Kosten und Potenziale der Ver meidung von Treibhausgas

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Kosten und Potenziale der Ver meidung von Treibhausgas
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Kosten und Potenziale der ­Ver­meidung von
Treibhausgas­emissionen in Deutschland
Eine Studie von McKinsey & Company, Inc.,
erstellt im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“
Sektorperspektive Energie
Vorwort
Die vorliegende Sektorperspektive Energie ist Teil der sektorübergreifenden Studie
„Kosten und Poten­ziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in ­Deutschland“,
die McKinsey & ­Company, Inc., im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klima­
schutz“ erstellt hat. Die Ergebnisse der Studie wurden separat in einem Gesamt­bericht
veröffentlicht. Die Sektorperspektive enthält eine detaillierte Darstellung der Kosten
und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen im Energiesektor in
Deutschland. Dem Energiesektor wurde dabei neben der zentralen, industriellen und
dezentralen Stromerzeugung auch die Erzeugung von Fernwärme zugerechnet.
Insgesamt waren mehr als 70 Unternehmen und Verbände an der Bewertung von über
300 Hebeln zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland beteiligt. In
der Arbeitsgruppe Energie waren dies die Versorger EnBW Energie Baden-Württem­
berg AG, E.ON Energie AG, RWE AG und Vattenfall Europe AG, die BASF AG als ­großer
industrieller Stromerzeuger sowie die Anlagenbauer Hitachi Power Europe GmbH und
Siemens AG und die Verbände Fachverband Dampfkessel, Behälter- und Rohrlei­
tungsbau e.V. (FDBR), Verband der Verbundunternehmen und Regionalen Energiever­
sorger in Deutschland e.V. (VRE), Wirtschaftsverband Stahlbau und Energietechnik e.V.
(SET) und Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI). Zudem
wurden die Annahmen und Ergebnisse mit zahlreichen unabhängigen Experten dis­
kutiert. Wir danken den Unternehmen, Verbänden und Experten, die an der Ableitung
der Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen mitgearbeitet
haben, für die konstruktive Zusammenarbeit und den unermüdlichen Einsatz über die
vergangenen Monate. Die breite Unterstützung von allen Beteiligten war eine zentrale
Voraussetzung für das Gelingen der vorliegenden Studie.
3
Der BDI dankt den folgenden Sponsoren herzlich für ihre finanzielle Beteiligung:
5
Inhaltsverzeichnis
7
Vorwort
3
Glossar
9
Zusammenfassung der Studienergebnisse für den Energiesektor
15
Herkunft der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
21
Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor seit 1990
25
Zukünftige Entwicklung der Treibhausgas­emissionen im Energiesektor
mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion)
„Stand der Technik“-Projektion: Methodik
„Stand der Technik“-Projektion: Annahmen und Ergebnisse für den
Energiesektor
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Bewertung von Hebeln zur Vermeidung von Treibhausgasemis­sionen:
Methodik
Hebel zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen im Energie­sektor
bis 2020
Senkung der Energienachfrage
Verbesserung konventioneller Kraftwerkstechnologie
Ausbau erneuerbarer Energien
CO2 -Abscheidung und -Speicherung
(Carbon Capture and Storage, CCS)
Kraft-Wärme-Kopplung
Kohle-Gas-Substitution
Stromimport
Weitere Entwicklung nach 2020 – Vermeidungspotenziale und ­
-kosten 2030 (Basisszenario)
Vergleich der Szenarien
29
29
30
37
37
43
45
45
47
53
55
57
58
58
61
Voraussetzungen für die Umsetzung und Implikationen
65
Anhang: Detailzahlen Vermeidungskostenkurve
71
Glossar
Glossar
9
BasisjahrBasisjahr zur Messung der erreichten Reduzierung von Treib­
haus­gasemissionen im Sinne des Kyoto-Protokolls (1990 für
CO2-Emissionen; 1995 für eine Reihe weiterer Treibhausgase);
vgl. Nationaler Inventarbericht des UBA (Dessau, März 2007) für
Details
Bruttostrom-
erzeugung Stromerzeugung vor Abzug Eigenverbrauch und Netzverlusten
Co-firingMitverbrennung von Biomasse in einem bestehenden fossil be­
feuerten Kraftwerk
CCS
arbon Capture and Storage – Technologien zur Abscheidung
C
und Speicherung von CO2
CDM(-Projekte)
lean Development Mechanism – Mechanismus im Rahmen des
C
Kyoto-Protokolls, der Emittenten in den Unterzeichnerstaaten
die Möglichkeit gibt, unter Beachtung bestimmter Vorgaben in
Projekte in Entwicklungsländern zu investieren und dafür CO2Zertifikate zu erhalten
CO2
Kohlendioxid
CO2eKohlendioxid-Äquivalent, d.h. Kennzahl für die Intensität eines
Treibhausgases, gemessen an der Treibhauswirkung von Koh­
lendioxid, z.B. 21 für CH4 (Methan), 310 für N2O (Lachgas)
Eigenstrom-
verbrauch
Stromverbrauch innerhalb eines Kraftwerks, z.B. für Pump­
leistung
EEG
Erneuerbare-Energien-Gesetz
EntscheiderDerjenige, der über die Durchführung einer Investition entschei­
det, d.h. das Unternehmen (z.B. für Industrieanlagen) bzw. die
Privatperson (z.B. der Auto- oder Hausbesitzer)
EOR
Enhanced Oil Recovery – Injektion von CO2 in Ölfelder, um die
Ölausbeute zu erhöhen
EU ETSEU Emissions Trading Scheme – Europäisches Emissionshan­
delssystem
EUR
Euro
EVU
Energieversorgungsunternehmen
GW
Gigawatt, d.h. eine Milliarde [109] Watt
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
10
GWh
Gigawattstunde(n), d.h. eine Million [106] kWh
Gt
Gigatonne(n), d.h. eine Milliarde [109] Tonnen
(Vermeidungs-)
Technischer Ansatzpunkt zur Verminderung von Treibhaus­gas­
Hebel emissionen, z.B. Verwendung effizienterer Prozesse oder Mate­
rialien
IGCC
Integrated Gasification Combined Cycle – kombinierte Gas- und
Dampfturbinenanlage mit vorgeschalteter Kohle-Vergasungs­
anlage. Technologie eignet sich auch zur CO2-Abscheidung, da
CO2 aus wasserstoffhaltigem Gasgemisch (Synthesegas) ent­
fernt werden kann
kW
Kilowatt, d.h. 1.000 Watt
kWh
Kilowattstunde(n)
KWK
Kraft-Wärme-Kopplung
m Meter
Mt
Megatonne(n), d.h. eine Million [106] Tonnen
MW
Megawatt, d.h. eine Million [106] Watt
MWh
Megawattstunde(n), d.h. tausend [103] kWh
MWhel
Megawattstunde(n) elektrische Energie
MWhth
Megawattstunde(n) thermische Energie
NettonutzungsgradDurchschnittlicher Wirkungsgrad eines Kraftwerks über ein Jahr
nach Abzug des Eigenverbrauchs
Nettostrom-
erzeugung Stromerzeugung nach Abzug Eigenverbrauch und vor Netzverlusten
OxyfuelTechnologie zur CO2-Abscheidung: Brennstoff wird mit reinem
Sauerstoff verbrannt, um Rauchgas mit sehr hohem CO2-Ge­
halt zu erhalten
Post-CombustionTechnologie zur CO2-Abscheidung: konventionelle Verbrennung
mit Luft; CO2-Abscheidung mittels Rauchgaswäsche
ReferenztechnologieTechnologie auf dem Stand der Technik, mit der eine treibhaus­
gaseffiziente Lösung im Hinblick auf Vermeidungspotenzial und
-kosten verglichen wird
Glossar
SektorIm Rahmen dieser Studie vorgenommene Gruppierung von
Wirt­schafts­zweigen1, und zwar
Energie: Emissionen aus zentraler, industrieller und dezentraler
Stromerzeugung sowie aus der Erzeugung von Nah- und Fern­
wärme
Industrie: Direkte und indirekte Emissionen aller Industriezweige
mit Ausnahme der Stromerzeugung und des Transportsektors;
inklusive industrieller Wärmeerzeugung
Gebäude: Direkte und indirekte Emissionen aus privaten Haus­
halten und dem tertiären Sektor (GHD, öffentliche Gebäude,
Gebäude in der Landwirtschaft)
Transport: Emissionen aus dem Straßenverkehr (Personenver­
kehr: kleine, mittlere und große Personenkraftwagen (PKW),
Güterverkehr: leichte Nutzfahrzeuge („Sprinterklasse“), mittlere
und schwere Lastkraftwagen (LKW), Busse), dem Schienen­
verkehr (Personennah- und -fernverkehr, Güter), dem inner­
deutschen Luftverkehr (ziviler Personen- und Frachtverkehr),
inklusive Effekte durch Veränderungen im Kraftstoffmix (Mineral­
ölindustrie)
ntsorgungswirtschaft: Emissionen aus der Deponierung von
E
Abfällen und aus der Behandlung von Abwasser
Landwirtschaft: Emissionen aus Viehhaltung und Bewirtschaf­
tung von Böden
Stand der TechnikDurchschnittliche Energie- bzw. Treibhausgaseffizienz im heuti­
gen (2006) Verkaufs- bzw. Investitionsmix
„Stand der Technik“- Projektion der Entwicklung von Treibhausgasemissionen in
ProjektionDeutsch­land auf Basis des heute erwarteten Wirtschaftswachs­
tums und bei allmählicher Durchdringung des Bestands mit dem
Stand der Technik (für Details vgl. unten Seite 29ff.)
StromkennzifferVerhältnis von Strom- zu Wärmemenge in einer Anlage zur KraftWärme-Kopplung
t Tonne(n)
TreibhausgasTreibhausgas im Sinne des Kyoto-Protokolls, d.h. CO2 (Kohlen­
dioxid), CH4 (Methan), N2O (Lachgas), HFC/PFC (Fluorkohlen­
wasserstoffe) und SF6 (Schwefelhexafluorid)
1Die Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Transport wurden im Rahmen der Studie jeweils in dedizierten Arbeitsgruppen bearbeitet, an denen Vertreter von Unternehmen und Verbänden teilnahmen, die in den Sektoren als Akteure
und/oder Zulieferer aktiv sind. Die Entsorgungswirtschaft und die Landwirtschaft wurden jeweils in einer Reihe von
Ein­zel­interviews mit Experten und Vertretern von Unternehmen und Verbänden diskutiert, jedoch nicht durch eigene
Arbeits­gruppen abgedeckt.
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Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
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TWh
Terawattstunde(n), d.h. eine Milliarde [109] kWh
TWhel
Terawattstunde(n) elektrische Energie
TWhth
Terawattstunde(n) thermische Energie
Vermeidungshebel
S. „Hebel“
Vermeidungskosten Zusätzliche Kosten (bzw. Ersparnisse), die sich durch den Ein(in EUR/t CO2e) satz einer Technologie mit geringerer Treibhausgasintensität
gegenüber dem jeweils vorherrschenden Stand der Technik
ergeben (ohne Berücksichtigung von Sekundäreffekten aus
volks­wirtschaftlicher Sicht), in der vorliegenden Studie aus Sicht
des jeweiligen Entscheiders bewertet, d.h. unter Berücksich­
tigung der jeweils spezifischen Diskontierungsraten und Amor­
tisierungs­zeiträume
Vermeidungs-
kostenkurve Zusammenstellung von Vermeidungspotenzialen und -kosten
für einen Sektor
Vermeidungs-
potenzial (in Mt CO2e) Potenzial zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen, das
sich durch die ambitionierte, aber in der Praxis realisierbare
Umsetzung eines Vermeidungshebels ergibt
(Aus Entscheider-
Vermeidungshebel, bei dessen Umsetzung für den Entscheider
sicht) Wirtschaftlicher unter Berücksichtigung der jeweiligen Amortisierungszeiträume
Vermeidungshebel und Diskontierungsraten Einsparungen entstehen
Glossar
13
Zusammenfassung der Studienergebnisse für den Energiesektor
Zusammenfassung der Studienergebnisse
für den Energiesektor
Der Energiesektor – insbesondere die Stromerzeugung – ist für rund 35 Prozent
der Emissionen in Deutschland verantwortlich (2004: 359 Mt CO2e). Ohne Umsetzung weiterer Vermeidungshebel würden die Emissionen des Sektors bis 2020/2030
erheblich ansteigen, da auf Grund des Ausstiegs aus der Kernenergie emissions­
intensivere Kohle- und Gaskraftwerke nachgebaut würden. Um demgegen­über
die Emissionen aus der Stromerzeugung zu reduzieren, stellt – bei Beibehaltung
des Ausstiegs aus der Kernenergie2 – im Rahmen der Umstellung des Energiemix
der weitere Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2020 den
wichtigsten Vermeidungshebel dar (34 Mt CO2e). Mit der Umsetzung der entsprechenden Vermeidungshebel würde sich der Strommix in Deutschland im Jahr 2020
gegen­über heute erheblich verschieben: Erneuerbare Energien, Steinkohle und
Braunkohle würden jeweils etwa ein Viertel, Gas ein Fünftel des Stroms in Deutschland ­liefern. Dadurch könnten – in Kombination mit dem reduzierten Strombedarf
aus dem Industrie- und dem Gebäudesektor sowie mit der erhöhten Effizienz konventioneller Kraftwerke – die Emissionen des Sektors gegenüber dem heutigen
Stand trotz Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernkraft um 21 Prozent gesenkt
­werden.
Im Jahr 2004 stammten 35 Prozent (359 Mt CO2e) der Treibhausgasemissionen in
Deutschland aus dem Energiesektor, dem neben der Stromerzeugung auch Anlagen
zur Fernwärmeerzeugung zugerechnet wurden. Etwa die Hälfte der Emissionen des
Energiesektors stammte aus der Verstromung von Braunkohle und ein weiteres Drittel
aus der Verstromung von Steinkohle, obgleich beide Energieträger nur jeweils etwa
ein Viertel zur Bruttostromerzeugung beitrugen. Der Strom in Deutschland war da­
mit im europäischen Vergleich mit einer CO2-Intensität von 0,57 t CO2e/MWh3 eher
emissions­intensiv.
Die Emissionen im Energiesektor sanken auf Grund eines leichten Rückgangs der
Bruttostromerzeugung um 13 TWh (infolge des Umbruchs der Industrie in den ­neuen
Bundesländern) und der spezifischen Emissionen (infolge der beginnenden Moderni­
sierung bzw. des Austauschs von Kraftwerken) bis zum Jahr 1995 um 12 Prozent. Die
bisher niedrigsten absoluten Emissionen wurden im Jahr 2000 erreicht: Trotz wieder
ansteigender Bruttostromerzeugung führten der weitere Austausch veralteter Kraft­
werke und die damit einhergehende Reduzierung der spezifischen Emissionen4 zu
einem Absinken der Emissionen auf 337 Mt CO2e (2000). Seit 2000 blieben die spezi­
fischen Emissionen konstant, so dass die absoluten Emissionen bis 2004 mit der
Brutto­stromerzeugung um 7 Prozent auf 359 Mt CO2e (2004) anstiegen5.
2Zu den Auswirkungen einer Verzögerung des Ausstiegs aus der Kernenergie vgl. Seiten 18 und 62.
3Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten.
4Von 0,69 t CO2e/MWh (Basisjahr) auf 0,57 t CO2e/MWh (2004) – bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach
Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten.
5Die Bruttostromerzeugung entwickelte sich im betrachteten Zeitraum wie folgt: 550 TWh (1990), 537 TWh (1995),
577 TWh (2000), 616 TWh (2004).
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Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
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Ohne Umsetzung weiterer Vermeidungshebel („Stand der Technik“-Projektion) steigen
die Treibhausgasemissionen im Energiesektor in Deutschland deutlich an. Insbeson­
dere im Zeitraum bis 2020 führt der Ausstieg aus der Kernkraft dazu, dass – ohne
weitere politische Eingriffe – ein Mix aus CO2-intensiveren Gas- und Kohlekraftwerken
zugebaut werden müsste. Die Emissionen des Energiesektors steigen dadurch in der
„Stand der Technik“-Projektion – bei insgesamt leicht steigender Bruttostromerzeu­
gung6 – von 359 Mt CO2e (2004) auf 408 Mt CO2e (2020) bzw. 415 Mt CO2e (2030). Ent­
sprechend erhöht sich die CO2-Intensität der Stromerzeugung von 0,57 t CO2e/ MWh
(2004) auf 0,64 t CO2e/MWh (2020) bzw. 0,62 t CO2e/MWh (2030)7.
Gegenüber dieser „Stand der Technik“-Projektion sinkt die Stromnachfrage in Deutsch­
land nach Umsetzung der Vermeidungshebel in den Industriesektoren, im Gebäude­
bereich und im Schienenverkehr, was zu einem Rückgang der Bruttostromerzeugung
um 117 TWh auf 519 TWh (2020) führt. Dies entspricht einer Reduzierung um 16 Pro­
zent im Vergleich zum Stand von 2004 (616 TWh). Diese Reduzierung vermindert die
Treibhausgasemissionen des Energiesektors im Vergleich zur „Stand der Technik“Projektion um 70 Mt CO2e8.
Obwohl die Nachfrage nach Strom durch Umsetzung der Vermeidungshebel in den
Industriesektoren und im Gebäudebereich zurückgeht, müssen in Deutschland neue
Erzeugungskapazitäten zur Produktion von 220 TWh errichtet werden. Durch den ge­
planten Ausstieg aus der Kernenergie müssen etwa 150 TWh jährlich aus anderen
Quellen erzeugt werden. Darüber hinaus gelangt eine Reihe von Kraftwerken an das
Ende ihrer Lebensdauer und muss ersetzt oder erheblich modernisiert werden; dies
führt zu einem Ersatzbedarf von Kapazitäten zur Erzeugung von ca. 70 TWh.
Im Zuge der notwendigen Ersatzinvestitionen kommt es zu einer erheblichen Umstruk­
turierung der Stromerzeugung in Deutschland. Zum einen werden die neu gebauten
konventionellen Kraftwerke im Vergleich zum heutigen Bestand deutlich effizienter
sein, zum anderen soll ein erheblicher Anteil der benötigten Stromerzeugung in Zu­
kunft aus erneuerbaren Energien stammen.
Bei allen konventionellen Technologien zur Stromerzeugung werden in den Jahren
bis 2020 wichtige technologische Verbesserungen eingeführt, welche die Wirkungs­
grade der Kraftwerke erhöhen. Hierzu zählen beispielsweise die Wirbelschichttrock­
nung in der Stromerzeugung aus Braunkohle oder das 700°C-Kraftwerk (Steinkohle).
In der „Stand der Technik“-Projektion wurde die Einführung der heute aktuellen Kraft­
werkstechnik bereits berücksichtigt; die Zusatzpotenziale, die sich darüber hinaus
aus weiterer Verbesserung der vorhandenen Technologien ergeben, sind deshalb
vergleichs­weise gering. Bereits in der „Stand der Technik“-Projektion erhöhen sich die
durchschnittlichen Nettonutzungsgrade im Kraftwerkspark für Braunkohle von heute
34 Prozent auf 39 Prozent, für Steinkohle von 38 Prozent auf 43 Prozent und für Gas
von 50 Prozent auf 58 Prozent. Eine weitere Effizienzsteigerung gegenüber der „Stand
6Die Bruttostromerzeugung steigt in der „Stand der Technik“-Projektion von 616 TWh (2004) auf 636 TWh (2020) bzw.
661 TWh (2030). Darin sind neben dem Stromverbrauch aus dem Industrie- und dem Gebäudesektor (2004: 516 TWh)
auch der Stromverbrauch von Schienenfahrzeugen sowie der Eigenverbrauch der Kraftwerke und Netzverluste enthalten.
7Berechnet auf Basis der Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten.
8Die Vermeidungspotenziale aus den entsprechenden Maßnahmen wurden jeweils den stromverbrauchenden Sektoren
zugerechnet. Mit dem Rückgang der Nachfrage sind für die Stromerzeugung auch 16 TWh vermiedene Verluste verbunden, die bei höherer Nachfrage durch den Eigenverbrauch der Kraftwerke und durch Netzverluste entstanden wären
(entspricht ca. 10 Mt CO2e); diese wurden dem Energiesektor zugerechnet.
Zusammenfassung der Studienergebnisse für den Energiesektor
der Technik“-Projektion durch Modernisierung (Retrofit) älterer Kraftwerke und zusätz­
liche Verbesserung neu gebauter Kraftwerke führt darüber hinaus zu einem Potenzial
von knapp 5 Mt CO2e zu Vermeidungskosten von bis zu 20 EUR/t CO2e.
Den größten Beitrag zur Treibhausgasvermeidung in der Stromerzeugung in Deutsch­
land leisten im Vergleich zur „Stand der Technik“-Projektion die erneuerbaren Energien,
aus denen bis 2020 etwa ein Viertel des in Deutschland erzeugten Stroms produziert
werden soll. Diese strukturelle Verschiebung trägt zu einer Reduzierung der Treib­
haus­gasemissionen um 34 Mt CO2e bei. Den größten Anteil daran haben die Stromer­
zeugung aus Wind (Onshore/Offshore mit jeweils ca. 11 Mt CO2e) und Biomasse (fest/
gasförmig, zusammen ca. 9 Mt CO2e). Einen mengenmäßig kleineren Beitrag leistet
der weitere Ausbau der Photovoltaik (knapp 2 Mt CO2e), der auf Grund der hohen
Förderung aus Entscheidersicht wirtschaftlich ist. Eine verstärkte Nutzung von Geo­
thermie (ca. 1 Mt CO2e) ist dagegen aus Entscheidersicht mit Vermeidungskosten von
mehr als 100 EUR/t CO2e verbunden und wurde daher im Gesamtpotenzial zunächst
nicht berücksichtigt.
Die Vermeidungskosten, die durch diese Umstellung des Energiemix entstehen, lie­
gen mit durchschnittlich 32 EUR/t CO2e deutlich höher als das historisch beobachte­
te Niveau der CO2-Preise im EU ETS9. Derzeit werden die meisten der geschilderten
Vermeidungshebel allerdings durch Mechanismen außerhalb des EU ETS gefördert,
so dass sich keine Rückwirkungen auf den CO2-Preis ergeben sollten. Sollte sich dies
in Zukunft ändern, so würden durch die Umstellung des Energiemix insbesondere
für Industrie­unternehmen erhebliche Zusatzkosten entstehen, sowohl durch direkte
Kos­ten für die verbleibenden Emissionen als auch durch Erhöhung des Großhandels­
preises für Strom (um ca. 15 EUR/MWh bei einem CO2-Preis von 30 EUR/t CO2e).
Im Zeitraum bis 2020 werden darüber hinaus die ersten Pilot- und Demonstrationsan­
lagen zur Abscheidung von CO2 aus Kraftwerken in Betrieb gehen. Im Energiesektor
ergeben sich hierdurch weitere Reduzierungen von knapp 6 Mt CO2e zu Vermeidungs­
kosten von gut 30 EUR/t CO2e (Braunkohle) bzw. gut 50 EUR/t CO2e (Steinkohle). Auch
die Umsetzung dieser Vermeidungshebel im Rahmen des EU ETS hätte eine Strom­
preiserhöhung von 15 bis 25 EUR/MWh zur Folge.
In der oben geschilderten Entwicklung ist auch ein verstärkter Einsatz von KWK-An­
lagen enthalten, der in der vorliegenden Untersuchung über den Wärmebedarf der
verbrauchenden Sektoren (Gebäude und Industrie) abgeleitet wurde. Erwartet wird
insgesamt ein Anstieg der Wärmemenge aus KWK von heute 134 TWhth auf 191 TWhth.
Dies entspricht – bei steigenden Stromkennziffern der zunehmend effizienteren Anla­
gen – einem Anstieg der Stromproduktion aus KWK-Anlagen von heute 63 TWhel auf
100 TWhel bis 2020, d.h. etwa 19 Prozent der gesamten Stromerzeugung in diesem
Jahr. Der höchste absolute Anstieg von KWK-Anlagen (plus 19 TWhel) ist in der de­
zentralen Versorgung bei Blockheizkraftwerken (10 KWel bis 10 MWel), insbesondere
in Neubaugebieten zu erwarten; die Nutzung von KWK-Anlagen in der Industrie nimmt
demgegenüber nur um etwa 10 TWhel zu. Die Vermeidungspotenziale, die sich durch
die Umstellung auf KWK-Anlagen ergeben, wurden für die Wärmeversorgung von Ge­
bäuden und Industrieanlagen in den jeweiligen Sektoren berücksichtigt.
9In der Berechnung der Vermeidungskosten aus Entscheidersicht ist die EEG-Förderung enthalten. Vgl. für Details unten
Seiten 47ff.
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Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
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Insgesamt wurden damit im Energiesektor im Vergleich zur „Stand der Technik“-Projek­
tion Vermeidungspotenziale von 55 Mt CO2e berücksichtigt. Nach Berücksichtigung
des Nachfragerückgangs (70 Mt CO2e) würde eine Umsetzung dieser Vermeidungs­
hebel die Emissionen des Sektors auf 283 Mt CO2e reduzieren, was gegenüber dem
heutigen Stand einer Senkung um 21 Prozent entspräche. Gegenüber dem Basisjahr
wäre dies eine Reduzierung um etwa 29 Prozent.
Neben der fortschreitenden Effizienzsteigerung in allen Technologien zur Stromer­
zeugung könnte auch eine verstärkte Nutzung von Erdgas (an Stelle von Braun- oder
Steinkohle) einen erheblichen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen
leisten. Wenn nicht nur – wie in der „Stand der Technik“-Projektion angenommen – die
Hälfte der neu gebauten Kraftwerke, sondern drei Viertel der neuen Kapazitäten Gas­
kraftwerke wären, so ergäbe sich eine weitere Reduzierung der Emissionen um knapp
18 Mt CO2e (2020), die allerdings mit Vermeidungskosten von knapp 28 EUR/t CO2e
(Erdgas statt Steinkohle) bzw. rund 50 EUR/t CO2e (Erdgas statt Braunkohle) verbun­
den wären.
Eine Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke über eine durch­
schnittliche Laufzeit von 32 Jahren hinaus wurde im Basisszenario nicht eingeschlos­
sen. Würde man die deutschen Kernkraftwerke, wie technisch möglich und in anderen
westlichen Industrienationen üblich, 60 oder auch nur 45 Jahre laufen lassen, ergäbe
sich für das Jahr 2020 ein um rund 90 Mt CO2e höheres Vermeidungspotenzial als im
Basisszenario10. Gleichzeitig würden die Vermeidungskosten im Vergleich zum Basis­
szenario, das die Beibehaltung des Kernkraftausstiegs unterstellt, um 4,5 Milliarden
EUR pro Jahr geringer ausfallen.
10Etwa 150 TWh Bruttostromproduktion aus Kernkraftwerken müssen beim Ausstieg aus der Kernenergie durch einen
­Zubaumix aus Kohle und Erdgas mit einer durchschnittlichen CO2-Intensität von 0,64 t CO2e/MWh (2020) abgedeckt
werden.
Zusammenfassung der Studienergebnisse für den Energiesektor
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Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
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Herkunft der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Herkunft der Treibhausgasemissionen im
Energiesektor
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Im Jahr 2004 stammten 35 Prozent (359 Mt CO2e) der Treibhausgasemissionen in
Deutschland aus dem Energiesektor, dem neben der Stromerzeugung auch Anlagen zur Fernwärmeerzeugung zugerechnet wurden. Etwa die Hälfte der Emissionen
des Energiesektors stammte aus der Verstromung von Braunkohle und ein weiteres
Drittel aus der Verstromung von Steinkohle, obgleich beide Energieträger nur jeweils
etwa ein Viertel zur Bruttostromerzeugung beitrugen. Der Strom in Deutschland war
damit im europäischen Vergleich mit einer CO2-Intensität von 0,57 t CO2e/ MWh11
eher emissionsintensiv.
35 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen stammten im Jahr 2004 aus dem
Energiesektor. Dem Sektor sind dabei sämtliche zentralen, industriellen und dezen­
tralen Anlagen zur Stromerzeugung sowie zur Fernwärmeerzeugung zugerechnet.
Mehr als 92 Prozent der Emissionen des Sektors wurden durch die Stromerzeugung
verursacht, 8 Prozent entfielen auf die Fernwärmeerzeugung. Betrachtet wurde die
Stromerzeugung in Deutschland; Stromimport-/-exportbilanzen wurden nicht berück­
sichtigt.
Energiesektor: Anteil an Treibhausgasemissionen – Deutschland 2004
in Prozent
Stromerzeugung
100% = 1.025 Mt CO2e
100% = 359 Mt CO2e
8
LandwirtEntsorgungsschaft
wirtschaft
Gebäude
6
1
17
6
5
Fernwärme*
Öl und Sonstige
Erdgas
CO2-Intensität**
in t CO2e/MWh
0,32
0,85
0,40
33
Steinkohle
0,90
48
Braunkohle
1,16
35 Energie
Transport 18
23
Industrie
Ø*** 0,57
* Heizwerke/KWK-Wärme der Energieversorgungsunternehmen
** Auf Basis Nettostromerzeugung
*** Einschließlich Kernkraft und erneuerbare Energien
Quelle: UBA, AG Energiebilanzen, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company,
Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
11Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten.
Schaubild 1
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
22
Wesentlich für die Emissionen in der Stromerzeugung waren die Braun- und Stein­
kohleanlagen. Beide Energieträger trugen mit Anteilen von 26 bzw. 23 Prozent jeweils
rund ein Viertel zur Bruttostromerzeugung bei, machten aber aufgrund der vergleichs­
weise hohen CO2-Intensitäten von 1,16 bzw. 0,90 t CO2e/MWh 48 bzw. 33 Prozent der
Emissionen aus. Die übrigen Kraftwerke auf Gas- und Ölbasis mit 6 bzw. 5 Prozent
Anteil an der Bruttostromerzeugung verursachten 11 Prozent der Emissionen. Emis­
sionsfrei sind Kernenergie mit einem Anteil von 27 Prozent an der Bruttostromerzeu­
gung sowie sämtliche erneuerbaren Energien, deren Anteil im Jahr 2004 bei etwa
10 Prozent lag (vor allem Wind- und Wasserkraft). Daraus ergab sich eine durchschnitt­
liche CO2-Intensität der deutschen Stromerzeugung von 0,57 t CO2e/MWh12, ein im
europäischen Vergleich hoher Wert.
Wie in allen anderen europäischen Ländern ist der Mix der Stromerzeugung und da­
mit dessen CO2-Intensität eine Folge natürlicher Gegebenheiten sowie politischer Ent­
scheidungen und wirtschaftlicher Erwägungen. In Deutschland steht Braunkohle aus
heimischen Tagebauen sicher und kostengünstig zur Verfügung und wird daher zur
Grund­laststromversorgung eingesetzt. Kernenergie wurde, ebenfalls zur Grundlast­
stromversorgung, nur bis in die 1980er Jahre zugebaut. Steinkohle, Erdgas, Öl und
Sonstige schlossen zunächst die Lücke zur Deckung der Nachfrage. Der Anteil der
er­neuerbaren Energien wuchs stetig.
Energiesektor: Vergleich CO2-Intensitäten Stromerzeugung – Europa 2004
in t CO2e/MWh
Erläuterung
Schweiz
Wasserkraft und Kernenergie decken über 95%
der Stromerzeugung
0.01
Schweden
0.06
Wasserkraft und Kernenergie decken fast 95%
der Stromerzeugung
Frankreich
0.07
Ca. 90% Kernenergie
Österreich
Spanien
Großbritannien
Ca. 70% Wasserkraft
0.23
Anteil erneuerbarer Energien ca. 30%*, ca. 25%
Kernenergie, ca. 10% Erdgas**
0.42
Ca. 20% Kernenergie und ca. 40% Erdgas
0.49
Italien
Deutschland
Dänemark
Polen
0.54
Ca. 65% Erdgas, keine Kernkraft
Ca. 25% Kernenergie, relativ hohe CO2-Intensität
auf Grund von hohem Kohleanteil (ca. 45%)
0.57
Anteil fossiler Brennstoffe über 80%, keine Kernenergie
0.61
1.05
Ca. 90% Kohle
* Inklusive nicht erneuerbarer Wasserkraft
** Anteil 2006 bereits ca. 20%
Schaubild 2
Quelle: IEA, AG Energiebilanzen
Andere Länder, wie die Schweiz, Schweden, Frankreich und Österreich, haben wesent­
lich stärker auf emissionsfreie Energieträger wie Wasserkraft und Kernenergie gesetzt.
Italien und Großbritannien weisen deutlich höhere Anteile von Erdgas an der Stromer­
12 Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten.
Herkunft der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
zeugung auf; in Großbritannien ist dies eine Folge der Verfügbarkeit heimischer Erd­
gasfelder. Im Vergleich zu Deutschland höhere CO2-Intensitäten besitzen Länder wie
Dänemark und Polen, die nicht über Kernkraft verfügen und einen hohen Anteil der
Stromerzeugung über Kohle decken.
23
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
24
Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor seit 1990
Entwicklung der Treibhausgasemissionen
im Energiesektor seit 1990
25
Im Energiesektor sanken die Emissionen auf Grund eines leichten Rückgangs der
Bruttostromerzeugung um 13 TWh (infolge des Umbruchs der Industrie in den neuen Bundesländern) und der spezifischen Emissionen (infolge der beginnenden Modernisierung bzw. des Austauschs von Kraftwerken) bis zum Jahr 1995 um 12 Prozent. Die bisher niedrigsten absoluten Emissionen wurden im Jahr 2000 erreicht:
Trotz wieder ansteigender Bruttostromerzeugung führten der weitere Austausch
ver­alteter Kraftwerke und die damit einhergehende Reduzierung der spezifischen
Emissionen13 zu einem Absinken der Emissionen auf 337 Mt CO2e (2000). Seit 2000
blieben die spezifischen Emissionen konstant, so dass die absoluten Emissionen
bis 2004 mit der Bruttostromerzeugung um 7 Prozent auf 359 Mt CO2e (2004) anstiegen14.
Energiesektor: Historische Entwicklung Treibhausgasemissionen –
Deutschland Basisjahr - 2004
in Mt CO2e
Fernwärme*
397
43
Veränderung
Basisjahr - 2004
in Prozent
359
28
-10%
349
29
337
27
320
310
331
Basisjahr
1995
2000
2004
Bruttostromerzeugung
in TWh
550
537
577
616
12
CO2-Intensität**
in t CO2e/MWh
0,69
0,64
0,57
0,57
-16
Stromerzeugung
354
-35
-6
* Heizwerke/KWK-Wärme der Energieversorgungsunternehmen
** Auf Basis Nettostromerzeugung
Quelle: UBA, AG Energiebilanzen, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company,
Inc. im Auftrag von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Mit der Wiedervereinigung setzte im Jahr 1990 eine durchgreifende Modernisierung
des ostdeutschen Energiesektors ein. Sie lässt sich an der Entwicklung der Treib­
hausgasemissionen des Energiesektors direkt nachvollziehen. Im Zeitraum von 1990
13Von 0,69 t CO2e/MWh (Basisjahr) auf 0,57 t CO2e/MWh (2004) – bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten.
14Die Bruttostromerzeugung entwickelte sich im betrachteten Zeitraum wie folgt: 550 TWh (1990), 537 TWh (1995),
577 TWh (2000), 616 TWh (2004).
Schaubild 3
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
26
bis 1995 nahm, getrieben durch den starken Rückgang der Industrieproduktion in
Ostdeutschland, die Stromnachfrage und mit ihr die Bruttostromerzeugung um etwa
2,5 Prozent ab. Da in diesem Zeitraum bereits die ältesten und am wenigsten effi­
zienten Anlagen aus dem Kraftwerkspark ausschieden, sank die CO2-Intensität der
Stromerzeugung von 0,69 auf 0,64 t CO2e/MWh. Damit gingen die Emissionen des
Energiesektors um 12 Prozent zurück von 397 auf 349 Mt CO2e. Die Modernisierung
des Kraftwerksparks setzte sich bis etwa zum Jahr 2000 fort, die CO2-Intensität ging
weiter zurück auf 0,57 t CO2e/MWh15. Trotz des Anstiegs der Bruttostromerzeu­
gung um 7 Prozent nahmen damit die Emissionen noch einmal um 3 Prozent ab auf
337 Mt CO2e. Da sich die Emissionsintensität der Stromversorgung seitdem nicht
mehr signifikant verbessert hat, stiegen die Emissionen parallel zur Brutto­strom­erzeu­
gung bis zum Jahr 2004 wieder um rund 7 Prozent auf 359 Mt CO2e an.
15Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten.
Entwicklung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor seit 1990
27
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
28
Zukünftige Entwicklung der Treibhausgas­emissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion)
Zukünftige Entwicklung der Treibhausgas­
emissionen im Energiesektor mit heutigem
Stand der Technik („Stand der Technik“Projektion)
Im Energiesektor in Deutschland steigen die Treibhausgasemissionen in der „Stand
der Technik“-Projektion deutlich an. Insbesondere im Zeitraum bis 2020 führt der
Ausstieg aus der Kernkraft dazu, dass – ohne weitere politische Eingriffe – ein Mix aus
CO2-intensiveren Gas- und Kohlekraftwerken zugebaut werden müsste. Die Emissionen des Energiesektors steigen dadurch in der „Stand der Technik“-Projektion –
bei insgesamt leicht steigender Bruttostromerzeugung16 – von 359 Mt CO2e (2004)
auf 408 Mt CO2e (2020) bzw. 415 Mt CO2e (2030). Entsprechend erhöht sich die CO2Intensität der Stromerzeugung von 0,57 t CO2e/MWh (2004) auf 0,64 t CO2e/ MWh
(2020) bzw. 0,62 t CO2e/MWh (2030)17.
„Stand der Technik“-Projektion: Methodik
Als Aufsetzpunkt für die Bewertung von technischen Hebeln zur Reduzierung von
Treibhausgasemissionen in Deutschland wurde in der vorliegenden Studie eine „Stand
der Technik“-Projektion erstellt. Diese Fortschreibung der Emissionsentwicklung je
Sektor beruht auf zwei Grundprinzipien:
Das derzeit prognostizierte Mengenwachstum (z.B. Produktionswachstum in der In­
dustrie und der sich daraus ergebende Anstieg des Stromverbrauchs) wird als gege­
ben vorausgesetzt. In Summe entspricht das hier angenommene Wachstum einem
Wachstum des Bruttosozialprodukts um 1,6 Prozent pro Jahr.
Angenommen wird, dass alle neu angeschafften Güter jeweils auf dem durchschnitt­
lichen Stand der Technik sind, der im heutigen Verkaufs- bzw. Investitionsmix er­
reicht ist. Dabei werden für die verschiedenen Wirtschaftszweige jeweils spezifische
Lebens­dauern für verschiedene Güter berücksichtigt.
In dieser „Stand der Technik“-Projektion durchdringt der heutige Verkaufs- bzw. Investi­
tionsmix über Zeit den Bestand, bis nach komplettem Austausch aller Güter bzw. An­
lagen für den gesamten Bestand die Effizienz dieses heutigen Verkaufs- bzw. Investi­
tionsmix erreicht ist. Diese „Stand der Technik“-Projektion erlaubt eine Bewertung von
technischen Vermeidungshebeln, bei der Doppelzählungen vermieden werden. Damit
unterscheidet sich die „Stand der Technik“-Projektion von einem Business as usual-Sze­
nario, das üblicherweise implizit sowohl eine zu erwartende Weiterentwicklung von Tech­
nologien als auch eine über den heutigen Verkaufs- bzw. Investitionsmix hinausgehende
Durchdringung des Bestands mit der effizientesten Technik annimmt.
16Die Bruttostromerzeugung steigt in der „Stand der Technik“-Projektion von 616 TWh (2004) auf 636 TWh (2020) bzw.
661 TWh (2030). Darin sind neben dem Stromverbrauch aus dem Industrie- und dem Gebäudesektor (2004: 516 TWh)
auch der Stromverbrauch von Schienenfahrzeugen sowie der Eigenverbrauch der Kraftwerke und Netzverluste enthalten.
17Berechnet auf Basis der Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten.
29
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
30
Bei der Bestandserneuerung wurde davon ausgegangen, dass die ausgetauschten
Güter jeweils vollständig vom deutschen Markt verschwinden und in Deutschland
keine Energie mehr verbrauchen bzw. keine Emissionen mehr verursachen. Emissi­
onen, die durch einen Export „ausgebrauchter“ Güter (beispielsweise die Weitergabe
alter Fahrzeuge oder Flugzeuge ins Ausland) entstehen könnten, wurden – im Sinne
der Abgrenzung des Kyoto-Reportings – nicht auf die zukünftigen Treibhausgasemis­
sionen in Deutschland angerechnet. Ferner wurde unterstellt, dass der Umfang zusätz­
licher Emissionen, die durch eine Weiterverwendung ausgetauschter Güter innerhalb
Deutschlands (z.B. Einsatz alter Kühlschränke oder Fernseher als Zweit- oder Dritt­
geräte) entstehen könnten, sich nicht signifikant auf den Gesamtenergieverbrauch
bzw. die Gesamtemissionen auswirkt.
Bei der Ableitung der „Stand der Technik“-Projektion blieben politische Zielsetzungen
und Selbstverpflichtungen einzelner Industrien unberücksichtigt. Gleiches gilt für staat­
liche Förderprogramme wie den Ausbau erneuerbarer Energien auf Basis des EEG
(Erneuerbare-Energien-Gesetz). Hier wurden lediglich Projekte berücksichtigt, die sich
bereits heute im Bau oder in Planung befinden. Der Ausstieg aus der Kernenergie für
die Stromerzeugung in Deutschland wurde als geltendes Recht im Basisszenario als
gesetzt angenommen.
Die „Stand der Technik“-Projektion unterstellt für alle Sektoren bereits ambitionierte
Investitionsentwicklungen. Durch den angenommenen Austausch des Bestands im
regulären Investitionszyklus und das Vordringen des heutigen Stands der Technik wer­
den damit in vielen Wirtschaftszweigen im Vergleich zur Effizienz im heutigen Bestand
deutliche Effizienzgewinne erzielt.
„Stand der Technik“-Projektion: Annahmen und Ergebnisse für den
Energiesektor
Im Energiesektor musste für die „Stand der Technik“-Projektion sowohl mit Blick auf
die Energienachfrage als auch mit Blick auf die Energieversorgung eine Reihe von An­
nahmen getroffen werden:
Die Entwicklung der Stromnachfrage wurde für die verbrauchenden Sektoren In­
dustrie, Gebäude und Transport im Rahmen der Studie detailliert abgeschätzt, in­
dem für jeden Sektor jeweils eine eigene „Stand der Technik“-Projektion entwickelt
wurde, die das Wachstum des Sektors sowie das Vordringen effizienterer Technik
in den Bestand berücksichtigt. Auf dieser Basis würde die Bruttostromerzeugung in
der „Stand der Technik“-Projektion gegenüber 2004 bis zum Jahr 2020 um 4 Pro­
zent (auf 636 TWh) und bis zum Jahr 2030 um 7 Prozent (auf 661 TWh) ansteigen.
Für die Entwicklung der Stromerzeugung wurden verschiedene technologiespezi­
fische Annahmen getroffen:
•Kernkraft: In der „Stand der Technik“-Projektion wurde gemäß geltender poli­
tischer Beschlusslage der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie angenom­
men. Im Jahr 2004 hatte die Kernenergie noch einen Anteil von 27 Prozent an
der Bruttostromerzeugung. In der „Stand der Technik“-Projektion fällt dieser An­
teil auf 2 Prozent im Jahr 2020. Von heute rund 20 GW würden dann noch 2 GW
Zukünftige Entwicklung der Treibhausgas­emissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion)
genutzt. Im Jahr 2022 würden die letzten Kernkraftwerke vollständig aus dem
Kraftwerkspark ausscheiden.
•Braunkohle: Bestehende Braunkohlekraftwerke, die heute eine Gesamtkapazi­
tät von ca. 21 GW besitzen, scheiden in der „Stand der Technik“-Projektion nach
Ende ihrer mit 45 Jahren angenommenen Lebensdauer aus dem Kraftwerkspark
aus. Für die jeweils verbleibenden Kraftwerke wird von einer durchschnittlichen
Auslastung von 85 Prozent bzw. 7.450 Volllaststunden ausgegangen. Dies ent­
spricht im Wesentlichen der heutigen Auslastung. Darüber hinaus wurde ein Zu­
bau von neuen Braunkohlekraftwerken angenommen, der die Gesamtkapazität
bis zum Jahr 2020 auf ca. 23 GW erhöht. Hier liegt die Prämisse zugrunde, dass
die als konstant angenommene Braunkohlefördermenge vollständig in Deutsch­
land verstromt wird. Aufgrund von Effizienzsteigerungen lässt sich so mittels der
heutigen Braunkohlemenge bis zum Jahr 2030 ein leichter Erzeugungszuwachs
erreichen.
•Steinkohle: Auch die derzeit im Bestand befindlichen Steinkohlekraftwerke,
die eine Gesamtkapazität von ca. 28 GW besitzen, scheiden in der „Stand der
Technik“-Projektion nach Ende ihrer mit 45 Jahren angenommenen Lebens­
dauer aus dem Kraftwerkspark aus. Die Auslastung der jeweils verbleibenden
Kraftwerke sinkt von heute durchschnittlich 55 Prozent bzw. 4.800 Volllaststun­
den auf durchschnittlich 39 Prozent bzw. 3.400 Volllaststunden im Jahr 2020,
um dann konstant zu bleiben18.
•Gas: Bestehende Gaskraftwerke, die derzeit eine Kapazität von ca. 22 GW be­
sitzen, scheiden in der „Stand der Technik“-Projektion ebenfalls nach Ende ­ihrer
mit 30 Jahren angenommenen Lebensdauer aus dem Kraftwerkspark aus. Für
die jeweils verbleibenden Kraftwerke wurde die heutige durchschnittliche Aus­
lastung von 39 Prozent bzw. 3.400 Volllaststunden unterstellt19. Hierbei gilt es
allerdings zu berücksichtigen, dass die Auslastungen einzelner Kraftwerke deut­
lich voneinander abweichen können, je nachdem, ob sie als Grundlast- oder als
Spitzenlastkraftwerke gefahren werden.
•Öl-basierte und sonstige Stromerzeugungsanlagen: Wegen ihrer geringen Be­
deutung in Deutschland wurden für diese Anlagen in der „Stand der Technik“Projektion vereinfachend konstante Kapazität und Produktion mit konstanter
CO2-Intensität unterstellt.
•Wasserkraft: Bestehende Wasserkraftanlagen mit einer Kapazität von ca. 9 GW
werden weitergeführt und bei Bedarf ersetzt oder nachgerüstet. Daraus er­
gibt sich eine Zunahme der Kapazität von 1 GW bis zum Jahr 2020. Ein darü­
ber hinaus­gehender Zubau ist aufgrund der geologischen Gegebenheiten in
Deutschland kaum möglich und wird in der „Stand der Technik“-Projektion nicht
angenommen.
18Der Rückgang der Auslastung ist bedingt durch eine sich mit zunehmendem Alter der Kraftwerke verschlechternde
Kostenstruktur und mehr Stillstandzeiten, d.h., der Altbestand an Steinkohlekraftwerken bewegt sich in der Merit-OrderKurve schrittweise vom Grundlast- in den Spitzenlastbereich.
19Hier kommt der zuvor für die Steinkohlekraftwerke beschriebene Alterungseffekt im Durchschnitt nicht zum Tragen.
31
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
32
• E
rneuerbare Energien: Bestehende Anlagen, insbesondere Wind mit einer der­
zeit installierten Kapazität von ca. 21 GW (Stand Mitte 2007), werden unter
Annahme historischer Auslastungen (z.B. Wind Onshore 1.750 Volllaststunden
pro Jahr) bis 2030 weiterbetrieben. Ein über den heutigen Bestand bzw. den
begonnenen oder in konkreter Planung befindlichen Kapazitätsausbau hinaus­
gehender ­Ausbau ­erfolgt in der „Stand der Technik“-Projektion nicht, da diese
Anlagen ohne Förderung nicht wettbewerbsfähig sind.
•Kraft-Wärme-Kopplung: In der „Stand der Technik“-Projektion wird die gekop­
pelt erzeugte Strommenge aus fossilen und erneuerbaren Energiequellen kon­
stant gehalten.
• S
trom-Import/-Export: Im Jahr 2004 wurden per Saldo 7 TWh bzw. 1 Prozent
der deutschen Bruttostromerzeugung exportiert. Da die Größenordnung dieses
Effekts vernachlässigbar ist, wird in der „Stand der Technik“-Projektion von
­einer ausgeglichenen Import-Export-Bilanz ausgegangen.
• F
ür den Ersatz der aufgrund der politischen Beschlusslage aus dem Kraftwerks­
park ausscheidenden Kernkraftwerke und der am Ende ihrer Nutzungsdauer
stillgelegten, fossil befeuerten Kraftwerke sowie zur Deckung des wachsenden
Strombedarfs in der „Stand der Technik“-Projektion wurde ein zweistufiges Vor­
gehen gewählt: In einem ersten Schritt wurden alle derzeit im Bau befindlichen
Kraftwerke sowie jene, deren Bau aufgrund fortgeschrittener Planungen abzu­
sehen ist, als Neubau angenommen (11 GW Steinkohle, 3 GW Braunkohle und
11 GW Erdgas). Für die Braunkohle wurde, wie oben bereits näher beschrieben,
mit einer bei konstanter Fördermenge leicht ansteigenden Erzeugung gerechnet.
Die Nettonutzungsgrade der Ersatzinstallationen sind höher als die der aus dem
Kraftwerkspark ausscheidenden Kraftwerke. In einem zweiten Schritt wurde
dann für den verbleibenden Bedarf ein Neubaumix aus Steinkohle und Erdgas
im Erzeugungsverhältnis 50:50 unterstellt. Der sich in diesen beiden Schritten
ergebende Neubaumix bildet zugleich die Referenztechnologie für die Bewer­
tung der Hebel zur Treibhausgasvermeidung im Energiesektor.
Aus den oben genannten Annahmen ergibt sich in der „Stand der Technik“-Projektion
für den Zeitraum bis zum Jahr 2030 der in Schaubild 4 dargestellte Mix der Stromer­
zeugung.
Zukünftige Entwicklung der Treibhausgas­emissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion)
33
Energiesektor: „Stand der Technik“-Projektion Bruttostromerzeugung –
Deutschland 2004 - 2030*
in TWh
Erneuerbare
Energien**
Wasserkraft***
Öl und
Sonstige****
Erdgas
Steinkohle
616
37
28
25
62
58
30
25
58
31
25
+7%
1,8
0,4
0
140
3,2
204
218
1,7
179
190
0,7
14
2020
0
2030
126
140
Braunkohle
158
Kernenergie
167
2004
*
**
***
****
636
Wachstumsrate
in Prozent
661
Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg
Exklusive Wasserkraft
Inklusive nicht erneuerbarer Wasserkraft (ca. 6 TWh)
Z.B. nicht biogener Müll, Grubengas
„Stand der Technik“Projektion
Quelle: UBA, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Wärmenachfrage: Die Nachfrage nach Fernwärme wurde vor dem Hintergrund des
vergleichsweise geringen Anteils der mit ihr verbundenen Emissionen in der „Stand
der Technik“-Projektion als konstant angenommen.
Wärmeversorgung: Der Erzeugungsmix der Fernwärme (Kraft-Wärme-Kopplung
und reine Heizwerke) und die damit verbundenen Emissionen wurden in der „Stand
der Technik“-Projektion ebenfalls als konstant angenommen.
In der „Stand der Technik“-Projektion steigen die Treibhausgasemissionen aus der
Ener­gieversorgung in Deutschland bis 2020 um 14 Prozent bzw. 49 Mt CO2e gegen­
über 2004, bis 2030 dann um weitere 2 Prozent bzw. 7 Mt CO2e.
Schaubild 4
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
34
Energiesektor: „Stand der Technik“-Projektion Treibhausgasemissionen –
Deutschland 2004 - 2030*
Stromerzeugung
in Mt CO2e
Fernwärme
Öl und Sonstige**
Erdgas
Steinkohle
Braunkohle
408
28
20
40
415
28
20
44
117
149
152
171
171
171
2020
2030
359
28
20
23
2004
Wachstumsrate
in Prozent
+16%
0
0
2,6
1,0
0
„Stand der Technik“-Projektion
Bruttostromerzeugung
TWh
CO2-Intensität***
in t CO2e/MWh
616
636
661
0,3
0,57
0,64
0,62
0,3
* Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg
** Z.B. nicht biogener Müll, Grubengas
*** Auf Basis Nettostromerzeugung, einschließlich Kernkraft und erneuerbare Energien
Schaubild 5
Quelle: UBA, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Dieser Anstieg ist zu einem geringeren Teil auf die Zunahme des Stromverbrauchs
in Industrie, Haushalten, Gewerbe, Handel und Dienstleistungssektor zurückzuführen
(Zunahme um 4 Prozent bis 2020), zu einem größeren Teil aber auf den Anstieg der
CO2-Intensität der Stromerzeugung. Die Annahme des Ausstiegs aus der Nutzung
der Kernenergie und die Konstanz der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
und KWK in der „Stand der Technik“-Projektion zieht zwangsläufig einen Zubau von
CO2-emittierenden Kohle- (und Gas-)Kraftwerken nach sich und führt so zu einer Ver­
schlechterung der CO2-Intensität der Stromerzeugung von 0,57 auf 0,64 t CO2e/ MWh
bis zum Jahr 202020. Bis zum Jahr 2030 würden die Treibhausgasemissionen um wei­
tere 5 Mt CO2e ansteigen und damit 16 Prozent über dem Niveau von 2004 liegen.
Dabei steigt die erzeugte Bruttostrommenge gegenüber dem Jahr 2020 noch einmal
leicht an, während die spezifischen Emissionen durch das Vordringen modernerer
Technik in den Kraftwerkspark leicht zurückgehen.
Die „Stand der Technik“-Projektion illustriert das Spannungsfeld, in dem sich die Strom­
erzeugung in Deutschland in den kommenden Jahren befindet. Der Ausstieg aus der
Kernkraft erfordert einen signifikanten Neubau von Erzeugungskapazitäten. Nach rein
wirtschaftlichen Erwägungen (und in der „Stand der Technik“-Projektion ohne Berück­
sichtigung von CO2-Kosten und von Subventionen/Förderung) würden die notwen­
digen Neubaukapazitäten durch die Errichtung emissionsintensiver ­Kohle- oder Gas­
anlagen abgedeckt. Erneuerbare Energien, ohne Förderung nicht wett­bewerbsfähig,
hätten keinen Anteil an den zugebauten Kapazitäten.
20Bezogen auf die Nettostromerzeugung, d.h. nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und vor Netzverlusten.
Zukünftige Entwicklung der Treibhausgas­emissionen im Energiesektor mit heutigem Stand der Technik („Stand der Technik“-Projektion)
35
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
36
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgas­
emissionen im Energiesektor
In der vorliegenden Studie wurden insgesamt über 300 technische Vermeidungshe­
bel bewertet, davon mehr als 30 im Energiesektor. Damit sind nach Einschätzung der
beteiligten Unternehmen und Verbände alle derzeit diskutierten technischen Ansatz­
punkte mit mittlerer bis hoher Realisierungswahrscheinlichkeit abgedeckt.
Bewertung von Hebeln zur Vermeidung von Treibhausgasemis­
sionen: Methodik
Bei der Bewertung der Vermeidungshebel wurde als Aufsetzpunkt die „Stand der
Technik“-Projektion verwendet, die im vorigen Kapitel beschrieben ist. Die Bewertung
der Vermeidungspotenziale und -kosten betrachtet neben dem Jahr 2020 auch das
Jahr 2030, da im Zeitraum zwischen 2020 und 2030 erhebliche technologische Wei­
terentwicklungen vor allem im Bereich der Abscheidung und Speicherung von CO2
(­Carbon Capture and Storage – CCS) zu erwarten sind. Auf eine weitere Ausweitung
des Zeithorizonts wurde verzichtet, da die Einschätzung weitergehender technolo­
gischer Entwicklungen für die Jahre nach 2030 aus heutiger Perspektive mit zu ­hohen
Unsicherheiten behaftet ist. Allerdings ist davon auszugehen, dass im Zeitraum bis
2030 weitere innovative Technologien auf den Markt kommen können, die gegen­über
heute eine weitere Steigerung der Energieeffizienz bzw. eine weitere Senkung von
Emissionen bewirken können.
Jede Maßnahme wurde hinsichtlich ihres Vermeidungspotenzials für Treibhausgas­
emissionen und ihrer Nettokosten im Vergleich zur Referenztechnologie in der „Stand
der Technik“-Projektion bewertet.
Die Bewertung des Vermeidungspotenzials erfolgte in drei Schritten:
1.Ermittlung des maximalen technischen Vermeidungspotenzials unter Berücksich­
tigung von externen Limitationen (z.B. technische Realisierbarkeit, Ressourcen­
knappheit oder Zyklen der Bestandserneuerung)
2.Festlegung der erwarteten Durchdringungsraten unter der hypothetischen Annah­
me, dass der Entscheider für die Mehrkosten der jeweiligen Maßnahme kompen­
siert wird. Die Durchdringung wurde so im Vergleich zum maximalen technischen
Potenzial verringert, um beispielsweise nicht ökonomisch motivierten Präferenzen
der Entscheider Rechnung zu tragen (z.B. Ablehnung von Energiesparlampen auf­
grund besonderer Beleuchtungsbedürfnisse). Grundsätzlich reflektieren die Annah­
men über die Durchdringungsraten aber ambitionierte und trotzdem in der Praxis
realisierbare Umsetzungsvolumina.
3.Berücksichtigung von Interdependenzen mit anderen Vermeidungshebeln. Dies ist
insbesondere im Energiesektor wichtig, da das Vermeidungspotenzial von der Rei­
henfolge der Betrachtung der Maßnahmen abhängt. Grundsätzlich wurden dabei
folgende Priorisierungsregeln angewendet, über deren Nutzung jedoch im Einzelfall
jeweils pragmatisch entschieden wurde:
37
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
38
•Vermeidung vor Verminderung: Maßnahmen zur Vermeidung von Energiever­
brauch (z.B. Senkung des Stromverbrauchs) wurden vorlaufend bewertet, da sie
in der Regel wirtschaftlich sind. Für die Berechnung der Vermeidungs­potenziale
im Energiesektor wurde zunächst die Stromnachfrage ermittelt, die sich nach
Umsetzung aller Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in den ­anderen
Sektoren ergibt. Auf der Basis dieser reduzierten Nachfrage wurden dann die
Vermeidungshebel zur Senkung der Treibhausgasemissionen in der Erzeugung
bewertet.
•Vorhandene Technologien vor Zukunftstechnologien: Eine schnelle Umsetzung
von Vermeidungshebeln ist nur in den Fällen möglich, in denen die notwendigen
Technologien heute schon vorhanden sind. Entsprechende Vermeidungshebel
(z.B. Verbesserung existierender Kraftwerkstechnik) wurden daher vor Hebeln
priorisiert, die technologische Weiterentwicklung erfordern (z.B. CCS).
Die Berechnung der Vermeidungspotenziale erfolgte auf Basis der direkten Wirkung
der Hebel. Vor- und Nachkette wurde im Rahmen dieser Studie abgesehen von der
Bestimmung der Vermeidungspotenziale von Biokraftstoffen im Transportsektor nicht
berücksichtigt, um Doppelzählungen zu vermeiden21.
Bei der Berechnung der Vermeidungskosten wurde jeweils die Differenz zwischen den
Kosten des Vermeidungshebels und den Kosten der jeweiligen Referenztechnologie auf
Basis einer Vollkostenrechnung bewertet, die Betriebskosten und Investitionen umfasst.
Die Berechnung erfolgte nach spezifischer Prüfung, welche Referenztechnologie/-an­
lage durch die Maßnahme verdrängt wird. So führt beispielsweise der verstärkte Aus­
bau erneuerbarer Energien zu einer Verminderung des Zubaus und wird damit gegen
den im Wesentlichen aus Braun- und Steinkohle und Erdgas bestehenden Mix gerech­
net. Bei Carbon Capture and Storage hingegen ist die Referenz jeweils der spezifische
Energie­träger (Braunkohle-CCS gegen Braunkohle in verbesserter Kraftwerkstechnik).
Der Kostenunterschied ergibt sich aus der Differenz der Kosten für die Maßnahme und
den vermiedenen Kosten der Referenztechnologie. Weiterhin wurden für neue Tech­
nologien jeweils technologiespezifische Lernraten unterstellt, die zu einer allmählichen
Kostendegression bis 2020 bzw. bis 2030 führen. An einem Beispiel aus dem Energie­
sektor kann das Vorgehen illustriert werden: Die Stromgestehungskosten für Photo­
voltaikstrom betragen heute ca. 340 EUR/MWh22. Auf Basis historischer Lernraten
wurde bis 2030 eine Degression der Investitionskosten in Höhe von 75 Prozent ange­
nommen. Dadurch reduzieren sich die Stromgestehungskosten auf ca. 100 EUR/ MWh
im Jahr 2030.
Die Berechnung der Vermeidungskosten erfolgte zum einen aus Perspektive des je­
weiligen Entscheiders, zum anderen aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive. Während
die Vermeidungspotenziale der beiden Perspektiven sich nicht unterscheiden, gibt es
im Energiesektor insbesondere bei den erneuerbaren Energien deutliche Unter­schiede
in den Vermeidungskosten. Aufgrund der Förderung sind die Vermeidungskosten aus
Entscheiderperspektive deutlich niedriger als aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive.
21Neben der Stromerzeugung auf Basis von Biomasse und Photovoltaik fallen auch bei der CO2-Abscheidung und
­Speicherung (CCS) in der Vorkette Treibhausgasemissionen an.
22Freiflächenanlage größer 1 MW Spitzenleistung.
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Bei der Bewertung der Vermeidungshebel aus der Entscheiderperspektive wur­
de insbesondere mit den jeweils spezifischen Amortisierungszeiträumen gerech­
net. Für alle Investitionen im Energiesektor wurde in der Entscheiderperspektive
mit einer Amortisierungsdauer von 20 Jahren gerechnet. Die einzige Ausnahme
bilden Offshore-Windkraftanlagen mit einer Amortisierungsdauer von 15 Jahren.
Als Zinssätze in der Entscheiderperspektive wurden 7 Prozent real angenommen.
Förderungen für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (EEG) und KraftWärme-Kopplung (KWKG) wurden in der Entscheiderperspektive so berücksich­
tigt, wie sie sich in heutiger Gesetzgebung darstellen bzw. mit den hinterlegten
Degressionen für die Zukunft ergeben werden23. Steuern spielen hingegen in der
Entscheiderperspektive im Energiesektor keine Rolle, da der Brennstoffeinsatz von
einer Besteuerung ausgenommen ist, wenn er der Stromerzeugung dient. Auch
Veränderungen in der Kaufbereitschaft, die sich aus der Umsetzung einzelner Ver­
meidungshebel ergeben können, wurden nicht abgebildet. Im vorliegenden Bericht
zeigen wir – sofern nicht ausdrücklich anders angegeben – Vermeidungskosten aus
der Entscheiderperspektive.
Bei der Bewertung aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive wurden gesamtwirt­
schaftliche Amortisierungszeiträume veranschlagt (z.B. 45 Jahre für Kohlekraft­
werke und 30 Jahre für Gaskraftwerke). Die Kapitalkosten betragen wie in der
Entscheiderperspektive 7 Prozent real. Kosteneinsparungen, z.B. durch reduzierte
Energiekosten, wurden zu Herstellkosten der eingesparten Güter eingerechnet.
Förderprogramme, Steuern und Transaktionskosten blieben bei der gesamtwirt­
schaftlichen Perspektive unberücksichtigt. Auf eine separate Darstellung der ge­
samtwirtschaftlichen Perspektive wurde hier verzichtet, da für die Umsetzung der
einzelnen Vermeidungshebel vor allem relevant ist, wie attraktiv sie für die jeweiligen
Investoren sind. Lediglich bei den erneuerbaren Energien ist ein Vergleich beider
Perspektiven dargestellt.
Vermeidungspotenziale und -kosten wurden für jeden Sektor in einer Vermeidungs­
kostenkurve zusammengestellt. Diese Kurve zeigt auf der X-Achse, welchen Beitrag
jeder einzelne Vermeidungshebel zur Treibhausgasvermeidung liefert. Auf der Y-Achse
sind die Vermeidungskosten pro Tonne CO2e für den jeweiligen Vermeidungshebel ab­
getragen, und zwar jeweils für ein bestimmtes Jahr. Die Vermeidungshebel, die sich
links in der Vermeidungskurve (auf oder unterhalb der Nulllinie) befinden, sind aus Ent­
scheidersicht über die Nutzungsdauer der Maßnahme wirtschaftlich, d.h. entweder
kostenneutral oder sogar mit einer Ersparnis verbunden. Von links nach rechts sind die
Maßnahmen in aufsteigender Reihenfolge nach der Höhe der jeweiligen Vermeidungs­
kosten sortiert. Dabei sind die Vermeidungshebel jeweils überschneidungsfrei (auch
für sich gegenseitig ausschließende Hebel), so dass das Vermeidungspotenzial aller
Hebel über die Kurve addiert werden kann. Die Reihenfolge impliziert allerdings nicht,
dass die Vermeidungshebel in der dargestellten Abfolge umgesetzt werden sollen. Eine
Addition der Vermeidungskosten über die verschiedenen Sektoren hinweg ist dagegen
nicht möglich, da es hierbei – auf Grund der gewählten Entscheider­perspektive – zu
Überschneidungen kommt.
Für die Berechnung der Vermeidungspotenziale im Energiesektor wurde zunächst die
Stromnachfrage ermittelt, die sich nach Umsetzung aller Maßnahmen zur Steigerung
23„Erfahrungsbericht 2007 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)“, BMU, 2007.
39
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
40
der Energieeffizienz in den anderen Sektoren ergibt. Auf der Basis dieser reduzierten
Nachfrage wurden dann die Vermeidungshebel zur Senkung der Treibhausgasemis­
sionen in der Stromerzeugung bewertet. Die Berechnung der Vermeidungskosten für
die Hebel im Energiesektor erfolgte jeweils im Vergleich mit der spezifischen Referenz­
technologie bzw. -anlage, die durch die Umsetzung des Hebels ersetzt wird.
Für die Bewertung von Maßnahmen zur Steigerung der Stromeffizienz in den Be­
reichen Industrie, Gebäude und Transport wurde die durchschnittliche CO2-Intensität
der Stromerzeugung der zugebauten Kapazität aus der „Stand der Technik“-Projektion
zu Grunde gelegt24. Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Intensität in der Strom­
erzeugung wurden dem Energiesektor zugerechnet. Entsprechende Effekte aus der
Stromerzeugung in industriellen KWK-Anlagen wurden ebenfalls im Energiesektor be­
rücksichtigt, auch wenn der verstärkte Einsatz entsprechender Anlagen durch die In­
dustrie veranlasst wird. Das entsprechende Vermeidungspotenzial in der industriellen
Wärmeerzeugung wurde hingegen dem Industriesektor zugerechnet.
Im Vergleich mit dem Basisszenario wurde auch ein „Öl-Hochpreisszenario“ bewertet.
In diesem sinken die Vermeidungskosten der meisten Maßnahmen in den energiever­
brauchenden Sektoren im Vergleich zur jeweiligen Referenztechnologie um 10 EUR/t
CO2e bis zu 50 EUR/t CO2e, da insbesondere durch Energieeffizienzmaßnahmen bei
höheren Ölpreisen höhere Einsparungen entstehen. Die verstärkte Nutzung von Erd­
gas im Energiesektor (anstelle von Stein- oder Braunkohle) wäre durch die gestiegenen
Gaspreise in einem solchen Szenario mit höheren Vermeidungskosten verbunden.
Wesentliche makroökonomische Grundannahmen sind in der folgenden Tabelle zu­
sammengefasst.
Sektorübergreifende Grundannahmen
• Jährliches
Wachstum BIP
• BevölkerungsAllgemeine
Grundannahmen
•
entwicklung in Mio.
Diskontierungsraten
(real)
– Energiesektor
– Industriesektor
– Gewerbe
– Privatpersonen
• Rohöl
in USD pro Barrel*
– Hochpreisszenario
Energiepreise,
real (2005)
Annahmen
2010
2020
2030
Quelle
1,6%
1,6%
1,6%
Global Insight
82,0
80,7
78,5
7%
9,5%
9%
4%
7%
9,5%
9%
4%
7%
9,5%
9%
4%
57
52
59
DESTATIS
Arbeitsgruppen
Annual Energy Outlook 2007 (EIA)
63
66
75
EWI/EEFA**
• Steinkohle
7,2
7,6
8,1
EWI/EEFA**
• Braunkohle
4,3
4,3
4,3
EWI/EEFA**
20,1
18,8
20,3
EWI/EEFA**
22,0
23,0
25,0
EWI/EEFA**
in EUR/MWh
in EUR/MWh
• Erdgas***
in EUR/MWh
– Hochpreisszenario
* Umrechnung: 1 EUR = 1,2 USD
** Energiewirtschaftliches Gesamtkonzept 2030
*** Frei Kraftwerk; berechnet auf Basis EIA Ölpreis
Schaubild 6
Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“
24Die durchschnittliche CO2-Intensität des Zubaumix aus Kohle und Erdgas nach Eigenverbrauch der Kraftwerke und nach
Netzverlusten sinkt in der „Stand der Technik“-Projektion von 0,72 t CO2e/MWh (2004) auf 0,64 t CO2e/MWh (2020) und
steigt dann auf 0,68 t CO2e/MWh (2030).
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Da die Vermeidungspotenziale und -kosten der einzelnen Vermeidungshebel im Ener­
giesektor wesentlich von rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen be­
einflusst werden, wurden in der vorliegenden Studie mit Blick auf den Energiesektor
drei Szenarien bewertet: Neben dem Basisszenario gibt es ein „Öl-Hochpreisszenario“
und ein Szenario „Kernenergie“. Im Folgenden werden die drei betrachteten Szenarien
detailliert erläutert.
Das Basisszenario setzt auf den aktuellen politischen Rahmenbedingungen auf, be­
rücksichtigt jedoch auch Interdependenzen mit den Sektoren Industrie, ­Gebäude
und Transport, wie z.B. die Entwicklung des Energieverbrauchs und der KraftWärme-Kopplung. Das Basisszenario entspricht damit weitgehend, aber nicht
voll­ständig dem für den Energiegipfel 2007 erarbeiteten EWI/Prognos-Szenario
„Koalitionsvertrag“25. Konkret heißt dies:
•Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie erfolgt wie im Koalitionsvertrag
vereinbart. Im Jahr 2020 werden noch 14 TWh Strom aus Kernenergie erzeugt.
Es wird davon ausgegangen, dass in den Jahren 2020/21 die Laufzeiten der
Kraftwerke Emsland, Neckar 2 und Isar 2 enden. Von einer Umverteilung von
Restlaufzeiten von älteren auf neuere Kraftwerke mit der Folge einer früheren
Abschaltung älterer Blöcke und einem Auslaufen der letzten Kernkraftwerke erst
in den Jahren 2022 bis 2025 wird nicht ausgegangen.
•Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien – Biomasse, On- und OffshoreWindkraft, Photovoltaik, Geothermie und erneuerbare Wasserkraft – wird bis zum
Jahr 2020 auf 132 TWh zunehmen. Dies entspricht der Annahme im EWI/Pro­
gnos-Szenario „Koalitionsvertrag“. Eine stärkere Zunahme, etwa auf 163 TWh,
wie im EWI/Prognos-Szenario „Stärkerer Ausbau erneuerbarer Energien“26 an­
genommen, wird derzeit verhindert durch die aktuellen bzw. zu erwartenden
Degressionssätze der Einspeisevergütung, die im Rahmen des ErneuerbareEnergien-Gesetzes (EEG) gewährt werden. Insbesondere die Förderung von
Offshore-Windkraftanlagen, wie derzeit im EEG hinterlegt27, wäre hier prohibitiv
niedrig. Aus dem „Erfahrungsbericht 2007 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG)“ des BMU lässt sich ablesen, dass für den aus Entscheidersicht wirt­
schaftlichen Betrieb einer Offshore-Windkraftanlage eine Förderung zwischen
11,0 und 14,0 Cent/kWh erforderlich ist28. Da die Politik die Notwendigkeit zur
gezielten Förderung der Offshore-Windkraft erkannt hat, wird im Basis­szenario
davon ausgegangen, dass entsprechend eine Förderung von 11,0 Cent/kWh
­erfolgt.
•Die Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) nimmt im Basisszena­
rio von 63 TWh heute bis zum Jahr 2020 um knapp 60 Prozent auf 100 TWh
zu. Der überwiegende Teil des Zuwachses stammt dabei aus der Kraft-WärmeKopplung aus Nahwärme und Objektversorgung (von 8 TWh im Jahr 2005 auf
30 TWh im Jahr 2020). Bei industrieller KWK wird ein Anstieg von 29 auf 39 TWh
gesehen, da in den Bereichen, in denen KWK möglich ist, diese bereits vielfach
25„Energieszenarien für den Energiegipfel 2007“, EWI/Prognos, 2007.
26„Energieszenarien für den Energiegipfel 2007“, EWI/Prognos, 2007.
2712 Jahre erhöhte Vergütung i.H.v. 91 EUR/MWh danach Basisvergütung 62 EUR/MWh, ab 2008 Degression von 2 Prozent pro Jahr.
28 „Erfahrungsbericht 2007 zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG)“, BMU, 2007.
41
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
42
umgesetzt wurde und der Wärmebedarf insgesamt nicht steigt. Im Bereich der
Fernwärmeerzeugung lässt sich die KWK-Strommenge kaum noch steigern. Vor
dem Hintergrund abnehmender Fernwärmenachfrage (infolge verbesserter Ge­
bäudedämmung) kann die Strommenge nur noch über einen Anstieg der Strom­
kennziffer gehalten, allenfalls sehr moderat gesteigert werden. Die im EWI/Prog­
nos-Szenario „Koalitionsvertrag“ angenommenen 125 TWh KWK-Strommenge
konnten damit aus der detaillierten Analyse der Potenziale im Industrie- und Ge­
bäudesektor sowie zentraler Versorgung nicht abgeleitet werden29.
•Es wird angenommen, dass CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) bei allen kohlebasierten und zudem bei der Hälfte der
erdgasbasierten Neubauten ab 2020 eingesetzt wird. Dies ist eine sehr ambitio­
nierte Annahme, da die entsprechenden Technologien erst in den nächsten Jah­
ren in die Testphase eintreten. Auch für Bestandsanlagen wird die Nachrüstung
von CCS-Technologie ab 2020 im Zuge ohnehin anstehender großer Revisionen
angenommen, und zwar für etwa die Hälfte der nach 2005 errichteten Kohle­
kraftwerke.
•Die Entwicklung des Stromverbrauchs wurde bottom-up in den Sektoren Indus­
trie, Gebäude und Transport über die jeweiligen „Stand der Technik“-Projekti­
onen und spezifischen Vermeidungsmaßnahmen ermittelt. Daraus ergeben sich
für die Sektoren Strombedarfe und über deren Aggregation unter Berücksichti­
gung von Netzverlusten, Pumpspeicher- und Eigenverbräuchen der Kraftwerke
ergibt sich die erforderliche Bruttostromerzeugung. Dieses Verfahren unter­
scheidet sich wesentlich von einer Top-down-Ableitung über Vorgabe eines Effi­
zienz­steigerungsziels.
Das Öl-Hochpreisszenario entspricht weitestgehend dem Basisszenario. Unab­
hängige Variable ist einzig der Rohölpreis. Wurde im Basisszenario in Anlehnung
an EIA (2007)30 mit einem Ölpreisverlauf von 57, 52 und 59 USD/Barrel für die Jahre
2010, 2020 und 2030 (in realen Zahlen 2005) gerechnet, basiert das Öl-Hochpreis­
szenario entsprechend dem EWI/EEFA-Hochpreisszenario (2007) auf 63, 66 und
75 USD/Barrel31. Der Gaspreis wurde entsprechend angepasst, die Preise für Kohle
hingegen konstant gehalten.
Das Szenario Kernenergie unterscheidet sich vom Basisszenario ledig­lich durch die
Annahme der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke von 32 auf 60 ­Jahre,
wie sie technisch möglich und in verschiedenen anderen westlichen Industrie­
nationen üblich sind. Damit entspricht dieses Szenario bis auf die bereits im Basis­
szenario genannten Abweichungen (Kraft-Wärme-Kopplung, Strom­nachfrage) wei­
test­gehend dem EWI/Prognos-Szenario „KKW“32. Die dort unterstellte Verlänge­rung
der Laufzeit der Kernkraftwerke um 20 Jahre auf 52 Jahre macht für 2020 keinen
wesentlichen Unterschied und führt erst im Jahr 2030 zu einem geringeren Anteil
von Kernenergie an der Stromversorgung.
29
30
31
32
„Energieszenarien für den Energiegipfel 2007“, EWI/Prognos, 2007.
„Annual Energy Outlook 2007“, EIA, 2007.
„Energiewirtschaftliches Gesamtkonzept“, EWI/EEFA, 2007.
„Energieszenarien für den Energiegipfel 2007“, EWI/Prognos, 2007.
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Die quantitative Darstellung der Maßnahmen zur CO2-Vermeidung erfolgt zunächst im
Basisszenario. Für die beiden übrigen Szenarien werden dann nachfolgend die we­
sentlichen Unterschiede im Vergleich dargestellt. In allen Szenarien wurde davon aus­
gegangen, dass Vermeidungshebel mit Kosten bis zu 20 EUR/t CO2e realisiert werden.
Zudem wurden Hebel berücksichtigt, die zur politisch gewollten Umstellung des Ener­
giemix beitragen, insbesondere der weitere Ausbau erneuerbarer Energien33.
Hebel zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen im Energie­
sektor bis 2020
In der Energiewirtschaft stellt – bei Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernenergie34 – im Rahmen der Umstellung des Energiemix der weitere Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2020 den wichtigsten Vermeidungshebel
dar (34 Mt CO2e). Hierdurch entstehen für die Stromerzeuger Vermeidungskosten,
die sich im Durchschnitt auf 32 EUR/t CO2e (2020) belaufen35. Mit der Umsetzung
der entsprechenden Vermeidungshebel würde sich der Strommix in Deutschland
im Jahr 2020 gegenüber heute erheblich verschieben: Erneuerbare Energien, Steinkohle und Braunkohle würden jeweils etwa ein Viertel, Gas ein Fünftel des Stroms in
Deutschland liefern. Dadurch können – in Kombination mit dem reduzierten Strom­
bedarf aus dem Industrie- und dem Gebäudesektor sowie mit der erhöhten Effizienz
konventioneller Kraftwerke – die Emissionen des Sektors gegenüber dem heutigen
Stand trotz Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernkraft um 21 Prozent gesenkt
werden.
Insgesamt wurden im Energiesektor im Basisszenario Vermeidungshebel mit einem
Potenzial von 76 Mt CO2e (2020) betrachtet. Davon lassen sich 55 Mt CO2e zu Ver­
meidungskosten bis 20 EUR/t CO2e realisieren oder stammen aus Hebeln, die Teil der
politisch gewollten Umstellung des Energiemix sind. Dazu gehören mit einem Poten­
zial von 10 Mt CO2e auch vermiedene Verluste aus Eigenverbrauch der Kraftwerke
und Netzverlusten, die sich aus der Nachfragereduzierung der stromverbrauchenden
Sektoren ergeben. Nach Einbeziehung des Nachfragerückgangs (70 Mt CO2e) wür­
de eine Umsetzung dieser Vermeidungshebel die Emissionen des Energiesektors
auf 283 Mt CO2e reduzieren, was gegenüber dem heutigen Stand einer Senkung um
21 Prozent entspräche. Gegenüber dem Basisjahr 1990 wäre dies eine Reduzierung
um etwa 29 Prozent.
Die zum politisch gewollten Umbau des Energiemix gehörenden Hebel, d.h. der Aus­
bau der erneuerbaren Energien (34 Mt CO2e, ohne Geothermie) und die Kraft-­WärmeKopplung in der zentralen Stromversorgung (0,3 Mt CO2e), sowie die Abscheidung
und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS, knapp 6 Mt CO2e),
­bieten im Jahr 2020 zusammen ein Vermeidungspotenzial von 40 Mt CO2e, die sich zu
33Exkl. Geothermie, da dieser Hebel im Vergleich zu den übrigen erneuerbaren Energien mit Vermeidungskosten von
mehr als 100 EUR/t CO2e unverhältnismäßig teuer ist. Für 2020 wurden zur Umstellung des Energiemix die Potenziale
aus ersten Anlagen für die Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) in Höhe von
6 Mt CO2e hinzugerechnet.
34 Zu den Auswirkungen einer Verzögerung des Ausstiegs aus der Kernenergie vgl. Seite 62.
35In der Berechnung der Vermeidungskosten aus Entscheidersicht ist die EEG-Förderung enthalten; ohne Berücksichtigung dieser Förderung würden die Vermeidungskosten der Maßnahmen im Durchschnitt bei knapp 80 EUR/t CO2e
liegen.
43
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
44
durchschnittlichen Vermeidungskosten von 32 EUR/t CO2e realisieren lassen. Hinzu
­kommen knapp 5 Mt CO2e aus dem Einsatz verbesserter Kraftwerkstechnik zu Vermei­
dungskosten unter 20 EUR/t CO2e. Neben diesen Hebeln gibt es weitere, die jedoch
nicht Bestandteil der politisch gewollten Umstellung des Energiemix sind und höhere
Vermeidungskosten verursachen. Dazu gehört neben dem Einsatz verbesserter Kraft­
werkstechnik beim Neubau von Steinkohlekraftwerken (knapp 3 Mt CO2e) und der mit
Vermeidungskosten von über 100 EUR/t CO2e teuren Geothermie insbesondere die
Substitution von Kohle durch Gas im Kraftwerksneubau (18 Mt CO2e). Sie lässt sich für
Steinkohle zu 28 EUR/t CO2e und für Braunkohle zu 50 EUR/t CO2e realisieren.
Energiesektor: Vermeidungskostenkurve –
Deutschland 2020*
ENTSCHEIDERPERSPEKTIVE
BASISSZENARIO 2020
Kosten
in EUR/t CO2e
110
Geothermie
100
90
80
70
KWK
Steinkohle
60
Biomasse
(gasförmig)
CCS
Braunkohle
(neu)
Biomasse
(Co-firing)
KWK
Erdgas
Verbesserte
Kraftwerkstechnik
Steinkohle (neu)
Erdgas statt
Braunkohle
50
40
30
Verbesserte
Kraftwerkstechnik
Braunkohle (neu)
20
Biomasse (fest)
10
-20
-30
-40
-50
Wind Onshore
Wind Offshore
Vermiedene
Verluste
0
-10
Erdgas
statt
Steinkohle
CCS
Steinkohle
(neu)
5
10
15
20
25
30
Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (neu)
Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (Retrofit)
Photovoltaik Freifläche (> 1 MWp)
Verbesserte Kraftwerkstechnik
Braunkohle (Retrofit)
Verbesserte Kraftwerkstechnik
Steinkohle (Retrofit)
Photovoltaik Gebäude (ca. 50 kWp)
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80
Kumuliertes Vermeidungspotenzial
in Mt CO2e
Umstellung Energiemix*
Vermeidungshebel < 20 EUR/t CO2e
Vermeidungshebel > 20 EUR/t CO2e
* Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg und unter Berücksichtigung der Förderung von erneuerbaren Energien (EEG), inklusive 6 Mt CO2e aus CCS-Pilotprojekten
Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Schaubild 7
Im Folgenden wird nun detailliert auf die Kosten und Potenziale der einzelnen Vermei­
dungshebel des Energiesektors im Jahr 2020 eingegangen. Hierzu zählen neben der
Senkung der Energienachfrage aus den verbrauchenden Sektoren Industrie, Gebäude
und Transport die Verbesserung konventioneller Kraftwerkstechnologie – im Neubau
und durch Nachrüstung –, der Ausbau erneuerbarer Energien, die Abscheidung und
Speicherung von CO2, der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und die Verschiebung
des Zubaus neuer Kraftwerke von Kohle zu Gas36.
36Die Treibhausgasreduzierung, die sich aus der Laufzeitverlängerung der existierenden Kernkraftwerke ergibt, wird im
Rahmen des Szenarios „Kernenergie“ separat betrachtet (vgl. Seite 62).
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Senkung der Energienachfrage
Die Senkung der Energienachfrage ergibt sich aus den Maßnahmen zur Effizienzstei­
gerung, die in den Sektoren Industrie, Gebäude und Transport ausführlich abgeleitet
wurden. Im Basisszenario wird im Jahr 2020 eine Reduzierung des Strombedarfs in
Höhe von 19,5 Prozent (117 TWh) gegenüber der „Stand der Technik“-Projektion er­
reicht. Einschließlich der zurückgegangenen Nachfrage nach Fernwärme entspricht
dies einem Vermeidungspotenzial in Höhe von 70 Mt CO2e. Aufgrund der verringer­
ten Stromnachfrage aus den Sektoren Industrie, Gebäude und Transport kommt es
zudem zu einer Reduzierung des Eigenstromverbrauchs von Kraftwerken sowie der
Netzverluste im Energiesektor. Die sich hieraus ergebende Vermeidung in Höhe von
10 Mt CO2e im Jahr 2020 wurde dem Energiesektor zugerechnet. Insgesamt resultiert
damit aus den Effizienzsteigerungen in den stromverbrauchenden Sektoren eine Ver­
meidung in Höhe von 80 Mt CO2e.
Verbesserung konventioneller Kraftwerkstechnologie
Bereits in der „Stand der Technik“-Projektion ist der Einsatz heutiger moderner Kraft­
werkstechnologie, d.h. das Vordringen von Anlagen mit höheren Nettonutzungsgraden,
berücksichtigt. Darüber hinausgehende Verbesserungen machen weitere Erhöhungen
der Nettonutzungsgrade und damit Vermeidungen von Treibhausgasemissionen
möglich. Ein Großteil des Potenzials ergibt sich im Neubau von Kraftwerken. Zudem
lassen sich Treibhausgasemissionen durch die Nachrüstung von Bestandsanlagen
mit effizienterer Kraftwerkstechnologie reduzieren. Mittels verbesserter Kraftwerks­
technologie können im Jahr 2020 gut 7 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von
24 EUR/t CO2e eingespart werden, davon knapp 5 Mt CO2e zu Vermeidungskosten
unter 20 EUR/t CO2e.
Für die Zeit nach 2010 wird davon ausgegangen, dass sich der Nettonutzungsgrad von
neu gebauten Steinkohle-, Braunkohle- und Erdgaskraftwerken über den „Stand der
Technik“ hinaus erhöht.
Der Nettonutzungsgrad eines Erdgaskraftwerks auf heutigem Stand der Technik
beträgt 56 Prozent37. Bis zum Jahr 2020 wird eine Verbesserung auf 61 Prozent er­
wartet. Diese Verbesserung wird zum einen getrieben durch kontinuierliche Anlagen­
opti­mierung, zum anderen durch temperaturresistentere Materialien (z.B. Keramik­
schaufeln), die höhere Turbineneintrittstemperaturen ermöglichen. Die Erhöhung des
Netto­nutzungsgrads geht einher mit einem Anstieg der Investitionskosten pro kW
­installierte Leistung. Im Vergleich zur „Stand der Technik“-Projektion steigen die Kos­
ten dadurch um 15 Prozent bis 2020. Das Vermeidungspotenzial im Jahr 2020 beträgt
knapp 1 Mt CO2e. Diesem relativ geringen Potenzial liegen zwei Ursachen zu ­Grunde.
Erstens wird die verbesserte Kraftwerkstechnologie erst ab 2010 eingeführt und
durchdringt den Kraftwerkspark nur allmählich. Zweitens reduziert sich die CO2-Inten­
sität neuer Erdgaskraftwerke nur geringfügig von 0,36 t CO2e/MWh im Jahr 2010 auf
0,33 Mt CO2e/MWh im Jahr 2020. Die Maßnahme ist wirtschaftlich, da die Er­höhung
der Kapi­tal­kosten weniger stark wiegt als die Reduzierung der Brennstoff­kosten auf­
grund des steigenden Nettonutzungsgrads. Allerdings beträgt die Ersparnis lediglich
rund 2 EUR/t CO2e (2020).
37Basierend auf dem unteren Heizwert.
45
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
46
Für ein Braunkohlekraftwerk beträgt der Nettonutzungsgrad auf heutigem Stand der
Technik 43 Prozent. Bis 2020 wird eine Verbesserung auf 48 Prozent angenommen.
Der Wirkungsgradanstieg um 5 Prozentpunkte bis 2020 wird größtenteils durch die
Einführung der integrierten Braunkohlewirbelschichttrocknung erreicht, die eine effizi­
entere Verbrennung ermöglicht. Zudem erfolgt – wie bei Erdgas- und Steinkohlekraft­
werken – eine kontinuierliche Anlagenoptimierung. Die Erhöhung des Nettonutzungs­
grades geht einher mit einem Anstieg der Investition pro kW installierte Leistung um
20 Prozent. Dies entspricht auch dem Anstieg gegenüber der „Stand der Technik“Projektion für das Jahr 2020. Das Vermeidungspotenzial beläuft sich im Jahr 2020 auf
2,7 Mt CO2e und liegt damit leicht unterhalb des Wertes von Steinkohle, da die Netto­
nutzungsgradsteigerung sowie der Zubau von neuen Kraftwerken etwas niedriger aus­
fallen. Diesen beiden Hebeln wirkt allerdings die höhere Vermeidung pro Energieeinheit
entgegen. So reduziert sich die CO2-Intensität im Vergleich zur „Stand der Technik“Projektion um 0,12 t CO2e/MWh bis 2020 (gegenüber 0,08 t CO2e/MWh bei Steinkohle
und 0,03 t CO2e/MWh bei Erdgas). Die Vermeidungskosten im Jahr 2020 liegen bei
17 EUR/t CO2e. Relativ zu Steinkohle ergibt sich eine Abweichung nach unten, da der
Anstieg der Kapitalkosten pro MWh erzeugtem Strom geringer ausfällt. Dies erklärt
sich vor allem durch die höhere durchschnittliche Auslastung von Braunkohlekraft­
werken in Höhe von 85 Prozent (gegenüber 55 Prozent bei Steinkohle). Allerdings ist
auch die Brennstoffkosteneinsparung bei Braunkohle geringer.
Der Nettonutzungsgrad eines Steinkohlekraftwerks auf heutigem Stand der Technik
beträgt 45 Prozent. Zwischen den Jahren 2010 und 2020 wird eine Verbesserung auf
51 Prozent erwartet. Die Wirkungsgradsteigerung um 6 Prozentpunkte wird zum einen
durch die Einführung der 700°C-Technologie mit einem Dampfdruck von ca. 350 Bar
erreicht (zum Vergleich in der „Stand der Technik“-Projektion: Dampftemperatur 600°C,
Dampfdruck 280 Bar), zum anderen erfolgt eine weitere Optimierung der Anlage, z.B.
durch Reduzierung des Eigenstromverbrauchs und durch eine Verbesserung des Ge­
nerators. Die Erhöhung des Nettonutzungsgrads ist verbunden mit einem Anstieg der
Investitionskosten pro kW installierte Leistung. Im Vergleich zur „Stand der Technik“Projektion steigen die Kosten um 25 Prozent bis 2020. Diese Kostensteigerung ist vor
allem getrieben durch die Verwendung von hochtemperaturfesten Werkstoffen auf
Nickel­basis. Die Entwicklung der Investitionskosten unterliegt allerdings ­einer hohen
Unsicherheit, da das Ausmaß des Kostenanstiegs stark von den zukünftigen Nickel­
preisen abhängt. Das Vermeidungspotenzial im Jahr 2020 beträgt 2,9 Mt CO2e und
liegt damit deutlich oberhalb des Potenzials von Erdgaskraftwerken. Die Abweichung
erklärt sich einerseits durch einen höheren Zubau von Steinkohlekapazitäten, anderer­
seits führt der Nettonutzungsgradanstieg zu einer stärkeren Reduzierung der CO2Intensität als bei Erdgas: Gegenüber der „Stand der Technik“-Projektion verringert
sich die CO2-Intensität neuer Kraftwerke von 0,75 t CO2e/MWh auf 0,67 t CO2e/ MWh
im Jahr 2020. Die Vermeidungskosten dieses Hebels betragen 49 EUR/t CO2e. Die
Verbesserung der Technologie von Steinkohlekraftwerken ist teurer als bei Erdgas,
da zum einen die Investitionskosten pro Prozentpunkt Netto­nutzungsgradsteigerung
­höher sind und zum anderen die Ersparnisse auf der Brennstoffseite aufgrund der im
Vergleich zu Erdgas relativ kostengünstigen Steinkohle niedriger ausfallen.
Durch eine kontinuierliche Verbesserung von Kraftwerken, die bereits heute am Netz
sind (Retrofit), lässt sich zusätzliches Vermeidungspotenzial heben. Sämtliche Kraft­
werke aus dem heutigen Bestand, die auch 2030 noch am Netz sind, kommen ­unter
der Maßgabe von Wirtschaftlichkeit für eine Nachrüstung in Frage. Es wird davon aus­
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
gegangen, dass diese Kraftwerke zwischen 2010 und 2020 sukzessive einer Nach­
rüstung unterzogen werden, die eine durchschnittliche Steigerung des Nettonutzungs­
grads in Höhe von 0,5 Prozentpunkten erwirkt. Vereinfachend wurde hier angenommen,
dass spezifische Kosten für die Nachrüstung nicht anfallen, d.h. die Steigerung des
Nettonutzungsgrads tritt als „Nebeneffekt“ einer großen Kraftwerks­revision auf. Im
Jahr 2020 wird ein Vermeidungspotenzial von 1,2 Mt CO2e erreicht. Etwa zwei Drit­
tel dieses Potenzials entfallen auf Braunkohlekraftwerke. Die Steigerung des Netto­
nutzungsgrads führt hier zur höchsten CO2-Ersparnis pro Energieeinheit. Zum einen
ist dies bedingt durch den hohen Emissionsfaktor von Braunkohle, zum anderen durch
den niedrigen durchschnittlichen Nettonutzungsgrad von Braunkohlekraftwerken, die
vor 1994 gebaut wurden (31 Prozent). Die Kosten dieses Vermeidungshebels sind ne­
gativ, da eingesparten Brennstoffkosten keine zusätzlichen Kapitalkosten für die Nach­
rüstung gegenüberstehen. Im Jahr 2020 betragen die Einsparungen 3 EUR/t CO2e bei
Erdgaskraftwerken, 22 EUR/t CO2e bei Steinkohlekraftwerken und 10 EUR/t CO2e bei
Braunkohlekraftwerken.
Ausbau erneuerbarer Energien
Im Basisszenario wird von einem Ausbau der erneuerbaren Energien auf 132 TWh bis
zum Jahr 2020 ausgegangen. Dies entspricht dem Mengengerüst im EWI/PrognosSzenario „Koalitionsvertrag“, bedeutet eine Steigerung des Anteils erneuerbarer En­
ergien an der Bruttostromerzeugung von 11,4 Prozent im Jahr 2006 auf 25 Prozent
im Jahr 2020 und ist gleichbedeutend mit einer Treibhausgasreduzierung in Höhe von
34 Mt CO2e. Damit stellen die erneuerbaren Energien den wichtigsten Vermeidungs­
hebel im Energiesektor dar. Einhergehend mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wird
von einer deutlichen Degression der Investitionskosten für diese Technologien ausge­
gangen. Dies führt zu einer signifikanten Reduzierung der Stromgestehungskosten aus
erneuerbaren Energien bis 2020. Als Aufsatzpunkt zur Festsetzung der Kostendegres­
sion je Technologie bis 2030 dienten die historisch beobachteten Lernraten38.
Die durchschnittlichen Vermeidungskosten der erneuerbaren Energien betragen aus
Entscheidersicht 32 EUR/t CO2e im Jahr 2020, während sie bei gesamtwirtschaftlicher
Sichtweise – d.h. ohne Berücksichtigung der Förderung erneuerbarer Energien und bei
Einbeziehung der zusätzlichen Belastungen für das Netz (insbesondere durch Wind­
energie) – bei 80 EUR/t CO2e liegen. Der Vergleich beider Perspektiven zeigt die deut­
lichsten Unterschiede bei der Photovoltaik und bei der Offshore-Windkraft. Einzig bei
Co-firing von Biomasse gibt es keinen Unterschied zwischen beiden Perspektiven, da
dieses Verfahren nicht gefördert wird.
38Die Lernrate stellt die prozentuale Degression der Investitionskosten bei einer Verdopplung der installierten Kapazität dar.
47
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
48
Energiesektor: Vermeidungskostenvergleich erneuerbare Energien –
Deutschland 2020/2030
in EUR/t CO2e
Gesamtw. Perspektive
2020
35
35
Biomasse,
Co-firing
Biomasse,
fest
14
31
Wind,
Onshore
34
Wind,
Offshore
34
34
40
Biomasse,
gasförmig
Photovoltaik,
Freifläche
22
57
58
39
Schaubild 8
38
39
30
104
34
153
-6
106
54
53
85
19
213
Photovoltaik,
Gebäude
-49
Geothermie
Entscheiderperspektive
2030
11
159
123
150
135
163
Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Trotz unterstellter Förderung durch das EEG weisen die erneuerbaren Energien in den
Jahren 2020 und 2030 mit Ausnahme der Photovoltaik in der Entscheiderperspektive
deutlich positive Vermeidungskosten auf. Ursache hierfür ist die starke Degression der
EEG-Fördersätze, welche den Rückgang der Stromgestehungskosten (über eine Lern­
rate) übersteigt39. Die Entwicklung der Fördersätze bis 2030 basiert auf den im EEG
festgelegten Degressionssätzen sowie auf den im Rahmen des „Erfahrungsbericht
2007 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)“ vorgeschlagenen Anpassungen40.
­Ergänzend zu den dort hinterlegten Förderdegressionen wurde angenommen, dass
der Fördersatz die Gestehungskosten für Strom in konventionellen, fossil befeuerten
Kraftwerken nicht unterschreiten wird41. Bei steigenden Vermeidungskosten erneuer­
barer Energien scheint es jedoch fraglich, ob der Gesetzgeber bis 2030 keine An­
passung der aus heutiger Sicht absehbaren EEG-Förderung nach oben vornimmt. Im
Rahmen der vorliegenden Studie wurde eine solche Anpassung allerdings nicht unter­
stellt, um die Auswirkungen der heutigen Förderpolitik deutlich zu machen. Auf Basis
der angenommenen Förderung steigen die EEG-Kosten aufgrund des Ausbaus der
erneuerbaren Energien von heute 3,2 Milliarden EUR (2006) auf ca. 4 Milliarden EUR
(real) im Jahr 202042.
39Heute, d.h. vor Eintreten von Kosten- und Förderdegression, sind Investitionen in erneuerbare Energien hingegen noch
wirtschaftlich.
40Z.B. Anhebung der Kostendegression für Photovoltaikstrom um 2 Prozentpunkte bis 2011, deutliche Steigerung der
Fördersätze für Offshore-Windkraftanlagen.
41Dabei wurde ein Mix aus Erdgas- und Kohlekraftwerken unterstellt.
42Hierbei handelt es sich um EEG-Differenzkosten, d.h. gezahlte EEG-Umlage abzüglich des Marktwerts des im Rahmen
des EEG erzeugten Stroms.
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Wind
Im deutschen Energiemix spielt die Windenergie bereits heute eine wichtige Rolle. Es
wird erwartet, dass sich die Dynamik des Windenergieausbaus Onshore wie Offshore
auch in Zukunft weiter fortsetzt. Von heute 31 TWh verdoppelt sich die Stromerzeugung
aus Windkraft auf rund 65 TWh im Jahr 2020, was sich in 22 Mt CO2e Vermeidungs­
potenzial zu durchschnittlichen Kosten von 36 EUR/t CO2e übersetzt. Damit stellt die
Windenergie den mit Abstand wichtigsten Vermeidungshebel im Bereich erneuerbarer
Energien dar.
Im Jahr 2006 wurden 31 TWh aus Onshore-Windkraftanlagen erzeugt. Bis 2020
wird ein Ausbau auf 48 TWh prognostiziert. Getrieben wird dieses Wachstum zu­
nächst vor allem durch die Erschließung neuer Standorte. Ab Mitte des nächsten
Jahrzehnts wird Repowering (Kapazitätserhöhung) zunehmend an Bedeutung ge­
winnen, da die Flächenpotenziale in Deutschland begrenzt sind und es somit zu
einem Mangel an guten Windstandorten kommt. Die Investitionskosten pro kW
installierte Leistung werden heute mit 1.300 EUR angenommen und liegen damit
deutlich höher als vor ein bis zwei Jahren. Ursache hierfür sind unter anderem die
stark gestiegenen Stahlpreise. Die Betriebskosten wurden mit 0,018 EUR/kWh an­
gesetzt. Bei durchschnittlich 1.750 Volllaststunden pro Jahr ergeben sich heute so
Stromgestehungskosten in Höhe von 0,088 EUR/kWh. Bis 2020 wird von einer 26prozentigen Kostendegression der Investitionskosten ausgegangen (35 Prozent bis
2030), so dass die Stromgestehungskosten auf 0,067 EUR/kWh im Jahr 2020 sin­
ken. Bei einer Kostenbetrachtung aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive werden
der Windenergie zusätzliche Kosten für die Bereitstellung von Regelenergie und
Reservekapazität zugeordnet. Diese liegen in der Größenordnung 0,008 EUR/kWh
im Jahr 2020. Das Vermeidungspotenzial des Hebels „Wind Onshore“ beträgt mit
11 Mt CO2e im Jahr 2020 ein Drittel der gesamten Vermeidung aus erneuerbaren
Energien. Die Vermeidungskosten betragen 34 EUR/t CO2e. Aus gesamtwirtschaft­
licher Perspektive liegen die Kosten allerdings erheblich höher (58 EUR/t CO2e).
Die Stromerzeugung mittels Offshore-Windkraftanlagen ist heute noch sehr ­gering.
Eine breite Markteinführung dieser Technologie wird für den Beginn des kommenden
Jahrzehnts erwartet. So sind bereits zahlreiche Windparks in Nord- und Ostsee ge­
nehmigt. Insgesamt bietet Offshore-Windenergie ein enormes Potenzial und könnte
langfristig deutlich mehr als 10 Prozent der deutschen Stromerzeugung ­decken. Bis
2020 wird ein Ausbau auf 17 TWh erwartet. Die Stromgestehungs­kosten von Offshore-Windenergie liegen heute mit einem Schätzwert von 0,12 EUR/kWh deutlich
höher als bei Onshore-Windenergie. Haupttreiber hierfür sind die Investitionskosten
pro kW installierte Leistung in Höhe von etwa 2.600 EUR. Damit sind sie doppelt so
hoch wie für Onshore-Anlagen. Insbesondere das Fundament ist deutlich kosten­
intensiver, da die meisten deutschen Offshore-Windparks aus Naturschutzgründen
in mehr als 30 km Entfernung von der Küste und damit in Wassertiefen um 40 m
errichtet werden müssen. Auch die Offshore-Betriebskosten von 0,032 EUR/kWh
liegen ca. 75 Prozent höher als die von Onshore-Anlagen. Allerdings erzielen Offshore-Anlagen deutlich höhere Auslastungen als Anlagen an Land (3.250 gegen­
über 1.750 Volllaststunden). Die besseren Windverhältnisse über dem Meer kom­
pensieren somit teilweise die höheren Investitions- und Betriebskosten. Bis zum
Jahr 2020 wird von einer Degression der Investitionskosten um 34 Prozent ausge­
gangen (40 Prozent bis 2030). Als Folge verringern sich die Stromgestehungskosten
49
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
50
auf 0,073 EUR/kWh im Jahr 2020. Somit erreicht Offshore-Windenergie ab 2020
fast die Wettbewerbsfähigkeit mit der Onshore-Erzeugung. Gesamtwirtschaftlich
ergeben sich aus Offshore-Windenergienutzung allerdings zusätzliche Kosten, so
dass die Stromgestehungskosten in dieser Betrachtung merklich höher liegen als
in der Entscheiderperspektive (heute: 0,143 EUR/kWh; 2020: 0,098 EUR/kWh). Es
entstehen insbesondere Kosten für den Netzanschluss und -ausbau, die der Betrei­
ber nicht selbst tragen muss. Diese liegen in der Größenordnung von 800 EUR pro
kW installierte Leistung. Hierbei ist der Stahlpreisanstieg seit 2005 noch nicht be­
rücksichtigt. Zudem fallen Kosten für Regelenergie und Reservekapazität in Höhe
von ca. 0,005 EUR/kWh im Jahr 2020 an. Die Abweichung nach unten bei letztge­
nanntem Kostenblock gegenüber Onshore-Windenergie ergibt sich aufgrund der
höheren Volllaststunden von Offshore-Windkraftanlagen. Das Vermeidungspoten­
zial von Offshore-Windenergie beträgt im Jahr 2020 11 Mt CO2e und liegt damit in
derselben Größenordnung wie die Vermeidung durch Onshore-Windenergie. Die
Vermeidungskosten betragen aus Entscheiderperspektive 39 EUR/t CO2e (2020).
Die gesamtwirtschaftlichen Vermeidungskosten sind mit 104 EUR/t CO2e mehr als
doppelt so hoch.
Biomasse
Die Stromerzeugung aus Biomasse trug im Jahr 2006 etwa 3 Prozent (18,8 TWh) zur
Bruttostromerzeugung in Deutschland bei. Dabei werden drei unterschiedliche Verfah­
ren angewendet: das alleinige Verbrennen fester Biomasse (meist in kleineren Anlagen),
das Verbrennen von Biogas sowie die Beimischung von Biomasse zu einem anderen
Brennstoff (Co-firing, in der Regel wird feste Biomasse Kohle beigemischt). Durch die
Nutzung heimischer Biomassepotenziale lässt sich bis zum Jahr 2020 eine Verdopp­
lung auf ca. 35 TWh realisieren (ca. 16 TWh Biogas, ca. 15 TWh feste Bio­masse und
ca. 4 TWh Co-firing). Im Jahr 2020 ergibt sich so ein Vermeidungspotenzial in Höhe
von 9 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von 24 EUR/t CO2e. Etwas mehr als die
Hälfte der speziellen Biomassekraftwerke ist auf Kraft-Wärme-Kopplungs-Betrieb aus­
gelegt und erzeugt neben Elektrizität auch Wärme. Die aus der KWK resul­tierenden
zusätzlichen Vermeidungspotenziale und Kosten wurden in den Sektoren Gebäude und
Industrie näher analysiert. Im Bereich der Fernwärmeerzeugung wird nicht von einem
Zuwachs von Biomasse-KWK ausgegangen. Für die Kalkulation der Stromgestehungs­
kosten wurde die ungekoppelte Erzeugung von Elektrizität angenommen.
Die heutigen Investitionskosten eines Biomassekraftwerks, das mit fester Biomas­
se befeuert wird, liegen bei ca. 2.000 EUR pro kW installierte Leistung und werden
sich bis 2020 um etwa 10 Prozent reduzieren (15 Prozent bis 2030). Auf der Be­
triebskostenseite entfällt das Gros der Kosten mit 0,045 EUR/kWh auf den Brenn­
stoff. Es wurde ein Biomassepreis in Höhe von 18 EUR/MWhth zu Grunde gelegt,
der auf durchschnittlichen Bereitstellungskosten unterschiedlicher Biomassearten
(z.B. Waldrest- und Schwachholz) basiert. Marktpreise können allerdings unter
Umständen deutlich über diesem Niveau liegen. Insgesamt betragen die Betriebs­
kosten 0,06 EUR/kWh. Ausgehend von 7.000 Volllaststunden im Jahr ergeben sich
so heute Stromgestehungskosten in Höhe von 0,085 EUR/kWh. Bis 2020 reduzie­
ren sich die Kosten leicht auf 0,081 EUR/kWh. Das Vermeidungspotenzial aus der
Verstromung fester Biomasse beläuft sich im Jahr 2020 auf 4 Mt CO2e zu Vermei­
dungskosten von rund 14 EUR/t CO2e. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht betragen
die Vermeidungskosten etwa 40 EUR/t CO2e.
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Die Investitionskosten eines Biogaskraftwerks betragen heute ca. 3.000 EUR pro
kW installierte Leistung und somit ca. 50 Prozent mehr als bei fester Biomas­
se. Aller­dings wird bis 2020 eine höhere Degression der Investitionskosten von
21 Prozent prognostiziert (30 Prozent bis 2030). Auf der Betriebskostenseite fal­
len analog zur Verstromung fester Biomasse 0,06 EUR/kWh an. Hier wurde eben­
falls ein Biomassepreis in Höhe von 18 EUR/MWhth angenommen. Ausgehend
von 7.000 Volllast­stunden ergeben sich so heute Stromgestehungskosten in Höhe
von 0,101 EUR/ kWh. Die Kosten reduzieren sich auf 0,092 EUR/kWh bis 2020.
Das Vermeidungspotenzial aus Biogasverstromung fällt etwas höher aus als bei
fester Bio­masse. Es beläuft sich im Jahr 2020 auf 5 Mt CO2e zu Vermeidungs­
kosten von 30 EUR/t CO2e. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht betragen die Kosten
57 EUR/t CO2e.
Die Stromerzeugung aus Co-firing von Biomasse steigt bis 2020 gegenüber ­heute
um etwa 1 TWh an. Aus zwei Gründen wurde hier kein höheres Ausbaupoten­zial
angenommen. Erstens stellt sich bei Co-firing die prinzipielle Herausforderung,
dass eine große Menge Biomasse an einem Ort verfügbar sein muss, um eine effi­
ziente Stromerzeugung zu gewährleisten. Zweitens erhält das Co-firing keine För­
derung im Rahmen des EEG. Da Co-firing in Großkraftwerken erfolgt, wurde zur
Bestimmung der Vermeidungskosten die Kostenstruktur von Steinkohlekraftwerken
zu Grunde gelegt. Somit ergeben sich Stromgestehungskosten, die etwas unter­
halb der Kosten fester und gasförmiger Biomasse liegen. Ausgehend von einem
Biomassepreis in Höhe von 18 EUR/MWhth betragen sie heute 0,071 EUR/kWh und
ändern sich kaum im Laufe der Zeit. Das Vermeidungspotenzial aus Co-firing ist
verhältnismäßig gering. Es beläuft sich im Jahr 2020 auf weniger als 1 Mt CO2e.
Die Vermeidungskosten im Jahr 2020 liegen bei 35 EUR/t CO2e. Trotz geringerer
Stromgestehungskosten als bei fester Biomasse fallen die Vermeidungskosten da­
mit höher aus. In der gesamtwirtschaftlichen Perspektive, d.h. ohne Förderung,
sind die Vermeidungskosten beim Co-firing mit 35 EUR/t CO2e (2020) hingegen
niedriger als bei alleiniger Stromerzeugung aus fester Biomasse (40 EUR/t CO2e)
und Biogas (57 EUR/t CO2e).
Photovoltaik
Die Stromerzeugung aus Photovoltaik verzeichnete in den zurückliegenden Jahren
­einen sehr starken Anstieg. Der Beitrag zur deutschen Stromerzeugung ist jedoch nach
wie vor gering (0,3 Prozent im Jahr 2006). Bis 2020 wird mehr als eine Verdopplung der
Erzeugung von heute 2 TWh auf 5 TWh prognostiziert43. Dies bedeutet eine Abschwä­
chung der in der Vergangenheit beobachteten Wachstumsdynamik. Ursache hierfür ist
die zu erwartende Erhöhung der heutigen EEG-Degressionssätze ab 2009. Doch auch
vor dem Hintergrund einer stärkeren Degression der Förderung handelt es sich hierbei
um eine konservative Wachstumsannahme mit sehr hoher Unsicherheit.
Im Jahr 2006 wurden 2 TWh aus Photovoltaik erzeugt. Davon entfielen 1,9 TWh auf
gebäudegebundene Anlagen. Bis 2020 wird ein Ausbau auf 3,2 TWh prognostiziert.
Die Investitionskosten betragen heute ca. 4.000 EUR pro kW installierte Leistung, wäh­
rend sich die Betriebskosten auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau bewegen
43Die Stromerzeugung aus solarthermischen Kraftwerken wurde nicht als Vermeidungshebel betrachtet, da die Globalstrahlung in Deutschland für einen effizienten Betrieb solcher Anlagen nicht ausreichend ist.
51
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
52
(0,025 EUR/kWh). Somit ergeben sich unter Annahme von durchschnittlich 875 Voll­
laststunden pro Jahr heutige Stromgestehungskosten von 0,48 EUR/kWh. Bis 2020
wird eine rund 65-prozentige Degression der Kapitalkosten erwartet (75 Prozent bis
2030), wodurch sich die Stromgestehungskosten auf 0,16 EUR/kWh im Jahr 2020 re­
duzieren. Grundvoraussetzung für diese Kostendegression sind massive Sprünge der
Photovoltaiktechnologie in den kommenden 15 Jahren, z.B. durch Verringerung des
Materialverbrauchs für Solarzellen (Dünnschichttechnologie). Aber auch die Entwick­
lung neuer Technologien (z.B. Farbstoffzellen oder organische Solarzellen) besitzt das
Potenzial, die Investitionskosten deutlich zu reduzieren. Das Vermeidungspotenzial
beträgt etwas weniger als 1 Mt CO2e im Jahr 2020. Dies entspricht ca. 2 Prozent des
Potenzials der erneuerbaren Energien. Aus Entscheidersicht bleibt die Photovoltaik bis
zum Jahr 2020 wirtschaftlich. Die Einsparung beträgt etwa 49 EUR/t CO2e, da die Re­
duzierung der Stromgestehungskosten annähernd die Degression der EEG-Förderung
kompensiert. In der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung – also insbesondere ohne
Berücksichtigung der EEG-Förderung – liegen die Kosten deutlich höher. Sie belaufen
sich im Jahr 2020 auf etwas mehr als 200 EUR/t CO2e.
Die Stromerzeugung aus Freiflächenphotovoltaikanlagen betrug im Jahr 2006 nur
etwa 0,1 TWh. Bis 2020 wird ein Hochlauf auf 1,8 TWh prognostiziert. Aufgrund von
Skalen­effekten liegen die heutigen Investitionskosten mit ca. 3.700 EUR pro kW instal­
lierte Leistung leicht unterhalb der Kosten von Aufdachanlagen. Die im Vergleich zu
gebäude­gebundenen Anlagen geringeren Betriebskosten in Höhe von 0,01 EUR/kWh
resultieren vor allem aus niedrigeren Aufwendungen für Versicherung und Instand­
haltung. Zudem liegt die Auslastung von Freiflächenanlagen ca. 10 Prozent höher
als im Fall von gebäude­integrierten Anlagen, da in der Regel eine bessere Ausrich­
tung zur Sonne vorliegt. Somit ergeben sich heute Stromgestehungskosten in Höhe
von 0,37 EUR/ kWh – dies sind 20 Prozent weniger als bei gebäudeintegrierten Anla­
gen. Die Degression der Kapitalkosten um rund 65 Prozent bis 2020 (75 Prozent bis
2030) verringert die Stromgestehungskosten auf knapp 0,13 EUR/kWh im Jahr 2020
(0,10 EUR/ kWh im Jahr 2030). Das Vermeidungspotenzial bewegt sich in einer ähn­
lichen Größenordnung wie bei gebäudeintegrierten Anlagen. Es beträgt etwas mehr
als 1 Mt CO2e im Jahr 2020.
Geothermie
Die Stromerzeugung aus Geothermie befindet sich zurzeit in Deutschland noch in einem
Versuchsstadium. Im Jahr 2006 betrug die Produktion weniger als 0,5 GWh. Auch zu­
künftig wird nicht erwartet, dass die Geothermie einen signifikanten Beitrag zur deut­
schen Stromerzeugung liefern kann. Die Stromerzeugung steigt auf 1,6 TWh im Jahr
2020. Die Investitionskosten betragen heute ca. 9.000 EUR pro kW installierte Leistung
und die Betriebskosten bewegen sich in einer Größenordnung von 0,07 EUR/kWh.
Ausgehend von 7.000 Volllaststunden pro Jahr ergeben sich heute Stromgestehungs­
kosten von etwa 0,19 EUR/kWh. Eine Degression der Investitionskosten von 8 Prozent
bis 2020 (10 Prozent bis 2030) führt zu einer leichten Reduzierung der Stromgeste­
hungskosten auf ca. 0,18 EUR/kWh im Jahr 2020. Das Vermeidungs­potenzial beläuft
sich auf etwa 1 Mt CO2e zu Vermeidungskosten von 106 EUR/t CO2e. Technologische
Durchbrüche sind möglich, sind heute jedoch noch nicht absehbar und werden daher
nicht unterstellt.
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Wasserkraft
Die Wasserkraft leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Treibhausgasvermei­
dung in Deutschland. Im Jahr 2006 wurden ca. 22 TWh (3,5 Prozent der Bruttostrom­
erzeugung) aus erneuerbarer Wasserkraft erzeugt. Für die Zukunft ist allerdings mit
keiner über die in der „Stand der Technik“-Projektion hinterlegte Strommenge hinaus­
gehenden Stromerzeugung aus Wasserkraft zu rechnen. Die geologischen Gegeben­
heiten in Deutschland wirken hier als begrenzender Faktor. Die Stromerzeugung aus
Wasserkraft bietet somit kein zusätzliches Vermeidungspotenzial.
CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS)
Etwa ab dem Jahr 2020 kann CO2-Abscheidung und Speicherung einen bedeutenden
Beitrag zur Vermeidung von CO2-Emissionen in Deutschland leisten. Die Technologie
hat das Potenzial, etwa 90 Prozent des emittierten CO2 eines Kraftwerks dauerhaft
vor dem Eintritt in die Atmosphäre zu bewahren. Erste CCS-Kraftwerke in Deutsch­
land sind im Bau oder in Planung: Vattenfall wird im Jahr 2008 eine Pilotanlage mit
30 MW Leistung auf Basis von Braunkohle in Betrieb nehmen. RWE plant, im Jahr
2014 ein Demonstrationskraftwerk mit 360 MW ans Netz zu bringen. Die Treibhaus­
gasvermeidung aus CCS-Pilot- und Demonstrationsanlagen beläuft sich im Jahr 2020
auf rund 6 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von 42 EUR/t CO2e (Braunkohle ca.
30 EUR/t CO2e, Steinkohle ca. 50 EUR/t CO2e). Neben der Verwendung von CCS im
Rahmen von Neubauprojekten ist auch das Nachrüsten, das so genannte Retrofitting,
von bereits bestehenden Kraftwerken möglich. Dieser Vermeidungshebel greift aller­
dings erst nach dem Jahr 2020.
Zurzeit wird auf EU-Ebene diskutiert, ob ab dem Jahr 2020 sämtliche neu gebauten
Kohlekraftwerke in der EU mit CCS-Technologie auszustatten sind. Es wurde deshalb
im Rahmen dieser Studie davon ausgegangen, dass ab 2020 alle neu gebauten Kohle­
kraftwerke mit CCS ausgestattet werden. Die Durchdringungsrate für Erdgas-CCS
wurde mit 50 Prozent ab 2020 deutlich niedriger gewählt, da CCS bei Erdgas bedingt
durch die niedrigere CO2-Intensität einen weniger bedeutenden Hebel zur CO2-Ver­
meidung darstellt.
Die zusätzlichen Kosten für Carbon Capture and Storage gegenüber konventioneller
Kraftwerkstechnologie setzen sich aus drei Elementen zusammen. Die mit Abstand
höchsten Kosten fallen für das Abscheiden und Verdichten von CO2 an. Darüber ­hinaus
verursachen der Transport und die Speicherung von CO2 weitere Kosten.
Sämtliche für die Abscheidung zur Verfügung stehenden Technologien (Oxyfuel, PostCombustion und Pre-Combustion/IGCC) erhöhen Betriebskosten und Kapitalkosten
von Kraftwerken. Die Stromerzeugungskosten für Anlagen mit CCS liegen deshalb im
Vergleich zu konventioneller Technologie im Jahr 2020 um 40 bis 50 Prozent ­höher.
Zwei Treiber liegen diesem Kostenanstieg zu Grunde: Einerseits fallen Investitions­
kosten für die CO2-Abscheidungstechnologie in Höhe von ca. 500 bis 600 EUR pro
kW installierte Kraftwerksleistung an. Andererseits geht mit der CO2-Abscheidung ein
Netto­nutzungsgradverlust von etwa 10 Prozentpunkten einher. Dies führt wiederum
zu höheren Betriebskosten, insbesondere in Form von zusätzlichem Brennstoffein­
satz. Gleichzeitig werden zusätzliche Investitionen in weitere Kraftwerkskapazitäten
notwendig, um die benötigte Leistung zu erreichen. Der gesamte Kapitalkostenan­
53
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
54
stieg gegenüber konventionellen Kraftwerkstechnologien wird im Jahr 2020 mit etwa
55 Prozent für Braunkohle, 65 Prozent für Steinkohle und 85 Prozent für Erdgas ange­
nommen. Den zusätzlichen Kosten für CCS steht eine signifikante Reduzierung der
CO2-Intensität gegenüber. Für Kohle und Erdgas wird davon ausgegangen, dass im
Jahr 2020 90 Prozent des emittierten CO2 abgeschieden und dauerhaft in die Speiche­
rung überführt werden können.
Nach der Abscheidung und Komprimierung des CO2 erfolgt der Transport zum
Speicher­ort. Für CO2 stehen grundsätzlich Transportmöglichkeiten zur Verfügung, die
­denen von Erdgas entsprechen. Sowohl Transport per Pipeline als auch per Schiff ist
grund­sätzlich möglich. Abgesehen von Kraftwerken in Küstennähe wird abgeschie­
denes CO2 in Deutschland voraussichtlich hauptsächlich per Pipeline transportiert. In
Abhängigkeit von geografischen und geologischen Gegebenheiten fallen unterschied­
lich Transportkosten an. Für Deutschland wurde angenommen, dass abgeschiedenes
CO2 durchschnittlich 150 km zum Speicherort transportiert werden muss und dabei
Kosten in Höhe von 5 EUR pro Tonne anfallen. Diese Kosten haben allerdings nur im
Rahmen eines nationalen CO2-Pipelinenetzes Gültigkeit. Sporadische Punkt-zu-PunktPipelineverbindungen würden signifikant höhere Transportkosten aufweisen. Da im
Jahr 2030 rund 100 Mt CO2e aus dem Energiesektor und der Industrie vom Abschei­
dungsort zum Speicherort transportiert werden müssen, muss bis dahin in Deutsch­
land ein Netz aufgebaut werden, dessen Transportkapazität mit dem des heuti­gen
Erdgasnetzes vergleichbar ist. Angesichts der dichten Besiedlung Deutschlands stellt
dies eine erhebliche Herausforderung dar.
Als Speicherstätten für CO2 können in Deutschland vor allem erschöpfte Erdgasfelder
oder Aquifere (tief liegende Speichergesteine) dienen. In sehr begrenztem Ausmaß ste­
hen auch Erdölfelder und Kohleflöze als Speicherstätten zur Verfügung. Erschöpfte Erd­
gasfelder stellen zwar die kostengünstigste Speicheralternative dar (ca. 4 EUR/t CO2e
in 3.000 m Tiefe), stehen allerdings nur in begrenztem Umfang zur Verfügung. Aquifere
bieten zu höheren Kosten (ca. 6 EUR/t CO2e in 3.000 m ­Tiefe) hingegen ein deutlich
größeres Potenzial44. In Deutschland stehen ca. 25 bis 30 Gt Speichervolumen zur
Verfügung45. Davon ausgehend, dass aus dem Energiesektor und der Industrie etwa
100 Mt CO2 jährlich in die Speicherung überführt würden, ergibt sich somit eine Reich­
weite der deutschen Speicherstätten von etwa 300 Jahren, sofern die öffentliche Ak­
zeptanz und die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Nutzung dieser Speicher­stätten
geschaffen werden können. Zur Berechnung der CO2-Vermeidungskosten wurden
6 EUR/t CO2e Speicherkosten unterstellt.
Die Speicherung von CO2 ist auch im Rahmen von EOR (Enhanced Oil Recovery) mög­
lich. Hierbei wird CO2 in Ölfelder injiziert, um die Ölausbeute zu steigern, indem entwe­
der eine CO2-Blase das Öl in Richtung Bohrloch drückt oder indem CO2 die Viskosität
von Öl verringert. Im Rahmen von EOR, das bereits heute Anwendung findet, besitzt
CO2 damit einen ökonomischen Wert. Dieser liegt bei ca. 30 USD/t CO2 bei einem
Ölpreis von 50 USD pro Barrel. EOR kann somit im Einzelfall Speicherkosten deutlich
reduzieren oder sogar negativ werden lassen. In Deutschland besteht allerdings keine
Möglichkeit zur Enhanced Oil Recovery. Darum wurde EOR bei der Berechnung der
CCS-CO2-Vermeidungskosten nicht berücksichtigt. Dessen ungeachtet besteht die
44„Global carbon dioxide storage potential and costs“, Ecofys, 2004.
45 „Entwicklungsstand und Perspektiven von CCS-Technologien in Deutschland“, BMWi, BMU und BMBF, 2007.
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
55
Möglichkeit, deutsches CO2 ins Ausland zu transportieren, um dort EOR zu betreiben.
Aus der Sicht von deutschen Stromversorgern ist der Verkauf von CO2 an Ölunter­
nehmen nur profitabel, wenn die höheren Transportkosten zu ausländischen Ölfeldern
durch den Preis für CO2 überkompensiert werden.
Das Vermeidungspotenzial von neu gebauten CCS-Kraftwerken liegt im Jahr 2020 bei
ca. 6 Mt CO2e. Hierbei handelt es sich um erste Pilot- und Demonstrationsanlagen.
Die Vermeidungskosten bei neu gebauten CCS-Kraftwerken liegen etwa zwischen 30
und 100 EUR/t CO2e. Braunkohle-CCS stellt mit 31 EUR/t CO2e (2020) die kosten­
günstigste CCS-Technologie dar. Steinkohle liegt bei 52 EUR/t CO2e und Erdgas bei
knapp 100 EUR/t CO2e. Die relativ niedrigen Kosten für CCS in Braunkohlekraftwerken
sind zum einen getrieben durch den geringsten absoluten Anstieg der Erzeugungs­
kosten, da Braunkohle der mit Abstand kostengünstigste Energieträger ist, zum ande­
ren durch die höchste CO2-Einsparung pro produzierter Energieeinheit.
Energiesektor: Vermeidungskosten CO2-Abscheidung
und -Speicherung (CCS) – Deutschland 2020
Erzeugungskosten
EUR/MWh
Braunkohle
34
Steinkohle
49
14
24
24
Erdgas
59
48
73
Ohne CCS
CO2-Vermeidungskosten
EUR/t CO2e
CO2-Intensität
t CO2e/MWh
0,11
Speicherung
Transport
Abscheidung
5
5
0,08
Speicherung
Transport
Abscheidung
0,83 0,73
0,67 0,59
Speicherung
Transport
83
0,33 0,29
Mit CCS
Ohne CCS
2020 NEUBAU
ENTSCHEIDERPERSPEKTIVE
0,04
Abscheidung
31
6
20
52
6
41
95
5
6
84
Mit CCS
Quelle: ZEP, Ecofys, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag
von „BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Zur Berechnung der Vermeidungskosten wurden Auslastungen wie bei der konven­
tionellen Kraftwerkstechnologie unterstellt (durchschnittliche Volllaststunden über
die Kraftwerkslebensdauer: Erdgas 3.500 Stunden, Braunkohle 7.500, Steinkohle
4.800 Stunden). Da sich die CCS-Technologie noch in der Erprobungsphase befindet,
unterliegen die Vermeidungskosten einer hohen Unsicherheit. Dies gilt insbesondere
für die Abscheidungs- und Speicherkosten.
Kraft-Wärme-Kopplung
Mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) lässt sich Primärenergie in der Regel effizienter
nutzen als durch separate Strom- und Wärmeerzeugung; dadurch werden gleichzeitig
Schaubild 9
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
56
CO2-Emissionen vermieden. Sowohl die Elektrizität als auch ein Großteil der erzeugten
Wärme werden in Nutzenergie überführt. Bereits heute werden mehr als 10 Prozent
der deutschen Bruttostromerzeugung (63 TWhel im Jahr 2005) in KWK-Anlagen er­
zeugt. Bis zum Jahr 2020 wird – ausgehend von den nutzbaren KWK-Wärmemengen
(von heute 134 TWhth ansteigend auf 191 TWhth im Jahr 2020) und anzunehmenden
Stromkennziffern – ein weiterer Ausbau um 36 TWhel auf 100 TWhel KWK-Strom als
realis­tisch erachtet. Zu diesem Wachstum tragen die folgenden vier Kategorien von
KWK bei: Heizkraftwerke, industrielle und dezentrale KWK, bestehend aus Blockheiz­
kraftwerken und objektgebundenen Anlagen. Auf die Heizkraftwerke entfallen aller­
dings lediglich 3 TWhel des Wachstumspotenzials, da die Nachfrage nach Fern­wärme
insbesondere aus dem Gebäudesektor aufgrund verbesserter Häuserdämmung limi­
tiert ist. Für die Stromerzeugung aus industrieller KWK wird ein Anstieg um 10 TWhel
prognostiziert. Für die dezentrale KWK wurde in der Arbeits­gruppe Gebäude das
­größte Wachstumspotenzial mit einem Anstieg um 22 TWhel zwischen 2005 und 2020
abgeleitet. Mit der zunehmenden Reife der Technik der dezentralen Stromver­sorgung
kann die hohe Effizienz der Kraft-Wärme-Kopplung auch in Gebieten mit geringerer
Siedlungsdichte genutzt werden.
Die Vermeidungspotenziale aus der zumeist stromgeführten KWK zur Fernwärmepro­
duktion werden der Stromerzeugung zugeordnet und dementsprechend im Energie­
sektor ausgewiesen. Die Vermeidungspotenziale aus der größtenteils wärmegeführten
industriellen und dezentralen KWK werden der Wärmeerzeugung im Industrie- bzw. im
Gebäudesektor zugerechnet. Im Folgenden wird deshalb an dieser Stelle ausschließ­
lich auf das aus KWK zur Fernwärmeproduktion stammende Vermeidungspotenzial
näher eingegangen.
Energiesektor: KWK-Stromerzeugung – Deutschland 2005 - 2030
Bruttostromerzeugung aus KWK in TWh
Wachstumsrate
in Prozent
+2%
Objektversorgung
(< 10 kWel)
Blockheizkraftwerke
(10 kWel - 10 MWel)
Fernwärme*
Industrielle KWK
Wärmeerzeugung
TWh
63
7
1
28
78
1
15
28
110
9
11,0
26
31
6,1
31
31
100
4
28
34
39
39
2005
10
20
2030
134
148
191
211
0,4
1,3
1,8
* Heizwerke/KWK-Wärme der Energieversorgungsunternehmen
Schaubild 10
Quelle: DLR, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
Für ein konkretes Heizkraftwerk zur Strom- und Fernwärmeproduktion können die für
KWK notwendigen zusätzlichen Kapital- und Betriebskosten relativ präzise bestimmt
werden. Auf Grund der hohen Heterogenität von KWK-Projekten lassen sich die durch­
schnittlichen Mehrkosten allerdings nur grob abschätzen. Basierend auf Erfahrungs­
werten in konkreten KWK-Projekten und den heutigen Fördersätzen des Kraft-WärmeKopplungsgesetzes (KWKG) wurden gegenüber reiner Kondensationsstromerzeugung
durchschnittliche Mehrkosten für KWK-Anlagen in Höhe von 0,005 EUR/ kWhel ange­
setzt. Zur Berechnung des KWK-Vermeidungspotenzials wurde das KWK-System mit
dem Referenzfall der separaten Erzeugung verglichen, d.h., es wurde beispiels­weise
Erdgas-KWK mit der separaten Wärme- und Stromerzeugung (in Großkraftwerken)
aus Erdgas verglichen. Die Vermeidung, die sich aus einer Brennstoffverschiebung,
z.B. von Kohle zu Erdgas ergibt, ist somit nicht Teil des KWK-Vermeidungspotenzials.
Im Jahr 2020 ergibt sich ein Vermeidungspotenzial von deutlich weniger als 1 Mt CO2e
durch Fernwärmeerzeugung, sofern man Emissionsreduzierungen durch eine Ver­
schiebung des Brennstoffmix (KWK aus Biomasse) nicht mit dem Effekt der KraftWärme-Kopplung vermischt. Die Vermeidungskosten bewegen sich im Jahr 2020 zwi­
schen 15 EUR/t CO2e für Braunkohle und 55 EUR/t CO2e für Erdgas. Für Steinkohle
fallen Kosten in Höhe von 19 EUR/t CO2e an. Die relativ hohen Vermeidungskosten für
Erdgas-KWK werden durch die bereits sehr niedrige CO2-Intensität in der separaten
Erzeugung von Wärme und Strom mit Erdgas getrieben. Die KWK-Erzeugung trägt hier
nur noch zu einer geringen Verbesserung der CO2-Intensität bei.
Kohle-Gas-Substitution
Auch nach Durchführung der oben beschriebenen Maßnahmen bedarf es noch Er­
satz- und Neubau von Kraftwerken, um die Stromnachfrage in Deutschland zu decken.
Aus wirtschaftlichen Erwägungen würden etwa zwei Drittel dieses Zubaus als Stein­
kohle- oder Braunkohlekraftwerke erfolgen. Durch eine Substitution von Kohle- durch
Erdgaskraftwerke ließe sich somit zusätzliches CO2-Vermeidungspotenzial heben.
Eine 50-prozentige Substitution des geplanten Zubaus von Kohlekapazität46 zwischen
2010 und 2020 durch Erdgas ist aus Portfolioüberlegungen und unter Berücksichti­
gung der Erdgas-Versorgungssicherheit ambitioniert, aber realisierbar. Nach 2020 wird
von keinem weiteren Ersatz von Kohle- durch Erdgaskapazität ausgegangen, da CCS
in diesem Zeitraum das größere Vermeidungspotenzial bietet. Neben einer Verschie­
bung beim Zubau von Kohle- zu Erdgaskapazität, lassen sich auch durch eine höhere
Auslastung von bestehender Erdgaskapazität CO2-Emissionen einsparen. Eine solche
Verschiebung von Volllaststunden zwischen Erdgas- und Kohlekraftwerken wurde im
Rahmen dieser Studie allerdings nicht quantifiziert.
Die Mehrkosten des Vermeidungshebels „Kohle-Gas-Substitution“ ergeben sich aus
den im Vergleich zu Stein- und Braunkohle höheren Stromgestehungskosten von Erd­
gas. Während im Jahr 2020 Braunkohlestrom zu voraussichtlich 34 EUR/MWh und
Steinkohlestrom zu 49 EUR/MWh erzeugt werden kann, betragen die Gestehungs­
kosten von Erdgasstrom 59 EUR/MWh. Dieser Kostenunterschied wird hauptsäch­
lich durch den relativ hohen Erdgaspreis getrieben. Im Jahr 2020 lässt sich ein Ver­
meidungspotenzial in Höhe von etwa 18 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von
46Dies betrifft sowohl Braunkohlekraftwerke, die als Ersatz für aus dem Bestand ausscheidende Altanlagen gebaut werden, als auch Steinkohlekraftwerke, bei denen es sich zum Teil ebenfalls um Ersatzinstallationen handelt, zum Teil aber
auch um Zubau zur Deckung der sich durch den Ausstieg aus der Kernenergie ergebenden Lücke.
57
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
58
39 EUR/t CO2e realisieren. Der Wechsel von Steinkohle zu Erdgas ist hierbei günstiger
als der Wechsel von Braunkohle zu Erdgas (28 EUR/t CO2e gegenüber 50 EUR/t CO2e).
Diese Differenz resultiert aus dem größeren Unterschied der Stromgestehungskosten
zwischen Braunkohle und Erdgas. Die gegenüber Steinkohle höhere CO2-Einsparung
bei Braunkohle kompensiert diesen Kostenunterschied nur teilweise.
Stromimport
Ein Import von CO2-neutralem Strom (z.B. aus Kernenergie oder erneuerbaren Ener­
gien) wurde im Rahmen der vorliegenden Studie nicht betrachtet, da die Potenziale
einer nationalen Erreichung der Klimaschutzziele bestimmt werden sollten. Dennoch
besteht natürlich die Möglichkeit, die Emissionen des Energiesektors in Deutschland
durch den Import von Strom zu reduzieren. Es wird angenommen, dass die Importka­
pazität aus dem europäischen Netz von heute etwa 100 TWh pro Jahr bis zum Jahr
2020 auf etwa 200 TWh pro Jahr ansteigt.
Weitere Entwicklung nach 2020 – Vermeidungspotenziale und
­-kosten 2030 (Basisszenario)
Zwischen 2020 und 2030 wächst das Vermeidungspotenzial des Energiesektors im Basis­
szenario um 121 auf 197 Mt CO2e. Davon lassen sich 148 Mt CO2e zu Vermeidungskosten
bis 20 EUR/t CO2e realisieren, stammen aus Hebeln, die Teil der poli­tisch gewollten Um­
stellung des Energiemix sind, oder werden abgeschieden und gespeichert (CCS). Nach
Einbeziehung des Nach­frage­rückgangs (78 Mt CO2e) würde eine Umsetzung dieser Ver­
meidungshebel die Emissionen des Energiesektors auf 189 Mt CO2e reduzieren, was ge­
genüber dem heuti­gen Stand einer Senkung um 47 Prozent entspräche. Gegenüber dem
Basisjahr 1990 wäre dies eine Reduzierung um etwa 52 Prozent. Der Potenzialzuwachs
stammt einerseits aus einem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, andererseits aus
der flächen­deckenden Nutzung von CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS).
Nach dem Ausstieg aus der Kernkraft soll nach derzeitigen politischen Vorgaben zwi­
schen 2020 und 2030 die Umstellung des Energiemix weiter fortschreiten; insbesondere
soll der Ausbau erneuerbarer Energien noch einmal erheblich zunehmen. Zusätzlich zu
den bereits 2020 ausgewiesenen Potenzialen ergeben sich weitere Vermeidungspoten­
ziale von 27 Mt CO2e, vor allem durch zusätzliche Stromerzeugung aus Wind (Offshore
weitere 15 Mt CO2e; Onshore weitere 5 Mt CO2e) und Biomasse (weitere 4 Mt CO2e).
Auch die Vermeidungspotenziale durch Stromerzeugung aus Photo­voltaik steigen wei­
ter an (um etwas mehr als 1 Mt CO2e). Die durchschnittlichen Vermeidungskosten der
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bleiben aus Entscheidersicht auf Grund
rückläufiger Förderungshöhen in etwa auf dem Niveau von 2020 (gut 30 EUR/t CO2e).
Dabei werden einzelne Vermeidungshebel aus Entscheidersicht sogar teurer werden
(z.B. Stromerzeugung aus Biomasse, Photovoltaik).
Zudem erschließt sich durch den Einsatz von CCS-Technologien bis 2030 maximal ein
Vermeidungspotenzial von 66 Mt CO2e47. Dies setzt aber voraus, dass ab 2020 alle neu
gebauten Stein- und Braunkohlekraftwerke sowie die Hälfte aller neuen Gaskraftwerke
mit CCS-Technologie ausgestattet werden und dass zusätzlich etwa die Hälfte der
zwischen 2005 und 2020 gebauten Kohlekraftwerke bis 2030 mit CCS-Technologie
47Darin enthalten sind 6 Mt CO2e aus Pilot- und Demonstrationsprojekten in der Stromerzeugung, die bereits für 2020
ausgewiesen wurden.
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
59
nachgerüstet werden. Zwischen 2020 und 2030 kommt es voraussichtlich zu einem
leichten Rückgang der Vermeidungskosten von neuen CCS-Kraftwerken. Braunkohle
liegt dann bei knapp 30 EUR/t CO2e, Steinkohle bei 48 EUR/t CO2e und Erdgas bei
knapp 90 EUR/t CO2e. Die Vermeidungskosten für die Nachrüstung von CCS-Tech­
nologie sind jeweils etwa 10 Prozent höher. Da sich die Technik derzeit noch in der
Erprobung befindet, technologische Unwägbarkeiten existieren und rechtliche Rah­
menbedingungen noch nicht geschaffen sind, kann das aus CCS resultierende Ver­
meidungspotenzial noch nicht als sicher erreichbar angesehen werden. Ohne CCS
betrüge die Vermeidung gegenüber der „Stand der Technik“-Projektion im Energie­
sektor im Jahr 2030 160 Mt CO2e mit Einbeziehung des Verbrauchsrückgangs bzw.
40 Prozent gegenüber 1990.
Energiesektor: Vermeidungskostenkurve –
Deutschland 2030*
ENTSCHEIDERPERSPEKTIVE
BASISSZENARIO 2030
Kosten
in EUR/t CO2e
250
Beschleunigte
Erneuerung
Erdgas
200
Beschleunigte
Erneuerung
Steinkohle
150
Geothermie
Photovoltaik Gebäude
(ca. 50 kWp)
Biomasse
(gasförmig)
KWK Steinkohle
Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (neu)
100
Biomasse
(Co-firing)
Verbesserte
Kraftwerkstechnik
Steinkohle CCS Steinkohle (neu)
(neu)
Photovoltaik
Freifläche (> 1 MWp)
Biomasse
(fest)
50
0
Wind
Onshore
Erdgas CCS
statt
Braunkohle
CCS Braun- Stein- (Retrofit)
kohle (neu) kohle
Wind
Offshore
CCS Erdgas (neu)
Erdgas statt
Braunkohle
Beschleunigte
Erneuerung
Braunkohle
CCS
Steinkohle
(Retrofit)
Vermiedene
Verluste
10
-50
KWK
Erdgas
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
Verbesserte Kraftwerkstechnik
• Steinkohle (Retrofit)
• Braunkohle (Retrofit)
• Erdgas (Retrofit)
• Erdgas (neu)
150
160
170
180
190
200
Kumuliertes Vermeidungspotenzial
in Mt CO2e
Umstellung Energiemix*
Vermeidungshebel < 20 EUR/t CO2e
Vermeidungshebel > 20 EUR/t CO2e
* Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg und unter Berücksichtigung der Förderung von erneuerbaren Energien (EEG)
Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
In der obigen Detailbeschreibung der einzelnen Vermeidungshebel bis zum Jahr 2020
sind die beiden nachstehend erläuterten Hebel „Nachrüstung von CCS“ und „Be­
schleunigte Bestandserneuerung“ noch nicht enthalten, da sie erst nach dem Jahr
2020 greifen. Das aus der beschleunigten Bestandserneuerung erwachsende Poten­
zial findet allerdings auch bis zum Jahr 2030 keinen Eingang in das Vermeidungs­
potenzial des Basisszenarios, weil die Vermeidungskosten weit jenseits der Grenze
von 20 EUR/t CO2e liegen und der Hebel nicht zum politisch intendierten Umbau des
Energiemix gehört.
Schaubild 11
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
60
Nachrüstung von CCS
Im Jahr 2030 können durch die Nachrüstung von Kraftwerken mit CCS-Technologie
24 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von 44 EUR/t CO2e vermieden werden. In­
wieweit die Nachrüstung von CCS sinnvoll ist, hängt vom Alter der eingesetzten Kraft­
werkstechnologie ab. Kraftwerke am Ende ihres Lebenszyklus mit relativ geringen
Nettonutzungsgraden kommen zur Nachrüstung nicht in Frage, da die zusätzlichen
Betriebs- und Kapitalkosten prohibitiv hoch wären. Es wurde daher angenommen,
dass etwa die Hälfte der zwischen 2005 und 2020 gebauten Kohlekraftwerke im Zeit­
raum nach 2020 nachgerüstet wird. Von der Nachrüstung von Erdgaskraftwerken wird
nicht ausgegangen, da hier die Vermeidungskosten höher als 100 EUR/t CO2e lägen
und die Nutzungsdauern kürzer sind. Die Vermeidungskosten, die aus der Nachrüs­
tung von CCS entstehen, bewegen sich prinzipiell oberhalb der Vermeidungskosten
von neu gebauten CCS-Kraftwerken. Zwei Treiber tragen hier zu höheren Kosten bei:
Zum einen entstehen zusätzliche Kapitalkosten, da das Nachrüsten eine mehrmona­
tige Kraftwerksstilllegung erfordert. Als Stilllegungszeitraum wurden für Stein­kohleund Braunkohlekraftwerke acht Monate angenommen. Zum anderen liegen die In­
vestitionskosten für die CO2-Abscheidungstechnologie bei Retrofit höher als beim
Neubau von CCS-Kraftwerken. Angesichts der Tatsache, dass der Bau neuer Kohle­
kraftwerke zunehmend capture-ready48 erfolgt, werden hier Mehrkosten in Höhe von
5 Prozent unterstellt. Allerdings liegt die Abscheidungsrate bei nachgerüsteten Kraft­
werken unterhalb der Rate von neu gebauten CCS-Kraftwerken. Für 2030 wurde eine
CO2-Abscheidungsrate von 85 Prozent unterstellt. Bedingt durch höhere Kapitalkos­
ten und niedrigere Abscheidungsraten liegen die Vermeidungskosten im Jahr 2030
etwa 10 Prozent höher als bei neu gebauten CCS-Kraftwerken. Das Nachrüsten von
Braunkohlekraftwerken mit CCS verursacht Vermeidungskosten von 33 EUR/t CO2e.
Steinkohle liegt bei 52 EUR/t CO2e.
Beschleunigte Bestandserneuerung
Durch eine beschleunigte Erneuerung des Bestands ließe sich im Jahr 2030 ein Ver­
meidungspotenzial von 21 Mt CO2e zu durchschnittlichen Kosten von rund 80 EUR/t
CO2e erzielen. Im Jahr 2030 befinden sich noch rund 20 GW Kraftwerkskapazität
(4 GW Steinkohle, 8,5 GW Braunkohle und 7 GW Erdgas) am Netz, die bereits heute
installiert sind. Etwa 5 GW dieser Kapazität (1 GW Steinkohle, 2 GW Braunkohle, 2 GW
Erdgas) stehen weniger als 5 Jahre vor dem Ende ihrer Lebensdauer. Durch den Er­
satz dieser 5 GW Kraftwerksleistung (in der Folge als „Altbestand“ bezeichnet) durch
aktuelle Kraftwerkstechnologie ließe sich erhebliches Vermeidungspotenzial heben. Es
wird angenommen, dass der Altbestand Erdgas zwischen 2020 und 2030 sukzessive
durch konventionelle verbesserte Kraftwerkstechnologie substituiert wird. Der Stein­
kohle- und Braunkohlealtbestand wird durch CCS-Technologie ersetzt. Zwischen 2010
und 2020 wird von keiner beschleunigten Bestandserneuerung ausgegangen, da in
dieser Periode CCS noch nicht zur Verfügung steht und somit im Rahmen einer sol­
chen Maßnahme konventionelle Kraftwerkstechnologie zugebaut würde, die das CCSNeubau-Potenzial ab 2020 deutlich reduzieren würde.
Der Vermeidungshebel „Beschleunigte Bestandserneuerung“ induziert Mehrkosten
aufgrund der für den Neubau von Kraftwerken anfallenden Kapitalkosten. Für den
48D.h., die Technologie zur Abscheidung von CO2 kann ohne große Modifikationen in ein bestehendes konventionelles
Kraftwerk integriert werden.
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
bereits abgeschriebenen Altbestand sind hingegen ausschließlich Betriebskosten zu
tragen. Der Kapitalkostenposition bei neu gebauten Erdgaskraftwerken stehen aller­
dings im Vergleich zum Altbestand niedrigere Betriebskosten gegenüber, da neu ge­
baute Kraftwerke höhere Nettonutzungsgrade aufweisen. Im Fall der beschleunigten
Bestands­erneuerung von Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken werden die Mehr­
kosten zusätzlich durch den Einsatz von CCS-Technologie getrieben, die sowohl hö­
here Kapital- als auch höhere Betriebskosten verursacht. Mittels beschleunigter Be­
standserneuerung ließen sich im Jahr 2030 ca. 21 Mt CO2e vermeiden, das entspräche
ca. 10 Prozent des gesamten Vermeidungspotenzials des Energiesektors. Das Vermei­
dungspotenzial entfiele fast ausschließlich auf CCS-Stein- und Braunkohlekraftwerke.
Die beschleunigte Bestandserneuerung von Erdgaskapazität würde hierzu lediglich mit
deutlich weniger als 1 Mt CO2e beitragen. Die Verbesserung des Nettonutzungsgrads
des Altbestands um einen halben Prozentpunkt durch die Nachrüstung verbesserter
Kraftwerkstechnologie wird bei der Berechnung der Vermeidungspotenziale berück­
sichtigt. Die Vermeidungskosten der beschleunigten Bestandserneuerung von Steinund Braunkohlekapazität betragen im Jahr 2030 139 EUR/t CO2e bzw. 65 EUR/t CO2e.
Selbst ohne den Einsatz von CCS würde diese Maßnahme noch mit erheblichen Ver­
meidungskosten zu Buche schlagen (Steinkohle ca. 90 EUR/t CO2e, Braunkohle ca.
36 EUR/t CO2e). Die Vermeidungskosten für die beschleunigte Bestandserneuerung
von Erdgas­kapazität liegen im Jahr 2030 bei 240 EUR/t CO2e. Haupttreiber ist der
geringe Unterschied der CO2-Intensitäten zwischen Altbestand und verbesserter
Kraftwerkstech­nologie. Das aus der beschleunigten Bestandser­neuerung erwachsen­
de Potenzial findet allerdings keinen Eingang in das Vermeidungs­potenzial des Basis­
szenarios, weil die Vermeidungskosten weit jenseits der Grenze von 20 EUR/t CO2e
liegen und der Hebel nicht zum politisch intendierten Umbau des Energiemix gehört.
Vergleich der Szenarien
Neben dem Basisszenario wurden, wie bereits erläutert, die Szenarien „Kernenergie“
und „Öl-Hochpreis“ bewertet. Während sich Basisszenario und Öl-Hochpreisszenario
lediglich in ihren durchschnittlichen Vermeidungskosten, nicht aber in den Vermei­
dungspotenzialen unterscheiden, ändern sich beim Wechsel zum Kernenergieszenario
sowohl Kosten als auch Potenziale.
Gegenüber dem Basisszenario sinken die durchschnittlichen Vermeidungskosten im
Öl-Hochpreisszenario um etwas mehr als 2 Prozent im Jahr 2020 bzw. knapp 3 Pro­
zent im Jahr 2030, wobei sich einzelne Hebel natürlich z.T. deutlich stärker verändern.
Diese Abweichungen sind hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Hebel deut­
lich günstiger werden, die den Nettonutzungsgrad der Erdgasverbrennung verbessern
(verbesserte Kraftwerkstechnik). Insgesamt sind die Abweichungen moderat, da die
Steinkohle- und Braunkohlepreise nicht vom Ölpreis abhängen und somit im Basisund Öl-Hochpreisszenario identisch sind.
Wesentlich deutlicher ist die Abweichung zum Basisszenario im Kernenergieszenario.
Das Potenzial liegt im Jahr 2020 um 93 Mt CO2e49, im Jahr 2030 noch um 66 Mt CO2e
höher als im Basisszenario. Die Verminderung gegenüber dem Basisjahr beträgt
49Bei Berücksichtigung der Umstellung des Energiemix und sämtlicher Vermeidungshebel mit Kosten bis zu 20 EUR/t
CO2e. Sofern sämtliche Vermeidungshebel (inkl. Kohle-Gas-Substitution) realisiert werden, beträgt die Differenz zum
Basisszenario ca. 75 Mt CO2e.
61
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
62
­ amit 52 bzw. 69 Prozent inklusive Nachfragerückgang. Da die Verlängerung der
d
Lauf­zeit der Kernkraftwerke aus Entscheiderperspektive wirtschaftlich ist (Ersparnis
von 41 EUR/t CO2e im Jahr 2020), sinken die durchschnittlichen Vermeidungskosten
gegen­über dem Basis­szenario um 47 EUR/t CO2e auf -23 EUR/t CO2e im Jahr 2020
bzw. um 39 EUR/t CO2e auf -7 EUR/t CO2e im Jahr 2030. Sensitivitätsanalysen haben
gezeigt, dass dasselbe Vermeidungspotenzial sich durch andere Maßnahmen, etwa
den über das Basis­szenario hinausgehenden Ausbau erneuerbarer Energien, bis zum
Jahr 2020 nicht erreichen ließe und bis zum Jahr 2030 nur zu sehr hohen Kosten reali­
sierbar wäre.
Im Rahmen des Kernenergieszenarios wurde von einer technisch realistischen Laufzeit
der deutschen Kernkraftwerke von 60 Jahren ausgegangen. Unter dieser Prämisse
wäre im Jahr 2020 noch keines der heute im Betrieb befindlichen 17 Kernkraftwerke
vom Netz gegangen, und selbst 2030 würden noch alle heute vorhandenen Kernkraft­
werke Strom liefern. Mittels einer Laufzeitverlängerung könnten im Jahr 2020 gegen­
über der „Stand der Technik“-Projektion ca. 165 TWh anstatt 14 TWh aus Kernenergie
erzeugt werden. Da für die bestehenden Kernkraftwerke lediglich Betriebskosten an­
fallen, belaufen sich die Stromgestehungskosten der Kernenergie in Deutschland auf
rund 20 EUR/MWh, wovon etwa 9 EUR/MWh auf Uran entfallen.
Energiesektor: Auswirkungen Verzögerung Kernkraftausstieg –
Deutschland 2020/2030
Durchschnittliche
Vermeidungspotenzial* Vermeidungskosten
EUR/t CO2e
in Mt CO2e
2020
Basisszenario
55
24
Öl-Hochpreisszenario
55
23
Kernkraftszenario
148
2030
-29
-29
-23
+93
Veränderung
ggü. 1990**
in Prozent
-52
-47
Basisszenario
148
32
-52
Öl-Hochpreisszenario
148
31
-52
Kernkraftszenario
214
+66
-7
-39
-69
* Exklusive Nachfragerückgang
** Veränderung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor gegenüber 1990 inkl. Nachfragerückgang
Schaubild 12
Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Energiesektor
63
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
64
Voraussetzungen für die Umsetzung und Implikationen
Voraussetzungen für die Umsetzung und
Implikationen
Bei einigen der Hebel zur Treibhausgasvermeidung im Energiesektor bestehen Implementierungshürden, die zwingend überwunden werden müssen, um die ausgewiesenen Potenziale realisieren zu können. Diese Hürden sind teils rechtlicher, teils
technischer Natur, teils liegen sie auch in der Akzeptanz durch die Bevölkerung.
Wenn es gelingt, die Hürden zu überwinden und diejenigen Hebel umzusetzen,
­deren Vermeidungskosten unter 20 EUR/t CO2e liegen oder die zum politisch intendierten Umbau des Energiemix gehören, führt dies zu erheblichen Veränderungen
des Kraftwerksparks und der Erzeugungsstruktur in Deutschland. Durch die Umsetzung der Vermeidungsmaßnahmen wird die Emissionsintensität der Stromerzeugung trotz des beschlossenen Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie sinken.
Die Strompreise für Industrie, Gewerbe und private Verbraucher werden vor allem
aufgrund des anzunehmenden Anstiegs der Preise von Emissionszertifikaten und
des weiteren Anwachsens der EEG-Umlage steigen. Trotz des deutlichen Anstiegs
des Erdgasbedarfs für die Stromerzeugung kann vor dem Hintergrund eines abnehmenden Wärmebedarfs im Gebäudesektor von einer sicheren Versorgung ausgegangen werden.
Transparente Rahmenbedingungen für Investitionen
Für den politisch intendierten Umbau des Energiemix müssen die rechtlichen Rahmen­
bedingungen geschaffen werden. Über die bestehenden Gesetze und Verordnungen
hinausgehend sind dies insbesondere:
Förderung erneuerbarer Energien: Wie zuvor eingehend beschrieben, ist die Strom­
erzeugung aus erneuerbaren Energien nicht wirtschaftlich und kann nur durch eine
entsprechende Förderung erreicht werden. Im aktuellen Erneuerbare-EnergienGesetz sind Degressionen der Fördersätze hinterlegt. Würde hier keine Weiterent­
wicklung stattfinden, würden einige Technologien bei anzunehmenden Kostende­
gressionen in Zukunft zu hoch gefördert, während andere nicht umgesetzt würden.
Hätten die heutigen Fördersätze Bestand, würden beispielsweise Offshore-Wind­
parks nicht gebaut.
Abscheidung und Speicherung von CO2: Bei der Abscheidung und Speicherung
von CO2 bestehen nicht nur technische, sondern in erheblichem Umfang auch
rechtliche Implementierungshürden. Dazu gehören die bisher fehlende gesetzliche
Regelung zum Transport von rund 100 Mt CO2e pro Jahr (aus Energiewirtschaft
und Industrie) und die ebenfalls fehlende bergrechtliche Genehmigung der Einspei­
cherung. Zusätzlich ist die Akzeptanz für Pipelines und Speicherstätten in der Be­
völkerung nicht sicher. Dies kann zu erheblichen Umsetzungsproblemen führen.
Verlängerung Kernkraft: Ebenso groß ist die rechtliche Implementierungshürde vor
der im Szenario „Kernkraft“ angenommenen Verlängerung der Laufzeit der existie­
renden Kernreaktoren in Deutschland. Die herrschende politische Beschlusslage
schreibt eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 32 Volllastjahren vor. Wie zuvor
65
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
66
eingehend geschildert, bedeutet dies ein Abschalten der letzten drei Kernkraft­
werke (Emsland, Isar 2 und Neckar 2) im Jahr 2021. Einer Verlängerung müsste eine
Revision der politisch beschlossenen Ausstiegsbedingungen vorausgehen.
Voraussetzungen für neue Technologien
Der größte Teil der in der vorliegenden Studie bewerteten Vermeidungspotenziale
lässt sich durch Weiterentwicklungen heute bereits bekannter und erprobter Techno­
logien realisieren. Zwar stellen auch diese Weiterentwicklungen (z.B. Wirbelschicht­
trocknung bei der Braunkohle, 700°C-Technologie bei Steinkohle, Keramikschaufeln
beim Erdgas) noch große Herausforderungen dar, doch befinden sie sich bereits in
einem umsetzungsnäheren Entwicklungsstadium als Abscheidung und Speicherung
von CO2 (­Carbon Capture and Storage, CCS) und Stromerzeugung in Offshore-Wind­
kraftanlagen. Mit beiden Technologien bestehen heute noch wenige Erfahrungen, und
beide Technologien sollen zwischen 2020 und 2030 einen erheblichen Beitrag zur
Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Deutschland leisten (CCS im Jahr 2030
66 Mt CO2e, Offshore-Windkraft im Jahr 2030 26 Mt CO2e). Damit dieser Beitrag tat­
sächlich im erwarteten Umfang realisiert werden kann, müssen allerdings zunächst die
technischen Voraussetzungen geschaffen werden:
Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 sind heute weltweit in
einem frühen Entwicklungsstadium. Auch in Deutschland sind mehrere Pilot- und
Demonstrationsanlagen im Bau bzw. in der Planung. Keine der drei möglichen
Technologien (IGCC, Post-Combustion und Oxyfuel) hat sich bisher klar gegenüber
den anderen durchsetzen können. Für ihren Erfolg ist maßgeblich, wie schnell ein
Einsatz in industriellem Umfang zu akzeptablen Kosten möglich wird. Eine gezielte
Unterstützung der technologischen Ansätze kann hierzu einen wichtigen Beitrag
leisten und steile Lernkurven für die neu zu entwickelnden Prozesse ermöglichen.
Auch ist der Bau von Pipelines, die rund 100 Mt CO2e pro Jahr (davon 66 Mt CO2e
aus dem Energie- und knapp 40 Mt CO2e aus dem Industriesektor) über einige hun­
dert Kilometer durch Deutschland vom Abscheidungsort zum Speicherort trans­
portieren können, nicht nur eine rechtliche und technische Herausforderung, son­
dern auch eine Herausforderung hinsichtlich der Vermittlung an die Bevölkerung.
Die Stromerzeugung aus Offshore-Windparks steht in Deutsch­land vor besonde­
ren Herausforderungen, weil die meisten Parks in deutlich tieferen Gewässern
ge­plant sind als bisher erprobte Anlagen beispielsweise in Skandinavien und
Groß­britannien. Die hierdurch entstehenden technologischen und betrieblichen
Schwie­rig­keiten (z.B. Materialanfälligkeit, erhöhte Risiken bei der Wartung, größere
Trans­port­entfernungen zum Festland) sind in ihrem Umfang und in ihren Kosten
heute noch nicht voll­ständig abschätzbar.
Versorgungssicherheit und Balance in der Nutzung verschiedener
Energieträger
Die Versorgungssicherheit mit importierten Energieträgern wie Steinkohle und Erdgas
ist durch die Umsetzung der Vermeidungsmaßnahmen nur dann nicht gefährdet, wenn
es gelingt, neben dem Umbau der Stromwirtschaft auch die Effizienzsteigerung bei den
Verbrauchern umzusetzen. Deutschland kann auch in Zukunft Steinkohle aus verschie­
denen Regionen und von verschiedenen Lieferanten beziehen. Der Erdgasbedarf in der
Voraussetzungen für die Umsetzung und Implikationen
67
Stromerzeugung steigt von 115 TWh (2004) über 160 TWh (2020) auf 165 TWh (2030)
und auch der Erdgasverbrauch in den Industriesektoren nimmt von 364 TWh (2004)
über 380 TWh (2020) auf 390 TWh (2030) zu. Bei entsprechend ambitio­nierter Um­
setzung der Hebel im Gebäudebereich (insbesondere energetische Sanierungen und
Ersatz alter Heizungsanlagen) sinkt dort gleichzeitig der Erdgasbedarf von 450 TWh
(2004) über 350 TWh (2020) auf 280 TWh (2030). In Summe ergibt sich damit bei Um­
setzung aller Vermeidungshebel keine signifikante Veränderung in der Gesamtmenge
des Erdgasbedarfs.
Implikationen: Emissionen nach Umsetzung der Vermeidungshebel
Die Umsetzung der zuvor eingehend beschriebenen Hebel führt zu einer deutlichen
Veränderung des Kraftwerksparks bzw. des Erzeugungsmix.
Energiesektor: Bruttostromerzeugung nach Umsetzung der
Vermeidungshebel – Deutschland 2004 - 2030*
in TWh
Erneuerbare Energien**
Wasserkraft***
Öl und Sonstige****
Erdgas
Steinkohle
616
37
28
25
62
140
Wachstumsrate
in Prozent
519
108
16
Kernenergie
*
**
***
****
158
123
167
134
2004
14
2020
Bei Beibehaltung Kernkraftausstieg
Exklusive Wasserkraft
Inklusive nicht erneuerbarer Wasserkraft (ca. 6 TWh)
Z.B. nicht biogener Müll, Grubengas
-16%
527
150
30
95
Braunkohle
BASISSZENARIO
15
31
-14%
5,6
0,4
-1,9
101
1,9
107
-1,0
124
-0,9
0
2030
Nach Umsetzung der
Vermeidungshebel
Quelle: Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Mit 132 TWh machen erneuerbare Energien (einschließlich erneuerbare Wasserkraft)
im Jahr 2020 ein Viertel der Bruttostromerzeugung aus, im Jahr 2030 mit 175 TWh
sogar ein Drittel, während es 2004 lediglich 10 Prozent waren. Auch der Anteil der
Stromerzeugung aus Erdgas steigt, bedingt durch den Zubau als Folge des Ausstiegs
aus der Nutzung der Kernenergie, von 10 über 18 auf 19 Prozent bis zum Jahr 2030.
Die Anteile von Braun- und Steinkohle gehen insbesondere durch den Anstieg der
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von 26 bzw. 23 Prozent im Jahr 2004
auf 24 bzw. 20 Prozent im Jahr 2030 zurück. Kernenergie scheidet im Basisszenario,
wie zuvor bereits im Detail in der „Stand der Technik“-Projektion beschrieben, im Jahr
2020 aus dem Kraftwerkspark aus.
Schaubild 13
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
68
Energiesektor: Emissionen nach Umsetzung der Vermeidungshebel –
Deutschland 2004 - 2030*
in Mt CO2e
Wachstumsrate
in Prozent
359
283
-21%
-47%
-2,4
189
2004
2020
2030
Nach Umsetzung
Vermeidungshebel
Bruttostromerzeugung
TWh
CO2-Intensität**
in t CO2e/MWh
616
519
527
-0,6
0,57
0,54
0,35
-1,9
* Hebel zur Umstellung des Energiemix und Hebel bis zu 20 EUR/t CO2e
** Auf Basis Nettostromerzeugung, einschließlich Kernkraft (2004 und 2020) und erneuerbare Energien
Schaubild 14
Quelle: UBA, Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“ von McKinsey & Company, Inc. im Auftrag von
„BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz“ – AG Energie
Wenn die Stromnachfrage in Deutschland nach Umsetzung der Vermeidungs­hebel im
Jahr 2020 in der Industrie, im Gebäudesektor und im Schienenverkehr um 117 TWh
gegenüber der „Stand der Technik“-Projektion reduziert werden kann, der politisch
ge­wollte Umbau des Erzeugungsmix stattfindet, im Energiesektor die Hebel bis zu
20 EUR/t CO2e Vermeidungskosten umgesetzt werden und die Einführung von Tech­
nologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) gelingt, so verringern
sich die Emissionen ausgehend von 359 Mt CO2e im Jahr 2004 auf 283 Mt CO2e
im Jahr 2020 und 189 Mt CO2e im Jahr 2030. Dies führt zu einer Verminderung der
Netto-Emis­sionsintensität der Stromversorgung von derzeit 0,57 t CO2e/MWh über
0,54 t CO2e/ MWh im Jahr 2020 auf 0,35 t CO2e/MWh im Jahr 2030. Zwar fällt mit
der Kernenergie eine emissionsfreie Energiequelle weg, doch steigt der Anteil der er­
neuerbaren Energien deutlich an. Auch werden fossil betriebene Kraftwerke effizienter
und ein zunehmender Anteil des entstehenden Kohlendioxids wird (ab 2020) durch
Carbon Capture and Storage abgeschieden und gespeichert.
Durch den Umbau der Energieversorgung würden die Strompreise für Industrie, Ge­
werbe und private Verbraucher steigen. Für private Verbraucher und Gewerbe wird
mit einem Anstieg von ca. 19,4 Cent/kWh heute auf 21,4 Cent/kWh im Jahr 2020 (plus
10 Pro­zent) und 23,2 Cent/kWh im Jahr 2030 (plus 20 Prozent) gerechnet. Für die In­
dustrie wird im Durchschnitt mit einem Anstieg von 11,3 Cent/kWh über 12,7 Cent/kWh
(plus 12 Prozent) auf 14,0 Cent/kWh (plus 24 Prozent) gerechnet. Die Anstiege basieren
allerdings nicht auf einer signifikanten Veränderung der direkten Erzeugungskosten.
Diese bleiben zwischen 4,6 und 5,1 Cent/kWh weitgehend konstant. Preistreibend wir­
ken vor allem der anzunehmende Anstieg des Preises für Emissionszertifikate (ange­
nommen wurde hier basierend auf der Emissionsintensität des Grenzkraftwerks und
dem Preis für Emissionsrechte ein Anstieg von 0,65 auf 2,0 Cent/kWh) und für private
Voraussetzungen für die Umsetzung und Implikationen
Verbraucher und Gewerbe der vorherzusehende Anstieg der EEG-Umlage. Für die In­
dustrie dürfte der aus der EEG-Umlage resultierende Kostenanstieg im Durchschnitt
aufgrund der Kappungen und Befreiungen geringer sein.
69
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
70
Anhang
Anhang
71
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen
Energie 202050
Vermeidungspotenzial
Mt CO2e
Photovoltaik Gebäude (ca. 50 kWp)
Vermeidungskosten
EUR/t CO2e
0,7-49
Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (Retrofit)
0,1-22
Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (Retrofit)
0,8-10
Photovoltaik Freifläche (> 1 MWp)
1,1-6
Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (Retrofit)
0,2-3
Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (neu)
Vermiedene Verluste
0,7-2
10,4
0
3,8
14
Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (neu)
2,7
17
KWK Steinkohle
0,2
17
Erdgas statt Steinkohle
8,9
28
Biomasse (gasförmig)
5,0
30
CCS Braunkohle (neu)
2,6
31
11,0
34
Biomasse (fest)
Wind Onshore
Biomasse (Co-firing)
0,6
35
11,4
39
Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (neu)
2,9
49
KWK Erdgas
0,1
49
Erdgas statt Braunkohle
8,8
50
CCS Steinkohle (neu)
3,2
52
Geothermie
1,1
106
Wind Offshore
50Hinweis: Potenziale der Hebel können addiert werden, spezifische Vermeidungskosten (und Gesamtkosten) der Hebel nicht.
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
72
Hebel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen
Energie 203051
Vermeidungspotenzial
Mt CO2e
Vermeidungskosten
EUR/t CO2e
Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (Retrofit)
0,1-23
Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (Retrofit)
0,8-10
Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (neu)
1,2-9
Verbesserte Kraftwerkstechnik Erdgas (Retrofit)
0,2-3
Vermiedene Verluste
11,7
0
Photovoltaik Gebäude (ca. 50 kWp)
1,5
11
KWK Steinkohle
0,3
18
Verbesserte Kraftwerkstechnik Braunkohle (neu)
7,7
18
Photovoltaik Freifläche (> 1 MWp)
1,8
19
Biomasse (fest)
5,0
22
CCS Braunkohle (neu)
18,2
30
Wind Onshore
16,0
30
Erdgas statt Steinkohle
8,9
30
CCS Braunkohle (Retrofit)
10,7
33
Wind Offshore
26,3
34
Biomasse (Co-firing)
2,8
34
Biomasse (gasförmig)
6,5
39
Verbesserte Kraftwerkstechnik Steinkohle (neu)
7,7
48
22,5
48
CCS Steinkohle (neu)
KWK Erdgas
CCS Steinkohle (Retrofit)
Erdgas statt Braunkohle
Beschleunigte Erneuerung Braunkohle
0,2
51
13,4
52
8,8
57
17,7
65
CCS Erdgas (neu)
1,3
87
Geothermie
3,2
135
Beschleunigte Erneuerung Steinkohle
2,6
139
Beschleunigte Erneuerung Erdgas
0,3
241
51Hinweis: Potenziale der Hebel können addiert werden, spezifische Vermeidungskosten (und Gesamtkosten) der Hebel nicht.
73
Kosten und Potenziale der V
­ er­meidung von Treibhausgas­emissionen in Deutschland
74
Ansprechpartner
BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz
McKinsey & Company, Inc.
Joachim Hein
j.hein@bdi.eu
Leo Birnbaum
leo_birnbaum@mckinsey.com
Klaus Mittelbach
k.mittelbach@bdi.eu
Anja Hartmann
anja_hartmann@mckinsey.com
Martin Schröder
m.schroeder@bdi.eu
Jan-Henrik Hübner
jan-henrik_huebner@mckinsey.com
Christian Malorny
christian_malorny@mckinsey.com
Internet:
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Jens Riese
jens_riese@mckinsey.com
Thomas Vahlenkamp
thomas_vahlenkamp@mckinsey.com
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Redaktion: L
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