Outsourcing nach Indien: der Tiger auf dem Sprung

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Outsourcing nach Indien: der Tiger auf dem Sprung
Aktuelle Themen 335
Indien Spezial
11. Oktober 2005
Outsourcing nach Indien:
der Tiger auf dem Sprung
Indien stellt das Back-Office der Welt. Der Subkontinent dominiert als wich-
tigster Offshoring-Standort den globalen Handel mit IT-Dienstleistungen (ITO) und
IT-gestützten Geschäftsprozessen (BPO). Indien repräsentiert derzeit 44% des
globalen Marktes für IT- und BPO-Offshoring; der weltweite Marktwert liegt zurzeit
bei rd. USD 40 Mrd. Die gesamten Umsätze Indiens mit Software, IT-Dienstleistungen, BPO und Hardware betrugen 2004/05 gut USD 28 Mrd. (siehe Grafik). Bis
2007 erwarten wir einen Anstieg auf über USD 56 Mrd.
Vormachtstellung aus guten Gründen. Indiens entscheidender komparativer
Vorteil liegt in seinen gut ausgebildeten englischsprachigen Fachkräften, die zu
niedrigen Löhnen und Gehältern arbeiten. Aber auch eine auf internationale Integration gerichtete Wirtschaftspolitik und das globale Netzwerk der indischen Emigranten begründen und sichern seine weltweite Vormachtstellung.
Zukünftig Engpässe beim Nachwuchs. Es bleibt das Risiko, dass selbst
Indiens riesiger Pool an Hochschulabsolventen die anhaltend hohe Nachfrage
nach Fachkräften nicht nachhaltig bedienen kann. Die Qualität vieler Universitäten
fällt ab gegenüber den Leuchttürmen des indischen Hochschulsystems. Nur etwa
10-20% des Nachwuchses kommen für das internationale Geschäft in Frage. Und
der Nachfragedruck steigt. Bereits heute ist die Fluktuation hoch (15-30%) und die
Gehälter der Experten steigen um 12-15 % pro Jahr. Die Ausbildung auf eine breitere Grundlage zu stellen und schon in der primären Schulausbildung hohe Maßstäbe zu setzen, ist daher das Gebot der Stunde für die indische Bildungspolitik.
Die großen indischen Konzerne emanzipieren sich von heimischen
Standortproblemen. Auch der drohenden Konkurrenz stellen sich die indischen
Autor
Jürgen Schaaf
+49 69 910-46830
juergen.schaaf@db.com
Editoren
Maria L. Lanzeni
Antje Stobbe
Offshore-Unternehmen pro-aktiv. Sie expandieren nach USA und Europa und rekrutieren Fachkräfte aus anderen Schwellenländern. Qualitativ steigen sie die Wertschöpfungsleiter hinauf und bieten höherwertigere Dienstleistungen wie Beratung
und wissensintensive Prozesse (Knowledge Process Outsourcing) an. Ihre Strategien sind vielversprechend und die Weichen stehen weiter auf Wachstum.
Indien: Anhaltend hohe Dynamik im Markt für IT/ITES-BPO
Mrd. USD
60
Hardware
Publikationsassistenz
Sabine Kaiser
40
Deutsche Bank Research
Frankfurt am Main
Deutschland
Internet: www.dbresearch.de
E-Mail: marketing.dbr@db.com
Fax: +49 69 910-31877
DB Research Management
Norbert Walter
50
ITES-BPO
30
20
IT-Services und Software
10
0
99
00
01
02
03
04
05
06
07
Quellen: DB Research, NASSCOM, 2005
Aktuelle Themen 335
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11. Oktober 2005
Outsourcing nach Indien
Indiens Wirtschaftsmotor läuft auf Hochtouren. In den vergangenen
zehn Jahren ist die indische Volkswirtschaft um durchschnittlich
etwa 6% pro Jahr gewachsen. Die Aussichten sind günstig, dass die
indische Wachstums-Lokomotive mit unverminderter Geschwindigkeit in die Zukunft fährt. Werden die Weichen entsprechend gestellt,
kann Indien in den kommenden 10 bis 15 Jahren sogar mit durch1
schnittlich 7-8% pro Jahr wachsen. Damit wird Indien das stärkste
Wachstum der wichtigsten Industrie- und Entwicklungsländer aufweisen, wenn auch von einem extrem niedrigen Niveau aus.
Business Process Outsourcing
IT- gestützte Geschäftsprozesse
Kundenbetreuung (Voice und Non-Voice)
—
—
—
—
Call-Center (eingehende und ausgehende Anrufe)
Telefonmarketing
Kundenerhebungen
E-Mail-Betreuung
HR und Gehaltsabrechnung
Wachstumsmotor Offshore-Outsourcing
—
—
—
Indiens Wachstum wird zu einem beachtlichen Teil vom Geschäft mit
Software und IT-basierten Dienstleistungen getragen. Die Schwerpunkte der indischen Angebotspalette liegen in der Softwareentwicklung und bei Softwareprodukten. Darunter fallen Systemintegration,
Anwendersoftware-Pakete (z.B. MS Office), Unternehmenssoftware
(ERP, CRM etc.), Entwicklung und Wartung von Applikationen oder
Hosting-Dienste. Das zweite Standbein ist die Übernahme kompletter unterstützender Geschäftsprozesse, das so genannte Business
Process Outsourcing (BPO).
Ausschreibungen
Aus- und Weiterbildung
Gehaltsabrechnung / HR-Verwaltung
Finanz- und Rechnungswesen, Buchhaltung
—
—
—
—
Steuerberatung
Risikomanagement
Finanzanalyse und -berichtswesen
Rechnungs-/Mahnwesen
Auftragsabwicklung
BPO ist eine spezielle Art des Outsourcing. Allgemein werden beim
Outsourcing Leistungen von außen bezogen, die bisher intern erbracht worden sind. Dabei werden sowohl Dauer als auch der Gegenstand der Leistung vertraglich fixiert. Beim BPO wird ein kompletter Unternehmensprozess an ein Drittunternehmen gegeben.
Darunter fallen Kundenbetreuung über Telefon (Call-Center) oder
E-Mail, aber auch Personalverwaltung oder Gehaltsabrechnung,
Bilanzbuchhaltung, Forderungsabwicklung, Beschwerdewesen etc.
Oft handelt es sich dabei um IT-gestützte Prozesse bzw. ITES-BPO
(IT enabled services-business process outsourcing, siehe Übersicht).
Content-Entwicklung
—
—
—
Animation
Dokumenten-Management
Geografische Informationssysteme
Einkauf, Logistik
Fremdvergabe
Onshore
Outsourcing
Offshore
Outsourcing
Eigenerstellung
OffshoringOffshoring-Typen
Interne
inländische
Leistungserstellung
Captive
Offshoring
National
International
Quellen: DB Research, OECD, McKinsey, 2003, 2004
Werden diese Prozesse über große Distanzen hinweg in Niedriglohnländer verlagert, spricht man von Offshore-Outsourcing oder
kurz: Offshoring. Bei Verlagerungen an Tochterfirmen oder bei
Beteiligungen im Ausland verbleiben die Prozesse in der Organisation. Dann handelt es sich um das so genannte Captive-Offshoring
(siehe Diagramm 1).
Das größte Back-Office der Welt
1
Amerika dominierende
Nachfrage-Region
— Der globale Markt für IT- und BPO-Offshoring liegt derzeit bei
rd. USD 40 Mrd. Nach Angaben des indischen Branchenverbandes NASSCOM repräsentiert Indien damit 44% des weltweiten
Volumens. Allerdings weichen andere Schätzungen zur Dimension des globalen Offshoring-Marktes durchaus von diesen Anga-
Indische Software Exporte nach Ländern
Rest
Japan 4%
7%
Europa
26%
Das indische Angebot dominiert den globalen Offshoring-Markt. Als
Standort der ersten Wahl zieht Indien den Löwenanteil der international gehandelten IT-basierten Dienstleistungen und des BPOGeschäfts an. Mitte der 90er Jahre und nach der Jahrtausendwende
schlugen zweistellige Wachstumsraten im BPO-Markt zu Buche,
und das Segment wird weiter dynamisch wachsen:
Amerika
63%
1
Quelle: NASSCOM, 2002
11. Oktober 2005
2
Zum makroökonomischen Umfeld und den mittelfristigen Perspektiven Indiens
siehe Asuncion-Mund, Jennifer (2005). Indien im Aufwind: Ein mittelfristiger Ausblick. Aktuelle Themen, Indien Spezial, DB Research, Frankfurt am Main.
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Aktuelle Themen 335
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ben ab (siehe Box). Wichtigster Handelspartner Indiens im ITund BPO-Segment sind die USA (siehe Grafik 2).
Herausforderung für die Statistik
Zweifellos hat die Bedeutung des Offshoring
seit Mitte der 90er Jahre deutlich zugenommen. Das genaue Ausmaß zu bestimmen,
bereitet gleichwohl erhebliche Probleme,
besonders auf internationalem Niveau.
— Für die meisten Industrieländer liegen zwar
Daten zu Computer- und Informationsdiensten und geschäftsunterstützenden
Dienstleistungen vor. Für viele Schwellenländer, allen voran Indien, werden diese
Bereiche aber recht grob unter „andere
geschäftsunterstützende Dienstleistungen“
zusammengefasst.
— Außerdem kann Offshoring in sehr unterschiedlichen Formen auftreten, was es erheblich erschwert, die Ströme statistisch zu
erfassen. Offshoring in Form von internationalem Outsourcing fällt unter grenzüberschreitenden Handel. Bei Captive Offshoring liegen dagegen Direktinvestitionen im
Ausland (FDI) vor.
— Speziell in Schwellenländern berichten
Firmen z.T. unpräzise an die statistischen
Ämter, da die Definitionen im Dienstleistungssektor schwer verständlich oder die
Liefermodalitäten unklar sind.
Insofern überraschen statistische Ungereimtheiten nicht, ihr Ausmaß kann dennoch erschrecken. Eine Untersuchung der OECD
vergleicht Exportdaten Indiens mit den Importangaben der jeweiligen Handelspartner aus
Nordamerika, der EU und Japan. Für den
Bereich „Dienstleistungen“ und „Dienstleistungen ohne Reise und Verkehr“ können 75 bis
91% des ausgewiesenen Exportvolumens
Indiens für die Jahre 2000 bis 2002 nicht mit
Importdaten der anderen Länder erklärt werden. Für den Bereich „Computer und Informationsdienstleistungen“ sind es im selben Zeitraum sogar über 95%.
Quellen: DB Research, OECD, 2004
Anhaltend hohe Dynamik
im Markt für IT/ITES-BPO
Mrd. USD
60
Hardware
ITES-BPO
50
40
30
20
IT Services und Software
— Die gesamten Umsätze Indiens im In- und Ausland in den
Teilbereichen Software, IT-Dienstleistungen, ITES-BPO und
3
Hardware betrugen im abgelaufenen Fiskaljahr 2004/05 gut
USD 28 Mrd. Bis 2007 erwarten wir einen Anstieg auf über
USD 56 Mrd. (siehe Grafik 3).
— Das Hauptgeschäft mit Software und IT-Dienstleistungen
betrug 2004 USD 16,5 Mrd. Gut USD 12 Mrd. oder fast 3/4 der
Umsätze entfallen dabei auf den Export. Bis zum Jahr 2007
erwarten wir einen Anstieg der Gesamtumsätze um durchschnittlich 25% p.a. auf dann gut USD 32 Mrd. Sie weisen damit
weiterhin ein hohes, robustes Wachstum auf. Wachstumsraten
von 50% und mehr binnen einen Jahres werden wir allerdings
nicht mehr sehen. Die Exporte werden fast USD 26 Mrd. betragen. Damit werden sie rd. 4/5 des Gesamtumsatzes ausmachen
(siehe Grafik 4).
— Der Wert der IT-basierten Geschäftsprozesse (BPO), die exportiert werden, lag 2004 bei gut USD 5 Mrd. Bis 2007 wird der
Wert der BPO-Exporte auf USD 14 Mrd. ansteigen, und sich
damit in diesem Zeitraum fast verdreifachen (siehe Grafik 5).
Dieses Segment stellt den dynamischsten Teilmarkt des indischen Offshoring-Angebots dar. Das inländische BPO-Geschäft
in Indien ist relativ unbedeutend. Es macht derzeit nur etwa 10%
des Gesamtmarktes bzw. USD 600 Mio. aus.
Indiens komparative Stärken im ITO/BPO-Markt
Die Gründe für Indiens Aufstieg zur IT-Weltmacht sind vielfältig. Sie
können unterteilt werden in die Ressourcenausstattung Indiens,
seine Wirtschaftspolitik, nachfrageseitige Gründe und historische
Besonderheiten.
Das riesige Heer der anglophonen Programmierer…
Indiens entscheidender komparativer Vorteil liegt in einem riesigen
Pool an gut ausgebildeten Fachkräften, die niedrige Gehälter beziehen.
— Das Angebot an Arbeitskräften per se erscheint unerschöpflich.
Allein die Bevölkerung von aktuell 1,08 Mrd. Menschen ist in dem
bevölkerungsreichsten Land der Welt nach China mehr als
13mal so hoch wie in Deutschland. Außerdem ist die Bevölkerung jung und das Bevölkerungswachstum hoch. Von 2003 bis
2020 dürfte sich das Arbeitskräfteangebot in Indien um rund 250
Mio. Menschen erhöhen. Das sind etwa 15 Mio. pro Jahr.
— Zurzeit arbeiten rd. 700.000 Fachkräfte in den Bereichen ITgestützte Dienstleistungen und BPO, und damit ein Viertel mehr
als im Vorjahr (siehe Grafik 7). Mitte der 80er Jahre waren es
noch unter 7.000. Bis 2007 wird sich die Gesamtzahl auf
1,45 Mio. bis 1,55 Mio. Beschäftigte erhöhen. Zum Vergleich: In
10
0
2
99 00 01 02 03 04 05 06 07
Quelle: DB Research, NASSCOM, 2005
3
3
4
OECD (2005). Information Technology Outlook 2004, Chapter 2. Globalisation of
the ICT sectors and international sourcing of ICT-enabled services, Paris: OECD.
McKinsey schätzen den Wert der 12 wichtigsten Märkte für IT- und BPO-Offshoring im selben Jahr auf USD 26 Mrd. McKinsey Global Institute (2003). Offshoring: is it a win-win game? McKinsey Global Institute. Einen guten Überblick über
weitere Schätzungen gibt das WTO Yearbook (2005), Chapter C: Offshoring
services: recent developments and prospects, S. 275.
Das indische Fiskaljahr dauert von April bis März. Im Folgenden wird das entsprechende Kalenderjahr benannt, d.h. 2004 steht für Fiskaljahr 2004-05.
11. Oktober 2005
Outsourcing nach Indien
Deutschland arbeiten gegenwärtig etwa 376.000 Beschäftige in
den Bereichen Software und IT-Dienstleistungen.
Indische Software und IT:
Export getriebener Boom
… arbeitet gut und günstig
Mrd. USD
35
30
25
20
15
10
5
0
99 00 01 02 03 04 05 06 07
Binnenmarkt
Export
4
Quellen: DB Research, NASSCOM, 2005
ITES-BPO-Exporte weisen
höchstes Wachstum auf
16
70
14
60
12
50
% gg. Vj.
(rechts)
10
8
4
Aus Sicht der westlichen Kunden sind aber die Gehälter allein nicht
entscheidend. Sie kalkulieren mit den Gesamtkosten eines Engagements im Ausland. Zusätzliche Kosten entstehen durch Telekommunikationsinfrastruktur, das Management (anteilig) und das
Einrichten des Arbeitsplatzes. Selbst wenn man alle spezifischen
Zusatzkosten eines Offshoring-Projekts einkalkuliert, können über
Lohnarbitrage Einsparungen von 20-40% realisiert werden (siehe
Grafik 6).
Einsparungen durch Offshoring
40
20-40%
30
Mrd. USD
(links)
6
Indische Fachkräfte arbeiten zu deutlich niedrigeren Löhnen als
amerikanische oder europäische. Deutsche bzw. US-amerikanische
nicht-leitende IT-Professionals verdienen etwa USD 50-70.000 pro
Jahr. Das Einkommen eines indischen IT-Angestellten mit 1-2 Jahren Berufserfahrung liegt bei etwa USD 8.000. Berufseinsteiger
verdienen etwa USD 6.500 pro Jahr.
20
10
2
0
0
99 00 01 02 03 04 05 06 07
15-20
60-65
5
Quellen: DB Research, NASSCOM, 2005
5-10
100
5-10
60-80
Beschäftigung im IT Sektor
steigt weiterhin stark
Indische IT Beschäftigte in '000
800
700
600
500
400
Kosten- Einsparung
basis
Personal
Zusätzliche
ITK-Kosten
Zusätzl.
Mgmt.
Kosten
Anpassungskosten vor Ort
Offshore
KostenBasis
6
Quellen: DB Research, Basis: McKinsey, 2003
300
200
100
0
00
01
02
03
04
05
IT Software und Services
(CAGR 24%)
ITES-BPO (CAGR 54%)
Quelle: DB Research, NASSCOM, 2005
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Vergleicht man unterschiedliche Offshoring-Standorte, muss weiter
differenziert werden. Ausgaben für Steuern, Ausbildung, Nutzung
der Infrastruktur etc. können von Land zu Land unterschiedlich sein.
Aber auch im Vergleich mit anderen Offshore- und NearshoreStandorten bietet Indien das günstigste Gesamtpaket (siehe Grafik
8). Das bestätigt auch der Location-Attractiveness-Index, der qualitative und Kostenaspekte in einem Gesamt-Score bündelt (siehe
Übersicht 12 auf S. 14).
7
5
Aktuelle Themen 335
Indische Hightech-Cluster
Offshore Standorte: Indien mit bestem Angebot
Spezialisierung und regionale Konzentration von Universitäten
und Unternehmen
USD p.a. (laufende Kosten), pro Mitarbeiter
Indien Philippinen Malaysia
Indien
• Personal- u.
ManageBeschäf- mentkosten
tigte
• Rekrutierung
u. Training
Delhi
BPO, IT
IIT Delhi, Delhi College of
Engineering, Delhi University
Department of Computer
Sciences, Roorkee University of
Engineering u.a.
HCL Technologies, NIIT Ltd.,
CMC Ltd.
Hyderabad
Bombay
Mix aus Software, Call-Centern und
Financial BPO
Software, BPO
J.N. Technological University, Hyderabad
University Osmania University, Kakatiya
University u.a.
IIT Bombay; Bombay
Universität, Bajaj Institute of
Management u.a.
TCS, PCS, Tata Infotech,
Mastek, Aptech Datamatics,
SiIverline
Infrastruktur
Unternehmen
Russland
14.450
5.300
5.500
11.000
7.700
211
232
232
232
• ITK und
Versorgung
992
1.476
• Arbeitsplatz
1.520
1.605
1.584
1.584
1.900
1.900
580
1.000
2.600
Satyam Computer Services Ltd.
Bangalore
Software, IT
Steuern
IISc; Universität Visvesraya, College of
Engineering, SKSJ Technology Institute, II of
Management Bangalore u.a.
Universitäten
China
• Steuern
0
0
0
3.350
0
Infosys Technologies Ltd., WIPRO
Information Technologies
Quelle: Kumar, 2001
Gesamt
8.023
8.813
14.716
11.416
21.980
Quellen: DB Research, McKinsey, 2005
8
Tertiäres Ausbildungssystem mit Leuchttürmen
Software/IT wichtigster
Teilmarkt
Anteil am Gesamtumsatz, in %
ITES-BPO
21%
Software/IT
59%
Hardware
20%
Quelle: DB Research, NASSCOM, 2005
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Six Sigma
Das Six Sigma Konzept wurde in den frühen
80ern von Motorola während einer Qualitätsinitiative entwickelt. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Statistik und bezeichnet NullFehler-Qualität. Unterliegt ein Prozess der
Normalverteilung nach Gauß, ist er durch
Mittelwert und die Standardabweichung Sigma
eindeutig beschreibbar. Unter bestimmten
Randbedingungen befinden sich dann nahezu
100% aller Ergebnisse dieses Prozesses in
einem Bereich, der 6 x Sigma umfasst
(= 99,99966%). Mit anderen Worten: in einem
Prozess, der Six Sigma erfüllt, entstehen unter
bestimmten Bedingungen nur 3,4 fehlerhafte
Ergebnisse bezogen auf 1 Million Möglichkeiten.
6
Vielfach wird Indiens Aufstieg zum Global Player auch auf sein
Hochschulsystem zurückgeführt. Einen besonders guten Ruf
genießen die sieben Indian Institutes of Technology (IIT) und die
sechs Indian Institutes of Management (IIM). Darüber hinaus gibt es
interessante neue Institutionen mit Berufsorientierung, wie z.B. die
Indian Institutes of Information Technology (IIIT). Diese sollen die
Kluft zwischen den Eliteuniversitäten und den traditionellen
Hochschulen überbrücken. Allerdings zeichnen die IITs in Indien nur
für einen sehr geringen Teil des akademischen Nachwuchses
4
verantwortlich (ca. 1% des jährlichen Outputs an Ingenieuren) .
Sogar innerhalb der IITs werden große Unterschiede in der
Reputation deutlich. Den fünf älteren und etablierten Institutionen
wird ein weitaus besseres Standing zugesprochen als den neueren.
In den nächsten Jahren dürften aber auch die neueren IITs und IIMs
zunehmend Anerkennung finden. Demgegenüber fällt die Qualität
der normalen Universitäten deutlich ab. Außerdem ist es um die
primäre Ausbildung (Grundschulen) sehr viel schlechter bestellt als
um die universitäre. Schließlich sind die regionalen Unterschiede
sehr groß. Universitäten und Institute mit Rang und Namen finden
sich vor allem in den indischen Hightech-Clustern, die auch
Unternehmen anziehen (siehe Übersicht links). Insofern erwecken
die reinen Absolventenzahlen einen zu positiven Eindruck des
Fachkräftepotenzials Indiens.
Die indischen Player: Qualität setzt sich durch…
Indiens IT- und BPO-Unternehmen haben hohe Ansprüche an die
Qualität ihres Leistungsangebots. Dass sie Vergleiche auf globaler
Ebene nicht scheuen müssen, belegt die hohe Zahl der Softwareund BPO-Unternehmen, die nach international anerkannten Qualitäts-Standards zertifiziert sind (Six Sigma, CMM Level 5 und
ISO 9000). Von den 80 Software-Unternehmen, die 2003 weltweit
mit CMM Level 5 bewertet wurden, stammten 60 aus Indien. Level 5
ist dabei der höchste Wert, den ein Software-Unternehmen erreichen kann (siehe Erläuterungen S. 6,7).
4
Kapur, Devesh (2002). The Causes and Consequences of India’s IT Boom. India
Review 1(2), April 2002, 91-110, S. 100.
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Outsourcing nach Indien
... und big is powerful
Capability Maturity Model (CMM)
Das Capability Maturity Model CMM beschreibt
und bewertet Methoden und Verfahren in der
Software-Entwicklung. Es wurde am Software
Engineering Institute der Carnegie Mellon
University entwickelt. Die Anwendung entsprechender Verfahren leitet deutliche Verbesserungen bei der Software-Entwicklung und
-Wartung ein. Auf dem Wege von einer „unreifen“ zu einer „reifen“ Software-EntwicklungsOrganisation definiert das CMM fünf Stufen,
die aufeinander aufbauen. Sie bilden die
Grundlage für eine kontinuierliche, sukzessive
Prozessverbesserung:
1. Initial,
2. wiederholbar,
3. definiert,
4. gesteuert,
5. optimierend.
Level 5 ist der höchste Wert, den eine Organisation, die Software entwickelt, erreichen kann.
Die (großen) Anbieter von BPO-Dienstleistungen wachsen rasant
und weisen hohe Gewinne aus. Sie erreichen inzwischen z.T. eine
höhere Marktkapitalisierung als die Konkurrenz aus den Industrieländern. Ihre Wirtschaftskraft versetzt die großen indischen Player in
die Lage, aufwendige internationale Projekte zu stemmen. Die in
langen Jahren aufgebaute Reputation und Prominenz der Markennamen erleichtern die Akquise der entsprechenden Aufträge.
Rolle der Politik: Vom Saulus zum Paulus
Neben der günstigen Ressourcenausstattung hat auch die Wirtschaftspolitik Indiens eine gewichtige Rolle gespielt. Sie hat dabei
einen beachtlichen Gesinnungswandel vollzogen. Zwei wichtige
Phasen können hier unterschieden werden.
Bremse gelockert…
Das Jahr 1984 markiert die erste entscheidende wirtschaftspolitische Wende. Premier Rajiv Gandhi leitete die Abkehr von der Strategie der technologischen Autarkie, der pauschalen Importsubstitution und des Export-Pessimismus ein. Die Softwareindustrie wurde
als Branche anerkannt und die Importzölle auf PCs und Software
von 100 auf 60% gesenkt.
Aber auch die bis dahin betriebene Abschottungspolitik hatte bereits
den ein oder anderen Grundstein für die späteren Erfolge der indischen IT-Branche gelegt. Sie isolierte zwar die heimische HardwareBranche. Das bewirkte aber, dass sich die Schwerpunkte auf den
Softwarebereich konzentrierten. Noch 1978 sah sich IBM gezwungen, Indien zu verlassen, weil das Unternehmen sich weigerte, die
drakonischen Auflagen des „Foreign Exchange and Regulations Act“
zu befolgen. IBMs Weggang führte zu einem stärken Einsatz von
Mikro- und Mini-Computern in indischen Unternehmen. Diese arbeiten weitgehend mit dem Betriebssystem UNIX. Als UNIX weltweit an
Bedeutung gewann, profitierten die indischen Programmierer von
5
ihrem Wissensvorsprung.
… und Gas gegeben
Die zweite Phase des wirtschaftspolitischen Aufschwungs beginnt in
den späten 80er Jahren. Sie markiert den Richtungswandel zur
aktiven industriepolitischen Förderung der Software-Branche.
Förderung durch Software
Technology Parks
IT-Branche profitiert von
Wirtschaftsreformen
1989 wurde die autonome Gesellschaft STPI gegründet. Sie richtete
die Software Technology Parks (STP) ein. Darin wird verlässliche
und qualitativ hochwertige Infrastruktur (Strom, Telekommunikationsleitungen, Satelliten-Verbindungen etc.) bereitgestellt. Diese überbrückt die Engpässe einer ansonsten sehr dürftigen Infrastrukturlandschaft. Die Regierung gewährt in den Parks Steuerbefreiungen.
Außerdem gibt es in den STPs keine Beschränkung für ausländische Beteiligungen. Bis Juli 2004 wurden insgesamt 40 STPs eingerichtet. 20 weitere sind für die nächsten acht Jahre geplant. Im
März 2004 beherbergten die STPs insgesamt 4.644 Firmen. Davon
exportieren gut drei Viertel Softwareprodukte.
Die Wirtschaftsreformen von 1991 waren zwar allgemeiner Natur,
kamen aber speziell der IT-Branche zugute. Softwarefirmen, die
keine Kredite bekamen, konnten verstärkt auf Eigenkapitalzufuhr
bauen, nicht zuletzt durch ausländische Investoren. Diese Signale
veranlassten viele der multinationalen Unternehmen, Nieder5
11. Oktober 2005
Naranya Murthy, N.R. (2000). Making India a significant IT player. In Romila
Thapar (Hrsg.), India. Another Millenium. New Delhi: Penguin books.
7
Aktuelle Themen 335
lassungen in Indien zu eröffnen. Von den 95 multinationalen Unternehmen, die 1999 in Indien ansässig waren, kamen drei Viertel nach
6
1990 ins Land.
Historische Entwicklung: globale Nachfrage im Wandel
Aber nicht nur Indiens Ressourcenausstattung und seine Wirtschaftpolitik begründen seinen Erfolg als wichtigster internationaler
Outsourcing-Standort. Indiens Outsourcing-Branche stieß auch auf
einen starken Bedarf aus den Industrienationen.
Aufstieg der IT erhöht globale Experten-Nachfrage
Hohe IT-Investitionen in den 90er
Jahren…
Seit Anfang der 90er Jahre nahmen die Investitionen in Informationstechnologie deutlich zu. Finanzdienstleister und natürlich die
Soft- und Hardwarehersteller selbst investierten besonders stark.
Erstere versprachen sich durch den intensiven Einsatz moderner
Informationstechnologien einen strategischen Vorteil gegenüber
ihren Wettbewerbern. Entsprechend hoch war der Bedarf an Programmierern, Software-Architekten und sonstigen Fachkräften.
… führten zu Personalengpässen
Die große Nachfrage führte zu Kapazitätsengpässen, speziell in den
USA als dem größten IT-Markt. Die Personalengpässe in dieser
Phase wurden in den USA auf zwei verschiedenen Wegen gelöst.
Zum einen wurden spezielle Aufenthaltsgenehmigungen an ausländische Fachkräfte vergeben. Dabei dominierten die indischen Arbeitskräfte: 43% der zwischen Oktober 1999 und Februar 2000 ge7
währten H-1B Visa gingen an indische Fachkräfte. Zum Ende des
Jahres waren es rund 200.000. Zum anderen vergaben amerikanische Unternehmen IT-Projekte nach Indien bzw. gründeten Tochterfirmen vor Ort.
Das Y2K-Problem: die Gunst der Stunde
Software-Experten auf der Suche
nach Millennium-Bugs
Das Y2K-Problem rückte Indien ins internationale Rampenlicht und
brachte der indischen IT-Industrie den entscheidenden Wachstumsschub. Software-Experten mussten abertausende Zeilen Programmiersprache durchgehen und nach „Millennium Bugs“ absuchen.
Für diese zeitraubende und kostspielige Arbeit waren westliche ITExperten oft zu teuer. Außerdem waren Unix-Experten zur Kontrolle
von Großrechnern knapp.
In dieser Phase bewiesen sich die indischen Softwarefirmen global
als kompetente und verlässliche Geschäftspartner, und zwar zu
niedrigen Kosten. Der Grundstein für umfangreichere und komplexere Projekte war gelegt.
Der Wandel der IT zur Commodity
„IT doesn’t matter“
Die Jahrtausendwende markierte das Ende der New Economy Euphorie. Der Stellenwert der Informationstechnologie hat sich seither
deutlich verändert. Zwar bildet sie unstrittig das Rückgrat der Wirtschaft und ist insofern unverzichtbar geworden. Ihre Allgegenwärtigkeit reduziert aber ihre strategische Bedeutung. Bestimmte Bereiche
sind zur Massenware (Commodity) degeneriert. Außerdem führte
der Kostendruck z.B. in der von einer Ertragskrise geschüttelten
Finanzindustrie dazu, dass diese ihre IT-Budgets reduzierte. In der
Konsequenz verlagern immer mehr Unternehmen Teile ihrer IT-
6
7
8
Kumar, Nagesh und K.J. Joseph (2004). National Innovation Systems and India’s
IT Capability: Are there any lessons for ASEAN Newcomers? RIS-Discussion Papers 72/2004, Tabelle 5.
Desai, Mihir A., Devesh Kapur und John McHale (2002). The Fiscal Impact of High
Skilled Emigration: Flows of Indians to the U.S.
11. Oktober 2005
Outsourcing nach Indien
Infrastruktur an den Markt (Outsourcing) bzw. in andere Länder
(Offshoring).
Indien profitiert
Speziell Indien hat vom globalen Trend des Aus- und Verlagerns
profitiert. Mit der Reputation und dem Vertrauen ausgestattet, die die
ersten Gehversuche einbrachten, hat die Dimension und Komplexität der Projekte zugenommen, die westliche Firmen nach Indien
vergeben. Nicht mehr nur relativ einfache Programmieraufgaben
und Call-Center-Dienste, sondern zunehmend ganze Geschäftsprozesse bis hin zu Beratungsaufgaben werden inzwischen nach
Indien vergeben.
Indische Diaspora: Kontaktpflege
Internationales Netzwerk indischer
Auswanderer
Schließlich spielt neben den angebots- und nachfrageseitigen
Gründen das globale Netzwerk der im Ausland lebenden Inder eine
nicht zu unterschätzende Rolle. Speziell die indische Diaspora in
den USA hat viel zum Aufstieg der indischen Outsourcing-Industrie
beigetragen. Die indischen Auswanderer knüpften die ersten Kontakte, um international Verträge abzuschließen, und pflegen sie weiterhin. Dieses internationale Netzwerk wirkt dabei auf verschiedenen Ebenen. Neben der großen Bevölkerungsgruppe der Inder in
den USA fallen vor allem ihr hoher Bildungsstand und die große
Zahl der Fach- und Führungskräfte in Hightech-Firmen ins Gewicht.
Aber auch die Führungskräfte in Indien selbst sind oftmals Rückkehrer mit Berufserfahrung aus den USA.
— Im März 2001 waren mehr als eine Million Einwohner in den USA
sesshaft, die in Indien geboren wurden. Das sind doppelt so viele
wie 1990.
— Bereits in den 70er und 80er Jahren stellten die Inder die zweitgrößte Gruppe der ausländischen Doktoranden (nach den Taiwanesen). 2002 besaßen drei Viertel der US-Inder im erwerbsfähigen Alter einen Bachelor- oder höherwertigen Abschluss. 38%
dieser Altersgruppe indischer Abstammung besitzt einen „Masters“-Abschluss oder ist promoviert. In der einheimischen Vergleichsgruppe sind es dagegen nur 9%.
— Der Anteil der Firmen im Silicon Valley, die von Indern geleitet
werden, nahm von 3% der Neugründungen zwischen 1980 und
1984 auf 10% der Neugründungen zwischen 1995 und 2000 zu.
Danach lag er wahrscheinlich noch höher.
— Schätzungen zufolge werden 95% der internationalen Unternehmen im STP in Bangalore von Indern geleitet, die im Ausland
gelebt und gearbeitet haben, und zwar überwiegend in den
8
USA.
Ausblick: Stolpersteine aus dem Weg räumen
Trotz seines beträchtlichen Potenzials muss Indien noch einige
Hemmnisse auf dem Wachstumspfad beseitigen, will es seine Erfolgsgeschichte fortschreiben.
Indischer Talente-Pool auf Dauer nicht ausreichend
Qualifizierter Nachwuchs wird knapp
Indiens größtes Problem ist, dass der qualifizierte Nachwuchs
knapp wird. Trotz der großen Bevölkerung kann das Angebot an
Ingenieuren mit der rasant gestiegenen Nachfrage nicht Schritt halten. Außerdem genügt nur ein geringer Teil den hohen Ansprüchen
der internationalen Konzerne. Jährlich kommen zwar zu den
8
11. Oktober 2005
Ghemata, Pankaj (2000). The Indian software industry Millennium. Harvard Business School, MA. Paper No N9-700-036.
9
Aktuelle Themen 335
1,75 Mio. Ingenieuren 130.000 Absolventen hinzu. Allerdings erreichen davon nur 10 bis 20% das Qualifikationsniveau, das die großen Konzerne erwarten. Entweder reichen ihre Englischkenntnisse
oder das in der universitären Ausbildung vermittelte Fachwissen
nicht aus. Hinzu kommt, dass immer noch viele Studenten und
Hochschulabsolventen ins westliche Ausland migrieren.
Bildungspolitik gefordert
Die Ausbildung auf eine breitere Grundlage zu stellen und bereits in
der primären Schulausbildung hohe Maßstäbe zu setzen, ist daher
das Gebot der Stunde. Ziel der indischen Bildungspolitik sollte ferner
sein, das Niveau aller Universitäten in Richtung der Standards
seiner Spitzeninstitute zu heben.
Nachfrage und Fluktuation treiben Gehälter in die Höhe
Hohe Abwanderungsraten
Druck auf Gehälter in
Indien
Jahreseinkommen, USD
35.000
30.000
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0
2000 2001 2002 2003 2004
Projektmanager (CAGR = 23%)
10
Margen sinken im Schnitt
Operative Ebit-Margen der 5 großen
indischen Player (von - bis in %)
40
35
30
25
20
15
10
5
0
2002
2003
2004
Quelle: DB Research, Unternehmensangaben, 2005
Die hohen Abwanderungsraten drücken den Nachfrageüberhang in
der Branche aus. Speziell den kleineren, aber auch den ausländischen Firmen fällt es schwer, ihre erfahrenen Angestellten zu halten.
Zu stark ist die Konkurrenz der etablierten Großen, die mit höheren
Gehältern, Aktienoptionen sowie arbeitnehmerfreundlichen Konditionen locken.
In der Konsequenz steigen die Gehälter. Durchschnittliche Gehaltssteigerungen von nominal 12–15% stellen die Regel dar. Je nach
Qualifikation oder Berufserfahrung liegen die Steigerungsraten deutlich darüber (siehe Grafik 10). Hinzu kommen Kosten für sonstige
Pakete, um die Belegschaft zu halten, etwa für Parkanlagen, Restaurants, Fitness-Studios, Schwimmbäder und Golfplätze für die
Mitarbeiter.
Konkurrenz droht durch andere Schwellenländer…
Junior Software-Entwickler (CAGR
= 13%)
Quellen: Strategic Review, NASSCOM, 2005
Die hohe Abwanderung der qualifizierten Fachkräfte stellt eine Hürde dar. In den Call-Centern beträgt die Fluktuation über 50% pro
Jahr. Je höher die Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter
sind, desto schwieriger ist es, adäquaten Ersatz zu finden. Bei den
IT-Anbietern beträgt die Abwanderungsrate 15-30%, im BPOBereich erreicht sie in einigen Fällen sogar 40%.
11
Nicht nur Indien verfügt über viele englischsprachige, gut ausgebildete und hoch motivierte Arbeitskräfte. Auch andere Schwellenländer mit vergleichbaren Voraussetzungen schielen auf das indische
Erfolgsmodell und wollen es nachahmen. Pakistan, Bangladesch,
9
Sri Lanka, die Philippinen und perspektivisch China lauern bereits
in den Startblöcken. Aber auch die osteuropäischen Staaten stellen
speziell für westeuropäische Kunden eine attraktive Alternative dar.
… und westliche Konkurrenz in Indien
Die großen IT-Dienstleister aus dem Westen wie Accenture, IBM
Global Services oder EDS sowie Beratungshäuser wie CSC bauen
zunehmend eigene Entwicklungskapazitäten in Indien auf und aus.
Sie konkurrieren mit den heimischen Firmen sowohl um die indischen Arbeitskräfte als auch um ausländische Aufträge. Diese Konstellation treibt die Löhne in die Höhe und drückt die Margen (siehe
Grafik 11).
Allerdings weisen die indischen Platzhirsche einen Kompetenzvorsprung von 10 bis 15 Jahren vor der internationalen Konkurrenz
9
10
Zum Potenzial Chinas als Konkurrent oder Kooperationspartner Indiens in der
Software-Entwicklung siehe Yahya, Faizal (2002). The Dragon Arises: China’s
Challenge to India in Software Development. India Review 1(4). S. 91-122.
11. Oktober 2005
Outsourcing nach Indien
10
auf. Außerdem begegnen sie dem Kostendruck pro-aktiv, indem
sie selbst nach qualifiziertem Personal im Ausland (Pakistan, Bangladesch, China) suchen, und damit ihre Kapazitäten ausweiten. Und
in der Organisation internationaler Teams liegt schließlich ihre Kernkompetenz. Inzwischen beschäftigt z.B. Infosys mehr als 19.000
Angestellte mit 38 Nationalitäten in 16 Ländern.
Schwache Infrastruktur: Klotzen statt Kleckern
Schlechte Verkehrswege…
… und unzureichende Strom- und
Wasser-Versorgung
Die physische Infrastruktur Indiens lässt immer noch sehr zu wünschen übrig. Sowohl die schlechten Verkehrswege als auch die regelmäßigen Stromausfälle behindern die weitere Expansion der
Wirtschaft. Die Straßen sind in einem schlechten Zustand und oft
verstopft. Die veraltete Eisenbahn erschwert den Transport von Gütern und Menschen. Ähnlich ist die Situation bei Häfen und Flughäfen. Korrekturen stehen jedoch auf der politischen Agenda: Bis 2010
sollen USD 50 Mrd. pro Jahr in den Ausbau der Infrastruktur fließen.
Auch die unzuverlässige Strom- und Wasserversorgung behindert
die weitere Entwicklung Indiens. Speziell die größeren IT-Firmen –
aber auch große Unternehmen aus anderen Branchen – mussten
bislang in eigene kleine Kraftwerke investieren, um die Risiken von
Stromausfällen zu verringern. Im Januar 2002 produzierte Indien
120.000 Mega Watt (MW) Strom. In den nächsten zehn Jahren will
die Regierung die Gesamtkapazität um weitere 100.000 MW ausweiten. Insgesamt kommen die Verbesserungen der physischen
Infrastruktur aber nur schleppend voran.
Ökonomische und geopolitische Risiken bestehen weiterhin
Stabilitätsrisiken beachten
Nicht vergessen werden darf, dass Indien trotz seiner hohen Wachstumsraten immer noch typische Merkmale eines Entwicklungslandes
aufweist. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt mit zurzeit USD 685 p.a.
noch deutlich unter dem Niveau von Indonesien (USD 1.000) und
beträgt nur ein gutes Viertel des thailändischen Pro-Kopf-Einkommens (USD 2.700). Selbst die IT-Infrastruktur bezogen auf die Gesamtbevölkerung ist rückständig im Vergleich zu anderen Ländern.
Ferner bestehen das Risiko politischer Instabilität durch die hohe
Einkommensungleichheit und ein erhöhtes militärisches Risiko.
Trotz der Entspannung in der jüngeren Vergangenheit schwelt der
Kaschmir-Konflikt immer noch, und häufige Sicherheitskontrollen
erschweren das Reisen innerhalb Indiens. Investoren und Kunden
müssen sich dieser Risiken bewusst sein und sie gegen die Vorzüge
abwägen, wenn sie ein Engagement in Indien planen.
Weiterer Aufstieg angepeilt
Die großen indischen IT-Dienstleister stellen sich den Herausforderungen und setzen weiter auf Wachstum. Dazu bedienen sie sich
verschiedener Strategien. Sie expandieren geostrategisch in die
Heimatmärkte ihrer westlichen Kunden, bieten höherwertige Dienstleistungen an und integrieren Kapazitäten aus anderen Schwellenländern in ihre globalen Organisationen.
Höhere Stufen der Wertschöpfungsleiter erklimmen
Komplexere Aufgaben: Beratung…
Die indischen Anbieter von BPO und IT- Dienstleistungen erweitern
ihre Angebotspalette. Die Entwicklung geht weg von der einfachen
Programmierung und schlichten IT-basierten Prozessen. So wie die
10
11. Oktober 2005
Diana Farrel vom McKinsey Global Institute schätzt diesen Vorsprung für die
gesamte indische IT und BPO-Branche relativ zur chinesischen. Siehe China and
India: The race to growth (2004). The McKinsey Quarterly, Special Edition: China
today, S. 111-120.
11
Aktuelle Themen 335
Unternehmen den Schritt vom einfachen Programmieren zum Angebot ganzer Geschäftsprozesse erfolgreich vollzogen haben, folgen weitere Schritte. Die Anbieter streben nach komplexeren Aufgaben, die höhere Margen abwerfen. Besonders attraktiv sind Beratungsdienstleistungen. Sie stellen inzwischen das profitable Hauptbetätigungsfeld der westlichen Weltmarktführer dar, die aus dem
klassischen IT-Geschäft stammen und ihre Geschäftsmodelle veredelt haben. Dieser Weg erscheint auch für die indischen Konzerne
gangbar.
Rising Star "Knowledge Process Outsourcing"
… und wissensbasierte Dienstleistungen im Angebot
Daneben testen Anbieter und Kunden immer mehr Prozesse, die
spezifisches Know-how erfordern. Das so genannte Knowledge
Process Outsourcing (KPO) gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Zwar werden die Arbeitsergebnisse wie beim ITES-BPO überwiegend IT-basiert verarbeitet und übermittelt. Kern des KPO ist aber
das Expertenwissen der indischen Mitarbeiter. Auch wenn KPO – im
Vergleich zum BPO – weniger standardisiert und eher ergebnisoffen
ist, eignet es sich aber durchaus, um offshore erbracht zu werden.
Gleichwohl sind die Abläufe komplexer und stellen höhere Anforderungen an die Kommunikation und Abstimmung der Geschäftspartner. Insgesamt werden z.T. Wachstumsraten von 30-50% für die
11
nächsten Jahre erwartet. Konkrete Beispiele sind:
— die detaillierte Analyse von Röntgenbildern durch indische Radiologen für amerikanische Krankenhäuser;
— Übersetzung und Bearbeitung von medizinischen und
psychologischen Forschungstexten;
— Remote-Beratung durch medizinische Spezialisten;
— das Zusammenfassen von amerikanischen Gerichtsurteilen
durch indische Juristen für einen US-amerikanischen Anbieter
von Wirtschaftsdaten;
— die redaktionelle Auswahl von Beiträgen für eine internationale
Nachrichtenagentur (Bangalore);
— Risikomanagement, Internetrecherche (Business intelligence),
und Aktienanalyse für Finanzdienstleister (Mumbai);
— oder die Bilanz-Analyse mittelständischer Unternehmen und
12
Risikomodellierung für ganze Branchen für Banken.
Expansion in den Westen…
Büros in USA und Europa…
Die großen Player indischer Herkunft greifen die angestammten
Märkte ihrer Kunden an. Zum einen werden Dependancen und Büros in den USA und Europa eröffnet. So soll der erste Kontakt zwischen Anbieter und Kunde erleichtert werden und auf dem vertrauten Terrain der potenziellen Kunden stattfinden. Zum zweiten kaufen
indische Anbieter kleine und mittlere Unternehmen auf, um über
Akquisitionen schneller Zutritt zu vielversprechenden Märkten zu
erlangen als über organisches Wachstum möglich erscheint. Diese
geografische Expansion geht einher mit einer ausgeweiteten und
qualitativ höherwertigen Angebotspalette.
11
12
12
Martorelli, William und Stephanie Moore (2005). Offshore Knowledge Process
Outsourcing Emerges. Forrester Research.
Huws, Ursula, Simone Dahlmann und Jörg Flecker (2004). Outsourcing of ICT and
related services in the EU. A status report. Hrsg: European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions. Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities.
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Outsourcing nach Indien
… und Integration anderer Schwellenländer
… und Kapazitäten in
Schwellenländern
Der drohenden Konkurrenz aus anderen Schwellenländern begegnen die international agierenden Häuser pro-aktiv. Sie bauen Kapazitäten auf in Pakistan, Bangladesh, den Philippinen oder China.
Aber auch die osteuropäischen Länder werden in das Portfolio der
Standorte aufgenommen. Ihre Experten und die geografische und
kulturelle Nähe zum Westen Europas qualifizieren die osteuropäischen Staaten als hoch attraktive Regionen, auch wenn das Gehaltsniveau über dem indischen liegt.
Fazit: Aufstieg noch nicht beendet
Weichen stehen auf Wachstum
Intellektueller Nachwuchs von
zentraler Bedeutung
Indiens Outsourcing-Sektor hat einen bemerkenswerten Aufstieg
hinter sich. Seine Vormachtstellung als Standort für IT-Outsourcing
und BPO ist derzeit unangefochten. Die indischen Anbieter werden
allerdings nicht tatenlos zusehen, wie andere Schwellenländer das
indische Erfolgsmodell kopieren. Trotz einiger Hindernisse stehen
die Weichen weiterhin auf Wachstum. Zwar treibt die große internationale Konkurrenz, verbunden mit Engpässen beim professionellen
Nachwuchs, die Löhne in die Höhe und zehrt an den Gewinnen.
Aber die globale Nachfrage nach IT-Experten und Know-how zu
relativ günstigen Konditionen bleibt hoch. Außerdem wagen sich die
indischen Firmen auf bislang unbekanntes Terrain. Geographisch
stoßen sie in die westlichen Märkte vor und integrieren Ressourcen
aus anderen Schwellenländern. Qualitativ steigen sie die Wertschöpfungsleiter hinauf und bieten höherwertigere Dienstleistungen
wie Beratung und wissensintensive Prozesse (Knowledge Process
Outsourcing) an. Beide Strategien sind vielversprechend.
Allerdings tut Indien gut daran, die Ausbildung seiner Fachkräfte in
der Breite und in der Tiefe auf solideren Grund zu stellen sowie die
regionalen Unterschiede zu beseitigen. Der intellektuelle Nachwuchs – in Qualität und Zahl – wird auch in Zukunft die Entwicklung
Indiens maßgeblich bestimmen.
Jürgen Schaaf (+49 69 910-46830, juergen.schaaf@db.com)
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Aktuelle Themen 335
Länderattraktivität für Outsourcing und Offshoring
Rang
Humankapital
(Ausbildung und
Land Score*
Verfügbarkeit)
Kostenvorteil
(Löhne, Steuern
u.a.)
Umwelt**
Kernkompetenz
IT-Dienstleistungen
Arbeitsintensive Verarbeitung,
Elektrogeräte
Elektrogeräte
Verarbeitendes Gewerbe
(Maschinenbau, Zwischenprodukte)
1
2
Indien
China
7,12
5,61
Sehr hoch
Hoch
Sehr hoch
Sehr hoch
Mittel
Gering
3
4
Malaysia
Czech Rep.
5,59
5,58
Mittel
Mittel
Hoch
Hoch
Hoch
Hoch
5
6
7
8
Singapur
Philippinen
Brasilien
Polen
5,45
5,45
5,44
5,33
Hoch
Mittel
Mittel
Mittel
Mittel
Sehr hoch
Hoch
Hoch
Sehr hoch
Gering
Mittel
Hoch
9
Ungarn
5,29
Mittel
Hoch
Hoch
10
11
Thailand
Mexiko
5,20
5,12
Gering
Mittel
Sehr hoch
Hoch
Gering
Mittel
12
Argentinien
5,07
Mittel
Sehr hoch
Gering
13
Südafrika
4,98
Mittel
Hoch
Mittel
14
Portugal
4,71
Mittel
Mittel
Hoch
15
Vietnam
4,70
Sehr gering
Sehr hoch
Sehr gering
16
Russland
4,65
Mittel
Sehr hoch
Sehr gering
17
18
Irland
Türkei
4,49
4,44
Hoch
Gering
Sehr gering
Hoch
Sehr hoch
Sehr gering
Finanz- und Hightech-Zentrum
IT-Dienstleistungen, Call-Center
Fertigung, Export einfacher Güter
Verarbeitendes Gewerbe
(Maschinenbau, Zwischenprodukte)
Verarbeitendes Gewerbe
(Maschinenbau, Zwischenprodukte)
Elektrogeräte, Export einfacher Güter
Verarbeitendes Gewerbe
(Maschinenbau, Zwischenprodukte)
Einfache Güter, Verarbeitendes
Gewerbe, Finanzdienstleistungen
Einfache Güter, Verarbeitendes
Gewerbe, Finanzdienstleistungen
Bekleidung, Metallverarbeitung,
Dienstleistungen
Arbeitsintensive Verarbeitung,
Export einfacher Güter
Arbeitsintensive Verarbeitung,
Export einfacher Güter
Hochwertige IT-Dienstleistungen
Einfaches verarbeitendes Gewerbe,
Bekleidung
*Gesamt-Score AT Kearney Attractiveness Index
** (Infrastruktur, politische Stabilität, Eigentumsrechte)
Quelle: AT Kearney, 2004
14
12
11. Oktober 2005
Aktuelle Themen
Indien Spezial
Indien rückt aufgrund seiner beeindruckenden wirtschaftlichen Entwicklung zunehmend ins Blickfeld der Welt.
Diese Entwicklung ist auf den Liberalisierungsprozess in den vergangenen beiden Jahrzehnten und die
Öffnung des Landes für die Weltwirtschaft zurückzuführen. Unsere Reihe "Indien Spezial" befasst sich mit
Indiens wachsender ökonomischer und politischer Bedeutung und deren Auswirkungen für Asien und die Welt.
Unter anderem behandeln wir die jüngste Entwicklung Indiens sowie die Reformen, die das Land noch durchführen muss, um alle Vorteile einer funktionierenden Marktwirtschaft zu genießen. Darüber hinaus gehen wir
auf folgende Punkte ein: regionale und geopolitische Implikationen der zunehmenden Bedeutung Indiens,
Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen Indien und Deutschland, Aussichten für den IT-Sektor, Kapitalmarktinstitutionen und Ausblick für die Kapitalmärkte, Pensionsfondsreformen in Indien und China, derzeitige
und künftige fiskalische Entwicklung in Indien und Ausblick für den Bankensektor in Indien und China.
Indien im Aufwind: ein mittelfristiger Ausblick.......................................................................................3. Juni 2005
Die erste Publikation der Reihe "Indien Spezial" unterstreicht die Bedeutung Indiens als Megathema der Deutsche Bank
Research. Wir bewerten Indiens Potenzial, die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der nächsten 10-15 Jahre zu
werden – Grund dafür sind die günstige demografische Entwicklung und der wachstumsfreundliche Reformkurs, den das
Land angesteuert hat. Die Studie ermittelt auch diejenigen Branchen und Industrien, die am ehesten von Indiens Aufstieg
profitieren werden.
Outsourcing nach Indien: der Tiger auf dem Sprung .................................................................... 6. Oktober 2005
Indien dominiert als wichtigster Offshoring-Standort den globalen Handel mit IT-Dienstleistungen (ITO) und IT-gestützten
Geschäftsprozessen (BPO). Seine Stärke liegt in den gut ausgebildeten englischsprachigen Fachkräften, die zu niedrigen
Löhnen arbeiten. Allerdings kann der qualifizierte Nachwuchs an Ingenieuren mit der rasant gestiegenen Nachfrage kaum
Schritt halten. Der Druck auf die Löhne steigt. Hier ist die Bildungspolitik gefragt, die Ausbildung auf breitere Grundlage zu
stellen. Der zunehmenden Konkurrenz aus anderen Schwellenländern stellt sich der Tiger dagegen pro-aktiv: Indien expandiert nach USA und Europa, rekrutiert Fachkräfte aus anderen Schwellenländern und steigt qualitativ die Wertschöpfungsleiter hinauf.
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Print ISSN 1430-7421 / Internet ISSN 1435-0734 / E-mail ISSN 1616-5640