,9 107 -1,0 124 -0,9 0 2030 Nach Umsetzung der Vermeidungshebel Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Mit 132 TWh machen erneuerbare Energien (einschließlich erneuerbare Wasserkraft) im Jahr 2020 ein Viertel der Bruttostromerzeugung aus, im Jahr 2030 mit 175 TWh sogar ein Drittel, während es 2004 lediglich 10 Prozent waren. Auch der Anteil der Stromerzeugung aus Erdgas steigt, bedingt durch den Zubau als Folge des Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie, von 10 über 18 auf 19 Prozent bis zum Jahr 2030. Die Anteile von Braun- und Steinkohle gehen insbesondere durch den Anstieg der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von 26 bzw. 23 Prozent im Jahr 2004 auf 24 bzw. 20 Prozent im Jahr 2030 zurück. Kernenergie scheidet im Basisszenario, wie zuvor bereits im Detail in der „Stand der Technik“-Projektion beschrieben, im Jahr 2020 aus dem Kraftwerkspark aus. Schaubild 13 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 68 Energiesektor: Emissionen nach Umsetzung der Vermeidungshebel – Deutschland 2004 - 2030* in Mt CO2e Wachstumsrate in Prozent 359 283 -21% -47% -2,4 189 2004 2020 2030 Nach Umsetzung Vermeidungshebel Bruttostromerzeugung TWh CO2-Intensität** in t CO2e/MWh 616 519 527 -0,6 0,57 0,54 0,35 -1,9 * Hebel zur Umstellung des Energiemix und Hebel bis zu 20 EUR/t CO2e ** Auf Basis Nettostromerzeugung, einschließlich Kernkraft (2004 und 2020) und erneuerbare Energien Schaubild 14 Quelle: UBA, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie Wenn die Stromnachfrage in Deutschland nach Umsetzung der Vermeidungshebel im Jahr 2020 in der Industrie, im Gebäudesektor und im Schienenverkehr um 117 TWh gegenüber der „Stand der Technik“-Projektion reduziert werden kann, der politisch gewollte Umbau des Erzeugungsmix stattfindet, im Energiesektor die Hebel bis zu 20 EUR/t CO2e Vermeidungskosten umgesetzt werden und die Einführung von Tech nologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) gelingt, so verringern sich die Emissionen ausgehend von 359 Mt CO2e im Jahr 2004 auf 283 Mt CO2e im Jahr 2020 und 189 Mt CO2e im Jahr 2030. Dies führt zu einer Verminderung der Netto-Emissionsintensität der Stromversorgung von derzeit 0,57 t CO2e/MWh über 0,54 t CO2e/ MWh im Jahr 2020 auf 0,35 t CO2e/MWh im Jahr 2030. Zwar fällt mit der Kernenergie eine emissionsfreie Energiequelle weg, doch steigt der Anteil der er neuerbaren Energien deutlich an. Auch werden fossil betriebene Kraftwerke effizienter und ein zunehmender Anteil des entstehenden Kohlendioxids wird (ab 2020) durch Carbon Capture and Storage abgeschieden und gespeichert. Durch den Umbau der Energieversorgung würden die Strompreise für Industrie, Ge werbe und private Verbraucher steigen. Für private Verbraucher und Gewerbe wird mit einem Anstieg von ca. 19,4 Cent/kWh heute auf 21,4 Cent/kWh im Jahr 2020 (plus 10 Prozent) und 23,2 Cent/kWh im Jahr 2030 (plus 20 Prozent) gerechnet. Für die In dustrie wird im Durchschnitt mit einem Anstieg von 11,3 Cent/kWh über 12,7 Cent/kWh (plus 12 Prozent) auf 14,0 Cent/kWh (plus 24 Prozent) gerechnet. Die Anstiege basieren allerdings nicht auf einer signifikanten Veränderung der direkten Erzeugungskosten. Diese bleiben zwischen 4,6 und 5,1 Cent/kWh weitgehend konstant. Preistreibend wir ken vor allem der anzunehmende Anstieg des Preises für Emissionszertifikate (ange nommen wurde hier basierend auf der Emissionsintensität des Grenzkraftwerks und dem Preis für Emissionsrechte ein Anstieg von 0,65 auf 2,0 Cent/kWh) und für private Voraussetzungen für die Umsetzung und Implikationen Verbraucher und Gewerbe der vorherzusehende Anstieg der EEG-Umlage. Für die In dustrie dürfte der aus der EEG-Umlage resultierende Kostenanstieg im Durchschnitt aufgrund der Kappungen und Befreiungen geringer sein. 69 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 70 Anhang Anhang 71 Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen Energie 202050 Vermeidungspotenzial Mt CO2e Photovoltaik Gebäude (ca. 50 kWp) Vermeidungskosten EUR/t CO2e 0,7-49 Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (Retrofit) 0,1-22 Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (Retrofit) 0,8-10 Photovoltaik Freifläche (> 1 MWp) 1,1-6 Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (Retrofit) 0,2-3 Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (neu) Vermiedene Verluste 0,7-2 10,4 0 3,8 14 Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (neu) 2,7 17 KWK Steinkohle 0,2 17 Erdgas statt Steinkohle 8,9 28 Biomasse (gasförmig) 5,0 30 CCS Braunkohle (neu) 2,6 31 11,0 34 Biomasse (fest) Wind Onshore Biomasse (Co-firing) 0,6 35 11,4 39 Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (neu) 2,9 49 KWK Erdgas 0,1 49 Erdgas statt Braunkohle 8,8 50 CCS Steinkohle (neu) 3,2 52 Geothermie 1,1 106 Wind Offshore 50Hinweis: Potenziale der Hebel können addiert werden, spezifische Vermeidungskosten (und Gesamtkosten) der Hebel nicht. Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 72 Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen Energie 203051 Vermeidungspotenzial Mt CO2e Vermeidungskosten EUR/t CO2e Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (Retrofit) 0,1-23 Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (Retrofit) 0,8-10 Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (neu) 1,2-9 Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (Retrofit) 0,2-3 Vermiedene Verluste 11,7 0 Photovoltaik Gebäude (ca. 50 kWp) 1,5 11 KWK Steinkohle 0,3 18 Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (neu) 7,7 18 Photovoltaik Freifläche (> 1 MWp) 1,8 19 Biomasse (fest) 5,0 22 CCS Braunkohle (neu) 18,2 30 Wind Onshore 16,0 30 Erdgas statt Steinkohle 8,9 30 CCS Braunkohle (Retrofit) 10,7 33 Wind Offshore 26,3 34 Biomasse (Co-firing) 2,8 34 Biomasse (gasförmig) 6,5 39 Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (neu) 7,7 48 22,5 48 CCS Steinkohle (neu) KWK Erdgas CCS Steinkohle (Retrofit) Erdgas statt Braunkohle Beschleunigte Erneuerung Braunkohle 0,2 51 13,4 52 8,8 57 17,7 65 CCS Erdgas (neu) 1,3 87 Geothermie 3,2 135 Beschleunigte Erneuerung Steinkohle 2,6 139 Beschleunigte Erneuerung Erdgas 0,3 241 51Hinweis: Potenziale der Hebel können addiert werden, spezifische Vermeidungskosten (und Gesamtkosten) der Hebel nicht. 73 Kosten und Potenziale der V ermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland 74 Ansprechpartner BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz McKinsey & Company, Inc. Joachim Hein j.hein@bdi.eu Leo Birnbaum leo_birnbaum@mckinsey.com Klaus Mittelbach k.mittelbach@bdi.eu Anja Hartmann anja_hartmann@mckinsey.com Martin Schröder m.schroeder@bdi.eu Jan-Henrik Hübner jan-henrik_huebner@mckinsey.com Christian Malorny christian_malorny@mckinsey.com Internet: www.wirtschaftfuerklimaschutz.eu Jens Riese jens_riese@mckinsey.com Thomas Vahlenkamp thomas_vahlenkamp@mckinsey.com Impressum Herausgeber: McKinsey & Company, Inc. Verantwortlich für den Inhalt: Thomas Vahlenkamp Redaktion: L eonhard Birnbaum, Kalle Greven, Anja Hartmann, Jan-Henrik Hübner, Michael Peters, Jens Riese, Thomas Vahlenkamp, Stephan Weyers Alle Rechte vorbehalten. Copyright 2007 by McKinsey & Company, Inc. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung von McKinsey & Company, Inc., unzulässig und strafbar. 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