Welt in Flammen

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Welt in Flammen
Welt in Flammen
Der Ansturm der Achsenmächte 1939 1942
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Inhalt
Artikel
Kriegführende Staaten im Zweiten Weltkrieg
Kriegsbeginn und Westfeldzug
Polenfeldzug
1
6
6
Sitzkrieg
24
Unternehmen Weserübung
26
Westfeldzug
37
Unternehmen Seelöwe
65
Luftschlacht um England
67
Operation Jubilee
79
Atlantikschlacht
83
Mittelmeer, Afrika und Balkan
94
Balkanfeldzug (1941)
94
Luftlandeschlacht um Kreta
99
Deutsches Afrikakorps
115
Unternehmen Theseus
120
Zweite große Belagerung Maltas
123
Unternehmen Felix
126
Der Krieg im Osten
128
Operation Barbarossa
128
Schlacht um Kiew
129
Schlacht um Moskau
132
Fall Blau
142
Deutscher Angriff auf Stalingrad
147
Japans Ansturm im Pazifik
193
Angriff auf Pearl Harbor
193
Japanische Invasion Südostasiens
219
Schlacht im Korallenmeer
237
Schlacht um Midway
247
Der Krieg in den Schatten
David Stirling
258
258
Special Operations Executive
259
Office of Strategic Services
263
Long Range Desert Group
268
Résistance
270
Sowjetische Partisanen
275
Jugoslawische Volksbefreiungsarmee
281
ELAS
283
Die Gegenseite - Deutsche Spionage
286
Abwehr (Nachrichtendienst)
286
Brandenburg (Spezialeinheit)
291
Reichssicherheitshauptamt
303
Geheime Staatspolizei
312
Schutzstaffel
326
Sicherheitsdienst des Reichsführers SS
333
Referenzen
Quellen und Bearbeiter der Artikel
339
Quellen, Lizenzen und Autoren der Bilder
342
Artikellizenzen
Lizenz
350
Kriegführende Staaten im Zweiten Weltkrieg
1
Kriegführende Staaten im Zweiten Weltkrieg
Kriegführende Staaten im Zweiten Weltkrieg gehörten mehrheitlich
einem der beiden großen Bündnisse an, dem von Deutschland
geführten einerseits („Achse“ oder Dreimächtepakt) oder dem, das sich
aus der britisch-französischen Zusammenarbeit entwickelt hat
(Alliierte). Einige Staaten haben nur gegen einen Teil des gegnerischen
Bündnisses Krieg geführt, und manche haben während des Krieges die
Seite gewechselt.
Mächtegruppen etwa gegen 1943–1945,
allerdings in den Grenzen von 1939
Die folgende Auflistung spiegelt nicht unbedingt die eigentlichen
Verhältnisse wider. Große Teile der Welt waren damals Kolonien, diese Länder konnten aber durchaus durch
Truppenkontingente aktiv beteiligt sein (Beispiel Indien). Andere Staaten waren formal unabhängig, aber stark von
einer Großmacht beeinflusst (Commonwealth, mittelamerikanische Staaten, Kroatien, Slowakei), oder einer
Besatzung unterworfen (Vichy-Frankreich). Die USA sind zwar erst Ende 1941 offiziell in den Krieg eingetreten,
haben aber bereits zuvor Großbritannien mit Material unterstützt. Andere Staaten haben zwar eine Kriegserklärung
abgegeben, sich aber nicht in nennenswertem Umfang an den Kämpfen beteiligt und waren nur für die
Seekriegsführung von gewisser Bedeutung.
Formale Kriegserklärungen sind nur dann berücksichtigt, wenn nicht schon durch einen Angriff der Kriegszustand
hergestellt wurde, da diese dann belanglos sind.
Dreimächtepaktstaaten und Verbündete
Staat
Kriegseintritt
Grund bzw. Art des Kriegsbeginnes und Bemerkungen
Deutsches Reich
1. September
1939
Angriff auf Polen, erklärte den USA am 11. Dezember 1941 den Krieg
Slowakei
1939
Aktive Kriegsteilnahme. Deutscher Satellitenstaat seit 1939, von Staaten wie USA, Frankreich, Sowjetunion
anerkannt, hatte eigene Streitkräfte
Finnland
30. November
1939
Wurde von der Sowjetunion angegriffen, Friedensschluss 1940. Ab 25. Juni 1941 „Fortsetzungskrieg“ nur
gegen die Sowjetunion. Erklärte nach der Kapitulation vor den Sowjets 1944 zunächst seine Neutralität, dann
aber dem Deutschen Reich am 3. März 1945 den Krieg (rückwirkend vom 19. September 1944, seit dem
finnische und sowjetische Truppen die Wehrmacht aus Finnland drängten)
Italien
10. Juni 1940
Eintritt in den Krieg gegen Großbritannien und Frankreich. Die Regierung von Pietro Badoglio, seit Juli
1943, erklärte Deutschland am 13. Oktober 1943 den Krieg (die Italienische Sozialrepublik, ein
Satellitenstaat Hitlers, blieb an deutscher Seite).
Ungarn
11. April 1941
Gegen Jugoslawien. Am 28. 12. 1944 Kriegserklärung der provisorischen Regierung an Deutschland
Bulgarien
19. April 1941
Kriegseintritt erst nach massivem deutschen Druck. Erklärte am 27. August 1944 seine Neutralität und
schließlich Deutschland am 8. September 1944 den Krieg.
Unabhängiger
Staat Kroatien
1941
Aktive Kriegsteilnahme. Satellitenstaat, nur von Achsenmächten anerkannt, hatte allerdings eigene
Streitkräfte
Rumänien
22. Juni 1941
Teilnahme am Krieg gegen die Sowjetunion. Erklärte Deutschland am 25. August 1944 den Krieg.
Japan
1936 7.
Dezember 1941
Angriff auf die USA (siehe Angriff auf Pearl Harbor).
Mandschukuo
1936 7.
Dezember 1941
Japanischer Satellitenstaat war von 24 Staaten anerkannt (darunter sechs Staaten, die nicht der Achse
angehörten oder achsenfreundlich waren)
Thailand
21. Dezember
1941
Unterzeichete ein Militärbündnis mit Japan. Aktive Kriegsteilnahme in Burma.
Kriegführende Staaten im Zweiten Weltkrieg
Italienische
Sozialrepublik
23. September
1943
2
nach Seitenwechsel Italiens norditalienischer Satellitenstaat des Dritten Reiches, nur von den Achsenmächten
anerkannt, hatte eigene Streitkräfte, De-facto-Anerkennung durch Kriegserklärung der Alliierten. Bestand bis
Ende April 1945.
Hinzu kommen von Deutschland und Japan eingesetzte Regierungen in den besetzten Ländern und neu geschaffene
Staaten, die im Allgemeinen kaum eigene Armeen besaßen, sondern die jeweiligen unterstützten.
Alliierte und Verbündete
Abgesehen von Kanada, den USA, Mexiko und Brasilien erklärten alle amerikanischen Staaten den Achsen den
Krieg, beteiligten sich aber an diesem nicht militärisch. Kriegserklärungen sind nicht unbedingt an alle Staaten des
gegnerischen Bündnisses ergangen.
Staat
Kriegseintritt
Grund bzw. Art des Kriegsbeginnes und Bemerkungen
China
1936/1937 bzw. 9. 12.
1941
von Japan angegriffen bzw. Kriegserklärung an Deutschland, aber seit 1940 projapanische
Marionettenregierung in Nanking, die 1941 dem Antikominternpakt beitrat
Polen
1. 9. 1939 bzw. 11. 12.
1941
von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen; Kriegserklärung an Japan durch
Exilregierung
Großbritannien
3. 9. 1939
Kriegserklärung an Deutschland infolge des Beistandspaktes mit Polen
Frankreich
3. 9. 1939
Kriegserklärung an Deutschland infolge des Beistandspaktes mit Polen
Australien
3. 9. 1939
Kriegserklärung an Deutschland als Mitglied des Britischen Commonwealth
Indien
3. 9. 1939
Kriegserklärung an Deutschland als Mitglied des Britischen Commonwealth
Neuseeland
3. 9. 1939
Kriegserklärung an Deutschland als Mitglied des Britischen Commonwealth
Südafrikanische
Union
6. 9. 1939
Kriegserklärung an Deutschland als Mitglied des Britischen Commonwealth
Kanada
10. 9. 1939
Kriegserklärung an Deutschland als Mitglied des Britischen Commonwealth
Sowjetunion
17. 9. 1939 bzw. 22. 6.
1941 bzw. 08.08. 1945
Einmarsch in Polen; von Deutschland angegriffen, eine Kriegserklärung erfolgt nicht;
Kriegserklärung an Japan
Norwegen
9. 4. 1940
von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen
Belgien
10. 5. 1940
von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen
Luxemburg
10. 5. 1940 bzw. 15. 1.
1942
von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen; Kriegserklärung durch Exilregierung
Niederlande
10. 5. 1940
von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen
Griechenland
28. 10. 1940 bzw. 6. 4.
1941
von Italien bzw. Deutschland angegriffen
Jugoslawien
6. 4. 1941
von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen
Tuwinische
Volksrepublik
25. 6. 1941
Kriegserklärung an Deutschland (großer sowjetischer Einfluss); tuwinische Einheiten kämpften
in der Roten Armee
USA
7. 12. 1941 bzw. 11. 12.
1941
von Japan angegriffen (Kriegserklärung erfolgt am 8. Dezember) bzw. Kriegserklärung
Deutschlands
Philippinen
8. 12. 1941 bzw. 14. 6.
1942
von Japan angegriffen bzw. Kriegserklärung an Deutschland (selbstverwaltete US-Kolonie bis
1946), aber projapanische Marionettenregierung Laurel im Antikominternpakt
Costa Rica
8. 12. 1941 bzw. 13. 1.
1942
Kriegserklärung an Japan bzw. Italien (großer amerikanischer Einfluss); an keinen Kämpfen
beteiligt
Guatemala
9. 12. 1941 bzw. 11. 12.
1941
Kriegserklärung an Japan bzw. an Deutschland (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Kriegführende Staaten im Zweiten Weltkrieg
3
Kuba
9. 12. 1941 bzw. 12. 12.
1941
Kriegserklärung an Japan bzw. an Deutschland (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Panama
9. 12. 1941 bzw. 16. 1.
1942
Kriegserklärung an Japan bzw. an Deutschland (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Tschechoslowakei
9. 12. 1941 bzw. 17. 12.
1941
Kriegserklärung der Exilregierung an Dreimächtepaktstaaten; Exiltruppen kämpften an der
Ostfront
Dominikanische
Republik
11. 12. 1941
Kriegserklärung an Dreimächtepaktstaaten (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
El Salvador
12. 12. 1941
Kriegserklärung an Dreimächtepaktstaaten (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Haiti
12. 12. 1941
Kriegserklärung an Dreimächtepaktstaaten (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Honduras
12. 12. 1941
Kriegserklärung an Dreimächtepaktstaaten (amerikanischer Einfluss); an keinen Kämpfen
beteiligt
Nicaragua
12. 12. 1941
Kriegserklärung an Dreimächtepaktstaaten (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Mexiko
22. 5. 1942
Kriegserklärung an Deutschland (US-Einfluss); mit Lufteinheiten 1945 im Pazifik beteiligt (→
Escuadrón Aéreo de Pelea 201)
Brasilien
22. 8. 1942 bzw. 6. 6. 1945 Kriegserklärung an Deutschland bzw. Japan, aktive Kriegsteilnahme an der Italienischen Front
(→ Brazilian Expeditionary Force)
Äthiopien
1. 12. 1942
Kriegserklärung an Deutschland; war bis 1941 von Italien besetzt
Irak
16. 1. 1943
Kriegserklärung an Deutschland; April 1941 prodeutscher Putsch der von den Briten
niedergeschlagen wird
Bolivien
7. 4. 1943
Kriegserklärung an Deutschland und Japan (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Iran
9. 9. 1943 bzw. 1. 3. 1945
Kriegserklärung an Deutschland bzw. Japan; wurde 1941 von der Sowjetunion (im Norden)
und Großbritannien besetzt
Kolumbien
27. 11. 1943
Kriegserklärung an Deutschland (großer amerikanischer Einfluss); an keinen Kämpfen beteiligt
Liberia
27. 1. 1944
Kriegserklärung an Deutschland; an keinen Kämpfen beteiligt
Ecuador
2. 2. 1945
Kriegserklärung an Deutschland und Japan (erst nach politischem Druck aus den USA); an
keinen Kämpfen beteiligt
Paraguay
8. 2. 1945
Kriegserklärung an Deutschland und Japan (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Peru
12. 2. 1945
Kriegserklärung an Deutschland und Japan (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Chile
14. 2. 1945 bzw. 16. 2.
1945
Kriegserklärung an Japan bzw. an Deutschland (großer amerikanischer Einfluss); an keinen
Kämpfen beteiligt
Venezuela
16. 2. 1945
Kriegserklärung an Deutschland (großer amerikanischer Einfluss); an keinen Kämpfen beteiligt
Uruguay
23. 2. 1945
Kriegserklärung an Deutschland (erst nach politischem Druck aus den USA); an keinen
Kämpfen beteiligt
Türkei
23. 2. 1945
bis 1943 wohlwollende Neutralität zugunsten Deutschlands, im Februar 1945 auf britischen
Druck hin Kriegserklärung an Deutschland, zu einem Eingreifen auf dem Balkan kommt es
jedoch nicht mehr
Ägypten
26. 2. 1945
Kriegserklärung an Deutschland nachdem prodeutsche Regierung 1942 von Briten gestürzt
worden war, zudem wurde 1941 und 1942 auf ägyptischem Boden gekämpft
Syrien
26. 2. 1945
Kriegserklärung an Deutschland; zuvor 1941 von den Freien Franzosen und Briten besetzt
Kriegführende Staaten im Zweiten Weltkrieg
4
Libanon
27. 2. 1945
Kriegserklärung an Deutschland; zuvor 1941 von den Freien Franzosen und Briten besetzt
Saudi-Arabien
28. 2. 1945
Kriegserklärung an Deutschland; an keinen Kämpfen beteiligt
Argentinien
27. 3. 1945
Kriegserklärung an Deutschland und Japan (großer amerikanischer Einfluss) war vorher aber
zumindest nicht antideutsch; an keinen Kämpfen beteiligt
Mongolei
11.08.1945
Kriegserklärung nur an Japan, starker Einfluss der Sowjetunion, war Aufmarschgebiet für die
UdSSR
Neutral, aber am Krieg beteiligt
Staat
Kriegseintritt Bemerkungen
Dänemark im Krieg seit
9. 4. 1940
von Deutschland angegriffen und besetzt; eine Kriegserklärung erfolgte nicht; statt dessen Beitritt zum
Antikominternpakt, bis 29. August 1943 mit eigenständiger Regierung, auch danach keine Exilregierung oder
Kriegserklärung, sondern „Nichtzusammenarbeit“ mit der Besatzungsmacht
Monaco
neutral
1940 von Italien, ab 1943 von Deutschland besetzt, 1944 von RAF bombardiert und 1944 von Frankreich besetzt
Nepal
neutral
trotz starkem britischem Einfluss, britische Armee rekrutierte Gurkha in Nepal mit Billigung der Regierung
San
Marino
neutral
1943/44 von der Wehrmacht, 1944/45 von den Briten besetzt
Schweden neutral
sendete mit staatlicher Unterstützung Freiwillige und Material an Finnland 1939; Wehrmacht und Alliierte hatten
reguläre Truppen durch Schweden geschickt; bis 1943 prodeutsche Wirtschaftsabkommen; 1945 pro-alliierte
Mobilmachung
Schweiz
neutral
mobilisiert von 1939 bis 1945, territorialer Grenzschutz mit Luftabwehrkämpfen am nördlichen/nordöstlichen
Grenzverlauf.
Spanien
neutral
sendete mit staatlicher Unterstützung Freiwillige und Material an Deutschland (siehe Blaue Division)
Portugal
neutral
ursprünglich achsenfreundlich, später aber immer mehr alliiertenfreundlich; erlaubte den Alliierten Errichtung von
Basen auf den Azoren
Neutrale
Staat
Kriegseintritt Bemerkungen
Afghanistan
neutral
als Staat neutral
Andorra
neutral
befand sich seit dem Ersten Weltkrieg de jure noch bis zum 25. September 1939 im Kriegszustand mit Deutschland
Bhutan
neutral
trotz starkem britischen Einfluss
Irland
neutral
bestimmte Stützpunkt- und Unterstützungsabkommen mit Großbritannien, aber antibritische Sympathien für
Deutschland, daher Freiwillige auf beiden Seiten, vor allem auf britischer Seite, einziges Land, das zum Tod Adolf
Hitlers kondolierte, und letztes neutrales Land mit Beziehungen zu Deutschland
Jemen
neutral
trotz starkem britischen Einfluss
Liechtenstein neutral
Freiwillige (ohne Unterstützung) in Wehrmacht und SS; Putsch der Liechtensteiner Nationalsozialisten scheiterte
1939, 1945 Aufnahme russischer Soldaten, die auf deutscher Seite gestanden hatten
Vatikan
als Staat neutral, diplomatische Verwicklungen der Kirche gab es aber (zwischen den Alliierten und den
Achsenmächten)
neutral
Kriegführende Staaten im Zweiten Weltkrieg
Siehe auch
• Anti-Hitler-Koalition
• Zweiter Weltkrieg
5
6
Kriegsbeginn und Westfeldzug
Polenfeldzug
Polenfeldzug 1939
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Die Schleswig-Holstein beim Beschuss des Marinehafens der polnischen Stadt Gdynia (deutsch Gdingen).
Datum
1. September–6. Oktober 1939
Ort
Polen und die Freie Stadt Danzig
Ausgang
Sieg der deutschen Truppen
Folgen
Besetzung und Zerschlagung des polnischen Staates, Teilung Polens zwischen dem Deutschen Reich und der
Sowjetunion, Eingliederung der Freien Stadt Danzig in das Deutsche Reich
Friedensschluss keiner, am 6. Okt. 1939 letztes Gefecht mit regulären Truppen
Konfliktparteien
Polen
Deutsches Reich
und SS-Heimwehr Danzig
Slowakei
Befehlshaber
Edward Rydz-Śmigły
(Oberbefehlshaber)
Walther von Brauchitsch
(Oberbefehlshaber des Heeres)
Truppenstärke
Polenfeldzug
37 Divisionen,
12 Brigaden
4.300 Geschütze
750 gepanzerte Fahrzeuge
900 Flugzeuge
Gesamtstärke:
1.000.000 Polen
7
61 deutsche Divisionen,
6 deutsche Brigaden,
3 slowakische Divisionen
10.000 Geschütze
3.600 gepanzerte Fahrzeuge
1.929 Flugzeuge
Gesamtstärke:
1.600.000 Deutsche,
50.000 Slowaken
Verluste
66.300 Tote,
133.700 Verwundete,
694.000 Gefangene,
16.376 ermordete Zivilisten (Sept./Okt. 1939)
Heer:
16.843 Tote,
36.473 Verwundete,
[1]
320 Vermisste
Luftwaffe:
549 Tote,
407 Verwundete
Kriegsmarine:
77 Tote,
3 Vermisste,
[2]
115 Verwundete
Wehrmacht insgesamt:
17.469 Tote,
323 Vermisste,
36.995 Verwundete
Slowakei:
37 Tote,
18 Vermisste,
[3]
114 Verwundete
Einige Tausend ermordete Volksdeutsche
Mit dem Polenfeldzug im September 1939 löste das vom Nationalsozialismus regierte Deutsche Reich den Zweiten
Weltkrieg in Europa aus. Dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg[4] wird in Deutschland oft als Überfall auf
Polen, in Polen als Septemberfeldzug (Kampania wrześniowa) oder Verteidigungskrieg von 1939 (Wojna obronna
1939 roku) bezeichnet.
Er begann am 1. September 1939 ohne vorherige Kriegserklärung mit dem Einmarsch der Wehrmacht in den
Westteil der Zweiten Polnischen Republik und endete am 6. Oktober mit der Kapitulation der letzten polnischen
Feldtruppen, nicht jedoch der ins Exil geflohenen polnischen Regierung.
Am 3. September 1939 erklärten Frankreich und Großbritannien im Rahmen ihrer Beistandsverträge mit Polen
Deutschland den Krieg. Sie eröffneten aber nur minimale militärische Aktivitäten, die Polen keine reale Entlastung
brachten.
Gemäß dem geheimen Zusatzprotokoll zum Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom 24. August 1939
marschierte am 17. September die Rote Armee in Ostpolen ein. Die sowjetische Besetzung Ostpolens wird
manchmal in den Begriff „Polenfeldzug“ eingeschlossen.[5]
Im Kriegsverlauf und unter der deutschen Besetzung Polens 1939–1945 verübten Einsatzgruppen der
Sicherheitspolizei und des SD und Wehrmachtsangehörige teils planmäßig, teils spontan Massenmorde an
polnischen Intellektuellen, Priestern, Gewerkschaftern, Adligen[6] und Juden. Dies gilt als der „Auftakt zum
Vernichtungskrieg“, wie er zwei Jahre darauf im Krieg gegen die Sowjetunion geführt wurde[7] , und zum Holocaust.
Polenfeldzug
Politische Vorgeschichte
Deutsch-polnische Spannungen (1919–1933)
Die souveräne Zweite Polnische Republik wurde am 11. November 1918 neu gegründet. Sie gehörte für die
Siegermächte des Ersten Weltkriegs zum osteuropäischen Cordon Sanitaire, der Westeuropa vor der Sowjetunion
schützen und auch mögliche neue Großmachtambitionen Deutschlands eindämmen sollte.
Der Versailler Vertrag schlug Westpreußen mitsamt des multiethnischen Territoriums des Korridors Polen zu und
trennte damit Ostpreußen vom übrigen Reichsgebiet. Danzig wurde als Freie Stadt mit einem polnischen Freihafen
aus Deutschland ausgegliedert und unter die Kontrolle des Völkerbunds gestellt. Für die ethnischen Minderheiten in
Polen – vor allem Ukrainer, Juden, Weißrussen und Deutsche – waren Sonderrechte vorgesehen.
Mit den im Versailler Vertrag festgelegten Grenzen war weder die polnische noch die deutsche Seite einverstanden.
Polen erweiterte sein Staatsgebiet nach Osten über die in den Pariser Friedensverhandlungen vorgeschlagene Grenze
(Curzon-Linie) hinaus zu Lasten Litauens und Sowjetrusslands im Polnisch-Sowjetischen Krieg. Der genaue
Grenzverlauf zwischen Deutschland und Polen wurde erst nach bürgerkriegsartigen Aufständen in Oberschlesien im
Juli 1921 festgelegt und blieb weiterhin ständiger Streitpunkt.
Alle Regierungen der Weimarer Republik strebten im Sinne großer Bevölkerungsteile eine Revision der Ostgrenzen
an, um die 1919 verlorenen Gebiete zurückzugewinnen (Vertragsrevisionismus). So garantierte der Vertrag von
Locarno 1925 zwar die neue deutsche Westgrenze, doch eine ähnliche Regelung für die Ostgrenzen lehnte Gustav
Stresemann ab. Stattdessen leitete die Reichsregierung einen ergebnislosen Zollkrieg gegen die polnische Wirtschaft
ein. Gleichzeitig näherte sie sich 1922 mit dem Vertrag von Rapallo und dem Berliner Vertrag 1926 politisch der
UdSSR an, mit der sie auch militärisch zusammenarbeitete, um Versailler Beschränkungen zu umgehen.
Die polnische Regierung hatte eine ebenso unnachgiebige Haltung in den Grenzfragen und versuchte, Polen zu einer
Führungsmacht in Ostmitteleuropa zu machen, von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer (→ Międzymorze). Unter
Józef Piłsudski, dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte, der seit 1918 der eigentliche Machthaber war, schloss das
Land am 25. Juli 1932 schließlich einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion, um zunächst die 1921 erfolgte
Grenzziehung abzusichern.
Kursänderungen nach Hitlers Amtsantritt
Die NSDAP gehörte seit 1919 zu den schärfsten Gegnern des Versailler Vertrages. Adolf Hitler erklärte zudem die
Gewinnung von „Lebensraum im Osten“ in Mein Kampf zum für ihn entscheidenden Politikziel.[8] Er richtete es vor
allem gegen die Sowjetunion, ohne Polen zu erwähnen. Dies sieht der Historiker Wolfgang Wippermann als Indiz
dafür, „wie wirklichkeitsfremd dieses Programm war“.[9]
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 mobilisierte die polnische Regierung zunächst
einen Teil ihrer Streitkräfte und sondierte in Paris wahrscheinlich die Möglichkeit einer gemeinsamen Militäraktion
gegen Deutschland.[10] Nach der Liebmann-Aufzeichnung vom 3. Februar 1933 wies Hitler auf die Bedrohung durch
das militärisch stärker gerüstete Polen hin.[11] Um Deutschland ungehemmt aufrüsten und ausdehnen zu können,
verfügte er zunächst den Austritt aus dem Völkerbund. Daraufhin kündigte Piłsudski den vertraglichen
Minderheitenschutz und begann eine Polonisierung der Minderheiten seines Landes.[12]
Doch Hitler zeigte Polen Verhandlungsbereitschaft, etwa indem er die Zusammenarbeit mit der UdSSR demonstrativ
beendete. Am 26. Januar 1934 schlossen Polen und das Deutsche Reich den auf zehn Jahre befristeten
deutsch-polnischen Nichtangriffspakt. Einige Historiker betrachten diesen als Wendepunkt in der deutschen
Ostpolitik, der die Konfrontation der Weimarer Zeit beendete.[13] Andere sehen darin nur eine taktische Maßnahme,
die Polen zu einem Werkzeug deutscher Interessen machen sollte.[14]
In den folgenden Jahren zerfiel das polnisch-französische Bündnis unter dem Eindruck der neuen
Bündniskonstellationen. Der französisch-sowjetische Beistandspakt vom 2. Mai 1935 entfernte die ehemaligen
8
Polenfeldzug
Partner weiter voneinander, während Polen und das Deutsche Reich politisch und wirtschaftlich enger
zusammenarbeiteten. Dies zeigte sich vor allem nach dem Münchner Abkommen vom 30. September 1938: Hatte
sich die polnische Regierung von der deutschen Besetzung des Rheinlandes (7. März 1936) noch scharf distanziert,
so nutzte sie die Lage nun für eigene Interessen aus. Am 2. und 3. Oktober besetzte Polen den tschechischen Teil der
1919 getrennten, ehemals Teschen genannten Stadt (Český Těšín) sowie das Olsagebiet.[15] Am 10. Oktober 1938
besetzten die Deutschen gemäß dem Münchner Abkommen das Sudetenland.
Deutsch-polnische Verhandlungen
Am 24. Oktober 1938 begann der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop Verhandlungen mit der
polnischen Regierung zur „Lösung” aller strittigen Fragen. Er verlangte die Wiedereingliederung der Freien Stadt
Danzig in das Deutsche Reich sowie Transitverkehr über ein neuzubauendes exterritoriales Teilstück der
Reichsautobahn Berlin – Königsberg und über den Schienenweg (ehem. Preußische Ostbahn) durch den polnischen
Korridor. Dafür bot er die Anerkennung der übrigen deutsch-polnischen Grenzen, eine Verlängerung des
deutsch-polnischen Nichtangriffspakts auf 25 Jahre, einen Freihafen in beliebiger Größe in Danzig, und lud zudem
Polen zum Beitritt in den Antikominternpakt ein.[16]
Die polnische Regierung zögerte mit einer Antwort auf Ribbentrops Vorschläge, ging auf die meisten gar nicht erst
ein und stellte nur graduelle Veränderungen in Aussicht. Außenminister Józef Beck lehnte den Nichtangriffspakt mit
Deutschland auch deshalb ab, um das Verhältnis zur UdSSR nicht unnötig zu belasten und die von Polen angestrebte
Führungsrolle im „Dritten Europa“ nicht zu gefährden.[17] Ribbentrops Angebot war nach Klaus Hildebrand eine
„unannehmbare Zumutung“ für Polen, weil es sich bei Annahme völlig von seinem bisherigen Verbündeten
Frankreich isoliert hätte. Das Land hätte damit „künftig an der Kette des Reiches gelegen“ und wäre zu einem
„Satrapen für den Eroberungszug im Osten“ geworden.[18] Die deutsch-polnischen Verhandlungen zogen sich
deshalb ergebnislos hin.
Am 14. März 1939 schloss das Deutsche Reich einen „Schutzvertrag“ mit der Slowakei, um deren Trennung von der
„Rest-Tschechei“ zu beschleunigen. In diese marschierten schon am Folgetag deutsche Truppen ein. Damit brach
Hitler nach wenigen Monaten das Münchner Abkommen, ohne effektive Sanktionen der daran beteiligten
Regierungen fürchten zu müssen. Auf deutschen politischen Druck hin verzichtete Litauen am 23. März auf das
1920 von Deutschland getrennte und 1923 annektierte Memelland. Damit erreichte Hitler ohne Krieg eine teilweise
Revision der Versailler Gebietsverluste; unter anderem der strittige Korridor samt Danzig stand noch aus. Diese
Politik machte die Bedrohung auch für Polen offensichtlich.
Der Weg in den Krieg
Am 26. März 1939 wies Polens Regierung das deutsche Angebot endgültig zurück und stellte klar, dass sie jede
einseitige territoriale Veränderung als Kriegsgrund behandeln würde. Zudem leitete sie eine Teil-Mobilmachung
ihrer Streitkräfte ein, um einer handstreichartigen deutschen Annexion Danzigs vorzubeugen.
Großbritannien beendete nach dem deutschen Bruch des Münchener Abkommens seine bisherige
Appeasement-Politik. Am 31. März sicherte der britische Premierminister Neville Chamberlain Polen militärische
Unterstützung zu, falls dessen Existenz bedroht werde. Auf Bitte Polens wurde am 6. April ein förmlicher
Beistandspakt zwischen beiden Staaten unterzeichnet. Am 13. April wurde auch die polnisch-französische Allianz
erneuert.
Daraufhin kündigte Hitler am 28. April 1939 den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt und das deutsch-britische
Flottenabkommen. Bereits am 11. April hatte er der Wehrmacht Weisung zur Ausarbeitung eines Kriegsplanes
gegen Polen erteilt.[19] Bei seiner Rede vor den Oberbefehlshabern am 23. Mai 1939 verkündete er das eigentliche
Ziel des bevorstehenden Feldzuges:[20]
„Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um Arrondierung des Lebensraumes im
Osten und um Sicherstellung der Ernährung … In Europa ist keine andere Möglichkeit zu sehen.“
9
Polenfeldzug
Damit wollte Hitler die Abhängigkeit von westlichen Importen verringern und eine Seeblockade, die im Ersten
Weltkrieg zur militärischen und politischen Niederlage Deutschlands beigetragen hatte, vermeiden. Er setzte die
Verhandlungen um Danzig noch bis zum August 1939 fort, um Zeit für Kriegsvorbereitungen zu gewinnen und
Großbritannien und Frankreich möglichst vom militärischen Eingreifen abzuhalten.
Diese hätten Polen durch einen Einmarsch in Deutschland von Westen her helfen können, waren darauf aber trotz
zahlenmäßiger Überlegenheit ihrer Divisionen nicht vorbereitet oder nicht dazu bereit. Um Polen auf dessen Gebiet
militärisch wirksam unterstützen zu können, verhandelten die Westmächte seit Sommer 1939 über eine
Militärkonvention mit der UdSSR. Diese verlangte ein Durchmarschrecht für die Rote Armee durch Polen. Dessen
Regierung befürchtete, dass die Sowjets dieses Recht zur Rückgewinnung ihrer 1921 verlorenen Gebiete ausnutzen
würden. Polens Außenminister lehnte diese Bedingung daher am 15. August 1939 endgültig ab.[21] Noch während
dieser Gespräche handelte der sowjetische Außenminister Molotow mit Ribbentrop in Moskau zuerst den
Deutsch-Sowjetischen Wirtschaftsvertrag aus, der sowjetische Rohstofflieferungen auch unter Blockadebedingungen
ermöglichen sollte.
In einer Ansprache vor den versammelten Führern der Wehrmacht, von der mehrere Aufzeichnungen existieren,
definierte Hitler auf dem Berghof am 22. August als Ziel des bevorstehenden Feldzuges: „Vernichtung Polens =
Beseitigung seiner lebendigen Kraft“.[22] Der Feldzug werde keine großen Probleme mit den Westmächten nach sich
ziehen:
„Mit einem Dazwischentreten Englands und Frankreichs rechne er nicht, sei vielmehr überzeugt, daß beide
Staaten wohl drohen, mit dem Säbel rasseln, Sanktionen verhängen, vielleicht auch eine Blockade aufrichten,
aber niemals militärisch eingreifen würden.“
Um Deutschland einzudämmen, hätten sie bislang auf ein Bündnis mit der Sowjetunion gehofft – „auch diese Karte
habe ich ihnen nun aus der Hand geschlagen.“
Am 23. August 1939 folgte der Hitler-Stalin-Pakt, dessen geheimes Zusatzprotokoll die Interessengebiete aufteilte:
Danach sollten Ostpolen und das Baltikum unter sowjetische Verwaltung kommen.
Nach dem Scheitern der britisch-sowjetischen Verhandlungen bat die britische Regierung Warschau nochmals um
Verhandlungen mit Berlin. Wegen der westlichen Garantieerklärungen und dem hohen Vertrauen in die eigenen
Streitkräfte sah die polnische Führung jedoch keinen Grund mehr für weitere diplomatische Bemühungen. Hitler
hatte seine Forderungen inzwischen gesteigert und mit einem Ultimatum verbunden. Daraufhin leitete die polnische
Regierung am 29. August die Generalmobilmachung der polnischen Streitkräfte ein.
Feindpropaganda und fingierte Grenzzwischenfälle
Während der sich verschärfenden Lage hatten auf beiden Seiten die Berichte über Grenzverletzungen und
Zwischenfälle zugenommen. Seit Anfang 1939 war es zu Ausschreitungen gegen „Volksdeutsche“ in Polen
gekommen. Die NS-Propaganda, die während der Dauer des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes nicht negativ
über Polen berichten durfte, nutzte diese Vorfälle seit März 1939, um ein Feindbild von Polen zu verstärken.
Deutsche Polizeiberichte schilderten etwa den polnischen Beschuss von militärischen und zivilen Flugzeugen und
zahlreiche Übergriffe, auch mit Todesfolge auf deutscher Seite.[23] Auch die Polen machten eine Aufstellung von
Zwischenfällen.[24]
Seit dem 22. August 1939 täuschten zudem als polnische Freischärler verkleidete SD- und SS-Angehörige sowie
dazu genötigte KZ-Häftlinge (die ermordet und als Beweis für Kampfhandlungen liegengelassen wurden) mehrere
„Grenzzwischenfälle“ vor. Sie sollten dem Ausland von Polen ausgehende kriegerische Akte demonstrieren, gegen
die Deutschland sich nur militärisch verteidigen könne. Dazu gehörte auch der angebliche Überfall auf den Sender
Gleiwitz.[25] Hitler erwähnte Gleiwitz in seiner Reichstagsrede am 1. September nicht.[26] Deutsche Wochenschauen
vom September 1939 zeigten brennende deutsche Bauernhöfe im Korridor, Artilleriebeschuss der oberschlesischen
Grenzstadt Beuthen sowie die Beerdigung eines erschossenen Danziger SS-Mannes als Kriegsbegründungen.
10
Polenfeldzug
Militärischer Verlauf
Deutsche Vorbereitungen
Das Oberkommando des Heeres (OKH) schloss seine Planung bis zum
15. Juni 1939 ab (Codename Fall Weiß).[27] Die Vorbereitungen
wurden als Manöverübungen, Bau von Grenzbefestigungen u. a.
verdeckt durchgeführt. So wurden zur 25-Jahr-Feier der Schlacht bei
Tannenberg in Ostpreußen eine Infanterie- und eine Panzerdivision aus
dem Reich abgeordnet. Die eigentliche Generalmobilmachung begann
jedoch verdeckt erst am 25. August 1939.
Ausgangsstellungen der Heere und geplante
Bedingt durch den Grenzverlauf und Bündnispolitik hatte Deutschland
Hauptstoßrichtungen
schon von Beginn an Polen von mehreren Seiten her eingekesselt –
vom Nordwesten bis zum Gebiet der verbündeten Slowakischen
Republik im Süden, dazu von Nordosten aus Ostpreußen. Nach Kriegsbeginn kam das dahin neutrale Danziger
Gebiet hinzu, und im Osten lag die verbündete Sowjetunion. Daher befanden sich die deutschen Streitkräfte in einer
vorteilhaften Lage. Für den Angriff wurden sie in zwei Heeresgruppen unterteilt: Die Heeresgruppe Nord (630.000
Mann unter Generaloberst Fedor von Bock) sollte zunächst die polnischen Streitkräfte im polnischen Korridor
zerschlagen, um eine Verbindung zwischen Ostpreußen und dem Hauptgebiet des Deutschen Reiches herzustellen.
Danach sollte sie direkt auf Warschau vorstoßen, um damit den Hauptangriff, der im südlichen Polen stattfinden
sollte, zu entlasten. Die Heeresgruppe Süd (886.000 Mann unter Generaloberst Gerd von Rundstedt) verfügte über
drei Armeen. Die 14. Armee unter Generaloberst Wilhelm List sollte von Schlesien und der Slowakei aus die
polnischen Grenzbefestigungen in Ostoberschlesien einnehmen, danach die deutschen Operationen nach Galizien hin
mit Angriffen decken und auf den Fluss San vorrücken. Die 10. Armee unter General der Artillerie Walter von
Reichenau sollte den Hauptangriff auf Warschau führen. Dazu wurden ihr die meisten motorisierten Verbände
zugeteilt. Auf ihrer linken Flanke sollte die 8. Armee unter General der Infanterie Johannes Blaskowitz die
Operationen nach Posen hin abschirmen. So hoffte die deutsche Führung, die Masse des polnischen Heeres noch
westlich der Weichsel zu umfassen und zu vernichten.
Schon am 25. August befand sich ein großer Teil der Truppen in ihren
Bereitstellungsräumen. Hitler befahl den Angriff für den 26. August,
zog den Angriffsbefehl aber kurzfristig zurück, nachdem er erfahren
hatte, dass Italien nicht kriegsbereit sei und England und Polen ihre
gegenseitigen Zusagen vertraglich fixiert hatten. So erhielt die
Wehrmachtführung andererseits Zeit, um die Mobilmachung der
Truppen abzuschließen.
Ein Kommandounternehmen gegen den seit 1938 polnisch besetzten
Deutsche Soldaten mit bespanntem
Bahnhof von Mosty konnte jedoch nicht mehr rechtzeitig gestoppt
Infanteriegeschütz, Aufnahme aus dem
werden. Nach anfänglichen Erfolgen der Kommandosoldaten mussten
Bundesarchiv
sie sich wieder über die Grenze zurückziehen.[28] Auch an der
Weichselbrücke Dirschau kam es zu einigen Zusammenstößen deutscher und polnischer Truppenteile, bei denen
beiderseits erste Verluste zu verzeichnen waren.[29]
11
Polenfeldzug
Polnische Pläne
Polens Militärs hatten nach dem 1933 gescheiterten Versuch, Frankreich für einen präventiven Angriff gegen
deutsche Rüstungszentren zu gewinnen, einen „Plan West“ (Plan Zachód) auch Frankreichs General Gamelin
unterbreitet und diesen ab März 1939 weiter ausgearbeitet. Dem polnischen Generalstab und der polnischen Führung
war nur teilweise klar, dass Polens Streitkräfte inzwischen denen der Wehrmacht materiell und operativ unterlegen
waren. So meinte der Kriegsminister Tadeusz Kasprzycki:
„Man rät uns zum Bau von Festungen und zur Vorbereitung eines Verteidigungskrieges, empfiehlt uns
Rückzugsmanöver und Widerstand an unseren Flussläufen. Nichts davon werden wir tun. Wir kennen nur die
Offensive, und im Angriff werden wir siegen.“[30]
Die Devise lautete Marsz na Berlin! Marsz na Berlin! (Auf, gegen Berlin)[31] Polen verfügte über umgerechnet etwa
44 Divisionen gegenüber etwa 57 deutschen Divisionen, die noch dazu besser ausgerüstet und bewaffnet waren.
2400 leichten und mittleren deutschen Panzern standen ca. 800 leichte (Tanketten, 7TP) und veraltete Panzer Renault
FT-17 gegenüber. Panzerdivisionen nach deutschem Muster gab es bis auf eine motorisierte Brigade nicht. Den
deutschen Luftflotten 1 und 4 mit zusammen 1929 einsatzbereiten, zum Teil modernsten Flugzeugen konnten die
Polen nur 842 Maschinen der Typen PZL P.7, PZL P.11, PZL.23 Karaś, PZL.37 Łoś und einige ältere Modelle
entgegenstellen.
Frankreich hatte der polnischen Regierung vertraglich zugesichert, spätestens zehn Tage nach Kriegsbeginn mit dem
Großteil seiner Divisionen Deutschland anzugreifen und ihm so einen Zweifrontenkrieg aufzuzwingen. Demgemäß
wollte die polnische Armee dem Angreifer zunächst solange hinhaltenden Widerstand leisten, bis die französische
Offensive sie entlasten würde.
Für die zweite Phase plante man einen Gegenangriff. Die günstigste Verteidigungslinie verlief entlang der Flüsse
Narew-Bug-Weichsel-San mitten durch Polen. Doch die meisten unersetzlichen Rüstungsbetriebe lagen westlich
dieser Linie in den ehemals deutschen Gebieten Ostoberschlesien beziehungsweise der Provinz Posen, wo auch der
Großteil der Reservisten lebte. Um diese Gebiete möglichst lange zu behaupten, beschloss das polnische
Oberkommando, den deutschen Angriff schon an den Grenzen zu empfangen und sich falls nötig später auf die
Verteidigungslinie zurückzuziehen.
Zur geplanten Verteidigung der Landesgrenzen wurden die polnischen
Streitkräfte weit verteilt. Am äußersten rechten Flügel stand die
Operationsgruppe Narew, die nach Beginn eines deutschen Angriffs
sofort Ostpreußen von Osten bedrohen und die polnischen Grenzen
gegen Litauen sichern sollte. Daran schloss sich die Armee Modlin an,
die in den ausgebauten Befestigungen der Mlawa-Stellung stand, um
einen direkten Angriff aus Ostpreußen auf Warschau abzuwehren. Im
polnischen Korridor stand die Armee Pomerellen und südlich davon
1. September 1939 Wieluń
die Armee Posen. An der schlesischen Grenze stand mit der Armee
Lodz und der Armee Krakau die Masse des polnischen Heeres.
Aufgrund der feindlichen Haltung der Slowakei wurde später im Süden noch die Karpatenarmee aufgestellt. Im
Hinterland marschierten die Reserveverbände auf.
Ein etwaiger sowjetischer Einmarsch wurde nicht in Erwägung gezogen. Einen Kampf gegen die später
einmarschierenden sowjetischen Truppen untersagte das polnische Oberkommando. Nur bei direkten sowjetischen
Angriffen auf polnische Truppen sollten diese sich verteidigen.[32]
12
Polenfeldzug
13
Der Kriegsbeginn
Der exakte Zeitpunkt und Ort der ersten Kampfhandlung ist umstritten.
Ab 4:45 Uhr, kurz vor Sonnenaufgang, beschoss das Linienschiff
Schleswig-Holstein die polnische Garnison auf der Westerplatte auf
dem Territorium der Freien Stadt Danzig. In der Stadt selbst wurde das
polnische Postamt gestürmt. Beide Orte stellten polnische Exklaven
besonderen Rechtes (gemäß Versailler Vertrag) auf dem Gebiet des
Staates Freie Stadt Danzig dar.
Nach polnischen Angaben noch vor 4:45 Uhr, nach deutschen um 5:40
Uhr, griff die deutsche Luftwaffe mit 29 Sturzkampfbombern die Stadt
Wieluń an. Im Verlaufe des Tages erfolgten noch zwei weitere
Angriffe mit je 29 Flugzeugen, wobei die Stadt zu 70 Prozent zerstört
wurde und insgesamt 1.200 Menschen starben.
Deutsche Soldaten und polnische
[33]
Grenzbeamte
stellen den Abriss des
polnischen Schlagbaums bei Zoppot nach
Weitere Aktionen sollten die Sprengung von Eisenbahnbrücken
verhindern. Bereits um 4:26 Uhr morgens des 1. September startete der
Oberleutnant Bruno Dilley, Führer der 3. Staffel im
Sturzkampfgeschwader 1, mit insgesamt drei Stuka-Flugzeugen vom
Typ Ju 87 B im ostpreußischen Landkreis Elbing, mit dem Auftrag die
Zündstellen der Weichselbrücke Dirschau auszuschalten und so eine
Brückensprengung zu verhindern. Um 4:34 Uhr flogen sie in zehn
Meter Höhe über der Weichsel auf den Bahndamm links neben der
Staffel von Junkers Ju 87 („Stukas“) über Polen
Brücke zu, wo polnische Pioniere neben den Zündapparaten standen.
Kurz vor dem Damm lösten die Flugzeuge ihre Bomben aus und zogen
über dem Damm hinweg. Dabei war das Ziel genau getroffen worden.[34] Dennoch wurde die Brücke von Polen
gesprengt.
Hitler sagte am Vormittag desselben Tages in einer im Rundfunk übertragenen Reichstagsrede:
„Polen hat heute nacht zum erstenmal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten
geschossen. Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe
vergolten![35] “
Das Wort „Krieg“ war für den „Septemberfeldzug“ anfangs verboten.
Frankreich und Großbritannien forderten ultimativ den sofortigen Rückzug aller deutschen Truppen aus Polen. Als
Hitler dies ablehnte, erklärten beide Staaten dem Deutschen Reich am 3. September den Krieg. Eine große Offensive
der Westmächte blieb aber trotz der Zusagen gegenüber Polen aus; an der deutschen Westgrenze kam es zum
„Sitzkrieg“.
Polenfeldzug
14
Kämpfe bis zum 6. September
Der Angriff der Heeresgruppe Nord kam in den ersten Tagen
zumindest im Bereich der 4. Armee unter General der Artillerie
Günther von Kluge planmäßig voran. Im Korridor wurden Teile der
polnischen Armee Pomerellen während der Schlacht in der Tucheler
Heide bei Graudenz eingeschlossen und zerschlagen. Nur zwei ihrer
Divisionen entkamen der Niederlage und schlossen sich der Armee
Posen an.
Deutsche Panzertruppen an der Brahe
Lageentwicklung bis zum 14. September
Zur Illustration der hoffnungslosen Unterlegenheit der polnischen
Armee wird oft angeführt, dass sie noch eine Kavallerie hatte und
berittene polnische Soldaten deutsche Panzer mit Lanzen und Säbeln
angegriffen haben sollen. Hinter dieser Legende steht das Gefecht bei
Krojanty, in dem am 1. September 1939 ein polnisches
Ulanenregiment eine Infanterie-Einheit der Wehrmacht angriff, aber
von
dazukommenden
Panzerspähwagen
überrascht
und
zurückgeschlagen wurde.
Zugleich stockte der Angriff der 3. Armee unter Generaloberst Georg
von Küchler vor der Mlawa-Stellung. Die dort kämpfende Armee
Modlin zog sich erst zurück, als die deutschen Kräfte ihre rechte
Flanke umgangen hatten. Sie sammelte sich jedoch wieder in der
Festung Modlin und am Bug.
Die Armeen der Heeresgruppe Süd drängten unterdessen die polnischen Verbände in Richtung Warschau zurück.
Allerdings gelang es ihnen nicht, die polnischen Truppen aufzureiben oder zu umfassen. Erst am 6. September
gelang der 10. Armee ein tiefer Einbruch in die polnische Abwehrfront. Am gleichen Tag besetzte die 14. Armee
Krakau. Sie konnte die polnische Armee Krakau jedoch nicht wie geplant einkreisen.
Der schnelle Vorstoß der deutschen Verbände überholte die polnische Strategie, so dass das polnische
Oberkommando schon nach fünf Tagen den Rückzug hinter die geplante Verteidigungslinie an den Flüssen befahl.
Die polnische Regierung setzte sich nach Brest-Litowsk ab. Der Rückzugsbefehl erfolgte für die polnischen
Infanterieverbände aber zu spät, um die Flüsse noch vor den Wehrmachtspanzern erreichen zu können. Das deutsche
OKH wiederum glaubte, die Masse des polnischen Heeres nicht mehr westlich der Weichsel zerschlagen zu können.
Es befahl deshalb der 3. Armee und 14. Armee, ihre Kräfte östlich der Weichsel für eine Umfassungsschlacht zu
konzentrieren.
Das mit Polen verbündete Rumänien erklärte sich angesichts des raschen deutschen Vorrückens und ausbleibender
Eingriffe der Westmächte am 6. September für neutral, so dass Polen militärisch vollständig isoliert blieb.
Polenfeldzug
15
Kämpfe bis zum 17. September
Vom Kriegsbeginn an besaß die deutsche Luftwaffe fast völlige
Luftüberlegenheit. Die Luftangriffe auf Wieluń, Frampol und
Warschau gelten als die ersten Flächenbombardements, die als Mittel
der Kriegführung im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurden. Die
deutschen Flugzeuge nutzten dabei den sowjetischen Sender Minsk als
Orientierung, der auf eine Bitte Hermann Görings hin seine
Sendedauer verlängerte.[36] Die Heeresgruppe Süd nutzte ihren
Durchbruch, um ein Panzerkorps auf die polnische Hauptstadt
anzusetzen. Dieses erreichte schon am 8. September die Vorstädte von
Warschau. Dort stießen sie auf starken Widerstand der polnischen
Verteidiger. Um einen verlustreichen Häuserkampf zu vermeiden,
stoppten die Panzer ihren Vormarsch.
Lageentwicklung nach dem 14. September
Am 9. September gelang es dem rechten Flügel der 10. Armee starke polnische Kräfte zu überholen und
einzukesseln, die sich über die Weichsel zurückzuziehen versuchten. Daraus entwickelte sich die Schlacht bei
Radom. Zeitgleich griff die polnische Armee Posen, die unbemerkt von der deutschen Aufklärung herangerückt war,
nördlich von Kutno überraschend den linken Flügel der 8. deutschen Armee an (siehe: Schlacht an der Bzura).
Dieser einzige polnische Gegenstoß zwang die Heeresgruppe Süd, bei Radom, vor Warschau und an der Bzura
gleichzeitig zu kämpfen. Sie wehrte den Flankenangriff unter schweren Verlusten ab.
Die Heeresgruppe Nord stand schon östlich der Weichsel am Narew und am Bug und musste nun gemäß dem
Umfassungsbefehl des OKH große Teile der 4. Armee durch Ostpreußen an ihren linken Flügel verlegen, was einige
Tage dauerte. Danach schloss sie am 9. September die Festung Modlin und Warschau von Norden her ein.
Am 12. September kapitulierten die polnischen Truppen im Kessel bei
Radom (60.000 Gefangene). Am 13. September wurde die Kleinstadt
Frampol nahe Lublin durch einen deutschen Luftangriff vollständig
zerstört. Danach befahl die polnische Armeeführung allen verbliebenen
Truppen, sich eigenständig nach Südosten zurückzuziehen. Man hoffte,
sich dort in unwegsamem Gelände noch länger halten zu können, bis
Nachschub der Westalliierten über Rumänien geliefert würde.
Straßenkämpfe deutscher Infanteristen während
Im Südosten kämpfte bisher nur die deutsche 14. Armee. Diese
des Polenfeldzuges, Aufnahme einer
schwenkte nun aber nach Nordosten, um sich hinter dem Fluss Bug mit
Propagandakompanie
der Heeresgruppe Nord zu vereinen. Mit den freigewordenen
Verbänden konnte die Heeresgruppe Süd nun auch die Armee Posen
einschließen und bis zum 17. September aufreiben (170.000 Gefangene). Das zerschlug die polnische Hoffnung,
wenigstens den Südosten des Landes verteidigen zu können. Östlich des Bug stießen starke Panzerkräfte nach Süden
vor und vereinigten sich südlich von Brest-Litowsk am 18. September mit den Truppen der 14. Armee. Damit war
die Masse der polnischen Kräfte umfasst worden.
Polenfeldzug
16
Kämpfe bis zum 6. Oktober
Seit Frankreichs und Großbritanniens Kriegserklärung hatten die
Deutschen ihre sowjetischen Vertragspartner gedrängt, wie vereinbart
ihrerseits in Polen einzumarschieren. Die Regierung in Moskau wollte
jedoch erst nach einem vollständigen Zusammenbruch des polnischen
Staates eingreifen, da sie befürchtete, in einen Krieg mit den beiden
Westmächten hineingezogen zu werden, die ja die Unabhängigkeit
Polens garantierten. Erst am 17. September besetzte die Rote Armee
Ostpolen, das bis auf das Grenzschutzkorps militärisch entblößt war.
Die Regierung in Warschau, die gerade ihre Flucht nach Rumänien
organisierte, war auf den sowjetischen Einmarsch nicht vorbereitet und
konnte dem Grenzschutzkorps keine Instruktionen geben, wie es sich
zu verhalten hatte. In Tarnopol (Ternopil), Stanisławów (Stanislau),
Łuck (Luzk) und Równe (Riwne) wurde die Rote Armee deshalb von
den kommunalen Behörden in völliger Verkennung der Lage
freundlich begrüßt.[37]
Europa im September und Oktober 1939
Die Kämpfe zwischen Wehrmacht und polnischer Armee konzentrierten sich nun auf das Gebiet zwischen Weichsel
und Bug, wo die Reste des polnischen Heeres eingeschlossen waren. Südöstliche polnische Truppen, die sich nach
Rumänien zurückziehen wollten, wurden in den Schlachten um Lemberg und Rawa Ruska aufgerieben. Mit der
Niederlage des größten Teils der übrigen polnischen Streitkräfte in der Schlacht bei Lublin am 23. September endete
der organisierte Widerstand der polnischen Armee.
Nachdem Warschau bereits seit dem 9. September weitgehend
eingeschlossen war, drangen deutsche Panzer am 10. September
erstmals in die Stadt ein, mussten sich jedoch nach Verlusten wieder
zurückziehen.[38] Danach begannen die Luftwaffe und das Heer die
Stadt heftig zu bombardieren und zu beschießen. Dabei wurden bis zu
26.000 Zivilisten getötet. Am 28. September kapitulierten die etwa
120.000 verbliebenen Verteidiger der Hauptstadt.[39] Am 29.
September kapitulierte auch die Festung Modlin, am 1. Oktober die
Besatzung der Halbinsel Hel.
Aufnahmen zum NS-Propagandafilm Feldzug in
Polen (1940): Hitler nimmt eine Parade deutscher
Truppen in Polen ab
Polens letzte Feldtruppen kapitulierten am 6. Oktober nach der
Schlacht bei Kock. Dies gilt als Ende des Polenfeldzuges. Die
polnische Regierung war am 18. September 1939 nach Rumänien geflohen. Der Oberkommandierende Marschall
Rydz-Śmigły folgte am 27. September 1939 nach. Nur Bruchteile der polnischen Armee entkamen der
deutsch-russischen Umklammerung nach Ungarn und Rumänien. Eine offizielle Kapitulation des polnischen
Oberkommandos, Staates oder der Regierung blieb aus.
Polenfeldzug
Seekrieg
Im Gegensatz zu den Landstreitkräften war die polnische Marine der deutschen Kriegsmarine auch zahlenmäßig
stark unterlegen (→ Kräfteverhältnis der Seestreitkräfte zu Beginn des Krieges). Das polnische
Marineoberkommando unter Konteradmiral Józef Unrug erkannte diese Tatsache an und evakuierte im Rahmen der
Operation Peking schon Ende August drei Zerstörer nach Großbritannien.
Zu ersten Kampfhandlungen kam es am 1. September, als deutsche Stuka die verbliebenen beiden großen polnischen
Einheiten ORP Gryf und ORP Wicher in der Danziger Bucht angriffen. Das erste Seegefecht fand am 3. September
vor Hel statt. Die Kriegsmarine musste dabei die beiden eingesetzten Zerstörer Z 1 Leberecht Maass und Z 9
Wolfgang Zenker zurückziehen, nachdem Z 1 durch einen Artillerietreffer einer Landbatterie beschädigt worden war.
Am selben Tag wurden die Reste der polnischen Überwasserstreitkräfte im Hafen von Hel mehrfach bombardiert
und vernichtet.
Alle fünf polnischen U-Boote sollten ursprünglich die polnische Ostseeküste verteidigen (→ Plan Worek) und
konnten später entkommen. Sie erzielten aber keine Kampferfolge gegen feindliche Schiffe – abgesehen vom
deutschen Minensucher M 85, der auf eine vom U-Boot ORP Żbik verlegte Seemine lief. Die zwei U-Boote ORP
Wilk und ORP Orzeł konnten sich nach Großbritannien absetzen. Die restlichen drei U-Boote ließen sich in
Schweden internieren. Die Marinebasis auf der Halbinsel Hel verteidigte sich noch bis zum 1. Oktober und fiel als
eine der letzten polnischen Stellungen.
Begleiterscheinungen und Folgen
Kriegstote, Gefangene, Verluste
Wieviele polnische Zivilisten der deutsche Angriffskrieg das Leben kostete, ist unbekannt. Geschätzt werden 66.000
bis 100.000 gefallene und etwa 133.000 verwundete polnische Soldaten.[40] Mehr als 400.000 polnische Soldaten,
darunter etwa 16.000 Offiziere, gerieten in deutsche Gefangenschaft. Dazu kamen noch etwa 200.000 als
„verdächtige Elemente“ gefangengenommene Zivilisten. Etwa 61.000 Juden wurden umgehend von den übrigen
polnischen Kriegsgefangenen getrennt und schlechter behandelt.[41] Etwa 100.000 polnischen Soldaten gelang die
Flucht ins Ausland.[42]
Auch für die deutschen Verluste gibt es keine endgültigen Angaben. In einer ersten Verlautbarung sprach das OKH
zunächst von 10.572 Gefallenen, 3.409 Vermissten und 30.322 Verwundeten. Von diesen entfielen 734 Soldaten auf
die Luftwaffe.[43] Diese Angaben beruhten in erster Linie auf den Daten der Sanitätsinspektion, die während des
Feldzuges 10.244 gefallene Soldaten und 593 gefallene Offiziere registriert hatte. Dies unterschied sich schon zum
Zeitpunkt der Veröffentlichung von den Eintragungen in den Kriegstagebüchern der Truppenteile, deren
Verlustlisten 14.188 Soldaten und 759 Offiziere umfassten. Die Wehrersatzdienststelle bzw. die Abteilung
Wehrmachtverlustwesen errechneten bis 1944 sogar einen Gesamtverlust von 15.450 Soldaten und 819 Offizieren,
betonten jedoch, dass die Recherchen noch nicht vollständig abgeschlossen seien.[44] Die Erhöhung der offiziellen
Verlustangaben erklärt sich wahrscheinlich daraus, dass anfangs als „vermisst“ gemeldete Soldaten nun als „gefallen“
galten und einige verwundete Soldaten inzwischen an ihren Verletzungen gestorben waren. Nach Angaben von
Norman Davies soll die polnische Abwehr der Wehrmacht über 50.000 Tote[45] eingebracht haben, die New York
Times vermeldete am 28. September 1939, dass laut polnischen Angaben die deutschen Verluste 90,000[46]
Gefallene, 400 Panzer und 500 Flugzeuge betragen würden.
Die materiellen Verluste der Wehrmacht waren beträchtlich. So meldeten die meisten Divisionen den Ausfall von bis
zu 50 Prozent ihres Fahrzeugbestandes, mehrheitlich aufgrund von Verschleiß im unwegsamen polnischen Gelände.
Die motorisierten Divisionen waren zum Teil erst im Frühjahr 1940 wieder voll einsatzbereit.[47] Der Verlust an
Flugzeugen betrug rund 285 Maschinen, darunter 109 Bomber und Stukas.[43]
17
Polenfeldzug
Massenmorde
Mit dem Polenfeldzug begann das NS-Regime die gezielte organisierte Massenvernichtung polnischer Zivilisten, die
bis 1945 andauerte. Fünf der sechs dazu von Heinrich Himmler aufgestellten Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei
und des SD begleiteten die fünf Armeen der Wehrmacht, die sechste Gruppe war in Posen tätig. Ihr aller Auftrag war
die „Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente rückwärts der fechtenden Truppe“ und die
weitgehende „Vernichtung der polnischen Intelligenz“. Nach vorbereiteten Fahndungslisten ermordeten sie bis Ende
1939 etwa 60.000 polnische Staatsbürger: darunter Lehrer, Ärzte, Juristen, Professoren, katholische Priester und
Bischöfe sowie Vertreter von Parteien und Gewerkschaften der polnischen Arbeiterbewegung.[48]
Diesen Massakern fielen auch etwa 7000 polnische Juden zum Opfer. Sie wurden nicht nur als Angehörige
polnischer Eliten, sondern auch wahllos ermordet, um die Überlebenden in den sowjetischen Machtbereich zu
vertreiben.[49] Weniger bekannt sind Morde an Patienten psychiatrischer Einrichtungen, erstmals in Kocborowo am
22. September. Sie gelten als Vorlauf der in Deutschland im Januar 1940 begonnenen Euthanasie-Morde.[50] Zudem
verübte der „Volksdeutsche Selbstschutz“, eine später zur SS gehörende, überwiegend aus in Polen lebenden
Deutschen bestehende Miliz, Massenmorde an Polen als „Abrechnung“ für polnische Vorkriegsangriffe auf
„Volksdeutsche“. Daran waren Angehörige der Wehrmacht, der Danziger Heimwehr, des SD und der SS beteiligt.[51]
Insgesamt wurden nach polnischen, meist auf Augenzeugenberichten beruhenden Ermittlungen im September und
Oktober 1939 in Polen bei 714 Aktionen 16.376 Menschen erschossen.
Das Zusammenwirken der Tätergruppen war zu diesem Zeitpunkt meist noch nicht zentral gelenkt und aufeinander
abgestimmt, aber ideologisch gewollt und im nationalsozialistischen Weltbild angelegt. Dessen Kern bildete der
„Kampf ums Dasein“ zwischen „höheren und niederen Rassen“, wobei die Polen aus NS-Sicht zu den slawischen
„Untermenschen“ gehörten. Sie sollten ihrer Führungskräfte beraubt werden, um die übrige Bevölkerung
einzuschüchtern und Widerstand gegen die folgenden Deportations-, Vertreibungs- und Zwangsarbeitsmaßnahmen
zu verhindern. Die polnische Nation sollte zerstört werden; langfristig waren die slawischen Polen zur Vernichtung
durch Zwangsarbeit, die angeblich „deutschblütigen“ Polen zur vollständigen Assimilation bestimmt.
Kriegsverbrechen
Wehrmachtssoldaten führten während des Polenfeldzuges etwa 60 Prozent der Massenmorde an polnischen
Zivilisten aus.[52] Abseits der Kampfhandlungen wurden mehr als 3.000 polnische Soldaten von deutschen Soldaten
ermordet[53] , etwa beim Massaker von Ciepielów. Nach vielen Berichten wurden vor allem jüdische Soldaten direkt
nach ihrer Gefangennahme ausgesondert und an Ort und Stelle ermordet.[54] In Wolhynien misshandelte die
Wehrmacht im September 1939 Juden und steckte Synagogen in Brand.[55] Dies waren Kriegsverbrechen nach dem
damals gültigen Kriegsvölkerrecht, das Deutschland 1934 mit der Unterzeichnung der Genfer
Kriegsgefangenenkonvention vom 27. Juli 1929 anerkannt hatte.[56]
Obwohl am 5. September 1939 im Reich eine scharfe Strafverordnung gegen „vorsätzliche Ausnutzung der durch
den Kriegsverlauf verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse“ erlassen worden war, begingen
Wehrmachtsangehörige massenhaft Plünderungen und auch einige Vergewaltigungen. Für Jochen Böhler war dies
„zugleich Ausdruck einer tiefen Verachtung für die slawische Bevölkerung und Gleichgültigkeit gegenüber dem
Leiden, das man verursachte.“[57]
Laut dem US-Historiker Alfred de Zayas erschossen auch Polen deutsche Kriegsgefangene[58] , in absoluten Zahlen
jedoch weit weniger als es die Wehrmacht ihrerseits tat. Zayas stützt sich auf Akten der
Wehrmacht-Untersuchungsstelle, deren unkritische Verwendung Historiker des Bundesarchivs kritisierten.[59]
Polen ermordeten nach Kriegsbeginn außerdem mindestens 5.437 Angehörige der deutschen Minderheit.[60] Die
NS-Propaganda verzehnfachte diese Zahl und behauptete 58.000 deutsche Opfer. Darin eingeschlossen waren die
beim „Bromberger Blutsonntag“ am 3. September Ermordeten: Realistische Schätzungen reichen von 300 bis zu
1.500 deutschen Opfern. Als Vergeltung dafür ermordete die Einsatzgruppe IV zwischen dem 7. und 12. September
in Bromberg nach Augenzeugenberichten 1.306 Polen – Geistliche, Juden, Frauen und Jugendliche.[61] Weitere
18
Polenfeldzug
Morde und Besatzungsverbrechen an zehntausenden Polen in Brombergs Umgebung wurden ebenfalls mit der
polnischen Tat gerechtfertigt.[62]
Deutsche Heeresgeneräle protestierten gegen die „Verwilderung“, und Kriegsgerichte leiteten einige
Untersuchungsverfahren wegen Morden an Juden und Polen ein. Doch Hitler erklärte im September, er könne nicht
mit „Heilsarmee-Methoden“ Krieg führen. Am 4. Oktober 1939 ließ er die Verfahren einstellen[63] und amnestierte
die Täter.[64]
Viele Kriegstagebücher deutscher Soldaten berichten über Aktivitäten von „Banden“ und „Freischärlern“, die
deutsche Trossabteilungen überfallen hätten. Dies waren jedoch oft versprengte reguläre Einheiten der polnischen
Armee, die schnell vorrückende Wehrmachtseinheiten von ihren Verbänden abgeschnitten hatten.[65] Viele Morde an
polnischen Zivilisten wurden als Teil von Partisanenbekämpfung ausgegeben.
Weitere Kriegsverbrechen im Sinne des damaligen Völkerrechts waren die Bombardements unverteidigter
polnischer Städte und der Einsatz chemischer Massenvernichtungsmittel. Laut britischen Zeitungsberichten und
Angaben des polnischen Informationsbüros in London soll die deutsche Luftwaffe am 3. September 1939 mit
Giftgas gefüllte Bomben auf die Warschauer Vorstadt abgeworfen haben. Opfer wurden nicht genannt.[66] Am 8.
September 1939 wurden bei Jasło 14 deutsche Soldaten bei der Beseitigung einer polnischen Brückensperre mit
Senfgas (Lost) vergiftet, zwei davon starben.[67]
Verwaltungsstruktur und Bevölkerungspolitik
Am 8. Oktober teilten das Deutsche Reich und die Sowjetunion im Abkommen von Brest-Litowsk das polnische
Gebiet durch eine Demarkationslinie unter sich auf. Die bis zu dieser Linie eroberten Gebiete Ost- und Südpolens
wurden deutsches Generalgouvernement, die in Versailles 1919 aberkannten ehemaligen deutschen Ostgebiete und
große Teile Mittelpolens wurden im Sinne der von Hitler angestrebten „Arrondierung“ annektiert. Damit war die
sowjetische Seite einverstanden. Molotow sagte am 31. Oktober 1939 nach einem Moskauer Zeitungsbericht:
„Ein einziger Schlag gegen Polen, erst seitens der deutschen, dann seitens der Roten Armee, und nichts blieb
übrig von dieser Missgeburt des Versailler Vertrags, die ihre Existenz der Unterdrückung nichtpolnischer
Nationalitäten verdankt hatte.“[68]
Mit der Abschaffung aller bestehenden polnischen Verwaltungsbehörden, Bezirksregierungen, politischen
Organisationen und Errichtung neuer Verwaltungsbezirke, für die Hitler dem OKH unterstellte Verwaltungschefs
ernannte, löste das Besatzungsregime den Nationalstaat Polen komplett auf. Dabei überließ es die Exekutive im
Generalgouvernement formal der Heeresführung, deren Truppen sie sicherten. Faktisch aber war der Chef des
Generalstabs fast nur mit der Operationsführung beschäftigt, während die Verwaltung von Berlin aus, großenteils
mit einfachen Verordnungen, gelenkt wurde.[69]
Die deutsche Besatzungspolitik zielte auf möglichst rasche „Germanisierung“. Etwa 200.000 Juden flohen vor den
Deutschen in das sowjetisch besetzte Ostpolen, so dass sich dort ihre Zahl von 1,2 auf 1,4 Millionen erhöhte. Bis
Ende 1939 wurden etwa 90.000 Juden und Polen aus den annektierten Gebieten in das Generalgouvernement
vertrieben, bis 1945 insgesamt 900.000. Die übrigen Juden wurden im Holocaust ermordet. An ihrer Stelle wurden
insgesamt etwa 400.000 „Reichsdeutsche“ aus dem „Altreich“ und 600.000 „Volksdeutsche“ aus ganz Osteuropa im
besetzten Polen angesiedelt.[70] Diese Gewaltmaßnahmen waren wiederum vielerorts von willkürlichen
Massenerschießungen begleitet.
19
Polenfeldzug
Polnischer Widerstand
Insgesamt flohen rund 140.000 polnische Militärangehörige nach Rumänien, Ungarn oder Litauen, wo sie jedoch auf
deutschen Druck hin vielfach interniert wurden. Auch die polnische Regierung war am 17. September 1939 nach
Rumänien geflüchtet und wurde dort interniert. Daraufhin trat Staatspräsident Ignacy Mościcki zurück. Sein Amt
übernahm der im französischen Exil lebende Wladyslaw Raczkiewicz, der im folgenden Jahr einen Nationalrat
anstelle des aufgelösten Sejm bildete und eine neue Truppe aufstellen ließ. Vielen geflohenen Polen gelang es in der
Folgezeit, weiter nach Frankreich zu fliehen und die Exilsarmee zu verstärken. Die von Polens Exilregierung
aufgestellten Truppenverbände nahmen an allen wichtigen Operationen des Zweiten Weltkrieges teil.
Infolge ihrer brutalen Unterdrückungspolitik bildete sich auch in Polen selbst ein breiter Widerstand gegen die
deutsche Besatzungsmacht. Ein regelrechter „Untergrundstaat“ wurde geschaffen, der mit geheim hergestellter Presse
und einem konspirativen System für höhere Bildung der rassistischen Besatzungspolitik der Deutschen entgegentrat.
Die militärischen Bemühungen des polnischen Widerstandes gipfelten 1944 unter der Ägide der Exilregierung im
Warschauer Aufstand.
Ein Teil derjenigen, die die sowjetischen Gulags überlebten, bildete 1941 während der zeitweisen Zusammenarbeit
mit Josef Stalin, die auf Drängen Großbritanniens zustande kam, die Armee des Generals Władysław Anders. Auf
dem Umweg über Persien und Palästina nahm diese Armee den Kampf gegen die Deutschen wieder auf. Sie wurde
in Nordafrika und in Italien eingesetzt. Weitere Polen wurden ab 1943 in die von den Sowjets aufgestellte Armee des
Generals Zygmunt Berling integriert und kämpften ab 1944 an der Ostfront.
Siehe auch
•
•
•
•
Geschichte Polens – Konsolidierung des neuen Staates
Unternehmen Tannenberg
Sonderfahndungsbuch Polen
Haupttreuhandstelle Ost
Literatur
Vorgeschichte
• Erwin Oberländer (Hg.): Hitler-Stalin-Pakt. Das Ende Ostmitteleuropas?. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt
am Main 1989, ISBN 3-596-24434-X.
• Manfred Messerschmidt: Außenpolitik und Kriegsvorbereitungen. In: Wilhelm Deist, Manfred Messerschmidt,
Hans-Erich Volkmann und Wolfram Wette: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 1: Ursachen und
Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik. Hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, DVA, Stuttgart
1979, ISBN 3-421-01934-7.
• Horst Rohde: Hitlers erster „Blitzkrieg“ und seine Auswirkungen auf Nordosteuropa. In: Klaus A. Maier, Horst
Rohde, Bernd Stegemann, Hans Umbreit: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 2: Die Errichtung
der Hegemonie auf dem europäischen Kontinent. Hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, DVA, Stuttgart
1979, ISBN 3-421-01935-5, S. 79–156. (zu Planungs- und Aufmarschphase, weniger Kampfhandlungen)
• Herbert Schindler: Mosty und Dirschau 1939 – Zwei Handstreiche der Wehrmacht vor Beginn des
Polenfeldzuges. Freiburg 1971, ISBN 3-7930-0151-2. (zu zwei Kommandounternehmen vom 26. August 1939)
• Günther Wollstein: Die Politik des nationalsozialistischen Deutschlands gegenüber Polen 1933–39/45. In: M.
Funke (Hrsg.): Hitler, Deutschland und die Mächte – Material zur Außenpolitik des Dritten Reichs. Düsseldorf
1976.
Kriegsverlauf
• Der Zweite Weltkrieg im Kartenbild, Bd 1. Der Polenfeldzug. Ein Lageatlas der Operationsabteilung des
Generalstabs des Heeres, Maßstab 1:3000000. Biblio-Verlag, 1989, ISBN 3-7648-1760-7.
20
Polenfeldzug
• Rolf Elble: Die Schlacht an der Bzura im September 1939 aus deutscher und polnischer Sicht, Freiburg 1975,
ISBN 3-7930-0174-1. (zur Verschiedenheit der Heere und einer polnischen Operation)
• Janusz Piekałkiewicz: Polenfeldzug. Hitler und Stalin zerschlagen die Polnische Republik. Augsburg 1998, ISBN
3-86047-907-5. (zur polnischen Sicht, mit vielen bislang unbekannten Bildern und Zeitdokumenten)
• Bertil Stjernfelt, Klaus-Richard Böhme: Westerplatte 1939, Freiburg 1978, ISBN 3-7930-0182-2. (Standardwerk)
• Nikolaus von Vormann: Der Feldzug 1939 in Polen, Prinz-Eugen-Verlag, Weissenburg 1958, ASIN
B0000BP152. (zu allen Kampfhandlungen, polenfeindliche Sicht der Vorgeschichte eines damaligen Referenten in Hitlers Hauptquartier)
• Jochen Böhler: Der Überfall. Deutschlands Krieg gegen Polen, Frankfurt am Main 2009, ISBN 3-821-85706-4
Kriegsverbrechen
• Jochen Böhler (Hg): „Größte Härte…”. Verbrechen der Wehrmacht in Polen September – Oktober 1939, Fibre,
Osnabrück 2005, ISBN 3-938400-07-2. (Katalog mit allen Fotos und Beschreibungen zur gleichnamigen Ausstellung von 2006,
dazu zwei Aufsätze)
• Jochen Böhler: Auftakt zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen 1939. Eine Publikation des Dt.
Historischen Instituts Warschau, Fischer TB, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-596-16307-2 /oder:
Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Schriftenreihe Bd. 550, 2006, ISBN 3-89331-679-5. (zur Rolle der
Wehrmacht bei Kriegsverbrechen im Polenfeldzug)
• Martin Broszat: Nationalsozialistische Polenpolitik 1939–1945, Fischer Bücherei, Frankfurt am Main und
Hamburg 1965, ASIN B0000BGVJ0.
• Czeslaw Madajczyk, Berthold Puchert: Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen 1939–1945,
Pahl-Rugenstein, Berlin / Köln 1988, ISBN 3-7609-1198-6.
• Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Kap. 6:
Polen 1939: Die Erfahrung rassistischen Massenmords, Hamburg 2002, S. 419–485.
Folgen
• Christoph Kleßmann (Hrsg.): September 1939. Krieg, Besetzung, Widerstand in Polen, Vandenhoeck & Ruprecht,
Göttingen 1997, ISBN 3-525-33559-8.
• John Mosier: The Blitzkrieg Myth: How Hitler and the Allies Misread the Strategic Realities of World War II.
HarperCollins, 2004, ISBN 0-06-000977-2.
• Jan T. Gross: Revolution from Abroad: The Soviet Conquest of Poland's Western Ukraine and Western
Belorussia, Princeton University Press 2002, ISBN 0-691-09603-1.
Weblinks
•
•
•
•
Der polnische Präsident Ignacy Mościcki am 1. September 1939: Aufruf an das polnische Volk [71]
Faksimile des Leitartikels der Zeitung Polska Zbrojna („Bewaffnetes Polen“) [72] (PDF; 3,85 MB)
Sven Felix Kellerhoff: „Kein ganz normaler Feldzug [73]“, Artikel in Die Welt, 26. September 2006
„Deutsche und Polen. 1.9.39. Abgründe und Hoffnungen“ [74], Ausstellung zum 70. Jahrestag des deutschen
Überfalls auf Polen im Deutschen Historischen Museum vom 28. Mai 2009 bis 6. September 2009
21
Polenfeldzug
Referenzen
[1]
[2]
[3]
[4]
Wehrmacht Zentralstatistik, Stand 30. November 1944, Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg (BA-MA RH 7/653)
Fritz Hahn, Waffen und Geheimwaffen des Deutschen Heeres 1933–1945, S. 196.
Axis Slovakia: Hitler’s Slavic Wedge, 1938–1945, S. 81.
Angriffskriege waren von der Staatengemeinschaft in einem Völkerbundsbeschluss vom 24. September 1927 und im Briand-Kellogg-Pakt
vom 27. August 1928, dem Deutschland beigetreten war, als internationale Verbrechen geächtet worden; siehe: Gerhard L. Binz: Umbruch im
Kriegs-Völkerrecht, in: Wehrwissenschaftliche Rundschau, Bd. 8 (1/1958), S. 17 f.
[5] Janusz Piekałkiewicz: Polenfeldzug. Hitler und Stalin zerschlagen die Polnische Republik. Augsburg 1998
[6] Martin Broszat, Nationalsozialistische Polenpolitik 1939–1945, Fischer Bücherei, Frankfurt am Main und Hamburg 1965, S. 41 ff.
[7] Jochen Böhler: Auftakt zum Vernichtungskrieg.
[8] Hans-Ulrich Thamer: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945, Siedler Verlag, Berlin 1994, S. 124 ff.
[9] Wolfgang Wippermann: Der konsequente Wahn. Ideologie und Politik Adolf Hitlers. Bertelsmann Lexikon Verlag 1989, S. 47.
[10] Hans Roos: Die „Präventivkriegspläne“ Pilsudskis von 1933. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 3, 1955, S. 344–363
[11] Thilo Vogelsang: Neue Dokumente zur Geschichte der Reichswehr. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 2, 1954, S. 435.
[12] Richard Blanke: Orphans of Versailles – The Germans in Western Poland 1918–1939, Kentucky University Press, Lexington 1993.
[13] z. B. Norbert Schramm: Grundmuster der deutschen Ostpolitik 1918–1939. In: Bernd Wegner (Hrsg.): Zwei Wege nach Moskau. Vom
Hitler-Stalin-Pakt bis zum Unternehmen Barbarossa. Piper Verlag, München/Zürich 1991, S. 16.
[14] Beate Kosmala: Artikel Polen. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Heiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1997, S. 642; Klaus Hildebrand: Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler. Stuttgart
1996, S. 590.
[15] Beate Kosmala: Artikel Polen. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Heiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1997, S. 642 f.
[16] Léon Noël: Der deutsche Angriff auf Polen. Paris 1948, S. 252 f.
[17] Jörg K. Hoensch: Der Hitler-Stalin-Pakt und Polen. In: Erwin Oberländer (Hrsg.): Hitler-Stalin-Pakt. Das Ende Ostmitteleuropas? Fischer
Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1989, S. 45 f.
[18] Klaus Hildebrand: Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler. Stuttgart 1996, S. 678 f.
[19] Horst Rohde: Hitlers erster „Blitzkrieg“ und seine Auswirkungen auf Nordosteuropa, in: Klaus A. Maier/Horst Rohde/Bernd
Stegemann/Hans Umbreit: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 2: Die Errichtung der Hegemonie auf dem europäischen
Kontinent, Hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, DVA, Stuttgart 1979, S. 82
[20] beide folgenden Zitate unter Holocaustreferenz: Lebensraum (http:/ / www. h-ref. de/ krieg/ lebensraum/ )
[21] Jean-Baptiste Duroselle: Politique étrangère de la France. La décadence 1932–1939, Paris 1979, S. 428–435
[22] Auch zum Folgenden Winfried Baumgart: Zur Ansprache Hitlers vor den Führern der Wehrmacht am 22. August 1939. Eine
quellenkritische Untersuchung (http:/ / www. ifz-muenchen. de/ heftarchiv/ 1968_2. pdf), in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 2/1968, S.
120–149, die Zitate S. 133 und 145
[23] Walther Hofer: Die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges, S. 97–101 (http:/ / books. google. com/ books?id=W80Md-C7ASsC&
pg=RA1-PA254& vq=Grenzzwischenfälle& sig=sk8qaYJ4BEd1Q69UJbSBe8P_Rs0#PRA1-PA97,M1).
[24] ebenda (http:/ / books. google. com/ books?id=W80Md-C7ASsC& pg=RA1-PA254& vq=Grenzzwischenfälle&
sig=sk8qaYJ4BEd1Q69UJbSBe8P_Rs0#PRA1-PA101,M1)
[25] Die Chronik. Geschichte des 20. Jahrhunderts bis heute (http:/ / books. google. com/ books?id=vCdDBLeHjdoC& pg=PA273&
dq="Bombe+ mit+ Bombe+ vergolten"+ gleiwitz& lr=& as_brr=3& sig=yewD91KHQPXH96RHdU0KTFZgpFs); Hanno Ballhausen:
Chronik des Zweiten Weltkriegs (http:/ / books. google. com/ books?id=Y3wFMlgitBIC& pg=PA17& dq="Bombe+ mit+ Bombe+
vergolten"+ gleiwitz& lr=& as_brr=3& sig=s2kFJ3g40eDiPiEVO5ofCjGdVos)
[26] Adolf Hitler: Rede vor dem Reichstag (1. September 1939) (http:/ / www. nationalsozialismus. de/ dokumente/ texte/
adolf-hitler-reichstagsrede-mit-kriegserklaerung-an-polen-vom-01-09-1939-2. html)
[27] Nachrichtenmagazin Der Spiegel: „Sprung ins Dunkle“ von Klaus Giegrefe, Nr. 35/2009 vom 24. August 2009, S. 59
[28] Der II. Weltkrieg – Schritt über die Grenzen. Zeitgeschichte in Wort, Bild und Ton – 1938–1941. Verlag für Geschichtliche Dokumentation,
1989, ISBN 3-88199-536-6, S. 106 f.
[29] Herbert Schindler: Mosty und Dirschau 1939 – Zwei Handstreiche der Wehrmacht vor Beginn des Polenfeldzuges (http:/ / books. google.
com/ books?id=5IIYGQAACAAJ& dq=Mosty+ und+ Dirschau), Freiburg 1971, S. 25–29
[30] zitiert nach Raymond Cartier: Der Zweite Weltkrieg, Band 1, Lingen Verlag, Köln 1967, S. 16
[31] Lesław M. Bartelski: Pieśń niepodległa: pisarze i wydarzenia 1939–1942, 1988 (http:/ / books. google. com/ books?id=iuQ1AAAAIAAJ&
q=Tadeusz+ Kasprzycki+ berlin& dq=Tadeusz+ Kasprzycki+ berlin& lr=& pgis=1)
[32] Israel Gutman (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust, Piper, München-Zürich 1998, S. 1123
[33] Bundeszentrale für politische Bildung: Der Schlagbaum (http:/ / www2. bpb. de/ themen/
OPQSTQ,1,0,Das_Ende_des_Zweiten_Weltkriegs. html)
[34] CHR. Zentner: Der Zweite Weltkrieg 1939 – 1945: Der Feldzug in Polen, aus: Der Zweite Weltkrieg – Daten, Fakten, Kommentare, 3.
Auflage 2003, S. 27
22
Polenfeldzug
[35] Zitiert nach Adolf Hitler: Rede vor dem Reichstag (http:/ / www. nationalsozialismus. de/ dokumente/ textdokumente/
adolf-hitler-rede-vor-dem-reichstag-01091939), 1. September 1939; auf: Nationalsozialismus.de. Originalton (http:/ / www. wdr. de/ themen/
_config_/ bin/ mkram. jhtml/ mk. ram?rtsp:/ / ras01. wdr. de/ online/ 2005/ kultur/ rundfunk/ polen. rm) der Rede auf wdr.de
(RealPlayer-Audiodatei, 0:44 min); vgl. Verhandlungen des Reichstags (http:/ / mdz1. bib-bvb. de/ cocoon/ rtb2/ Blatt_bsb00000613_00048.
html), Band 460, S. 47: 3. Sitzung, 1. September 1939.
[36] Jan Tomasz Gross: Die Sowjetisierung Ostpolens 1939–1941, in: Bernd Wegner (Hrsg.): Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt
bis zum Unternehmen Barbarossa, Piper Verlag, München und Zürich 1991, S. 56
[37] Jan Tomasz Gross, Die Sowjetisierung Ostpolens 1939–1941, in: Bernd Wegner (Hg.), Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt bis
zum Unternehmen Barbarossa, Piper Verlag, München und Zürich 1991, S. 59 f.
[38] Reinhardt 4. Panzer-Division, S. 237 ff.
[39] Maier, Rohde: Das Deutsche Reich und der zweite Weltkrieg Band 2, DVA-Stuttgart, S. 131
[40] Enzyklopädie des Nationalsozialismus 1998, Artikel Polenfeldzug, S. 646
[41] Christoph Studt: Das Dritte Reich in Daten S. 115
[42] Rüdiger Overmans: Die Kriegsgefangenenpolitik des Deutschen Reiches 1939 bis 1945, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg,
Bd. 9/2; hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, München 2005, S. 743 f.
[43] Cajus Bekker: Angriffshöhe 4000 – Ein Kriegstagebuch der deutschen Luftwaffe 1939–1945, München 1993, S. 64
[44] Rüdiger Overmans: Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg, in: Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 46; hrsg. vom
Militärgeschichtlichen Forschungsamt, München 2004, S. 54.
[45] Norman Davies: Zweites Kapitel: Das Erbe der Niederlage, 1. Die Ära des Hitler-Stalin-Pakts, 1939–41, aus: Im Herzen Europas –
Geschichte Polens; 4., durchgesehene Auflage 2006, S. 60
[46] Poles Say 90,000 Germans Were Killed (http:/ / www. freeimagehosting. net/ image. php?cdbae543be. jpg)
[47] Heinz Frieser: Blitzkrieg-Legende – Der Westfeldzug 1940, in: Operationen des Zweiten Weltkrieges, Bd. 2; hrsg. vom
Militärgeschichtlichen Forschungsamt, München 1940, S. 27.
[48] Dieter Pohl: Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933–1945, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN
3-534-15158-5, S. 49
[49] Dieter Pohl: Holocaust, Herder, Freiburg im Breisgau 2000, S. 36
[50] Christoph Studt: Das Dritte Reich in Daten, München 2002, S. 115
[51] Wolfgang Schumann u. a. (Hrsg.-Kollegium): Nacht über Europa: die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938–1945).
Achtbändige Dokumentenedition, Bd. 2, Die faschistische Okkupationspolitik in Polen (1939–1945). Köln 1989, ISBN 3-7609-1260-5, S. 346
ff.
[52] Richard C. Lukas: The Forgotten Holocaust – The Poles under German Occupation 1939–1944, New York 1997, S. 3
[53] Jochen Böhler, a.a.O., S. 241
[54] Jochen Böhler, a.a.O., S. 176 f.
[55] Timothy Snyder: Leben und Sterben der Juden in Wolhynien in: Osteuropa, 57. Jahrgang, April 2007, ISSN 0030-6428, S. 130
[56] Christian Hartmann, Johannes Hürter, Dieter Pohl, Andreas Toppe: Wehrmacht in der nationalsozialistischen Diktatur. Ein
Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte (http:/ / www. ahf-muenchen. de/ Forschungsberichte/ Jahrbuch2000/ Hartmann. shtml)
[57] Jochen Böhler, Auftakt zum Vernichtungskrieg S. 186
[58] Alfred M. De Zayas: Die Wehrmacht-Untersuchungsstelle – deutsche Ermittlungen über alliierte Völkerrechtsverletzungen im 2. Weltkrieg,
Frankfurt am Main/ Berlin 1987 (4. Auflage)
[59] Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz. Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938–1945). Achtbändige
Dokumentenedition. Bd. 8, Analysen, Quellen, Register, Heidelberg 1996, ISBN 3-7785-2338-4, S. 349
[60] Jürgen Runtzheimer: Bromberger Blutsonntag, in: Wolfgang Benz: Legenden Lügen Vorurteile, dtv 1992, ISBN 3-423-03295-2, S. 47 ff.
[61] Dorothee Weitbrecht: Ermächtigung zur Vernichtung – Die Einsatzgruppen in Polen im Herbst 1939, in: Klaus-Michael Mallmann/ Bogdan
Musial (Hrsg.): Genesis des Genozids – Polen 1939–1941, Darmstadt 2004, S. 61
[62] Dieter Pohl: Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933–1945, a.a.O. S. 49
[63] Christoph Studt: Das Dritte Reich in Daten S. 113 und 116
[64] Dieter Pohl: Holocaust S. 36
[65] Jochen Böhler: „Tragische Verstrickung“ oder Auftakt zum Vernichtungskrieg? – Die Wehrmacht in Polen 1939, in: Mallman/Musial:
Genesis des Genozids Polen 1939–1941, S. 48 f.
[66] The Times, 6. September 1939: Poland’s gallant fight against odds; 21. November 1939: German Use of Poison Gas. Polish Statement.
Dazu Julian Perry Robinson: The Rise of CB Weapons, in: Stockholm International Peace Research Institute (Hrsg.): The Problem of Chemical
and Biological Warfare, Bd. 1, Stockholm/ New York 1971, S. 153 f. und Fußnoten 375 ff.
[67] Günther W. Gellermann: Der Krieg, der nicht stattfand, Koblenz 1986, S. 135 ff.
[68] Isvestija, 1. November 1939
[69] Hans Umbreit: Die Verantwortlichkeit der Wehrmacht als Okkupationsarmee, in: Rolf-Dieter Müller, Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Die
Wehrmacht. Mythos und Realität, München 1999, ISBN 3-486-56383-1, S. 747 ff.
[70] Enzyklopädie des Holocaust, Artikel Polen, S. 1125.
[71] http:/ / quellen. herder-institut. de/ M01/ texte/ Abt04/ Dok11. doc/ TextQuelle_view
[72] http:/ / quellen. herder-institut. de/ M01/ quellen/ 1939_Kriegsbeginn. pdf
23
Polenfeldzug
24
[73] http:/ / www. welt. de/ data/ 2006/ 09/ 26/ 1051105. html?prx=1
[74] http:/ / www. dhm. de/ ausstellungen/ deutsche-polen/ index. html
Sitzkrieg
Sitzkrieg,
früher
auch
Seltsamer
Krieg
(französisch Drôle de guerre („komischer, drolliger
Krieg“), englisch Phoney War) beschreibt den
Umstand, dass zu Beginn des Zweiten Weltkrieges
Großbritannien und Frankreich gemäß der
Britisch-französischen Garantieerklärung am 3.
September 1939 zwar Deutschland den Krieg
erklärt hatten, Polen militärisch aber nicht
beistanden, sondern weitgehend passiv blieben.
Der Sitzkrieg ist auf die Tatsache zurückzuführen,
dass die französische Armee nur über relativ
geringe
Offensivstreitkräfte
verfügte:
Bei
Kriegsbeginn bestand das französische Heer aus
nur 875.000 Mann. Die Mobilisierung erhöhte
diese Zahl zwar binnen weniger Tage auf fast fünf
Millionen, doch hatte über die Hälfte davon noch
keine militärische Ausbildung. Für das britische
Expeditionskorps (9 Divisionen) kam ein Angriff
ohne Mitwirkung der Franzosen nicht in Frage. Die
Alliierten planten daher, den erwarteten deutschen
Angriff an der Maginot-Linie aufzuhalten und nach
Aufstockung ihrer Offensivkräfte im Frühsommer
1941 zur Offensive überzugehen, um den Krieg ins
Land des Feindes zu tragen.[1]
Europa 1939/40 während und nach dem Polenfeldzug. Trotz der
britisch-französischen Kriegserklärung vom 3. September 1939 folgten an
der Westfront keine Kampfhandlungen.
Auf deutscher Seite galt ein Befehl Adolf Hitlers
vom 31. August 1939[2] :
„Im Westen kommt es darauf an, die
Verantwortung für die Eröffnung von
Feindseligkeiten eindeutig England und
Frankreich zu überlassen. Geringfügigen
Grenzverletzungen ist zunächst rein örtlich
entgegenzutreten. Die deutsche Westgrenze
ist an keiner Stelle ohne meine ausdrückliche
Genehmigung zu überschreiten.“
November 1939: Angehörige des britischen
Expeditionskorps und der französischen
Luftstreitkräfte vor einem Verschlag mit der
Bezeichnung „Downing Street No. 10“ (die
Adresse des britischen Premierministers)
Zudem wurde der Sitzkrieg durch materielle Mängel wie unzureichende Munition und fehlende operative Planungen
erzwungen und durch die Verzögerungstaktik der am Erfolg zweifelnden Führungsstäbe verlängert. Der Sitzkrieg
endete am 10. Mai 1940 mit dem Beginn des Westfeldzuges der Wehrmacht.
Bereits bis zum 12. September 1939 waren französische Truppen bis zu 8 km auf deutsches Gebiet vorgedrungen,
hatten 12 Ortschaften entlang der geräumten Grenzzone im Saargebiet vor dem Westwall mit 12 deutschen
Ortschaften eingenommen und bis Mitte Oktober besetzt[3] .[4]
Sitzkrieg
Vom 1. September 1939 bis 9. Mai 1940 verlor die Wehrmacht auf dem westlichen Kriegsschauplatz fast 10.000
Mann, davon an die 5.000 Tote und vermißt Gebliebene. Auf das Heer entfielen nur knapp 40% der
Gesamtverlustzahl.[5]
Alfred Jodl sagte bei den Nürnberger Prozessen: „Dass wir nicht bereits im Jahr 1939 gescheitert sind, war nur dem
Umstand zu verdanken, dass während des Polenfeldzuges die schätzungsweise 110 französischen und britischen
Divisionen im Westen komplett inaktiv gegen die deutschen 23 Divisionen gehalten wurden.“[6]
Der Begriff wurde von der britischen Presse geprägt und als ironisches Antonym von Blitzkrieg gebraucht.
Verwendung in jüngerer Zeit erfuhr der Begriff 1991 während des Zweiten Golfkrieges, als die alliierte Strategie
zunächst vor allem auf einen massiven Luftschlag setzte, während die Fronten vor Kuwait noch ruhten.
Weblinks
• Der Sitzkrieg bei dhm.de [7]
• Halford Mackinder’s Necessary War [8] (engl.)
• Robert Thibault, 12ème Régiment d’Artillerie, 1939–1940 [9] (engl.)
Referenzen
[1] Jean Doise und Maurice Vaïsse, Diplomatie et outil militaire 1871-1991, Taschenbuchausgabe, Éditions du seuil, Paris 1991, S. 396f und
416f
[2] Zitiert nach: Hans-Walter Herrmann: Saarbrücken unter der NS-Herrschaft. In: Rolf Wittenbrock: Geschichte der Stadt Saarbrücken, Bd. 2.
Saarbrücken 1999, S. 256
[3] Chemins de memoire (http:/ / www. cheminsdememoire. gouv. fr/ page/ affichepage. php?idLang=de& idPage=87)
[4] Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 2, Stuttgart 1979, S. 272.
[5] Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 2, Stuttgart 1979, S. 307.
[6] IMT Vol XV S.350 (http:/ / www. loc. gov/ rr/ frd/ Military_Law/ NT_major-war-criminals. html)
[7] http:/ / www. dhm. de/ lemo/ html/ wk2/ kriegsverlauf/ sitzkrieg/
[8] http:/ / www. engdahl. oilgeopolitics. net/ History/ MacKinder/ mackinder. html
[9] http:/ / www. peachmountain. com/ 5star/ Robert_Thibault_French_Soldier. aspx
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Unternehmen Weserübung
26
Unternehmen Weserübung
Unternehmen Weserübung
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Norwegen und Westfeldzug 1940
Datum
9. April–10. Juni 1940
Ort
Norwegen, Dänemark
Ausgang
Besetzung Dänemarks und Norwegens durch das Deutsche Reich
Konfliktparteien
Alliierte
Deutsches Reich
Neutrale
Befehlshaber
William Wain Prior (Dänemark), Otto Ruge (Norwegen)
Erich Raeder, Nikolaus von Falkenhorst
Truppenstärke
ca. 14.500 (Dänemark), ca. 60.000 (Norwegen) und 35.000 (Alliierte)
120.000
Verluste
4.400 Briten
1.335 Norweger
530 Franzosen & Polen
17 Dänen
1.317 Gefallene
2.375 Vermisste
1.604 Verwundete
Bedeutende Militäroperationen während des Westfeldzuges der deutschen Wehrmacht
Fall Gelb – Fall Rot – Fall Weserübung – Luftschlacht um England – Schlacht von Dünkirchen
Das Unternehmen Weserübung, auch Fall Weserübung, bezeichnet die Invasion der Wehrmacht des Deutschen
Reiches in Norwegen und Dänemark am 9. April 1940.
Militärisches Ziel der Invasion war die Besetzung der norwegischen Häfen, um Großbritannien zuvorzukommen,
womit einerseits eine Seeblockade verhindert und andererseits die Eisenerz-Versorgung der deutschen
Rüstungsindustrie aus Kiruna (Schweden) über Narvik gesichert werden sollte. Dänemark erschien den Planern unter
General Nikolaus von Falkenhorst als Nachschubweg hierfür unverzichtbar.
Sowohl Dänemark als auch Norwegen waren neutral. Dänemark hatte 1939 als einziges nordeuropäisches Land
einen Nicht-Angriffsvertrag mit Deutschland geschlossen. Deutschland bot in einem Ultimatum beiden Staaten an,
die territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit, also Neutralität und Selbständigkeit, anzuerkennen, falls sie
Unternehmen Weserübung
27
sofort kapitulierten. Norwegen lehnte ab und wählte den Krieg, die Dänen akzeptierten nach wenigen Stunden
Kampf. In einer ersten Schlacht um Narvik erlitt die deutsche Wehrmacht ihre erste Niederlage des Krieges, doch
Anfang Mai war der britisch-norwegische Widerstand weitgehend gebrochen. Allerdings kapitulierte Norwegen erst
am 10. Juni 1940, als der deutsche Sieg im Westfeldzug absehbar war und die Wehrmacht sich auch in Narvik
durchsetzen konnte.
Strategische Überlegungen
Zu Beginn des Krieges spielten Überlegungen, für die Kriegsmarine in Norwegen Stützpunkte zu gewinnen, für die
deutsche Admiralität eine entscheidende Rolle. Diese Behauptung stützen zahlreiche Indizien, die seit der
Denkschrift des Vizeadmirals Wegener mit dem Titel Die Seestrategie des Weltkrieges aus dem Jahre 1926 belegt
sind. Demnach hätte im Ersten Weltkrieg vor einer deutschen maritimen Offensive eine Verständigung mit
Dänemark über die Besetzung seiner Gewässer und die Öffnung der von Dänemark gesperrten Belte erreicht werden
müssen, um so den Schlüssel zur Ostsee zu gewinnen und die Seeherrschaft über die nordischen Handelswege zu
erlangen.
Die Weserübung kam den britischen Planungen zuvor. Am 28. März 1940 hatten sich London und Paris auf die
Operation Wilfred geeinigt: Die norwegischen Küstengewässer sollten vermint, neben Narvik auch Stavanger,
Bergen und Trondheim erobert werden. Anschließend sollten die schwedischen Erzfelder in Besitz genommen und
eine zweite, skandinavische Front gegen das Reich eröffnet werden. Am 8. April stach das alliierte Expeditionskorps
in See - aber da war das Unternehmen Weserübung bereits angelaufen.[1]
„Keine formelle Verletzung des Völkerrechts kann uns (...) die Sympathie der neutralen Länder rauben. Im
Namen des Völkerbundes haben wir das Recht, ja die Pflicht, vorübergehend die Gültigkeit gerade derjenigen
Gesetze aufzuheben, denen wir wieder Geltung und Sicherheit verschaffen wollen. Die kleinen Nationen
dürfen uns nicht die Hände binden, wenn wir für ihre Rechte und die Freiheit kämpfen.“
– Winston Churchill
Vorgeschichte
Raeders Lagevortrag bei Hitler am 10. November 1939
Großadmiral Raeder drängte Hitler schon seit Oktober 1939 zur
Besetzung Norwegens. Es gelte, den Engländern zuvorzukommen, die
Deutschland den Krieg erklärt hatten und dies früher oder später mit
großer Wahrscheinlichkeit selbst tun würden. Einen weiteren Vorstoß
unternahm der Großadmiral bei Hitler am 10. November 1939. Bei
seinem Vortrag forderte er eine Forcierung der Belagerung Englands,
was nur eine Umschreibung für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg
bedeutete. Raeder führte in diesem Zusammenhang aus, dass die
Eroberung der holländischen Küste für den U-Boot-Krieg keine
Vorteile bringe, wohl aber Stützpunkte an der norwegischen Küste, die
möglicherweise mit Hilfe sowjetischen Druckes erworben werden
könnten; konkret wurde Trondheim genannt.
Großadmiral Erich Raeder, der Urheber des
Unternehmen Weserübung
Unternehmen Weserübung
Der Winterkrieg und die Folgen für Skandinavien
Die Situation der skandinavischen Staaten änderte sich schlagartig mit dem Ausbruch des russisch-finnischen
Winterkrieges am 30. November 1939. Während die skandinavischen Staaten am 7. Dezember 1939 übereinkamen,
in der Frage des russisch-finnischen Konfliktes strikte Neutralität wahren zu wollen, sahen die Westalliierten eine
vorzügliche Möglichkeit, unter dem Vorwand der Unterstützung Finnlands gegen die Sowjetunion ihren Einfluss auf
diese Staaten zu vergrößern. Nach der Vorstellung Churchills wollte man für die Unterstützung Finnlands mit
Truppen und Gerät von Norwegen und Schweden die Gewährung freien Durchzuges verlangen. Favorisiert wurde
die Route über Narvik, von dort mit der Eisenbahn über Kiruna, Gällivare nach dem Ostseehafen Luleå und von dort
in Richtung Osten nach Finnland. Churchill schreibt in seinen Memoiren: „die Gelegenheit wollten wir dann
benutzen, um uns die Erzgruben von Gällivare zu sichern“. Diese Unterstützung scheiterte aber an der Weigerung der
skandinavischen Staaten, wodurch die finnischen Truppen ohne die benötigten Materialien blieben.
Besuch des norwegischen Politikers Quisling in Berlin
Für Hitler erhielt die Norwegenfrage neue Aktualität durch den Besuch des ehemaligen norwegischen
Kriegsministers (Staatsrats) Quisling in Berlin im Dezember 1939. Quisling war Parteiführer der Nasjonal Samling,
einer kleinen und wenig bedeutsamen nationalistischen Partei, zu der das Außenpolitische Amt der NSDAP (nicht zu
verwechseln mit dem Auswärtigen Amt) unter Leitung des Reichsleiters Alfred Rosenberg schon vor dem Krieg
Verbindung aufgenommen hatte. Auf Vermittlung Rosenbergs wurde Quisling von Raeder am 11. Dezember 1939
empfangen. Am 12. Dezember 1939 informierte Raeder Hitler über den Besuch Quislings und empfahl ihm, den
norwegischen Politiker zu empfangen, um sich selbst ein persönliches Urteil zu bilden. Am 14. Dezember 1939 kam
es zur ersten Begegnung zwischen Hitler und Quisling; am selben Tag befahl Hitler dem Oberkommando der
Wehrmacht, sich mit der Planung eines möglichen Angriffs auf Norwegen zu befassen.
Altmark-Zwischenfall
Die Frage der norwegischen Neutralität, die Erwägungen über die Absichten Großbritanniens und Frankreichs und
die deutschen Präventivüberlegungen erhielten Mitte Februar besondere Bedeutung durch den sogenannten
Altmark-Zwischenfall. Die Altmark war ein mit lediglich zwei Fliegerabwehrmaschinengewehren bewaffnetes
Trossschiff der Kriegsmarine, welches das deutsche Panzerschiff Admiral Graf Spee im Nord- und Südatlantik zu
versorgen hatte. Die Altmark hatte 303 britische Seeleute an Bord, die von den Schiffen stammten, die die Admiral
Graf Spee aufgebracht hatte. Unter Führung des Kapitän Dau war es gelungen, die britische Blockade zu
durchbrechen, und sie erreichte am 14. Februar 1940 nördlich von Trondheim die norwegischen Hoheitsgewässer.
Die Altmark war zweifellos ein Hilfsschiff der deutschen Kriegsmarine, führte aber die Reichsflagge und galt aus
deutscher Sicht nicht als Kriegsschiff, was von britischer Seite ganz anders beurteilt wurde. Am 14. Februar wurde
die Altmark zweimal von zwei verschiedenen norwegischen Torpedobooten angehalten und oberflächlich
kontrolliert. Es gab keine Beanstandungen. Hiermit gab sich der Chef des Zweiten Norwegischen
Seeverteidigungsabschnittes, Konteradmiral Tank-Nielsen, der von den britischen Internierten an Bord der Altmark
wusste, nicht zufrieden. Er griff persönlich ein, begab sich mit dem Torpedoboot Gam selbst zur Altmark und
verlangte eine neuerliche Untersuchung. Dies lehnte Kapitän Dau ab; sein Versuch, auf dem Funkweg die deutsche
Botschaft in Oslo zu erreichen, wurde von den Norwegern verhindert. Immerhin gestattete der norwegische Admiral
die Weiterfahrt unter dem Begleitschutz norwegischer Torpedoboote. Die Briten hatten vermutlich aufgrund des
lebhaften Funkverkehrs die Altmark orten können. Gegen 14:50 Uhr wurde das deutsche Schiff von drei englischen
Flugzeugen innerhalb der norwegischen Hoheitsgewässer aufgeklärt. Gegen 16:00 kamen auf der Höhe von
Egersund drei britische Zerstörer in Sicht. Um der Kaperung zu entgehen, zog sich Kapitän Dau mit seinem Schiff in
den teilweise vereisten Jøssingfjord zurück. Inzwischen hatten die norwegischen Torpedoboote Anweisung, sich
längsseits der Altmark zu legen, um ein Entern des Schiffes durch die Engländer zu verhindern. Der Befehl wurde
indessen widerrufen, und die Norweger beschränkten sich den Engländern gegenüber auf Protest. Eine halbe Stunde
28
Unternehmen Weserübung
vor Mitternacht lief der britische Zerstörer Cossack in den Fjord ein, legte sich längsseits der Altmark und ließ diese
durch ein Stoßtruppkommando entern. Bei der folgenden Schießerei kamen sieben deutsche Seeleute ums Leben.
Die Cossack übernahm die britischen Kriegsgefangenen und kehrte mit ihnen nach England zurück. Zu diesem
Vorgang schrieb Raeder in seinen Erinnerungen: „Durch dieses Ereignis erhielt die Norwegenfrage ein wesentlich
anderes Gesicht, denn nun war eindeutig bewiesen, dass die norwegische Regierung nicht in der Lage war, ihre
Neutralität aufrechtzuerhalten.“
Berufung des Sonderstabes Gruppe XXI
Noch ehe weitere Nachrichten zu den Absichten der Briten eintrafen, sich in Norwegen Marine- und Luftstützpunkte
zu verschaffen, befahl Hitler am 20. Februar 1940 den Kommandierenden General des XXI. Armeekorps, General
von Falkenhorst, in die Reichskanzlei. Nachdem Hitler am 21. Februar von Falkenhorst in das beabsichtigte
Norwegenunternehmen eingewiesen hatte, übertrug er ihm den Auftrag, das Unternehmen vorzubereiten. Für den
Fall der Durchführung der Operation sollte der General das Kommando übernehmen. Im Anschluss wurde die
Gruppe XXI gebildet und dem OKW unmittelbar unterstellt.
Operative Idee
Angesichts der überwältigenden Überlegenheit der Royal Navy war für das Gelingen der Operation Weserübung die
absolute Geheimhaltung aller Vorbereitungsmaßnahmen geradezu Bedingung. Um die gegnerischen
Nachrichtendienste täuschen zu können, mussten auch die für die Durchführung des Unternehmens vorgesehenen
Kriegsschiffbesatzungen, die Verbände des Heeres, der Luftwaffe und die Besatzungen der zur Versorgung
benötigten Handelsschiffe über die wahren Absichten der deutschen Führung im Unklaren gelassen werden. Die
Geheimhaltung ging so weit, dass man den Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring nicht informierte. Die
Grundüberlegung zielte darauf ab, der Unternehmung den Charakter einer friedlichen Besetzung zu geben, und zwar
unter dem Vorwand, der Neutralität der beiden Länder bewaffneten Schutz zu geben. Entsprechende Forderungen
sollten bei Beginn der Besetzung den Regierungen Dänemarks und Norwegens auf diplomatischen Wege mitgeteilt
werden. In der späteren Durchführung sollte sich die friedliche Besetzung als ein Unsicherheitsfaktor erweisen, da
die deutschen Streitkräfte dem Gegner den ersten Schuss überlassen mussten, um dessen Haltung im Zweifelsfall als
feindselig erkennen zu können.
Das Kernstück der operativen Idee bestand aus der Forderung, durch überfallartige Landungen mit Flugzeugen, von
Kriegsschiffen und sonstigen Seefahrzeugen durch je eine Kampfgruppe an je sieben Landungsplätzen in Dänemark
und Norwegen an einem bestimmten Tag (dem Wesertag) im Schutze der Nacht zu einer bestimmten Zeit (der
Weserzeit) gleichzeitig aufzutreten. In Dänemark sollten auf dem Seewege Heereskampfgruppen bei Middelfart,
Nyborg, Korsør, Kopenhagen und Gedser angelandet werden. Gleichzeitig sollten eine Infanteriedivision und eine
durch Panzer verstärkte motorisierte Schützenbrigade die Grenze nach Dänemark in breiter Front überschreiten. Die
Besetzung Dänemarks (Tarnbezeichnung Weserübung Süd) war nach übereinstimmender Einschätzung der
Stabsoffiziere der drei Wehrmachtteile hauptsächlich aus Gründen der Versorgung Voraussetzung für die
erfolgreiche Besetzung Norwegens (Tarnbezeichnung Weserübung Nord).
Die für die Besetzung Norwegens vorgesehenen Landeplätze Narvik, Trondheim, Bergen, Kristiansand, Egersund,
Arendal und Oslo waren von Kriegsschiffgruppen anzulaufen. Stavanger sollte aus der Luft genommen werden und
durch Heerestruppen, die von Handelsschiffen nachgeführt wurden, gesichert werden. Auftrag der Heerestruppen
war es, die Städte in Besitz zu nehmen und vorläufig gegen voraussehbare britische Gegenangriffe zu verteidigen.
Da die Norweger über eine Milizarmee verfügten, sollte als nächstes Ziel die Inbesitznahme der in der Nähe
befindlichen Ausbildungslager (Übungsplätze) des norwegischen Heeres in Angriff genommen werden, weil diese
Einrichtungen zugleich Mobilisierungszentren waren.
29
Unternehmen Weserübung
Durchführung der Operation
Noten der deutschen Reichsregierung an Dänemark und Norwegen
In gleichlautenden Noten an die dänische und norwegische Regierung erklärte die Reichsregierung am 9. April, ihr
militärisches Vorgehen sei alleine dazu bestimmt, einem Angriff der Westmächte auf die beiden Länder
zuvorzukommen. Sie könne es "unter keinen Umständen dulden, daß Skandinavien von den Westmächten zum
Kriegsschauplatz gegen Deutschland gemacht werde". Die deutschen Truppen kämen "nicht in feindseliger
Gesinnung". Die beiden Regierungen wurden aufgefordert, den deutschen Maßnahmen keinen Widerstand
entgegenzusetzen. Dänemark beugte sich unter Protest den deutschen Forderungen und konnte so gewährleisten,
dass die Regierung bis zur Verhängung des Ausnahmezustandes durch die deutschen Besatzungsbehörden am 29.
August 1943 im Amt blieb und die dänischen staatlichen Strukturen im Wesentlichen erhalten blieben. König
Christian X. blieb im Land.
Besetzung Dänemarks
Oberst Oster vom Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der
Wehrmacht verriet am 4. April 1940 die Operation an den
niederländischen Militärattaché, Major Sas, der sein Wissen
unverzüglich an den dänischen Marineattaché, Fregattenkapitän Frits
A. Kjølsen, sowie norwegische und britische Diplomaten weiterleitete.
Auch der dänische Heeresnachrichtendienst war durch seine Agenten
in Norddeutschland über deutsche Truppenkonzentrationen informiert
und gab diese Informationen an die Regierung weiter. Diese
Nachrichten wurden jedoch von den Regierungen der betroffenen
Staaten wenig ernst genommen. In Dänemark wirkte sich das
Überraschungsmoment für die deutschen Truppen in vollem Umfang
aus. Am 9. April um 4.15 Uhr überschritten deutsche Truppen die
Grenze. Widerstand leistete die dänische Armee nur stellenweise (in
Dänemark
Kopenhagen, in Südjütland, im Bereich der Storstrømbrücke und auf
Sjælland). In Kopenhagen verteidigte das Garde-Ausbildungsbataillion Schloss Amalienborg gegen die
Landungstruppen, die das deutsche Transportschiff Hansestadt Danzig an der Langelinie ausgeschifft hatte. Teile der
Garnison von Roskilde marschierten durch Sjælland nach Helsingør und setzten mit einer requirierten Fähre nach
Schweden über, da ihr Kommandeur annahm, Schweden sei ebenfalls angegriffen worden. Die Garnison von Tønder
(Tondern) legte auf ihrem Rückzug nach Norden improvisierte Straßensperren an. Der dänische Oberbefehlshaber,
General Prior, plädierte für symbolischen, hinhaltenden Widerstand, konnte sich aber nicht gegen Regierung und
König durchsetzen. Auf Befehl Christians X. wurde der Kampf eingestellt. Auf dänischer Seite waren 17 Gefallene
zu verzeichnen. Am Abend des 9. April war Dänemark vollständig besetzt. Bereits an diesem Tag konnte die
Wehrmacht das dänische Eisenbahnnetz und die Flugplätze in Jütland zur Versorgung und Unterstützung der
deutschen Truppen in Norwegen benutzen. Die Operation Weserübung Süd war bereits am 10. April erfolgreich
abgeschlossen.
Dänemark hatte vom Tag der Besatzung bis zum 5. November 1942 eine besondere Stellung unter den von
Deutschland besetzten Ländern. Da bei der Invasion kaum Widerstand geleistet wurde und die Regierung
entschlossen war, die Verhältnisse im Land selber zu regeln, blieben König, Regierung, Parlament, Verwaltung und
sogar Armee und Marine unangetastet und intakt. In Dänemark unvergessen ist die Rettung der dänischen Juden
1943. Auch blieb das nach dem Ersten Weltkrieg nach Volksabstimmung von Deutschland abgetrennte
Nordschleswig dänisch.
30
Unternehmen Weserübung
31
Invasion Norwegens
Für die Invasion Norwegens hatte die Seekriegsleitung fünf
Kriegsschiffgruppen zusammengestellt. Die für Narvik bestimmte
Kriegsschiffgruppe 1 bestand aus zehn Zerstörern. Auf jedem Zerstörer
waren 200 Gebirgsjäger des Gebirgsjägerregiments 139 eingeschifft
worden. Die für Trondheim bestimmte Kriegsschiffgruppe 2 setzte sich
aus dem Schweren Kreuzer Admiral Hipper und vier Zerstörern
zusammen. Die Kriegsschiffgruppen 1 und 2 nahmen am 7. April 1940
um 3:00 Uhr unter dem Schutz der Schlachtschiffe Gneisenau und
Scharnhorst aus der deutschen Bucht gemeinsame Fahrt nach Norden
auf. Es handelte sich um den größten Flottenverband, den die
Kriegsmarine im Verlauf des Zweiten Weltkrieges für eine offensive
Operation jemals zusammenstellen konnte.
Um 14:30 Uhr wurde der Verband von zwölf Wellington-Bombern
erfolglos angegriffen. Noch am 7. April 1940 ging bei der Gruppe XXI
die
Meldung
ein,
dass
der
Flottenverband
der
Narvik-Trondheim-Gruppen
von
einem
britischen
Aufklärungsflugzeug erfasst und dessen Kurs zutreffend angegeben
worden war. In der Nacht vom 7. auf den 8. April durchbrachen die
Kampfgruppen die Enge zwischen den Shetlands und Bergen nach
Norden. In dieser Nacht frischte der Wind aus Südwest erheblich auf
und erreichte Windstärken von 7 bis 8. Da die Zerstörer bei dem
zunehmenden Seegang die Geschwindigkeit von 26 Knoten nicht
halten konnten, war in der Nacht die Verbindung zu neun Zerstörern
abgerissen.
Norwegen
Narvik
Hauptartikel: Schlacht um Narvik
Die Kriegsschiffgruppe 1 erreichte planmäßig zur Weserzeit Narvik.
Die Küstenpanzerschiffe Eidsvold und Norge, deren Kommandanten
Widerstand leisten wollten, wurden vor und im Hafenbecken von
Narvik von den Zerstörern Z 21 Wilhelm Heidkamp und Z 11 Bernd
von Arnim torpediert und versenkt. Der Standortkommandant von
Narvik, Oberst Sundlo, übergab die Stadt ohne Gegenwehr. Für den
Führer der Zerstörer, Kommodore Bonte, stellte sich das Problem des
Rückmarsches, weil von den zwei vorgesehenen Tankern nur die Jan
Wellem Narvik erreicht hatte. Die Ladung des Tankers war zwar
ausreichend, doch gestaltete sich die Ölübernahme so zeitraubend, dass
die gemäß Operationsbefehl vorgesehene Auslaufzeit am Abend des 9.
April 1940 nicht eingehalten werden konnte. Am Morgen des 10. April
drang eine britische Zerstörer-Flottille bis zum Hafen vor Narvik vor
und versenkte zwei der deutschen Zerstörer, das Führerboot Z 21
Wilhelm Heidkamp und Z 22 Anton Schmitt. Kommodore Bonte fand
Deutsche Zerstörer im Hafen von Narvik
Der Schwere Kreuzer Admiral Hipper bei der
Besetzung Norwegens, vermutlich beim
Ausladen der Truppen in Trondheim
Unternehmen Weserübung
dabei den Tod. Bei ihrem Rückzug stießen die britischen Schiffe auf
erneute Gegenwehr in Form einer von Fregattenkapitän Bey geführten
Zerstörerflottille und verloren dabei ihr Führungsschiff, den
Flottillenführer HMS Hardy und den Zerstörer HMS Hunter.
Die Schlachtschiffe Scharnhorst und Gneisenau übernahmen die
Fernsicherung auf See und trafen hier auf den britischen
Schlachtkreuzer HMS Renown. Die Gneisenau erhielt dabei einen
Volltreffer in den Artillerieleitstand auf der Vormarsplattform. Die
deutschen Schiffe brachen das Gefecht ab und kehrten ein paar Tage
später nach Wilhelmshaven zurück.
Am 13. April 1940 kam es vor Narvik zu einem erneuten Gefecht mit
einem britischen Flottenverband unter Führung von Vice-Admiral
Whitworth, als das britische Schlachtschiff HMS Warspite mit den
Zerstörern HMS Icarus, HMS Hero, HMS Foxhound, HMS Kimberley,
HMS Forester, HMS Bedouin, HMS Punjabi, HMS Eskimo und HMS
Cossack zu den Liegeplätzen der deutschen Schiffe vordrang. Im
Verlauf des Gefechts versenkten HMS Warspite, HMS Bedouin und
Der Schwere Kreuzer Admiral Hipper bei der
HMS Eskimo Z 13 Erich Koellner, und HMS Cossack und HMS
Besetzung Norwegens, vermutlich beim
Ausladen der Truppen in Trondheim
Foxhound versenkten Z 12 Erich Giese. Die HMS Hero torpedierte Z
18 Hans Lüdemann. Die übrigen deutschen Zerstörer wurden nach
Erschöpfung ihrer Treibstoff- und Munitionsbestände von ihren Besatzungen entweder auf Grund gesetzt oder selbst
versenkt. Auch einige der britischen Zerstörer wurden zum Teil erheblich beschädigt. Jedoch wurde keiner von ihnen
versenkt. Die HMS Punjabi erhielt Artillerietreffer und die HMS Eskimo verlor ihr Vorschiff durch einen
Torpedotreffer von Z 2 Georg Thiele. Die HMS Cossack wurde durch Artillerietreffer von Z 17 Dieter von Roeder
und das Auflaufen auf ein Wrack stark beschädigt.
Das Bordflugzeug der Warspite versenkte das deutsche U-Boot U 64. Ein Angriff von U 25 gegen den britischen
Verband am 13. April 1940 sowie ein weiterer Angriff von U 25 und U 48 im Vestfjord gegen das Schlachtschiff
Warspite am 14. April 1940 schlugen wegen Torpedoversagern fehl.
Am 14. April 1940 versenkte der Schwere Kreuzer HMS Suffolk nordwestlich Bodø den deutschen
Versorgungstanker Skagerrak (6044 BRT).
Trondheim
Auf dem Marsch nach Norden versenkte der Schwere Kreuzer Admiral Hipper am Morgen des 8. April den
britischen Zerstörer HMS Glowworm. Durch Rammstoß hatte dieser die Admiral Hipper noch schwer am Bug
beschädigt.
Die Kriegsschiffgruppe 2 unter Kommando von Kapitän z.S. Heye drang planmäßig in den zum Hafen von
Trondheim führenden Fjord ein. Dem Kommandeur des Gebirgsjäger-Regiments 138, Oberst Weiß, gelang es mit
etwa 100 Gebirgsjägern Trondheim zu besetzen. In Trondheim selbst befanden sich kaum norwegische Truppen.
Bergen und Stavanger
Die Kriegsschiffgruppe 3 hatte den Auftrag, rund 1900 Mann Heerestruppen und Marineartillerie-Einheiten nach
Bergen zu bringen. Der Befehlshaber der Kampfgruppe, Konteradmiral Schmundt, erreichte im Schutz von dichtem
Nebel die Einfahrt nach Bergen unbehelligt. Als am 9. April 1940 um 0:00 die norwegischen Außenfeuer gelöscht
wurden, war für Schmundt klar, dass der Überraschungsmoment verloren war. Um 5:15 Uhr Weserzeit steuerte der
Verband in den Byfjord ein und geriet in den Wirkungsbereich der Küstenbatterien bei Kvarven. Das
32
Unternehmen Weserübung
Artillerieschulschiff Bremse und der Leichte Kreuzer Königsberg erhielten Treffer, und auf dem
Schnellbootbegleitschiff Carl Peters wurden einige Heeressoldaten bei einem Treffer in den Mast durch Splitter
getötet und verwundet. Bergen selbst konnte kampflos besetzt werden; bald darauf wurden auch die Küstenbatterien
von deutschen Truppen eingenommen.
In Stavanger wurde nach vorausgegangenem Angriff von Sturzkampfbombern Ju 87 der norwegische Zerstörer
Aeger versenkt. Die 8. und 9. Staffel des Kampfgeschwaders 4 konnte zwei Bataillone des Infanterieregiments 193,
eine Kompanie Fallschirmjäger, Flak- und Versorgungseinrichtungen auf dem Luftweg landen.
Kristiansand, Egersund, Arendal
Vier Boote der 2. Minensuchflottille mit einer Radfahrerkompanie an Bord eroberten Egersund planmäßig, um die
dortige Kabelstation einzunehmen, wo sie auf keinen Widerstand stießen. Wegen dichten Nebels konnte die
Kriegsschiffsgruppe 4 nicht den Hafen von Kristiansand anlaufen. Als es um 6:00 Uhr, 45 Minuten nach Weserzeit,
einigermaßen aufklarte, versuchte der Verband in die Fjordeinfahrt einzulaufen. Drei Angriffsversuche scheiterten
am Abwehrfeuer der dem Hafen Kristiansand vorgelagerten Küstenbefestigungen auf dem Felsen Odderöy und der
Küstenbatterie Gleodden. Der zufällig vor Kristiansand liegende deutsche Frachter Seattle geriet in das Kreuzfeuer
von Angreifern und Verteidigern, wurde in Brand geschossen und sank später. Erst gegen 11:00 Uhr gelang den
kleineren Einheiten unter Feuerschutz des Leichten Kreuzers Karlsruhe der Einbruch in den Hafen. Stadt und
Küstenbatterien wurden von den deutschen Truppen eingenommen. Zwei im Hafen liegende norwegische U-Boote,
B 2 und B 3, wurden durch Herausnehmen der Drucklager fahruntüchtig gemacht. Das Torpedoboot Greif lief
Arendal an und setzte dort die Radfahrkompanie 234 an Land. Ohne auf Widerstand zu stoßen, wurde Arendal
eingenommen und gesichert. Auf dem Rückmarsch erhielt die Karlsruhe am Abend des 9. April durch das britische
U-Boot HMS Truant einen Torpedotreffer, der sie so schwer beschädigte, dass sie nach der Abbergung der
Besatzung nahe der Kristiansand vorgelagerten Insel Oksøy durch zwei Torpedos der Greif versenkt werden musste.
Oslo
Das Landeunternehmen in Oslo war für das Gelingen der
Gesamtoperation im Sinne einer sogenannten friedlichen Besetzung
von zentraler Bedeutung. Die Erfüllung der deutschen Forderungen auf
dem Verhandlungswege setzte voraus, dass durch raschen Zugriff der
norwegische König und dessen Regierung in deutschen Gewahrsam
gerieten. Die Besetzung von Oslo durch die 163. Infanteriedivision
(Kommandeur: Generalmajor Engelbrecht) wurde deshalb nicht nur
von See her geplant, sondern gleichzeitig – sofern die Wetterlage dies
zuließ – auf dem Luftwege. Nach Einnahme des Flughafens
Oslo-Fornebu durch das I/Fallschirmregiment 1 sollten ferner dort mit
der 1. Lufttransportstaffel zwei Bataillone des Infanterieregiments 324
und eine Pionierkompanie gelandet werden, um so eine
Ausgangsstellung für die Inbesitznahme von Oslo zu gewinnen.
Die Kriegsschiffgruppe 5 war unter Prestigegesichtspunkten
Oslofjord mit Festung Oscarsborg
zusammengestellt worden. Zum Durchbruch durch den gut 100
Kilometer langen Oslofjord waren die schweren Einheiten wenig
geeignet, weil es in dem engen Fahrwasser wenig Ausweichmöglichkeiten gibt. Der Kampfverband wurde am 9.
April 1940 gegen 0:00 Uhr beim Passieren der Küstenbefestigungen auf Bolærne und Rauøy von Scheinwerfern
erfasst. Kurze Zeit darauf hatten die Norweger die Leuchtfeuer an und im Fjord gelöscht. Der Kampfgruppenführer
konnte also mit dem Überraschungsmoment nicht mehr rechnen. Es ist insofern unklar, weshalb Konteradmiral
Kummetz die Durchquerung der Drøbak-Enge mit seinem Flaggschiff, dem Schweren Kreuzer Blücher, versuchte.
33
Unternehmen Weserübung
Die Blücher erhielt von der Festung Oscarsborg zwei 28-cm-Treffer. Gleichzeitig eröffnete die 15-cm-Batterie
nördlich Drøbak das Feuer und erzielte mindestens 13 Treffer. Zwei Torpedos, die von einer vorzüglich getarnten
Torpedobatterie auf der Insel Nord-Kaholmen abgeschossen wurden, besiegelten das Schicksal des Schiffes. Um
7:23 Uhr sank die Blücher östlich der Insel Askholmen. Dort liegt das Wrack noch heute in einer Tiefe von 90 m.
Die 28 cm-Geschütze der Festung Oscarsborg waren Ende des 19. Jahrhunderts von Krupp in Deutschland
hergestellt worden. Trotz des Verlusts der Blücher wurde Oslo letztendlich von Luftlandetruppen eingenommen.
Der norwegische Minenleger Olav Tryggvason versenkte das deutsche Räumboot R 17. Die Küstenschutzschiffe
Harald Haarfagre und Tordenskjöld sowie die Torpedoboote Balder und Gyller wurden von deutschen
Besatzungstruppen erbeutet und nach Umbau als Flakschiffe Thetis und Nymphe, als Torpedoboote Leopold und
Löwe, und als Minenleger Brummer wieder in Dienst gestellt. Das norwegische Torpedoboot Aegir versenkte den
deutschen Nachschubfrachter Roda (6780 BRT) und wurde durch einen Fliegerangriff der III/KG.4 versenkt.
Auch die Landung von Truppen auf dem Flugplatz von Oslo verlief
nicht wie geplant. Die 1. Lufttransportstaffel mit 29 Flugzeugen vom
Typ Ju 52 stieß auf dichten Nebel in der Nähe von Oslo. Daraufhin
befahl der Gruppenkommandeur abzudrehen, weil seine Piloten nicht
im Blindflug ausgebildet waren. Zwei Piloten empfingen den Befehl
nicht und landeten auf dem Flugplatz. 18 Fallschirmjäger und 50
Infanteristen nahmen Fornebu ein. Das X. Fliegerkorps hob den
Umkehrbefehl auf, als von einem deutschen Schiff die Meldung kam,
Deutsche Panzer (Neubaufahrzeug) im Hafen von
dass auf Fornebu deutsche Flugzeuge landeten und starteten. Im
Oslo unmittelbar nach dem Entladen der
Verlauf des Nachmittags griffen Verbände des X. Fliegerkorps
Transportschiffe.
Bolærne, Rauøy, Horten und Drøbak an. Um 18:30 Uhr waren die
norwegischen Stellungen niedergekämpft und konnten besetzt werden. Am Vormittag des 10. April liefen die
Schiffe der Kampfgruppe in den Hafen von Oslo ein. Alles in allem war die Unternehmung Weserübung mit der
Stabilisierung der Lage in Oslo am 10. April, soweit vorausgeplant, gelungen, obgleich die Norweger mit alliierter
Unterstützung weiterhin Widerstand leisteten. Erst am 10. Juni 1940 unterschrieb der norwegische Oberstleutnant
i.G. Roscher-Nielsen für das norwegische Oberkommando in Trondheim die Kapitulationsurkunde. Als
Reichskommissar für das besetzte Norwegen wurde Josef Terboven ernannt.
Ergebnis
Das Unternehmen Weserübung, die größte triphibische Operation der
damaligen Kriegsgeschichte, richtete sich mittelbar gegen
Großbritannien. Direkt angegriffen wurden jedoch zwei neutrale
Staaten, obwohl zwischen dem Deutschen Reich und Dänemark am 31.
Mai 1939 ein Nichtangriffspakt abgeschlossen worden war. Diese
Tatsache hat das Verhältnis zwischen Deutschland und den
skandinavischen Staaten über Jahrzehnte schwer belastet.
Unter operativen Gesichtspunkten war Weserübung für die
Das Schlachtschiff Tirpitz mit Zerstörereskorte in
Kriegsmarine wegen der hohen Verluste ein Fehlschlag. Die erweiterte
einem norwegischen Fjord.
geostrategische Ausgangsbasis konnte von der Seekriegsleitung kaum
ausgenutzt werden. Trotzdem war die Operation Weserübung sicherlich eine Voraussetzung für die Fortsetzung der
deutschen Kriegsführung. Der Export der schwedischen Eisenerze und der Stahlveredlungsmetalle aus dem
skandinavischen Raum nach Deutschland blieb für die gesamte Dauer des Krieges gesichert. Nach britischer
Einschätzung hätte das Deutsche Reich ohne die kriegswirtschaftlich notwendigen skandinavischen Erze den Krieg
nicht länger als 12 Monate durchhalten können.
34
Unternehmen Weserübung
Durch die Besetzung Dänemarks und Norwegens blieb die Ostsee unter deutscher Kontrolle. Schließlich ist durch
das Unternehmen Weserübung eine weitere Front in Skandinavien verhindert worden, die vor allem Frankreich zu
seiner Entlastung gefordert hatte. Propagandistisch-innenpolitisch war die Militäroperation ebenfalls ein Erfolg und
verstärkte an der Heimatfront den politischen Mythos der „unbesiegbaren Wehrmacht“.
Nachdem 1941 der Krieg gegen die Sowjetunion begonnen hatte und die USA Waffen und anderen Nachschub nach
Murmansk und Archangelsk lieferten (siehe auch Leih- und Pachtgesetz), konnte die Wehrmacht die Häfen und
Flugstützpunkte in Nord-Norwegen dazu nutzen, diese Geleitzüge anzugreifen und die russischen Häfen zu
bombardieren.
Siehe auch
• Beteiligte deutsche Schiffe des Unternehmens Weserübung
Literatur
• Thomas K. Derry: The Campaign in Norway. London 1952
• Olivier Desarzens: Nachrichtendienstliche Aspekte der "Weserübung" 1940. Osnabrück 1988 (= Studien zur
Militärgeschichte, Militärwissenschaft und Konfliktforschung, Band 34)
• Martin A. Doherty: The Attack on the Altmark. A Case Study in Wartime Propaganda. In: Journal of
Contemporary History 38/2003, S. 187–200
• Walther Hubatsch: Weserübung. Göttingen 1960
• Sebastian Jakubzik: Unternehmen Weserübung - Die Besetzung Dänemarks und Norwegens im 2.Weltkrieg,
Berlin 2008 ISBN 3-638-93874-3
• Klaus A. Maier, Bernd Stegemann: Die Sicherung der europäischen Nordflanke, in: Klaus A. Maier/Horst
Rohde/Bernd Stegemann/Hans Umbreit: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 2: Die Errichtung
der Hegemonie auf dem europäischen Kontinent, Stuttgart: DVA 1979, ISBN 3-421-01935-5, S. 189–231
• Hans-Martin Ottmer: „Weserübung“ - Der deutsche Angriff auf Dänemark und Norwegen im April 1940,
München 1995 (= Operationen des Zweiten Weltkrieges, Bd.2, Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt).
ISBN 3-486-56124-3 3
Film
• Jens Becker, Ralf Daubitz (Regie): Krieg in der Arktis. Zweiteilige Filmdokumentation Deutschland (MDR),
2007, 52 Min. (Der erste Teil zeigt Planung und Umsetzung des Angriffs mit teilweise bislang unbekannten
Archiv- und Privat-Filmaufnahmen und lässt Zeitzeugen berichten. Teil 2 (Verbrannte Erde) zeigt den Alltag an
der arktischen Front und das weitere Schicksal finnischer und norwegischer Frauen, die deutsche Soldaten
liebten.)
• Kampf um Norwegen - Feldzug 1940 deutscher Propagandafilm 1940, Regie: Martin Rikli
35
Unternehmen Weserübung
Weblinks
•
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•
•
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•
Weisung für "Fall Weserübung" [2]
3. Gebirgsdivision [3]
http://www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/40-04.htm
A detailed article about the German invasion of Denmark [4]
A short introduction to the German invasion of Norway [5]
Norway 1940: A detailed description of the chain of events [6]
The Royal Navy: Norwegian invasion and campaign [7]
T.K. Derry: The Campaign in Norway [8]
Halford Mackinder's Necessary War [8]
Info zur norwegischen Armee [9]
Referenzen
[1]
[2]
[3]
[4]
Manuel Ruoff: Deutschland kam England zuvor. Preußische Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 3. April 2010, S. 10
http:/ / www. ns-archiv. de/ krieg/ 1940/ weseruebung. php
http:/ / members. aon. at/ dbundsch/ gd3. htm
http:/ / www. milhist. dk/ besattelsen/ 9april/ 9april. html
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
http:/ / www. nuav. net/ weserubung2. html
http:/ / hem. fyristorg. com/ robertm/ norge/
http:/ / www. naval-history. net/ WW2194004. htm#nor
http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ UN/ UK/ UK-NWE-Norway/ index. html#contents
http:/ / hem. fyristorg. com/ robertm/ norge/ norway_reference. html
36
Westfeldzug
37
Westfeldzug
Westfeldzug
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Datum
10. Mai–25. Juni 1940
Ort
Frankreich, Benelux
Ausgang
Deutscher Sieg
Konfliktparteien
Belgien
Niederlande
Luxemburg
Frankreich
Vereinigtes Königreich
Kanada
Exil-Tschechoslowaken
Exil-Polen
Deutsches Reich
Befehlshaber
Maurice Gamelin
Maxime Weygand
Lord Gort (British Expeditionary
Force)
Leopold III.
Henri Winkelman
Władysław Sikorski
Gerd von Rundstedt (Heeresgruppe A)
Fedor von Bock (Heeresgruppe B)
Wilhelm von Leeb (Heeresgruppe C)
Truppenstärke
144 Divisionen,
2.862.000 Soldaten,
13.974 Geschütze,
3.384 Panzer,
[1]
4.469 Flugzeuge
141 Divisionen,
3.350.000 Soldaten,
7.378 Geschütze,
2.445 Panzer,
[1]
3.578 Flugzeuge
Verluste
360.000 tot oder verwundet,
1.900.000 Gefangene,
? Panzer,
[1]
1.921 Flugzeuge
27.074 Tote,
110.034 Verwundete,
18.384 Vermisste;
714 Panzer,
[1]
1.559 Flugzeuge
[2]
[1944 festgestellt]: 46.059 Tote (nur Heer)
[3]
ca. 3.200 Tote und Vermisste (Luftwaffe)
600–700 Tote und Vermisste (Kriegsmarine)
[4]
– insgesamt rund 49.000 Tote
[5]
Westfeldzug
38
Der Westfeldzug bezeichnet die Eroberung der Niederlande, Belgiens,
Luxemburgs (Fall Gelb) und Frankreichs (Fall Rot) durch die deutsche
Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges vom 10. Mai bis 25.
Juni 1940.
Zu Beginn des Polenfeldzuges hatten Frankreich und Großbritannien
Deutschland den Krieg erklärt, ohne militärisch wirksam einzugreifen.
Dieser „Sitzkrieg“ endete erst Anfang April 1940, als es zu einem
britisch-deutschen Wettlauf um die Besetzung Norwegens kam. Das
„Unternehmen Weserübung“ war Anfang Mai weitgehend zugunsten
Deutschlands entschieden, worauf der Angriffsbefehl im Westen erteilt
wurde.
In
einer
Art
„Sichelschnitt“
drangen
deutsche
Panzerkommandeure, teils eigenmächtig handelnd, binnen weniger
Tage „blitzkriegartig“ durch die Ardennen bis zur Kanalküste vor, und
zwangen die britischen Truppen, sich von Dünkirchen aus auf ihre
Insel zurückzuziehen. Von den besetzten Benelux-Ländern aus erfolgte
Anfang Juni der Angriff auf das französische Kernland, der mit der
Besetzung von Paris am 14. Juni vorentschieden wurde. Der
Waffenstillstand, der am 25. Juni 1940 in Kraft trat, teilte Frankreich in
das verbliebene Vichy-Regime im Süden, in eine deutsche
Besatzungszone entlang der Küsten im Westen und Norden, sowie in
eine italienische Zone in den Westalpen, die Mussolini in den letzten
Kriegstagen erobern ließ[6] .
Ausgangssituation Ende 1939
Die Kampfhandlungen mit Großbritannien wurden in der Luftschlacht
um England fortgeführt.
Ergebnis von Westfeldzug und Norwegen 1940
Westfeldzug
39
Vorgeschichte
Frankreich in Hitlers strategischem Kalkül
Hitlers langfristiges Kriegsziel seit den 1920er Jahren war die
Eroberung von Lebensraum im Osten. In seiner programmatischen
Schrift Mein Kampf, hatte Hitler als Bedingung für die Eroberung von
„Lebensraum im Osten“ die Ausschaltung Frankreichs zur
Rückendeckung für den Feldzug gegen die Sowjetunion gefordert.[7]
Hitler schrieb:
„Erst wenn dies in Deutschland vollständig begriffen sein wird,
daß man den Lebenswillen der deutschen Nation nicht mehr bloß
in passiver Abwehr verkümmern läßt, sondern zu einer
endgültigen aktiven Auseinandersetzung mit Frankreich
zusammenrafft und in einen letzten Entscheidungskampf mit
deutscherseits größten Schlußzielen hineinwirft: erst dann wird
man imstande sein, das ewige und an sich so unfruchtbare
Ringen zwischen uns und Frankreich zum Abschluß zu bringen;
allerdings unter der Voraussetzung, daß Deutschland in der
Vernichtung Frankreichs wirklich nur ein Mittel sieht, um
danach unserem Volke endlich an anderer Stelle die mögliche
Ausdehnung geben zu können.“
Verlauf der Maginot-Linie
– Adolf Hitler: Mein Kampf[8]
Diese Zielsetzung verkündete er auch am 28. Februar 1934 in einer
Rede in der Reichskanzlei vor Reichswehroffizieren, indem er erklärte,
zur Gewinnung neuen Lebensraumes „kurze entscheidende Schläge
erst nach Westen, dann nach Osten“ zu führen.[9] Hitler blieb aber in
der Frage, wo er den Krieg eröffnen wolle, flexibel; so bekannte er in
einer Rede vor den Oberbefehlshabern am 23. November 1939: „Ich
habe lange gezweifelt, ob ich erst im Osten und dann im Westen
losschlagen sollte.“[10] Schließlich entschied er sich für den Polenfeldzug.
Britische Truppen beim Passieren einer
Zugbrücke an der Maginotlinie am Fort de
Sainghain nahe der belgischen Grenze
Als Hitler 1935 seine Macht gefestigt hatte und sich mit Italien zu verbünden begann, setzen sich in der Politik
Frankreichs und Großbritanniens die Prinzipien des Appeasement durch. Ihre Vertreter waren bereit, für eine
spannungsfreie Koexistenz der großen mitteleuropäischen Staaten auch Revisionen des Vertrages von Versailles zu
dulden. Unter diesem Aspekt ist u. a. der Deutsch-Britische Flottenvertrag, die Duldung der Rheinlandbesetzung,
sowie die Akzeptanz der Annexion Österreichs und des Sudetenlandes zu sehen. Die vertragswidrige Besetzung der
Rest-Tschechoslowakei beendete die Appeasementpolitik. Die Westmächte versuchten nun, durch Beistandsverträge
mit Polen, Rumänien, Jugoslawien, Griechenland, der Türkei und der Sowjetunion eine weitere Expansion
Deutschlands und Italiens zu verhindern. Diese Eindämmungsversuche mussten mit dem Abschluss des
Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts als gescheitert gelten.
Hitler hatte die Zugeständnisse der Westmächte als Schwäche von Staaten rezipiert, die – wenn nicht selbst
angegriffen – auch in Zukunft eine militärische Konfrontation mit Deutschland scheuen würden. Diese zuletzt nur
mehr mit Außenminister Joachim von Ribbentrop geteilte Beurteilung führte dazu, dass Hitler bis zum britischen
Ultimatum vom 3. September 1939 überzeugt war, dass es wegen Polen zu keiner militärischen Konfrontation mit
den Westmächten kommen würde.[11] Nachdem Polen geschlagen war, konnte sich Hitler nunmehr der Ausschaltung
Frankreichs zuwenden.
Westfeldzug
Taktik
Das operative Nachkriegsdenken Frankreichs wurde von Marschall Henri Philippe Pétain, dem Generalinspekteur
der französischen Armee, geprägt. Angesichts der schrecklichen Verluste, die Frankreich bei seinen
Offensivoperationen im Ersten Weltkrieg erlitten hatte und gestützt auf persönliche Abwehrerfolge („Held von
Verdun“) räumte er der Verteidigung Priorität ein und forcierte den Ausbau eines starken Verteidigungswalls, der
Maginot-Linie. Zur Rolle der Panzerwaffe enthalten seine Grundsatzweisungen von 1921 nur den Satz: „Panzer
unterstützen das Vorgehen der Infanterie durch Niederkämpfen von Feldbefestigungen und von hartnäckigem
Widerstand der Infanterie.“[12] . Der junge Panzeroffizier Charles de Gaulle schlug hingegen in seinem Buch „Vers
l'Armée de Métier“ vor, als Kern der Landstreitkräfte hochmobile, gepanzerte Großverbände aus Berufssoldaten zu
rekrutieren, die die Entscheidung im Angriff suchen. Mit diesen Ideen konnte er sich allerdings erst nach Hitlers Sieg
in Polen durchsetzen; bis zum Beginn des Westfeldzuges kam es jedoch zu keiner wesentlichen Umsetzung der
neuen Strategie.
Unter dem Eindruck von Hitlers Rheinlandbesetzung und der Inaktivität Frankreichs erklärte Belgien am 14.
Oktober 1936 seine Neutralität. Der Beistandspakt mit den Westmächten wurde durch die grobe Geheimabsprache
ersetzt, im Falle einer deutschen Invasion in der „Dyle-Breda Stellung“ gemeinsam Widerstand zu leisten. Diese
Linie verlief entlang der belgischen Maas bis Namur, dann über die sogenannte „Lücke von Gembloux“ nach Wavre
und von dort entlang der Dyle über Antwerpen und Breda bis Moerdijk mit Anschluss an die „Festung Holland“.
Im Deutschen Reich wurde die Taktik von Generaloberst Hans von Seeckt bestimmt, der ab 1920 die Reichswehr
führte. Er war überzeugt, dass die Kriege der Zukunft von optimal ausgebildeten, hochmobilen und von Fliegern
unterstützten Heeren gewonnen werden würden. Da man Deutschland ein solches Heer in Versailles verwehrt hatte
(Verbot von Panzer- und Luftfahrzeugen, Beschränkung auf 100.000 Mann Berufssoldaten), wollte er zumindest die
Voraussetzungen dafür schaffen. Zur Sicherstellung einer raschen Expansion nach dem Wegfall der Restriktionen
erhielt die Masse der Reichswehrsoldaten eine weit über ihre aktuelle Funktion hinausgehende Ausbildung als
Führungskraft oder Spezialist. Bezüglich der Entwicklung moderner Waffensysteme wurde die Kooperation mit dem
Ausland angestrebt. Bedeutsam war vor allem die von 1922 bis 1933 laufende deutsch-sowjetische Kooperation
(Panzer, Kampfflugzeuge, Giftgas). Die Restriktionen fielen am 17. März 1935; die Aufstellung deutscher
Offensivstreitkräfte begann. Ihre Taktik: Panzerkräfte erzwingen gemeinsam mit der Infanterie unter
Luftwaffenunterstützung den Durchbruch und stoßen dann rasch in die Tiefe des Gefechtsfeldes vor. Die
(motorisierte) Infanterie folgt, schaltet Widerstandsnester aus und sichert die Flanken des Vormarsches mit Hilfe von
Panzerabwehrkanonen ab.
Planungen
Alliierte
Die alliierte Strategie wurde von den Franzosen bestimmt. Diese planten, vor dem Frühsommer 1941 keine
grenzüberschreitenden Operationen vorzunehmen. Deutsche Angriffe sollten an der von der Grenze zur Schweiz bis
Sedan reichenden Maginotlinie abgewehrt werden, in der die Heeresgruppen 2 (Besson) und 3 (Pretélat) eingesetzt
waren. Einen Angriff über Belgien wollte man in der Dyle-Breda-Stellung zum Stehen bringen. In ihr sollte die
Heeresgruppe 1 (Billotte) gemeinsam mit dem Britischen Expeditionskorps (9 Divisionen), sowie Teilen der
belgischen und niederländischen Armee zum Einsatz kommen.
Kommandostruktur: Oberbefehlshaber Gamelin hatte am 6. Januar 1940 die Verantwortung über die Nordostfront
(Heeresgruppen 1–3) an seinen Stellvertreter General Alphonse Georges überantwortet; die Koordinierung des
Einsatzes der französischen Heeresgruppe 1, des britischen Expeditionskorps und der belgischen sowie
niederländischen Streitkräfte wurde nach der Invasion Belgiens an General Gaston Billotte übertragen.
40
Westfeldzug
Belgier und Niederländer
Die Belgier verfügten mit Lüttich, Antwerpen und Namur über drei befestigte Plätze, die Masse des Heeres (20
Divisionen) sollte jedoch in den Grenzstellungen zu Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden sowie in der
Tiefe am Albertkanal zum Einsatz kommen. Mit dem Ausbau einer dritten Verteidigungslinie, der K.-W.-Stellung
(Koningshooikt-Wavre-Stellung), von den Alliierten als Dyle-Breda-Stellung bezeichnet, wurde erst im August 1939
begonnen. In den Niederlanden hoffte man, wie im Ersten Weltkrieg den Neutralitätsstatus wahren zu können, war
daher nicht bereit, Verteidigungsabsprachen zu treffen. Die eigene Verteidigung plante man entlang Maas und IJssel;
als zweite Linie war die Peel-Raam- und Grebbe-Stellung vorgesehen. Die „Festung Holland“ (Bereich Amsterdam,
Rotterdam, Den Haag) sollte an der „Neuen-Wasser-Linie“ auf der Höhe von Utrecht verteidigt werden. Der
Ausbauzustand dieser Linien war im Vergleich zu jenen der Belgier gering; auch im Ausbildungsstand der Truppen
lagen die Niederländer hinter dem südlichen Nachbarn zurück.[13]
Deutsche
Als Hitler am 27. September 1939 seinen Entschluss bekanntgab,
unverzüglich nach Ende des Polenfeldzuges die Westmächte
anzugreifen, löste dies in der Generalität aufgrund des
Stärkeverhältnisses „größtes Entsetzen“[14] aus. Nachdem Hitler alle
Gegenargumente verworfen hatte, liefen die Planungen an. In den
ersten drei Operationsentwürfen lag das Schwergewicht im Norden
(Heeresgruppe
B).
Als
Gegenvorschlag
präsentierte
der
Generalstabschef der Heeresgruppe A (Generalleutnant von Manstein)
seinen gemeinsam mit Generalleutnant Guderian entwickelten
Verschiedene Entwürfe für den Westfeldzug
Sichelschnittplan, der als Kern einen Überraschungsstoß der
Heeresgruppe A durch die Ardennen vorsah. Dieser Plan fand bei
Generalstabschef Franz Halder wegen des panzerungünstigen Schlüsselgeländes in den Ardennen keine Gegenliebe.
Er versetzte den unbequemen Manstein nach Stettin.
Alte und neue Pläne
Am 10. Januar wurde der gesamte bisherige Plan jedoch durch einen bizarren Vorfall zu Makulatur, als der junge
ehrgeizige Luftwaffenoffizier Major Helmut Reinberger mit brisanten Akten auf der Reise zu einer in Köln
angesetzten Stabsbesprechung in Münster aufgehalten wurde. Er entschloss sich, das Angebot anzunehmen, in einer
Kuriermaschine der Luftwaffe mitzufliegen, um sich die lange Fahrt mit dem Nachtschnellzug zu sparen, obwohl er
damit gegen einen eindeutigen Befehl Hermann Görings verstieß, Geheimsachen nicht auf dem Luftweg zu
überbringen. Seine Aktentasche enthielt den streng geheimen Plan für einen wichtigen Teil des deutschen Einfalls in
Frankreich und die Niederlande.
Bald nach dem Start der Messerschmitt Bf 108 vom Flugplatz
Münster-Loddenheide verdichteten sich dünne Nebelschleier zu einer
geschlossenen Wolkendecke, und starker Ostwind bewirkte eine
Windversetzung von etwa 30 Grad. Der Rhein, eine wichtige
Orientierungslinie, wurde bei schlechter Sicht unbemerkt überflogen.
Der Flugzeugführer, Major Erich Hönmanns, sichtete schließlich einen
Messerschmitt Bf 108
Flusslauf, erkannte aber, dass es nicht der Rhein sein konnte. In der
feuchten, eiskalten Luft vereisten die Tragflächen und der Vergaser ihrer Maschine. Schließlich setzte der Motor aus.
Hönmanns fand gerade noch rechtzeitig ein kleines Feld, auf dem notgelandet wurde. Unverletzt mussten die beiden
Wehrmachtsoffiziere erkennen, dass sie die Maas überflogen hatten und 80 Kilometer westlich von Köln bei Vucht
in Belgien (heute: Maasmechelen) bruchgelandet waren.
41
Westfeldzug
Reinberger wollte sofort die Papiere verbrennen. Da aber keiner der beiden Zündhölzer bei sich hatte, liehen sie sich
ein Feuerzeug von einem herbeigeeilten Bauern. Gerade, als es Reinberger gelungen war, die Papiere trotz des
starken Windes in Brand zu setzen, trafen belgische Gendarmen ein und löschten die Flammen.
Am gleichen Abend lagen die lesbaren Dokumente dem belgischen Generalstab vor, der sofort die Mobilmachung
der belgischen Streitkräfte anordnete. Die Belgier übermittelten auch den französischen und britischen Armeen in
Nordfrankreich eine Zusammenfassung des Inhalts der bei Reinberger gefundenen Unterlagen. Aus diesem
Operationsplan ging hervor, dass das deutsche Heer in einer Umfassungsbewegung durch Belgien nach Frankreich
hinein vorstoßen sollte – ähnlich dem Schlieffen-Plan.
In Berlin machte Hitler Göring heftige Vorwürfe und befahl, den Kurier bei seiner Rückkehr erschießen zu lassen,
wozu es nie kam, da Reinberger und Hönmanns den Rest des Krieges in einem kanadischen Kriegsgefangenenlager
verbrachten. Die Umstände aber führten zu einer der wichtigsten Entscheidungen: Der deutsche Angriffsplan musste
völlig neu ausgearbeitet werden.
Erich von Manstein arbeitete einen Angriffsplan aus und verwarf den alten, vorausberechenbaren Plan eines durch
Belgien führenden Hauptstoßes. Wie er Hitler am 17. Februar 1940 erklärte, sollte der deutsche Angriffsschwerpunkt
statt dessen in den Ardennen liegen, einem undurchdringlich erscheinenden bewaldeten Bergland im Grenzgebiet
zwischen Belgien, Frankreich und Luxemburg: Durch die unerwartete Angriffsrichtung hätten die Deutschen nicht
nur den Vorteil des Überraschungsmoments auf ihrer Seite, sie standen auch vor dem verteidigungsschwächsten
Abschnitt der französischen Grenze. Die deutschen Panzer würden die französischen Stellungen bei Sedan
durchstoßen, einen Keil bis zum Ärmelkanal vortreiben und die anglo-französischen Armeen aufspalten. Die
deutsche Luftwaffe sollte die Panzer- und Fahrzeugkolonnen auf dem Marsch über die engen Ardennenstraßen
schützen und dann einen Bombenteppich vor die Panzer legen, wenn sie nach Frankreich vorstießen.
Unternehmen Weserübung
Im Unternehmen Weserübung kamen die Deutschen im April den Briten bei der Besetzung Norwegens zuvor.
Streitkräfte
Gesamtstärke (Nordostfront)
Frankreich
Drei Panzerdivisionen (eine vierte Division in Aufstellung), drei leichte mechanisierte Divisionen (eine vierte
Division in Aufstellung NAf.), fünf leichte Kavalleriedivisionen, eine Kavalleriebrigade, drei Sphahibrigaden,
Infanterie: sieben motorisierte-, eine Gebirgs-, eine leichte-, 64 Feld- (davon 14 Kolonialdivisionen) und zwölf
Festungs-Divisionen + Festungstruppen)
Großbritannien
Elf vollmotorisierte Infanteriedivisionen, davon eine Division im Bereich der Maginotlinie. Eine
Panzerbrigade, Maginotlinie (später auch eine Panzerdivision und eine weitere Infanteriedivision).
Belgien
18 Infanteriedivisionen, zwei Jägerdivisionen, zwei Kavalleriedivisionen und eine mechanisierte
Kavalleriebrigade.
Niederlande
Acht Infanteriedivisionen, eine leichte Division, eine Grenz-Division und mehrere unabhängige Brigaden und
Regimenter. Mobilität gering. Panzerkräfte minimal.
Polen
42
Westfeldzug
43
Eine Infanteriedivision (drei weitere in Aufstellung) und eine mechanisierte Kavalleriebrigade in die
französische Armee integriert.
Deutsches Reich
117 Infanteriedivisionen (davon 41 Heeresreserve), davon eine Gebirgsjäger-, eine Jäger-, eine Luftlande- und
eine Fallschirmjägerdivison, sechs motorisierte Divisionen (davon zwei Waffen-SS), eine mot.
Schützenbrigade, ein mot. Schützenregiment (GD), zwei mot. Waffen-SS-Reg., zehn Panzerdivisionen und
eine Kavalleriedivision.
Alliierte Typ/Bewaffnung Panzer Zahlen/Panzerung
Großbritannien
Mark II Matilda
40 mm
ca. 160
Pz:80 mm
Cruiser Mark IIA
40 mm
ca. 240
Pz:30 mm
Cruiser Mark IIIA
40 mm
ca. 240
Pz:14 mm
Frankreich
Renault FT-17
37 mm
278
Pz:30 mm
(AMR)+AMC
(MG)-47 mm
450
Pz:(13mm) 40 mm
FCM
37 mm
100
Pz:40 mm
Renault R-35
37 mm
900
Pz:45 mm
Hotchkiss H-39
37 mm
770
Pz:45 mm
D1+D2
47 mm
145
Pz:40 mm
Somua S-35
47 mm
300
Pz:55 mm
Char B1 bis
47 mm + 75 mm
274
Pz:60 mm
Belgien
T13/T15 47 mm
270
Pz:60 mm
Niederlande
Landverk
40
Summe:
ca. 4200
Westfeldzug
44
Panzertruppen
Alliierte Panzer
Französischer Char B1-Panzer
Außer Gefecht gesetzter britischer
Cruiser-Panzer, 30. Mai 1940
Mit dem starken Renault Char B1 (1935) und dem schnellen Somua
S-35 (1936) verfügten die Franzosen über Panzer, die in Bewaffnung
und
Panzerstärke
überzeugen
konnten.
Aufgrund
ihrer
Grundkonzeption (der Char B1 als Infanteriebegleiter) waren sie
jedoch für einen Bewegungskrieg nur beschränkt tauglich. Nachteile:
• Der Char B1 hatte zu kleine Treibstoffbehälter: häufige
Tankpausen, Nachtanken nur durch nicht geländegängige,
verwundbare Tankfahrzeuge, dadurch Verzögerungen,
Versorgungskrisen und Ausfälle programmiert.
• Einmanntürme: Der Panzerkommandant musste auch als Lade- und
Richtschütze agieren, wodurch der Gesamtüberblick verloren ging.
• Funkgerätemangel beim S 35: Nur die Fahrzeuge vom
Kompaniekommandanten aufwärts waren mit Funkgeräten
ausgestattet. Fazit: Kommunikation innerhalb der Einheiten und mit
Unterstützungswaffen blieb stark eingeschränkt.
Mit Blick auf die Art der Wiederbewaffnung des Deutschen Reichs wurde im September 1936 ein
Mechanisierungsprogramm der Streitkräfte beschlossen. Ziel: Aufstellung von drei leichten mechanisierten
Divisionen (D.L.M.) und zwei Panzerdivisionen (D.C.R.). Zu Kriegsbeginn wurde das Programm erweitert. Die
mobilen Kräfte sollten auf zwanzig mechanisierte Divisionen aufgestockt den Kern einer neuen offensiven
Kriegsdoktrin bilden, auf deren Basis die Alliierten im Sommer 1941 zur Offensive gegen das Deutsche Reich
antreten wollten. Im Mai 1940 war jedoch die Mehrzahl der Panzerfahrzeuge weiterhin bei der Infanterie eingesetzt
und das langsame, systematische Vorgehen ohne klare Schwergewichtsbildung weiterhin das Charakteristikum
französischer Panzerangriffe.
Unterstützungswaffen: Die Artillerie war sehr stark, aber ebenso wie die schwache Fliegerabwehr weder von der
Taktik noch von den Zugmitteln her auf einen Bewegungskrieg vorbereitet. Die französische Panzerabwehr hatte mit
der 47-mm-Panzerabwehrkanone (Pak) eine moderne Waffe, die aber erst in der Einführung stand. Panzerminen
waren ausreichend vorhanden; die Verlegung wurde aufgrund der Gefährdung eigener Truppen bzw. der
Zivilbevölkerung immer wieder hinausgezögert und fand schließlich aus Zeitgründen fast nicht mehr statt.
Deutsche Panzer
Die Überlegenheit der deutschen Panzerwaffe im Westfeldzug 1940 beruhte auf der Tatsache, dass die
Kommandeure bereits in der Reichswehr intensiv in der Führung und Durchführung rascher, gut koordinierter
Bewegungen auf dem Gefechtsfeld geschult worden waren und über Kampferfahrung verfügten. Die Kommandeure
bis hinauf zur Division führten ihre Verbände grundsätzlich von vorgeschobenen, mobilen Gefechtsständen aus,
konnten daher auf Lageänderungen schnell reagieren. Unter anderem standen zu Beginn der Offensive 14 Exemplare
des Panzerbefehlswagen 35 (t) und 64 unbewaffnete Panzerbefehlswagen III zur Verfügung.
Westfeldzug
45
Deutsche Typ/Bewaffnung Panzer Anzahl/Panzerung
Panzer I
MG
523
Pz:13 mm
Panzer II
20 mm
955
Pz:14,5 mm
Panzer III
37 mm
398
Pz:30 mm
Panzer IV
75 mm kurz
280
Pz:30 mm
Panzer 35(t)
37 mm
118
Pz:25 mm
Panzer 38(t)
37 mm
228
Pz:25 mm
Summe:
2502
(Stand: 10. Juni 1940)
Deutlich besser als bei den Alliierten war die Zusammenarbeit mit der motorisierten Begleitinfanterie, der
Fliegerabwehr, der Artillerie und der Luftwaffe. Darüber hinaus konnte man sich auf eine gut eingespielte
Instandsetzungs- und Nachschuborganisation stützen. Diese Vorteile glichen die teilweise eklatante Unterlegenheit
im Bereich Panzerung und Feuerkraft aus, die man − meist erfolgreich − durch Einsatz von Unterstützungswaffen,
Umgehung von Widerstandskernen und Nutzung des Überraschungseffektes zu kompensieren versuchte.
Luftstreitkräfte
Armée de l’air
Die Armée de l’air verfügte zu Beginn des Westfeldzuges über 2400[15]
Jagdflugzeuge, 1160 Bomber und 1464 Aufklärer, damit über 5026
Maschinen. Darunter befanden sich etwa 1000 Jagdeinsitzer moderner
Bauart (Dewoitine D.520: 351 bis zur Kapitulation produziert, Curtiss
P-36 amerikanischer Produktion: etwa 290, Bloch MB.152: etwa 500).
Hierin ist noch nicht die große Zahl (1000 Stück) der als zu diesem
Zeitpunkt vergleichsweise rückständigen Morane-Saulnier MS.406, auf
die dennoch ein großer Teil der französischen Luftsiege ging,
mitgerechnet.
Fairey Battles der RAF und Curtiss P-36 der
französischem Armée de l’air im Formationsflug,
Februar 1940
Im Bereich der Bomber hatte die Ausrüstung mit modernen
Kampfflugzeugen der Typen LeO 451, Amiot 351 / 354, Douglas
DB-7 (später von den Briten als „Boston“ bezeichnet), Glenn-Martin 167, Bloch MB.174 und Breguet 691/693 erst
vor kurzer Zeit begonnen. Dennoch gelangten bis zur Kapitulation im Juni 1940 insgesamt knapp 800 moderne
Bomber zu den französischen Bomberstaffeln (rund 370 LeO 451, etwa 200 Breguet 691/693, etwa 80 Glenn-Martin
167, etwa 70 Amiot 351 / 354, etwa 70 Douglas DB-7, 25 Bloch MB.174).
Über Sturzkampfbomber verfügte (in kleinen Zahlen) nur die Marine (je zwei Staffeln Loire-Nieuport LN.401 / 402
und Vought V-156, insgesamt ca. 50 Flugzeuge).
Am 10. Mai 1940 waren nur etwa 25 % der verfügbaren Ressourcen der Armée de l’air an der Westfront im Einsatz.
Zudem war der Anteil der in Nordfrankreich stationierten britischen Jagdflugzeuge mit 30 % (der Gesamtzahl an
Jägern in Frankreich) größer als der Anteil der französischen (25 %).[16]
Westfeldzug
Als eine deutsch-französische Kontrollkommission nach dem Waffenstillstand allein im unbesetzten Frankreich
4268 einsatzbereite Maschinen vorfand,[17] zu denen noch 1800 Maschinen in Nordafrika zu zählen waren, erhob
sich die Frage, warum nur ein Bruchteil der Maschinen im Fronteinsatz standen. Man führte dies auf die
Teilmobilisierung der Luftwaffe zurück, die sich auf eine längere Kriegsdauer eingestellt hatte. Abgesehen davon
erwies sich auch die Koordination der Kampfführung zwischen der traditionell selbständigen Luftwaffe und den
Kampftruppen als völlig unzureichend.
Royal Air Force
Die Royal Air Force (RAF) war in Jagdwaffe (Fighter Command), Bomber (Bomber Command), Versorgung
(Transport Command) und Marineflieger (Coastal Command) gegliedert. Zu Beginn des Westfeldzuges waren auf
dem Kontinent 456 Maschinen (262 Jäger, 135 Bomber, und 60 Aufklärer) eingesetzt[18] . Die Jagdverbände waren
teilweise noch mit dem Doppeldecker Gloster Gladiator, mehrheitlich jedoch mit der modernen Hawker Hurricane
ausgestattet. Die Briten lehnten ab dem 15. Mai jede zusätzliche Entsendung von Jagdflugzeugen ab, um die
Luftverteidigung der Insel, die bereits unter den von Hugh Dowding geforderten 52 Staffeln lag,[19] nicht weiter zu
schwächen. In der Schlussphase griffen in Südengland stationierte Verbände in den Kampf ein, die teilweise mit der
Spitfire ausgestattet waren, deren Kampfkraft der Messerschmitt Bf 109 zumindest ebenbürtig war.
Als Schlachtflugzeug setzte die RAF die veraltete, einmotorige Fairey Battle ein; sie musste nach schweren
Verlusten abgezogen werden. Mit der Vickers Wellington und der Handley Page Hampden verfügte das Bomber
Command über moderne Bomber zur taktischen Luftunterstützung.
Luftstreitkräfte der Benelux-Staaten
Die niederländische Koninklijke Luchtmacht verfügte im Mai 1940 in
den Niederlanden über rund 140 Flugzeuge, von denen rund 90 als
einigermaßen modern angesehen werden konnten. Die Jagdverbände
setzten sich aus 36 einmotorigen Fokker D.XXI (Tiefdecker mit noch
starrem Fahrwerk) und 27 zweimotorigen Fokker G.I zusammen. Die
Bomberstreitmacht wurde im Wesentlichen von 16 mittleren Bombern
Eine niederländische Fokker G.I im Flug
Fokker T.V repräsentiert, von denen allerdings nur neun flugtauglich
waren. Aus den USA waren zudem 18 leichte Bomber Douglas DB-8A
geliefert worden, die aber nicht zum Einsatz gelangten. Der Rest der Luftstreitkräfte setzte sich aus älteren
Beobachtungsflugzeugen verschiedener Typen zusammen.
Nur wenig mehr konnten die Luftstreitkräfte Belgiens aufbieten. Das Gros ihrer Ausrüstung bestand aus 154
veralteten leichten Aufklärungsbombern vom Typ Fairey Fox. Sie verfügten aber auch über 20 Jäger Hawker
Hurricane Mk.I, 22 Jäger Gloster Gladiator und 27 italienische Jäger Fiat CR.42. Die einzigen einigermaßen
modernen Bomber waren 16 einmotorige Fairey Battle. Dazu kamen noch etwa 100 Beobachtungs- und
Trainingsflugzeuge diverser Typen. Die in den USA bestellten Jäger vom Typ Brewster B-339 (40 Stück) und
Bomber vom Typ Douglas DB-7 (16 Stück) konnten vor dem Mai 1940 nicht rechtzeitig geliefert werden.
Luxemburg verfügte über keinerlei Luftstreitkräfte.
Insgesamt verfügten die Niederlande und Belgien also über etwa 130 Jäger und 40 Bomber, die in Bezug auf ihre
Modernität mit britischen, französischen und deutschen Mustern vergleichbar, insgesamt aber relativ veraltet waren.
46
Westfeldzug
47
Luftwaffe
Zu Kriegsbeginn lag das Schwergewicht der deutschen Luftrüstung bei
Flugzeugen zur Erringung der Luftüberlegenheit und zur
Gefechtsfeldunterstützung hoch mobiler Truppen. Bei den
Jagdflugzeugen setzte man auf die im spanischen Bürgerkrieg im
Rahmen der Legion Condor bewährte Messerschmitt Bf 109, die ab
1939 in der Version Bf 109-E ausgeliefert wurde. Der Kampfzerstörer
Messerschmitt Bf 110 sollte den Bombern einen Weg durch
feindlichen Jagdschutz bahnen und Bomber abschießen. Zur
unmittelbaren Gefechtsfeldunterstützung diente der ebenfalls in
Spanien erprobte Doppeldecker Henschel Hs 123, der sowohl als
Schlachtflieger wie auch als Sturzkampfbomber zum Einsatz kam.
Noch vor dem Westfeldzug wurde die Hs 123 als Sturzkampfbomber
von der leistungsstärkeren Junkers Ju 87 abgelöst. Die
Kampfgeschwader waren mit zweimotorigen Bombern der Typen
Heinkel He 111, Dornier Do 17 und Junkers Ju 88 ausgestattet. Im
Bereich Truppentransport und Versorgung griff die Luftwaffe auf die
bewährte Junkers Ju 52 zurück.
In Frankreich zwischen 12. und 14. Mai 1940
abgeschossene Junkers Ju 88 wird durch
Bergungsmannschaft demontiert
Im Bereich der Heeresgruppe B war die Luftflotte 2 unter General
Albert Kesselring für die Luftunterstützung verantwortlich. Hier sollte auch das Luftlandekorps unter General
Student zum Einsatz kommen, das aus der 7. Fliegerdivision (Fallschirmjäger) und der 22. (Luftlande)
Infanterie-Division sowie dem II. Flak-Korps unter General Deßloch bestand. Die Luftflotte 3 unter General Hugo
Sperrle war der Heeresgruppe A zugeordnet und verfügte über die Fliegerkorps I (Grauert), V (Greim), II (Lörzer),
die Verbände des Jagdfliegerführers 3 sowie über ein Flak-Korps.
Für den Westfeldzug standen etwa 900 Jagdflugzeuge Bf 109, etwa 220 Kampfzerstörer Bf 110, etwa 1100
zweimotorige Bomber, etwa 320 Sturzkampfbomber Ju 87 sowie 45 Schlachtflieger Hs 123 zur Verfügung.
Luftstreitkräfte im Vergleich
In den späten 1930er-Jahren setzten so gut wie alle Industrienationen überhöhte Erwartungen in die
kriegsentscheidende Wirkung eines Luftkrieges. Das traf auch auf das Deutsche Reich zu, man konnte sich aber die
Entwicklung einer strategischen Luftflotte aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten. Man konzentrierte sich daher
auf die Optimierung der taktischen Luftstreitkräfte, von denen man sich auch operative Auswirkungen versprach.
Neben dem Standardjäger Messerschmitt Bf 109 und neuen Sturzkampfflugzeugen wurde der Bau von
vergleichsweise leichten, schnellen zweimotorigen Horizontalbombern forciert, die in relativ kurzer Zeit in relativ
hohen Stückzahlen hergestellt werden konnten. In der deutschen Propaganda wurden diese Flugzeuge als
„Blitzbomber“ gepriesen, weil sie angeblich die alliierten Abfangjäger an Geschwindigkeit übertrafen. Das traf zwar
auf unbeladene Einzelmaschinen in großer Flughöhe zu, nicht aber auf voll beladene, in Formation fliegende
Verbände in Angriffshöhe. Auf ausreichende Abwehrbewaffnung musste ebenfalls aus Gewichtsgründen verzichtet
werden.
Das Fehlen strategischer Bomber zwang zwar zum Verzicht auf die Führung eines strategischen Luftkrieges,
ermöglichte aber kurzfristig die Formierung großer taktischer Verbände. Viele Flugzeugführer hatten bereits im
Spanischen Bürgerkrieg und im Polenfeldzug Einsatzerfahrung gesammelt, was unter anderem zur Umstellung des
engen Verbandsfluges aus Zeiten des Ersten Weltkrieges auf einen weitgestreckten, den ausgestreckten Fingern einer
Hand ähnlichem Schwarm, der ab 1941 auch von den Alliierten als „finger four“ übernommen wurde.[20] Damit war
es möglich, schnelle Jäger ohne die Gefahr der Kollision in größeren Gruppen aus bis zu 40 Maschinen im Kampf zu
Westfeldzug
führen.
Demgegenüber wurde die Modernisierung der Luftstreitkräfte Frankreichs durch die Priorität des Ausbaues der
Maginotlinie sowie durch politische und soziale Spannungen innerhalb des Landes gebremst. So wurde angeblich die
Produktion des Jägers Bloch MB.152 durch Sabotage kommunistischer Arbeiter verzögert. Die auf den
Stellungskrieg konzentrierte Verteidigungsdoktrin ließ nach dem gewonnenen Ersten Weltkrieg kein realistisches
Bedrohungsbild entstehen; erst die deutlich sichtbare Luftrüstung Deutschlands ab 1935 führte zu
Modernisierungsversuchen, um gegenüber den unterschätzten Deutschen nicht in Rückstand zu geraten. Die
Maßnahmen, die unter anderem in der Bestellung von bis zu 3000 Dewoitine D.520 bestanden, liefen 1940 erst an;
so war bei der Kapitulation mit 351 Exemplaren erst ein Bruchteil dessen technisch einsatzbereit, praktisch fehlte es
der breiten Basis der Kampfpiloten an Erfahrung.
Die Royal Air Force betrieb seit 1935 ebenfalls ein Modernisierungsprogramm, das hauptsächlich auf die
Verteidigung der Britischen Inseln abgestimmt war. Dabei wurde der Einsatz von Radar mit den damals neuartigen
Methoden der Einsatzforschung im Jahr 1940 ermöglicht. Die Operationen der Landstreitkräfte auf dem Kontinent
sollten mit visuellen Ortungsmethoden wie zur Zeit des Ersten Weltkrieges erfolgen. Der Einsatz von leichten
Bombern zur taktischen Unterstützung der Bodentruppen wurde zwar praktiziert, scheiterte aber an modernen
Flugabwehrgeschützen und deutscher Luftüberlegenheit, außerdem stand mit der nicht sturzkampffähigen Fairey
Battle nur ein für diesen Zweck unzulängliches Flugzeug zur Verfügung. Erst im Laufe des Afrikafeldzuges bis 1943
wurden schlagkräftige taktische Verbände geschaffen, die entscheidend zum Erfolg der Alliierten während der
Landung in der Normandie beitrugen.
Obwohl die alliierten Luftstreitkräfte in Summe über etwa 1300 Jagdflugzeuge in Frankreich und den
Beneluxländern verfügten,[21] konnten diese Kräfte nie koordiniert gegen die deutsche Luftwaffe eingesetzt werden.
Selbst wenn ein Angriffsverband lokalisiert werden konnte, trafen in der Regel maximal 20 bis 24 alliierte
Jagdflugzeuge auf etwa 40 deutsche Messerschmitt Bf 109, was einer typischen Jagdgruppe entsprach.[22] Aufgrund
der engen Formation der Alliierten behinderten diese sich oft selbst im Kampf, dazu kamen die alliierten
Sprachprobleme. Dennoch konnten die alliierten Jagdflugzeuge der deutschen Luftwaffe im Verlauf des
Westfeldzuges über 500 Luftsiege abringen, was bei einer längeren Dauer des Feldzuges zu einer
Abnutzungssituation zum Nachteil der Luftwaffe geführt hätte. Durch die schnelle Bodenoffensive kam dies aber
nicht offen zur Wirkung. Die Siegeseuphorie und die deutsche Propaganda lenkten davon ab, dass die
Erholungsphase der Luftwaffe bis zur „Luftschlacht um England“ zu kurz war.
Ausgangslage
„Sitzkrieg“
48
Westfeldzug
Zwei Tage nach dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September
1939 erklärten Frankreich und Großbritannien dem Deutschen Reich
den Krieg; eine ernsthafte Offensive zur Entlastung der unter
schwerem Druck stehenden Polen fand allerdings weder auf dem
Boden noch in der Luft statt. Frankreich beschränkte sich auf ein
Vorrücken bis einige Kilometer vor dem Westwall („Saar-Offensive“),
das britische Expeditionskorps (BEF) begann Truppen nach
Nordfrankreich zu verlegen. Von der Royal Air Force (RAF) geplante
Angriffe auf Ziele im Deutschen Reich wurden von den Franzosen mit
dem Hinweis auf mögliche Gegenangriffe untersagt. Als Polen nach
dem sowjetischen Einmarsch kapitulierte, nahm der französische
Oberbefehlshaber Maurice Gamelin seine Truppen bis 4. Oktober 1939
wieder an die Maginot-Linie zurück.
49
November 1939: Angehörige des britischen
Expeditionskorps und der französischen
Luftstreitkräfte vor einem Verschlag mit der
Bezeichnung „Downing Street No. 10“ (die
Adresse des britischen Premierministers)
Die folgenden Monate wurden als die Zeit des Sitzkrieges (La drôle de guerre, Phoney War) bezeichnet, da sich die
Aktivitäten auf beiden Seiten auf die Aufklärung beschränkten. Im politisch tief gespaltenen Frankreich nahm die
Kriegsmüdigkeit weiter zu. Einen wesentlichen Anteil daran hatte die politische Kehrtwendung des Kremls. Stalin
am 8. September 1939 vor Molotow, Schdanow und Dimitroff [23] : „Der Krieg wird zwischen zwei Gruppen
kapitalistischer Staaten geführt … wir haben nichts dagegen, wenn sie aufeinander einschlagen und sich schwächen.
Nicht schlecht, wenn Deutschland die Lage der reichsten kapitalistischen Länder (vor allem Englands) ins Wanken
brächte … Die Kommunisten der kapitalistischen Länder müssen entschieden gegen ihre Regierungen, gegen den
Krieg auftreten.“
Die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF) erhielt daraufhin über die Komintern die Weisung, das
Volksfront-Bündnis mit den Sozialisten zu lösen und die Kriegsanstrengungen des Landes zu sabotieren. Angebliche
Sabotageakte in der französischen Rüstungsindustrie[24] dienten als Vorwand, die KPF bis zum 26. September 1939
in ganz Frankreich zu verbieten. Der tatsächliche Umfang der Sabotage der französischen Verteidigungsbemühungen
wird als extrem gering eingeschätzt.[25] Eine kommunistische Organisation innerhalb der Armee existierte nicht,
ebenso wenig wie organisierte Sabotage-Aktionen.[26] Tatsächlich ist nur ein Fall in der Fabrik Farmann bekannt, in
dem Anfang 1940 Kommunisten auf eigene Faust Sabotage verübten. Die Regierung machte jedoch die
kommunistische Propaganda für die Verschlechterung der Moral und den mangelnden Kriegsenthusiasmus
verantwortlich, obwohl diese weder Defätismus verbreitete noch ihre Mitglieder zur Desertion oder zur
Verbrüderung mit dem Feind anhielt.[27]
Besetzung von Dänemark und Norwegen
Dänemark und Norwegen waren im Ersten Weltkrieg neutral geblieben, was den Briten die Blockade der Nordsee
wesentlich erleichtert hatte. Den Vorschlägen des deutschen Oberkommandos der Marine (OKM) bezüglich einer
Besetzung dieser beiden Länder folgend, gab Hitler am 14. Dezember grünes Licht für die Planungen. Hauptziel:
Sicherstellung der kriegswichtigen schwedischen Eisenerzlieferungen. Nach der Invasion Finnlands durch die
Sowjetunion (30. November 1939) entwickelten auch die Briten und Franzosen Pläne, sich in diesem Bereich zu
engagieren. Neben der Eröffnung eines Landweges zur Unterstützung der Finnen wollte man auch die schwedischen
Erzlieferungen über Narvik unterbinden. Nach der finnischen Kapitulation und dem finnisch-sowjetischen
Friedensvertrag vom 12. März 1940 wurde beschlossen, Anfang April auch nur des Erzes wegen Truppen nach
Norwegen zu entsenden. Weitgehend zeitgleich startete die Wehrmacht am 9. April 1940 das Unternehmen
Weserübung. Die Royal Navy fügte den mit Masse auf dem Seeweg vorgehenden Invasionstruppen erhebliche
Verluste zu. Sie konnte jedoch keine der Anlandungen verhindern und musste sich nach Luftangriffen aus dem
Küstenbereich absetzen. Die ab 15. April in Narvik und Mittelnorwegen anlandenden britischen Bodentruppen
blieben isoliert und mussten nach einigen Wochen evakuiert werden.
Westfeldzug
50
In Frankreich wie in Großbritannien löste die Invasion Norwegens Regierungskrisen aus. In Frankreich wurde Paul
Reynaud Ministerpräsident, Daladier übernahm das Heeresressort. Auch in London musste Premierminister Arthur
Neville Chamberlain wegen der Durchführung des Norwegen-Unternehmens schwere Vorwürfe hinnehmen. Obwohl
er die Vertrauensabstimmung − wenn auch knapp − gewann, trat er zurück. Sein Nachfolger wurde am 10. Mai
Winston Churchill, der eine Koalitionsregierung bildete.
Fall Gelb
Noten der deutschen Reichsregierung
Das deutsche Außenministerium hatte am 9. Mai 1940 eine Note
erstellt, die den belgischen und niederländischen Botschaftern am
Folgetag um 05:45 Uhr übergeben wurde. Belgien und die Niederlande
hätten demnach „völlig einseitig die Kriegsgegner Deutschlands
begünstigt und ihren Absichten Vorschub geleistet“. Es würde daher
„der Befehl erteilt, die Neutralität dieser Länder mit allen militärischen
Machtmitteln des Reiches sicherzustellen.“ Weiter wurde behauptet,
„dass Deutschland nicht die Absicht habe, durch diese Maßnahme die
Souveränität des Königreiches Belgien und des Königreiches der
Niederlande noch den europäischen noch außereuropäischen
Besitzstand dieser Länder jetzt oder in Zukunft anzutasten.“ Der
luxemburgischen Regierung wurde in einer Note mitgeteilt, dass die
Reichsregierung sich gezwungen sehe, die von ihr eingeleiteten
Operationen „auch auf das luxemburgische Gebiet“ zu erstrecken.[28]
Der Verlauf von Fall Gelb
Invasion der Niederlande und Dyle-Breda-Plan
Deutsche Maßnahmen
10.–16. Mai: Eroberung der Niederlande und
In den Morgenstunden des 10. Mai 1940 bezog Hitler das zuvor
Angriff auf Belgien
ausgebaute Führerhauptquartier Felsennest in Münstereifel-Rodert in
der Nordeifel. Von dort aus leitete er die erste Phase des
Westfeldzuges, den Angriff auf die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Nordfrankreich. Nur wenige Kilometer
von Rodert entfernt wurde beim Forsthaus Hülloch ein Hauptquartier für das Oberkommando des Heeres unter
Generaloberst von Brauchitsch errichtet.
Der Angriff der Heeresgruppe B begann am 10. Mai 1940 um 05:35 Uhr mit Aktionen des Luftlandekorps Student.
Neben Teilen der Grenzbefestigungen der Belgier am Albert-Kanal (Fort Eben-Emael) wurden vor allem Brücken
und Flugplätze in der Tiefe des Raumes angegriffen und besetzt. Der rasche Zugriff sollte zumindest in Holland ein
Eingreifen der Alliierten unterbinden und die Verteidigungskräfte aufsplittern. Die Inbesitznahme der Ziele gelang
fast überall, aber oft nur unter schweren Verlusten. So büßten die im Bereich des Regierungssitzes Den Haag auf den
Flugplätzen von Ockenburg, Ypenburg und Valkenburg mit Ju 52 anlandenden Teile der 22. Infanteriedivision zwei
Drittel ihrer Stärke ein; die Flugplätze mussten aufgegeben werden. Auch der Fallschirmeinsatz der 7.
Fliegerdivision verlief nicht ohne Verluste; es gelang aber, die Brücken über das Hollandsch Diep bei Moerdijk, über
die Noord bei Dordrecht und die Neue Maas bei Rotterdam unversehrt in Besitz zu nehmen und zu halten. Lediglich
die Brücke bei Arnheim (die 1944 das Endziel von Operation Market Garden sein sollte) konnte rechtzeitig
gesprengt werden. Die Entscheidung brachten die Bodentruppen. Die 18. Armee erreichte bereits am ersten Tag das
IJsselmeer und am 12. Mai mit der 9. Panzerdivision Moerdijk und schnitt damit Holland auf dem Landweg ab. Da
Westfeldzug
nun die französische 7. Armee (Giraud) Holland nur mehr auf dem Seeweg unterstützen konnte, beschränkte sich
Giraud auf die Verteidigung der Küste der Westerschelde vom Kanal bis Antwerpen.
Am 13. Mai 1940 wurde noch immer um Rotterdam, einen der
Eckpfeiler der „Festung Holland“, gekämpft. Den deutschen
Fallschirmjägern
stand
hier
mit
den
Mariniers
(Marinekommandoeinheiten) eine Elitetruppe gegenüber. Als am 14.
Mai ein Versuch, den holländischen Stadtkommandanten, Oberst
Scharroo, zur Übergabe der Stadt zu bewegen, scheiterte, befahl der
Oberbefehlshaber der 18. Armee, General Küchler, den Verteidigern
von Rotterdam einen Bombenangriff anzudrohen, der um 15:00 Uhr
notfalls auch durchgeführt werden sollte. Die Verhandlungen mit dem
Foto Rotterdams nach dem Bombenangriff und
Stadtkommandanten verliefen aufgrund der Weisungen des
anschließender Enttrümmerung (aufgenommen
holländischen Oberkommandierenden Henri Winkelman weiterhin
im Jahre 1942)
schleppend; man einigte sich gegen 14:00 Uhr darauf, die Waffenruhe
bis 18:00 Uhr zu verlängern. Das bereits im Anflug auf Rotterdam befindliche Kampfgeschwader 54 konnte jedoch
über Funk nicht mehr erreicht werden und die für diesen Fall vereinbarten Leuchtzeichen zum Abbruch des Angriffs
wurden erst von der zweiten Angriffswelle deutscher Bomber erkannt. So warfen 57 von hundert Bombern, in der
falschen Annahme, ihr Angriffsbefehl würde noch bestehen, insgesamt 97 Tonnen Sprengbomben ab. Die
Verteidigungsanlagen am Flussufer erlitten kaum Treffer, die Altstadt hingegen wurde eingeäschert, wobei 814
Zivilpersonen starben.[29] Dieses Ereignis wird – neben der Androhung eines weiteren Angriffes auf das ebenfalls
zäh verteidigte Utrecht und der nahezu hoffnungslosen militärischen Gesamtlage – als entscheidend für den
Entschluss zur Gesamtkapitulation der niederländischen Streitkräfte im Mutterland gesehen. Sie wurde am 14. Mai
um 20:30 Uhr über den Rundfunk verkündet.
Alliierte Maßnahmen
Da die Alliierten das deutsche Angriffsschwergewicht im Norden Belgiens vermuteten, begannen sie am 10. Mai mit
dem für diesen Fall geplanten Vormarsch zur Dyle-Breda-Stellung. Am 12. Mai kam es bei Mons zu einem
historischen Treffen, bei dem sich der belgische König Leopold III., der französische Verteidigungsminister Daladier
und General Georges darauf einigten, dass General Billotte die Koordination der Kämpfe in Belgien übernehmen
würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die britische Expeditionsarmee (BEF) den Abschnitt zwischen Wavre und Löwen
und die französische 1. Armee den Abschnitt von Wavre bis zum Maasknie bei Namur bereits besetzt und mit dem
Stellungsausbau begonnen. Die französische 9. Armee hatte ihren linken Flügel bis zur belgischen Maas und bis
Namur vorgeschoben. Die französische 7. Armee befand sich im Anmarsch auf Antwerpen.
Das Schlüsselgelände der Dyle-Stellung war das „Trouée de Gembloux“, die Gembloux-Lücke, wo sich die
Verteidiger auf keine natürlichen Hindernisse abstützen konnten. Um der 1. Armee Zeit zu verschaffen, auch hier
entsprechende Stellungen auszubauen, wurde in diesem Abschnitt das einem deutschen Panzerkorps vergleichbare
Korps Prioux (2. und 3. leichte mechanisierte Division) mit ihren mehr als 400 modernen Panzern vorgestaffelt. Am
12. Mai konnte Prioux das Panzerkorps Hoepner, das über Lüttich Richtung Gembloux vorstieß, bei Hanut stoppen
und dessen vorwiegend leichten Panzereinheiten schwere Verluste zufügen. Da jedoch Prioux seine Kräfte linear und
ohne Schwergewichtsbildung aufgestellt hatte, gelang Hoepner am Folgetag durch Schwergewichtsbildung und
Luftwaffenunterstützung dennoch der Durchbruch durch die Widerstandslinie von Prioux, dem der Stoß auf die
Gemblouxstellung und der Einbruch in diese folgte.
Hoepners Stoß war ein wichtiger Teil jenes Ablenkungsmanövers, das Liddell Hart mit einem Stierkampf verglich:
„Die Heeresgruppe B im Norden stellte die Capa, also das rote Tuch des Toreros, dar. Sie sollte die alliierten
Interventionstruppen reizen, wie ein wütender Stier nach Belgien zu eilen – hinein in die Falle. Denn nun
konnten die bei der Heeresgruppe A konzentrierten Panzerdivisionen wie der Degen des Toreros in die
51
Westfeldzug
entblößte rechte Flanke stoßen.“
Am 15. Mai unterzeichnete General Winkelman die Kapitulation der niederländischen Armee. Königin Wilhemina
hatte zuvor das Land verlassen und eine Fortführung des Widerstandes angekündigt.
Die Dyle-Stellung wurde am 16. Mai durchbrochen, einen Tag später fiel Brüssel; die belgische Armee wurde im
Raum Brügge eingekesselt und ergab sich am 28. Mai. König Leopold III. ging mit seinen Soldaten in
Gefangenschaft.
Durch die Ardennen
Deutsche Maßnahmen
Die Erfolgsaussichten des Ardennenstoßes waren eng mit dem Faktor
Zeit verbunden. Der Erfolg hing davon ab, dass den belgischen und
französischen Kräften keine Zeit verblieb, ihren Einsatz in den
Ardennen zu koordinieren und Verstärkungen heranzuführen. So gab
der Führer der Angriffsspitze, General der Panzertruppe Heinz
Guderian, bei seinem XIX. Armeekorps (1., 2. und 10. Panzerdivision,
Infanterieregiment „Großdeutschland“) das Motto aus: „In drei Tagen
an die Maas, am vierten Tag über die Maas.“[30] In diesen drei Tagen
Deutsche Panzer I und Panzer II in einem Wald
sollte die Angriffsspitze 170 km kurvenreiche Straßen in oft tief
im Mai 1940
eingeschnittenen Tälern bewältigen, wobei neben den luxemburgischen
Grenzsperren zwei belgische und eine französische Befestigungslinie
zu überwinden waren. Erst dann kam mit der Überwindung der Maas und den starken Befestigungswerken im
Bereich Sedan die eigentliche Herausforderung, die Bildung eines Brückenkopfes südlich der Maas.
Die Marschplanung hielt lediglich einen Tag. Eine angebliche Flankenbedrohung zwang zu Umgliederungen,
zahlreiche Brücken- und Straßensprengungen hemmten das Marschtempo. Da man der Panzergruppe einen eigenen
Gefechtsstreifen verwehrt hatte, zwängten sich immer wieder Infanterieverbände der nachfolgenden Armeen in die
Marschkolonnen der Panzergruppe. Dies führte zu einem Kolonnenstau, der zeitweise eine Länge von 250 km
aufwies. Trotz dieser Friktionen erreichten die Spitzen Guderians bereits am Abend des 12. Mai, also bereits 57
Stunden nach dem Angriffsbeginn, die Maas bei Sedan.
Alliierte Maßnahmen
Die Belgier hatten zur Sicherung der Ardennen die Gruppe „K“ (1. Ardennenjägerdivision, 1. Kavalleriedivision,
Pioniereinheiten) eingesetzt. Ihre Aufgabe war es, die zahlreichen vorbereiteten Sperren auszulösen und sich nach
kurzen Gefechten bei Lüttich hinter die Maas abzusetzen und dort gemeinsam mit den Hauptstreitkräften das
belgische „Réduit“ zu verteidigen. Die Franzosen hatten bezüglich der Verteidigung der Ardennen mit den Belgiern
keine Detailabsprachen getroffen, was in der verfügbaren Zeit nicht mehr nachzuholen war. Es kam daher zu keiner
nennenswerten Zusammenarbeit der Gruppe „K“ mit der französischen 5. leichten Kavalleriedivision, der die
Überwachung des Vorfeldes der Maasverteidigung übertragen worden war. Die Kavalleriedivision erwies sich trotz
des günstigen Geländes als nicht sehr standfest.
52
Westfeldzug
Überschreiten der Maas
Deutscher Angriff
Der Angriff über die Maas (Schlacht von Sedan 1940) wurde von
General Kleist auf den 13. Mai festgelegt. Er wurde mit schweren
Bombenangriffen der Luftwaffe eingeleitet. Allein in den letzten 90
Minuten vor dem Beginn der Bodenoffensive (16:00 Uhr) kamen 750
Horizontalbomber und „Stukas“ zum Einsatz. Nach der Verlegung der
Lufteinsätze in die Tiefe gelang es der Infanterie und den
Sturmpionieren der 1. Panzerdivision rasch, Brückenköpfe über die
Maas zu errichten und diese bis zum Einbruch der Dämmerung bis auf
die beherrschenden Höhen von Marfée (zwei Kilometer südlich des
Einheiten der 1. Panzerdivision überqueren auf
Flusses) auszudehnen. Die Sturmpioniere der 10. Panzerdivision
einer Pontonbrücke die Maas
benötigten hingegen mehrere Ansätze, um am Südufer Fuß zu fassen;
der 2. Panzerdivision gelang dies erst im Laufe der Nacht. In den Morgenstunden des 14. Mai rollten die ersten
Panzer über die bei Sedan errichtete Pontonbrücke. Auf ihr überquerten an diesem Tag 60.000 Mann sowie 22.000
Fahrzeuge, davon 850 Panzer die Maas. Neben dem Korps Guderian überschritt an diesem Tag auch das Panzerkorps
Reinhardt die Maas und zwar bei Monthermé. Dem Panzerkorps Hoth war der Übergang 30 km weiter nördlich
bereits am 12. Mai gelungen. Am 13. Mai konnte dieser Brückenkopf durch die 7. Panzerdivision (Rommel)
beträchtlich ausgeweitet werden.
Reaktionen der Verteidiger
Da sich die Überzeugung, dass die Ardennen für Panzer unpassierbar
seien („Les Ardennes sont impérmeables aux chars!“), bei der
französischen Armee zum Dogma entwickelt hatte,[31] rechnete der
Oberbefehlshaber der territorial zuständigen 2. Armee (General
Huntziger) damit, dass die Wehrmacht erst drei Wochen nach dem
Angriffsbeginn einen ernsthaften Versuch unternehmen könnte, die
Maas zu überschreiten. Man maß diesem Abschnitt daher eine eher
geringe Bedeutung bei und setzte mit der 55. Infanteriedivision
(General Lafontaine) nur eine Division der Kategorie B (Reservisten
16. Mai bis 21. Mai: Durchbruch durch die
über 30 Jahre) ein. Auch der unerwartet rasche Vorstoß der Deutschen
Ardennen und Einkesselung der französischen
beunruhigte die Führung zunächst nicht. Selbst das Luftbombardement
und britischen Truppen
konnte die Zuversicht nicht erschüttern, da die starken
Befestigungsanlagen dem Bombardement standhielten. Größere
Ausfälle hatte es lediglich bei der ungeschützten Feldartillerie gegeben. Aus diesem Bereich gab es dann einen
falschen Panzeralarm, der zu einer Fluchtbewegung bei Teilen der 55. Infanteriedivision führte. Sie löste die
Rückverlegung der Kommanden der 55. und 71. Infanteriedivision mit der daraus resultierenden Unterbrechung der
Verbindungen nach vorne aus, was endgültig zur „Panik von Bulson“ führte, von der nicht nur die Masse der 19.,
sondern auch Teile der benachbarten 71. Infanteriedivision erfasst wurden und die in der Nacht zum 14. Mai die
Maasverteidigung bei Sedan zusammenbrechen ließ.
Noch vor dem Ausbruch dieser Panik hatte man General Lafontaine die Korpsreserve (zwei Infanterieregimenter,
zwei Panzerbataillone) mit dem Auftrag unterstellt, unverzüglich den deutschen Brückenkopf zu beseitigen.
Lafontaine trat nicht unverzüglich, sondern erst 15 Stunden später an, wobei er noch vor den Höhen von Marfée auf
deutsche Panzer traf. Das Gefecht wurde nach schweren Verlusten auf beiden Seiten durch deutsche
8,8-cm-Kanonen entschieden.
53
Westfeldzug
54
Am Nachmittag des 14. Mai sollte der operative Gegenschlag durch das verstärkte XXI. Armeekorps (Flavigny)
erfolgen. Die Chancen der sechs überwiegend mobilen Divisionen, darunter die 3. Panzerdivision, den deutschen
Brückenkopf einzudrücken, standen ausgezeichnet. Da Guderian mit der Masse seines Korps bereits weitergestoßen
war, standen den mehr als 300 Panzern Flavignys zum befohlenen Angriffszeitpunkt lediglich 30 Panzer IV der
10. Panzerdivision und schwache Infanteriekräfte gegenüber. General Flavigny zeigte sich jedoch von den
Lageschilderungen der geschlagenen Korpsreserve so beeindruckt, dass er seine Kräfte auf 20 km Breite
auseinanderzog und zur Verteidigung übergehen ließ. Seine Rechtfertigung: „Ich wollte um jeden Preis eine
Katastrophe vermeiden!“[32] Nachdem er dies gemeldet und in der Nacht zum 15. Mai nochmals den Befehl erhalten
hatte, sofort anzugreifen, war er den ganzen 15. Mai vergeblich bemüht, seine verstreuten Kräfte wieder zu sammeln.
Der Angriff fand nicht statt, Flavignys Divisionen verzettelten sich in Einzelaktionen, in deren Mittelpunkt immer
wieder das exponiert gelegene Dorf Stonne stand, das vom 15. bis 17. Mai siebzehnmal den Besitzer wechselte.
Politische Reaktionen der Alliierten
Nachdem Churchill am Morgen des 15. Mai einen Anruf des französischen Ministerpräsidenten Reynaud erhalten
hatte, dass „die Schlacht verloren“ sei, flog er am Folgetag nach Paris und traf dort mit Reynaud, Kriegsminister
Daladier und Oberbefehlshaber Gamelin zusammen. Nach dem Lagevortrag Gamelins, der die Aussage Reynauds
bestätigte, stellte Churchill die Frage nach den operativen Reserven. Sie wurde von Gamelin mit „Aucune“ („Keine!“)
beantwortet. Churchill konnte das kaum glauben und dachte zunächst, der General hätte ihn missverstanden. Er
stellte die Frage noch einmal auf französisch.[33]
Vorstoß zur Kanalküste
Deutsche Maßnahmen
Die Detailplanung des Falles Gelb endete mit der Einnahme von
Sedan. Zumindest am 14. Mai waren ausnahmsweise alle vorgesetzten
Kommandeure des Generals Kleist der Meinung, dass eine
Konsolidierung des Brückenkopfes absolute Priorität habe. Diese
Konsolidierung sollte gemäß Heeresgruppe A die 12. Armee
(Generaloberst List) sicherstellen, dem auch die Panzergruppe Kleist
unterstellt wurde. Kleist wehrte sich sowohl gegen die Unterstellung
als auch gegen die Verwässerung des Sichelschnittplanes, der einen
raschen, kompromisslosen Stoß zur Küste vorsah. Nun konnten
nurmehr vollendete Tatsachen die Selbständigkeit der Panzergruppe
wieder herstellen. Die Panzerkorps kamen diesen Intentionen Kleists
auch entgegen. Sie stießen nicht nur mit genehmigter Aufklärung,
sondern mit Masse weiter in Richtung Westen vor. So ließ Guderian
zum Schutz des Brückenkopfes Sedan lediglich die 10. Panzerdivision
und etwas Infanterie zurück und ging mit der 1. und 2. Panzerdivision
auf Montcornet vor, wo er am 16. Mai auf das Panzerkorps Reinhard
traf, das den Ort bereits am Vortag genommen hatte. Weiter nördlich
rieb das Panzerkorps Hoth am 15. Mai die 1. französische
Panzerdivision bei Flavion auf; in der Nacht zum 17. Mai stieß
Rommel bis Le Cateau durch, was der um Konsolidierung ringenden
9. französischen Armee (Corap) den Todesstoß versetzte. In dieser
Phase kam es auch zu einem Stimmungsumschwung in der obersten
21. Mai bis 4. Juni: Vorstoß zur Kanalküste und
Einkesselung des britischen Expeditionskorps
und weiterer alliierter Kräfte bei Dünkirchen
Deutsche Soldaten in Frankreich auf dem
Vormarsch im Sommer 1940
Westfeldzug
Führung. Während sich im Oberkommando des Heeres (OKH) plötzlich Siegeszuversicht breit machte und auf
Tempo gedrückt wurde, wuchs Hitlers Furcht vor Flankenangriffen ebenso wie der Ärger über ungehorsame
Panzerführer. Halder notierte am 17. Mai 1940 in seinem Kriegstagebuch:
„Ein recht unerfreulicher Tag. Der Führer ist ungeheuer nervös. Er hat Angst vor dem eigenen Erfolg. Er tobt
und brüllt, man sei auf dem Wege, die ganze Operation zu verderben.“[34]
Diese Erregung führte am 17. Mai zur (kurzfristigen) Kommandoenthebung des zu schnellen Guderian und zum
„Haltebefehl von Montcornet“, der erst am 18. Mai 18:00 Uhr aufgehoben wurde. Zwei Tage später erreichte die
6. Panzerdivision ohne ernsthafte Gegenwehr bei Noyelles die Kanalküste. Die 7. Panzerdivision hingegen wurde am
20. Mai bei Arras in einen heftigen, aber schlecht koordinierten Gegenangriff des britischen Expeditionskorps
verwickelt, der − nicht ohne erhebliche Verluste − abgewehrt werden konnte. Am 24. Mai waren die deutschen
Verbände bis auf 15 Kilometer an Dünkirchen herangekommen. Teile hatten bereits das letzte natürliche Hindernis,
den Aa-Kanal überschritten. Zwischen ihnen und dem einzigen noch verbliebenen Kanalhafen der Alliierten
befanden sich keine nennenswerten alliierten Verbände; diese standen mit ihrer Masse noch immer etwa 100
Kilometer landeinwärts im Gefecht mit der 6. und 18. Armee. Am frühen Nachmittag kam dann der zweite
Haltebefehl; jener von Dünkirchen.
Alliierte Maßnahmen
Die Alliierten verfügten zum Beginn des deutschen Angriffes über hinreichende Reserven. Neben der 7. Armee
(Giraud) konnte das starke Kavalleriekorps Prioux sowie vier Panzerdivisionen für Gegenschläge kurzfristig
verfügbar gemacht werden. Als man das Schwergewicht im Norden erkannt zu haben glaubte, wurde zunächst das
Kavalleriekorps und wenig später trotz der Proteste von General Georges auch die 7. Armee (Giraud) nach Norden in
Marsch gesetzt. Das Schicksal der übrigen Reserven:
• Die 1. Panzerdivision (General Bruneau) wurde mit 167 modernen Panzern, darunter 65 Char B, am Vormittag
des 15. Mai bei Flavion von Rommels 7. Panzerdivision beim Tanken überrascht und mit Masse vom
Panzerregiment 31 der 5. Panzerdivision zerschlagen, obwohl dieser Verband lediglich über 30 Panzer der
Typen III und IV verfügte.
• Die 2. Panzerdivision (Bruché) erhielt zwischen dem 11. und 15. Mai fünf verschiedene Einsatzbefehle. Da die
Kettenfahrzeuge mittels Eisenbahn und die Trosse auf der Straße verlegt wurden, kam es zur Aufsplitterung und
letztendlich Lähmung des Verbandes. Zitat aus dem Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission:
„Am 16. Mai gibt es keine 2. Panzerdivision mehr, sondern nur verstreute Einheiten, deren Führer mit allen
Mitteln bemüht sind, Ordnung zu halten, Abänderungsbefehlen nachzukommen, Luftangriffen und deutschen
Panzerspitzen auszuweichen, während Kommandostellen aller Art sich um sie streiten und die Verwirrung
vermehren.“[35]
• Die 3. Panzerdivision (Brocard) versäumte bei Sedan den Zeitpunkt für den Gegenschlag und verzettelte sich
anschließend in den Gefechten um Stonne.
• Die 4. Panzerdivision (de Gaulle) war es, die der deutschen Führung die größten Sorgen bereitete. De Gaulle griff
am Morgen des 17. Mai von der Aisne her Richtung Norden an, überrollte deutsche Fahrzeugkolonnen und
konnte erst am Ortsrand von Montcornet von Panzerabwehrkanonen und 8,8-cm-Geschützen gestoppt werden.
Nach Luftangriffen und einem Gegenangriff der 10. Panzerdivision musste sich die Division nach schweren
Verlusten zurückziehen. Zwei Tage später kam sie nochmals bei Crécy sur Serre zum Einsatz. Dort wurde das
Gefecht vor allem durch den Einsatz der Luftwaffe entschieden. De Gaulle wird man vorwerfen, keine
Luftunterstützung angefordert zu haben.
Nach der Zerschlagung der letzten namhaften mobilen Reserven griff Oberbefehlshaber Gamelin erstmals persönlich
in das Kampfgeschehen ein. Er ordnete am 19. Mai einen Angriff an, der gleichzeitig von Norden und Süden
geführt, die deutschen Panzerspitzen abschneiden sollte. Zur Umsetzung kam es nicht, da Gamelin noch am gleichen
Tag von General Weygand abgelöst wurde, der diese Weisung sofort aufhob. Nach zeitraubenden persönlichen
55
Westfeldzug
56
Konsultationen in Belgien und Frankreich gab der neue Oberkommandierende am 22. Mai seinen „Weygand-Plan“
bekannt. Dieser sah einen Zangenangriff der Heeresgruppe 1 (Billotte) von Norden und der (neu geschaffenen)
Heeresgruppe 3 (Besson) von Süden her vor. Dazu Churchill:
„Man wird erkennen, dass Weygands neuer Plan sich nur durch seine energische Formulierung von dem
widerrufenen Befehl Nummer 12 Gamelins unterschied.“[33]
In der Zwischenzeit war es aufgrund einer britischen Initiative bereits zu einem Gegenangriff bei Arras gekommen.
Der rein britische Angriff fügte den deutschen Kräften (besonders Rommels 7. Panzerdivision) zwar Verluste zu,
schlug jedoch wegen mangelhafter Koordinierung mit den Franzosen und den Unterstützungswaffen nicht durch.
Der Zeitpunkt zur Umsetzung des eigentlichen Weygandplanes wurde mehrmals verschoben und am 27. Mai
endgültig ad acta gelegt.
„Rätsel“ Dünkirchen
Nach dem Scheitern der Gegenangriffe auf Sedan kam es zum
Sinneswandel im Oberkommando des Heeres (OKH). Generaloberst
Brauchitsch und sein Generalstabschef Halder waren nun bereit, alle
Risiken des Sichelschnittplanes in Kauf zu nehmen und plädierten für
einen raschen, ungebremsten Vorstoß zum Kanal und die
unverzügliche Einschließung und Vernichtung der alliierten Kräfte
nördlich der Somme. Hitler und Rundstedt wollten das Risiko des
ungebremsten Vorgehens nicht auf sich nehmen. Am 23. Mai wurden
sie durch eine von der Panzergruppe Kleist abgegebene Meldung
bestärkt, man sei „nach bis zu 50 % Verlusten an Panzern gegenüber
,starkem' Feind nicht stark genug für den Angriff nach Osten.“
Diese Meldung, die lediglich als verärgerte Reaktion auf die
Zuordnung mehrerer Nebenaufträge zu deuten ist, nahm die
Heeresgruppe als willkommenen Anlass für den „Aufschließbefehl“,
der den Panzerverbänden am 23. Mai die Unterbrechung des Angriffes
für die Dauer von 24 Stunden verordnete. Über die Verzögerungstaktik
Rundstedts verärgert, griff nun Brauchitsch erstmals persönlich ein und
entzog der in der Zwischenzeit auf 71 Divisionen angewachsenen
Heeresgruppe A das Kommando über die 4. Armee (von Kluge), der
alle Panzerdivisionen der Heeresgruppe unterstellt waren, und übertrug
es der Heeresgruppe B (21 Divisionen). Die Heeresgruppe B war nun
allein für die rasche Einschließung und Vernichtung der im
belgisch-französischen Grenzbereich befindlichen alliierten Kräfte
zuständig, während der Aufbau einer Front in Richtung Süden
ausschließlich Aufgabe der Heeresgruppe A sein sollte.
Diese operativ durchaus sinnvolle Maßnahme hatte man Hitler nicht
mitgeteilt, da er zur Front unterwegs war. Er erhielt von diesem Befehl
erst am Folgetag, dem 24. Mai, Kenntnis, und zwar durch
Generaloberst Rundstedt, einem ausgesprochenen Gegner dieser
Maßnahme. Schwer verärgert über die „Eigenmächtigkeit“ des
Oberkommandos des Heeres hob Hitler den Unterstellungsbefehl auf
Aufklärer der RAF im Anflug auf den durch
Luftangriffe der deutschen Luftwaffe schwer
getroffenen Hafen von Dünkirchen
Im Juni 1940 bei Dünkirchen gefangen
genommene britische Soldaten
und traf zusätzlich eine in der Kriegsgeschichte nahezu einmalige Entscheidung. Nicht das Oberkommando des
Heeres, sondern die Heeresgruppe A möge entscheiden, wann der Angriff auf Dünkirchen fortgesetzt würde. Es war
Westfeldzug
also nicht Hitler, sondern Rundstedt, der am 24. Mai um 12:45 Uhr den berühmt gewordenen Haltebefehl gab und es
war auch Rundstedt, der diesen Haltebefehl drei Tage und acht Stunden später wieder aufhob. Während dieser Zeit
scheiterten alle Versuche, Hitler bzw. Rundstedt zur Weiterführung des Angriffes zu bewegen. Briten und Franzosen
errichteten in diesen Tagen unter Einsatz mehrerer Divisionen einen Verteidigungsring um die Hafenstadt. Er sollte
die „Operation Dynamo“, die Evakuierung der bei Dünkirchen eingeschlossenen Truppen, sicherstellen. Obwohl
diese Operation praktisch erst am 28. Mai anlief, konnten bis 4. Juni dennoch insgesamt 338.682 Soldaten nach
Großbritannien übergesetzt werden. Zusammen mit den aus anderen Häfen evakuierten Soldaten stieg diese Zahl auf
rund 370.000 Mann, davon etwa 250.000 britische Soldaten. Die besondere Bedeutung der Rettung des britischen
Expeditionskorps lag in der Tatsache, dass es sich bei den geretteten Soldaten ausschließlich um Berufssoldaten
handelte, ohne die der rasche Aufbau eines schlagkräftigen Heeres auf Basis der allgemeinen Wehrpflicht nur schwer
vorstellbar gewesen wäre.
Die Bedeutung des Haltebefehls spiegelt sich auch heute noch in der Existenz verschiedener Theorien wider, die sich
um die Deutung von Hitlers Motiven bemühen. Der Historiker Karl-Heinz Frieser führt den Befehl auf die Tatsache
zurück, dass Hitler vor Rundstedt und dem Oberkommando des Heeres demonstrieren wollte, dass er als
Oberkommandierenden der Wehrmacht alle wichtigen Entscheidungen getroffen habe und treffe; nicht zuletzt in
Hinblick auf die Zuordnung von Verdiensten nach dem absehbaren Sieg über Frankreich.[14]
Ohne Zweifel wurde Hitler in dieser Haltung durch Göring bestärkt, der ihm am 23. Mai versicherte, dass er mit
„seiner“ Luftwaffe den Alliierten in Dünkirchen allein den „Gnadenstoß“ versetzen könne. Dieses Versprechen
konnte er nicht einlösen. Den Briten gelang es aufgrund der kurzen Anflugwege von ihren südenglischen Basen
immer wieder, die Luftherrschaft über Dünkirchen an sich zu reißen und dabei 156 deutsche Flugzeuge
abzuschießen,[36] nicht ohne selbst 177 Flugzeuge zu verlieren.[37] Da auch noch Schlechtwetterperioden den Einsatz
der Luftwaffe hemmten, blieb Görings Gesamtbilanz weit von seinem hochgesteckten Ziel entfernt.
Fall Rot
Als die deutschen Truppen Anfang Juni in die
Bereitstellungsräume zur Fortführung des Angriffes
Richtung Süden einrückten, hatte sich das
Kräfteverhältnis umgekehrt. Die Alliierten konnten der
Wehrmacht in der Weygand-Linie an Somme und
Aisne nur mehr die neue Heeresgruppe 3 (6., 7., und
10. Armee) entgegensetzen, die kaum mehr über
gepanzerte Kräfte verfügte. Die Masse der noch
verfügbaren 66 Divisionen blieb weiterhin in der
Maginotlinie gebunden. Die Wehrmacht konnte
dagegen 104 Divisionen aufbieten; weitere 19
Großverbände standen als Reserve zur Verfügung. Für
den Angriff hatte man der Heeresgruppe B den
Abschnitt zwischen Reims und der Kanalküste
zugeordnet. Sie sollte mit ihren gepanzerten
Speerspitzen (Panzergruppe Kleist mit zwei Korps,
Verlauf des Falles Rot
Panzerkorps Hoth) nach dem Durchbruch durch die
Weygand-Linie über Paris nach Süden vorstoßen. Die
Heeresgruppe A stellte sich zwischen Reims und Sedan zum Angriff bereit. Sie hatte den Auftrag, mit der
Panzergruppe Guderian voraus entlang der Marne in Richtung der Schweizer Grenze vorzugehen.
57
Westfeldzug
58
Der Angriff begann am 5. Juni und stieß auf ungewohnt heftigen
Widerstand, der allerdings nach dem Durchbruch durch das tief
gestaffelte Stellungssystem rasch nachließ. So konnte die
Heeresgruppe B bereits am 14. Juni das unverteidigte Paris nehmen,
während die Heeresgruppe A am 17. Juni bei Pontarlier die Grenze zur
Schweiz erreichte und damit die Verteidiger der Maginot-Linie (über
500.000 Mann) einkesselte. Am Folgetag suchte die neue französische
Regierung unter Marschall Pétain um Waffenstillstand nach.
Deutsche Siegesparade vor dem Arc de Triomphe
in Paris am 14. Juni
Kriegsverbrechen
Im Laufe des Feldzuges und unmittelbar nach dem Waffenstillstand kam es zu zahlreichen Kriegsverbrechen an
Kriegsgefangenen wie an Zivilisten. Bereits am 27. Mai 1940 hatten deutsche Truppen ein Massaker in Vinkt verübt,
bei dem über 130 Zivilisten ums Leben kamen. In Oignies und Courrières wurden am folgenden Tag insgesamt 114
Zivilisten ermordet, weil sich deutsche Truppen von Franktireurs angegriffen wähnten.[38] Die Leibstandarte-SS
Adolf Hitler ermordete am selben Tag zwischen 80 und 97 britische und französische Soldaten beim Massaker von
Wormhout. Die SS-Division Totenkopf ist ebenfalls für zahlreiche Morde an Kriegsgefangenen verantwortlich, etwa
für das Massaker von Le Paradis an 99 britischen Soldaten, oder für die Ermordung schwarzafrikanischer
Kriegsgefangener. Schätzungsweise 1500 bis 3000 Angehörige der Senegalesischen Infanterie und anderer
französischer Kolonialtruppen, die im Laufe des Feldzuges in die Hände deutscher Truppen fielen, wurden
ermordet.[39]
Nach einem Befehl des OKW sollten in Kriegsgefangenschaft geratene Reichsdeutsche (also etwa Emigranten oder
Österreicher) und ehemalige tschechoslowakische Staatsangehörige in französischer oder britischer Uniform noch in
den Gefangenensammelstellen standrechtlich erschossen werden.[40]
Durchführungsbestimmungen zu diesem Befehl ergingen nicht mehr vor dem Waffenstillstand am 22. Juni 1940,
deshalb ist dem Heer dieses Verbrechen vermutlich erspart geblieben.[41]
Auch zog die französische Armeeführung gefährdete Soldaten von der deutschen Front zurück.[42]
Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen OKW-Befehl vom Juni 1940 behauptete dagegen Raul Hilberg,
dass deutsche Juden, die in Einheiten der französischen Armee dienten, meist bald nach der Gefangennahme, noch
vor dem Abtransport in die Stammlager, abgesondert und ermordet wurden. Dieser Aussage schlossen sich weitere
Autoren an.[43]
Von alliierter Seite begangene Verbrechen wurden von der Wehrmacht-Untersuchungsstelle dokumentiert.[44] Dabei
handelt es sich vor allem um Fälle von angeblicher Misshandlung notgelandeter Flieger und Beraubung von
Kriegsgefangenen. Ein französischer Oberleutnant wurde am 27. Oktober 1940 von einem deutschen
Feldkriegsgericht zum Tode verurteilt, weil er den Tod zweier deutscher Kriegsgefangener verursacht haben sollte.
Die Strafe wurde später in eine Freiheitsstrafe umgewandelt.[45]
Westfeldzug
59
Frankreich vor und nach dem Waffenstillstand
Weg zum Waffenstillstand
Ende Mai hatte Ministerpräsident Paul Reynaud den
84-jährigen Marschall Pétain zu seinem Stellvertreter
ernannt. Als Reynaud am 17. Juni für die Fortsetzung
des Kampfes und für die von Churchill vorgeschlagene
britisch-französische Allianz (u. a. gemeinsame
Währung und gemeinsame Staatsbürgerschaft)
plädierte, blieb er im Kabinett in der Minderheit. Er
trat zurück; sein Stellvertreter Pétain wurde neuer
Ministerpräsident und suchte um Waffenstillstand
nach. Am Tag darauf, dem 18. Juni, rief General De
Gaulle von Radio Londres aus die Franzosen mit dem
„Appell des 18. Juni“ zur Fortführung des
Widerstandes auf.
Am 22. Juni wurde in Compiègne der Waffenstillstand
geschlossen, der am 25. Juni um 01:35 Uhr in Kraft
trat. Die Bedingungen des Waffenstillstandes:
Frankreich nach dem Waffenstillstand
• Etwa 60 Prozent des Landes bleiben besetzt (Artikel II.), die Besatzung soll aber nach einem Sieg über England
auf ein Minimum reduziert werden (Artikel III.). Elsass-Lothringen wird unter deutsche Verwaltung gestellt.
• Die Kosten für die Besatzung hat der französische Staat zu tragen (Artikel XVIII.)
• Die französischen Kriegsgefangenen bleiben bis zu einem Friedensvertrag Kriegsgefangene (Artikel XX.)
• Die französischen Truppen werden mit Masse demobilisiert und abgerüstet (Artikel IV.), der Vichy-Regierung
werden in Frankreich Truppen in der Stärke von 100.000 Mann zugebilligt, die Streitkräfte in den
Überseegebieten bleiben erhalten.
• Entwaffnung der französischen Flotte unter deutscher Aufsicht in den Heimatgewässern
Hitler (Hand in die Seite gestützt)
vor der Statue von Marschall
Foch, bevor der Waffenstillstand
unterzeichnet wird
Überreichung der
Waffenstillstandsbedingungen
Hitler mit
Begleitung
nach der
Besichtigung
des Eiffelturms
im Juni 1940
Deutscher
Soldat in Paris
(1943)
Westfeldzug
60
Frankreich nach dem Waffenstillstand
Noch vor dem Waffenstillstand hatte man die schwersten Einheiten der
starken französischen Flotte unter dem Kommando von Admiral
François Darlan in den Kriegshafen Mers-el-Kébir (Algerien) verlegt,
um sie einem deutschen Zugriff zu entziehen. Da das britische Kabinett
trotz der französischen Zusage, keine Schiffe an die Deutschen
auszuliefern, kein Risiko eingehen wollte, wurde am 3. Juli die
Operation Catapult durchgeführt. Der französische Flottenverband in
Mers-el-Kébir wurde von der britischen Force H unter Führung von
Admiral Somerville ultimativ aufgefordert, zu kapitulieren. Als die
französische Marineführung das Ultimatum verstreichen ließ, wurde
ein großer Teil der vor Anker liegenden Schiffe versenkt bzw.
beschädigt. Dabei fanden 1297 französische Seeleute den Tod, 350
wurden verwundet. Zu ähnlichen Einsätzen der Force H kam es am 3.
Juli vor Oran und am 8. Juli in Dakar. Die Regierung Pétain brach
daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien ab.
Am 10. Juli übertrug das Parlament Pétain die Vollmacht zur
Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Auf deren Basis wurde der
Marschall am 17. Juli zum „Chef de l'Etat“ des Vichy-Regimes mit
weitreichenden Vollmachten gewählt. Er erklärte sein Land für neutral
und lehnte am 24. Oktober den Vorschlag Hitlers ab, gemeinsam gegen
Großbritannien Krieg zu führen.
Französisches Kriegsschiff unter Beschuss von
britischen Schiffen während der Operation
Catapult, 3. Juli 1940
De Gaulle wurde am 28. Juni von Churchill zwar als „Leader of all Free Frenchmen“ anerkannt, eine Gegenregierung
zum Vichy-Regime durfte er jedoch erst im Mai 1943 etablieren.
Bilanz
Der Westfeldzug wurde von der deutschen Propaganda als Durchbruch
zu einer neuen, revolutionären Taktik gepriesen. Man gab dieser
Kampfform den Namen Blitzkrieg. Diese Darstellung wurde von den
Besiegten akzeptiert, weil das Auftreten umwälzender Neuerungen
eigene Fehler und Versäumnisse entschuldbarer erscheinen ließ. Zwar
war der Westfeldzug tatsächlich als Blitzkrieg konzipiert, aber die
Durchführung lag nach Mansteins Abgang mit Rundstedt und dessen
Generalstabschef Sodenstern in den Händen eher konservativer
Denker, die ihre Panzerdivisionen lediglich als Vorausabteilungen der
zu Fuß nachrückenden eigentlichen Kampfverbände sahen. Der Erfolg
des Feldzuges ist nicht zuletzt jenen Panzerführern zuzuschreiben, die
wie Guderian und Rommel gegen Befehle handelten.
Sanitäter versorgen verwundete
Wehrmachtssoldaten
Am Erfolg war auch die Gegenseite beteiligt. Das starre Maginot-Denken mit seiner völlig defensiven Ausrichtung
war die größte Schwäche der Alliierten, demgegenüber die Deutschen mit ihrem äußerst flüssigen Blitzkrieg die
operative Überlegenheit hatten. Die am Stellungskrieg orientierte alliierte Führungsorganisation war den
Anforderungen eines Bewegungskrieges ebenso wenig gewachsen wie die taktischen Grundsätze ihrer mobilen
Kräfte. Die deutsche Panzerwaffe konnte ihre zahlenmäßige Schwäche sowie die schlechtere Bewaffnung und
Panzerung ihrer Fahrzeuge durch Zusammenfassung der Panzer in den Panzerdivisionen, durch bessere Führung,
bessere Kommunikation, durch eine effektivere Nachschub- und Instandsetzungsorganisation sowie durch enge
Westfeldzug
61
Zusammenarbeit mit den Unterstützungswaffen am Boden und in der Luft mehr als wettmachen, so zum Beispiel
waren die deutschen Generäle vorne bei ihren Truppen, während General Gamelin weit im Hinterland den Kontakt
zum französischen Parlament hielt.
Bei den Luftstreitkräften war die Situation ähnlich. Durch die enge Zusammenarbeit der deutschen Luftflotten mit
den Heeresgruppen bis hinunter auf die taktische Ebene war es möglich, rasche und effiziente Luftunterstützung
sicherzustellen und die zahlenmäßige Schwäche durch Schwergewichtsbildung auszugleichen.
Diese Defizite wurden von den Alliierten zwar erkannt, die Kürze des Feldzuges erlaubte es jedoch nicht, diese auch
zu beseitigen.
Materielle Verluste
Die deutsche Wehrmacht verlor 714 Panzer, davon 428 der Typen I und II, an Flugzeugen büßte sie 1236 Maschinen
ein, weitere 323 wurden beschädigt.[46] Die Briten und Franzosen verloren die Masse ihrer Panzerfahrzeuge, der
Flugzeugverlust betrug bei den Briten 1020 Maschinen, davon 477 Jagdflugzeuge. Bei den Franzosen lagen die
Verluste bei 800 Flugzeugen.
Personelle Verluste und Folgen des Westfeldzugs
Von den 1,6 Millionen französischen Kriegsgefangenen verblieb etwa
1 Million bis Kriegsende in deutscher Gefangenschaft, wo sie
vorwiegend als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Von ihnen kamen
etwa 40.000 meist aufgrund von Krankheit ums Leben.[47]
Jüdische Kriegsgefangene wurden in den Stammlagern abgesondert
und wurden gezwungen, ein besonderes Kennzeichen zu tragen. Erst
die Intervention des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz führte
zu einem Kennzeichnungsverbot.[48]
Französische Kriegsgefangene im Mai 1940
Von den im Zuge des „Service du Travail Obligatoire“ (STO) des
Vichy-Regimes in Deutschland eingesetzten 720.000 Zwangsarbeitern
kamen ebenfalls an die 40.000 Personen ums Leben. Dies ist aber nur ein kleiner Teil jener 350.000 zivilen Opfer,
die allein Frankreich als Kriegsfolgen zu beklagen hatte. Von den 75.721 meist nach Auschwitz verschleppten
französischen Juden kehrten lediglich 2566 zurück. Zusammen mit den 3000 bereits in den französischen
Internierungslagern Umgekommenen beläuft sich die Bilanz der Shoa in Frankreich auf etwa 80.000.[49] 20.000
Mitglieder der französischen Widerstandsbewegung Résistance fielen im Kampf, 30.000 wurden hingerichtet und
60.000 in Konzentrationslager verbracht, von denen weniger als die Hälfte zurückkehrte.[50] Der Rest kam im Zuge
der Kampfhandlungen (Bodenkämpfe und Luftangriffe) ums Leben oder wurde Opfer von Repressionsmaßnahmen
der Besatzer oder des Vichy-Regimes. Allein bei Geiselerschießungen starben 29.662 Franzosen.[51]
In diesen Zahlen sind weder jene 70.000 Juden noch jene ähnlich hohe Zahl von Menschen anderer Konfessionen
enthalten, die sich nach Frankreich geflüchtet hatten und von den französischen Behörden ausgeliefert wurden. Nach
dem Krieg wurden im Zuge der „Épuration sauvage“ („Wilden Reinigungsphase“) etwa 11.000 vermeintliche oder
echte „Kollaborateure“ getötet, über 6000 wurden in ordentlichen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt.
Westfeldzug
Weitere Folgen
Deutschland
• Hitlers Selbstvertrauen und Status als Stratege stieg aufgrund der erfolgreichen Umsetzung des vom Generalstab
abgelehnten Manstein-Planes. (Wilhelm Keitel bezeichnete Hitler bei Siegesfeiern als den „Größten Feldherrn
aller Zeiten“)
• Die Widerstände des Generalstabes gegen einen Angriff auf die Sowjetunion nahmen ab
• Der deutsche politische Widerstand, der ein Scheitern des Westfeldzuges prognostizierte, erlitt einen schweren
Rückschlag, da auch die Zustimmung der Bevölkerung zu Hitlers Politik stieg
• Deutschland erhielt Zugriff auf die umfangreichen Rohstoffreserven und das industrielle Potential Frankreichs
• Deutschland strebte die Bildung einer „kontinentalen Allianz“ mit Italien, Spanien und Frankreich zum
gemeinsamen Kampf gegen Großbritannien an, was nicht zuletzt an konkurrierenden territorialen Ansprüchen
scheiterte.[52]
• Die Voraussetzungen zur Führung eines See- und Luftkrieges gegen Großbritannien hatten sich entscheidend
verbessert, mehrere französische Atlantikhäfen werden zu U-Bootstützpunkten ausgebaut. Die Luftschlacht um
England sollte das Unternehmen Seelöwe, die Invasion Großbritanniens, vorbereiten.
• Die deutsche Panzertaktik wurde zur neuen bis heute international gültigen Panzerdoktrin
Frankreich
• Das Vichy-Regime erklärte sich als neutral und war bereit, mit den Deutschen an der „Neuordnung Europas“
mitzuwirken
• Frankreich musste am 20. Juni 1940 den Japanern Stützpunkte und Durchmarschrechte in Indochina zubilligen.
Großbritannien
• Die Briten standen im Westen im Kampf gegen das Deutsche Reich zunächst allein, konnten jedoch auf
materielle und militärische Hilfe (Konvoischutz) durch die USA bauen. Die Vichy-Regierung wurde anerkannt,
ein offener Krieg mit Frankreich sollte vermieden werden, da die Ressourcen dafür nicht reichten. Auf alle Fälle
sollte der Zugriff der Deutschen auf die französische Flotte (Überfall auf Oran), auf Syrien (Ölinteressen im Irak)
und die Nutzung der Häfen Dakar und Diego Suarez (Madagaskar) unterbunden werden.
• Statt Paris wurde London das Zentrum europäischer Exilpolitik, zur Drehscheibe internationaler Geheimdienste
entwickelte sich das neutrale Schweden.
Italien
• Italien trat am 10. Juni in den Krieg ein und okkupierte französisches Territorium an der Côte d'Azur, es wurde
durch seinen missglückten Überfall auf Griechenland zum Auslöser des Balkankrieges und verwickelte das
Deutsche Reich in den Krieg in Nordafrika, der 1943 mit der Niederlage der deutsch-italienischen Streitkräfte in
Tunesien endete.
USA
• Franklin Delano Roosevelt mobilisierte politische Kräfte, um im Widerspruch zur neutralistischen
Grundstimmung in den USA Großbritannien unterstützen zu können. Im Februar 1941 kam es zum Leih- und
Pachtgesetz. Durch den Geleitschutz für Konvois nach Großbritannien befanden sich die USA im Atlantik bereits
ab September 1940 faktisch im Kriegszustand mit Deutschland.
UdSSR
• Der sowjetische Außenminister Molotow gratulierte am 17. Juni zum Sieg über Frankreich, sowjetische Truppen
okkupierten am gleichen Tag die baltischen Staaten
• Stalin selbst erteilte im Dezember 1940 den Befehl zur Serienproduktion des Schlachtflugzeuges Iljuschin Il-2;
die vorgesehenen Produktionszahlen lagen bei über 30.000 Stück.
Rumänien
62
Westfeldzug
• Rumänien trat nach der sowjetischen Reannexion Bessarabiens der Achse bei.
Literatur
• J. R. M. Butler: History of the Second World War. Grand Strategy. Volume II (London 1957)
• Hans Umbreit: Der Kampf um die Vormachtstellung in Westeuropa, in: Das Deutsche Reich und der Zweite
Weltkrieg, Band 2 Stuttgart, 1979 ISBN 3-421-01935-5
• Karl-Heinz Frieser: Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940 München: Oldenbourg, 1995 ISBN 3-486-56124-3
3. Aufl. 2005 (=Operationen des Zweiten Weltkrieges, Band 2)
• Julian Jackson: The fall of France: the Nazi invasion of 1940, Oxford: Oxford University Press, 2003 ISBN
0-19-280300-X
• Alistair Horne: To lose a battle. France 1940, Middlesex: Penguin, 1969
• Jean-Paul Pallud: Blitzkrieg in the West then and now, London: Battle of Britain prints, 1991 ISBN
0-900913-68-1
Weblinks
• Militärwissenschaftliche Zusammenstellung von C. M. V Abegglen [53]
• Gliederung der französischen Armee 1940 (englisch) [54]
• Die Maginot-Linie im Krieg 1939–1940 [55]
Referenzen
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
Karl-Heinz Frieser, Blitzkrieg-Legende, 2. Aufl., München 1996, S. 57.
Rüdiger Overmans: Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg. 3. Aufl., Oldenbourg, München 2004, S. 54.
Olaf Groehler: Geschichte des Luftkrieges, 5. Aufl., Berlin (Ost) 1981, S. 246.
Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 2. DVA, Stuttgart 1979, S. 307.
Frieser a.a.O., S. 400.
siehe en:Italian invasion of France
Vgl. Manfred Messerschmidt: Hitlers „Programm“ und das Kontinuitätsproblem. In: Wilhelm Deist, Manfred Messerschmidt, Hans-Erich
Volkmann, Wolfram Wette: Ursachen und Voraussetzungen des Zweiten Weltkriegs – Frankfurt am Main 1989, S. 652
[8] Adolf Hitler: Mein Kampf. Zwei Bände in einem Band, München 1937, S. 766
[9] Klaus Hildebrand: Deutsche Außenpolitik 1933–1945. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1976, S. 38
[10] Hans-Adolf Jacobsen: 1939–1945, Der Zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten. Darmstadt 1961, S. 133 ff.
[11] Paul Schmidt: Statist auf diplomatischer Bühne. Bonn 1953, S. 473.
[12] Alistair Horne: To lose a battle. France 1940. New York 1979.
[13] Hans Umbreit: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Der Kampf um die Vormachtstellung in Westeuropa. Band 2.
[14] Karl-Heinz Frieser: Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940. Oldenbourg, 1995
[15] Christienne/Lissaraque: Histoire de l’aviation militaire française. Seiten 373 ff.
[16] Lieutenant Colonel Faris R. Kirkland, USAF (Ret.), The French Air Force In 1940 – Was It Defeated by the Luftwaffe or by Politics?, Air
University Review, Oktober 1985 (http:/ / www. airpower. maxwell. af. mil/ airchronicles/ aureview/ 1985/ sep-oct/ kirkland. html).
[17] Pierre Cot: En 40 où etaient nos avions ?, in:Icare, Nr.57/71.
[18] Angleichung der Zahlenangaben aus: Liss:Westfront; Charles: Forces armées belges;Service Historique de l'Armée der Terre, Les grandes
unités françaises; Buffotot/Ogier:L'Armée de l'Air.
[19] Battle of Britain Historical Society webpage, document 7 (http:/ / www. battleofbritain. net/ 0002. html).
[20] Laddie Lucas: Flying Colours. The epic story of Douglas Bader. Wordsworth Editions, Ware 2000, 2001. ISBN 1-84022-248-4.
[21] Armée de'Air, Ordre de bataille au 10 mai 1940 (http:/ / france1940. free. fr/ adla/ ada_mai. html).
[22] Mike Spick, Luftwaffe Fighter Aces: The Jagdwaffe and their Tactics and Techniques, Ivy Books, 1997, ISBN 0-8041-1696-2.
[23] Dimitroff. Tagebücher Band 1.
[24] Alistair Horne: To lose a battle.(Penguin 1979) Seite 147.
[25] Tablot Imlay: Mind the Gap. The Perception And Reality of Communist Sabotage of French War Production During the Phoney War. In:
Past and Present, No. 189, (Nov. 2005), S. 179-234. Joel Blatt: The French Defeat of 1940. Reassessments. Berghahn Books: Oxford, 1998,
ISBN 1-57181-226-1, S. 141.
[26] Thomas Rodney Christofferson, Michael Scott Christofferson: France During World War II: From Defeat to Liberation Fordham
University Press 2006. ISBN 0-8232-2562-3, S. 20.
63
Westfeldzug
[27] Julian Jackson: The Fall of France. Oxford University Press, Oxford 2003, ISBN 0-19-280300-X, S. 154f.
[28] Für die Zitate des ganzen Absatzes: Manfred Overesch/Friedrich Wilhelm Saal: Das III. Reich. Eine Tageschronik der Politik, Wirtschaft,
Kultur. Bd. 2: 1939–1945. Weltbild Verlag, Augsburg 1991, ISBN 3-89350-349-8, S. 80 (zuerst Droste, Düsseldorf 1983).
[29] Cajus Becker: Angriffshöhe 4000. Oldenburg 1964.
[30] Mitteilung General a. D. Graf von Kielmannsegg, in: Frieser: Blitzkrieg-Legende. S. 129.
[31] Liddell Hart: Jetzt dürfen sie reden. S. 189 f.
[32] Pierre Le Goyet: Contre-attaques manquées. In: Revue Historique des armées. 4/1962. S. 111.
[33] Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg. Frankfurt 2003 (3. Aufl.), ISBN 3-596-16113-4.
[34] Franz Halder: Kriegstagebuch. Bd. 1, Stuttgart 1962.
[35] Zitiert in Hoth: Schicksal der französischen Panzerwaffe. S. 376.
[36] David Divine: The Nine Days of Dunkirch. White Lion Publrs., 1976, ISBN 0-7274-0195-5.
[37] Richard Collier: Dünkirchen. Heyne Verlag, 1982, ISBN 3-453-01164-3, S. 331.
[38] Peter Lieb: Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschauungskrieg. Oldenbourg, München 2007, S. 518.
[39] Raffael Scheck: Hitler’s African victims. The German Army massacres of Black French soldiers in 1940. Cambridge UP, Cambridge 2006,
ISBN 978-0-521-85799-4, S. 165; deutsch: Hitlers afrikanische Opfer. Die Massaker der Wehrmacht an schwarzen französischen Soldaten.
Assoziation A, Berlin 2009. Rezension von Bernhard Schmid, in „Dschungel“, Beilage zu jungle world 14. Jan. 2010, S. 2–6 ( Inhalt engl.
(http:/ / catdir. loc. gov/ catdir/ toc/ ecip0515/ 2005018176. html)).
[40] vgl. z.B. AOK 16, Abt. Ic vom 17. Juni 1940, gez. Model.
[41] Beitrag Jürgen Förster. In: Wolfram Wette, Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert. Darmstadt 2001, S. 139;
Fußnote 8 verweist auf: TU Berlin, Zentrum für Antisemitismusforschung.
[42] Raffael Scheck: Hitlers afrikanische Opfer. Berlin 2009, S. 163.
[43] Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Band II, Fischer, Frankfurt 1993, ISBN 3-596-10612-5, S. 658f. Ebenso z.B. Vicki
Caron: Uneasy Asylum: France and the Jewish Refugee Crisis, 1933–1942. Stanford University Press, Stanford 1999, ISBN 0-8047-4377-0,
S. 263.
[44] Alfred M. de Zayas: Die Wehrmachtuntersuchungsstelle. Ullstein, Frankfurt am Main 1987, S. 180–188 und S. 254–261.
[45] Alfred M. de Zayas: Die Wehrmachtuntersuchungsstelle. Ullstein, Frankfurt am Main 1987, S. 187f.
[46] Frieser: Blitzkrieg-Legende. S. 400.
[47] Yves Durand: Das Schicksal der französischen Kriegsgefangenen in deutschem Gewahrsam (1939–1945). In: Bischof/Overmans:
Kriegsgefangenschaft im Zweiten Weltkrieg. Ternitz 1999.
[48] Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden. Band II, Fischer, Frankfurt 1993, ISBN 3-596-10612-5, S.659.
[49] Zahlen der L'association des Fils et Filles des déportés juifs de France (Vorsitzender: Serge Klarsfeld (1985).
[50] Wikipedia français: Résistance intérieure française.
[51] Zahlenangabe des französischen Chefanklägers in den Nürnberger Prozessen.
[52] Percy E. Schramm (Hrsg.): Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht 1944–1945, Teilband 1, ISBN 3-7637-5933-6.
[53] http:/ / www. homepage. bluewin. ch/ abegglen/ papers/ westfeldzug_1940. pdf
[54] http:/ / france1940. free. fr/ oob/ oob. html
[55] http:/ / mysite. verizon. net/ vzev1mpx/ maginotlineatwar/
64
Unternehmen Seelöwe
Unternehmen Seelöwe
Das Unternehmen Seelöwe war der
im Zweiten Weltkrieg von der
Wehrmacht erarbeitete, aber nicht
umgesetzte Plan für eine Invasion
Großbritanniens unter dem Oberbefehl
von Generalfeldmarschall Gerd von
Rundstedt.
Die Planungen für das Unternehmen
Seelöwe wurden Adolf Hitler nach der
abgeschlossenen
Besetzung
Frankreichs im Juli 1940 von Strategen
der Kriegsmarine vorgelegt. Heer und
Plan des Unternehmen Seelöwe
Marine waren sich über Ort, Zeitpunkt
der
Invasion
und
andere
Zuständigkeiten uneinig. Aufgabe der Luftwaffe und Voraussetzung für die Invasion war in jedem Fall die
Erringung der totalen Luftüberlegenheit über dem Invasionsraum sowie die operative Unterstützung von Heer und
Marine.
Das deutsche Heer wollte an möglichst vielen Stellen landen und Großbritannien auf breiter Front angreifen.
Die deutsche Marine wollte hingegen nur auf einem schmalen Korridor in der Straße von Dover landen, da die
Marine zu schwach war, mehrere Landungsoperationen gegen die überlegene Royal Navy zu schützen, selbst bei
totaler Luftüberlegenheit. Nach Plänen der Marine sollte der Korridor links und rechts von Minensperren und von
vorgeschobenen U-Booten geschützt werden.
Daraufhin griff Hitler ein und entschied folgenden Plan, der weder die Marine noch das Heer befriedigte:
• Die 9. Armee startet in den Häfen Le Havre und Boulogne und landet im Gebiet zwischen Bognor und
Eastbourne
• Die 16. Armee startet in den Häfen Calais, Dünkirchen, Ostende, Antwerpen und Rotterdam und landet im Gebiet
zwischen Eastbourne und Dover, beide Armeen unter dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall Gerd von
Rundstedt
• Die 6. Armee wird in Cherbourg in Reserve gehalten unter dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall Wilhelm
Ritter von Leeb.
Dafür wurden folgende Wasserfahrzeuge benötigt:
•
•
•
•
168 Frachter (etwa 700.000 BRT)
1.910 Kähne
419 Schlepper und Fischerboote
1.600 Motorboote
Hitler selbst stand dem Unternehmen skeptisch gegenüber. In seinem Einsatzbefehl, der Weisung Nummer 16 vom
16. Juli 1940[1] , hieß es: „planen und, wenn nötig, auch durchführen“. Er unternahm auch nichts, um Druck
auszuüben.
Der Versuch, wie geplant die Luftherrschaft zu erringen, führte zur Luftschlacht um England, die von der deutschen
Luftwaffe verloren wurde: Die Luftwaffe verzettelte sich über der Insel aufgrund einer uneinheitlichen Strategie und
unterlag schließlich der immer stärker werdenden Royal Air Force, welche von vielen Piloten aus besiegten Ländern
(Frankreich, Polen und Tschechoslowakei) unterstützt wurde. Ebenfalls zum Nachteil gereichte der Luftwaffe die
65
Unternehmen Seelöwe
Tatsache, dass die meisten abgeschossenen deutschen Piloten tot oder in Kriegsgefangenschaft geraten waren,
während die meisten der abgeschossenen britischen Piloten, wenn sie überlebt hatten, wieder als Flieger zur
Verfügung standen.
So konnten Heer und Marine die Schuld auf die Luftwaffe schieben und das Datum der Landung vom 15. September
1940 zuerst um sechs, dann um weitere drei Tage und schließlich auf unbestimmte Zeit hinausschieben.
Mit der Einleitung des Unternehmen Barbarossa, dem Angriff auf die Sowjetunion, wurde der Plan einer Eroberung
Großbritanniens allmählich und seit 5. Februar 1941 zugunsten der Seeblockade Großbritanniens ganz aufgegeben.
Es kam auch nicht im Winter 1940/41, trotz Absage der Invasion, zur Wegnahme Gibraltars durch Spanien, so dass
Italiens Hochseeflotte im Mittelmeer operativ eingesperrt blieb.
Hitler ordnete Anfang 1942 den zügigen Bau des sogenannten Atlantikwalls an, der eine kommende Invasion der
Anglo-Amerikaner gleichfalls abhalten sollte.
Literatur
• Richard Cox (Hrsg.): Operation Sea Lion, Presidio Press, San Rafael/ California 1977. ISBN 0-89141-015-5
• Peter Fleming: Operation Sea Lion - The projected invasion of England in 1940, Simon & Schuster, New York
1957.
• Geoff Hewitt: Hitler's Armada - The German invasion plan, and the defence of Great Britain by the Royal Navy,
April - October 1940, Pen & Sword Maritime, Barnsley 2008. ISBN 978-1-8441-5785-3
• Karl Klee: Das Unternehmen "Seelöwe" - Die geplante deutsche Landung in England 1940, Verlag
Musterschmidt, Göttingen 1958 (= Studien und Dokumente zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Bd.4a).
• Karl Klee (Hrsg.): Dokumente zum Unternehmen "Seelöwe" - Die geplante deutsche Landung in England 1940,
Verlag Musterschmidt, Göttingen 1959 (= Studien und Dokumente zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges,
Bd.4b).
• Ronald Wheatley: Operation Sea Lion - German plans for the invasion of England, 1939-1942, Greenwood Press,
Westport/ Conn. 1978, ISBN 0-313-20605-8
Referenzen
[1] http:/ / www. lexikon-der-wehrmacht. de/ Chronik/ 1940. htm
66
Luftschlacht um England
67
Luftschlacht um England
Luftschlacht um England
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Datum
je nach Quelle: Mitte 1940–Anfang 1941
Ort
Vereinigtes Königreich
Ausgang
Abbruch von Deutscher Seite
Folgen
Deutsche Invasion verhindert, Briten behalten Luftherrschaft
Konfliktparteien
Deutsches Reich, sowie
Italien
Vereinigtes Königreich und Commonwealth
Befehlshaber
Hermann Göring
Albert Kesselring
Hugo Sperrle
Hans-Jürgen Stumpff
Hugh Dowding
Keith Park
Trafford Leigh-Mallory
Christopher Quintin-Brand
Richard Saul
Truppenstärke
(zu Beginn) 1576 Bomber,
809 einmotorige Jäger,
300 zweimotorige Jäger
(zu Beginn) 500 Bomber,
700 einmotorige Jäger,
96 zweimotorige Jäger
Verluste
873 Jäger,
1014 Bomber
1023 Jäger,
376 Bomber,
148 Seeflugzeuge
Bedeutende Militäroperationen während des Westfeldzuges der deutschen Wehrmacht
Fall Gelb – Fall Rot – Fall Weserübung – Luftschlacht um England – Schlacht von Dünkirchen
Die Luftschlacht um England (Großbritannien) war der Versuch der deutschen Luftwaffe, im Zweiten Weltkrieg
zwischen Sommer 1940 und Anfang 1941 mit Bombeneinsätzen gegen das britische Militär und Angriffen gegen
britische Städte die Kapitulation Großbritanniens zu erzwingen oder wenigstens die Invasion der Insel vorzubereiten.
International bekannt als Battle of Britain, war es eine Serie von Luftgefechten im britischen Luftraum, die von der
deutschen Luftwaffe gegen die Royal Air Force (RAF) geführt wurde. Britische Historiker legen den Zeitraum der
Schlacht vom 10. Juli bis zum 31. Oktober 1940 fest, da ab diesem Tag die Tagangriffe in größerem Ausmaß
ausblieben. Manche Quellen und Statistiken beziehen sich auf einen Zeitraum bis zum Mai 1941, als die
Kampfgruppen der Bombergeschwader der Luftwaffe für das Unternehmen Barbarossa abgezogen wurden.
Ziel des Oberkommandos der Wehrmacht in der Luftschlacht um England war die Erringung der Luftherrschaft über
den britischen Luftraum durch die Vernichtung der Kampfkraft der Royal Air Force. Dies galt als
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Invasion, deren Planung bereits im Dezember 1939 zwischen Hitler und
Großadmiral Raeder besprochen wurde (Operation Seelöwe). Hitler hoffte jedoch später, Großbritannien durch
verstärktes Bombardement zu Friedensverhandlungen zwingen zu können; Ende September 1940 wurden die
Luftschlacht um England
Invasionspläne intern auf unbestimmte Zeit verschoben, also aufgegeben.
Der Begriff Luftschlacht um England (eigentlich Battle of Britain) wurde vom britischen Premierminister Winston
Churchill geprägt, der am 18. Juli 1940 in einer Rede vor dem Unterhaus erklärte:
„Die Schlacht, die General Weygand die Schlacht um Frankreich nannte, ist vorbei. Ich erwarte, daß jetzt die
Schlacht um (Groß-)britannien beginnen wird.“[1]
Hintergrund
In den 1930er Jahren wurde die Rolle der Luftstreitkräfte in einem Krieg von Politikern ebenso wie von Militärs als
entscheidend angesehen.
Diese Meinung stützte sich auf die Erfolge der im Ersten Weltkrieg von deutschen Luftschiffen und Bombern auf
Großbritannien durchgeführte Bombenangriffe, die trotz der geringen Zahl eingesetzter Luftfahrzeuge und der
kleinen abgeworfenen Bombenlasten die britische Rüstungsproduktion spürbar geschädigt hatten. Der Schaden an
zerstörtem Gerät und der Ausfall der getroffenen Betriebe wurde dabei weit übertroffen durch den
Produktionsausfall, der dadurch verursacht wurde, dass Fabrikarbeiter aus Furcht vor weiteren Bombenangriffen
nicht am Arbeitsplatz erschienen. Diese Beobachtung machte in der Planung des Luftkrieges die Moral der
Bevölkerung zu einem wichtigen Faktor.
Die Entwicklung der Luftfahrttechnik führte außerdem dazu, dass in den 1920er und 1930er Jahren größere und
schnellere Bomber mit schwererer Bombenlast gebaut wurden, als sie im Ersten Weltkrieg existierten. Militärs und
Politiker erwarteten daher, dass die Wirkung zukünftiger Bombenangriffe die im Ersten Weltkrieg beobachteten
Effekte weit übertreffen würde.
Durch den geringen Leistungsvorsprung der in der Zwischenkriegszeit gebauten Jagdflugzeuge gegenüber den
Bombern und das Fehlen eines funktionsfähigen Luftraumüberwachungssystems ging man davon aus, dass es den
feindlichen Jagdflugzeugen selten gelingen würde, die Bomber überhaupt abzufangen. Sollten die Jagdflugzeuge
doch einmal in Schussposition gelangen, wurde erwartet, dass die Bomber aufgrund ihrer verbesserten
Abwehrbewaffnung bei gegenseitiger Feuerunterstützung im engen Formationsflug alle Angriffe von
Jagdflugzeugen abwehren könnten.
Der einflussreiche britische Politiker Stanley Baldwin äußerte 1932: „Der Bomber wird immer [zum Ziel]
durchkommen“ und drückte die damals verbreitete Ansicht aus, ein zukünftiger Krieg würde durch Luftangriffe auf
die Zivilbevölkerung entschieden werden. Gemäß der 1928 formulierten Trenchard-Doktrin ging man davon aus,
dass Bombenangriffe auf „alle Objekte, die wirksam zur Zerstörung der gegnerischen Mittel des Angriffs beitragen
und seine Entschlossenheit zum Kampf verringern“ strategisch günstiger seien, als gegen feindliche Streitkräfte in
direkter Feldschlacht vorzugehen, und begann bereits mit der Entwicklung der Stabbrandbombe, der Hauptwaffe des
späteren Bombenkrieges.
Als 1934 ein Krieg gegen Deutschland absehbar war, formulierte die britische Regierung einen auf fünf Jahre
angelegten Plan zur Erweiterung der britischen Luftstreitkräfte, der sowohl die Aufstellung einer starken Streitmacht
von Bombern zum Angriff auf Deutschland, als auch die Schaffung eines Luftverteidigungssystems zur Abwehr
deutscher Bombenangriffe vorsah. Dieser Plan wurde in wesentlichen Teilen entsprechend dem ursprünglichen
Entwurf umgesetzt. Der Aufbau eines Netzes von Fliegerhorsten in Südengland und die Ausbildung eines Kaders
von Piloten und Besatzungen hatten dabei Priorität. Die Ausrüstung der Royal Air Force mit modernen
Kampfflugzeugen konnte dagegen erst gegen Ende des Planungszeitraums stattfinden.
Das Fehlen einer einsatzbereiten Luftwaffe beeinflusste die britische Politik und wird häufig als einer der Gründe für
Chamberlains Appeasement-Politik angesehen. Umgekehrt war sich das Deutsche Reich der von seiner
neugeschaffenen Luftwaffe ausgehenden Drohwirkung voll bewusst und nutzte sie zur Unterstützung seiner
expansiven Politik.
68
Luftschlacht um England
Erst der Zweite Weltkrieg zeigte, dass die Erwartungen an die Kampfkraft von Bombern weit übertrieben gewesen
waren. Bereits 1939 wurde durch britische Angriffe auf deutsche Kriegsschiffe und Marinestützpunkte an der
Nordsee deutlich, dass durch Suchradar geführte Jagdflugzeuge die Bomber zum Kampf stellen und den
Bomberformationen trotz ihrer Abwehrbewaffnung vernichtende Verluste zufügen konnten. Diese Erfahrung ließ das
britische Luftverteidigungssystem als wesentlich wichtiger erscheinen, als man vor dem Krieg erwartet hatte.
Gleichzeitig hatten sich die Bomber als weniger wirkungsvoll erwiesen als gedacht.
Trotzdem hielten die Briten an der Erwartung fest, dass Bombenangriffe gegen die Zivilbevölkerung
kriegsentscheidend sein würden. Auch die deutschen Luftangriffe während der darauffolgenden Luftschlacht um
England richteten sich in der Endphase, von der die Entscheidung erwartet wurde, gegen den Großraum London und
damit gegen die Zivilbevölkerung Großbritanniens.
Siehe auch: Luftkrieg.
Ausgangssituation
Seitdem 1934 der Erweiterungsplan für die Royal Air
Force (RAF) unter dem Namen Plan A verabschiedet
worden war, arbeiteten die Briten systematisch am
Aufbau einer modernen Luftwaffe. Die wichtigsten
Schritte waren dabei der Ausbau eines Netzwerks von
Fliegerhorsten, der Aufbau einer Basis von geschultem
Bodenpersonal und eines Kaders von Piloten, und
später – etwa in den zwei Jahren zwischen dem
Münchner Abkommen und der Luftschlacht um
England – die Ausrüstung der RAF mit modernen
Bombern und Jagdflugzeugen.
Am 1. September 1939 hatte das Deutsche Reich Polen
angegriffen. Frankreich und Großbritannien erklärten
Deutschland daraufhin den Krieg, der Zweite Weltkrieg
in Europa hatte begonnen.
In mehreren Blitzkriegen konnte Deutschland 1940 den
Die Situation in Europa 1940
Alliierten massive Verluste zufügen und während des
Westfeldzugs die Beneluxländer und weite Teile Frankreichs besetzen. Die britischen Truppen auf dem Festland
wurden bei Dünkirchen in Frankreich eingekesselt und konnten in der Operation Dynamo gerade noch vor der
Vernichtung gerettet werden. Die Rettung der Expeditionsarmee (ca. 240.000 Soldaten) und von 100.000 weiteren
Soldaten verbündeter Staaten förderte sehr die britische Moral. Da die Soldaten bei der Evakuierung alle schweren
Waffen zurücklassen mussten, war die erfolgreiche Verteidigung der britischen Inseln gegen eine deutsche Invasion
noch nicht sicher. Der überragende Abwehrerfolg weniger Tage bildete aber die entscheidende Grundlage für
Churchills kategorisches Nein, mit dem Deutschen Reich Friedensverhandlungen aufzunehmen und war der
frühzeitige Anfang vom Ende von Hitlers globaler Kriegsstrategie. Hitler entschloss sich für den Angriff auf die
Sowjetunion, den ideologischen Hauptgegner, ohne vorher den Gegner im Westen besiegt zu haben oder mit ihm zu
einem modus vivendi gekommen zu sein.[2]
Am 22. Juni wurde zwischen der französischen Armee und der deutschen Wehrmacht ein Waffenstillstand
unterzeichnet, sehr zur Enttäuschung Großbritanniens und der USA.
Begründet durch den schnellen Sieg über alle Kriegsgegner außer Großbritannien wurden Signale erwartet, die den
Wunsch auf Beendigung der Kampfhandlungen seitens der Briten ausdrückten. Tatsächlich gab es politische und
populäre Strömungen, die dazu bereit waren.
69
Luftschlacht um England
Doch Arthur Neville Chamberlain, der bis dahin die Appeasement-Politik vertreten hatte, war am 10. Mai 1940 als
Premierminister zurückgetreten; und der energische Winston Churchill trat an seine Stelle. Er stellte am 13. Mai klar,
dass der „Krieg gegen eine monströse Tyrannei, wie sie nie übertroffen worden ist, im finsteren Katalog der
Verbrechen der Menschheit“ nur mit einem „Sieg um jeden Preis“ beendet werden dürfe. Die Angriffe der britischen
RAF auf deutsche Städte begannen mit dem Angriff auf Mönchengladbach am 11. Mai 1940 mit 35 Bombern.
Am 16. Juli 1940 gab Hitler den Befehl zur Vorbereitung der
Operation Seelöwe. Um diesen Plan durchführen zu können, war sich
der deutsche Generalstab sicher, müsse man erst die Luftherrschaft
über England gewinnen.
Hitlers Appell an die Vernunft Englands, es könne weiteres
Blutvergießen vermieden werden, ausgesprochen in einer Rede vor
dem Reichstag am 19. Juli, führte zu keiner Reaktion.
Bombe mit der Aufschrift „Extra-Havanna für
Aus heutiger Sicht wird der Plan zur Landung in Großbritannien als
Churchill“, August 1940
unrealistisch angesehen. Weder die Ausrüstung der Marine noch des
Heeres war für dieses Vorhaben geeignet. Es fehlten
Transportmöglichkeiten für eine Invasionsarmee. An einen Eroberungskrieg gegen Großbritannien hatte man in der
Aufrüstungsphase bis 1939 nicht gedacht.
Deutscher Operationsplan
Oberbefehlshaber der Luftwaffe war Generalfeldmarschall Hermann Göring. Er zeichnete sich stets durch seinen
vorauseilenden Gehorsam gegenüber Hitler aus, der ihm am 19. Juli den eigens für ihn geschaffenen Rang
Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches verlieh. Hitler sah sich nach dem siegreichen Krieg gegen Frankreich,
von dem ihm der Stab des Oberkommandos der Wehrmacht eindringlich abgeraten hatte, als hervorragenden
Feldherrn. Der einzig verbliebene Gegner im Westen war Großbritannien, und obwohl er noch Anfang 1939
versichert hatte, nie gegen England Krieg zu führen, schien ihm dies jetzt möglich.
Göring konnte bei der Schlacht um Dünkirchen seine Ankündigung, das britische Expeditionskorps zu vernichten,
nicht erfüllen. Dies ermöglichte den Alliierten in der Operation Dynamo die Verbände in großen Teilen zu retten.
Gleichwohl sah Göring die Möglichkeit, die Kampfkraft der Luftwaffe, insbesondere die Wirkung strategischer
Bombardements auf der britischen Insel, beweisen zu können.
Die Deutsche Wehrmacht teilte ihre Luftstreitkräfte in insgesamt fünf Luftflotten auf. Drei davon wurden für den
Angriff aufgeboten: Luftflotte 2 unter Generalfeldmarschall Albert Kesselring mit dem Ziel, den Südosten und
London anzugreifen; Luftflotte 3 unter Generalfeldmarschall Hugo Sperrle mit dem Ziel den Westen, die Midlands
und den Nordwesten anzugreifen; Luftflotte 5 unter Generaloberst Hans-Jürgen Stumpff war in Norwegen und
Dänemark stationiert und sollte den Norden Englands und Schottland angreifen. Gegen Ende der Luftschlacht griff
auch eine Einheit der italienischen Luftwaffe, das Corpo Aereo Italiano, unter dem Kommando von Rino Corso
Fougier in die Kämpfe ein.
Einem Befehl Görings zufolge sollte die britische Luftraumüberwachung und die küstennahen Stützpunkte der RAF
in vier Tagen ausgeschaltet werden. In einem weiteren Schritt sollten innerhalb von vier Wochen vor allem
Produktionsanlagen für Jäger und andere Flugzeuge angegriffen werden.
Doch die britische Verteidigung war stärker als erwartet, und die Befehlshaber der Luftflotten wollten die Strategie
unterschiedlich umsetzen, wurden aber auf ein einheitliches Vorgehen festgelegt. Während Kesselring vor allem
direkt London bombardieren lassen wollte, beabsichtigte Sperrle, zunächst die britischen Fliegerhorste angreifen zu
lassen. Sperrles Plan wurde umgesetzt.
Die Deutschen hatten kaum geheimdienstliche Informationen über die britische Luftverteidigung und schätzten die
Stärke der Royal Air Force konstant als zu gering ein.
70
Luftschlacht um England
71
Britischer Operationsplan
Bis Oktober 1940 war der verantwortliche Oberbefehlshaber des
Fighter Command Air Marshall Hugh Dowding. Auf ihn geht das
Dowding-System – also das britische Luftverteidigungskonzept –
zurück.
Räumlich wurde die Luftverteidigung des britischen Luftraumes vier
Gruppen zugeteilt:
• Südwestengland und Wales: 10 Fighter Group, unter dem
Kommando von Sir Christopher Quentin Brand;
• Südostengland mit dem Großraum London: 11 Fighter Group, unter
dem Kommando von Air Vice-Marshall Keith Park;
• Mittelengland: 12 Fighter Group, unter dem Kommando von Air
Vice-Marshall Trafford Leigh-Mallory;
• Norden: 13 Fighter Group unter dem Kommando von Air
Vice-Marshall Richard Saul.
Eine weitere Aufteilung erfolgte in Sektoren, die über jeweils zwei bis
vier Squadrons verfügten. Die Befehlszentralen wurden Sector Stations
genannt.
Britische Radarüberwachung; Großbritannien
gewann die Luftschlacht um England unter
anderem deshalb, weil es die gesamte Küste mit
Radar überwachen konnte.
Aufbauend auf dem im Ersten Weltkrieg zur Abwehr der strategischen deutschen Luftangriffe entwickelten
Luftverteidigungssystem, hatten die Briten ein modernes System zur Identifizierung und Abwehr von Luftangriffen
entwickelt, das auf einem von Radarbesatzungen und Luftraumbeobachtern mit Meldungen über eigene und
feindliche Flugbewegungen versorgten Informations- und Befehlsnetz beruhte.
An der britischen Küste befanden sich zahlreiche Radarstationen (Chain Home), deren Reichweite sich von der
britischen Küste bis zu den Luftwaffenstützpunkten in Frankreich erstreckte. Über dem Binnenland wurden
Flugzeuge vom sogenannten Beobachter-Korps optisch verfolgt und telefonisch gemeldet.
Die so gewonnenen Informationen wurden zunächst im Hauptquartier des Fighter Command der RAF, dem Bentley
Priory, einem Herrschaftshaus nahe Stanmore, gesammelt und beurteilt. Die Feindbewegungen wurden auf großen
Kartentischen dargestellt und die Informationen wurden an die Operation Rooms der Sector Stations weitergeleitet.
Von dort aus erfolgte die Alarmierung und Leitung der Abfangjäger.
Diese wurden dann mittels Sprechfunk-Anweisungen an den Feind herangeführt. Limitierend dabei war die
Hochfrequenz-Technologie, welche die Kommunikation nur über eine geringe Reichweite ermöglichte und deshalb
ab September 1940 durch Kurzwellen ersetzt wurde.
Obwohl Deutschland bei der Erforschung und Entwicklung des Radars (unter dem Namen Funkmessung) einen
technologischen Vorsprung hatte, war die einsatznahe Anwendung der vorhandenen Ausrüstung von der Ortung der
feindlichen Flugzeuge bis hin zur Leitung der Abfangjäger höchst effektiv.
Die Entzifferung des deutschen Enigma-Codes in Bletchley Park, als Unternehmen bekannt unter dem Kodenamen
Ultra, lieferte auch wichtige Informationen über die Angriffe der Deutschen.
Um dem Pilotenmangel zu begegnen, wurden Piloten aus dem Commonwealth, Frankreich, den USA, Polen und der
Tschechoslowakei unter dem Befehl der Royal Air Force eingesetzt.
Luftschlacht um England
72
Kräfteverhältnis zu Beginn der Luftschlacht
Bei einer als Abnutzungsschlacht geführten Auseinandersetzung kommt dem Zahlenverhältnis eine gewisse
Bedeutung zu, wenn auch nicht die alleinige. Die Anzahl der für die Schlacht zur Verfügung stehenden Flugzeuge
(wie in der Tabelle unten dargestellt) unterscheidet sich von den tatsächlich einsatzbereiten Maschinen um ungefähr
10 bis 25 %. Der Bestand an einsatzklar gemeldeten Maschinen variierte täglich.
Die Produktion an einsitzigen Jagdflugzeugen betrug dank Lord Beaverbrook (Minister für Flugzeugproduktion) in
den Monaten Juli bis September bei der RAF durchschnittlich 440 Stück. Beaverbrook hatte die Produktion von
Jagdflugzeugen auf Kosten jeder anderen Flugzeugart gesteigert und wurde von der Führung der RAF teils heftig
dafür kritisiert, unter anderem weil die Herstellung von Schulflugzeugen für die Pilotenausbildung, die für die RAF
von kritischer Bedeutung war, durch Beaverbrooks Maßnahmen beeinträchtigt wurde.
Bei der Luftwaffe war der monatliche Ausstoß mit näherungsweise 230 Jagdflugzeugen durchschnittlich nur halb so
groß,[3] verantwortlich dafür war Generalluftzeugmeister Ernst Udet. Während in Deutschland monatlich etwa 800
ausgebildete Piloten die Fliegerschulen verließen, kam die RAF nur auf knapp über 200.
Die Tabelle spart die 84 Messerschmitt Bf 109 E der Luftflotte V
(Norwegen) aus, da sie aufgrund ihrer Reichweite keine Möglichkeit
hatten, die britische Küste zu erreichen.
Es standen außerdem eine beträchtliche Anzahl von Aufklärern und
Verbindungsflugzeugen auf beiden Seiten zur Verfügung. Die
Luftwaffe verfügte darüber hinaus über eine nennenswerte Zahl von
Seenotrettungsflugzeugen, die in der Luftschlacht um England später
eine wichtige Rolle spielten. Insgesamt nannte die RAF um diese Zeit
in etwa 3000 Flugzeuge ihr eigen, die Luftwaffe dagegen um 4500, auf
fünf Luftflotten verteilt.
Britischer Luftraumbeobachter auf einem
Hausdach in London
Luftwaffe: Luftflotten II, III und V (20. Juli 1940) Royal Air Force (Juni 1940)
Bomber
1576, davon 316 einmotorige Ju 87
ca. 500
einmotorige Jäger
809 Bf 109 E
ca. 700, davon ca. 250 Spitfires
zweimotorige Jäger 300 Bf 110
ca. 96 Bristol Blenheim IF
Verlauf der Luftschlacht
Kanalkampf: 10. Juli–11. August 1940
Obwohl bereits auch bei Tage Ziele an der englischen Küste angegriffen wurden, konzentrierten sich in dieser Phase
die Angriffe der Luftwaffe auf Konvois im Ärmelkanal, in der Themsemündung sowie auf Marineeinrichtungen
entlang der Küste. Bei Nacht wurden Ziele im Landesinneren bombardiert. Sowohl die Luftwaffe als auch die RAF
nahmen diese Gelegenheit wahr, ihre Taktik und Kampfkraft zu vergleichen.
Die Verluste bei den Konvois waren so hoch, dass Konvois im Ärmelkanal strengstens untersagt wurden.
Luftschlacht um England
Angriffe auf küstennahe Ziele: 12. August–23. August 1940
Am 12. August kam es schließlich zu einem Großangriff durch die Erprobungsgruppe 210 auf vier Radarstationen
bei Portland und Dover, bei dem über 200 Bomber beteiligt waren. Auch einige küstennahe Stützpunkte der
britischen Abfangjäger wurden von Bombern und Jagdflugzeugen angegriffen. Die Radarstationen waren jedoch
sechs Stunden nach dem Angriff wieder einsatzbereit.
Mit dem 13. August, dem „Adlertag“, begann eine Serie von
Großangriffen auf die Einrichtungen der RAF, im Speziellen die
Stützpunkte der 11 Fighter Group unter der Führung von
Luftmarschall Keith Park. Auch küstennahe Radarstationen und
Einrichtungen der Marine waren immer wieder das Ziel der
Angriffe.
Am 15. August griff die Luftflotte 5 im Norden Englands an, da
man vermutete, dass die Luftverteidigung auf den Süden
konzentriert sei. Dies erwies sich jedoch als ein fataler Fehler, und
Formation He 111 über dem Ärmelkanal, 1940
zahlreiche Bomber wurden abgeschossen. Daher wird der Tag auf
britischer Seite auch als The Greatest Day (deutsch: Der
großartigste Tag) bezeichnet. Ein Grund für die hohen Verluste war auch der Mangel an Begleitjägern mit hoher
Reichweite. Die zweimotorige Messerschmitt Bf 110 (Me 110) besaß zwar die entsprechende Reichweite, war
jedoch den einmotorigen Jägern unterlegen und hatte selbst hohe Verluste zu verzeichnen. Die Luftflotte 5 konnte
sich während der gesamten Luftschlacht nicht mehr von den hohen Verlusten erholen.
Der 18. August wird als The Hardest Day (deutsch: Der härteste Tag) bezeichnet, da beide Seiten die höchsten
Verluste der gesamten Schlacht hatten. Am Vortag stellte Oberst Schmidt, der für Geheimdienstaufgaben
zuständiger Offizier des Luftwaffenoberkommandos, folgende Einsatzstärke der britischen Luftverteidigung fest:
430 Hurricanes, Spitfires und Defiants. Davon seien 70 % einsatzbereit, also etwa 300. Tatsächlich verteilten sich
die Kräfte am 18. August wie folgt:
Bordkamera einer Spitfire zeigt
Leuchtspurmunition, die eine He 111 trifft, über
England am 25. Sep. 1940
73
Luftschlacht um England
74
Einsatzbereite Kräfte am Morgen des 18. August:
Luftwaffe, Luftflotten I, II u. V.
RAF (Fighter Command)
Bomber
1134, davon 276 einmotorige Ju 87
einmotorige Jäger
780 Bf 109 E
826, davon 262 Spitfires
zweimotorige Jäger
214 Bf 110
51 Bristol Blenheim IF
Flugzeuge zerstört oder schwer beschädigt
100
136, davon 60 am Boden zerstört
Piloten gefallen oder in Gefangenschaft
62, davon 17 in Gefangenschaft
30
Verluste bis Abend des 18. August:
Unter den 60 am Boden zerstörten Maschinen der RAF befanden sich Schulungs- und Verbindungsflugzeuge,
Aufklärer und Seerettungsflugzeuge, aber keine einzige Hurricane oder Spitfire. Diese wurden alle rechtzeitig zum
Kampf in die Luft gebracht. Die Verteilung der Verluste dieses einzigen Tages ist symptomatisch für die gesamte
Schlacht: Der Schwund unter den Piloten der Luftwaffe durch Verwundung, Gefangenschaft und Tod war stets
deutlich höher als bei der RAF. Die britischen Piloten kämpften in der Regel über dem Heimatland und waren so
nach einer Notlandung wieder einsatzbereit, während deutsche Piloten unter ähnlichen Umständen in Gefangenschaft
gingen.
Nach diesem Tag zog Göring das Sturzkampfflugzeug Ju 87 Stuka weitestgehend von der Luftschlacht ab. Dieses
Flugzeug stand als Symbol für den Blitzkrieg, erwies sich jedoch in der Luftschlacht um England als zu stark
gefährdet und die Verluste waren extrem hoch. Dadurch verlor die Luftwaffe aber ihr Potenzial an
Präzisionsangriffen. Göring veranlasste ebenfalls, dass die Bf 110 nur dann eingesetzt werden sollte, wenn es absolut
notwendig sei.
Göring stoppte auch die Angriffe auf Radarstationen, da er die Angriffe als wirkungslos ansah. Dies erwies sich als
strategischer Fehler, da in der Folge die britischen Verteidiger immer wussten, wann und wo sie auf die Deutschen
treffen würden, eine Erleichterung für die Struktur der britischen Luftverteidigung.
Angriffe auf Flugplätze und Flugzeugwerke in Südengland: 24. August–6. September 1940
Je mehr die Ziele ins Landesinnere rückten, desto schwieriger wurde die Situation für die Angreifer. Ein großes
Handicap der deutschen Messerschmitt Bf 109 war ihre für den Einsatz als Begleitschutzjäger unzureichende
Eindringtiefe. Ab Erreichen der englischen Küste hatten die Piloten der Bf 109 noch einen Treibstoffvorrat für etwa
30 Minuten Kampfzeit. Mussten sie Bomber 15 Minuten (etwa 100 Kilometer) weit ins Landesinnere begleiten,
blieb praktisch kein Treibstoff für einen Kampf gegen die britischen Jagdflugzeuge.
Die eigentlich als Langstrecken-Begleitschutz vorgesehene
zweimotorige Messerschmitt Bf 110 verfügte zwar über die nötige
Eindringtiefe, erwies sich aber für diese Aufgabe als völlig ungeeignet
und erlitt schwere Verluste. Dennoch kamen die Stützpunkte der 11
Fighter Group, zuständig für die Verteidigung Südenglands und
London, in schwere Bedrängnis.
Jedoch waren die von der Luftwaffe angenommenen Verluste auf
britischer Seite fehlerhaft und von der Propaganda verändert. Viele der
Do 17 und Spitfire im Luftkampf über England,
als Totalverlust gezählten Flugzeuge der RAF waren tatsächlich nur
1940
beschädigt und die wichtigen Piloten konnten, sofern diese unverletzt
blieben, noch am selben Tag mit neuen Flugzeugen wieder eingesetzt werden. Die deutsche Aufklärung versagte und
die Auffassung seitens der deutschen Führung entstand, dass die RAF de facto nicht mehr einsatzfähig sei. Göring
ließ verlauten, dass die RAF höchstens noch über 50 Spitfires verfügt, tatsächlich war der Bestand an täglich
einsatzbereiten Jagdmaschinen zu keiner Zeit geringer als 650, Hurricanes und Spitfires zusammengenommen.
Luftschlacht um England
75
Tagangriffe auf London: ab 7. September 1940
Als Reaktion auf einen Nachtangriff der RAF am 25. August auf Berlin befahl Hitler am 4. September, von nun an
London anzugreifen. Als die Bombardierung der südenglischen Jägerstützpunkte eingestellt wurde, konnte sich die
britische Luftverteidigung erholen und in weiterer Folge voll gegen die unzureichend ausgerüsteten Verbände
deutscher Bomber und Jagdbomber entfalten.
Zur Verteidigung Londons wurde außerdem nun auch die 12 Fighter Group unter Führung von Air Vice Marshall
Leigh-Mallory hinzugezogen. Damit wurden erstmals zahlenmäßig starke Verbände britischer Jäger zum Einsatz
gebracht.
Während der Angriffe diente die Londoner U-Bahn als Luftschutzbunker. In einem Stollen wurde eine
Munitionsfabrik betrieben und eine Bahnstation wurde zum Teil für Kabinettssitzungen benutzt.
Am Morgen des 17. Septembers verschob Hitler die Operation Seelöwe auf „unbestimmte Zeit“, am 12. Oktober
verlautbarte Generalfeldmarschall Keitel:
„Der Führer hat beschlossen, daß ab heute bis zum Frühjahr die Vorbereitungen für Seelöwe (Landung in
England) lediglich zu dem Zweck fortgeführt werden sollen, um Großbritannien politisch und militärisch
weiterhin unter Druck zu setzen. Sollte die Landeoperation im Frühjahr oder im Frühsommer 1941 wieder in
Erwägung gezogen werden, ergehen weitere Befehle […][4] “
Ab dem 29. Oktober 1940 wurden die Großangriffe auf London bei Tage eingestellt. Vereinzelte Angriffe mit
Bombern und Jagdbombern wurden jedoch weiterhin geflogen. Die Nachtangriffe wurden bis Mai 1941
weitergeführt.
Um auch effektive Nachtangriffe fliegen zu können, wurde das Knickebein-Funknavigationssystem entwickelt, bei
dem einmal aus Norddeutschland und einmal aus Nordfrankreich Radiostrahlen gesendet wurden, die sich über dem
Abwurfgebiet kreuzten. Die Briten nahmen die Geheimdienstberichte über dieses System zunächst nicht ernst. Als
MI6-Agent Reginald Victor Jones die Existenz der Strahlen nachweisen konnte, wurden jedoch erfolgreiche
Gegenmaßnahmen eingeleitet. Dazu wurden Störsignale und Strahlen gesendet, die das System unbrauchbar
machten.
Die Angriffe auf die Stadt Coventry am 14. November 1940 und am 8.
April 1941 waren die schwersten Bombenangriffe des Krieges bis
dahin. Diese Angriffe prägte in der deutschen Propaganda den Begriff
Coventrieren, der das Vernichten einer Stadt bedeutet, um die Moral
des Feindes zu brechen. Diese Formulierung war indes eine
propagandistische Übertreibung, da sich die Angriffe in erster Linie
gegen militärische Produktionsstätten richteten. Die Opfer unter der
Zivilbevölkerung betrugen 1236 Tote. Außerdem wurden viele tausend
Wohnungen und zirka 75 % der Fabriken zerstört, was jedoch nicht zu
nennenswerten
Produktionsrückgängen
führte.
Die
Flächenbombardements der Royal Air Force ab 1942, etwa gegen das
Altstadtzentrum von Lübeck, galten anfangs als Rache für Coventry.
Notgelandete Bf 109 am Ärmelkanal in
Frankreich, 1940
Ausländische Unterstützung
Großbritannien
In der Royal Air Force flogen auch freiwillige Piloten fremder Nationen. Neben den freiwilligen Piloten stellten auch
die Regierungen, die vor den deutschen Truppen nach Großbritannien geflohen waren, eigene Flugeinheiten auf, die
unter dem Kommando der RAF an den Kämpfen teilnahmen. Besonders die tschechoslowakischen und polnischen
Piloten erwiesen sich als effektiv. So hatten die polnischen Piloten (5 %) etwa 12 % der Abschüsse zu verzeichnen.
Luftschlacht um England
Polnischen Angaben zufolge soll der Anteil der Polen in der RAF ein Fünftel, der auf sie zurückgehenden Abschüsse
sogar ein Drittel betragen haben.
Deutsches Reich
Die deutsche Luftwaffe wurde gegen Ende der Luftschlacht von einem italienischen Geschwader, dem Corpo Aereo
Italiano, unterstützt. Angeblich einer Bitte Benito Mussolinis folgend, wurden 80 Fiat BR.20 Bomber, unterstützt
durch eine unbestimmte Zahl von Fiat G.50 und Fiat CR.42 Jagdflugzeugen, in Belgien stationiert.
Bei geringem eigenen Erfolg wurden dem Verband am 11. November durch Hurricanes der RAF schwere Verluste
zugefügt.
Ergebnis
Opfer unter der englischen Zivilbevölkerung bis April 1941: 27.450 Tote, 32.138 Verletzte.
Verluste der RAF zwischen 10. Juli und 31. Oktober 1940: 544 Piloten gefallen, 1547 Flugzeuge zerstört, davon 915
im Luftkampf abgeschossen.[5]
Verluste der deutschen Luftwaffe im Luftkrieg gegen Großbritannien bis Mai 1941: 2000 Luftwaffenangehörige
gefallen, 2600 Luftwaffenangehörige vermisst oder in Gefangenschaft, 2200 Flugzeuge zerstört, davon 1733 im
Zeitraum vom 10. Juli bis 31. Oktober im Luftkampf abgeschossen.[6]
Die Luftschlacht um England führte zu einer deutlichen Niederlage der deutschen Luftwaffe. Die Ursachen lagen
unter anderem in verfehlten deutschen Vorstellungen über die Möglichkeiten eines strategischen Luftkrieges,
schlechter Einsatztaktik des deutschen Oberkommandos, Fehlen strategischer Bomber und Langstreckenbegleitjäger,
mangelhafter Geheimdienstarbeit sowie im leistungsfähigen, radargestützten britischen Jägerleitsystem.
Außerdem erlitt die deutsche Luftwaffe in der als Abnutzungskrieg geführten Luftschlacht größere Verluste,
während die Briten ihre Verluste durch eine gesteigerte Produktion von Jagdflugzeugen, eine beschleunigte
Pilotenausbildung und das Anwerben von Piloten aus fremden Nationen wettmachen konnten.
Winston Churchill bemerkte über die Bedeutung der Schlacht: „Nie zuvor in der Geschichte des kriegerischen
Konflikts verdankten so viele so wenigen so viel“. Damit war der legendäre Ausdruck The Few (Deutsch: die
Wenigen) als Synonym für die Piloten der Royal Air Force geprägt. Er spielte damit auch auf die zu Beginn der
Operation wahrgenommene Unterlegenheit in Hinsicht auf die Anzahl der einsatzbereiten Kampfflugzeuge an.
Die britische Öffentlichkeit hatte über den Zeitraum von Herbst 1940 bis Frühjahr 1941 keine klare Wahrnehmung
über das Ende der Schlacht und über ihren eigenen Sieg. Die Bedrohung aus der Luft war aufrechterhalten durch die
Nachtangriffe, und die Bedrohung durch deutsche U-Boote, die verstärkt gegen Versorgungskonvois vorgingen, war
alarmierend. Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Sieg in der (Luft)Schlacht um England bei einer
großen Zeremonie in London gefeiert. Im Herbst 1940 kam es als Folge der Big-Wing-Kontroverse zur Ablösung
Dowdings durch Charles Portal. Auch Keith Park wurde durch Trafford Leigh-Mallory abgelöst, der dann während
der Invasion 1944 die gesamten alliierten Luftstreitkräfte leiten sollte.
Hitler versuchte noch im Oktober 1940, mit Franco (Spanien) und Pétain (Vichy-Frankreich) neue Verbündete im
Kampf gegen Großbritannien zu gewinnen, scheiterte aber auch in diesem Ansinnen. Sogar mit der Sowjetunion
wurden Verhandlungen über eine Anti-England-Koalition begonnen, die aber ebenfalls scheiterten.
Die deutschen Jägerpiloten wurden in der Folge von ihrem Oberkommandeur Hermann Göring der Feigheit
bezichtigt. Göring erneuerte diesen Vorwurf im weiteren Verlauf des Krieges verschiedene Male, um Niederlagen
der Luftwaffe zu erklären und von seinem eigenen Versagen als Befehlshaber abzulenken.
76
Luftschlacht um England
Propaganda
Die Zensur der privaten Post im Juni 1940 führte zu der Erkenntnis, dass unter der britischen Bevölkerung der Krieg
nicht sehr „populär“ sei. Sozial schwächere Schichten hielten den Krieg für eine Unterstützung der Interessen der
Privilegierten. Die plötzliche Erkenntnis, dass Großbritannien ab dem Waffenstillstand Frankreichs alleine gegen
Hitler (dieser war ein weit stärkeres Feindbild als das deutsche Volk an sich, sogar „die Franzosen“ waren wegen
ihrer vermeintlichen Feigheit verhasster als „die Deutschen“) kämpfte, und die energischen Reden Churchills vor
dem britischen Unterhaus („[…] verspreche ich euch Blut, Schweiß und Tränen […]“) änderten die Stimmung.
Als die Bomben massive Opfer der Zivilbevölkerung forderten, erübrigte sich jede Propaganda zur Erzeugung eines
Feindbildes. Nun war Durchhalten gefragt, weswegen die Abschusszahlen deutscher Flugzeuge bewusst überhöht
angegeben wurden, und zwar bis zu einem Vierfachen der tatsächlichen deutschen Verluste. Filmmaterial wurde
ganz im Gegensatz zu Deutschland nicht in großem Maßstab verbreitet. Plakate warnten vor gefährlicher
Geschwätzigkeit und ermutigten zur Mitwirkung an Kriegsaktivitäten.
Zum Schutz gegen die verheerenden nächtlichen Bombenangriffe wurde die baldige Einsatzreife von Geheimwaffen
verkündet. Damit waren Luftminenfelder, mit Präzisionsradar ausgerüstete Nachtjäger und zielsuchende
Boden-Luft-Raketen gemeint. Keines dieser Projekte erreichte während des Krieges Einsatzreife.
Auf deutscher Seite konzentrierte man sich darauf, die Bevölkerung weiter auf die Person Adolf Hitlers
einzuschwören. Die schnellen militärischen Erfolge im Westen, in Bild und Ton verbreitet durch „Die Deutsche
Wochenschau“, dienten dazu hervorragend. Die regelmäßige und spektakuläre Darbietung von Filmmaterial von der
Front zeigte Wirkung bei allen Altersgruppen. Der deutschen Bevölkerung war das Kriegsgeschehen am Ärmelkanal
jedoch zu weit entfernt, um dafür eine besondere Leidenschaft zu entwickeln. Die zunehmenden Nachtangriffe durch
britische Bomber wurden allerdings verwertet, um die Briten und vor allem Winston Churchill als Feindbild
aufzubauen. Die Luftwaffe halbierte ihrerseits ihre Verluste gegenüber der Kriegsberichterstattung. Bis zum Angriff
auf die Sowjetunion 1941 wurde die Invasiondrohung gegenüber Großbritannien aufrechterhalten, um von den
Vorbereitungen bezüglich Unternehmen Barbarossa abzulenken.
Flugzeugtypen
Die wichtigsten eingesetzten Flugzeugtypen werden im Folgenden aufgelistet.
Luftwaffe
• Bomber: Junkers Ju 87, Dornier Do 17, Heinkel He 111, Junkers Ju 88
• Jäger: Messerschmitt Bf 109, Messerschmitt Bf 110
Royal Air Force
• Jäger: Hawker Hurricane, Supermarine Spitfire, Boulton-Paul Defiant, Bristol Blenheim, Bristol Beaufighter
Literatur
• Stephen Bungay: The Most Dangerous Enemy: a History of the Battle of Britain. Aurum Press, London 2001.
ISBN 1-85410-801-8.
• John Colville: Downing Street Tagebücher 1939–1945. Goldmann, München 1991. ISBN 3-442-12811-0.
• Len Deighton: Luftschlacht über England. 2. Aufl. Heyne, München 1985. ISBN 3-453-01447-2.
• Alfred Price: The Hardest Day, The Battle of Britain, 18 August 1940. Cassell, London 1998. ISBN
0-304-35081-8.
• Percy E. Schramm (Herausgeber): Kriegstagebuch des OKW (Oberkommando der Wehrmacht). Eine
Dokumentation. Weltbild, Augsburg 2005. ISBN 3-8289-0525-0.
77
Luftschlacht um England
• Edward H. Sims: Jagdflieger – Die Großen Gegner von Einst. 11. Aufl., Motorbuch, Stuttgart 1985. ISBN
3-87943-115-9.
• Theo Weber: Die Luftschlacht um England. Flugwelt-Verlag, Wiesbaden 1956.
• Richard Collier: Adlertag – Die Luftschlacht um England. Heyne, München 1978. ISBN 3-453-00189-3.
Filme
• Luftschlacht um England, Großbritannien 1969
• Dark Blue World, Film [7] von Jan Sverak, Tschechien 2001
Weblinks
•
•
•
•
•
ZDF-Zeitgeschichte zum Thema [8]
Die Schlacht um England [9] (englisch) bei Battle of Britain Historical Society
Tagesberichte (1940) [10] (englisch) der Royal Air Force (RAF)
Battle of Britain-Denkmal Eröffnung vom 18. September 2005 [11] (englisch) bei BBC
Recollections of WWII [12] (englisch), a directory of oral history collections in the UK
Referenzen
[1] Walter Anger: Das Dritte Reich in Dokumenten. Sammlung Res publica. Band 7. Europ. Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1957. S. 135.
[2] Vgl. Ian Kershaw: Wendepunkte. Schlüsselentscheidungen im Zweiten Weltkrieg 1940/41. DVA, München 2. Aufl. 2008, ISBN
978-3-421-05806-5, S. 25 - 76: London, Frühjahr 1940. Großbritannien beschließt, weiterzukämpfen.
[3] Rolf-Dieter Müller: Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte. 10. Auflage, Band 21: Der Zweite Weltkrieg, 1939–1945.
Herausgegeben von Wolfgang Benz, Klett-Cotta, Stuttgart 2004. ISBN 3-608-60021-3. S. 88. (Müller schreibt genau genommen von einer
doppelt so großen britischen Produktionsfähigkeit mit 470 Jägern pro Monat.)
[4] Walter Anger: Das Dritte Reich in Dokumenten. Sammlung Res publica. Band 7. Europ. Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1957. S. 138.
[5] Battle of Britain Historical Society: Battle of Britain.
[6] ZDF: Battle of Britain Historical Society.
[7] http:/ / www. darkblueworld. com
[8] http:/ / www. zdf. de/ ZDFde/ inhalt/ 25/ 0,1872,1017529,00. html
[9] http:/ / www. battleofbritain1940. net
[10] http:/ / www. raf. mod. uk/ bob1940/ bobhome. html
[11] http:/ / news. bbc. co. uk/ 1/ hi/ uk/ 4257084. stm
[12] http:/ / www. recollectionsofwwii. co. uk
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Operation Jubilee
79
Operation Jubilee
Operation Jubilee
Teil von: Zweiter Weltkrieg, Westfront
Zerstörte Landungsboote, Churchill-Panzer und tote kanadische Soldaten am Strand von Dieppe
Datum
19. August 1942
Ort
Dieppe (Frankreich)
Ausgang Sieg der Wehrmacht
Konfliktparteien
Deutsches Reich
Alliierte
Befehlshaber
Louis Mountbatten (Oberbefehlshaber)
Gerd von Rundstedt (Oberbefehlshaber West)
Truppenstärke
etwa 6100 Soldaten
etwa 1500 Soldaten
Verluste
(schätzungsweise) 1179 Tote, 2190 Kriegsgefangene
(schätzungsweise) 310 Tote, 280 Verwundete
Operation Jubilee war eine am 19. August 1942 durchgeführte Landungsoperation der Westalliierten hauptsächlich kanadische Truppen - gegen den Hafen von Dieppe im deutsch besetzten Nordfrankreich. Beteiligt
waren 237 Schiffe und 7500 amerikanische, britische, kanadische, polnische und französische Soldaten. Ziel des
Angriffs war die kurzzeitige Inbesitznahme der Stadt Dieppe, die nach wenigen Stunden wieder geräumt werden
sollte. Die Operation scheiterte jedoch unter hohen alliierten Verlusten von bis zu 70 % der eingesetzten Streitkräfte.
Im englischen Sprachraum ist der Angriff auch als Dieppe Raid bekannt.
Operation Jubilee
80
Angriffsvorbereitung
Deutsche Soldaten bei Dieppe
Der Vorstoß gegen Dieppe ging maßgeblich von Admiral Lord Louis
Mountbatten, Chef der Combined Operations, aus. Der Angriff sollte
ursprünglich im Juli 1942 stattfinden und erhielt den Codenamen
Operation Rutter. Das Ziel lag hauptsächlich in der Erprobung der
Möglichkeit, einen Hafen auf dem besetzten Festland über einen
kurzen
Zeitraum
zu
halten.
Des
Weiteren
sollten
nachrichtendienstliche Informationen gesammelt und das Verhalten der
deutschen Besatzer analysiert werden. Für den Angriff wurden
überwiegend kanadische Soldaten ausgewählt, die nach längerer Zeit
wieder einen Kampfeinsatz bestreiten sollten.
Operation Rutter wurde im Mai 1942 genehmigt. Der Hauptangriff
sollte auf den Strand von Dieppe durchgeführt werden. Mit
Unterstützung der RAF und der britischen Marine sollten in erster
Linie Fallschirmspringer der 2. kanadischen Division das Gebiet
besetzen. Allerdings verhinderte schlechtes Wetter das Unternehmen,
so dass Rutter am 7. Juli abgebrochen wurde.
Brennendes britisches Landungsboot am Strand
von Dieppe
Verwundete kanadische Soldaten vor zerstörtem
Churchill-Kampfpanzer
Nachdem der Angriff auf Dieppe zu dieser Zeit nicht ausgeführt
werden konnte, und sogar General Montgomery ein solches
Unternehmen auf unbestimmte Zeit verschieben wollte, arbeitete
Mountbatten Pläne für einen erneuten Vorstoß aus. Der Angriff erhielt
nun die Bezeichnung Operation Jubilee. Obwohl er nicht die nötige
Unterstützung übergeordneter Stellen erhielt, ließ Mountbatten nicht
von seinem Vorhaben ab und begann mit entsprechenden
Angriffsvorbereitungen Mitte Juli des Jahres 1942. Es wurde später
von alliierter Seite vermutet, dass der deutsche Geheimdienst zu jener
Zeit detaillierte Informationen über den Angriff besaß, die in
Großbritannien operierende Agenten geliefert hatten. Angeblich soll
Hitler auf Grund dieser Berichte kampferprobte Einheiten der
Wehrmacht nach Nordfrankreich verlegt haben. Weitere Indizien
stützten den Verdacht einer baldigen Landung, wie beispielsweise
auffälliger britischer Schiffsverkehr entlang des Kanals. Ebenfalls
hielten die Deutschen am 17. August in Angers Planspiele bezüglich
eines alliierten Angriffs auf Dieppe ab. Diese Vermutungen konnten
allerdings nicht bestätigt werden.
Für Jubilee wurde erneut die 2. kanadische Division unter Leitung von
Major General J. H. Roberts ausgewählt. Nach ihrer Landung bei
Pourville und Puys sollten sie einen Frontalangriff auf Dieppe
durchführen.
Verteidigungsstellungen
im
Westen
bei
Gefallene alliierte Soldaten
Varengeville-sur-Mer und Quiberville sowie im Osten bei Berneval
sollten zuvor durch Kommandoeinheiten ausgeschaltet werden.
Bodenunterstützung wurde durch 30 Kampfpanzer des Typs Churchill gewährleistet. Von Seeseite her gaben 252
britische
Schiffe
Operation Jubilee
81
Feuerschutz, und das Bomber Command sowie die 8. amerikanische
Luftflotte boten 74 Flugzeugstaffeln auf. Zusammen mit der RAF war
auch das polnische Exil-Jagdgeschwader im Einsatz. Insgesamt sollten
6100 alliierte Soldaten – darunter 5000 Kanadier – an der Küste
abgesetzt werden.
Erbeuteter Pz-Spähwagen Daimler Dingo
Auf deutscher Seite stand die 302. Infanteriedivision, insbesondere das
Infanterieregiment 571 mit etwa 1500 Soldaten, zur Verteidigung des
Abschnitts bereit.
Verlauf
Am Abend des 18. August 1942 verließen etwa 240 Schiffe mehrere
englische Kanalhäfen. Den ersten Zwischenfall gab es, als ein
Schiffsverband, der den 3. Kommandotrupp transportierte, am frühen
Morgen des 19. August auf einen deutschen Konvoi stieß. Dieser
konnte zwar schnell aufgerieben werden, er alarmierte zuvor jedoch
noch die Küstenverteidigung. Nach dem Zwischenfall waren die
Einheiten zerstreut, weswegen nur 18 Kommandosoldaten die Küste
Deutsche MG-Stellung
bei Berneval erreichten, wo sie die Mannschaften einiger
Verteidigungsstellungen überwältigen konnten. Obwohl es ihnen nicht möglich war, die Anlagen zu sprengen,
hielten sie die Stellungen anderthalb Stunden. Die Soldaten des 4. Kommandotrupps landeten vollzählig bei
Varengeville, wo sie die Küstenbatterie zerstörten und sich wieder einschifften.
Die alarmierten deutschen Einheiten des IR 571 unter Oberstleutnant Hermann Bartelt hatten sich inzwischen bei
den gefährdeten Küstenabschnitten positioniert. Ein kanadisches Regiment landete nach 5:00 Uhr – später als
erwartet und damit nicht mehr im Schutze der Dunkelheit – bei Puys, wo es sofort unter Beschuss genommen wurde.
Innerhalb einer Stunde fielen 225 von 600 kanadischen Soldaten; 264 gaben auf und nur 33 konnten nach England
zurückkehren. Um 4:50 Uhr waren die South Saskatchewan und die Cameron Highlanders bei Pourville gelandet.
Auch sie konnten ihre Ziele auf Grund starken deutschen Widerstands nicht erreichen und mussten sich
zurückziehen.
Um 5:20 Uhr landeten Soldaten der Royal Hamilton und Essex Scottish am Strand von Dieppe, wo sie sofort starkem
Maschinengewehrfeuer ausgesetzt waren. Die zur Unterstützung bereitgestellten Churchill-Panzer wurden zu spät
abgesetzt und blieben in Sperren stecken; sie wurden größtenteils zerstört. Wegen gestörter Nachrichtenübermittlung
war die alliierte Führung nicht über die Vorgänge an den Landungszonen informiert und entschied, weitere Einheiten
abzusetzen. Die bereits hoffnungslose Lage am Strand vermochten auch die Verstärkungstrupps nicht zu ändern.
Um 10:50 Uhr gab die alliierte Führung den Rückzugsbefehl. Bis dahin hatten sie 4359 Mann an Verlusten zu
beklagen, darunter 1179 Gefallene und 2190 Gefangene. Die britische RAF und die kanadische RCAF verloren 119
Flugzeuge, vor allem Spitfires; die deutsche Luftflotte 3 verlor am 19. August 1942 74 Flugzeuge (davon 50
Totalschäden): 5 Aufklärer, 29 Jagdflugzeuge und 40 Bomber. 109 Mann betrugen die Personalverluste der
Luftwaffe, davon 25 Verwundete und 37 Vermisste.[1] . Die Wehrmacht hatte insgesamt mindestens 311 Gefallene
und 280 Verwundete zu beklagen.
Operation Jubilee
Folgen
In Großbritannien verfestigte sich die Erkenntnis, dass die von Stalin geforderte zweite Front in Westeuropa 1942
noch nicht aufgebaut werden konnte. Des Weiteren lieferte der Dieppe-Angriff wichtige Erkenntnisse für die spätere
Operation Overlord.
Insgesamt zeigte sich, dass die deutschen Truppen sehr schnell reagierten und eine starke und konsequente
Gegenwehr organisieren konnten, der die alliierten Angreifer nicht gewachsen waren. Die deutsche Propaganda
bezeichnete den alliierten Vorstoß als lange geplanten Invasionsversuch, der gegen jegliche militärische Logik
verstoßen und rein politischen Zwecken gedient habe.
Weblinks
• „The Raid on Dieppe“ (englisch) [2]
• „Operation Rutter – The Planned Attack on Dieppe 7 July 1942“ (englisch) [3]
Referenzen
[1] Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg, Verlustlisten RL 2/III
[2] http:/ / users. pandora. be/ dave. depickere/ Text/ dieppe. html
[3] http:/ / www. rickard. karoo. net/ articles/ battles_rutter. html
82
Atlantikschlacht
83
Atlantikschlacht
Atlantikschlacht
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Datum
3. September 1939 – 7. Mai 1945
Ort
Atlantik, Nordsee, Irische See, Labradorsee, Sankt-Lorenz-Golf, Karibik, Golf von Mexiko, Outer Banks, Arctic
Ocean
Ausgang
Sieg der Alliierten
Konfliktparteien
Deutsches Reich
Italien (1940–1943)
Vichy-Regime
Vereinigtes Königreich
•
Neufundland
Kanada
Norwegen
Polen
Forces Françaises Libres
Belgien
Niederlande
Vereinigte Staaten (1941–1945)
Frankreich (1939–1940)
Befehlshaber
Erich Raeder
Karl Dönitz
Martin Harlinghausen
Sir Percy Noble
Sir Max K. Horton
Percy W. Nelles
Leonard W. Murray
Ernest J. King
Truppenstärke
28.000 Seeleute
783 U-Boote
30.264 Seeleute (zivil)
3500 Handelsschiffe
175 Kriegsschiffe
119 Flugzeuge
Atlantikschlacht ist ein Sammelbegriff für die Kampfhandlungen der deutschen Kriegsmarine gegen Kriegsschiffe,
Geleitzüge und andere Einrichtungen der Alliierten im Atlantik über die gesamte Dauer des Zweiten Weltkrieges.
Atlantikschlacht
Meilensteine dafür sind unter anderem der U-Bootangriff von Kapitänleutnant Günther Prien auf den Stützpunkt der
Royal Navy im Hafen von Scapa Flow am 14. Oktober 1939, die Sprengung des Panzerschiffes Admiral Graf Spee
in der Mündung des Río de la Plata am 17. Dezember 1939 und die Versenkung des Schlachtschiffes Bismarck am
27. Mai 1941 im Atlantik. Nach dem Rückzug der letzten schweren deutschen Überwasserstreitkräfte aus den
französischen Atlantikhäfen (Unternehmen Cerberus) wurde die Atlantikschlacht fast ausschließlich als
U-Boot-Krieg geführt.
Hintergrund und Vorbereitung
Durch den Vertrag von Versailles als Resultat des verlorenen Ersten Weltkrieges war das Deutsche Reich unter
anderem signifikant am Aufbau einer schlagkräftigen Kriegsmarine gehindert. Der Besitz von U-Booten war
generell untersagt, ebenso die Entwicklung und der Bau von Flugzeugträgern. Die meisten politischen Gruppen der
Weimarer Republik hatten eine Revision dieses Vertrages zum Ziel. Die 1933 zur Macht gekommene NSDAP unter
Adolf Hitler machte darin keine Ausnahme und ging rücksichtslos an deren Verwirklichung. Ein 1934 beschlossener
Flotten-Ersatzplan ließ unter optimistischer Beurteilung des diplomatischen Klimas den Bau eines Flugzeugträgers
und mehrerer großer Kriegsschiffe in Auftrag geben, deren Größe und Anzahl mehrfach nach oben korrigiert
wurden. Das deutsch-britische Flottenabkommen von 1935 lockerte die Einschränkungen aus dem Vertrag von
Versailles und ermöglichte offiziell den Aufbau einer U-Bootflotte.
Als Argument für die Notwendigkeit eines Flottenausbaues über die Maßgaben des Versailler Vertrages hinaus
diente die Forderung nach einem Gleichgewicht zu den Seestreitkräften Frankreichs (Parität). Die Schlüssigkeit
dieser Forderung war stets umstritten, denn die Wahrscheinlichkeit eines Seekrieges mit Frankreich war aufgrund
der langen gemeinsamen Grenze, die einen Landkrieg ermöglichte, nur hypothetisch. Der Drang zum Ausbau der
Flotte hatte eher seine Begründung in dem Bedürfnis einer aufstrebenden Großmacht, auch eine bedeutende
Kriegsflotte zu befehligen. Das Vorbild dazu lieferte Großadmiral Alfred von Tirpitz, der um die Jahrhundertwende
mit uneingeschränkter Unterstützung von Kaiser Wilhelm II. den Aufbau einer deutschen Hochseeflotte forcierte. Im
Gegensatz zum Deutschen Kaiser vor dem Ersten Weltkrieg war Hitler diesem Vorhaben gegenüber reserviert. Doch
Admiral Raeder als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine verstand es, durch regelmäßige Vorsprachen bei Hitler die
Belange der Kriegsmarine zu protegieren. Bereits 1934 machte Raeder nach einer Besprechung mit Hitler eine Notiz,
dass England ein künftiger Gegner sein könnte. Offiziell wurde aber bis zum Frühjahr 1939 stets betont, dass die
Royal Navy aufgrund ihrer überlegenen Flotte nicht als Gegner für die Kriegsmarine in Frage käme.
In Folge des Flottenabkommens verdoppelten sich 1935 zwar die Rüstungsausgaben für die Kriegsmarine aus dem
Jahr 1934, blieben aber in ihrem Zuwachs bis 1938 hinter den Wehrmachtsteilen Heer und Luftwaffe deutlich
zurück. So waren nicht die Rüstungsabkommen, sondern allein die Leistungsfähigkeit der deutschen Rüstung und
die Verteilung der Rohstoffe an diese bestimmend für die Stärke der deutschen Kriegsmarine bei Kriegsbeginn.
Ein Flottenausbauplan (Z-Plan) wurde erst im Januar 1939 von Hitler verabschiedet, welcher den Bau einer großen
Schlachtflotte sowie von vier Flugzeugträgern vorsah. Ab Januar 1939 wurde dem Flottenausbauprogramm höchste
Priorität eingeräumt. Bei Kriegsbeginn verfügte die Kriegsmarine zwar über mehrere größere
Überwasserkriegsschiffe und eine U-Bootflotte, sowie über Seerettungsflugzeuge und Seeaufklärungsflugzeuge, die
Verwirklichung des Z-Planes war jedoch gerade erst in Angriff genommen worden. Von den zusätzlichen
Schlachtschiffen waren in der kurzen Zeit nur die Kiele gelegt worden, Bauarbeiten daran wurden bei
Kriegsausbruch sofort gestoppt. Von den geplanten Flugzeugträgern war nur einer (Graf Zeppelin) kurz vor der
Fertigstellung, diese wurde jedoch durch den Kriegsverlauf zugunsten der U-Boot-Produktion immer wieder
hinausgezögert und fand letztendlich nie statt.
Außer der Royal Navy, mit der Großbritannien seine Handelsschifffahrt schützen musste, um die Versorgung mit
Rohstoffen von den Kolonien und den USA zu gewährleisten, und Frankreich stellten sich 1939 der deutschen
Kriegsmarine europaweit keine gleichwertigen Gegner. Die Royal Navy vernachlässigte im Vergleich zur deutschen
Kriegsmarine den Ausbau der U-Bootwaffe, da sie damit ihre Geleitzüge nicht vor Angriffen schützen konnte.
84
Atlantikschlacht
85
Stattdessen forcierte sie, ähnlich den USA und der kaiserlichen japanischen Marine, den Einsatz von
Flugzeugträgern.
Kräftevergleich der Seestreitkräfte 1939
England Frankreich Deutschland USA
Flugzeugträger
8
2
0
6
Schlachtschiffe
15
9
2
15
Schlachtkreuzer
3
0
0
0
Panzerschiffe
0
0
3
0
Schwere Kreuzer 15
7
2
18
Leichte Kreuzer
49
12
6
19
Zerstörer
201
71
22
k. A.
U-Boote
38
76
57
90
Ziele
Die Operationen der deutschen Kriegsmarine im Atlantik waren zunächst durch Einzeloperationen großer
Überwasserkriegsschiffe und U-Boote gekennzeichnet. Beim Unternehmen Weserübung, der Eroberung Dänemarks
und Norwegens im Frühjahr 1940, waren fast alle Kräfte der deutschen Kriegsmarine beteiligt. Während die
Eroberung gelang, zeigten sich im Bereich der Marine bereits Schwierigkeiten, der Royal Navy zu begegnen.
Ab dem Westfeldzug 1940 erfolgte eine deutliche Schwerpunktlegung des Seekrieges auf die Versorgungsrouten der
britischen Inseln. Der einzige im Westen verbleibende Gegner sollte nach misslungener Luftschlacht um England
und Invasionsdrohung durch Abschneiden der lebenswichtigen Versorgung zur Aufgabe gezwungen werden.
Winston Churchill räumte ein, dass er 1941 Zweifel am Überleben Englands hatte.
Operationen deutscher Überwasserkriegsschiffe
Kaperfahrt der Admiral Graf Spee von September bis Dezember 1939
Am 21. August 1939 verließ das Panzerschiff Admiral Graf Spee
Wilhelmshaven, um sich im Atlantik südlich des Äquators in eine
Warteposition zu begeben. Am 26. September erhielt es den Befehl,
alliierte Handelsschiffe anzugreifen. Vom 30. September bis zum 7.
Dezember versenkte das Schiff im Atlantik und im Indischen Ozean
insgesamt neun britische Handelsschiffe mit zusammen 50.089
Bruttoregistertonnen.
Am 13. Dezember 1939 traf die Admiral Graf Spee vor der Mündung
Das brennende Wrack der Admiral Graf Spee
nach der Sprengung in der Mündung des Rio de
des Río de la Plata auf einen gegnerischen Schiffsverband, bestehend
la Plata
aus dem britischen Schweren Kreuzer HMS Exeter, sowie dem
britischen Leichten Kreuzer HMS Ajax und dem neuseeländischen
Leichten Kreuzer HMNZS Achilles. Im Laufe des Gefechts wurde die abgesetzt von den beiden leichten Kreuzern
operierende HMS Exeter schwer beschädigt (61 Tote und 23 Verwundete) und außer Gefecht gesetzt. Die beiden
Leichten Kreuzer, aber auch die Admiral Graf Spee, erhielten Beschädigungen und brach das Gefecht ab, um in
Atlantikschlacht
Montevideo einzulaufen. Dieses Seegefecht ging in die alliierte Seekriegsgeschichte auch als Battle of Honour ein.
Aufgrund von politischem Druck auf Uruguay aus Großbritannien musste das Schiff wieder auslaufen, ohne dass
notwendige Reparaturen durchgeführt werden konnten. Um einen sinnlosen Opfergang der Mannschaft zu
verhindern, wurde die Admiral Graf Spee am 17. Dezember von der eigenen Besatzung in der Mündung des Río de
la Plata versenkt. Der verantwortliche Kapitän zur See Hans Langsdorff starb kurz darauf durch Suizid.
Unternehmen Weserübung von April bis Juni 1940
Anmerkung: Das Unternehmen Weserübung wird in manchen
deutschsprachigen Publikationen als Trennlinie zwischen der
Ersten Atlantikschlacht und der Zweiten Atlantikschlacht
betrachtet. In englischsprachigen Publikationen wird der
Ausdruck Erste Atlantikschlacht (engl. first battle of the atlantic)
auf den Seekrieg im Ersten Weltkrieg bezogen, die Zweite
Atlantikschlacht (engl. second battle of the atlantic) auf den
Seekrieg im Zweiten Weltkrieg.
Für das Unternehmen Weserübung hatte die Seekriegsleitung
Der Leichte Kreuzer Köln mit einem Heinkel He
insgesamt 11 Kriegsschiffgruppen zusammengestellt, die ersten 5
60-Seeaufklärer
davon waren für die Eroberung Norwegens bestimmt. Die für Narvik
bestimmte Kriegsschiffgruppe 1 bestand aus zehn Zerstörern. Auf jeden der Zerstörer waren 200 Gebirgsjäger des
Gebirgsjägerregiments 38 eingeschifft worden. Die für Trondheim bestimmte Kriegsschiffgruppe 2 setzte sich aus
dem Schweren Kreuzer Admiral Hipper und vier Zerstörern zusammen. Die Kriegsschiffgruppen 1 und 2 nahmen am
7. April 1940 um 3:00 Uhr unter dem Schutz der Schlachtschiffe Gneisenau und Scharnhorst aus der deutschen
Bucht gemeinsame Fahrt nach Norden auf. Es handelte sich um den größten Flottenverband, den die Kriegsmarine
im Verlauf des Zweiten Weltkrieges für eine offensive Operation zusammenstellen konnte.
Auf dem Marsch nach Norden versenkte der Schwere Kreuzer Admiral Hipper am Morgen des 8. April den
britischen Zerstörer HMS Glowworm.
Die Kriegsschiffgruppe 1 erreichte planmäßig Narvik. Die Küstenpanzerschiffe Eidsvold und Norge wurden vor und
im Hafenbecken von Narvik von den Zerstörern Z 21 Wilhelm Heidkamp und Z 11 Bernd von Arnim torpediert und
versenkt. Die als Fernsicherung weiter entfernt von der Küste nach Norden steuernden Scharnhorst und Gneisenau
trafen hier auf den britischen Schlachtkreuzer HMS Renown. Die mit nur sechs schweren Geschützen in der
Feuergeschwindigkeit unterlegene Renown konnte dank der größeren Reichweite ihrer 38,1-cm-Geschütze die
deutschen Schiffe auf Distanz halten und entkam ohne Treffer. Die Gneisenau bekam einen Volltreffer in den
Artillerie-Leitstand auf der Vormars-Plattform. Die deutschen Schiffe brachen das Gefecht ab und kehrten ein paar
Tage später nach Wilhelmshaven zurück.
Nachdem es bereits am 10. April im Ofotfjord zu einem Gefecht kam, in dem die Zerstörer Z 21 Wilhelm Heidkamp
und Z 22 Anton Schmitt sanken und die Briten ihrerseits die Zerstörer HMS Hardy und HMS Hunter verloren,
kehrten die Briten drei Tage später mit Verstärkung zurück. Am 13. April 1940 kam es zu einem Gefecht mit einen
britischen Flottenverband bestehend aus dem Schlachtschiff HMS Warspite und neun Zerstörern. Dabei gingen alle
acht deutschen Zerstörer verloren. Diese hatten nicht rechtzeitig den Rückmarsch antreten können, da die
Treibstoffübernahme zu lange dauerte. Ohne Möglichkeit, den Angriffen auszuweichen, verschossen sie ihre
gesamte Munition und alle Torpedos und mussten schließlich aufgegeben werden. Einige britische Zerstörer wurden
beschädigt.
Eine vom Katapult der HMS Warspite gestartete Fairey Swordfish versenkte das deutsche U-Boot U 64. Ein Angriff
von U 25 gegen den britischen Verband am 13. April 1940, sowie ein weiterer Angriff von U 25 und U 48 im
Vestfjord gegen das Schlachtschiff HMS Warspite am 14. April 1940 schlugen wegen Torpedoversager fehl. Am 14.
86
Atlantikschlacht
April 1940 versenkte der Schwere Kreuzer HMS Suffolk nordwestlich Bodo den deutschen Versorgungstanker
Skagerrak (6.044 BRT).
Die Kriegsschiffgruppe 3, bestehend aus den Leichten Kreuzern Köln und Königsberg und mehreren kleineren
Schiffen, konnte sich erfolgreich in Bergen und Stavanger durchsetzen. Ebenso die Kriegsschiffgruppe 4 mit dem
Leichten Kreuzer Karlsruhe in Kristiansand.
Die Kriegsschiffgruppe 5 bestehend aus den schweren Kreuzern Blücher und Lützow, dem Leichter Kreuzer Emden
und mehreren Torpedobooten, wurde beim Durchbruch durch den gut 100 Kilometer langen Oslofjord von
Küstenbatterien beschossen. Die Blücher erhielt mehrere Geschütz- und Torpedotreffer und sank östlich der Insel
Askholmene. Der norwegische Minenleger Olav Tryggvason versenkte das deutsche Räumboot R 17. Das
norwegische Torpedoboot Aegir versenkte den deutschen Nachschubfrachter Roda (6.780 BRT) und wurde
seinerseits durch einen Fliegerangriff versenkt.
Am Vormittag des 10. April liefen die Schiffe der Kampfgruppe in den Hafen von Oslo ein. Erst am 10. Juni 1940
unterschrieb das norwegische Oberkommando die Kapitulationsurkunde, und die Bevölkerung ging teilweise zum
aktiven und passiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus über.
Unternehmen Juno im Juni 1940
Am 4. Juni 1940 liefen die Schlachtschiffe Scharnhorst und
Gneisenau, der Schwere Kreuzer Admiral Hipper sowie die Zerstörer
Hans Lody, Hermann Schoemann, Erich Steinbrinck und Karl Galster
von Kiel zur Operation Juno aus. Der Verband, der damit aus praktisch
allen noch einsatzfähigen Schiffen der Deutschen Flotte bestand, sollte
durch Angriffe auf Truppenkonvois und den Hafen von Harstad die
schwer bedrängten deutschen Truppen in Narvik entlasten. Am 8. Juni
Der britische Flugzeugträger HMS Glorious
standen die Schiffe auf der Höhe von Harstad (Nordnorwegen). Hier
traf man auf den Rückzugskonvoi der restlichen britischen Truppen aus
Norwegen. Die Admiral Hipper versenkte mit ihren Zerstörern den U-Jäger HMS Juniper, den großen Tanker Oil
Pioneer und den Truppentransporter Orama. Danach trennte sich der deutsche Verband. Die Admiral Hipper lief mit
den Zerstörern nach Trondheim. Scharnhorst und Gneisenau blieben in besagtem Seegebiet, wo sie schließlich den
Flugzeugträger HMS Glorious und seine Begleitzerstörer HMS Acasta und HMS Ardent stellten und versenkten.
Dabei erhielt die Scharnhorst einen Treffer durch einen Torpedo, der von der selbst bereits schwer getroffenen HMS
Acasta abgeschossen wurde. Dieser traf die Scharnhorst im Bereich des achteren 28-cm-Geschützturms, dessen
Mechanik beschädigt wurde, womit sie für weitere Operationen ausfiel.
Am 20. Juni sollte die Admiral Hipper mit der Gneisenau die britischen Rückzugsbewegungen stören. Dieser Einsatz
endete schon am Fjordausgang von Trondheim. Hier wurde die Gneisenau vom britischen U-Boot HMS Clyde
torpediert. Beide Schiffe kehrten nach Trondheim zurück. Am 25. Juli lief die Admiral Hipper zum Handelskrieg ins
Nordmeer aus, während die Gneisenau nach Kiel zurückkehrte. Am 1. August konnte ein finnischer Frachter als
Prise aufbracht werden. In den nächsten Tagen operierte der Kreuzer erfolglos in der Barentssee. Schließlich wurde
die Admiral Hipper nach Deutschland zurückbeordert. Am 10. August ging das Schiff in die Werft.
87
Atlantikschlacht
88
Kreuzerkrieg der Admiral Scheer von Oktober 1940 bis April 1941
Am 23. Oktober 1940 verließ das Schwesterschiff der Admiral Graf Spee, das Panzerschiff Admiral Scheer
Gotenhafen (heute: Gdingen) und begab sich nach Brunsbüttel, das als Ausgangspunkt für die bevorstehende
Fernunternehmung ausersehen war. Als sie am 27. Oktober von dort ausgelaufen war, gelang es ihr nach einem
kurzen Aufenthalt in Stavanger unbemerkt die Dänemarkstraße zu passieren und am 1. November den Nordatlantik
zu erreichen.
Dort stieß sie fünf Tage später auf den vom kanadischen Halifax nach England gehenden Konvoi HX-84 und
versenkte aus diesem sechs Frachter. Dabei kam es zum Gefecht mit dem Hilfskreuzer Jervis Bay, dessen
Gegenwehr dem Gros des Geleitzuges das Entkommen ermöglichte, während er selbst in diesem ungleichen Kampf
unterlag und unterging.
Mitte Dezember operierte die Admiral Scheer im Südatlantik, und im Februar stieß sie in den Indischen Ozean bis zu
den Seychellen vor. Danach trat sie den Rückmarsch an und lief am 1. April 1941 in Kiel ein. Bei diesem Einsatz
hatte die Admiral Scheer in 155 Tagen rund 46.000 Seemeilen zurückgelegt. Ihre Versenkungszahl belief sich auf 17
Schiffe mit über 113.000 BRT. Es war somit die für die Alliierten verlustreichste Einzeloperation eines deutschen
Überwasserkriegsschiffes.
Unternehmen Berlin von Januar bis März 1941
Zusammen mit ihrem Schwesterschiff Gneisenau, lief die Scharnhorst am 22. Januar 1941 aus Gotenhafen (heute:
Gdingen) zu einer Atlantikunternehmung aus. Ein Durchbruchsversuch durch die Färöer-Island Passage scheiterte,
und die deutschen Schiffe zogen sich nach Osten zurück. Nach einer Ölübernahme gelang es, ein paar Tage später
durch die Dänemarkstraße in den Atlantik zu gelangen.
Die Scharnhorst konnte in den nächsten Wochen acht Schiffe mit rund 50.000 BRT versenken; die Gneisenau etwa
65.000 BRT. Geleitzüge, die durch britische Schlachtschiffe gesichert waren, wurden befehlsgemäß gemieden. Am
22. März 1941 liefen beide Schiffe in Brest ein.
Unternehmen Rheinübung im Mai 1941
Um den Druck auf die Nachschubtransporte zu den britischen Inseln zu
erhöhen und um den U-Boot-Krieg zu unterstützen, lief im Mai 1941
ein Geschwader aus Gotenhafen mit Ziel Atlantik aus. Es bestand aus
dem neuen Schlachtschiff Bismarck, dem Schweren Kreuzer Prinz
Eugen und den Zerstörern Z 10 Hans Lody, Z 16 Friedrich Eckholdt
und Z 23, die bei Norwegen zurückblieben. Die Operation bekam den
Decknamen Rheinübung. Erstmals sollte es mit dem neuen
Schlachtschiff Bismarck, das angeblich allen anderen Schlachtschiffen
seiner Zeit in Panzerung und Bewaffnung überlegen war, auch
Geleitzüge angreifen, die durch alliierte Schlachtschiffe gesichert
waren.
Der englische Matrose Alfred R. Newall an Bord
der HMS Suffolk auf Ausschau nach der Bismarck
Das Geschwader wurde vom schwedischen Flugzeugmutterschiff Gotland gesichtet, welches die Briten mit einem
kurzen Funkspruch informierte. Daraufhin verstärkten sich die Aufklärungsanstrengungen der Briten fieberhaft. Die
Großkampfschiffe wurden schließlich in dem norwegischen Korsfjord bei Bergen von einem Aufklärungsflugzeug
vom Typ Supermarine Spitfire ausgemacht. Der an Bord des Flaggschiffes Bismarck befindliche Flottenchef
Admiral Günther Lütjens gedachte, über die Dänemarkstraße zwischen Grönland und Island in den Atlantik
auszubrechen.
Am 24. Mai kam es in der Dänemarkstraße zum Gefecht mit zwei britischen Großkampfschiffen. Dabei wurde der
Schlachtkreuzer HMS Hood mehrfach getroffen, der daraufhin explodierte und versank. 1.418 Mann starben bei der
Atlantikschlacht
Explosion, nur 3 überlebten. Die HMS Prince of Wales, die ebenfalls schwer getroffen wurde, zog sich aus dem
Kampfgeschehen zurück und wurde nicht durch die Deutsche Kriegsmarine verfolgt.
Da die Bismarck beschädigt war und Treibstoff verlor, sollte sie in den von der Deutschen Kriegsmarine
kontrollierten Hafen von St. Nazaire zurückkehren und die Schäden reparieren lassen. Die Prinz Eugen bekam um
18.34 Uhr Befehl, selbständig Handelskrieg zu führen und wurde somit entlassen. Der Kreuzer ergänzte seinen
Brennstoff beim Tanker Spichern, um am 26. Mai befehlsgemäß mit dem Handelskrieg zu beginnen, musste aber
kurze Zeit später weitere Operationen unterlassen, da Schäden an der Antriebsanlage auftraten. Das Schiff steuerte
daraufhin den Hafen von Brest an, den es am 1. Juni unbehelligt erreichte.
Am 27. Mai 1941 wurde die Bismarck erneut angegriffen. Durch einen Treffer in die Ruderanlage wurde sie
manövrierunfähig und sank – nachdem sie in dem darauf folgendem Gefecht schwer beschädigt worden war –
vermutlich durch Eigensprengung. Von britischen Schiffen wurden 114 Besatzungsmitglieder der Bismarck gerettet,
von deutschen U-Booten weitere sechs der insgesamt 2.106 Mann starken Besatzung.
Unternehmen Regenbogen von Dezember 1942 bis Januar 1943
siehe auch Schlacht in der Barentssee
Zusammen mit dem schweren Kreuzer Admiral Hipper und mehreren Zerstörern griff das Panzerschiff Lützow den
britischen Konvoi JW-51 B östlich der Bäreninsel an. Dem Plan gemäß sollte die Admiral Hipper die Eskorten von
Geleit weglocken und die Lützow während dessen die schutzlos gewordenen Handelsschiffe beschießen und
versenken.
Das Vorhaben scheiterte an den extrem schlechten Sichtbedingungen. Die Lützow fuhr in 2–3 Seemeilen Abstand an
dem Konvoi vorbei, während dessen Geleitschutz die Admiral Hipper verfolgte. Die Feuereröffnung auf den Konvoi
unterblieb jedoch, weil man auf der Lützow glaubte, die eigenen Schiffe vor sich zu haben. Der Zerstörer Friedrich
Eckoldt steuerte irrtümlich den Kreuzer HMS Sheffield an und wurde daraufhin von diesem versenkt. Auf britischer
Seite wurden der Zerstörer HMS Achates und der Minensucher HMS Bramble versenkt.
Nicht zu Verwechseln ist diese Operation mit dem gleichlautenden Codewort Regenbogen. Das Codewort
Regenbogen sollte bei seiner Ausgabe am Ende des Zweiten Weltkrieges die Auslösung eines Befehls für die
deutsche U-Bootwaffe bewirken. Dieser Befehl hatte die Selbstversenkung der U-Boote durch ihre Besatzungen zum
Ziel.
Die Bedeutung der alliierten Flugzeugträger
Insgesamt kamen auf verschiedenen Kriegsschauplätzen 32
Geleitflugzeugträger und 24 Flotten-Flugzeugträger der Royal Navy,
und 121 Geleitflugzeugträger und 36 große Flugzeugträger der
US-Navy zum Einsatz. Diese Stärke von 213 Flugzeugträgern auf
alliierter Seite hatte seine Ursache in der Steigerungsfähigkeit der
Produktion der amerikanischen Rüstungsindustrie. Von 1935 bis 1938
entsprachen die Rüstungsausgaben der USA und Großbritanniens
Die USS Wake Island, ein Geleitflugzeugträger
zusammen dem Gegenwert von vier Milliarden US-Dollar, die
der Casablanca-Klasse
Rüstungsausgaben des Deutschen Reiches beliefen sich mit
umgerechnet 12 Milliarden US-Dollar auf ein Dreifaches. 1941 investierten die beiden Verbündeten mit 13
Milliarden US-Dollar bereits mehr als doppelt soviel in die Rüstungsindustrie als das Deutsche Reich mit dem
Gegenwert von 6 Milliarden US-Dollar.
Die größte Bedeutung hatten die Träger im Atlantik im Bereich des U-Boot-Krieges. Kein großes deutsches
Überwasserkriegsschiff wurde durch Flugzeuge eines Flugzeugträgers versenkt. Die große Herausforderung für die
alliierten Seestreitkräfte war die Sicherung von Geleitzügen. Dazu gehörte die Bildung von Hunter-Killer-Groups,
89
Atlantikschlacht
90
einem Verband bestehend aus einem Geleitflugzeugträger und mehreren Zerstörern. Diese Verbände konnten auch
über die unmittelbare Nähe eines Geleitzuges hinaus ein U-Boot verfolgen und bis zu seiner Zerstörung aus der Luft
und zu Wasser bekämpfen.
Von trägergestützten Flugzeugen der Royal Navy, die unter der Fleet Air Arm (FAA) zusammengefasst waren,
wurden 31 U-Boote versenkt, von Flugzeugen der US-Navy 83 der insgesamt 250 von Flugzeugen zerstörten
U-Boote. Admiral Dönitz bemerkte in einer Denkschrift vom 8. Juni 1943: „Die Erfolge des Feindes stiegen so, dass
das feindliche Flugzeug der gefährlichste Gegner unserer U-Boote ist. Die Krise im U-Boot-Krieg (Anmerkung: 38
U-Boote im Vormonat verloren) ist daher eine Folge der feindlichen Luftherrschaft im Atlantik.“
Siehe auch: Liste historischer Flugzeugträger
U-Boot-Krieg
Hauptartikel: U-Boot-Krieg
Zunächst konnten durch U-Boote den Geleitzügen und der Royal Navy
empfindliche Verluste zugefügt werden. Im Verlauf des Krieges wurde
die Lage der Kriegsmarine durch die Entwicklung von Radar und
andere technische Neuerungen zur U-Boot-Ortung, nicht zuletzt auch
durch die Entzifferung des Seefunkverkehrs durch britische
Kryptoanalytiker aussichtslos. Waren die Verluste gemessen an
versenkten Bruttoregistertonnen alliierter Handelsschiffe mit
5,7 Millionen BRT noch beträchtlich, so gingen die Verluste 1943 auf
1,6 Millionen BRT zurück, 1944 waren noch 175.013 versenkte BRT
zu beklagen.
Ein torpedierter alliierter Tanker sinkt (1942)
Bezogen auf die Verluste an alliierten Schiffen pro Monat stellt der Juni 1942 den Höhepunkt mit 124
Handelsschiffen mit über 600.000 Bruttoregistertonnen dar. Während im März 1943 noch eine halbe Million BRT
versenkt wurden, vollzog sich bis Mai 1943 die Wende zugunsten der Alliierten. Bis zum Jahresende wurden 150
U-Boote der Kriegsmarine versenkt.
Faktoren der Schlacht
Leih- und Pachtgesetz
Am 18. Februar 1941 verabschiedete der US-amerikanische Kongress das Leih- und Pachtgesetz, das den USA
erlaubte, Großbritannien ohne Barzahlung Rüstungsgüter wie zum Beispiel dringend benötigte Zerstörer und
Geleitflugzeugträger zur U-Bootbekämpfung zu überlassen. Ab dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941
beteiligten sich Einheiten der US Navy unter dem Befehl von Admiral Ernest J. King aktiv am Geleitschutz im
Atlantik. Dem Krieg gegen das Deutsche Reich wurde Vorrang gegenüber dem Krieg gegen Japan gegeben, da es als
der gefährlichere Gegner betrachtet wurde.
Entschlüsselung des Marinecodes
Bereits vor dem Angriff auf Polen fielen dem britischen Geheimdienst zwei Exemplare der
Verschlüsselungsmaschine Enigma in die Hände. Daraufhin wurden die verschlüsselten Funksprüche zwischen den
Leitstellen der Luft- und Seestreitkräfte abgefangen. Obwohl die Verschlüsselungsmethoden mehrere Male während
des Krieges geändert wurden, gelang es dem britischen Geheimdienst immer wieder, diese Lücke zu schließen. So
wurde im Mai 1941 eine Enigma-M3-Maschine mit den dazugehörigen Codetabellen aus dem sinkenden U-Boot
U 110 durch den britischen Zerstörer HMS Bulldog geborgen. Der Oberbefehlshaber der deutschen U-Boote,
Admiral Karl Dönitz erklärte, von diesem Umstand trotz Verdacht erst nach dem Krieg erfahren zu haben. Offiziell
Atlantikschlacht
91
bestätigt wurde diese Tatsache von den Alliierten erst in den 1970er Jahren.
Die durch die so genannten Ultra-Entschlüsselungen gewonnenen Positionsangaben der U-Boote trugen maßgeblich
zu deren erfolgreicher Bekämpfung bei. Die deutsche Marine operierte nur zwischen Februar bis Dezember 1942
unter einem durch die Alliierten nicht entschlüsselten Code.[1]
Seeaufklärungsflüge
Sowohl die alliierten Luftstreitkräfte als auch die Kriegsmarine führten
mit verschieden Seeaufklärungsflugzeugen nach Möglichkeit
flächendeckend Aufklärungsflüge durch. Die Flugzeuge der
Kriegsmarine hatten in erster Linie die Aufgabe, Geleitzüge
aufzuspüren und dann U-Boote oder landgestützte Bomber
heranzuführen. Manche Flugzeuge waren selbst mit geringer
Bombenzuladung ausgerüstet und konnten einzelne Schiffe oder
schwach geschützte Konvois selbstständig angreifen. Mit dem
verstärkten Einsatz von alliierten Geleitflugzeugträgern nahmen die
Verluste durch alliierte Jagdflugzeuge drastisch zu.
Focke-Wulf FW 200 Langstreckenseeaufklärer
Besonders die Operationen mit bewaffneten Langstreckenaufklärern
des Musters Focke-Wulf Fw 200 Condor fügten den Geleitzügen
Verluste zu, weshalb Churchill sie als „Geißel des Atlantiks“
Short Sunderland Mk. V Seeaufkärer des Coastal
bezeichnete. So war bis März 1941 das Verhältnis der versenkten
Command
Tonnage zwischen U-Booten und Fernkampfflugzeugen zehn zu eins
(2.720.157 BRT durch U-Boote, 272.485 BRT durch Flugzeuge). Von
April 1941 bis Dezember 1941 verschlechterte sich dieses Verhältnis auf 20:1 (1.582.389 BRT durch U-Boote,
79.677 BRT durch Flugzeuge).
Die Flugzeuge der Alliierten hatten zur Aufgabe, feindliche Verbände, im speziellen U-Boote, zu finden und deren
Aktivitäten zu stören. Die zum Einsatz gebrachten Bomber konnten auch größere Verbände angreifen, wobei beim
Kampf gegen die Bismarck auch einmotorige Torpedoflugzeuge von Flugzeugträgern aus eingesetzt wurden. Das
britische Coastal Command begann 1940, Flugzeuge mit Wasserbomben für die U-Bootbekämpfung auszurüsten,
später kamen bordgestützte Radargeräte dazu. Die US-Navy wurde von landgestützten Langstreckenbombern der
USAAF unterstützt. Von 1939 bis 1940 gingen nur zwei U-Boote durch Luftangriffe verloren. Bis Kriegsende
wurden mehr als 250 deutsche U-Boote von Coastal Command, USAAF und anderen allieerten Luftwaffen
einschließlich der trägergestützten Verbände der US Navy und des FAA versenkt.
Aufspürungsmethoden
Die zu Kriegsbeginn verbreitete Methode zum Aufspüren von U-Booten war die Verwendung von Sonar (Sound
navigation and ranging), die bei der Royal Navy übliche Bezeichnung lautete ASDIC (Anti- Submarine Detection
Investigation Committee, gegründet 1917 zur Erforschung und Erprobung von Sonar).
Außerdem hatten sowohl die deutsche Forschung als auch die Alliierten weitreichende theoretische Kenntnisse über
die Einsatzmöglichkeiten von elektromagnetischen Wellen. In der waffentechnischen Ausführung wurde von der
Kriegsmarine bereits 1939 ein Feuerleitsystem eingesetzt, das mit Funkmesstechnik arbeitete (Codename Seetakt).
Das mit Seetakt ausgerüstete Panzerschiff Admiral Graf Spee wurde nicht zuletzt deshalb selbst versenkt, um zu
verhindern, dass diese Technologie den Feinden in die Hände fällt.
Auf alliierter Seite wurde die Technik mehr und mehr auf die Ortung von Flugzeugen und U-Booten gelenkt.
Der Begriff Radar wurde 1943 erstmals von der US-Navy eingeführt.
Atlantikschlacht
Ein verwandtes Verfahren arbeitete nicht aktiv (d. h. es sendete keine eigenen Strahlen aus) sondern passiv durch
Anpeilen von Funkquellen, wobei von der Royal Navy der Ausdruck Huff-Duff (von: HF/DF, High Frequency
Direction Finding, deutsch: Hochfrequenz-Funkmesstechnik) verwendet wurde. Eine große Anzahl deutscher
U-Boote, die ihre Standortmeldung an das Hauptquartier in Frankreich funkten, verrieten sich so ungewollt ihren
Verfolgern.
Ab 1942 wurde mit MAD (Magnetic Anomaly Detection) ein neuartiges Verfahren, welches Veränderungen im
Erdmagnetfeld misst und interpretiert, zur U-Bootjagd von Flugzeugen aus angewendet.
Kombinierte Anwendungsformen wie die Verwendung eines besonders leistungsfähigen Scheinwerfers (Leigh Light)
und Radar von Flugzeugen aus oder der Sonar-gesteuerte Wasserbombenwerfer brachten weitere Verbesserungen.
Mit der geräuschempfindlichen Mark 24 mine wandering Annie kam ab Mai 1943 ein zielsuchender Torpedo zum
Einsatz, mit dessen Hilfe bis Kriegsende 38 U-Boote versenkt wurden.
Den endgültigen Erfolg bei der U-Bootjagd brachte die Zusammenarbeit mehrerer Einheiten, die jeweils ihre
Messungen miteinander abglichen. Durch den Umbau von großen Kriegsschiffen und Handelsschiffen in spezielle
Geleitflugzeugträger konnten Hunter-Killer-Groups (deutsch: Jäger-Zerstörer-Gruppen) äußerst effektiv in der Nähe
von Geleitzügen operieren. Mit dieser Technik war bis Mai 1943 die Bewegungsfreiheit der langsamen U-Boote
derart eingeengt, dass Dönitz sie in ihre Basen zurückbeorderte. Ab da erfolgten hauptsächlich wenig
erfolgversprechende Einzelaktionen.
Nachwirkungen und Ergebnis
Zwischen 1939 und 1945 wurden auf alliierter Seite 36.000 Matrosen
der Handels-und Kriegsmarine Opfer des Krieges. Es wurden über
5.000 alliierte Schiffe versenkt, davon waren 175 Kriegsschiffe (20,3
Millionen Bruttoregistertonnen, davon 14,3 Millionen BRT durch
U-Boote).
Dem gegenüber verlor die deutsche Kriegsmarine über 30.000
Matrosen,
783
U-Boote
und
fast
alle
größeren
Alliierte Analyse von versenktem Schiffsraum
Überwasserkriegsschiffe, auch wenn diese ab 1941 größtenteils vom
Kriegsschauplatz Atlantik abgezogen wurden und anderorts versenkt
wurden. Von 40.000 ausgebildeten deutschen U-Boot Besatzungen kamen 27.000 um. Am nächsten war die
deutsche Kriegsmarine ihrem primären Ziel, der Isolation Englands, 1941 vor dem Kriegseintritt der USA.
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Deutschen Reiches war mit der Führung eines sechs Jahre dauernden
Seekrieges total überfordert. Der zu Beginn des Krieges verantwortliche Oberbefehlshaber der Kriegsmarine,
Großadmiral Erich Raeder, wusste das und kommentierte anlässlich der Flottenstärke, dass die Kriegsmarine im
Kampf gegen England lediglich „mit Anstand sterben“ könne. Raeder, nach den Misserfolgen der
Überwasserkriegsschiffe durch Hitler in seiner Ehre gekränkt, wurde auf eigenen Wunsch im Januar 1943 durch
Dönitz als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine abgelöst.
Auch die Royal Navy sah 1943 einen Führungswechsel, als im September dieses Jahres der Erste Seelord Sir Dudley
Pound[2] krankheitshalber von Andrew Cunningham abgelöst wurde. Pound verstarb noch im Oktober 1943.
Mit Verlauf des Krieges stieg auch die Rücksichtslosigkeit der Kriegsführung aller beteiligten Seiten. Während
vereinzelt nach Prisenordnung gekämpft wurde, entbrannte bald ein uneingeschränkter Seekrieg, der sich auch gegen
Zivilpersonen, insbesondere Flüchtlingsschiffe, richtete. Ein Befehl von Admiral Dönitz, den Schiffbrüchigen der
angegriffenen Schiffe nicht zu helfen (Laconia-Befehl), führte zu einer Behandlung bei den Nürnberger Prozessen
1946. Dönitz wurde in diesem Punkt vom Admiral der US Navy Chester Nimitz entlastet, der klarstellte, dass die
alliierten U-Boote im Pazifik unter ähnlichen Anweisungen operierten. Mehrere Angehörige der ehemaligen
deutschen Kriegsmarine wurden nach dem Krieg wegen begangener Kriegsverbrechen verurteilt.
92
Atlantikschlacht
Literatur
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Lothar-Günther Buchheim: U-Boot-Krieg. Piper, München 1997. ISBN 3-492-02216-2
Jochen Brennecke: Jäger – Gejagte. Deutsche U-Boote 1939–1945. Heyne, München 1994. ISBN 3-453-02356-0
John Costello, Terry Hughes: Atlantikschlacht. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 1995. ISBN 3-404-65038-7
Michael Hedley: Der Mythos der deutschen U-Boot-Waffe. Mittler & Sohn, Hamburg 2001. ISBN 3-8132-0771-4
David Miller: Deutsche U-Boote bis 1945. Motorbuch, Stuttgart 2000. ISBN 3-7276-7134-3
V. E. Tarrant: Kurs West. Motorbuch, Stuttgart 1998. ISBN 3-613-01542-0
Dan van der Vat: Schlachtfeld Atlantik. Heyne, München 1988. ISBN 3-453-04230-1
Jürgen Rohwer: Der Krieg zur See. Flechsig, Würzburg 2004. ISBN 3-88189-504-3
Percy E. Schramm (Hrsg.): Kriegstagebuch des OKW. 8 Hlbde. Weltbild, Augsburg 2005. ISBN 3-8289-0525-0
Richard Overy: War and Economy in the Third Reich. Clarendon Press, Oxford 1995. ISBN 0-19-820599-6
Guido Knopp: Der Jahrhundertkrieg. Ullstein, München 2003. ISBN 3-548-36459-4
Weblinks
• Verlauf der Atlantikschlacht in acht Phasen [3] auf deutschekriegsmarine.de
• Atlantikschlacht [4] in der ZDF-Zeitgeschichte
• uboat.net [5] (englisch)
• Chronik des Seekrieges 1939–1945 [6] – Ausführliche Chronologie, zusammengestellt von Jürgen Rohwer
(Militärhistoriker)
Referenzen
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
David Kennedy: Freedom from Fear - The American People in Depression and War, Oxford, 1999, S. 571, 589
Dudley Pound in der englischsprachigen Wikipedia
http:/ / www. deutschekriegsmarine. de/ Willkommen/ hauptteil_geschichte/ Die_Atlantikschlacht/ die_atlantikschlacht. html
http:/ / www. zdf. de/ ZDFde/ inhalt/ 17/ 0,1872,1017521,00. html
http:/ / www. uboat. net/
http:/ / www. wlb-stuttgart. de/ seekrieg/ chronik. htm
93
94
Mittelmeer, Afrika und Balkan
Balkanfeldzug (1941)
Während des am 6. April 1941 begonnenen
Balkanfeldzuges (Unternehmen Marita) griff das
Dritte Reich Jugoslawien und Griechenland an. Dabei
wurde es von italienischen und ungarischen Armeen
unterstützt.
Die
jugoslawischen
Streitkräfte
kapitulierten am 17. April, Griechenland am 23. April.
Die Kämpfe auf der Insel Kreta, wo britische Truppen
gelandet waren, zogen sich allerdings bis zum 1. Juni
hin. Vor dem Balkanfeldzug war ein Angriff Italiens
von den griechischen Streitkräften erfolgreich
zurückgeschlagen worden.
Vorangegangen war der Sturz der den Achsenmächten
zuneigenden Regierung in Belgrad am 27. März 1941.
Ziel des Balkanfeldzugs war zu verhindern, dass
Großbritannien oder die Sowjetunion in dieser
Mittelmeerregion Fuß fassen und von dort aus den
Europa nach dem Balkanfeldzug im Juni 1941
geplanten deutschen Angriff auf die Sowjetunion
bedrohen könnten. Der Balkanfeldzug verzögerte den
Start des Krieges gegen die Sowjetunion um sechs Wochen und erschwerte den Plan der Wehrmacht, in einem
Blitzkrieg noch vor Wintereinbruch Moskau einzunehmen.
Vorgeschichte
Die Großmachtambitionen des italienischen Ministerpräsidenten Mussolini waren bereits seit den 1930er Jahren auf
den Balkan gerichtet. Am 28. Oktober 1940 griffen italienische Verbände mit ca. 155.000 Soldaten vom seit 1939
italienisch besetzten Albanien aus Griechenland an. Griechenland hatte zu dieser Zeit eine Kavallerie- und 14
Infanteriedivisionen, nach der Mobilmachung standen dem Oberbefehlshaber Papagos etwa 430.000 Mann zur
Verfügung. Tags darauf besetzte Großbritannien die Insel Kreta und verminte die griechischen Gewässer. Bereits am
4. November wurde der italienische Angriff in Epirus gestoppt und Mussolinis Blitzkrieg scheiterte. Die
griechischen Streitkräfte gingen in den Gegenangriff über und zwangen die Streitkräfte Italiens bis hinter ihre
Ausgangsstellungen zurück. Am Freitag, dem 13. Dezember 1940, unterschrieb Adolf Hitler die Weisung Nr. 20,
einen Operationsplan für den Angriff auf Jugoslawien und Griechenland. Während der Zeit von Dezember bis März
befanden sich die italienischen Streitkräfte weiterhin in der Defensive. Alle Durchbruchsversuche der Italiener
scheiterten am Widerstand der Griechen und wurden unter hohen Verlusten abgewiesen. Schließlich wurden sie ganz
eingestellt.
Balkanfeldzug (1941)
Diplomatische Vorbereitungen
Am Dienstag, dem 25. März 1941, unterzeichnen jugoslawische Regierungsvertreter in Wien den Beitritt zum
Dreimächtepakt. Jugoslawien stand seit 1934 dem Deutschen Reich nahe, militärisch gab es bis 1941 aber keine
Kooperation. Auf diese Nachricht hin kam es in Jugoslawien zu antideutschen Demonstrationen. Am Donnerstag,
dem 27. März 1941, kam es in Belgrad zu einem Staatsstreich. Prinz Paul musste daraufhin nach Griechenland
fliehen, während der 17-jährige Peter II. den Thron bestieg. General Dušan Simović bildete eine neue Regierung und
annullierte den unter Hitlers Druck zustandegekommenen Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt. Unterdessen
wurde der vormalige Premierminister Dragiša Cvetković als einer der Unterzeichner des Vertrages verhaftet und
ebenso andere ehemalige Regierungsmitglieder. Am selben Abend noch gab Adolf Hitler die Weisung Nr. 25 heraus,
einen Blitzfeldzug gegen Jugoslawien und Griechenland zu beginnen. In Bulgarien nahm die deutsche 12. Armee, 8
Divisionen und drei Regimenter, ihre Angriffspositionen ein. Der jugoslawische Operationsplan „R-41“ sah einen
defensiven Einsatz von 27 Divisionen entlang der Grenze vor.
Zerschlagung Jugoslawiens
Am 6. April 1941 um 5.15 Uhr griffen Wehrmachtsverbände ohne vorherige Kriegserklärung oder Ultimatum mit 33
Divisionen (davon sechs Panzerdivisionen) und insgesamt 680.000 Soldaten Griechenland und Jugoslawien an. Die
deutsche 12. Armee stieß von Bulgarien aus auf Saloniki vor, die 2. Armee und die Panzergruppe 1 mit 15
Divisionen operierten von der Steiermark, Ungarn, Rumänien und Bulgarien aus gegen Jugoslawien. Nach kurzer
Zeit griffen die ungarische 3. Armee (10 Brigaden) sowie die italienische 2., 9. und 11. Armee (38 Divisionen) in die
Kämpfe ein. 1.153 deutsche Flugzeuge und 320 italienische Flugzeuge wurden eingesetzt.
Das jugoslawische Heer gliederte sich in 32 Divisionen und neun Brigaden, die Luftstreitkräfte verfügten über 400
Flugzeuge. Griechenland besaß 21 Divisionen, vier Brigaden, und 80 Flugzeuge. Dazu kamen zwei britische
Infanteriedivisionen, eine Panzerbrigade sowie sieben Staffeln (84 Maschinen) der Royal Air Force.
484 Bomber und Stukas sowie 250 Jagdflugzeuge der Achsenmächte
eröffneten den Krieg mit dem für die Zivilbevölkerung verheerenden
Luftangriff auf Belgrad im Jahr 1941 und auf jugoslawische
Flugplätze. Am selben Tag begann auch der Angriff zweier
Armeekorps der Wehrmacht auf den rechten und linken Flügel der
jugoslawischen Armee Ost-Mazedonien unter General Bakopoulus.
Am 8. und 9. April näherten sich deutsche Verbände Belgrad. Im
Laufe des 10. Aprils wurde Zagreb besetzt. Belgrad wurde am 12.
Zerstörungen in Belgrad, 1941
April von der aus drei Richtungen vordringenden Panzergruppe 1
eingenommen. Am Donnerstag, dem 17. April um 21 Uhr unterschrieb
General Danilo Kalafatović als Vertreter des jugoslawischen Obersten Befehlshabers in Belgrad die bedingungslose
Kapitulation der jugoslawischen Streitkräfte, es gingen 6.298 Offiziere sowie 337.864 Unteroffiziere und
Mannschaften serbischer und montenegrinischer Abstammung in deutsche Kriegsgefangenschaft. Die slowenischen,
bosnisch-muslimischen, kroatischen, ungarischen, deutschen (donauschwäbischen) und mazedonischen Soldaten der
jugoslawischen Armee wurden freigelassen. König Peter und sein Regierungskabinett gingen außer Landes.
Jugoslawien wurde in zehn Teile mit unterschiedlichem staatsrechtlichem Status aufgeteilt. Kroatien erklärte sich
bereits am 15. April zum Unabhängigen Staat Kroatien, einem von der Ustascha regierten Vasallenstaat
Deutschlands zu dem auch Slawonien, Syrmien und fast ganz Dalmatien, Bosnien und die Herzegowina gehörten.
Serbien, bestehend aus Altserbien (dem ehemaligen Gebiet Serbiens innerhalb der Grenzen von 1912, ohne
Mazedonien) und dem Westbanat, wurde zur ausschließlich deutschen Einflusszone erklärt und unter
Militärverwaltung von Wehrmacht und SS gestellt, mit einer von den Deutschen abhängigen Landesregierung.
Kroatien wurde von Deutschland als selbständiger Staat anerkannt, Serbien nicht. Sein Gebiet umfasste mehr als ein
95
Balkanfeldzug (1941)
96
Viertel der Gesamtfläche des ehemaligen Jugoslawien. Von den Gebieten, die vor 1941 noch zu Serbien zählten,
besetzte Ungarn die Südbaranja und die Batschka, Bulgarien den Großteil von Mazedonien.
Die jugoslawischen Kriegsgefangenen wurden je nach ethnischer
Zugehörigkeit behandelt. Kroaten, Mazedonier und Volksdeutsche, die
Hälfte der jugoslawischen Armee, wurde noch aus den Sammellagern
heraus nach Hause entlassen. Etwa 180.000 Serben wurden zum
Arbeitseinsatz nach Deutschland gebracht. Die Unterschiede in der
Behandlung der jugoslawischen Völker hatte keine Begründung in der
nationalsozialistischen Rassenlehre. Ressentiments aus dem Ersten
Weltkrieg, für dessen Auslöser in Deutschland und Österreich die
Serben standen, waren hierbei maßgeblich.
Zerstörte jugoslawische Panzer
Vier Infanteriedivisionen wurden speziell als Besatzungstruppen für
den Balkan zusammengestellt, die 704., 714., 717. und 718. Infanteriedivision. Zwei davon in Österreich, die 717.
im Wehrkreis XVII, die 718. im Wehrkreis XVIII. Auch nach der Neuaufstellung der 717. als 117. Jägerdivision und
der Zuführung von Offizieren und Mannschaften aus anderen Wehrkreisen stellten Österreicher die Mehrheiten der
Mannschaften. Beide in den österreichischen Wehrkreisen aufgestellten Divisionen blieben bis zur Kapitulation auf
dem Balkan; die 718. Infanteriedivision in Kroatien, die 717. Infanteriedivision und spätere 117. Jägerdivision wurde
im Frühjahr 1943 von Jugoslawien nach Griechenland verlegt.[1]
In der Folgezeit wurden die Besatzer von verschiedenen Partisanengruppen bekämpft, wobei sich die Jugoslawische
Volksbefreiungsarmee unter Marschall Tito durchsetzen konnte. Nachdem seit Anfang Oktober 1941 die Kämpfe
mit Partisanen- und Tschetnik-Einheiten erheblich zugenommen hatten, erschoss die Wehrmacht unter dem Befehl
des Kommandierenden Generals General der Infanterie Franz Böhme ab Mitte Oktober Zivilisten als
Vergeltungsmaßnahme für die Angriffe. Bekannter sind die Massaker von Kraljevo und Kragujevac in Serbien.
Operationen in Griechenland
Die in Bulgarien stationierte deutsche 12. Armee unter
Generalfeldmarschall Wilhelm List überschritt am 6. April 1941 die
Grenze nach Griechenland. Dabei kam ihnen der Umstand zugute, dass
am 7. April bei einem Luftangriff auf den Hafen Piräus dieser durch
einen Zufallstreffer auf ein Munitionsschiff total verwüstet wurde und
die britischen Truppen daraufhin Nachschubprobleme bekamen. Am 9.
April durchbrach ein Wehrmachtskorps mit starker fliegerischer
Unterstützung durch Sturzkampfflugzeuge die Gebirgsbefestigungen
der Metaxas-Linie bei dem Fort Roupel im Tal des Strymonas. Am
gleichen Tag erreichten deutsche Panzerverbände Thessaloniki und
besetzten die Stadt, die somit eingeschlossene griechische 2. Armee
kapitulierte daraufhin.
Griechenlandfeldzug
Balkanfeldzug (1941)
Gleichzeitig rückten deutsche Verbände nach der Einnahme der
Vardarska banovina (heutiges Mazedonien) entlang des Vardar-Tals
(Axios) sowie auf der Ebene Florina-Bitola (Monastir) nach
Griechenland vor und trafen dabei auf die Westflanke der von
gemischten britischen und Commonwealth-Verbänden unter dem
Befehl von General Henry M. Wilson ("W Force") gehaltenen
Aliakmonas-Linie. Am 11. April 1941 eroberten deutsche Verbände,
darunter auch die SS-Division Leibstandarte Adolf Hitler, den
Klidi-Pass südöstlich von Florina sowie am 14. April Kozani. Das
gegnerische Expeditionskorps zog sich hierauf hinter den Aliakmonas
sowie im Osten nach Platamon am Fuße des Olymp zurück. Am 16.
April gab General Wilson dem griechischen Oberbehlshaber
Frontlinien am 15. April
Alexandros
Papagos
seine
Entscheidung
bekannt,
die
Aliakmonas-Linie aufzugeben und bei den Thermopylen eine neue
Verteidigungsstellung aufzubauen. Parallel begannen Vorbereitungen für die Evakuierung der alliierten Truppen.
Dadurch wurde den deutschen Truppen der Weg über das Pindos-Gebirge nach Epirus freigegeben.
Am 16. April versperrten Wehrmachtsverbände der sich von der Epirus-Front zurückziehenden griechischen 1.
Armee den Rückzugsweg durch den Katarra-Pass bei Metsovo. Die vom Gebirgsmassiv eingeschlossenen
griechischen Truppen wurden nun von den Achsenmächten im Westen und Osten bedrängt. Am 18. April beging
Ministerpräsident Alexandros Koryzis in Athen Selbstmord, die neue Regierung bildete Emmanouil Tsouderos. Am
20. April entband General Georgios Tsolakoglou in Absprache mit anderen Offizieren den Befehlshaber der
Epirus-Armee Ioannis Pitsikas seines Kommandos und präsentierte anschließend SS-Obergruppenführer Josef
Dietrich die Kapitulation. Dies erfolgte gegen den ausdrücklichen Befehl des Oberkommandierenden der
griechischen Armee General Alexandros Papagos. Nach italienischen Protesten über dieses Vorgehen wurde am
Folgetag eine zweite Kapitulation in Anwesenheit italienischer Offiziere in Ioannina sowie am 23. April in
Thessaloniki eine dritte, offizielle Kapitulation Griechenlands gegenüber Deutschland und Italien vollzogen. Am
gleichen Tag schiffte sich König Georg II. mit seiner Regierung nach Kreta ein.
Am 21. April ordnete der alliierte Oberbefehlshaber im Mittelmeer und Nahen Osten Archibald Wavell endgültig die
Evakuierung der verbleibenden alliierten Truppen nach Kreta und Ägypten (Operation Demon) an. Bis zum 30.
April konnten von der Royal Navy rund 50.000 Mann über Häfen in Attika und auf dem Peloponnes evakuiert
werden, allerdings ohne schwere Waffen und Gerät. Am 24. April gaben die alliierten Nachhutverbände die bis
dahin verteidigte Thermopylen-Stellung auf. Am Samstag dem 26. April besetzten Wehrmachtverbände Korinth und
am 27. April rückten Vorausabteilungen der 5. Panzerdivision in Athen ein. Der Feldzug Hitlers auf dem
griechischen Festland endete am 29. April mit der Einnahme von Kalamata im Süden des Peloponnes. Einige
größere ägäische Inseln, darunter Lemnos, Lesbos und Chios wurden bis Anfang Mai von deutschen Infanterie- und
Luftlandetruppen besetzt. Italienische Truppen besetzten gleichzeitig die Ionischen Inseln.
Die alliierten Verluste auf dem Festland betrugen ca. 12.000 Mann, die in Gefangenschaft gerieten, sowie das
gesamte schwere Kriegsgerät. Die Wehrmachtsverluste auf dem Festland betrugen 2.559 Tote, 5.820 Verletzte und
3.169 Vermisste.
Kreta gab Großbritannien als militärische Basis die Möglichkeit, den Zugang zur Ägäis zu kontrollieren und die
Ölfelder in Rumänien zu bombardieren. Am 20. Mai begann die deutsche Luftlandeoperation zur Eroberung Kretas
unter Beteiligung von Heereskräften sowie der deutschen und italienischen Marine. Sie gelang unter hohen Verlusten
der deutschen Truppen. Im Anschluss wurde Griechenland von den Achsenmächten in Besatzungszonen aufgeteilt,
Italien besetzte den größten Teil. König Georg II. und seine Regierung gingen ins englische Exil.
Bis zur Kapitulation wurden ewa 210.000 Soldaten der griechischen Armee in deutschen Gewahrsam genommen,
danach die gesamte etwa 430.000 Mann umfassende Armee zu Kriegsgefangenen erklärt. Nach kurzer Zeit wurden
97
Balkanfeldzug (1941)
sie jedoch nach Hause entlassen. Ein Teil der griechischen Streitkräfte konnte sich dem deutschen Zugriff entziehen
und in Ägypten sammeln. Sie bildeten die ca. 20.000 Mann starke griechische königliche Armee, die unter
britischem Oberbefehl unter anderem in El Alamein und 1944 in Italien kämpfte.
Literatur
• Kurt von Tippelskirch: Der deutsche Balkanfeldzug 1941, in: Wehrwisenschaftliche Rundschau, 5 (1955),
S.49–65.
• Jozo Tomasevich: War and Revolution in Yugoslavia: 1941–1945: Occupation and Collaboration, Verlag:
Stanford University Press, ISBN 0-804-73615-4
• Detlef Vogel: Das Eingreifen Deutschlands auf dem Balkan, in: ders. / Gerhard Schreiber/ Bernd Stegemann
(Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd.3, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1984,
S.417–511. ISBN 3-421-06097-5
• Detlef Vogel: Deutschland und Südosteuropa - Von politisch-wirtschaftlicher Einflußnahme zur offenen
Gewaltanwendung und Unterdrückung, in: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg - Analysen,
Grundzüge, Forschungsbilanz, Verlag Piper, München/ Zürich 1989, S.532–550. ISBN 3-492-10811-3
Weblinks
• Balkanfeldzug bei dhm.de [2]
Referenzen
[1] Walter Manoschek, Hans Safrian: Österreicher in der Wehrmacht in: E.Talos, E.Hanisch, W.Neugebauer (Hrsg.): NS-Herrschaft in Österreich
1938-1945, Wien 1988, ISBN 3-900351-84-8, S.342f.
[2] http:/ / www. dhm. de/ lemo/ html/ wk2/ kriegsverlauf/ balkan/
98
Luftlandeschlacht um Kreta
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Luftlandeschlacht um Kreta
Luftlandeschlacht um Kreta
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Die deutsche Luftlandung auf Kreta
Datum
20. Mai 1941–1. Juni 1941
Ort
Kreta
Ausgang
Besetzung Kretas durch Deutsche und Italiener
Konfliktparteien
Deutsches Reich, Italien
Vereinigtes Königreich, Australien, Neuseeland, Griechenland
Befehlshaber
Generalleutnant Kurt Student
Generalmajor Bernard Freyberg
Truppenstärke
[1]
22.040 Soldaten
zuzüglich Jagdflieger- und
Bomberunterstützung
[1]
42.640 Soldaten
zuzüglich Freischärler und Paramilitärs
Verluste
1.915 Gefallene
1.759 Vermisste
[2]
2.004 Verwundete
3.500 Gefallene
15.000 Gefangene
Die Luftlandeschlacht um Kreta, auch Unternehmen Merkur, war eine Schlacht im Zweiten Weltkrieg und
zugleich die erste große Luftlandeoperation der Geschichte. Nach der Einnahme Griechenlands im Verlauf des
Balkanfeldzuges 1941 wurde das von alliierten Truppen verteidigte Kreta durch die deutsche Wehrmacht erobert und
bis 1945 besetzt.
Vorgeschichte
Kreta war aus britischer Sicht von strategischem Interesse, da der Besitz der Insel wegen seiner wichtigen
geografischen Lage die Verteidigungsmöglichkeiten Ägyptens und Maltas direkt beeinflussten. Deshalb war die
Besetzung Kretas bereits in der logistischen Vorbereitung. Als am 28. Oktober 1940 Italien Griechenland angriff und
die griechische Regierung von London Hilfe erbat, landeten bereits am 1. November Vorauskommandos aus
Alexandria auf Kreta. In den folgenden Monaten folgten einige britische Infanterieverbände und
Luftabwehreinheiten, obwohl die Verteidigungsstellungen nicht wesentlich ausgebaut wurden. Athen zog die Masse
Luftlandeschlacht um Kreta
der auf Kreta stationierten griechischen Verbände im November 1940 an die Epirus-Front auf das Festland ab. Bis
Februar 1941 wurden in Maleme, Rethymno und Iraklio drei Landeplätze für die Verbände der Royal Air Force
eingerichtet. Zu Beginn des Jahres 1941 standen etwa noch 1000 griechische Soldaten auf der Insel.
Mitte April 1941 zeichnete sich nach dem deutschen Eingreifen die Niederlage der von den britischen
Expeditionsstreitkräften unterstützten griechischen Armeen ab. Als etwa 250 deutsche Transportflugzeuge nach
Plowdiw in Bulgarien verlegt wurden und deutsche Fallschirmjäger nach ihrem Einsatz in Korinth Griechenland
nicht wieder verließen, rechnete die britische Führung mit einem deutschen Luftlandeunternehmen. London
beschloss, seine Truppen aus Griechenland abzuziehen. Auf Anweisung des britischen Premierministers Churchill
wurde ein Teil des britischen Expeditionskorps nach Kreta transportiert, um die dortige Verteidigung zu verstärken.
Die Masse der britischen Truppen wurde jedoch nach Ägypten verbracht. Churchill sah trotz der Vorbehalte, die die
britischen Oberbefehlshaber im Nahen Osten und in Nordafrika wegen unzureichenden militärischen Kapazitäten
äußerten, die Gelegenheit gekommen, den deutschen Angreifern erhebliche Verluste zuzufügen oder aber im
günstigsten Falle die Insel zu halten. Zudem erwartete er von seinem Entschluss, Kreta zu verteidigen bzw. zu
halten, günstige politische Auswirkungen auf die Türkei und den gesamten Nahen Osten.
Da die griechischen Armeen vor der Deutschen 12. Armee kapitulierten mussten, beging der griechische
Ministerpräsident Alexandros Koryzis angesichts der aussichtslos erscheinenden militärischen Lage Selbstmord. Der
griechische König Georg II. bildete eine neue Regierung unter Emmanouil Tsouderos, die von Kreta aus den
Widerstand fortsetzen wollte. Sie verließ das griechische Festland am 23. April 1941 und errichtete in Chania den
Sitz einer unabhängigen griechischen Regierung.
Aus deutscher Sicht boten die britischen Stützpunkte auf Kreta – und auch auf Malta − den Briten die Möglichkeit,
den Schiffsverkehr bzw. den Nachschub der Achsenmächte nach Nordafrika wirkungsvoll zu behindern. Von Kreta
aus waren zusätzlich Vorstöße der Briten in die Ägäis möglich. Außerdem befürchtete Hitler, dass von Kreta aus
Luftangriffe auf die rumänischen Erdölfelder (z. B. Ploieşti) geführt werden könnten, die für den geplanten und kurz
bevorstehenden Krieg gegen die Sowjetunion von kriegswichtiger Bedeutung waren.
Auch die deutsche Seekriegsleitung drängte auf eine Eroberung Kretas, weil sie davon ausging, dass die
Zurückdrängung der Briten aus dem östlichen Mittelmeer entscheidend für die weitere Kriegsführung gegen England
sei. Genauso wie die Luftwaffenführung ging sie davon aus, von Kreta den Nachschubverkehr der Briten durch den
Suez-Kanal lahmlegen zu können. Erste strategische Überlegungen dazu wurden bereits Ende Oktober 1940 durch
den Chef des Wehrmachtsführungsstabes (WFSt) angestellt, die darauf abzielten, dass eine militärische Aktion der
Italiener gegen Nordgriechenland und den Piräus mit Sicherheit zu einer Inbesitznahme der Insel Kreta durch die
Engländer führen würde.[3]
Am 15. April 1941 wurde durch den General der Flieger Alexander Löhr dem Reichsmarschall Hermann Göring ein
konkreter Plan zur Eroberung Kretas durch Luftlandetruppen vorgelegt. Im vorgeschobenen Führerhauptquartier
„Frühlingssturm“ überzeugte Kurt Student am 21. April 1941 in Begleitung des Generalstabschefs der Luftwaffe
Jeschonnek den widerstrebenden Hitler von den strategischen Notwendigkeiten der Inbesitznahme Kretas. Dieser
befahl daraufhin per Führerweisung Nr. 28, das Unternehmen Merkur mit Luftlandetruppen,
Fallschirmjägerverbänden und der Unterstützung der 5. Gebirgsdivision Mitte Mai 1941 durchzuführen.
100
Luftlandeschlacht um Kreta
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Militärische Lage und Planung vor dem Angriff
Deutscher Angriffsplan
Göring beauftragte die Luftflotte 4 in Wien mit der Planung und
Durchführung der Operation. Dem General der Flieger Löhr wurde
dazu das XI. Fliegerkorps unter Student mit seinen Luftlande- und
Fallschirmjägerverbänden unterstellt. Die Jagd- und Bomberstaffeln
des VIII. Fliegerkorps unter Richthofen sollten ihren Schutz
übernehmen sowie nach der Erringung der Lufthoheit die kämpfenden
Bodentruppen aktiv unterstützen. Außerdem sollte die 12. Armee in
Griechenland Teile der 5. Gebirgsdivision zur Verstärkung des
XI. Fliegerkorps abstellen und aus weiteren Teilen der
6. Gebirgsdivision Reserven bilden. Weil der deutschen Marineführung
im Mittelmeerraum keine nennenswerten Schiffsverbände zur
Verfügung standen, wurde Italien um Unterstützung gebeten.
Alexander Löhr und Wolfram von Richthofen
(1942)
Löhrs Plan sah vor, zunächst die Hauptstadt Chania und Maleme, den größten Flugplatz Kretas, mit Luftlande- und
Fallschirmtruppen zu erobern und danach nach Osten vorzustoßen. Student wollte dagegen alle wichtigen Punkte der
Insel gleichzeitig aus der Luft angreifen und danach auf den eroberten Flugfeldern Heeresverbände landen lassen, die
den Rest der Insel besetzen sollten. Richthofens Fliegerverbände hatten aber für die Sicherung einer größeren Zahl
von Absetzorten keine ausreichende Stärke. Deswegen sah der endgültige Plan vor, nur vier Punkte aus der Luft
zeitlich gestaffelt anzugreifen. Im ersten Anflug in den Morgenstunden des Angriffs sollte wie in Löhrs Plan das
Gebiet von Chania und Maleme angegriffen werden, im zweiten Anflug am Nachmittag Rethymno und Iraklio.
Angesichts der Überlegenheit der Royal Navy auf See entschloss sich die deutsche Führung, den größten Teil der
Soldaten auf dem Luftweg zu transportieren, zumal dem maritimen „Admiral Südost“ Schuster nur zwei
Schiffsstaffeln mit zusammen etwa 60 Motorseglern zur Verfügung standen. Die italienische Marine übernahm den
Schutz dieser improvisierten Flotte von Griechenland über die Insel Milos nach Kreta. Nach der Sicherung von
Brückenköpfen und Anlandungsstellen durch Luftlandetruppen sollten weitere Truppen und Kriegsmaterial per
Schiff auf die Insel gebracht werden.
Der ursprünglich früher geplante Zeitpunkt für den Angriff wurde wegen Engpässen in der Versorgung mit
Flugbenzin endgültig auf den 20. Mai gelegt. Schon in den ersten Maitagen begannen jedoch Verbände des
VIII. Fliegerkorps mit Aufklärungsflügen und anschließenden Angriffen auf Konvois und Schiffe der Briten. Ab der
zweiten Maiwoche wurde der britische Schiffsverkehr an der Nordseite Kretas, wo die wichtigsten Häfen lagen,
praktisch blockiert. Von den Anfang Mai eingeschifften rund 27.000 Tonnen wichtiger Nachschubgüter für Kreta
konnten nur etwa 3000 Tonnen gelandet werden, während der Rest umkehren musste[4] .
Luftlandeschlacht um Kreta
102
Auf deutscher Seite war ein schneller und kontrollierter Angriff von Gebirgsund Fallschirmjägern vorgesehen. Diese waren gut ausgebildet und besaßen auf
Grund ihrer ausschließlich leichten Ausrüstung zwar nur eine geringe absolute
Feuerkraft, bedingt durch ihre hohe Mobilität und Motivation sowie ihren
ausgeprägten Korps- und Kampfgeist einen hohen Einsatzwert.
Kurt Student (1941),
kommandierender General des XI.
Fliegerkorps
Die Deutschen verfügten über 15.000 Fallschirmjäger der 7. Flieger-Division, die
nach der Eroberung eines Flugfeldes von etwa 14.000 Gebirgsjägern und 700
Kradschützen der 5. Panzerdivision durch Lufttransporte unterstützt werden
sollten. Weitere Verstärkung sollte dann auch über See angelandet werden. Dazu
kam Unterstützung von 46 Kampf- und 16 Jagdflugzeugen der Italiener von den
Dodekanes.
Für die Überführung dieser Kräfte nach Kreta war Generalmajor Konrad
verantwortlich, der zehn Kampfgruppen zur besonderen Verwendung (z. B.V.)
mit 550 Transportmaschinen Ju 52 und 60 Lastenseglern zur Verfügung hatte.
Das zur Sicherung und Unterstützung eingeplante VIII. Fliegerkorps hatte 280 Bomber, 150 Sturzkampfbomber, 180
Jagdflugzeuge und 40 Aufklärer zur Verfügung. Zur See war die Kriegsmarine mit zwei Dampferstaffeln und zwei
Motorseglerstaffeln beteiligt. Die Sicherung erfolgte durch die Marina Militare (Kapitän zur See Peccori-Giraldi)
mit zwei Zerstörern und zwölf Torpedobooten, mehreren U-Booten, Schnellbooten und Minensuchern[5] .
Der deutsche Militär-Nachrichtendienst Abwehr unterschätzte die tatsächliche Anzahl feindlicher Soldaten auf Kreta
erheblich und war der Ansicht, auf der Insel seien maximal 15.000 britische Soldaten und nur wenige griechische
Truppen stationiert. Die Bevölkerung Kretas sei den Deutschen wohlgesinnt. Dort befänden sich viele
antimonarchische Kräfte, welche die alte griechische Regierung abgelehnt hätten. Die Aufklärung der 12. Armee
ging zwar von mehr Truppen aus, unterschätzte aber die tatsächlichen Zahlen ebenfalls.
Nach dem gelungenen Abschluss des Unternehmens Merkur sah die Wehrmachtführung eine weitere Verwendung
der Luftlandetruppen während des in Vorbereitung befindlichen Russlandfeldzuges vor. Zu diesem Zweck sollte die
7. Fliegerdivision auf die drei Heeresgruppen Nord, Mitte und Süd aufgeteilt und punktuell im Bedarfsfalle während
des Vormarsches eingesetzt werden[6] .
Bewaffnung der deutschen Soldaten
Die Fallschirmjäger besaßen beim Absprung nur Pistolen und Handgranaten. Maschinengewehre, Karabiner und
Maschinenpistolen wurden in Abwurfbehältern an Lastenfallschirmen abgeworfen. Das sollte den Fallschirmjäger
vor Verletzungen bei der Landung schützen. Die Fallschirme der Waffenbehälter waren farbig markiert. Erst nach
Kreta wurde durch die Erfahrungen mit dem Absprung mit Waffe am Mann experimentiert. Rund 25 Prozent der
Truppen waren mit MP40-Maschinenpistolen ausgerüstet, für jeden achten bis zwölften Soldaten war ein
MG34-Maschinengewehr vorgesehen. Die Deutschen setzten auf Kreta mit dem Leicht-Geschütz 40 (LG40)
erstmals eine neue Panzerabwehrwaffe ein, die leichter als die bisherigen Waffen war. Diese wurden aber erst mit
den Gebirgsjägern luftgelandet und konnten nicht an Fallschirmen abgeworfen werden. Schwere Waffen wie
Feldkanonen oder gar Haubitzen standen den luftgelandeten „Leichten Infanterieverbänden“ nicht oder nur als
Beutewaffen zur Verfügung.
Luftlandeschlacht um Kreta
103
Verteidigungsvorbereitungen der Briten und Griechen
Am 30. April wurde Generalmajor Freyberg, der die neuseeländischen Truppen auf dem griechischen Festland unter
General Wavell befehligt hatte, das Kommando auf Kreta übertragen. Gleichzeitig wurde mit den
Verteidigungsvorbereitungen, die den Decknamen „Scorcher“ bekamen, begonnen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich
das britische Expeditionskorps von 30.000 Mann, das zuvor in Griechenland gekämpft hatte und evakuiert wurde,
noch zum Teil auf der Insel. Das ursprüngliche Inselkontingent umfasste etwa 5000 Soldaten, dazu kamen noch etwa
2500 kretische Gendarmen.
Die griechischen Soldaten waren schlecht ausgerüstet, da zu Beginn
des Balkankrieges alle neueren und schweren Waffen auf das Festland
gebracht worden waren. Die meisten Gewehre waren deutscher oder
österreichischer Herkunft, vor allem Mannlicher-Schönauer
Gebirgskarabiner im Kaliber 6,5x54 (M.-Sch.) und Steyr-Mannlicher
M1895 (im Rahmen des Versailler Vertrags beschlagnahmt). Etwa
1000 Griechen waren noch mit antiquierten Gras-Gewehren bewaffnet.
Weiterhin waren veraltete Maschinengewehre unterschiedlicher
Fabrikate und Kaliber vorhanden. Zudem herrschte Munitionsmangel –
die Briten hatten für viele griechische Waffen keine entsprechende
Munition in ihren Beständen.
Lieutenant General Sir Bernard Freyberg VC.
Durch die Evakuierung waren die britischen Einheiten auf der Insel
(1944)
stark vermischt und mussten neu geordnet werden. Dem
Oberbefehlshaber der Royal Navy im Mittelmeer, Admiral Cunningham, gelang es trotz der Angriffe deutscher
Flugverbände auf seine Schiffe, etwa 7000 nicht benötigte Soldaten von der Insel abzuziehen, rund 2000 Mann an
Kampftruppen auf die Insel zu schaffen und die ärgsten Lücken in Ausrüstung und Bewaffnung zu schließen.
Es mangelte an schweren Waffen, nur 85 Artillerie-Geschütze konnten aus eroberten italienischen Beständen
aufgeboten werden. Zur Flugabwehr konnte die British Army 50 Flak-Geschütze und 24 Scheinwerfer einsetzen. An
gepanzerten Fahrzeugen verfügten die Verteidiger nur über 16 veraltete Cruiser-Mk-I-, neun Matilda- und 16 leichte
Mk-VI-Panzer. Für die Panzer stand aber hauptsächlich panzerbrechende Munition zur Verfügung, deren Einsatz
gegen Infanterie wenig sinnvoll ist. Auch gab es kaum Ersatzteile für die Panzer und das Gelände erschwerte deren
Einsatz. So wurden einige Panzer in befestigte Stellungen eingebaut. Der bei Fallschirmjäger-Anlandungen
angezeigte bewegliche Einsatz von Panzerkräften wurde dadurch zusätzlich behindert.
Der Bestand der Royal Air Force umfasste Anfang Mai sechsunddreißig Maschinen auf Kreta, wobei nur deren
Hälfte einsatzfähig waren. Diese Flugzeuge wurden einen Tag vor dem deutschen Angriff nach Ägypten verlegt, um
sie der Vernichtung zu entziehen und für andere Einsätze zu erhalten[7] . Unmittelbar vor der Verlegung flogen die
Briten aber noch Angriffe gegen die deutschen Häfen. Daraus schlossen wiederum die Deutschen, dass die
Engländer die Vorbereitungen für Operation Merkur erkannt hatten[8]
Die Royal Navy kontrollierte weiterhin die See um Kreta, die Lufthoheit hatten jedoch die Achsenmächte.
Luftlandeschlacht um Kreta
Alliierter Verteidigungsplan
Freyberg ging von einem kombinierten Luft-See-Angriff aus und legte die Masse seiner Truppen an die Nordküste in
den Bereich Maleme–Chania–Souda-Bucht mit dem Auftrag, Hauptstadt, Flugplatz und Hafen zu halten. Es
befanden sich
•
•
•
•
in Maleme die 2. Neuseeländische Division, 11.500 Mann, darunter 3500 Griechen
in Chania/Souda verschiedene britische und australische Einheiten, 17.400 Mann, davon 930 Griechen
in Rethymno die 19. Australische Brigade, 4800 Mann, davon 3200 Griechen
in Iraklio die 14. britische Brigade, davon 2700 Griechen
Admiral Cunningham gab General Wavell folgende Verteidigungsabsichten seiner Schiffsverbände südlich von
Kreta bekannt:
• Force C unter Konteradmiral Glennie auf der Dido mit Kandahar, Kingston, Juno und Coventry sollten Iraklio
und Sitia abschirmen.
• Force D unter Konteradmiral King auf der Naiad mit Phoebe und zwei Zerstören sollte jede Landung westlich
Rethymno verhindern.
• Force B mit Gloucester und Fiji sollten deutsche Verbände nordwestlich von Kreta vernichten oder Verband D
unterstützen.
• Force A unter Vizeadmiral Pridham-Whippell auf der Queen Elizabeth mit Barham und fünf Zerstörern sollte die
anderen Verbände abschirmen.
• Reserveverbände, die in Alexandrien verblieben: Warspite, Valiant, Formidable, Orion, Ajax sowie verfügbare
Zerstörer
• U-Boot Rorqual sollte um Lemnos operieren.
• eine Schnellboot-Flottille wurde in der Soudabucht stationiert.
• Minenfelder wurden durch die Abdiel zwischen Kephalonia und Levkas gelegt, um die Verbindung durch den
Kanal von Korinth zu unterbrechen
• Luftaufklärung war vorgesehen, aber zu schwach
• Kommandeur der Operationen auf See war der Oberbefehlshaber Mittelmeer in Alexandrien, doch sollten die
einzelnen Verbände selbstständig operieren.
Da die Briten die deutsche Verschlüsselungsmaschine Enigma auslesen konnten, waren sie über die Angriffspläne in
annähernd allen Einzelheiten informiert. Abgehört wurden fast alle Funksprüche zwischen dem Oberkommando der
Luftwaffe und den in Griechenland mit der Vorbereitung und Planung befassten militärischen Stäben, so dass die
Alliierten gezielte Abwehrmaßnahmen einleiten konnten und General Freyberg daraufhin die Verteidigung der
Flugfelder verstärken ließ. Er musste jedoch einsehen, dass die schlechte Ausbildung von Teilen und die schlechte
Ausstattung aller seiner Truppen eine effektive Verteidigung erschwerten.
Freyberg plante daher, die Flugfelder so zu beschädigen, dass diese unbenutzbar würden. Doch wurde ihm dies vom
Oberbefehlshaber der britischen Armee Wavell untersagt. Wavell ging davon aus, dass allein das Wissen über den
Angriffsplan genügen würde, um den Angriff abzuwehren und eine Zerstörung der Flugfelder nur eine schnelle
Ausstattung der Insel mit eigenen Flugzeugen verhindert hätte. Bis heute ist diese Entscheidung umstritten; sie gilt
als ein Grund für den deutschen Sieg. Die deutschen Transportflieger nahmen allerdings teilweise bewusste
Bruchlandungen auf Stränden und Feldern in Kauf. Einige Historiker glauben, dass für die deutsche Führung der
Verlust einer beträchtlichen Anzahl von Flugzeugen nachrangig war beziehungsweise einkalkuliert wurde. Im
Vordergrund hätte allein der Erfolg des Angriffs gestanden, der somit auch ohne die Eroberung von Flugfeldern
gelungen wäre.
104
Luftlandeschlacht um Kreta
Operationsverlauf
Die deutschen Landungskräfte gliederten sich wie folgt:
Gruppe West (erste Welle) unter Generalmajor Meindl mit Angriffsziel Maleme
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Regimentsstab (Major Braun)
Bataillonsstab I./Luftlande-Sturm-Regiment (Major Koch)
Stoßtrupp Brücke (Oberleutnante Schächter und Trebes)
3./Luftlande-Sturm-Regiment (Oberleutnant v. Plessen)
4./Luftlande-Sturm-Regiment (Hauptmann Sarazin)
II./Luftlande-Sturm-Regiment (Major Stenzler)
III./Luftlande-Sturm-Regiment (Major Scherber)
IV./Luftlande-Sturm-Regiment (Hauptmann Gericke)
3./Fallschirm-Fla-MG-Bataillon (Oberleutnant Theuerling)
1./Fallschirm-Artillerie-Abteilung (Hauptmann Schramm)
1. Zug, Fallschirm-Sanitäts-Abteilung (Oberarzt Dr. Dietzel)
Gruppe Mitte (zweite Welle) unter Generalleutnant Süßmann mit den Angriffszielen Chania, Rethymno, das Dorf
Souda und die Soudabucht
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Divisionsstab 7. Flieger-Division (Generalleutnant Süßmann)
1./Luftlande-Sturm-Regiment (Oberleutnant Genz)
2./Luftlande-Sturm-Regiment (Hauptmann Altmann)
Stab/Fallschirm-Jäger-Regiment 3 (Oberst Heidrich)
I./Fallschirm-Jäger-Regiment 3 (Hauptmann Freiherr von der Heydte)
II.Fallschirm-Jäger-Regiment 3 (Major Derpa)
III./Fallschirm-Jäger-Regiment 3 (Major Heilmann)
3./Fallschirm-MG-Bataillon (Hauptmann Schmidt)
Fallschirm-Pionier-Bataillon (Major Liebach)
1./Fallschirm-Sanitäts-Abteilung (Stabsarzt Dr. Mallison)
Gruppe Ost (dritte Welle) unter Generalleutnant Ringel mit den Angriffszielen Stadt und Flugplatz Iraklio
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Stab/Fallschirm-Jäger-Regiment 1 (Oberst Bräuer)
I./Fallschirm-Jäger-Regiment 1 (Major Walther)
II./Fallschirm-Jäger-Regiment 1 (Hauptmann Burckhardt)
III./Fallschirm-Jäger-Regiment 1 (Major K.-L. Schulz)
II./Fallschirm-Jäger-Regiment 2 (Hauptmann Schirmer)
1./Fallschirm-Fla-MG-Bataillon (?)
2./Fallschirm-Sanitäts-Abteilung (Stabsarzt Dr. Langemeyer)
105
Luftlandeschlacht um Kreta
106
Erster Tag: 20. Mai
Am Dienstag dem 20. Mai gegen 07:15 Uhr begann Unternehmen
Merkur mit der Bombardierung der vorgesehenen Absetzzonen durch
die deutsche Luftwaffe. Bei Maleme war die britische Flugabwehr
praktisch sofort außer Gefecht. Während das Bombardement noch im
Gange war, begannen bereits westlich des Flugplatzes Lastensegler des
I./Luftlande-Sturm-Regiments der Gruppe West (erste Welle), in echter
oder in Bruchlandung niederzugehen.[9] Die britischen Truppen,
überrascht wegen der schonungslosen und draufgängerischen Art und
Weise der Landung sowie der Kampfstärke der Landetruppen,
begannen die Gleiter sowie die ausbootenden Soldaten der
Luftlande-Sturmeinheiten mit Granatwerfern unter Feuer zu nehmen.
Die sofortige Einnahme des Flugfeldes Maleme verhinderten die
Neuseeländer im Nahkampf.
Das Absetzen des II., III. und IV. Bataillons der ersten Welle gelang
fast ohne Schwierigkeiten und nur sieben der 493 aufgestiegenen Ju 52
gingen verloren.[10] Die niederschwebenden Fallschirmjäger wurden
jedoch unerwartet hohem Sperrfeuer ausgesetzt, wodurch viele bereits
in der Luft verwundet oder getötet wurden. Selbst wenn sie heil am
Boden ankamen, waren sie teilweise vom Wind weit verstreut und
mussten sich, nur leicht bewaffnet, erst zu den Waffenbehältern
durchkämpfen um sich dann neu zu gruppieren. Des Weiteren wurden
sie durch die große Anzahl feindlicher Truppen und das starke
Abwehrfeuer überrascht, da die Aufklärung weit geringeren
Widerstand vorausgesagt hatte.
Deutsche Gebirgsjäger im Transportflugzeug
Fallschirmjäger springen über Kreta ab (Ju 52)
Durch zeitliche Verzögerungen erwies sich das geplante
Zusammenführen von Bomber- und Transportverbänden als
Ein deutscher Lastensegler nach einer
undurchführbar. Zum einen mussten die zu ihren Stützpunkten
Bruchlandung
zurückgekehrten Transportmaschinen zum Teil mühsam mit
Handpumpen aus Fässern aufgetankt werden, zum anderen war eine
größere Ansammlung von Flugzeugen in der Luft wegen der enormen Staubentwicklung beim Start nicht möglich.
So wurde die Gruppe Mitte (zweite Welle) gegen 16:15 Uhr bei Rethymno und um 17:30 Uhr bei Iraklio verspätet
abgesetzt, nachdem der vorausgangende Bombenangriff bereits einige Stunden vorher stattgefunden hatte und die
entstandenen Schäden notdürftig beseitigt worden waren.
Die zweite Welle der deutschen Luftlandeverbände erlitt deshalb ebenfalls schwere personelle Ausfälle im
Abwehrfeuer. Gegen Ende des Tages hatten die Deutschen keines ihrer Ziele erreicht. Dennoch zeichneten sich auf
britischer Seite erste Probleme ab. Es mangelte an Fahrzeugen, hauptsächlich an sachgemäß bewaffneten Panzern,
vor allem aber an Kommunikationsmitteln, um wenigstens die vorhandenen Fahrzeuge gegen die einzelnen
provisorisch errichteten deutschen Widerstandsnester zum Einsatz zu bringen. Außerdem erschwerte die deutsche
Lufthoheit die britischen Verteidigungsbemühungen. Dadurch konnten die deutschen Fallschirmjäger ihre
provisorisch errichteten Stellungen behaupten.
Die vorgesehenen 200-Watt-Funksender der deutschen Landungstruppen gingen beim Aufprall der Lastensegler
teilweise zu Bruch und die Gruppe West und Mitte hatte keine Verbindung zum Gefechtsstand in Athen. So hatte der
kommandierende General des XI. Fliegerkorps keine Kenntnis darüber, dass der Angriff auf den Flugplatz Maleme
vorerst gescheitert war, der Kommandeur der 7. Fliegerdivision Kreta gar nicht erreicht hatte, weil er über der Insel
Luftlandeschlacht um Kreta
107
Ägina abgestürzt war und dass manche der Landeeinheiten nur noch über einen Bruchteil ihrer Kampfstärke
verfügten.[11] Bei Sonnenuntergang des ersten Tages waren von den ursprünglich 10.000 gelandeten
Fallschirmjägern nur noch 6000 Mann kampffähig.[12]
Als General Student in der Nacht vom 20. zum 21. Mai über die Lage auf Kreta unterrichtet wurde, befahl er, alle
zur Verfügung stehenden Kräfte vordringlich auf die Einnahme des Flugplatzes bei Maleme zu konzentrieren.
Zweiter Tag: 21. Mai
In der Nacht zum 21. Mai wurde jede im Südosten Europas verfügbare deutsche
Transportmaschine nach Kreta abgezogen, um die Überführungsflüge für die
Fallschirmjäger zu unterstützen, da innerhalb kurzer Zeit mehr als 150
Maschinen Ju 52 während der Kampfhandlungen ausgefallen waren. Dazu stellte
die Luftwaffe hauptsächlich die erst kürzlich in den Iran aufgenommenen
[13]
Versorgungsflüge wieder ein.
Truppentransporter Ju 52 im Tiefflug
über Kreta
Am Mittwoch, dem 21. Mai 1941, sprang der bereits 52-jährige Oberst
Ramcke bei Maleme ab und übernahm anstelle des verwundeten
Generalmajor Meindl die Führung über die Gruppe West. Die
Landebahn selbst lag jedoch unter dem Beschuss der britischen
Granatwerfer, Geschütze, Maschinengewehre sowie mehrerer leichter
und schwerer Flak, die auf der dominierenden Höhe 107 (heute
deutscher Soldatenfriedhof Maleme) aufgestellt war. Trotzdem
landeten die ersten Ju 52 unter hohen Verlusten auf den Pisten und
dem westlich angrenzenden unebenen Gelände. Schrittweise gelang es
den Deutschen, ihre Position westlich des Flughafens auszubauen
sowie Material und Personal anzulanden.
Nach schwerer Bombardierung durch Sturzkampfbomber gelang die
schrittweise Eroberung der Höhe 107 durch deutsche Truppen, die
dann neu koordiniert das Flugfeld von Maleme von Westen aus
angriffen und gegen 17:00 Uhr einnahmen. Zur Unterstützung des
Angriffes erfolgte eine zweite Absprungwelle deutscher
Fallschirmjäger.[14] Ein nächtlich unternommener Gegenangriff der
Briten und verbündeter Einheiten drang bis zum Rand des Flugplatzes
vor; der Angriff musste jedoch bei Tagesanbruch und mit
Wiedererscheinen der deutschen Luftwaffe eingestellt werden.[15]
Toter Fallschirmjäger
Ju 52 nach Bruchlandung
Luftlandeschlacht um Kreta
108
In der Nacht zum 22. Mai wurde ein aus Piräus in Richtung Kreta
ausgelaufener erster deutscher Geleitzug (Oberleutnant zur See
Oesterlin), bestehend aus kleinen Dampfern und Motorseglern und mit
über 2300 Gebirgsjägern an Bord, durch die britische Force D
(Konteradmiral Glennie) gestellt, der über drei Kreuzer (Ajax, Dido,
Orion) und vier Zerstörer (Hasty, Hereward, Janus, Kimberley)
verfügte. Nur das entschlossene Eingreifen des italienischen
Torpedoboots Lupo war dafür verantwortlich, dass der Konvoi vor der
völligen Vernichtung bewahrt blieb und sich auflösen konnte.
Fallschirmjäger erklimmen einen Hügel
Trotzdem fanden rund 300 deutsche Soldaten den Tod. Ein zweiter
deutscher Geleitzug mit 4000 Gebirgsjägern wurde bei Tagesanbruch durch vier Kreuzer und drei Zerstörer der
Force C (Konteradmiral King) entdeckt. Jedoch erschien die deutsche Luftwaffe rechtzeitig; zusammen mit dem
sichernden Torpedoboot Sagittario konnte der Konvoi erfolgreich verteidigt werden, lediglich zwei Segler wurden
versenkt.[16] [17]
Dritter Tag: 22. Mai
Das britische Unterhaus wurde durch den Premierminister seit dem
Beginn der deutschen Invasion laufend über die Kampfhandlungen
unterrichtet. Am 21. Mai erklärte Churchill zur Lage auf Kreta:
„Meldungen General Freybergs geben folgendes Bild: Die meisten der
3000 mit Flugzeugen und Fallschirmen in der Suda-Bay am Dienstag
gelandeten deutschen Truppen wurden in einer zweistündigen Schlacht
unschädlich gemacht. […] Am heutigen Mittwoch ist mir ein zweiter
Lieutenant General Freyberg, Kommandierender
amtlicher Bericht übermittelt worden, aus dem unzweifelhaft
General der alliierten Einheiten auf Kreta
hervorgeht, dass die deutschen Fallschirmtruppen, die bei Rythemnon
landeten, in englischer Kampfausrüstung gekleidet waren.[18] “ Und
am 22. Mai abends: „Es handelt sich um eine ungewöhnliche und erbitterte Schlacht, in welcher wir keine
Unterstützung durch die Luftwaffe haben, da wir, obwohl es an Flugzeugen nicht mangelt, keine Flugplätze haben.
Der Gegner verfügt seinerseits über keine oder sehr wenig Artillerie und keine Kampfwagen. Rückzugsmöglichkeiten
sind auf beiden Seiten nicht vorhanden. Es ist eine außerst heftige Schlacht.[19] “
Am 22. Mai gelang es den deutschen Einheiten, das Flugfeld bei Maleme zu einer brauchbaren Operationsbasis
auszubauen. Stündlich landeten nun durchschnittlich 20 Transporter und brachten Nachschub. Noch entscheidender
war jedoch die Tatsache, dass diese Flugzeuge nun auch wieder aufsteigen konnten, um neue Truppen
einzufliegen.[20]
Weiterhin bekämpfte die Luftwaffe die britischen Marineeinheiten, die
die Überführung deutscher Truppen nach Kreta in der Nacht
verhinderten. Die Force C und D sowie deren Deckungsgruppe unter
Konteradmiral Rawlings mit mehreren Zerstörern und Kreuzern
mussten unter den ständigen Luftangriffen die Gewässer nördlich
Kreta, zum Teil schwer beschädigt, verlassen. Es zeigte sich ganz klar,
dass die deutsche Luftüberlegenheit den Schlachtverlauf
entscheidender beeinflusste als die britische Seeherrschaft. Ab dem
23. Mai war auch der Seeweg für Nachschublieferungen der
Achsenmächte nach Kreta offen.[21]
Souda-Bucht: Durch Luftangriffe in Brand
geschossene Schiffe
Luftlandeschlacht um Kreta
109
Die deutsche Öffentlichkeit wurde erst spät über die angelaufenen militärischen Operationen auf Kreta informiert. In
einer Sondermeldung vom 24. Mai gab das Oberkommando der Wehrmacht unter anderem folgendes bekannt:
„Die Erklärung Churchills, dass auf Kreta deutsche Truppen in neuseeländischen Uniformen abgesetzt worden sein,
ist unwahr. Sollte sie der Anlaß oder die nachträgliche Begründung dafür sein, dass deutsche Fallschirmjäger nicht
nach den Regeln des Völkerrechtes behandelt werden oder behandelt worden sind, so wird das Oberkommando der
deutschen Wehrmacht die entsprechende Vergeltung an der zehnfachen Anzahl britischer Kriegsgefangener
anordnen.[22] “
Mit der Ausweitung des Landekopfes bei Maleme fiel am 26. Mai die endgültige militärische Entscheidung zu
Gunsten der deutschen Truppen, worauf das britische Oberkommando in der Nacht zum 27. Mai den Entschluss
fasste, Kreta zu räumen. Am 27. Mai fiel die Hauptstadt Chania, am 28. Mai der Hafen in der Soudabucht in
deutsche Hand. Am 29. Mai kapitulierte Rethymno.[23]
Evakuierung der Alliierten vom 28. Mai bis zum 1. Juni
Der bereits durch Fliegerangriffe angeschlagenen britischen Flotte
oblag die Aufgabe der Evakuierung der rund 22.000 Mann von Kreta.
Die Einschiffungen erfolgten vornehmlich vom offenen Strand bei
Sfakia. Mindestens 15.000 Mann der Empiretruppen lagen dort im
felsigen Gelände verborgen und warteten auf ihre Einschiffung,
während die britische Nachhut in steter Gefechtsfühlung mit den
nachstoßenden deutschen Verbänden blieb. In mehreren nächtlichen
Aktionen konnte vom 28. bis zum 31. Mai ein Großteil der Truppen an
Bord genommen werden, um sie unter ständigen Luftangriffen fast 350
Seemeilen nach Alexandria in Sicherheit zu bringen.[24]
Brennendes britisches Fahrzeug nach einem
Luftangriff
Eine gleichzeitig durchgeführte Expedition Admiral Rawlings zur Rettung der
Garnison in Iraklio erlitt auf der Rückfahrt durch die Luftwaffe empfindliche
Verluste und einige Totalausfälle an Schiffsraum. Die Bombenabwürfe begannen
um 6:00 Uhr und dauerten bis 15:00 Uhr, als sich das mit über 4000 evakuierten
Soldaten belegte Geschwader Alexandria bereits auf 100 Seemeilen genähert
hatte. Viele Bombentreffer hatten in Anbetracht der Überbelegung der Schiffe
verheerende Auswirkungen, und bei der Ankunft wurde festgestellt, dass
mindestens jeder fünfte Mann tot oder verwundet war.[25] Den Briten stellte sich
die Frage, inwieweit die Flotte zur Rettung der Truppen riskiert werden könne.
Verwundete britische Truppen gehen
nach der Evakuierung im
Befürchtungen der Armee wurden jedoch durch Admiral Cunningham mit der
ägyptischen Alexandria von Bord
Bemerkung „It takes three years to build a ship, it takes three centuries to build a
tradition.“ (dt. Es braucht drei Jahre, um ein Schiff zu bauen, es braucht drei
Jahrhunderte, um eine Tradition aufzubauen) zerstreut, und die Einschiffungen wurden fortgesetzt.
Luftlandeschlacht um Kreta
110
Die deutschen und mittlerweile angelandete italienische Truppen
versuchten, den zurückweichenden alliierten Truppen den Weg
abzuschneiden. Gebirgsjäger und Krad-Schützen konnten sich
wesentlich schneller in dem gebirgigen Gelände bewegen, doch
wurden größere Einkreisungen durch die erbitterte Gegenwehr der
Alliierten sowie das felsige Terrain verhindert.
In der Nacht zum 31. Mai wurde General Freyberg auf Anweisung des
Generalstabes ausgeflogen. Der griechische König und der britische
Gefangennahme britischer Soldaten
Gesandte wurden einige Tage zuvor unter erheblichem Risiko
evakuiert.[26] Die Truppeneinschiffungen wurden am 1. Juni gegen
03:00 Uhr eingestellt. Es gelang der Royal Navy, fast 17.000 Mann britischer und Empiretruppen nach Ägypten zu
bringen. General Wavell ermächtigte die über 5000 auf Kreta verbliebenen Soldaten zur Kapitulation. Etwa 500
Commonwealth-Soldaten zogen sich jedoch stattdessen in die umliegenden Berge zurück, nachdem auch der letzte
Hafen Chora Sfakion von deutschen Truppen eingenommen worden war. Teile der Landbevölkerung leisteten ihnen
und den griechischen Soldaten Beistand. Im Falle der Entdeckung drohte ihnen durch die deutsche Besatzungsmacht
drakonische Strafen. Da die schweren Waffen fast vollständig zerstört oder bereits aufgegeben waren, wurde die
noch vorhandene Munition an Partisanen verteilt.
Widerstand der Bevölkerung gegen die deutsche Besetzung
Zur Stärkung der Verteidigungskräfte auf Kreta waren in den Tagen
und Wochen vor dem deutschen Angriff Milizen und Bürgerwehren
aufgestellt worden. Unmittelbar nach Beginn der Landung deutscher
Fallschirmjäger schlossen sich zahlreiche kretische Zivilisten diesen
Verbänden an oder unterstützten Truppen der griechischen Armee oder
der Gendarmerie im Kampf gegen die Angreifer. Als deutsche Truppen
im Kampf auf bewaffnete Zivilisten stießen, wurden diese als
Freischärler betrachtet und gewöhnlich an Ort und Stelle
erschossen.[27]
Im weiteren Verlauf der Kämpfe wurden wiederholt deutsche Soldaten
aus der kretischen Bevölkerung heraus angegriffen. Insbesondere
verwundete und versprengte Fallschirmjäger wurden von kretischen
Zivilisten misshandelt und wurden zum Teil von alliierten Soldaten vor
Übergriffen geschützt.[27]
Deutsche, italienische und bulgarische
Besatzungszonen in Griechenland und auf Kreta
Der Widerstandswille der kretischen Bevölkerung kam für die deutsche Führung völlig überraschend, hatte sich doch
die Bevölkerung auf dem griechischen Festland während des deutschen Vormarsches in aller Regel passiv verhalten.
Diese Erfahrung und das Auffinden von deutschen Gefallenen, die vermeintliche Verstümmelungen aufwiesen,
führten zu zahlreichen spontanen Vergeltungsmaßnahmen von Seiten der eingesetzten deutschen Truppen.[27]
Vor allem um die Moral der durch große Verluste geschwächten Truppe aufrechtzuerhalten und als
Abschreckung[27] erließ General Student am 31. Mai 1941 folgenden Befehl [28] :
„… Jetzt ist die Zeit gekommen, allen derartigen Fällen planmäßig nachzugehen, Vergeltung zu üben und
Strafgerichte abzuhalten, die auch als Abschreckungsmittel für die Zukunft dienen sollen. Ich beabsichtige, in
dieser Richtung mit äusserster Härte vorzugehen.
… Als Vergeltungsmaßnahmen kommen in Frage: 1.) Erschiessungen 2.) Kontributionen 3.) Niederbrennen
von Ortschaften (vorher Sicherstellung aller Barmittel, die restlos den Angehörigen zugute kommen sollen) 4.)
Luftlandeschlacht um Kreta
Ausrottung der männlichen Bevölkerung ganzer Gebiete. Die Genehmigung zu 3.) u. 4.) behalte ich mir vor.
Sie ist auf dem kürzesten Wege einzuholen (mit stichwortartiger Begründung).
Es kommt nun darauf an, alle Maßnahmen mit größter Beschleunigung durchzuführen, unter Beiseitelassung
aller Formalien und unter bewusster Ausschaltung von besonderen Gerichten. Bei der ganzen Sachlage ist
dies Sache der Truppe und nicht von ordentlichen Gerichten. Sie kommen für Bestien und Mörder nicht in
Frage.[29] “
Diese von Student befohlenen Maßnahmen waren auch im Sinne des
damals geltenden Kriegsvölkerrechts keine zulässigen Repressalien,
sondern Kriegsverbrechen. Unmittelbar nach der Beendigung der
Kampfhandlungen auf Kreta wurden am 2. Juni 1941 auf Befehl von
Oberleutnant Horst Trebes in Kondomari eine unbekannte Anzahl von
männlichen Zivilisten erschossen (auf einem Gedenkstein im Ort sind
23 Namen verzeichnet). Noch während der Kämpfe erging, wie ihr
Kommandeur Generalmajor Ringel am 4. Juni berichtete, an die
Erschießung von Zivilisten in Kondomari
5. Gebirgsdivision der Befehl,[30] für jeden deutschen Gefallenen zehn
Kreter zu erschießen. Außerdem wurden Gehöfte und Dörfer, aus
denen heraus deutsche Truppen beschossen worden waren, niedergebrannt und in allen Orten Geiseln genommen.[31]
Wegen des Widerstandes der Bevölkerung während der Invasion wurden zwei Sonderunternehmen durchgeführt. In
Zusammenarbeit mit dem Reichssicherheitshauptamt, das die Fahndungslisten und die standgerichtlichen Urteile
erstellte, wurden eine Anzahl von Personen gefangengenommen. Beim Sonderunternehmen Völkerbund, das von der
5. Gebirgsdivision geführt wurde, wurden 110 Männer zum Tode verurteilt und erschossen, weitere 39 Zivilisten bei
bewaffnetem Widerstand oder „auf der Flucht“. Unter anderem wegen des Widerstandes der Bevölkerung wurden in
der Folge bis zu 50.000 Mann deutsche Besatzungstruppen auf Kreta stationiert. Alleine in den ersten Monaten
fielen mehr als 2000 Kreter den Maßnahmen der deutschen Truppen zum Opfer.[32]
Militärische Bewertung der Operation
Bei der Durchführung dieser militärischen Unternehmung zeigte sich grundsätzlich die deutsche Lufthoheit der
britischen Seeherrschaft als überlegen. Letztlich war es nur dieser Luftüberlegenheit zu verdanken, dass nach dem
dritten Angriffstag deutsche Verstärkungen auf dem Seewege nach Kreta überführt und die britische Flotte die
Landungsoperation nicht nennenswert behindern konnte.
Die Besetzung Kretas durch die Achsenmächte sicherte deren Südostflanke angesichts des bevorstehenden Überfalls
auf die Sowjetunion. Dennoch hatte die Besetzung Kretas durch deutsche und italienische Truppen keinerlei
strategische Auswirkungen auf die weitere Kriegsführung auf diesen Kriegsschauplatz, obwohl die Insel bis zur
Kapitulation am 8. Mai 1945 in deutscher Hand blieb. Außerdem spielte sicherlich die Tendenz der deutschen
Führung, Afrika, den Mittelmeerraum und den Vorderen Orient als Nebenkriegsschauplätze zu betrachten, eine
Rolle. Die Nichtauslösung des im April 1942 beschlossenen und für Juli festgesetzten Unternehmen Herkules, der
geplanten Besetzung der Insel Malta, entwertete zum großen Teil die Eroberung Kretas und war sicherlich auch auf
die blutigen Erfahrungen von „Merkur“ zurückzuführen. Gleichzeitig war dies ein Anzeichen für das generelle
Fehlen einer deutschen Gesamtkriegskonzeption. So blieben die Befürchtungen der Alliierten, dass das Deutsche
Reich nach dem Balkanfeldzug eine Entscheidung im Mittelmeerraum und in Afrika anstreben würde, grundlos.
Die deutsche Wehrmacht verfügte lediglich über eine Luftlandedivision, nämlich die 7. Fliegerdivision. Diese
großteils aus hochmotivierten Freiwilligen bestehende Division verlor nahezu die Hälfte ihrer Soldaten im Kampf
gegen die englischen, australischen, neuseeländischen und griechischen Verteidiger.[33]
Nach dem verlustreichen Kreta-Einsatz wurde die Division wieder aufgefüllt und in verschiedenen
"Feuerwehr"-Einsätzen verwendet.[34]
111
Luftlandeschlacht um Kreta
Die Operation „Merkur“ wurde durch die deutschen Truppen nur unter großen Verlusten erfolgreich abgeschlossen.
Die Ursachen dafür lagen in Führungsfehlern, vorhandenen Mängeln in der Bodenorganisation und zu knapp
bemessener Vorbereitungszeit. Die Hauptgründe waren jedoch die völlige Unterschätzung des Gegners, die
Annahme, dass die Bevölkerung die deutschen Truppen freundlich empfangen würde, sowie das fehlende
Überraschungsmoment, da die Engländer in fast allen Einzelheiten über den bevorstehenden Angriff informiert
waren. Im Schlachtbericht des XI. Fliegerkorps heißt es unter anderem:
„Die britischen Bodentruppen auf Kreta waren ungefähr dreimal so stark wie angenommen. Die Kampfgebiete auf
der Insel waren mit größter Sorgfalt und mit allen Mühen zur Verteidigung vorbereitet worden […] Alle
Befestigungen waren sehr geschickt getarnt […] Die auf den Mangel an Informationen zurückzuführende
Unkenntnis über die genaue Lage des Feindes gefährdete den Angriff und führte zu außerordentlich hohen und
blutigen Verlusten.[35] “
Die Westalliierten waren von der Schlagkraft der deutschen Fallschirmjäger beeindruckt. Winston Churchill befahl
darauf den Aufbau von britischen Luftlandeeinheiten. Die Alliierten unternahmen im Verlaufe des Krieges große
Luftlandungen während der Landung auf Sizilien, der Landung in der Normandie, der Luftlandung während der
Operation Market Garden, mit der größten Luftlandung während der Operation Varsity 1945.
Verluste
Das „Unternehmen Merkur“ forderte auf deutscher und britischer Seite sowie unter der griechischen
Zivilbevölkerung erhebliche Verluste an Menschenleben und Material. Die Royal Navy erlitt in den Seegefechten
vor Kreta und hauptsächlich während der Evakuierung hohe Verluste. So wurden drei Kreuzer (Gloucester, Fiji und
Calcutta) und sechs Zerstörer (Kelly, Greyhound, Kashmir, Hereward, Imperial und Juno) versenkt sowie sechs
Kreuzer, fünf Zerstörer, drei Schlachtschiffe und der einzige Flugzeugträger zum Teil stark beschädigt. Dabei fanden
über 2000 britische Seeleute den Tod.
Insgesamt gerieten etwa 5000 britische und Empiresoldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft, wobei später durch
Kommando-Unternehmen einigen Hundert zur Flucht verholfen wurde.[36]
Die Deutschen hatten nach offiziellen Angaben Verluste von 6200 Soldaten zu beklagen, darunter 3714 Gefallene
und 2494 Verwundete. Nach dem Krieg zählte eine australische Kriegsgräberkommission bei Maleme und
Soudabucht über 4000 deutsche Soldatengräber und weitere tausend bei Rethymno und Iraklio[37] . Alle auf Kreta
geborgenen 4465 deutschen Gefallenen wurden 1974 in den neugestalteten Deutschen Soldatenfriedhof Maleme
umgebettet.
Prominentester Verwundeter war die Boxlegende Max Schmeling, der sich am 21. Mai bei der Landung eine
Verletzung zuzog.
Von den 493 durch die Luftwaffe eingesetzten Ju 52 wurden 271 abgeschossen oder waren so schwer beschädigt,
dass sie nicht mehr einsetzbar waren.
112
Luftlandeschlacht um Kreta
113
Verweise
Interne Verweise
• Deutsche Besatzungszeit Kretas
• Kandanos
• Kondomari
Literatur
• Peter Antill: Crete 1941: Germany's Lightning Airborne Assault. Osprey Publishing, Oxford 2005, ISBN
1-84176-844-8.
• Antony Beevor: Crete. The Battle and the Resistance. John Murray Ltd, 1991. Penguin Books, 1992. Pbk ISBN
0-14-016787-0 Boulder : Westview Press, 1994. LCCN 93-47914 [38]
• Christopher Buckley:Greece and Crete 1941. London, 1952. Greek pbk edition (in English): P. Efstathiadis &
Sons S.A., 1984. Pbk ISBN 960-226-041-6.
• Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz, Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in
Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941-1945), Band 6. Hüthig Verlagsgemeinschaft,
Berlin, Heidelberg 1992, ISBN 3-8226-1892-6.
• Alan Clarke: The Fall of Crete. Weidenfeld Military, November 2000, ISBN 0-304-35226-8.
• Karl-Heinz Golla: Die deutsche Fallschirmtruppe, 1936-1941. Ihr Aufbau und ihr Einsatz in den ersten
Feldzügen der Wehrmacht. Mittler, Hamburg 2006, ISBN 3-8132-0684-X, Seiten 353-558.
• G.C. Kiriakopoulos: The Nazi Occupation of Crete 1941-1945. Praeger, London 1995, ISBN 0-275-95277-0.
• Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg
• Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd.3, Der
Mittelmeerraum und Südosteuropa, Stuttgart 1984, ISBN 3-421-06097-5.
• Piekałkiewicz, Janusz: Der Zweite Weltkrieg 1941-1942.
• Marlen von Xylander: Die deutsche Besatzungsherrschaft auf Kreta 1941-1945 (= Einzelschriften zur
Militärgeschichte, Bd. 32), Freiburg i.B. 1989.
• Christian Zentner: Der Zweite Weltkrieg. Ein Lexikon.
Weblinks
• Bilder von der Erschießung in Kondomari am 2. Juni 1941 von Franz Peter Weixler [39]
• Bericht über die Erschießung von Zivilisten in Kondomari [40] von Franz Peter Weixler [41] (PDF-Datei; 1,10
MB)
Referenzen
[1] Hans Rudolf Fuhrer, Adrian Baschung: Operation «Merkur»: Die deutsche Luftlandung auf Kreta als Prüfstein des neuseeländischen
Gefechtsnachrichtendienstes (http:/ / docs. google. com/ viewer?a=v& q=cache:rkssQz5RX2oJ:129. 132. 36. 135/ serviceengine/ Files/ SSN/
45234/ ipublicationdocument_singledocument/ 1c4663f4-8eed-4f0a-9dbb-31c0782f37f3/ de/ Land_Power_Revue_N_3. pdf+ Kreta+ 22040+
42640& hl=de& gl=de& pid=bl&
srcid=ADGEEShXmYHzRPm_Zx73wHpanQxqitZYHNaXcdHp4_ydNMJCHlnLIVIshDNP4ghaEHEzXLIBINGMve2B_Od5OpUeEouCJny1FCbVm9B9Q27cw
sig=AHIEtbTecgU8jmbzGagolpfA0s7_F7aqGQ). Land Power Revue der Schweizer Armee Nr. 3, Beilage zur ASMZ 12/2005, S. 25,
abgerufen am 2. Juni 2010.
[2] Hans Rudolf Fuhrer, Adrian Baschung: Operation «Merkur»: Die deutsche Luftlandung auf Kreta als Prüfstein des neuseeländischen
Gefechtsnachrichtendienstes (http:/ / docs. google. com/ viewer?a=v& q=cache:rkssQz5RX2oJ:129. 132. 36. 135/ serviceengine/ Files/ SSN/
45234/ ipublicationdocument_singledocument/ 1c4663f4-8eed-4f0a-9dbb-31c0782f37f3/ de/ Land_Power_Revue_N_3. pdf+ Kreta+ 22040+
42640& hl=de& gl=de& pid=bl&
srcid=ADGEEShXmYHzRPm_Zx73wHpanQxqitZYHNaXcdHp4_ydNMJCHlnLIVIshDNP4ghaEHEzXLIBINGMve2B_Od5OpUeEouCJny1FCbVm9B9Q27cw
sig=AHIEtbTecgU8jmbzGagolpfA0s7_F7aqGQ). Land Power Revue der Schweizer Armee Nr. 3, Beilage zur ASMZ 12/2005, S. 26,
abgerufen am 2. Juni 2010.
Luftlandeschlacht um Kreta
[3] Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht, Hrsg. Percy E. Schramm, Teilband I, 1940-1941, Seiten 129 ff. Dadurch würde die
Verbindung zwischen Italien und Libyen dauernd bedroht sein. Eine überraschende italienische Aktion gegen Kreta sei zwar möglich, aber
nur unter vollem Einsatz der italienischen Schlachtflotte und nach Erringung weiterer Erfolge in Nordafrika (Wegnahme von Marsa Matruk)
sowie einer Schwächung des englischen Alexandria-Geschwaders durch Stukas, Minen und U-Boote, um dessen Eingreifen gegen Kreta zu
verhindern. Diese Gedanken wurden jedoch wegen der am 28. Oktober 1940 begonnenen Offensive der Italiener gegen Griechenland nicht
weiter verfolgt.
[4] Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Scherz Verlag 1948, Seite 492.
[5] Janusz Piekalkiewicz: Der Zweite Weltkrieg, Düsseldorf 1985, Seite 462
[6] vergl. hierzu: Kriegstagebuch des OKW, Percy E. Schramm (Hrsg.) Teilband , Seite
[7] Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg Seite 493
[8] Kriegstagebuch des OKW Teilband II, Hrsg. Percey E. Schramm, Graefe Verlag München 1982, Seite 395 ff. Mit Eintrag vom 19. Mai wird
dokumentiert, dass Engländer Luftangriffe auf deutsche Einsatzhäfen führen und die Vorbereitungen für Merkur erkannt haben. Die Insel
Antikythera sollte gestern, Kreta soll morgen weggenommen werden
[9] Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg Seite 494
[10] Janusz Piekalkiewicz Der Zweite Weltkrieg, Band 2, Seite 462
[11] J. Piekalkiewicz: Der Zweite Weltkrieg, Seite 463
[12] G. Forty: Battle of Crete ISBN 0-7110-2758-7, Seite 9
[13] J. Piekalkiewizc, Der Zweite Weltkrieg, Seite 463
[14] Der Zweite Weltkrieg, erschienen im Bertelsmann Lexikon Verlag, Seite 284
[15] Winston Churchill:Der Zweite Weltkrieg, Seite 493. Nach Erinnerungen Churchills schien das deutsche Oberkommando gegen Verluste
gleichgültig: Mindestens 100 Transportmaschinen sollen in diesem Raume zu Bruch gegangen sein.
[16] Harald Fock: Z-vor! Internationale Entwicklung und Kriegseinsätze von Zerstörern und Torpedobooten, Bd. 2. Im Zweiten Weltkrieg:
1940-1945. Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg 2001, ISBN 3-7822-0762-9, S. 232
[17] Janusz Piekalkiewicz: Der Zweite Weltkrieg, Seite 460 ff; vergl auch: Standardwerk Der Zweite Weltkrieg, erschienen im Bertelsmann
Lexikon Verlag, Seite 190 ff
[18] Kreesers Archiv der Gegenwart, Eine Sammlung amtlicher Dokumente, Herausgeber und Verlag: Archiv der Gegenwart Gesellschaft
m.b.H., Seite 5035. Bereits einen Tag vorher erklärte Churchill, dass deutsche Truppen in der Sudabucht neuseeländische Ausrüstung trugen
[19] Ebenda.Seite 5032
[20] W. Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Seite 495. Nach britischer Schätzung führten die Deutschen am 22. und 23. Mai über 600 mehr oder
weniger erfolgreiche Landungen durch.
[21] J. Piekalkiewicz: Der Zweite Weltkrieg, Seite 464 ff. Zum Einsatz kamen die Ju 87-Gruppen des Stuka-Geschwaders 2 „Immelmann“
(Oberstleutnant Dinort).
[22] Kreesers Archiv der Gegenwart, Seite 5035 A
[23] Daten hierzu: Der Zweite Weltkrieg - Ein Lexikon-, Christian Zentner (Hrsg.), Seite 306
[24] W. Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Seite 496
[25] W. Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Seite 497 ff
[26] W. Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Seite 498
[27] Karl-Heinz Golla: Die deutsche Fallschirmtruppe, 1936-1941. Ihr Aufbau und ihr Einsatz in den ersten Feldzügen der Wehrmacht. Mittler,
Hamburg 2006, ISBN 3-8132-0684-X, Seiten 353-558.
[28] Student-Befehl vom 31.5.1941: Vergeltungsmassnahmen (http:/ / www. kreta-wiki. de/ wiki/ Student-Befehl_31. 5. 1941)
[29] Gen.Kdo. XI. Fliegerkorps, Der Kom. Gen., 31.5.1941, Bundesarchiv BA-MA, RH 28-5-4b. Auszugsweise auch bei Xylander, Marlen von:
Die deutsche Besatzungsherrschaft auf Kreta. Freiburg i.B. 1989, S.32
[30] Ringel-Befehl vom 23. Mai 1941 (http:/ / www. kreta-wiki. de/ wiki/ Ringel-Befehl)
[31] Auszug aus dem Gefechtsbericht von Major Julius Ringel vom 4. Juni 1941: „Mittlerweile war die Gruppe Schaette in Ausführung ihres
Auftrages bei Kastelli mit Freischärlern, die teils in deutschen Fallschirmjägeruniformen kämpften, in Feindberührung getreten ... Ein zäher
und verbissener Kampf, […] an dem sich sogar Frauen und Kinder beteiligten. Es wird schärfstens durchgegriffen! Nachdem die Greueltaten
[…] bekannt geworden waren, befahl die Division, für jeden getöteten oder verwundeten deutschen Soldaten 10 Kreter zu erschießen, Gehöfte
und Dörfer, aus denen deutsche Soldaten beschossen wurden, niederzubrennen, in allen Orten Geiseln sicherszustellen…“ Europa unterm
Hakenkreuz, Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus 1938 - 1945, Hrsg.: Militärgeschichtliches Forschungsamt (MGFA), Band 6,
Seite 157
[32] G. C. Kiriakopoulos, The Nazi Occupation of Crete, 1941-1945. Greenwood Publishing Group, Minneapolis 1995, S. 29, ISBN
0-275-95277-0.
[33] vgl. W. Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Seite 499. Der britische Premier bezeichnete es zudem als große Dummheit der deutschen
Führung, diese Elitetruppe zu riskieren.
[34] Stimpel: Die deutsche Fallschirmtruppe 1942 - 1945
[35] vgl. W. Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Seite 499
[36] W. Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Seite 499
[37] Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Seite 499 Es wurden auf diesen Friedhöfen aber auch nach „Unternehmen Merkur“ bis Anfang
1945 Gefallene beigesetzt.
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Luftlandeschlacht um Kreta
[38]
[39]
[40]
[41]
115
http:/ / lccn. loc. gov/ 93047914
http:/ / www. kreta-wiki. de/ wiki/ Kondomari
http:/ / library2. lawschool. cornell. edu/ donovan/ pdf/ Nuremberg_4/ Vol_XII_25_02_03. pdf
http:/ / www. kreta-wiki. de/ wiki/ Weixler
Deutsches Afrikakorps
Deutsches Afrikakorps (DAK)
Das Signet des DAK: eine stilisierte Palme mit Hakenkreuz.
Aktiv
Land
21. Februar 1941–30. Juni 1943 (formelle Auflösung)
Deutsches Reich
Streitkräfte
Wehrmacht
Teilstreitkraft
Heer / Luftwaffe
Aufstellungsort
Tripolis
Motto
„Ritterlich im Kriege, wachsam für den Frieden“
Zweiter Weltkrieg Afrikafeldzug
Das Deutsche Afrikakorps (DAK) war ein Expeditions-Korps der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Das
Operationsgebiet befand sich von 1941 bis 1943 in Nordafrika und erstreckte sich im Verlaufe des Krieges von
Tunesien über Libyen bis Ägypten. Wichtigster Kriegsgegner wurde der britische General Bernard Montgomery als
Befehlshaber der 8. Britischen Armee.
Geschichte
Vorgeschichte
Der Afrikafeldzug begann am 13. September 1940 mit einem Angriff der zahlenmäßig weit überlegenen Italiener
von Libyen auf die britische Armee in Ägypten. Die Briten konnten den Angriff nicht nur abwehren, sondern sogar
in einem Gegenangriff, der Operation Compass, nach Libyen eindringen.
Um die Niederlage Italiens abzuwenden, schickte das Deutsche Reich in dem „Unternehmen Sonnenblume“ ein
Vorauskommando des späteren DAK zur Verstärkung der italienischen Truppen. Die ersten deutschen Verbände
trafen am 11. Februar 1941 in Tripolis ein.[1] Aus der anfänglichen Unterstützungsrolle wurde bald die eines
Hauptbeteiligten; die Deutschen trieben die Briten, die zu der Zeit ihre Hauptkräfte nach Griechenland verlegt
hatten, überraschend nach Osten zurück.
Deutsches Afrikakorps
116
Ziele
In den deutschen Kriegsplänen hatte die Kriegsfront in Nordafrika
dagegen nur eine untergeordnete Bedeutung, der deutsche
Schwerpunkt lag bei den kräfteverschlingenden Feldzügen in der
Sowjetunion. Adolf Hitler hatte deswegen erst nach einigem Zögern
der Entsendung deutscher Truppen nach Afrika zugestimmt.
Für Großbritannien war Afrika zu dieser Zeit dagegen das einzige
Kampfgebiet mit direktem Kontakt zu seinem Hauptgegner
Deutschland, und so wurden große Anstrengungen auf diesem
Ein Panzerkampfwagen III des Afrikakorps in
Kriegsschauplatz unternommen. Während Großbritannien durch seine
Nordafrika
Kolonien über sichere Versorgungswege verfügte, trotz weiter
Entfernungen sowie stets latenter U-Bootgefahr, litt das Afrikakorps ständig unter dem Problem, seinen Nachschub
über das Mittelmeer sichern zu müssen, wo es den Angriffen der Royal Navy und Royal Air Force ausgesetzt war.
Mit den Militärstützpunkten auf Gibraltar und der Insel Malta verfügten die Briten über wichtige Schlüsselstellungen
gegen die deutschen Nachschublinien.
Welches das strategische Fernziel des Afrikakorps war, ist in der Forschung umstritten. Der Historiker Christian
Hartmann vertritt die These, dass das Afrikakorps in erster Linie defensive Aufgaben hatte und nur als Reaktion auf
die drohende italienische Niederlage in Libyen aufgestellt wurde.[2] Dietrich Eichholtz sieht das Afrikakorps
dagegen im Zentrum von Hitlers Strategie. In seinem 2006 entstandenen Buch „Krieg um Öl“ beschreibt er eine
angeblich geplante „Kaukasuszange“: Ziel sei der Suezkanal und damit die Ölversorgung Großbritanniens gewesen,
die vom Afrikakorps einerseits und andererseits von Truppen aus dem Kaukasus oder aus dem Irak, der unter
Ministerpräsident Raschid Ali al-Gailani zwischenzeitlich auf Seiten Deutschlands zu stehen schien, erobert werden
sollte.[3]
Schlachten
Wichtige Schlachten fanden bei Tobruk und El Alamein statt. Der Kommandierende General Erwin Rommel konnte
bis zur Oase Siwa in Ägypten vordringen. Der Nil und der Suez-Kanal lagen in Reichweite. Die wichtigen Ölfelder
Arabiens, des Irak, des Irans und sogar eine Verbindungsaufnahme mit der im Kaukasus vorrückenden deutschen
Heeresgruppe stellten damit denkbare strategische Fernziele dar.
Niederlage
Nach wechselvollen Kämpfen wurde der Vormarsch der Afrika-Armee
schließlich in El Alamein kurz vor Alexandria in Ägypten gestoppt.
Die deutschen Truppen waren aufgrund der vorangegangenen
schweren
Schlachten
weitgehend
erschöpft,
die
Nachschubverbindungen waren trotz der Einnahme der Hafenstadt
Tobruk überdehnt. Später wurden die deutschen Einheiten unter
schweren Verlusten zum Rückzug gezwungen. Kurz darauf erfolgte die
Landung anglo-amerikanischer Truppen (Operation Torch) in Marokko
und Algerien, wodurch es Ende 1942 zu einem Zweifrontenkrieg in
Afrika kam. Dadurch wurde ein Verbleib auf dem Kriegsschauplatz
endgültig unmöglich.
Von Alliierten erbeuteter Tiger, 1943 nahe Tunis
Trotzdem verlegten Deutschland und Italien noch einmal starke Truppenverbände nach Tunesien, wohin sich die
Panzerarmee Afrika zurückzog. Angesichts der aussichtslosen Lage mussten die deutschen und italienischen
Truppen bis zum 13. Mai 1943 kapitulieren. Das Versäumnis, diese Streitkräfte rechtzeitig nach Italien
Deutsches Afrikakorps
zurückzunehmen, ließ nur wenige Monate nach der Schlacht von Stalingrad 120.000 Wehrmachtssoldaten und eine
noch größere Zahl Italiener in Kriegsgefangenschaft geraten. Zwei Monate später, am 10. Juli 1943, landeten die
Alliierten auf Sizilien. Dies bedeutete eine zweite Front auf dem europäischen Kontinent.
Judenvernichtung
Obwohl Rommel dafür bekannt war, selbst kein Antisemit zu sein, schuf er mit dem Vormarsch des Afrikakorps
doch die Voraussetzung dafür, dass auch die Juden Nordafrikas in den Holocaust einbezogen werden konnten. In
Tunesien wurden Arbeitslager für sie errichtet, wo über 2500 von ihnen umkamen. Für die Juden in Palästina stellte
der deutsche Vorstoß eine immense Bedrohung dar. In Athen stand eine Einsatzgruppe unter dem Kommando von
SS-Obergruppenführer Walther Rauff bereit, die mit der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Ägypten und
Palästina beginnen sollte und am 20. Juli 1942 von Rommels Stab die notwendigen Instruktionen für ihre Tätigkeit
im rückwärtigen Heeresgebiet erhalten hatte. Die arabische Bevölkerung Palästinas sehnte einen Sieg der Deutschen
herbei, weil sie auf eine Vertreibung der Juden hoffte. Angesichts der näherrückenden Truppen des Afrikakorps
hielten es die Briten daher trotz der angespannten militärischen Lage des Sommers 1942 für nötig, Teile ihrer 9.
Armee in Palästina zu belassen, um die ansässigen Juden vor Pogromen durch die Araber zu schützen.[4]
Organisation
Im Juli 1941 gehörten zwei deutsche Divisionen, die 21. Panzer-Division (umbenannt und umgegliedert aus der 5.
leichten Division) und die 15. Panzer-Division, die Mitte Mai 1941 eingetroffen war, zum DAK unter
Generalleutnant Ludwig Crüwell. Das DAK war dem Kommando der Panzergruppe Afrika (später umbenannt in
Panzerarmee) unterstellt, das seit dem 1. Juni 1941 von Rommel geführt wurde und unter italienischem Oberbefehl
stand. Zur Panzergruppe Afrika gehörten auch italienische Kräfte, das italienische XXI. Armeekorps unter General
Navarini mit den drei teilmotorisierten Divisionen Bologna, Pavia und Brescia sowie ein weiteres motorisiertes
Korps, das Corpo ’d’armata di manovra unter General Bastico, gebildet aus der Panzerdivision Ariete und den
motorisierten Divisionen Trento und Trieste.
Anfang 1943 schließlich wurden die aus Libyen zurückflutenden Einheiten mit den aus Italien nach Tunesien
verlegten Kräften zur Heeresgruppe Afrika zusammengefasst.
Strukturelle Entwicklung
A. 21. Panzer-Division (vorher 5. leichte Division), Februar 1941
•
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Panzer-Regiment 5
Stabs-Regiment 200 zbV (mot.), bestehend aus MG Bataillon 2 und MG Bataillon 8
Panzeraufklärungs-Abteilung 3 (mot.)
I. Abteilung Artillerie-Regiment 75 (mot.)
Panzerjäger-Abteilung 39 (mot.)
Panzerjäger-Abteilung 605 (sfl.)
Flak-Bataillon 606 (mot.)
I. Abteilung Flak-Regiment 33 (mot.)
B. 15. Panzer-Division, Mai 1941
• Panzer-Regiment 8
• 15. Schützen-Brigade (mot.), bestehend aus 104. Schützen-Regiment, 115. Schützen-Regiment und
Kradschützen-Bataillon 15
• Artillerie-Regiment 33 (mot.)
• Panzeraufklärungs-Abteilung 33 (mot.)
• Panzerjäger-Abteilung 33 (mot.)
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Deutsches Afrikakorps
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• Panzerpionier-bataillon 33 (mot.)
• Panzernachrichten-Abteilung 78 (mot.)
• Divisions-Nachschubführer 33 (mot.)
C. 90. leichte Afrika-Division (vorher Afrika-Division zbV), November 1941
•
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Schützenregiment 155
Afrika-Regiment 361, inklusive Artillerie-Abteilung 361 und Flak-Kompanie I./613
III./Infanterie-Regiment 255
III./Infanterie-Regiment 347
Panzerjäger-Abteilung 605 (sfl.) von 21. Panzer-Division
Pionier-Bataillon 900 (mot.)
Oasen-Bataillon 300 zbV
D. 164. leichte Afrika-Division (vorher Festungs-Division „Kreta“), September 1942
•
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•
•
Panzergrenadier-Regiment 125 (mit drei Bataillonen)
Panzergrenadier-Regiment 382 (mit drei Bataillonen)
Panzergrenadier-Regiment 433 (mit drei Bataillonen)
Artillerie-Regiment 220 (mot.)
Aufklärungs-Abteilung 220 (mot.), zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig
• Pionier-Bataillon 220 (mot.)
• Divisions-Nachschubführer 220 (mot.)
Der Monat und das Jahr geben den Zeitpunkt des ersten Einsatzes in Afrika an.
Abkürzungen:
• sfl. = Selbstfahrlafette
• mot. = motorisiert
• zbV = zur besonderen Verwendung
Kommandierende Generale
• Generalleutnant Erwin Rommel --- 14. Februar bis 14. August 1941
• Generalleutnant Ferdinand Schaal --- 15. bis 31. August 1941
• General der Panzertruppe Philipp Müller-Gebhard --- 1. bis 14.
September 1941
• General der Panzertruppe Ludwig Crüwell --- 15. September 1941
bis 8. März 1942
• General der Panzertruppe Walther Nehring --- 9. bis 18. März 1942
• General der Panzertruppe Ludwig Crüwell --- 19. März bis 28. Mai
1942
• General der Panzertruppe Walther Nehring --- 29. Mai bis 31.
August 1942
• General der Panzertruppe Gustav von Vaerst --- 1. September 1942
• General der Panzertruppe Wilhelm Ritter von Thoma --- 2.
September bis 3. November 1942
• Oberst Fritz Bayerlein --- 4. bis 15. November 1942 (mit der
Führung beauftragt)
• General der Panzertruppe Gustav Fehn --- 16. November 1942 bis
27. Februar 1943
• General der Panzertruppe Hans Cramer --- 28. Februar bis 30. Juni 1943
Generalfeldmarschall Erwin Rommel mit
Stabsoffizieren
Deutsches Afrikakorps
Mediale Rezeption
Das Deutsche Afrikakorps wurde in der deutschen Presse mehr als alle anderen Einheiten der Wehrmacht gefeiert,
da man den Eindruck eines „sauberen“ und „ritterlichen“ Feldzuges vor Augen hatte. Tatsächlich setzte Rommel sich
schon in den ersten Tagen der Ankunft über die Befehle des Oberkommandos hinweg und entwickelte einen
Offensivplan, der die Briten überraschte. Durch die Erfolge des Korps wurde die NS-Propaganda schnell auf
Rommel aufmerksam, der sich im Frankreichfeldzug mit der „Gespensterdivision“ bereits einen Namen gemacht
hatte. Er wurde zum Helden der Nation hochstilisiert, was nicht zuletzt daran lag, dass er als Rittmeister (zur
damaligen Zeit eine Bezeichnung für einen Offizier, der nicht mehr „auf der Höhe der Zeit“ war) charakterisiert
wurde.
Weiterführende Informationen
Interne Verweise
• Heeresgruppe Afrika
• Soldatenfriedhof Bordj Cedria (Tunesien)
• Lili Marleen
• Georg Gärtner
Literatur
• Bernd Peitz: Das Afrikakorps – in Original-Farbfotografien. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2007. ISBN
978-3-613-02794-7.
• Paul Carell: Die Wüstenfüchse. Mit Rommel in Afrika. Herbig, 2003. ISBN 3-7766-2340-3.
• Battistelli, Pier Paolo: Rommel’s Afrika Korps – from Tobruk to El Alamein. Osprey Battle Orders 20. 2006. ISBN
978-1-84176-901-1.
• Wolf Heckmann: Rommels Krieg in Afrika. Tosa, 2006. ISBN 978-3-85003-040-3.
Referenzen
[1] deutsches-afrikakorps.de: Auszug aus dem Kriegstagebuch des OKH – Verlauf der Operationen des DAK im Februar 1941 (http:/ / www.
deutsches-afrikakorps. de/ html/ verlauf_februar_1941. html)
[2] Christian Hartmann, Halder. Generalstabschef Hitlers 1938–1942, Schoeningh, Paderborn 1991, S. 219
[3] Dietrich Eichholtz, Krieg um Öl. Ein Erdölimperium als deutsches Kriegsziel 1938–1943, Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2006
[4] Klaus-Michael Mallmann und Martin Cüppers, „Beseitigung der jüdisch-nationalen Heimstätte in Palästina“. Das Einsatzkommando bei der
Panzerarmee Afrika 1942, in: Jürgen Matthäus und Klaus-Michael Mallmann (Hg.), Deutsche, Juden, Völkermord. Der Holocaust als
Geschichte und Gegenwart, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, S. 153–176
119
Unternehmen Theseus
120
Unternehmen Theseus
Unternehmen Theseus
Teil von: Afrikafeldzug (Zweiter Weltkrieg)
Datum
26. Mai–21. Juni 1942
Ort
Cyrenaika, Libyen
Ausgang
Sieg der Achsenmächte
Konfliktparteien
Deutsches Reich
Italien
Großbritannien
Freie Franzosen
Commonwealth-Truppen
Befehlshaber
Erwin Rommel
Neil Ritchie
Bedeutende Militäroperationen während Afrikafeldzuges (1940–1943) der Achsenmächte
1940: Operation Compass 1941: Unternehmen Sonnenblume – Operation Crusader
1942: Unternehmen Theseus - Erste Schlacht von El Alamein – Zweite Schlacht von El Alamein – Operation
Torch
1943: Tunesienfeldzug (Schlacht am Kasserinpass)
Unternehmen Theseus war die Tarnbezeichnung einer deutsch-italienischen Offensive in Nordafrika während des
Zweiten Weltkriegs. Das Ziel des Unternehmens war der Durchbruch durch die Gazala-Front und die Eroberung der
Festung Tobruk.
Vorgeschichte
Gegen Ende des Jahres 1941 hatten die Achsenmächte in Nordafrika einige Rückschläge hinnehmen müssen. Am
26. November gelang den Briten der Durchbruch zur Festung Tobruk, die zuvor von deutschen und italienischen
Verbänden umstellt war. Der Oberbefehlshaber der Panzergruppe Afrika, General Erwin Rommel, konnte zwar noch
einige Gegenschläge durchführen, musste sich schließlich jedoch zurückziehen.
Eines der Hauptprobleme Rommels war der schleppend anlaufende Nachschub. Die Briten konnten von Malta aus
immer wieder schwere Angriffe gegen die italienischen Versorgungskonvois durchführen und das Mittelmeer
faktisch abriegeln. Aus diesem Grund flogen die Achsenmächte zum Ende des Jahres 1941 schwere Luftangriffe
gegen die Insel, wodurch die Nachschublieferungen langsam wieder anlaufen konnten.
Am 21. Januar 1942 begannen die Deutschen eine Offensive zur Eroberung der Cyrenaika. Bereits acht Tage später
konnte die wichtige Stadt Bengasi besetzt werden. Der weitere Vormarsch führte über Barka und die Hafenstadt
Derna bis kurz vor Gazala, wo die Briten einen Verteidigungsgürtel errichteten, der bis tief in die Wüste nach Bir
Unternehmen Theseus
121
Hakeim reichte.
Weiterer Verlauf und die Eroberung Tobruks
Nachdem es in den Monaten Februar und März keine entscheidenden Kampfhandlungen gab, startete Rommel am
26. Mai 1942 schließlich das Unternehmen Theseus. Da die Achsenmächte nach der verlustreichen Einnahme Kretas
(Luftlandeschlacht um Kreta) die geplante Eroberung Maltas (Unternehmen Herkules) aufgaben, war der Nachschub
trotz leichter Besserungen weiterhin gefährdet. Für Rommel war es deshalb von entscheidender Wichtigkeit, Tobruk
einzunehmen, um somit die britischen Treibstoffdepots in seinen Besitz zu bringen.
Rommel begann seine Offensive mit einem Täuschungsangriff auf die stark befestigte Gazala-Linie, worauf die dort
stehende britische 8. Armee ihre Einheiten verstärkte. Rommel befahl dem X. und dem XXI. italienischen Korps
einen direkten Angriff auf die britischen Stellungen, während seine Hauptstreitkräfte die Linie südlich umgehen
sollten. Nachdem dieser Vorstoß weitestgehend unbemerkt blieb, versuchten die deutschen Verbände in das Gebiet
hinter der Gazala-Linie vorzurücken, wo sie jedoch auf erbitterten Widerstand stießen.
Obwohl die britische Panzerabwehr Rommels motorisierten
Streitkräften zu schaffen machte, mussten sich die Verteidiger bis nach
El Adem zurückziehen. Ein Erfolg war das Unternehmen zu jenem
Zeitpunkt noch nicht, da die Gazala-Linie trotz schwerer Angriffe nicht
durchbrochen werden konnte. Die mangelnde Treibstoff- und
Wasserversorgung machte den Panzertruppen ebenfalls zu schaffen.
Am 27. Mai 1942 standen die Achsenmächte vor Bir el Hacheim. Der
weitere Vormarsch verzögerte sich durch einen Minengürtel. Die
Deutsche motorisierte Einheiten rücken in
Alliierten, darunter auch Teile der Freien Franzosen (Forces
Tobruk vor
Françaises Libres) und einige indische Brigaden, unternahmen
inzwischen gewaltige Anstrengungen, um die deutschen und italienischen Einheiten zurückzuwerfen. Die Briten, die
sich mit modernen amerikanischen Panzern vom Typ M3 Grant ausgerüstet hatten, verwickelten die deutschen
Panzertruppen vor Bir el Hacheim in schwere Kämpfe. Auch durch permanente Luftangriffe auf die nun im Sand
feststeckenden Achsenstreitkräfte verschlechterte sich die Situation von Tag zu Tag, so dass sogar einige
hochrangige deutsche Offiziere einen Rückzug in Betracht zogen.
Am 1. Juni 1942 ließ Rommel schwere Luftangriffe durch
Sturzkampfflugzeuge (Stukas) durchführen, die den alliierten
Verbänden im Hinterland der Front hohe Verluste zufügten und somit
deutschen Truppen den Durchbruch durch einige der schwer
verteidigten Linien ermöglichten.
Bei Bir el Hacheim hatte der französische General Marie-Pierre Kœnig
die Angriffe der italienischen Ariete-Division immer wieder
erfolgreich abgewehrt. Rommel beschloss, Bir el Hacheim zu stürmen
Tobruk im August 1942
und drehte mit seinen Einheiten nach Süden ab, um das Fort
einzuschließen. Nach einer mehrtägigen Belagerungszeit konnte Bir el
Hacheim schließlich am 11. Juni 1942 eingenommen werden, wobei jedoch der 1. freien französischen Brigade
zuvor der Ausbruch gelang.
Unternehmen Theseus
Nach der Eroberung des Forts schickte Rommel alle verfügbaren
Einheiten in Richtung Norden. Bis zum 16. Juni 1942 kam es zu
weiteren schweren Kämpfen, so auch wieder bei El Adem. An der
gesamten Gazala-Front mussten die Alliierten nun Rückschläge
hinnehmen, worauf sich die britische Führung zunehmend auf die
Verteidigung von Tobruk konzentrierte. Noch bevor jedoch
ausreichende alliierte Kräfte die Hafenstadt erreichen konnten, standen
Rommels Truppen vor der Stadt. Die Stukas bombardierten die
Deutsche Soldaten nahe dem Hafen von Tobruk
Festung und zerstörten die wichtigsten Kommunikationseinrichtungen.
Am 20. Juni begann schließlich aus südöstlicher Richtung der Sturm
auf die britischen und südafrikanischen Verteidiger, deren Verbände im weiteren Kampfverlauf gespalten wurden.
Am darauf folgenden Tag musste der alliierte Befehlshaber, Generalmajor Hendrik B. Klopper, kapitulieren.
Folgen
Den Achsenmächten fielen in Tobruk die gesamten britischen Versorgungslager in die Hände, darunter ungefähr
10.000 Tonnen Treibstoff. Ungefähr 32.200 Commonwealth-Soldaten gerieten in Gefangenschaft. Erwin Rommel
wurde nach seinem Sieg von Hitler zum Generalfeldmarschall befördert.
Zusammen mit den erbeuteten alliierten Panzern konnte Rommel bis nach Ägypten vorstoßen, wo das Afrika-Korps
noch einige militärische Erfolge verbuchen konnte, bis es bei El Alamein gestoppt wurde.
Literatur
• Adalbert von Taysen: Tobruk 1941 – Der Kampf in Nordafrika, Verlag Rombach, Freiburg 1976 (=
Einzelschriften zur militärischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Bd.21). ISBN 3-7930-0180-6
122
Zweite große Belagerung Maltas
123
Zweite große Belagerung Maltas
Die "Zweite große Belagerung Maltas"
fand während des Zweiten Weltkrieges statt.
Eigentlich handelte es sich weniger um eine
Belagerung, als um eine Seeblockade mit
permanenten Luftangriffen der italienischen
und später auch der deutschen Luftwaffe
(Achsenmächte). Italien war am 10. Juni
1940 in den Zweiten Weltkrieg eingetreten;
bereits am 11. Juni begann die
Bombardierung
der
darauf
nicht
vorbereiteten Insel. Malta gehörte damit
zum Kriegsschauplatz Mittelmeerraum.
Die Strategische Lage Maltas
Die geographisch – strategische Lage Maltas
Malta war bereits seit dem Jahr 1800 von
den Briten besetzt, und wurde wenig später
zur britischen Kolonie. Es deckte den
Seeweg ins östliche Mittelmeer und
kontrollierte die Passage zwischen Sizilien
und Nordafrika. Im Verlauf des zweiten
Weltkriegs dienten die großen natürlichen
Häfen Maltas, Grand Harbour und
Marsamxett Harbour, den Alliierten
aufgrund der strategisch wichtigen Lage –
Ruinen auf Malta in Folge der Luftangriffe
Beherrschung des östlichen Mittelmeeres,
zwischen Sizilien und der nordafrikanischen Küste, Suez-Kanal-Route – als Marine-Stützpunkt.
Zunächst wurde vom britischen Militär angenommen, dass die in einer halben Stunde Luftlinie zu den italienischen
Flugplätzen auf Sizilien gelegene Insel nicht lange zu halten wäre.
So verteidigten anfangs nur 4000 Soldaten und 3 ältere Gloster Sea Gladiator Doppeldecker, von den Maltesern
Faith, Hope und Charity genannt, die Insel. Anfang Juli 1941 wurden sie durch Hawker Hurricanes verstärkt (261.
Squadron der RAF). Weitere zwölf Hurricanes kamen mit der HMS Argus im August. Sie hielten die italienischen
Bomber meist auf Distanz und in großer Höhe, so dass viele Bomben nur ungenau trafen.
Der wichtigste Schlag gegen die italienische Flotte gelang am 12. November 1940 mit dem Luftangriff auf Tarent.
Dabei verlor die "Regia Marina" auf einen Schlag die Hälfte ihrer Schlachtschiffe und das Kräfteverhältnis im
Mittelmeer verschob sich für mehrere Monate zu Gunsten der "Royal Navy".
Nach dem Sieg von Rommels Afrikakorps bei El Agheila im Januar 1942 ging der britische Luftstützpunkt in der
libyschen Cyrenaica verloren und die Luftangriffe auf die Insel Malta verstärkten sich erneut. Die Lage wurde
bedrohlich, weil deutsche, erfahrene Flieger des X. Fliegerkorps mit Bf-109E-Jagdflugzeugen erfolgreich gegen die
Hurricanes antraten. (Die deutsche Luftwaffe wurde Juni/Juli 1942 zunächst nach Libyen und dann nach Frankreich
abgezogen)
Zweite große Belagerung Maltas
Im Laufe von etwa 3.000 Angriffen gegen die Insel fielen ungefähr 14.000
Tonnen Bomben und zerstörten unter anderem fast 35.000 Häuser; auf die
Fläche Maltas bezogen, fielen hier die meisten Bomben pro Quadratmeter
dieses Krieges. In Anerkennung des Mutes und der Tapferkeit während der
Angriffe verlieh der damalige britische König Georg VI. der maltesischen
Bevölkerung am 15. April 1942 das Georgs-Kreuz, welches seitdem die
maltesische Flagge ziert.
124
Die Flagge Maltas mit dem Georgskreuz
Der Kampf um den Nachschub für Malta
• Die Seeschlacht bei Punta Stilo wurde am 8. Juli 1940 südlich von Kalabrien, zwischen den Alliierten (Royal
Navy und Royal Australian Navy) und der italienischen Marine (Regia Marina), ausgetragen und endete
unentschieden. Es kam lediglich zu Beschädigungen einzelner Schiffe, ohne dass Versenkungen erzielt wurden.
• Die Schlacht bei Kap Matapan fand am 28. März 1941 zwischen britischen und italienischen Seestreitkräften im
östlichen Mittelmeer zwischen Kap Matapan und der Insel Gavdos statt. Eine indirekte Folge dieser Schlacht war,
dass Malta nicht mehr eingenommen werden konnte, da die italienische Marine für einen See-Angriff nicht mehr
schlagkräftig genug war und Hitler nach den hohen Verlusten bei der Luftlandeschlacht um Kreta weitere
Luftlandeoperationen ablehnte (→„Unternehmen Herkules“).
• Das Zweite Seegefecht im Golf von Syrte' fand am 22. März 1942 nördlich von Libyen statt. Beteiligt waren auf
britischer Seite fünf Kreuzer und elf Zerstörer, auf italienischer Seite ein Schlachtschiff, drei Kreuzer und zehn
Zerstörer. Der unter dem Geleit fahrende britische Konvoi konnte wegen des Gefechts Malta nicht direkt anlaufen
und musste sich weit nach Süden zurückziehen. Das gab der deutschen und italienischen Luftwaffe am 23. März
die Gelegenheit zu einem Luftangriff: Ein Handelsschiff und ein Tanker gingen dabei verloren; auch in Malta
selbst kam es noch zu Verlusten. Von 25.000 Tonnen Nachschub erreichten nur 5.000 Tonnen ihr Ziel.
Die Wende im Jahr 1942
Nach sechs Monaten Blockade kam im August der erste
größere Versorgungskonvoi (Operation Pedestal) nach Malta
durch. Der "Santa Marija Konvoi" (vor allem mit dem Tanker
SS Ohio) erreichte nach schwersten Verlusten am Mariä
Himmelfahrtstag die Inselgruppe, die kurz vor der
Kapitulation stand, und brachte die Rettung. Dazu gehörten
auch die 31 Spitfire MK V, die vom Träger HMS Furious
mitgebracht wurden. Von August bis Oktober gingen rund ein
Drittel aller Transporte der Achsenmächte verloren, allein im
Oktober 1942 wurden mit vier Tankern 66 % des
Siege-Bell-Memorial in Valletta
Treibstoffnachschubs vernichtet. Der britische Sieg bei El
Alamein (23. Oktober–4. November, Ägypten) löste dann die Blockade.
Am 1. Dezember traf unter der Codebezeichnung Operation Portcullis der erste Konvoi seit 1941 ein, bei dem es
keine Verluste gab. Portcullis kam mit vier Frachtern von Port Said mit insgesamt 55.000 Tonnen dringend
benötigter Gütern. Der Begleitschutz bestand aus einem Kreuzer, 18 Zerstörern und einem Minenleger.
An die bei den Luftangriffen Gefallenen erinnert das, im Inneren mit einer riesigen Glocke ausgestattet,
Siege-Bell-Monument (Die Glocke der überstandenen Belagerung).
Es kam zu diversen Schnellbootangriffen auf die Häfen. Auf der Insel befand sich ein wichtiges britisches
Kommandozentrum (Lascaris War Rooms – Operation Husky). Von zusätzlichen eingerichteten Flugfeldern –
Zweite große Belagerung Maltas
TaQali, HalFar, Safi, Qrendi, auch von Gozo – von denen das bekannteste das Luqa Airfield war (heute Maltas
Flughafen) starteten alliierte Bomberverbände in Richtung Italien, Jagdflieger überwachten den Luftraum über den
Gewässern des Archipels.
1943 bis 1945
1. Juni 1943: König Georg VI. besucht die Insel.
Nach der Eroberung Siziliens, 10.–17. August 1943, war Malta nicht mehr an den Kämpfen beteiligt. Es wurde
wieder zur Lazarett- und Hafeninsel.
Filme
• Malta Story, 1953, s/w Kriegsfilm, Regie Brian Desmond Hurst. Siehe engl. WP [1]
• National Geographic: HMS Southwold: Maltas Hoffnung. Reportage u. Dokumentation. 45 Min (Am 24. März
1942 sinkt der britische Zerstörer HMS Southwold von Alexandria als Geleitschutz kommend wenige Meilen vor
Malta an einer deutschen Minensperre. Ein Kamerateam auf Spurensuche. Mit vielen Zeitdokumenten. Aus der
NG-Serie “Die Seejäger II”, Folge 12, 2006.
Literatur
• Michael Galea: Malta Diary of a War 1940–1945. Publishers Enterprise Group, Malta, 1994. 307 S. ISBN
99909-0-029-9 (englisch)
• Joseph Attard: The Battle of Malta: An Epic True Story of Suffering and Bravery. Progress Press Co Ltd, 1988.
ISBN 99909-3-014-7 (englisch)
• Charles J. Boffa: The ' Illustrious' Blitz: Malta in Wartime. Progress Press Co, 1995. ISBN 99909-3-042-2
(englisch)
• James Holland: Fortress Malta: An Island Under Siege, 1940–1943. Cassell Military Paperbacks. 2004. ISBN
0-304-36654-4 (englisch)
• Anthony Rogers: Battle Over Malta. Sutton Books, 2000. (englisch)
• Tony Spooner: Supreme Gallantry : Malta's Role in the Allied Victory, 1939–1945. London, 1996. 360 S. ISBN
0-7195-5706-2 (englisch)
• Caroline Vernon: Our Name Wasn't Written – A Malta Memoir. Canberra, Australia, 1992 – 2. A. ISBN
0-646-07198-X (engl. Über die Lebensbedingungen der Zivilisten)
• John Wingate: The Fighting Tenth: The Tenth Submarine Flotilla and the Siege of Malta. London, Periscope
Publishing Ltd. 1991 u. 2003. ISBN 1-904381-16-2 (engl. Über die brit. 10. U-Boot-Flottille)
Siehe auch
•
•
•
•
•
•
Belagerung von Malta (1565)
Erstes Seegefecht im Golf von Syrte (Dezember 1941)
HMS Maori (F24) (14. Februar 1942)
Operationen Vigorous und Harpoon (brit. Geleitzüge, Juni 1942)
SS Ohio (Tankschiff, beteiligt an der) Operation Pedestal (brit. Geleitzug, August 1942)
Adriano Visconti und Franco Lucchini (Damals bekannte italienische Jagdflieger)
125
Zweite große Belagerung Maltas
Weblinks
• Mittelmeerlage im II. Weltkrieg [2]
• Angriff auf Tarent (Taranto) [3] (engl.; 12. November 1940)
• Schilderung der Versenkung des Tarigo Konvois am 16. April 1941 [4] (englisch)
Referenzen
[1]
[2]
[3]
[4]
http:/ / en. wikipedia. org/ wiki/ Malta_Story
http:/ / www. geschichtsthemen. de/ dtkriegsmarine04-WKII. htm
http:/ / www. regiamarina. net/ engagements/ taranto/ taranto_us. htm
http:/ / www. regiamarina. net/ engagements/ tarigo/ tarigo_us. htm
Unternehmen Felix
Das Unternehmen Felix war ein Plan der deutschen Militärführung im Zweiten Weltkrieg, der vorsah, 1941 den
britischen Flottenstützpunkt auf Gibraltar zu erobern, um die Kontrolle der Seeverbindung zwischen dem Atlantik
und dem Mittelmeer zu erlangen. Zusätzlich hätten die Deutschen die Verbindungen zwischen Großbritannien und
seinen Stützpunkten im Süden erheblich gestört, wenn nicht sogar unterbunden.
Der Plan zum Unternehmen Felix wurde – bis auf anfängliche verdeckte Aufklärungsmaßnahmen von spanischem
Gebiet aus – nicht in die Tat umgesetzt.
Ausgangslage
Nach dem Fall Frankreichs im Juni 1940 grenzte der deutsche Machtbereich direkt an das faschistische Spanien.
Anknüpfend an die Beziehungen während des Spanischen Bürgerkriegs, trafen sich Adolf Hitler und Generalissimo
Franco im Oktober 1940 im baskischen Hendaye und erörterten die Umstände unter denen Spanien in den Krieg
eintreten würde. Franco forderte dabei exzessive deutsche Hilfe beim Ausbau der Infrastruktur, bei der Versorgung
mit Lebensmitteln und Öl und bei der Aufrüstung der spanischen Armee.
Planung
Trotz der Unklarheit über den Status Spaniens im weiteren Verlauf des Krieges wurden beim Oberkommando der
Wehrmacht konkrete Angriffsoperationen auf den Felsen von Gibraltar geplant. Dabei sollten zwei Armeekorps der
Wehrmacht, das XXXIX. (39.) Armeekorps unter General Rudolf Schmidt und das XLIX. (49.)
Gebirgs-Armeekorps unter General Ludwig Kübler am 10. Januar 1941 über spanisches Territorium nach Süden
vorstoßen. Schmidts XXXIX. Armeekorps sollte bei Valladolid, Cáceres und Sevilla Stellung beziehen, um die
Flanke des Angriffs gegen eine mögliche britische Intervention zu sichern. Küblers Armeekorps würde den
eigentlichen Angriff durchführen, wofür ihm nicht nur zwei Elite-Regimenter (Großdeutschland und das
Gebirgsjäger-Regiment 98), sondern auch eine Abteilung der Spezialeinheit Brandenburger sowie eine
Spezialeinheit der Abwehr, unterstellt wurden. Zwei weitere Divisionen waren dafür vorgesehen, nach dem
gelungenen Angriff nach Afrika überzusetzen und Marokko zu besetzen.
Die Ergebnisse einer Erkundungsreise durch Offiziere des Amtes Abwehr fielen zwar ernüchternd aus, jedoch hielt
man die Eroberung des Felsens grundsätzlich für möglich. Der anschließend erstellte Angriffsplan veranschlagte die
Dauer der Kampfhandlungen auf drei Tage, wobei mit einer außerordentlich verlustreichen Aktion gerechnet wurde,
da die Briten sich in günstigen Verteidigungspositionen befanden und ein Überraschungsvorteil nicht gegeben war,
weil vom Überschreiten der französisch-spanischen Grenze bis zum Angriff mit 38 Tagen gerechnet wurde.
126
Unternehmen Felix
Verschiebung
Da Franco seine Zustimmung zum Unternehmen Felix verweigerte, wurde der Angriffstermin zunächst verschoben
und im Zuge der Vorbereitungen auf den Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 ganz zurückgestellt. Als
Unternehmen Felix-Heinrich sollte der Plan erneut zur Durchführung kommen, wenn der Feldzug gegen die
Sowjetunion erfolgreich verlief. Tatsächlich wurden jedoch keine konkreten Operationen mehr vorbereitet, lediglich
Pläne für eine etwaige Landung der Alliierten in Spanien wurden noch erstellt.
Die ablehnende Entscheidung Francos ist bis heute in der Geschichtsforschung nicht endgültig geklärt. Zwar äußerte
er mehrmals gegenüber Hitler und Mussolini, dass er einem Kriegsbeitritt auf Seiten der Achsenmächte nicht
ablehnend gegenübersteht; jedoch stellte er derart offensichtlich unerfüllbare wirtschaftliche Forderungen an das
Reich, dass sie auch als Ausdruck des Bestrebens gewertet werden können, sich unter dem Vorwand, dass sein Land
eben noch nicht so weit sei, einem Kriegseintritt zu entziehen. Eventuell unterlag Madrid aber auch der
letztendlichen Fehleinschätzung, dass Deutschland England besiegen und Gibraltar anschließend kampflos an
Spanien fallen würde.
Siehe auch
• Decknamen deutscher Militäroperationen im Zweiten Weltkrieg
• Kontinentalblock
Weblinks
• Leonard Spencer Cooley, What Next? The German Strategy Crisis during the Summer of 1940 Dissertation
Louisiana State University 2003 [1]
• Unternehmen Felix [2]
Referenzen
[1] http:/ / etd. lsu. edu/ docs/ available/ etd-01262004-193945/
[2] http:/ / www. sonic. net/ ~bstone/ history/ felix. shtml/
127
128
Der Krieg im Osten
Operation Barbarossa
1. weiterleitung Unternehmen Barbarossa
Schlacht um Kiew
129
Schlacht um Kiew
Schlacht um Kiew
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Datum
23. August bis 26. September 1941
Ort
Kiew, Sowjetunion
Ausgang
Deutscher Sieg
Konfliktparteien
Deutsches Reich
Sowjetunion
Befehlshaber
Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt Semjon Michailowitsch Budjonny
Truppenstärke
500.000 Mann
850.000 Mann
Verluste
100.000 Gefallene und Verwundete
163.600 Tote und Verwundete
665.000 Kriegsgefangene
Bedeutende Militäroperationen während des Deutsch-Sowjetischen Krieges
1941: Białystok-Minsk – Dubno-Luzk-Riwne – Smolensk – Uman – Kiew – Odessa – Leningrader Blockade – Rostow –
Wjasma-Brjansk – Moskau
1942: Charkow – Operation Blau – Operation Braunschweig – Operation Edelweiß – Stalingrad – Operation Mars
1943: Woronesch-Charkow – Operation Iskra – Nordkaukasus – Charkow – Unternehmen Zitadelle – Smolensk – Dnepr
1944: Dnepr-Karpaten-Operation – Leningrad-Nowgorod – Krim – Wyborg–Petrosawodsk – Weißrussland – Lwiw-Sandomierz
– Iaşi–Chişinău – Belgrad – Petsamo-Kirkenes – Baltikum – Karpaten – Budapest
1945: Weichsel-Oder – Ostpreußen – Westkarpaten – Ostpommern – Plattensee – Oberschlesien – Wien – Berlin – Prag
Die Schlacht um Kiew war eine Schlacht im Zweiten Weltkrieg zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen
Reich unter Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt. Die Schlacht fand von Mitte August bis zum 26. September
1941 statt.
Hintergrund
Nach den raschen Erfolgen der Wehrmacht zu Beginn des Russlandfeldzugs befahl Hitler entgegen der anfänglichen
Meinung des Generalstabes und des Oberkommandos der Heeresgruppe Mitte im September 1941 die vollständige
Eroberung der Ukraine noch vor dem Stoß auf Moskau.[1] Hitler argumentierte, dass das Ziel sei, die Feindkräfte
dort zu vernichten, wo sie stehen und nicht Land zu erobern. Dazu schwenkte die Panzergruppe 2 der Heeresgruppe
Mitte nach Süden ab, um die zwischen Dnepr und Kiew aufgestellten vier (5., 21., 26. und 37.) sowjetischen Armeen
in einer Kesselschlacht zu umfassen. Kräfte der Heeresgruppe Süd sollten von Krementschuk her angreifen und die
Verbände der Heeresgruppe Mitte unterstützen. Durch die Panzerschlacht bei Dubno-Luzk-Riwne war der Großteil
der mechanisierten sowjetischen Kräfte ausgeschaltet worden, so dass die verbleibenden Kräfte über
unverhältnismäßig wenige Panzer verfügten.
Schlacht um Kiew
130
Die Schlacht
Der Schwerpunkt der Offensivbewegung der Heeresgruppe Süd lag auf
dem Nordflügel, welcher in einem möglichen Zusammenwirken mit
Teilen der Heeresgruppe Mitte das Industriegebiet am Donez erobern
sollte. Die zentrale Rolle fiel der 17. Armee zu, welche in allgemeiner
Richtung Woroschilowgrad und Stalingrad vorgehen sollte. Die
Aufgabe des Flankenschutzes fiel der 11. und 6. Armee zu. Die
Panzergruppe 1 sollte in Richtung Charkow vorgehen. Interessant ist,
dass zu diesem Zeitpunkt nicht an eine Umfassungsoperation, sondern
an ein keilförmiges Vortreiben gedacht war, da Generalstabschef
Halder jenseits des Dnepr keine geschlossene Widerstandskraft der
Roten Armee erwartete.
Ostfront zur Zeit der Schlacht um Kiew
Eine günstige Ausgangsbasis wurde geschaffen mit dem Erreichen des Dnepr und Bildung von Brückenköpfen bei
Dnepropetrovsk, Krementschug und Tscherkassy, wobei einzig die 6. Armee schwer vorankam, weil sie immer noch
Angriffen aus den von Anfang an unterschätzten Pripjat-Sümpfen ausgesetzt war. Die Möglichkeit eines offensiven
Zusammengehens mit der Heeresgruppe Mitte zeichnete sich am 20. August ab, als die 2. Armee Gomel genommen
hatte. Ungeduldig wegen der langen Bereinigung des Pripjat-Raumes traf Hitler am 21. August die noch folgenreiche
Entscheidung, dass die Heeresgruppe Mitte mit der Heeresgruppe Süd zusammenwirken soll und dabei ohne
Rücksicht auf spätere Operationen so viele Kräfte anzusetzen habe, wie sie als notwendig betrachtete.[2] Dazu wurde
die Panzergruppe 2 des Generalobersten Guderian angesetzt, welcher anfangs gegen diesen Kräfteansatz
argumentierte, da er sich auf die Wege- und Treibstoffsituation und das Auffrischungsbedürfnis der schnellen
Truppen unter der Prämisse des baldigen Vorgehens gegen Moskau berief. Erst nach einer Unterredung mit Hitler
schlug Guderian sogar von sich aus den Einsatz der gesamten Panzergruppe 2 vor, was wiederum Friktionen mit
dem OB der Heeresgruppe Mitte, Bock, mit sich brachte, da dieser seine Kräfte für den Stoß auf Moskau
zusammenhalten wollte.[3]
Die am 25. August eröffnete Offensive der Panzergruppe 2 kam anfangs rasch in Gang, auch weil man in
Nowgorod-Sewerski eine Desna-Brücke unversehrt in die Hand bekam. Da jedoch dieser Desna-Brückenkopf hart
attackiert wurde und auch die mit sieben Divisionen angetretene 2. Armee nur schwer vorankam, verzögerte sich der
Vormarsch. Die Heeresgruppe Süd befahl am 4. September den Angriff der 17. Armee von ihrem Brückenkopf aus
in Richtung Mirgorod-Lubny, um die am mittleren Dnepr und in Kiew stehenden Feindkräfte zu umfassen.
Guderians Einheiten überquerten am 9. September den Sejm und erreichten einen Tag später Romny, womit der
eigentliche Treffpunkt mit der Panzergruppe 1 erreicht war. Diese kam jedoch wegen nahezu unpassierbarer
Schlammwege kaum voran, so dass Guderians Truppen noch bis Lochwiza vorgingen. Dort wurde der noch dünne
Ring am 15. September geschlossen. Neben dieser weit umspannenden Einschließung der Hauptkräfte der
sowjetischen Südwestfront kam es mit dem Dnepr-Übergang der 6. Armee zu einer Einschließung Kiews, welche am
19. September fiel. Die Kesselschlacht im Osten Kiews ging am 26. September zu Ende. Rund 665.000 sowjetische
Soldaten gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft; zudem wurden 884 Panzer, 418 Pak und 3018 Geschütze
erbeutet.[4] Laut anderen Quellen verlor die Rote Armee in der Kiewer Verteidigungsoperation vom 7. Juli bis zum
26. September 1941 700.544 Soldaten (616.304 davon Tote, Vermißte und Gefangene).[5]
Schlacht um Kiew
Besetzung von Kiew
Die Einnahme Kiews sollte folgenreiche Probleme bezüglich der
Sicherheit der Truppen in der Stadt mit sich bringen. Nach Abschluss
der Kämpfe stellte sich heraus, dass nicht nur umfangreiches Material
abtransportiert und die Bahnverbindungen nachhaltig unterbrochen
worden waren, sondern auch umfangreiche nachträgliche Zerstörungen
durch mit Funk auszulösende Sprengungen vorbereitet waren. So
befahl bereits am 13. September das Oberkommando der 6. Armee,
dass sich die Truppe in der Innenstadt nur mit schriftlicher Bestätigung
Kiew nach dem Großbrand
des AOK aufhalten dürfe. Durch einen anonymen Hinweis erfuhren die
Besatzungstruppen von vorbereiteten Sprengsätzen in größeren, für
Stabs- und Truppenunterkünfte geeigneten Gebäuden, was am 19. September eine teilweise erfolgreiche Suchaktion
auslöste. Am 24. September löste dann ein sowjetischer Sprengsatz neben dem Hauptpostgebäude in einem Beuteund Munitionslager einen Großbrand aus, welcher rasch Teile der Stadt ergriff und durch das Feuerwehrregiment
"Sachsen" nicht gelöscht werden konnte. Zur Eindämmung des um sich greifenden Feuers mussten große
Brandschneisen gesprengt werden.[6] Erst am 29. September konnte das Großfeuer unter Einsatz der Truppe, der
Technischen Nothilfe, der einheimischen und der deutschen Feuerwehr gelöscht werden. Aufgrund der großen
Verluste der deutschen Verbände in der Stadt befahl Hitler für die Zukunft, dass befestigte Großstädte nun nicht
mehr im direkten Angriff zu nehmen sind, sondern zu umgehen, anschließend zu belagern und schließlich mit
Artillerie und Luftangriffen zu Fall zu bringen sind. Am 12. Oktober bestätigte er das Betretungsverbot für Verbände
nochmals mit Blick auf Moskau und Leningrad, um die Truppen nicht Verlusten durch Spreng- oder
Sabotageaktionen auszusetzen. Letztendlich wurde diese Verfahrensweise aber nie – abgesehen von der Leningrader
Blockade – angewendet, und zwar schon deshalb nicht, weil die Truppe auf diese Verkehrsknotenpunkte und die
Unterkünfte für Stäbe, Depots und sonstige Versorgungseinrichtungen nicht verzichten konnte.[7]
Die Folgen
Mit dem Ende der Schlacht bei Kiew und den enormen sowjetischen Verlusten verband das Oberkommando der
Wehrmacht (OKW) die Hoffnung, noch vor Einbruch des Winters sowohl in den Kaukasus vorstoßen zu können als
auch die Halbinsel Krim einzunehmen. Die ungeheuren Verluste der Roten Armee berechtigten die deutsche
Heeresführung zu der letztendlich falschen Annahme, dass der Stoß auf Moskau trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit
gelingen könnte. Erst jetzt beschloss Hitler den direkten Marsch auf Moskau - mitten im für Panzer ungeeigneten
Herbstschlamm.
Referenzen
[1] Horst Boog, Jürgen Förster, Joachim Hoffmann, Ernst Klink, Rolf-Dieter Müller, Gerd R. Ueberschär: Der Angriff auf die Sowjetunion. ( =
Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.) Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 4). 2. Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt,
Stuttgart 1987, ISBN 978-3-421-06098-3, S. 509ff.
[2] Jacobson, Greiner, Schramm: Kriegstagebuch des OKW , Band I, Verlag für Wehrwesen, 1965, ASIN: B0000BKI1D, S. 1062 ff.
[3] Halder übte heftige Kritik am "Umfallen" Guderians; dieser wehrt sich dagegen in: Heinz Guderian: Erinnerungen eines Soldaten. , ISBN
3-87943-693-2
[4] Horst Boog, Jürgen Förster, Joachim Hoffmann, Ernst Klink, Rolf-Dieter Müller, Gerd R. Ueberschär: Der Angriff auf die Sowjetunion. ( =
Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.) Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 4). 2. Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt,
Stuttgart 1987, ISBN 978-3-421-06098-3, S. 516.
[5] http:/ / www. soldat. ru/ doc/ casualties/ book/ chapter5_10_1. html#5_10_5
[6] Horst Boog, Jürgen Förster, Joachim Hoffmann, Ernst Klink, Rolf-Dieter Müller, Gerd R. Ueberschär: Der Angriff auf die Sowjetunion. ( =
Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.) Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 4). 2. Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt,
Stuttgart 1987, ISBN 978-3-421-06098-3. Daran beteiligt waren das Pionierbataillon 99 u. Sprengtrupps der 99. Leichten Division und
71. Infanteriedivision.
131
Schlacht um Kiew
132
[7] Horst Boog, Jürgen Förster, Joachim Hoffmann, Ernst Klink, Rolf-Dieter Müller, Gerd R. Ueberschär: Der Angriff auf die Sowjetunion. ( =
Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.) Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 4). 2. Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt,
Stuttgart 1987, ISBN 978-3-421-06098-3, S. 516.
Schlacht um Moskau
Schlacht um Moskau
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Verlauf der Front zwischen dem 22. Juni und dem 5. Dezember 1941
Datum
2. Oktober 1941–30. Januar 1942
Ort
Um Moskau, Sowjetunion
Ausgang
Sowjetischer Sieg
Konfliktparteien
Deutsches Reich
Sowjetunion
Befehlshaber
Fedor von Bock
Georgi Konstantinowitsch Schukow
Truppenstärke
etwa 1.500.000
etwa 1.500.000
Verluste
Nov. 1941: 145.000
Dez. 1941: 103.600
[1]
Jan. 1942: 144.900
1.026.000 Mann (654.000 Gefallene und Gefangene)
Bedeutende Militäroperationen während des Deutsch-Sowjetischen Krieges
1941: Białystok-Minsk – Dubno-Luzk-Riwne – Smolensk – Uman – Kiew – Odessa – Leningrader Blockade – Rostow –
Wjasma-Brjansk – Moskau
1942: Charkow – Operation Blau – Operation Braunschweig – Operation Edelweiß – Stalingrad – Operation Mars
1943: Woronesch-Charkow – Operation Iskra – Nordkaukasus – Charkow – Unternehmen Zitadelle – Smolensk – Dnepr
1944: Dnepr-Karpaten-Operation – Leningrad-Nowgorod – Krim – Wyborg–Petrosawodsk – Weißrussland – Lwiw-Sandomierz
– Iaşi–Chişinău – Belgrad – Petsamo-Kirkenes – Baltikum – Karpaten – Budapest
1945: Weichsel-Oder – Ostpreußen – Westkarpaten – Ostpommern – Plattensee – Oberschlesien – Wien – Berlin – Prag
Schlacht um Moskau
Die Schlacht um Moskau war eine Schlacht im Zweiten Weltkrieg. Sie war Teil des deutschen Angriffs auf die
Sowjetunion und dauerte vom 2. Oktober 1941 bis Ende Januar/Anfang Februar 1942. Dabei handelte es sich um
eine wichtige Entscheidungsschlacht, die den Ausgang des Krieges auf dem europäischen Kriegsschauplatz
mitbestimmte.
Ausgangslage
Im Verlauf des Krieges gegen die Sowjetunion war die deutsche Wehrmacht seit dem 22. Juni 1941 weit auf
sowjetisches Territorium vorgedrungen. Zahlreiche sowjetische Armeen waren in großen Einkesselungsschlachten
vernichtet worden, so dass viele in- und ausländische Beobachter der Meinung waren, dass die Sowjetunion in
absehbarer Zeit nicht mehr zur Fortsetzung des Kampfes in der Lage sei.
Nach Hitlers Plänen sollten vor der Eroberung Moskaus die sowjetische militärische Verteidigungskraft weitgehend
ausgeschaltet und gleichzeitig die wirtschaftlich wichtigsten Gebiete im Norden und Süden Russlands sowie der
Ukraine in Besitz genommen werden. Außerdem wünschte Hitler die Einnahme der Krim, um die Bedrohung der
rumänischen Erdölgebiete durch Luftangriffe der Roten Luftwaffe auszuschließen. Die deutsche Generalität sah im
Gegensatz dazu ein vorrangiges Ziel in der alleinigen und sofortigen Einnahme Moskaus. Moskau hatte nicht nur aus
geographischer Sicht eine große Bedeutung, sondern auch als Verkehrs- und Nachrichtenzentrale, als politischer
Mittelpunkt und als wichtiges Industriegebiet. Der Fall der sowjetischen Hauptstadt hätte aller Voraussicht nach
einen ungeheuren moralischen Eindruck auf das russische Volk, aber auch auf die übrige Welt machen müssen.
In der Kesselschlacht bei Smolensk (10. Juli bis 3. August 1941) war eine erste sowjetische Verteidigungsstellung
vor Moskau durchstoßen worden. Hitler ließ jedoch im August 1941 die Panzerdivisionen der Heeresgruppe Mitte
nach Norden Richtung Leningrad und nach Süden Richtung Kiew abdrehen, während der Mittelabschnitt zur
Verteidigung übergehen sollte.
Mit der Blockade Leningrads und der Eroberung der Ukraine konnte die Wehrmacht zwar weitere beträchtliche
Erfolge erringen (Schlacht um Kiew), Stalin gewann aber dringend benötigte Zeit und konnte dadurch die
Verteidigung der Hauptstadt organisieren und neue Reserven aufstellen. Außerdem rückten die Schlammperiode und
der eisige russische Winter immer näher.
In einer Hitler vorgelegten Denkschrift kam das OKW am 26. August 1941 zu der Feststellung, dass es unmöglich
sei, den Feldzug im Osten in diesem Jahr noch zu beenden. Diese Darstellung fand schließlich auch Hitlers
Zustimmung. Nach dem sich abzeichnenden Fiasko der Roten Armee im Raume Kiew Anfang September änderte
Hitler jedoch überraschend seine Meinung und er erließ am 6. September 1941 mit der Führerweisung Nr. 35 den
Befehl an die Heeresgruppe Mitte, die Vorbereitungen für einen Angriff auf Moskau bis Ende September
abzuschließen[2] .
Situation in Moskau
Ende Juli 1941 nahm Moskau nach den ersten deutschen Luftangriffen langsam das Aussehen einer Frontstadt an.
Die Schaufenster der Geschäfte wurden mit Sandsäcken oder Brettern verbarrikadiert, an denen zum Teil riesige
Propagandaplakate hingen. Nachts herrschte strenge Verdunkelung und der Straßenverkehr wurde auf das Nötigste
minimiert. Bei den Tarnungsanstrengungen vor der deutschen Luftwaffe wurden keine Mühen gescheut. Die
Umrisse fast der gesamten Stadt wurden in Kleinstarbeit umgeändert. So sahen zum Beispiel der Swerdlowplatz und
das Bolschoi-Theater aus der Luft betrachtet wie eine Gruppe kleiner Häuser aus. Die Kreml-Mauern wurden mit
Farbe zu Reihenwohnhäusern umstilisiert, die goldenen Kuppeln der Kirchen wurden grün angemalt. Auf allen
großen Straßen malte man Zickzack-Linien, die von oben wie Hausdächer aussahen. Alle großen Plätze wurden mit
Hausdächern bemalt und freie Plätze wie Sportstadien wurden mit Attrappen von Hausdächern aus Holz bedeckt.
Sogar einige Schleifen der Moskwa wurden vollständig mit Holz überdeckt, um den deutschen Fliegern die
Orientierung zu erschweren. In den Wäldern der Vorstädte wurden Hunderte von Flak-Scheinwerfern und schwere
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Flak-Batterien aufgestellt und an den Moskauer Ausfallstraßen stiegen Fesselballons empor, um Tiefflieger
abzuhalten. Die Moskauer Luftverteidigung war stärker ausgebaut als die von Berlin und London
zusammengenommen.
Der Moskauer U-Bahn-Betrieb lief nur auf wenigen wichtigen Strecken planmäßig weiter. Entlang der Schienen
wurden Holzbretter aufgestellt und die unterirdischen Bahnhöfe und Bahnschächte zu einem riesigen
Luftschutzkeller für die Moskauer Zivilbevölkerung umfunktioniert. Jeder Moskauer, der nicht irgendwie an der
Luftverteidigung beteiligt war, musste in einen Keller gehen. Zuwiderhandlungen wurde durch Geldstrafen oder Haft
geahndet. Beim ersten Nachtangriff der Deutschen, genau einen Monat nach Kriegsbeginn, flogen die deutschen
Maschinen zum ersten und einzigen Mal in sehr geringer Höhe über Moskau. In der ersten Nacht kamen sie
gewöhnlich in einer Höhe von 300 Metern. Danach änderten die Deutschen ihre Taktik und bombardierten Moskau
aus großer Höhe[3] . Die Zahl der einfliegenden deutschen Bomber wurde jedoch von Angriff zu Angriff geringer.
Waren es in der Nacht vom 21./22. Juli 1941 noch 127 Maschinen, die Moskau angriffen, so waren es bereits eine
Nacht später 115, und in der Nacht zum 24. Juli dann 100 Maschinen. Bis zum Jahresende 1941 wurden in 59 von 76
Angriffen auf Moskau weniger als zehn deutsche Flugzeuge vom Typ He 111 und Ju 88 eingesetzt.
In Moskau bereitete man sich auf die
Möglichkeit
eines
plötzlichen
Zusammenbruchs der Front oder die
Landung von Fallschirmtruppen vor. Dazu
wurden sowjetische Jägerbataillone und
Komsomolbrigaden in einzelnen Kasernen
zusammengezogen.
Das
gesamte
Verteidigungssystem,
die
sogenannte
Moskauer Verteidigungszone, wurde dem
Kommando des Moskauer Militärbezirks
(GenLt. P. M. Artemjew) unterstellt, dem
die Mobilisierung der Bevölkerung zu
Schanz- und Befestigungsarbeiten sowie die
Aufstellung
und
Bewaffnung
von
Arbeiterbataillonen unterlag. Artemjew war
außerdem für die Industrieproduktion, das
Transportwesen,
die
Nachrichtenverbindungen und für die
Lebensmittelversorgung der Bevölkerung
verantwortlich. So lagen die wichtigsten
Lebensfunktionen der Hauptstadt in den
Händen des Militärs, genauer gesagt des
NKWD.
Frauen heben einen Panzergraben vor Moskau aus, 1941
Schlamm erschwert den deutschen Vormarsch
Vergleich der Streitkräfte
Die Gliederung der Roten Armee unterschied sich von der deutschen durch das Fehlen eines Korpsverbandes. Bei
den Divisionsstärken entsprachen etwa 2 1/2 sowjetische Divisionen einer deutschen Division. Die Rote Luftflotte
war der Armee unterstellt und bildete keine eigene Waffengattung wie die deutsche Luftwaffe.
Schlacht um Moskau
Die deutschen Streitkräfte
Die Heeresgruppe Mitte (GFM von Bock) wurde für den Angriff auf Moskau durch die Panzergruppe 4 (Hoepner)
erheblich verstärkt, die von Leningrad zur Mittelfront abgezogen wurde. Insgesamt verfügten die Deutschen über 14
Panzerdivisionen, 9 motorisierte Divisionen und 56 Infanteriedivisionen. Unterstützung aus der Luft kam von der
Luftflotte 2 (Kesselring) und von Teilen der Luftflotte 4 (Löhr).
Insbesondere die motorisierten und gepanzerten Einheiten der Heeresgruppe Mitte waren wegen Zurücklegung
großer Kilometerleistung auf ungeeigneten Straßen unter fast ständiger Feindeinwirkung stark in Mitleidenschaft
gezogen und hätten dringend der Überholung und Auffrischung bedurft, was aus zeitlichen und organisatorischen
Gründen nur unzureichend geschah.
Außerdem stellten die von den deutschen Streitkräften gewonnenen Kesselschlachten zwar für sich gesehen taktische
Erfolge dar, jedoch verschafften sie den sowjetischen Streitkräften Zeit für Verteidigungsvorbereitungen an
wichtigen Abschnitten. Die deutschen Truppen hingegen wurden schwächer, die Flugzeuge, Panzer und Fahrzeuge
verschlissen, die begrenzten Ressourcen an Treibstoff und Munition wurden aufgebraucht. Ersatz konnte nur
notdürftig gestellt werden. Völlig fehlte es an warmer Kleidung für die Soldaten, obwohl der russische Winter in
einigen Wochen beginnen würde.
Die Verluste der Wehrmacht im Ostfeldzug vom 22. Juni bis 26. September 1941 beliefen sich auf 534.086 Tote,
Verwundete und Vermisste, rund 15 % der Anfangsstärke.
Die sowjetischen Streitkräfte
Die Rote Armee konnte die Front vor Moskau, die östlich Smolensk, ca. 300 km westlich der Hauptstadt verlief, im
Verlauf des Sommers sichern und ausbauen. In einigen Abschnitten führte die Rote Armee heftige Gegenangriffe
durch. So musste Anfang September 1941 die Heeresgruppe Mitte einen Frontvorsprung bei Jelna, etwa 70 km
südöstlich von Smolensk, unter dem Druck der Roten Armee räumen. Dabei handelte es sich um den ersten
operativen Rückzug deutscher Truppen im Zweiten Weltkrieg überhaupt[4] .
Im Norden und Süden der Rollbahn Smolensk-Moskau standen acht sowjetische Armeen der Westfront unter
Oberbefehl Marschall Timoschenkos und mit Hauptquartier in Wjasma. Außerdem entstand die fast 300 km lange
Moschaisk-Verteidigungslinie von Kalinin im Norden über Wolokolamsk, Borodino, Moschaisk bis nach südlich
von Kaluga im rückwärtigen Gebiet rund 100 km vor Moskau. Diese Verteidigungsstellung bestand aus drei
Hauptlinien mit Fallgruben, Panzergräben, breiten Minengürteln, elektrisch gesteuerten Flammenwerfern und
PaK-Stellungen.
Im Moskauer Raum befand sich ein Großteil der sowjetischen Stawka-Reserven; die sowjetischen Luftstreitkräfte
konzentrierten dort fast 40 % der einsatzbereiten Flugzeuge und hatten den Vorteil, dass sie friedensmäßig
ausgebaute Flugplätze nahe der Front zur Verfügung hatten.
Mitte August 1941 funkte der als Korrespondent der Frankfurter Zeitung getarnte Agent Dr. Sorge nach Moskau,
dass der japanische Kronrat beschlossen habe, den Kampf gegen die Sowjetunion von Mandschukuo aus endgültig
einzustellen und eher bereit wäre, einen Krieg gegen die USA und England in Kauf zu nehmen, als auf die
Rohstoffvorkommen Süd-Indochinas zu verzichten. Hierdurch besaß das sowjetische Oberkommando die
strategische Möglichkeit, größere Reserven in Form von sibirischen Truppen aus dem Fernen Osten nach Westen zu
verlegen. Die sibirischen Truppen, fast 700.000 Mann, waren die zu diesem Zeitpunkt letzten gut ausgerüsteten
Reserveverbände der Roten Armee. Die Truppentransporte nahmen für die über 8.000 km lange Strecke zwischen
Moskau und Wladiwostok mehrere Wochen in Anspruch. Während nur Restkommandos vor Ort verblieben, um mit
fingierten Funksprüchen das Vorhandensein der Truppen vorzutäuschen, fuhren die Militärtransporte unter Verzicht
auf das übliche Blocksystem direkt auf Sicht und rollten mit absolutem Vorrang mit einer Tagesleistung von etwa
750 km westwärts[5] .
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Schlacht um Moskau
Verlauf
Deutsche Vorstöße
Im Morgengrauen des 2. Oktober wurde den deutschen Soldaten Hitlers Tagesbefehl vorgelesen, indem der Beginn
der letzten Entscheidungsschlacht dieses Jahres angekündigt wurde, mit dem Hinweis auf die große Gefahr, „die seit
den Zeiten der Hunnen und später der Mongolenstürme entsetzlicher nicht mehr über dem Kontinent schwebte“.
Um 05:30 Uhr traten etwa 350 km vor Moskau von Nord nach Süd an: 9. Armee (Strauß), Panzergruppe 3 (Hoth), 4.
Armee (von Kluge), Panzergruppe 4 (Hoepner), 2. Armee (von Weichs). Beabsichtigt war, beiderseits der Rollbahn
Smolensk-Moskau vorzugehen und Moskau durch die PzGr. 3 im Norden und die PzGr. 4 im Süden zu umfassen.
Bei der sogenannten „Rollbahn“ handelte es sich um die Hauptverkehrsstraße zwischen Moskau und Smolensk, die
streckenweise autobahnähnlich vierspurig ausgebaut war (heute Magistrale Nr. 1). Einige Streckenabschnitte
bestanden jedoch noch aus unbefestigten Sandwegen bzw. aus Kopfsteinpflaster. Die Panzergruppe 2 (Guderian)
begann den Angriff bereits am 29. September und sollte den Zangengriff von Südwesten her unterstützen und hatte
über Orjol, Tula bis nach Moskau mit über 600 km den längsten Weg. Gleichzeitig begann der Angriff der
Heeresgruppe Süd auf Kursk, Charkow und das Donezbecken.
Zu diesem Zeitpunkt verfügten die motorisierten Verbände der Heeresgruppe Mitte nur noch über etwa 30–40 %
ihres Bestandes. Die Versorgung der Truppen machte der Wehrmacht Probleme, da die sowjetischen Eisenbahnen
auf einer anderen Spurbreite fuhren, die Schienen erst umgenagelt werden mussten und die Transportkapazitäten der
Reichsbahn an ihre Grenzen stießen. Überfälle von Partisanen verschärften dieses Problem noch.
Am 3. Oktober wurde durch die Panzergruppe 2 (Guderian) die Stadt
Orjol derartig überraschend eingenommen, dass die elektrischen
Bahnen in der Stadt noch fuhren. Eine offensichtlich geplante
industrielle Räumung konnte nicht mehr durchgeführt werden.
Zwischen Fabriken und dem Bahnhof lagen allerwärts die Maschinen
und Kisten mit Werkzeugen und Rohstoffen an den Straßen[6] . Nach
dem Eindrehen der Panzergruppe 2 in Richtung Nordwesten wurde am
6. Oktober Brjansk erobert und die östlich der Stadt eingesetzten
Rasputiza: Verschlammte Straße im Herbst 1941
Sowjetverbände eingekesselt. Armeegeneral Schukow wurde durch
in der Sowjetunion
Stalin aus Leningrad abberufen und mit der Verteidigung Moskaus
beauftragt. Tags darauf schloss sich ein weiterer Kessel bei Wjasma. Das sowjetische Komitee der
Staatsverteidigung traf den Beschluss, etwa 15 bis 20 km vor Moskau eine halbkreisförmige Verteidigungsstellung,
die aus mehreren Verteidigungslinien bestehen sollte, zu errichten. Ebenfalls am 7. Oktober verbot Hitler jegliche
Annahme einer eventuell unterbreiteten Kapitulation Moskaus. Durch den Reichspressechef Dr. Dietrich wurde am
8. Oktober der In- und Ausländischen Presse mitgeteilt, dass der „Russlandkrieg“ mit der Zertrümmerung der
Heeresgruppe Timoschenko entschieden und die UdSSR geschlagen sei.
Am 12. Oktober eroberte die Wehrmacht Kaluga, am 13. Oktober drang sie in die Vororte von Kalinin ein. Ebenfalls
am 13. Oktober begann die gefürchtete Schlammperiode (Rasputiza) und es kam zu ersten Gefechtsberührungen
zwischen Wehrmacht und Truppen der Fernostarmee. Am nächsten Tag erreichten die deutschen Panzerspitzen die
Moschaisk-Verteidigungslinie, die sich fast 300 km lang von Kalinin bis nach Kaluga erstreckte.
Am 15. Oktober konnte Klin erreicht werden, wurde jedoch erst am 25. November vollständig besetzt. Jetzt waren es
noch 100 km bis nach Moskau. Unterdessen wurden alle wichtigen Behörden, das Politbüro und fast sämtliche
ausländische Diplomaten aus Moskau nach Kuibyschew (heute Samara) evakuiert. Stalin und Stawka blieben in der
Stadt. In einer geheimen Mission wurde Moskau durch zwei Kompanien Bergbauspezialisten zur Sprengung
vorbereitet[7] . Unterdessen errichteten 500.000 Moskauer, überwiegend Frauen, Befestigungsanlagen vor Moskau.
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Am 14. bzw. 17. Oktober wurden die Kessel von Wjasma und Brjansk geräumt. Das OKW meldete die Vernichtung
von 80 Divisionen; 663.000 Gefangene wurden gemacht, 1242 Panzer und 5412 Geschütze zerstört oder erbeutet. In
Moskau brach zwischen dem 16. und 18. Oktober eine Massenpanik unter der Bevölkerung aus, nachdem sie
erstmals über die Bedrohung durch die Deutschen informiert wurde. Die meisten Betriebe standen still, viele
Geschäfte und Warenhäuser wurden geplündert, erhebliche Teile der Bevölkerung versuchten die Stadt zu verlassen.
Am 19. Oktober wurde das Standrecht verhängt und Sperrverbände des NKWD unter Generalleutnant
P. M. Artemjew griffen hart durch. Meuterer wurden erschossen, Deserteure gehängt. An diesem Tage wurde auch in
Tokio Richard Sorge durch die japanische Militärpolizei Tekko verhaftet. Er hatte mit seinem Funker Klausen
(Deckname Fritz) seit 1939 insgesamt 141 Berichte mit über 65.000 Wörtern nach Moskau gefunkt, sowie zahlreiche
Mikrofilme per Kuriere gesandt.
Die von Schukow reorganisierte Westfront zählte zu diesem Zeitpunkt sechs Armeen mit fast 70 Divisionen.
Die alljährlich einsetzende Herbstschlammperiode sowie die dadurch aufgeweichten Wege und Straßen erwiesen
sich jedoch als Stalins wirksamste Helfer im Kampf gegen die Deutschen. Der Nachschub der an den
Angriffsoperationen unmittelbar beteiligten Divisionen sank schlagartig von 900 Tonnen täglich auf nur noch rund
20 Tonnen. Das Erlahmen des Deutschen Angriffes nutzen die Sowjets zum Ausbau der Verteidigungsanlagen. Ab
1. November durfte die Rollbahn Smolensk-Moskau nur mit Sondergenehmigung befahren werden, um sie nicht
noch mehr „aufzuwühlen“, bis am 3. November leichter Frost einsetzte und die Straßen und Wege wieder befahrbar
machte. Jedoch brauchte die Wehrmacht fast zwei Wochen, bis Munition und Treibstoff herangeschafft und der
Angriff fortgesetzt werden konnte. Am 6. November setzte bereits strenger Frost ein und die Soldaten der
Wehrmacht waren noch immer ohne Winterbekleidung. Am gleichen Tage fand in der Moskauer U-Bahn Station
Majakowski-Platz eine feierliche Sitzung des Moskauer Sowjet statt, in der Stalin in einer leidenschaftlichen Rede
die Kampfkraft seiner Soldaten und die Widerstandskraft der sowjetischen Bevölkerung beschwor. Tags darauf
wurde auf dem Roten Platz trotz der Gefahr deutscher Luftangriffe eine militärische Parade zum Gedenken an die
Oktoberrevolution abgehalten. Die teilnehmenden Truppen der Roten Armee marschierten anschließend direkt zur
Front.
In Moskau waren zu diesem Zeitpunkt fast zwei Millionen Menschen evakuiert. In den Stadtbezirken wurden
Arbeiterbataillone aufgestellt. Viele Kunstwerke aus den Museen und des Kremls, selbst der einbalsamierte
Leichnam Lenins, wurde aus der Stadt nach Osten in Sicherheit geschafft. Über 200.000 Arbeiter verließen mit ihren
Betrieben die Stadt.
Am 16. November begann erneut der deutsche Angriff, der auf verbissenen Widerstand der Roten Armee traf.
Größere Teile der deutschen Luftflotte 2 (Kesselring) wurden in den Mittelmeerraum verlegt und dadurch konnten
die sowjetischen Luftstreitkräfte in den wichtigsten Abschnitten die Lufthoheit erringen.
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Schlacht um Moskau
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Am 23. November melden von Bock und Guderian dem OKH die
bedrohliche Lage, sowie die Erschöpfung der Truppe. Sie erhielten
jedoch Befehl, die Offensive mit einem „letzten Kraftaufgebot“
fortzusetzen. Die deutsche Führung ging davon aus, dass auf beiden
Seiten das letzte Bataillon im Einsatz stehe.
Am 25. November legte Marschall Schaposchnikow Stalin den Plan
einer Gegenoffensive vor. Es standen bereits 21 der insgesamt 34
Fernosteinheiten im Raum Moskau bereit, die in der Planung eine
entscheidende Rolle spielten.
Am 26. November wurde die Stadt Istra 35 km vor Moskau durch
deutsche Truppen genommen. Am 27. November sanken die
Temperaturen bereits unter 35 Grad Minus und forderten bei den
Deutschen hohe Ausfälle an Erfrierungen, während die Rote Armee
seit Mitte November vollständig mit warmer Kleidung ausgerüstet war.
An diesem Tage beorderte Stalin die 1. Stoßarmee (Kusnetzow), die
20. Armee (Wlassow), die 10. Armee (Golikow) und weitere
Divisionen aus der strategischen Reserve der Stawka an die Westfront
zur Vorbereitung der Gegenoffensive. Die Meldungen der
Luftaufklärung über erkannte Truppenausladungen im Raum Moskau
wurden von der deutschen Führung als „Gespenstereien“ betrachtet.
Deutscher Panzerangriff bei Istra am 25.
November 1941
Am 30. November nahmen die Deutschen die Orte Krasnaja Poljana [8] [9] und Putschki ein und kamen dadurch
18 km an Moskau heran. Die Angriffe der Panzergruppe 2 auf Tula konnten die Sowjets abwehren. Ebenfalls an
diesem Tage meldete Schukow Stalin die Bereitschaft zur Offensive. Stalin beschloss, noch bis zum 6. Dezember zu
warten, um die Kräfte besser zu koordinieren und weitere Reserven abzuwarten.
Am 2. Dezember gelang es einem Erkundungstrupp des Panzerpionierbataillons 62 bis zum Moskauer Vorort
Chimki[10] [11] , ca. 8 km vor der Stadtgrenze, vorzudringen. Es war der dem Kreml nächstgelegene Punkt, den die
Wehrmacht erreicht hatte, und dessen Türme waren durch die Scherenfernrohre zu sehen[12] [13] . Die Moskauer
Festungsbatterien schossen nun in die vordersten deutschen Linien[14] .
Sowjetische Gegenoffensive
Der sowjetische Gegenangriff sah vor, zuerst die für Moskau
gefährlichsten deutschen Einheiten der Panzergruppe 3 und 4
einzukesseln, abzuschnüren und zu vernichten. Danach sollte im Zuge
weit nach Westen reichender Operationen und Kesselschlachten die
gesamte Heeresgruppe Mitte ausgeschaltet werden, während an den
übrigen Frontabschnitten in Norden und Süden gleichzeitig
stattfindende Stör- und Tarnangriffe ein Abziehen deutscher Reserven
an die Mitte der Front unmöglich machen sollten.
Die Rote Luftwaffe konnte fast 1400 Flugzeuge einsetzen. Das
sowjetische Oberkommando stellte aus der strategischen Reserve etwa
1.060.000 Mann, fast 700 Panzer und eine verstärkte Artillerie zur
Verfügung.
Sowjetische Panzer und Infanterie während der
Offensive im Dezember 1941
Schlacht um Moskau
Am 30. November segnete Stalin den Plan ab und betraute General
Schukow mit der Führung, der bereits für seine Erfolge 1939 in der
Schlacht am Chalchin Gol gegen Japan zum Held der Sowjetunion
ernannt worden war.
In der Nacht zum 5. Dezember landeten 416 sowjetische
Fallschirmspringer nahe der Stadt Juchnow und sollten den dortigen
Flugplatz sichern, gleichzeitig zerstörten sowjetische Partisanen im
Hinterland Schienenwege oder besetzten wichtige Straßenkreuzungen.
Soldaten der Wehrmacht auf Wache im
Danach begann zeitlich versetzt der sowjetische Hauptangriff im
Dezember 1941 westlich von Moskau
Norden beiderseits des Wolga-Staudammes durch die Kalininer Front
(Konew) mit südwestlichen Angriff auf Klin. Im Anschluss führte die
Westfront (Schukow) Frontalstöße beiderseits der Rollbahn Moskau-Smolensk nach Westen durch. Weiter südlich
ging am 6. Dezember die Südwestfront (Timoschenko) zum Angriff über und schlug bei Jelez eine Bresche in die
deutsche Front.
Die sowjetischen Truppen waren bestens auf den Winter vorbereitet und verfügten über Ski- und
Schneeschuheinheiten, die der Infanterie im tief verschneiten Gelände hohe Bewegungsfähigkeit ermöglichten.
Außerdem war die Rote Armee mit dem neuen T-34-Panzer ausgestattet, der den deutschen Panzermodellen in
vielerlei Hinsicht überlegen war und gegen den die Wehrmacht über keine effektive Panzerabwehr verfügte.
Die deutsche Heeresgruppenführung reagierte nur zögerlich auf den sowjetischen Angriff, bis sie diesen als
Großangriff erkannte. Erst am Abend des 6. Dezember befahl sie den eigenen Angriff auf Moskau einzustellen und
in den Ausgangsstellungen zur Verteidigung überzugehen.
Am 7. Dezember wurde die sowjetische Bevölkerung zum ersten Mal durch das Sowinformbüro über die Offensive
gegen die „deutsch-faschistischen Truppen“ informiert, die hohe Verluste erlitten hätten, während die eigenen
Truppen im Vorgehen seien. An diesem Tag überfielen die Japaner den amerikanischen Flottenstützpunkt auf Pearl
Harbor.
In der Nacht vom 7./8. Dezember fand verstärkter Einsatz sowjetischer Kosakenregimenter statt. Hinter der Front
verübten sie Überfälle auf Versorgungslager, Trosse und rückwärtige Stäbe und stifteten einige Verwirrung. Zwei
Tage später befahl die Heeresgruppe Mitte den allgemeinen Rückzug auf die Winterstellung. von Brauchitsch
überzeugte sich bei einem Frontbesuch persönlich von der Richtigkeit dieses Befehls, konnte Hitler aber nicht von
der Notwendigkeit überzeugen. Am 11. Dezember erklärte das Deutsche Reich den Vereinigten Staaten von Amerika
(USA) den Krieg. Am 16. Dezember lehnte Hitler jede Absetzbewegung ab und formulierte in einer Führerweisung
vom 18. Dezember neue Richtlinien der Kampfführung und zwang dadurch die Truppen, „fanatisch“ in ihren
Stellungen auszuhalten.
An die Heeresgruppe Mitte
1. Der Führer hat befohlen:
„Größere Ausweichbewegungen können nicht durchgeführt werden. Sie führen zum völligen Verlust von
schweren Waffen und Gerät. Unter persönlichem Einsatz der Befehlshaber, Kommandeure und Offiziere
ist die Truppe zum fanatischen Widerstand in ihren Stellungen zu zwingen, ohne Rücksicht auf
durchgebrochenen Feind in Flanke und Rücken. Nur durch eine derartige Kampfführung ist der
Zeitgewinn zu erzielen, der notwendig ist, um die Verstärkungen aus der Heimat und dem Westen
heranzuführen, die ich befohlen habe. Erst wenn Reserven in rückwärtigen Sehnenstellungen
eingetroffen sind, kann daran gedacht werden, sich in diese Stellungen abzusetzen.“
2. ….[15]
Am 16. Dezember wurde Kalinin von der Roten Armee befreit. Am 19. Dezember entließ Hitler von Brauchitsch
und übernahm selbst den Oberbefehl über das Heer. Am 21. Dezember versuchte die Rote Armee handstreichartig
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Schlacht um Moskau
Kaluga zu besetzen und es begannen drei Tage dauernde Straßenkämpfe. Am 25. Dezember konnte die Rote Armee
Istra, Rusa und Wolokolamsk befreien. Guderian nahm in diesen Tagen eigenmächtig seine Truppen entgegen
ausdrücklicher Haltebefehle zurück und wurde deswegen seines Kommandos enthoben und zur Führerreserve
versetzt.
Am 30. Dezember fiel Kaluga endgültig wieder in sowjetische Hand, am 7. Januar Moschaisk. Am 8. Januar musste
Hoepner seine Truppen (XX. Korps) zwingend zurücknehmen, um sie der drohenden Einkesselung zu entziehen.
Auch hier lag ein strikter Haltebefehl des OKH vor. Da sich derartige „Rebellionen“ häuften, statuierte Hitler ein
Exempel an Hoepner, indem er ihn seines Kommandos enthob und unehrenhaft aus der Wehrmacht ausschloss. Von
diesem Tage an musste jeder Rückzugsbefehl bis Kriegsende persönlich von Hitler genehmigt werden.
Am 15. Januar befahl Hitler in Anbetracht der Notwendigkeiten den Rückzug auf die Winterstellung. Freilich kam
dieser Befehl viel zu spät und die größtenteils zu Fuß zurückweichenden deutschen Truppen mussten mangels
Pferden, Zugmaschinen oder Betriebsstoff das gesamte schwere Gerät zurücklassen. Der Begriff „Winterstellung“
hatte seinen Ursprung in der NS-Propaganda, die dem deutschen Volk einen geordneten Rückzug auf ausgebaute
Stellungen vorgaukeln sollte. Von einer im militärischen Sinne ausgebauten Stellung mit Schützengräben, Bunkern,
Artilleriestellungen und sonstigen Befestigungsanlagen war nicht die Rede. Tatsächlich wurde hier eine von Hitler
willkürlich gezogene Linie auf der Landkarte, die sich hauptsächlich an logistischen Notwendigkeiten im Sinne von
nahen Versorgungspunkten und kurzen Wegen entlang der Entladebahnhöfe des Nachschubes, der fast vollständig
über die Reichsbahn erfolgte, sowie eventueller strategisch günstiger Aufmarschgebiete für kommende Offensiven
als „Winterstellung“ bezeichnet.
Die Deutschen verloren schätzungsweise 500.000 Mann an Toten oder Verwundeten sowie zusätzlich mindestens
100.000 Mann an Ausfällen durch Erfrierungen, dazu 1300 Panzer, 2500 Geschütze und über 15.000 Kfz. Trotzdem
konnte die Wehrmacht Ende Januar 1942 bei Rschew und Juchnow, (auch unter Mitwirkung des XX. Korps) größere
Abwehrerfolge erringen, die den Aufbau einer neuen Verteidigungslinie ermöglichten. Stalin hatte zwar nur einen
Teil seines Planes verwirklichen können – die Heeresgruppe Mitte wurde nicht vernichtet –, aber die Schlacht um
Moskau war für das Deutsche Reich verloren.
Folgen
Im Zuge der sich anschließenden sowjetischen Winter- und
Gegenoffensive wurden größere deutsche Truppenverbände in
Demjansk (Kesselschlacht von Demjansk) und Cholm, an der
Nahtstelle zur Heeresgruppe Nord, eingeschlossen, die erst im Frühjahr
1942 nach mühseliger und verlustreicher Luftversorgung entsetzt
werden konnten.
In der sowjetischen Verteidigungsoperation (30. September bis 5.
Dezember 1941) wurde die Rote Armee auf der 700 bis 1110 km
Bergung von Verwundeten im Winter 1941 vor
breiten Front 250 bis 300 km nach Osten zurückgeschlagen und erlitt
den Toren Moskaus
gewaltige Verluste von etwa 656.000 Mann (514.000 Tote). [16] In der
Moskauer Angriffsoperation (5. Dezember 1941 bis 7. Januar 1942) stieß sie auf der 1000 km breiten Front 11 bis
250 km nach Westen vor und verlor dabei 370.000 Mann (140.000 davon Tote). [17]
Nachdem die Sowjetunion durch den deutschen Angriff im Russlandfeldzug militärisch in ernste Bedrängnis geriet
[18]
, konnte sie mit dem ersten großen Sieg über Deutschland die Lage wieder ausgleichen. Dies sorgte nicht nur für
eine Verbesserung der Moral in der Bevölkerung und der Roten Armee, sondern auch die Westalliierten erkannte die
Sowjetunion als gleichwertigen Bündnisspartner an und ebneten den Weg zur Konferenz von Teheran.
Das Scheitern des „Unternehmens Taifun“ bedeutete gleichzeitig den völligen Fehlschlag des gesamten
„Unternehmens Barbarossa“ und der deutschen Blitzkriegstrategie in Russland. Die angestrebte Linie
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Archangelsk–Astrachan lag in unerreichbarer Ferne, die Rote Armee war keinesfalls entscheidend geschwächt und
die Feindkoalition begann sich wirkungsvoll gegen Deutschland zu formieren. Nach Hitlers Kriegserklärung an die
USA unmittelbar nach Pearl Harbor und mitten im Verlauf der sowjetischen Gegenoffensive im Winter vor Moskau
weitete sich der Krieg auch zu einer tatsächlich global geführten militärischen Auseinandersetzung mit allen seinen
Folgen aus. Das Gleichgewicht der Kräfte verschob sich kriegsentscheidend zu Ungunsten Deutschlands. Militärisch
und wirtschaftlich war der Krieg bereits Ende 1941 für das Deutsche Reich nicht mehr zu gewinnen [19] , obwohl es
noch über 40 Monate dauerte, bis es schließlich kapitulierte.
Zum 50. Jahrestag der Schlacht gab die russische Staatsbank 1991 eine Gedenkmünze im Wert von 3 Rubeln aus.
Literatur
• In der Datenbank RussGUS [20] werden an die 50 Publikationen
nachgewiesen (dort Suche - Formularsuche - Sachnotation:
12.3.4.5.3.4.2.4.1)
• Günther Blumentritt: Schlacht um Moskau. Erinnerungen über die
Heeresgruppe Mitte. (In: Seymour Freiden, William Richardson
(eds.): The Fatal Decisions. New York, 1958.)
• Janusz Piekalkiewicz: Die Schlacht um Moskau, Der Zweite
Weltkrieg.
russ. Gedenkmünze von 1991
Weblinks
•
•
•
•
•
Vereinigtes Internationales Biographisches Zentrum:Soldat 20 weka. Schlacht um Moskau [21] (russisch)
Moskauer Verteidigungsoperation in Russische Zivilisation [22] (russisch)
Moskauer Angriffsoperation in Russische Zivilisation [23] (russisch)
Moskauer Verteidigungsoperation [24] (russisch)
Moskauer Angriffsoperation [25] (russisch)
Referenzen
[1] http:/ / militera. lib. ru/ research/ myagkov/ index. html
[2] Janusz Piekalkiewicz: Der Zweite Weltkrieg. Band 2, ECON Verlag GmbH, Wien 1985, Seite 513
[3] So sahen sie den Krieg, Augenzeugen berichten über den 2. Weltkrieg. Hier: Erskine Caldwell, New York 1942, erschienen im Wilhelm
Heyne Verlag München, Heyne - Sachbuch - Nr. 127, Stuttgart 1966
[4] J. Piekalkiewicz, Schlacht um Moskau, Seite 99. Der von der 4. Armee gehaltene Frontbogen musste unter dem Druck der 24. sowjetischen
Armee (GenMaj. Rakutin) geräumt werden. Vergl. auch Kriegstagebuch des OKW, Herausgeber Percy E. Schramm, 1940-1941 Teilband 2,
Seite 614 mit Eintrag vom 5. September 1941:…Die Rückverlegung der HKL westlich Jelna verläuft planmäßig…
[5] J. Piekalkiewicz: Schlacht um Moskau, Seite 95. Als erste wurden verlegt: Aus den Baikalregionen sieben Schützen- und zwei
Kavalleriedivisionen, zwei Panzerbrigaden und drei Luftgeschwader; aus der äußeren Mongolei eine Schützendivision, eine Panzerbrigade,
ein Luftgeschwader; aus der Gegend um Ussuri fünf Schützen- und ein Kavalleriedivisionen sowie drei Panzerbrigaden.
[6] Heinz Guderian, Erinnerungen eines Soldaten, Motorbuch Verlag 15. Auflage 1996, Seite 209
[7] Janusz Piekalkiewicz: Die Schlacht um Moskau, Lübbe Verlag 1981, Seite 136. Nach den blutigen Erfahrungen der großteils mit Zeitzündern
unterminierten Stadt Kiew verbot Hitler das Betreten Moskaus und Leningrad durch die Wehrmacht
[8] http:/ / www. russlandfeldzug. de/ karte3. jpg
[9] Krasnaya Polyana, Oblast Moskau, Russland (http:/ / maps. google. de/ maps?f=q& hl=de& geocode=& q=Krasnaya+ Polyana,+ Oblast+
Moskau,+ Russland& sll=56. 906003,37. 485352& sspn=2. 102616,6. 976318& ie=UTF8& z=14& g=Krasnaya+ Polyana,+ Oblast+
Moskau,+ Russland& iwloc=addr)
Schlacht um Moskau
142
[10] Karl-Heinz Janßen: Bis Chimki - Warum der deutsche Musketier nicht bis zum Kreml kam (http:/ / www. zeit. de/ 1991/ 51/ Bis-Chimki),
DIE ZEIT Nr. 51/1991,, 13. Dezember 1991
[11] Wie die Rote Armee die Wehrmacht zerrieb (http:/ / www. stern. de/ politik/ historie/ :Militär-Wie-Rote-Armee-Wehrmacht/ 537685.
html?eid=537265& s=7), Stern
[12] http:/ / jop-kriegskunst. de/ IIwelt/ su/ mosk. htm
[13] http:/ / www. russlandfeldzug. de/ dieostfront3. htm
[14] J. Piekalkiewicz: Die Schlacht um Moskau, Seite 205. Vergl. auch: Der Zweite Weltkrieg - Ein Lexikon, Christian Zentner, Seite 381
[15] Kriegstagebuch des OKW 1940-1941, Hrsg. Percy E. Schramm, Teilband II, S. 1084f, Fernschreiben an H. Gr. Mitte vom 18. Dezember
1941, GenStdH Op.Abt. (III), Nr. 1736/41 g.Kdos. Chefs.
[16] http:/ / www. soldat. ru/ doc/ casualties/ book/ chapter5_10_1. html#5_10_9
[17] http:/ / www. soldat. ru/ doc/ casualties/ book/ chapter5_10_1. html#5_10_12
[18] Der Zweite Weltkrieg - Ein Lexikon, Hrsg. Christian Zentner, Seite 508, Tosa Verlag Wien 1998, ISBN 3-85001-863-6. , Es erscheint
verbürgt, dass Stalin als Kalinin fiel, sogar an eine Kapitulation dachte und Berija für den "äußersten Fall" den Auftrag gab, Hitlers
Bedingungen für ein "zweites Brest" zu erkunden. aus: Geschichte der Sowjetunion, S. 604 ff, von Manfred Hildermeier, Verlag C.H.Beck,
München
[19] vergl. hierzu: Karl-Heinz Frieser in der Einleitung von: Karl-Heinz Frieser/ Klaus Schmider/ Klaus Schönherr/ Gerhard Schreiber/ Krisztián
Ungváry/ Bernd Wegner: Die Ostfront 1943/44 – Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten, Im Auftrag des MGFA hrsg. von Karl-Heinz
Frieser, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-421-06235-2, S. XV
[20] http:/ / www. ib. hu-berlin. de/ ~pbruhn/ russgus. htm
[21] http:/ / wwii-soldat. narod. ru/ OPER/ ARTICLES/ 013-moscow. htm
[22] http:/ / www. rustrana. ru/ article. php?nid=3415
[23] http:/ / www. rustrana. ru/ article. php?nid=3440
[24] http:/ / www. soldat. ru/ doc/ casualties/ book/ chapter5_10_1. html#5_10_9
[25] http:/ / www. soldat. ru/ doc/ casualties/ book/ chapter5_10_1. html#5_10_12
Fall Blau
Fall Blau
Teil von: Zweiter Weltkrieg
Deutsche Panzer II in der Kalmückensteppe
Datum
28. Juni–November 1942
Ort
Donezbecken, Kaukasus, Kuban Gebiet, Sowjetunion
Ausgang
Strategische deutsche Niederlage
Konfliktparteien
Deutsches Reich
Sowjetunion
Befehlshaber
Fall Blau
143
Wilhelm List (Heeresgruppe A)
Semjon Timoschenko
Maximilian Freiherr von Weichs (Heeresgruppe B)
Truppenstärke
Heeresgruppe A:
11. Armee
17.Armee
1. Panzerarmee
Vierte Rumänische Armee
Heeresgruppe B:
2. Armee
6. Armee
4. Panzerarmee
Dritte Rumänische Armee
Achte Italienische Armee
Zweite Ungarische Armee
Insgesamt:
ca. 1.500.000
1500 Panzerfahrzeuge
1550 Flugzeuge
Südfront
Südwestfront
Donfront
Nordkaukasische
Front
Transkaukasusfront
Insgesamt:
über 2.300.000
Verluste
unbekannt
unbekannt
Bedeutende Militäroperationen während des Deutsch-Sowjetischen Krieges
1941: Białystok-Minsk – Dubno-Luzk-Riwne – Smolensk – Uman – Kiew – Odessa – Leningrader Blockade – Rostow –
Wjasma-Brjansk – Moskau
1942: Charkow – Operation Blau – Operation Braunschweig – Operation Edelweiß – Stalingrad – Operation Mars
1943: Woronesch-Charkow – Operation Iskra – Nordkaukasus – Charkow – Unternehmen Zitadelle – Smolensk – Dnepr
1944: Dnepr-Karpaten-Operation – Leningrad-Nowgorod – Krim – Wyborg–Petrosawodsk – Weißrussland – Lwiw-Sandomierz
– Iaşi–Chişinău – Belgrad – Petsamo-Kirkenes – Baltikum – Karpaten – Budapest
1945: Weichsel-Oder – Ostpreußen – Westkarpaten – Ostpommern – Plattensee – Oberschlesien – Wien – Berlin – Prag
Bei der Operation Blau (eigentlich: Fall Blau) handelt es sich um den Decknamen des ersten Teils der deutschen
Sommeroffensive des Jahres 1942 in der Sowjetunion.
Vorgeschichte
Nachdem der Überfall auf die Sowjetunion 1941 nicht zum erwarteten
Zusammenbruch der Sowjetunion geführt hatte und die deutschen
Angriffskeile vor Leningrad, Moskau und Sewastopol zum Stehen
gekommen waren, sah sich die Wehrmacht im Winter 1941/42 mit
ersten Gegenoffensiven der Roten Armee konfrontiert.
Deutsche motorisierte Infanterie im Sommer
1942 in Süd-Russland
Als Reaktion darauf ernannte sich Hitler selbst zum Oberbefehlshaber
des Heeres und gab den Befehl zum Halten der Frontlinie, was zwar
größere Gebietsverluste verhinderte, jedoch auch wichtige Ressourcen
aufbrauchte, die für die nächsten Operationen dringend benötigt
wurden.
Dennoch wollte Hitler im Sommer 1942 eine Offensive am südlichen Frontabschnitt starten, um Deutschland die
kriegswichtigen Ölfelder von Maikop, Grosny und Baku zu sichern. Dem stand entgegen, dass der Teil des
Fall Blau
144
deutschen Heeres, der gegen die Sowjetunion eingesetzt wurde, vom 22. Juni 1941 (Beginn des Überfalls auf die
Sowjetunion) bis Frühjahr 1942 bereits über 30 Prozent ihrer Ausgangsstärke von 3,2 Millionen Mann als Verluste
(Gefallene, Verwundete, Vermisste) eingebüßt hatte.[1]
Im Entwurf Halders vom 28. März 1942 hatte das Kennwort für die Operation noch "Siegfried" gelautet, sie wurde
am 5. April 1942 durch Deckname Fall Blau ersetzt.[2]
Planung
In der Weisung Nr. 41 vom 5. April 1942 legte Adolf Hitler die Ziele der Operationen fest, welche die drei
Heeresgruppen im Sommer durchführen sollten. Der Heeresgruppe Süd fiel hierbei die Aufgabe zu, sowohl den
strategisch wichtigen Eisenbahnknotenpunkt Stalingrad im Norden ihres Operationsgebietes einzunehmen, als auch
zu den Ölfeldern bei Maikop, Grosny und Baku im äußersten Süden des Angriffsgebietes vorzustoßen.
Um beide Ziele gleichzeitig in Angriff nehmen zu können, ließ Hitler daher die Heeresgruppe Süd in die
Heeresgruppen A und B aufspalten.
Die Heeresgruppe A sollte nach Süden in Richtung Kaukasus und Baku vorstoßen, wofür ihr die 11. und 17.
Deutsche Armee, die Rumänische 4. sowie die 1. Panzerarmee unterstellt wurden.
Die Aufgabe der Heeresgruppe B, der die 2. und 6. Armee, die 4. Panzerarmee, sowie die Rumänische 3. Armee, die
Ungarische 2. Armee und die Achte Italienische Armee zugeteilt wurden, war es, Stalingrad zu erobern und somit
die Wolga für den russischen Nachschub zu sperren.
Obwohl auf dem Papier der Heeresgruppe A weit überlegen, war die Heeresgruppe B in Wirklichkeit die schwächere
der beiden. Dies hatte mehrere Gründe. Zum einen bestand die Heeresgruppe B bis auf die 2. und 6. Deutsche Armee
sowie der bereits erheblich geschwächten 4. Panzerarmee hauptsächlich aus Armeen verbündeter Staaten, die wenig
bis gar keine Kampferfahrung hatten und zu einem großen Teil schlecht bewaffnet waren. So verfügte die
Rumänische 3. Armee nur über ein veraltetes 3,7-cm-Geschütz pro Brigade.
Ein weiterer Schwachpunkt der Heeresgruppe B war die langgezogene
Nordflanke, zu deren Verteidigung immer zwei bis drei Armeen
abgestellt waren, die beim Vormarsch fehlten und trotzdem eine so
lange Front im Falle eines Angriffs nicht effektiv verteidigen konnten.
Hitler jedoch nahm diese Risiken bewusst in Kauf, da für ihn die
Eroberung der Ölfelder absolute Priorität hatte und er erneut – wie
schon zu Beginn der Operation Barbarossa – nach den zahlreichen für
Deutschland siegreich beendeten Kesselschlachten mit hohen
sowjetischen Verlusten die verbliebene Stärke der Roten Armee
unterschätzte.
Deutsche Artillerie im August 1942
Am 19. Juni 1942 – kurz vor Beginn der deutschen Sommeroffensive – unternahm der Ia der 23. Pz.-Div., Major
Reichel, einen Erkundungsflug; die Maschine musste knapp hinter den sowjetischen Linien notlanden. Den Sowjets
fielen dabei Karten und Pläne für die erste Operationsphase in die Hände.
Fall Blau
145
Operationsverlauf
Die Offensive begann am 28. Juni 1942. Nahezu überall zogen sich die
russischen Verteidiger zurück, da das Russische Oberkommando die
deutsche Sommeroffensive bei Moskau erwartet hatte und 50% der
Roten Armee dort stationiert waren.
Schon am 5. Juli erreichten die deutschen Panzerspitzen den Don bei
Woronesch.
Am 23. Juli gelang es der Heeresgruppe A schließlich, nach schweren
Gefechten die Stadt Rostow an der Donmündung zu erobern. Diese
wurde aber kurz darauf bei einem sowjetischen Gegenangriff
zurückerobert. Bis zum 10. August war es schließlich doch gelungen,
die Rote Armee großteils von der Ostseite des Don zu vertreiben, wenn
auch stellenweise weiter Widerstand geleistet wurde.
Der deutsche Vorstoß vom 7. Mai bis zum 18.
November 1942. █ bis zum 7. Juli█ bis zum 22.
Juli█ bis zum 1. August█ bis zum 18.
November
Deutscher Panzerjäger „Marder II“ auf einem Feld
im Süden Russlands
Im Gegensatz zur Heeresgruppe B fand die Heeresgruppe A nach der
Überquerung des Don am 25. Juli eine äußerst breite Front vor. Die 17.
und Teile der 11. Armee wandten sich südwärts in Richtung des
Schwarzen Meeres, während die 1. Panzerarmee das von der Roten
Armee weitestgehend verlassene Kubangebiet eroberte und schon am
9. August die Ausläufer des Kaukasus erreichte, was einem Vorstoß
von 500 Kilometern in weniger als zwei Wochen entsprach.
Die Überquerung des Don durch die 6. Armee am 21. August erlaubte
es der Heeresgruppe B, Verteidigungsstellungen entlang des Dons
einzunehmen, die weniger als 60 Kilometer von Stalingrad entfernt
lagen. Dies nutzte die Luftwaffe, die zeitweise mehr als die Hälfte ihrer einsatzfähigen Flugzeuge in den Bereich der
Heeresgruppe B verlegt hatte, für massive Luftangriffe auf die Stadt, bei denen mehr als 40.000 Menschen starben
und die Stadt großteils in Schutt und Asche gelegt wurde.
Panzer III in einem Dorf im Süden Russlands
Der Hauptangriff auf Stalingrad sollte in zwei parallelen Angriffen erfolgen. Die 6. Armee sollte im Norden
vorstoßen, während die 4. Panzerarmee weiter südlich angriff. Auf diese Weise sollten die sowjetische 62. und die
64. Armee, die jedoch jeweils nur einem deutschen Korps entsprachen, eingeschlossen werden. Am 29. August
begann die 4. Panzerarmee planmäßig mit der Offensive und stieß weit in Richtung Stalingrad vor. Da die 6. Armee
jedoch noch damit beschäftigt war, einen russischen Gegenangriff abzuwehren, konnte sie erst drei Tage später
angreifen, was den sowjetischen Armeen die Möglichkeit gab, aus dem Kessel zu entkommen. Erst am 13.
September erreichten deutsche Einheiten den Stadtrand von Stalingrad.
Fall Blau
Die 2. Phase der Sommeroffensive von 1942 wurde dann unter den Decknamen Braunschweig und Edelweiß
durchgeführt.
Ergebnis
Als der Winter 1942/43 begann, hatte die Wehrmacht weite Teile des Landes zwischen Schwarzem und Kaspischem
Meer besetzt. Die Ölfelder von Maikop waren unter deutscher Kontrolle und auf dem Gipfel des Elbrus war die
Reichskriegsflagge gehisst worden. Auch hatte man es geschafft, das westliche Donufer als Verteidigungslinie zu
erobern.
Jedoch war es nicht gelungen, die Rote Armee komplett aus Stalingrad zu vertreiben, was die 6. Armee in einen
langwierigen und verlustreichen Häuserkampf zwang. Gleichzeitig war die nördliche Flanke besonders zwischen
Don und Wolga nicht ausreichend gesichert und anfällig für einen Flankenangriff. Die Ölfelder von Maikop
wiederum waren von den sowjetischen Verteidigern vor ihrem Rückzug aus der Stadt so nachhaltig zerstört worden,
dass sie den deutschen Eroberern auf Monate hinaus nicht zur Verfügung standen und daher nicht im ursprünglich
eingeplanten Umfang zur Verbesserung der Treibstoffversorgung der deutschen Armeen beitragen konnten.
Insgesamt muss der Fall Blau als Misserfolg angesehen werden, da die primären Ziele, das Erreichen der Ölfelder
von Grosny und Baku, die vollständige Eroberung von Stalingrad und die komplette Sperrung der Wolga für
sowjetische Nachschubgeleitzüge nicht erreicht werden konnten. Die mit dieser Offensive verbundene enorme
Überdehnung der deutschen Frontlinien führte schließlich zur Niederlage von Stalingrad und dem Verlust der
eroberten Gebiete.
Literatur
• John Ray: The illustrated history of WWII. ISBN 0-297-84663-9.
• Antony Beevor: Stalingrad, ISBN 3-442-15101-5,
• Walter Hubatsch: Hitlers Weisungen für die Kriegsführung 1939–1945. Dokumente des Oberkommandos der
Wehrmacht. ISBN 3-89555-173-2.
• Andreas Hillgruber, Walter Hubatsch, Hans-Adolf Jacobsen: Kriegstagebuch des Oberkommandos der
Wehrmacht 1940–1945. ISBN 3-7637-5933-6.
Siehe auch
• Schlacht von Stalingrad
• Woronesch-Woroschilowgrader Operation
Weblinks
• ZDF.de: Der Angriff [3]
Referenzen
[1] P. E. Schramm: Kriegstagebuch des OKW, Teilband 1/1942, S. 304.
[2] P. E. Schramm: Kriegstagebuch des OKW, Teilband 1/1942, S. 316.
[3] http:/ / www. zdf. de/ ZDFde/ inhalt/ 18/ 0,1872,2025266,00. html
146
Deutscher Angriff auf Stalingrad
147
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Teil von: Schlacht von Stalingrad (Zweiter Weltkrieg)
Deutsche Infanterie in Stalingrad, Oktober 1942
Datum
13. September – 18. November 1942
Ort
Stalingrad, Sowjetunion
Ausgang
Deutscher Fehlschlag, da vollständige Einnahme nicht erreicht wird
Konfliktparteien
Deutsches Reich
UdSSR
Befehlshaber
Friedrich Paulus
Hermann Hoth
Wassili Iwanowitsch Tschuikow
Truppenstärke
6. Armee
4. Panzerarmee
62. Armee
Teile der 64. Armee
NKWD-Einheiten
Arbeiter-Milizen
Verluste
nicht genau bekannt
mehr als 100.000 Tote, Verwundete, Gefangene oder Vermisste (6. Armee)
[1]
ca. 30.000 Tote, Verwundete, Gefangene oder Vermisste (4. Panzerarmee)
Der Deutsche Angriff auf Stalingrad bildete den Höhepunkt der Schlacht von Stalingrad während des
Deutsch-Sowjetischen Kriegs bei dem mehrere Divisionen der 6. Armee der Wehrmacht vergeblich versuchten, die
Stadt in einer groß angelegten Materialschlacht gegen die verteidigende 62. Armee der Roten Armee einzunehmen.
Die deutsche Offensivphase begann am 13. September 1942 und setzte sich bis zum Beginn der sowjetischen
Großoffensive Operation Uranus am 19. November fort.
Aus deutscher Sicht lassen sich die Kämpfe um die Eroberung Stalingrads in vier Phasen unterteilen:[2]
• Angriff auf die Innenstadt, Südstadt und Mamajew-Hügel (13. bis 26. September 1942)
• Angriff auf die Arbeitersiedlungen und Orlowka-Frontvorsprung (27. September bis 7. Oktober 1942)
• Angriff auf die Industriekomplexe (14. bis 31. Oktober 1942)
Deutscher Angriff auf Stalingrad
• Angriff auf die letzten Brückenköpfe in den Fabrikanlagen (9. bis 18. November 1942)
Obwohl große Teile der Stadt besetzt wurden, scheiterte letztendlich die vollständige Einnahme Stalingrads am
verbissenen Widerstand der sowjetischen Verteidiger, die sich bis zum Ende auf dem westlichen Wolgaufer hielten.
Die sowjetische Gegenoffensive unter dem Codenamen Operation Uranus führte am 22. November1942 zur
Einkesselung der 6. Armee. Nach dem Scheitern des Entsatzunternehmens „Wintergewitter" Mitte Dezember 1942
und dem Verbot des Ausbruchsversuchs durch Hitler persönlich stellten im Nordkessel die letzten eingeschlossenen
Verbände am 2. Februar 1943 die Kampfhandlungen ein und gingen in sowjetische Kriegsgefangenschaft.
In der sowjetischen Militärliteratur wurde die Schlacht von Stalingrad als entscheidende Wende im Zweiten
Weltkrieg angesehen.[3] In der zeitgenössischen Wahrnehmung wurden die Kämpfe in Stalingrad als die erbittertsten
Kämpfe des Zweiten Weltkriegs (Piekalkiewicz), verbissenste Gefechte der überlieferten Geschichte
(US-Kriegsberichtserstatter Walter Kerr), größte Schlacht aller Zeiten (Völkischer Beobachter) und größter
Heroenkampf unserer Geschichte (Reichsmarschall Hermann Göring) bezeichnet.[4] .
Ausgangslage
Fall Blau und der Vormarsch zur Wolga
Im Sommer 1942 begann die lange geplante
deutsche Sommeroffensive Fall Blau im
Südabschnitt der Ostfront mit dem Ziel, nach der
Vernichtung eines Großverbands der Roten Armee
bei Woronesch in zwei divergierenden Richtungen
vorzugehen: einerseits die Landbrücke zwischen
Don und Wolga zu überwinden und den wichtigen
Verkehrsknoten und Industriestandort Stalingrad
an der Wolga zu erobern und andererseits vom
unteren Don aus in den Kaukasus vorzustoßen, um
die wichtigen Erdölquellen von Baku zu nehmen
und für die deutsche Kriegswirtschaft nutzbar zu
machen.[5] Die schwersten Kämpfe fanden dabei
Der deutsche Vorstoß vom 7. Mai bis zum 18. November 1942. █ bis zum
im Raum Stalingrad statt, wobei die Stadt selbst
7. Juli█ bis zum 22. Juli█ bis zum 1. August█ bis zum 18. November
kein strategisches, sondern eher ein taktisches Ziel
darstellte.[6] Hitlers primäres Ziel war es, den
Transport über die Binnenschiffahrt auf der Wolga zu unterbinden,[7] die Stalingrader Fabrikkomplexe hätten seiner
Ansicht nach mit Artilleriebeschuss ausgeschaltet werden können. Aus der Sicht der Sowjetunion war die
Industriestadt Stalingrad[8] jedoch von größter strategischer Bedeutung, da sie die Verbindung zum Kaukasus und
den Rohstoffquellen am Schwarzen Meer darstellte.[6] Angesichts der zunehmenden Versorgungsknappheit und
wachsender logistischer Schwierigkeiten der Wehrmachtsverbände war der Zugang zu den
148
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Erdölfeldern (Treibstoff für Panzer) mit von entscheidender
Wichtigkeit für den Erfolg des gesamten Russlandfeldzugs.[9]
Verteidigungsvorbereitungen
Nach Auffassung Stalins und der STAWKA (Oberkommando der
Sowjetarmee) wurde aufgrund der großen Geländeverluste die Phase
der elastischen Verteidigung als beendet angesehen[10] und der 62.
Armee wurde die bedingungslose Verteidigung der Stadt befohlen.
Eine Verminung der Stadt wurde untersagt, die 200.000 Bewohner der
Stadt wurden in Arbeitskolonnen eingeteilt und hatten
Verteidigungswälle gegen den zu erwartenden Angriff anzulegen.[11]
Stalin erließ zuvor den als „Keinen Schritt zurück!“ („Ни шагy назад!“)
bekannten Befehl Nr. 227,[12] welcher ein weiteres Zurückweichen
sowohl von Soldaten als auch Zivilisten vor den deutschen Angreifern
mit der Todesstrafe ahndete. Allein in der Stadt Stalingrad wurden
13.500 Soldaten wegen Fahnenflucht von speziell dafür abgestellten
Deutsche Offensive auf Stalingrad im September
NKWD-Sondereinheiten exekutiert.[13] Am 12. Juli 1942 wurde die
1942
[6]
Verteidigung Stalingrads organisiert und Ende August musste die 62.
und 64. Armee den äußeren Verteidigungsgürtel Stalingrads aufgeben und der Häuserkampf wurde mit Beginn des
deutschen Angriffs am 13./14. September 1942 eingeleitet.[14]
Es war das erklärte Ziel der STAWKA, die deutschen Offensivkräfte in der Stadt dauerhaft in verlustreiche
Abnutzungskämpfe zu binden und im Hintergrund die Operation Uranus, eine großangelegte Gegenoffensive im
gesamten südlichen Frontbogen am Don mit dem Ziel der Einschließung der 6. Armee, vorzubereiten. Der 62.
Armee kam hierbei die Hauptaufgabe der Verteidigung der Stadt um jeden Preis zu, weitere Verstärkung an
zusätzlichen Reservetruppen konnten dieser Armeegruppe nicht zugesichert werden.[15]
Am 23. August 1942 zerstörten 600 Bomber der Luftflotte 4 in einem schweren Bombardement Stalingrad völlig, in
1600 Einsätzen mit Spreng- und Brandbomben wurde die Stadt in ein Trümmerfeld verwandelt, ca. 40.000 Zivilisten
fielen dem Luftangriff zum Opfer.[16]
In der sowjetischen Verteidigungslinie bildeten strategisch wichtige Gebäude und Komplexe Stützpunkte der
Abwehrlinie, welche mit Laufgräben verbunden wurden. Bereits bombardierte Gebäude konnten kaum noch weiter
zerstört werden und wurden von Zügen, Kompanien oder Bataillonen in Rundumsicherung verteidigt. Jeder Soldat
wurde nach Möglichkeit mit Panzerabwehrwaffen ausgestattet, meist waren es Panzergranaten oder Brandflaschen.
In den Infanteriezügen wurden die Waffengattungen vermischt: u.a. Scharfschützen, Pioniere und Sanitäter. Mehrere
Stützpunkte bildeten einen Verteidigungsknoten. Als ideale Verteidigungsknoten stellten sich Werkhallen, z.B. die
Martinsofenhalle und massive Komplexe aus Stahl und Beton mit einem ausgedehnten Kellergeschoss heraus. Erst
im Laufe der Schlacht wurde die Kanalisation Stalingrads als bevorzugtes Aufmarschgebiet für schnelle Vorstöße in
die Tiefe der gegnerischen Linien entdeckt. An großen Straßen und Plätzen wurden die Feuerpunkte
schachbrettförmig angeordnet, um deutsche Infanteristen aus den unterschiedlichsten Wirkungswinkeln zu
bekämpfen.[17]
Später dienten beschädigte Kettenfahrzeuge in den Straßentrümmern als eine Art unbewegliche Geschütze,
sogenannte „Wellenbrecher“, nur der schwenkbare Turm ragte über Schutt und Trümmer hinaus und konnte so noch
gegnerische Ziele bekämpfen.[18] Tschuikow befahl seiner Streitmacht in unmittelbarer physischer Nähe der
vordersten deutschen Frontlinie zu bleiben, um Luftangriffe des Gegners zu neutralisieren und ihn in verlustreiche
Nahkämpfe zu verwickeln.[19]
149
Deutscher Angriff auf Stalingrad
150
Einleitung der Schlacht und beteiligte Truppen
Die 6. Armee galt als ein Eliteverband der Heeresgruppe Süd und hatte Abwehrschlachten wie die Schlacht bei
Charkow im Mai 1942 erfolgreich bestanden. Nach ihrer Teilnahme an der Offensive bei Woronesch im Juni/Juli
war sie in südöstlicher Richtung entlang des Don vormarschiert und hatte ihn nach einem kleineren Erfolg in der
Kesselschlacht bei Kalatsch Anfang August im Bereich der Landbrücke zur Wolga überschritten. Da sie seit Wochen
ununterbrochen im Einsatz stand, hatte sie kaum Möglichkeiten gehabt, ihre Verluste auszugleichen.[20] Auf einem
Höhenzug vor Stalingrad vereinigten sich am 2. September 1942 die 6. Armee und die 4. Panzerarmee und begannen
mit der Planung der Offensive auf die Innenstadt.[10] Durch die unerwartet hohe Intensität der Häuserkämpfe kam
die gesamte Sommeroffensive 1942 bei Stalingrad zum Stillstand.[21]
Kräfteverhältnis (nach sowjetischen Angaben) am 13. September 1942 im Stadtgebiet von
Stalingrad[22]
Kategorie
62. Armee 6.Armee Relation
Mannschaftsstärke
45.000
80.000
1: 1,8
Artillerie
85
630
1: 7,5
Panzerabwehrkanonen 260
490
1: 1,9
Granatwerfer
150
760
1: 5
Panzer
108
390
1: 3,6
Am 3. September 1942 gelang der 6. Armee die Abriegelung Stalingrads und einen Tag später drangen deutsche
Panzerverbände durch den äußeren Verteidigungsgürtel in die Südstadt ein. Am 10. September musste sich die 62.
Armee aufgrund des zunehmenden Drucks des Gegners in den inneren Verteidigungsring zurückziehen.[23]
Generalleutnant Wassili Tschuikow löste den erfolglosen General Anton Lopatin in der Verteidigung der Stadt ab.
Die schwachen Kräfte der Roten Armee ließen das Oberkommando der 6. Armee in der Erwartung, Stalingrad in
einem schnellen Handstreich nehmen zu können.
Die gesamte Heeresgruppe B bestand am 3. September 1942 aus schätzungsweise 980.000 Mann (davon 580.000
deutsche Soldaten und 400.000 Verbündete anderer Nationalitäten). Die 6. Armee bestand zu diesem Zeitpunkt noch
ungefähr aus 200.000 Mann. Für den Angriff auf das Großgebiet standen dem LI. Armeekorps 30.000 Kampftruppen
zur Verfügung, zusätzlich 50.000 Mann vom IV. Panzerarmee-Korps. Dieser Angriffsverband wurde während der
Kampfhandlungen durch die 100. Jäger-Division, 305. Infanterie-Division und 79. Infanterie-Division aufgestockt.
Die Stärke der beteiligten Truppen auf beiden Seiten war einer fortgesetzten Schwankung ausgesetzt, da permanent
Reserven in den kostspieligen Ortskampf eingesetzt werden mussten. Für den Angriff auf das Stadtgebiet waren
anfangs neun und später zwölf deutsche Divisionen im Einsatz.
Noch vor Beginn der Gefechte im Stadtgebiet war die 6. Armee in ihrem Abschnitt größeren militärischen
Belastungen ausgesetzt und galt bereits als abgenutzt.[24]
Die sowjetische Verteidigung Stalingrads setzte sich schwerpunktmäßig aus der 62. Armee, NKWD-Einheiten,
sowie kleineren Teilen der 64. Armee und bewaffneten Arbeitermilizionären zusammen. Die Armeen waren
unvollständig, da ein Großteil ihrer Artillerie am westlichen Wolgaufer zurückgelassen werden musste.[25]
Stalingrad wurde am 12. September 1942 noch von 20.000 sowjetischen Soldaten verteidigt,[26] am östlichen
Wolgaufer befanden sich weitere 25.000 Mann.[27] Die Kampfstärke setzte sich aus drei noch intakten
Schützendivisionen und zwei Panzerbrigaden zusammen, welche nur noch über 40 einsatzfähige Panzer verfügten.
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Einzelaspekte der Schlacht
Geländebeschreibung
Stalingrad war eine über etwa 50 Kilometer langgezogene und
stellenweise bis 5 Kilometer breite Industriestadt, die im Norden aus
Arbeitersiedlungen und dem sich daran anschließenden Fabrikbezirk,
einem Geschäftsviertel in der Stadtmitte und einer Südstadt bestand.
Während die Vorstädte und Arbeitersiedlungen noch vornehmlich aus
einfachen Holzhütten erbaut wurden, galt die übrige Ortschaft als
architektonisch mustergültig geplante stalinistische Modellstadt mit
einer Reihe von modernen Appartmenthäusern, staatlichen
Einrichtungen, Gärten und Parks.
Im Westen vor der Stadt liegt eine Hügelkette, deren Höhen auf
taktischen Karten mit Höhenangaben benannt wurden. Der Osten wird
vom bis zu zwei Kilometer breiten Strom der Wolga mit ihren
Flussinseln begrenzt. Über die Wolga wurde der gesamte sowjetische
Nachschub über den Wasserweg transportiert und am steil abfallenden
Westufer des Stromes gelagert. Dort wurden wegen ihrer geschützten
Lage auch die Befehlsstände der 62. Armee eingerichtet. Auf dem
Übersichtskarte Stalingrad 1942
höher liegenden Gelände im Nordwesten der Stadt liegen die
Ortschaften Orlowka und Gorodischtsche und etwa zehn Kilometer
nordwestlich der Stadtflughafen Gumrak. An den äußersten Norden Stalingrads grenzte die Industriestadt Rynok, der
Flusslauf der Mokraia Metschetkaia und die tiefe Schlucht der Wischnjewaia Balka, die von der Roten Armee als
natürliche Hindernisse gegen Angriffe aus dem Westen genutzt wurden.
Der sich daran anschließende Industriebezirk bestand aus den zu Festungen ausgebauten Traktorenwerk, der
Geschützfabrik „Barrikaden“, dem Stahlwerk „Roter Oktober“ und der Chemischen Fabrik „Lazur“. Zwischen den
großen Anlagen befanden sich kleinere Fabriken wie der Ziegelei zwischen dem Traktorenwerk und der
Geschützfabrik „Barrikaden“ und der Brotfabrik zwischen der Geschützfabrik und dem Stahlwerk „Roter Oktober“.
Westlich der Geschützfabrik „Barrikaden“ erstreckte sich der Skuplturny-Park und noch weiter westlich die
Silikatfabrik. Die chemische Fabrik „Lazur“ befand sich inmitten der Eisenbahnschleife „Tennisschläger“ zwischen
Mamajew-Hügel und Wolga. Die tatarische Grabstätte Mamajew Kurgan als höchster Beobachtungspunkt trennte
den nördlichen Industriebezirk von der Innenstadt. Am Nordwestbereich des Mamajew Hügels schloss sich ein
kleines Flugfeld mit Flugschule an. Die tief eingeschnittenen Schluchten Bannyi, Krutoi und Dolgii verhinderten als
natürliche Barrieren eine Nord-Süd-Bewegung des Gegners und schützten die Verteidiger vor Feindaufklärung und
direktem Artilleriefeuer. Südlich der Razgulaewka Station und dem Hospital auf den Hügeln vor der Stadt, führte die
Bahnlinie zum Stalingrader Hauptbahnhof, dessen taktische Bedeutung darin bestand, dass er sich in unmittelbarer
Nähe des Roten Platzes und des Zentralen Wolgafähranlegers befand.
Die tief ausgehöhlte Tsaritzaschlucht schnitt die Innenstadt von der Südstadt ab und diente ihrerseits als Barriere
gegen West-Ost Bewegungen der 6. Armee. Die Südstadt erstreckte sich bis zu den Ufern des Elschanka Flusses und
hatte den Südbahnhof und das von weiten sichtbare hoch aufragende Getreidesilo als markante Punkte. Die
Bahnlinie von Woroponowo über Sadowaja endete am Südbahnhof, zwischen der Bahnlinie und dem Getreidesilo
gab es eine Reihe von Fabriken, wie die Konservenfabrik und zahlreiche Lagerhäuser. Auf dem höher liegenden
Gelände der Friedhof und ein größerer Barrackenkomplex und auf den Hügeln Kolchosen, Obstbaumanlagen, die
Lederfabrik sowie die Motortraktorenstation. Südlich der Elschanka lagen die Vororte Minina und Kuporosnoje,
sowie das sich am Südufer befindliche Elektrizitätswerk „Elektroles 25. Oktober“ und das Sägewerk Nr. 2.
151
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Ein Einkesseln war durch die besondere topographische Lage der Stadt unmöglich. Dies war einer der Hauptgründe,
warum die 6. Armee kostspielige und verlustreiche Frontalangriffe gegen taktisch wichtige Gebäude und
Orientierungspunkte durchführen musste. Die Stadt wurde vom AOK systematisch in Planquadrate eingeteilt, denen
eine unterschiedliche taktische Bedeutung zugeordnet wurde, die Planung bestand darin, verschieden stark
verteidigte Sektoren aus dem sowjetischen Abwehrriegel herauszubrechen, zu isolieren und separat zu bekämpfen.
Definierte Gebäude und Orientierungspunkte wurden zu militärischen Zielen erklärt. Die Geschütze der deutschen
Artillerie konnten nicht so stark geneigt werden, um den Stellungen der Roten Armee im Wolgasteilufer ernsthaft
gefährlich zu werden.
Die besondere Topographie Stalingrads ließ einen Vormarsch des Gegners nur auf drei Routen zu: einerseits entlang
des Flusses Mokraia Metschetka über Spartanowka bis nach Rynok beziehungsweise in die Industriekomplexe (XIV.
Panzerkorps) oder entlang des Tatarenwalls in südöstlicher Richtung über Gorodischte und Gumrak bis an den
Mamajew Hügel (LI. Armeekorps). Die dritte Alternative bestand aus einer Marschrichtung entlang des
Elschankaflusses über die Station Woroponowo in die Südstadt mit dem Ziel Südbahnhof (XXXXVIII.
Panzerkorps).[28]
Kampftechnik und Rattenkrieg
Seit dem deutschen Vormarsch auf die Innenstadt entwickelte sich die Schlacht um Stalingrad zu einem erbitterten
Häuserkampf, der sich durch Scharfschützenbeschuss und blutige Nahkämpfe auszeichnete. Es begann die Phase der
asymmetrischen Schlacht, die später als so genannter „Rattenkrieg“ (russ. Krysinaja wojna, Крысиная война)
bezeichnet wurde. Die Bezeichnung „Rattenkrieg“ entstammte der Tatsache, dass häufig um die Inbesitznahme
unbedeutender Schützenlöcher und Kellergeschosse gekämpft wurde.[29] Weder die 6. noch die 62. Armee waren in
der dreidimensionalen Kriegsführung um Häuser, Häuserblocks und Straßenzüge ausgebildet und mussten diese
Kampftechnik unter großen Verlusten in der Praxis erlernen. Die Verlustrate war insbesondere unter jungen
unerfahrenen Soldaten sehr hoch, die bislang noch keine Erfahrungen und Überlebensstrategien im Häuserkampf
erlernen konnten. Etwa 30% der 13. Gardeschützen fielen innerhalb der ersten 24 Stunden und alle 15 Panzer
wurden vernichtet.[30] Während dieser Phase der Schlacht waren jeder deutschen Infanterie-Kompanie 3-4
Kampfpanzer zugeteilt. Diese Taktik war jedoch schnell zum Scheitern verurteilt, da die Kettenfahrzeuge in
Hinterhalte gerieten und dort mit panzerbrechenden Waffen bekämpft wurden, auch konnten die Panzer keine
Schützen aus den höheren Stockwerken eines Gebäudes bekämpfen.[17] Insbesondere während der
Abwehrmaßnahmen im Industriebezirk schuf die Rote Armee sogenannte „Todeszonen“, stark verminte Straßen und
Plätze, in deren Umgebung Soldaten mit panzerbrechenden Waffen und Scharfschützen postiert waren, um deutsche
Angreifer in einem Hinterhalt zu vernichten.[31] Auf den taktischen Karten erschienen die Einheiten beider Seiten als
zusammenhängende Divisionen, Brigaden und Regimenter. In der Realität kämpften kleine Einheiten. Mit
Ausnahme der Großangriffe auf den Mamajew Kurgan und die Traktorenfabrik wurde in der Stalingrader Innenstadt
mit Stoßtrupps und –gruppen von max. 50 Soldaten operiert. Vor allem fügte die Rote Armee ihre kleinen mobilen
Kampfeinheiten aus verschiedenen Nationalitäten und Waffengattungen zusammen. Wurde ein Gebäude von der
Wehrmacht erobert und konnten einige Verteidiger fliehen, so konnten sie sich problemlos einer Nachbareinheit
anschließen. Beide Konfliktparteien erlebten in der Schlacht um Stalingrad eine „geradezu alptraumhafte
Umgebung“. Beim für die südrussische typisch plötzlichem Einbruch der Nacht wurden die deutschen Luft[32] - und
Artillerieangriffe weitgehend eingestellt, ungewohnte nächtliche Geräusche und die permanente Bedrohung durch
sowjetische Scharfschützen machten den Schlaf für die deutschen Soldaten unmöglich. Durch den Staub und den
Ruß der eingestürzten und brennenden Gebäude waren die Soldaten äußerlich kaum voneinander zu entscheiden, so
dass es insbesondere bei Nahkämpfen zu fatalen Verwechslungen zwischen Freund und Feind kam. Tschuikow
studierte die taktischen Entscheidungen der deutschen Angreifer und fand rasch probate Gegenmaßnahmen, um die
Einnahme Stalingrads so lange wie möglich hinauszuzögern. Er ermutigte seine Soldaten Guerillataktiken im
Stadtkrieg anzuwenden und sogar die Kanalisation für Aufmärsche zu benutzen.[33]
Soldaten und Offiziere schilderten den Häuserkampf in Stalingrad:
152
Deutscher Angriff auf Stalingrad
„Um einen Häuserblock zu nehmen, können sie keine 10 Mann einsetzen, um den Eingang zu nehmen. Sie
brauchen aber so viele Leute, die Feuerschutz gewähren, 2 bis 3 Leute, die den Mut haben, auf den Eingang
zuzuspringen. Und dann springen die rein. Einer hat eine Handgranate und die anderen Maschinenpistolen.
Mehr Leute brauche ich nicht. Die anderen müssen von außen Feuerschutz geben. Und das ist das
Komplizierte. Und das mußten wir erst einmal lernen, vor Ort.“
– Hauptmann Gerhard Münch, III Bataillon, Infanterie-Regiment 194, 71. Infanterie-Division[34]
„ In jeder Ecke des Gebäudes lauert der Tod. Es ist eine Situation, wie sie furchtbarer und ekelhafter nicht sein
konnte.“
– Ritterkreuzträger Major i.G. Winrich Behr (Ordonnanzoffizier im Stab der 6. Armee)[34]
„ Wenn die Russen plötzlich hineingesprungen sind, dann bleibt nur eins übrig. Spaten ziehen und dann so
unterhalb des Kopfes die Schlagader erwischen “
– Günter Schröder, Wehrmachtssoldat[34]
Wetter
Das Klima im heutigen Wolgograd ist durch ein kontinentales Steppenklima mit extremen
Temperaturschwankungen (tags +45°C, nachts 0°C)[35] geprägt. In den trockenen Sommern werden Temperaturen
bis +45°C erreicht, während es im Winter bis zu starken Temperaturabfällen kommen kann.[36] Während bis Mitte
September 1942 noch relativ hohe Temperaturen vorherrschten (außerhalb der Stadt in der Steppe bis maximal
+50°C[37] ), sank die Außentemperatur mit Beginn der herbstlichen Starkregen kontinuierlich ab und erreichte ab
Oktober 1942 bereits Minusgrade. Im Oktober setzte auch vereinzelt Schneefall ein. Ab November 1942 wurden
Temperaturen von -20°C bis -30°C erreicht und die Eisschollen auf der Wolga behinderten den Schiffsverkehr.
Hinzu kamen eiskalte Sturmwinde[38] , auf die die deutschen Infanteristen kleidungsmäßig nicht vorbereitet waren.
Versorgungslage
Schiffe über die Wolga versorgten die in der Stadt kämpfende 62. Armee mit Nachschubsgütern. Wegen starker
deutscher Luftaktivität wurden die Versorgungsfahrten zumeist nachts unternommen. Für die deutschen Angreifer
waren Nachschubsprobleme bereits Ende September 1942 kaum zu überwinden.[39] Die Personallage verschärfte
sich im Verlauf des Herbst und am 18. November 1942 berichtet Generaloberst Friedrich Fromm, dass die Kräfte
nicht mehr ausreichen, um besetzte Räume zu halten, geschweige denn weitere offensive Angriffsoperationen
durchzuführen.[40] Während bei der 6. Armee die Gefechtsstärke kontinuierlich abnahm, stiegen die in die Schlacht
transportierten Reserven bei der Roten Armee trotz schwieriger Bedingungen.[39] Noch kurz vor dem Großangriff
auf das Traktorenwerk am 14. Oktober 1942 wurde ein kritischer Bestand an Handgranaten und Mörsermunition
gemeldet.[41]
153
Deutscher Angriff auf Stalingrad
154
Verlauf der Kämpfe
Kampf um Stalingrad-Mitte
Die Kämpfe um Stalingrad-Mitte begannen mit der deutschen
Großoffensive auf die Innenstadt am 13. September 1942 und ebbten
gegen Ende September 1942 weitgehend ab.[42] Um Pawlows Haus
wurde noch bis November 1942 und um den Mamajew-Hügel bis in
den Februar 1943 gekämpft.
Stalingrad-Mitte Gefechtsabschnitte IR 518, IR
194 und IR 191
Stalingrad-Mitte September 1942
Angriff auf den Stadtkern (13. bis 14. September 1942)
Am 13. September 1942 um 4:45 Uhr (6:30 Uhr russischer Zeit)
begann der deutsche Großangriff mit der Bombardierung durch
Sturzkampfbomber und massivem Beschuss aus Feldartillerie und
Mörsern auf den inneren Verteidigungsgürtel Stalingrads.[43] Um 8:00
Uhr wurde die breit angelegte Bodenoffensive eröffnet, dabei ging die
295. Infanterie-Division (ID) gegen den Mamajew-Hügel und die 71.
Infanterie-Division gegen den Stalingrader Hauptbahnhof und den
zentralen Fähranleger in der Innenstadt vor. Nahziel war ein Höhenzug
in der Nähe der Ziegelei als Ausgangsstellung für den Sturm auf den
Infanterie in Stalingrad
Stadtkern.[44] Tschuikow verlegt sein Hauptquartier infolge von
schwerem deutschen Artilleriefeuer am 14. September 1942 vom
Mamajew-Hügel in die Zaritsa-Schlucht in der Nähe der Puschkinskaya Straßenbrücke.[45] Die 10.
NKWD-Schützendivision unter General Sarajew hielt zunächst die Zugänge einschließlich der taktisch wichtigen
Gebäude in der Innenstadt.[46] Am Hauptbahnhof kam es zu schweren Feuergefechten zwischen der 71.
Infanterie-Division und den verteidigenden Rotarmisten.[47] Im Heeresbericht wurde um 8 Uhr 30 die Eroberung des
Hauptbahnhofs durch die Sowjettruppen gemeldet, um 8 Uhr 40 Rückeroberung durch die Wehrmacht, 9 Uhr 30
durch die Sowjettruppen und 13 Uhr 20 war er wieder in deutscher Hand. Insgesamt wurde der Stalingrader
Hauptbahnhof am selben Tag 13-mal erobert und wieder verloren. Nachts wurde der Hauptbahnhof durch ein
NKWD-Bataillon wieder in Besitz genommen.[48]
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Am Nachmittag des 14. September 1942 gelang es der 71.
Infanterie-Division die sowjetische Front beim Hospital zu
durchbrechen und in die nördliche Innenstadt einzudringen. Ziel war es
die 62. Armee zu isolieren und zum Hauptfähranleger
durchzubrechen.[49] Tschuikows neues Hauptquartier an der Zaritsa
wurde von deutschen Stoßtrupps unter Beschuss genommen, während
sich Verbände der 71. Infanterie-Division bis auf 100 Meter an das
Wolgaufer und den Fähranleger vorarbeiten konnten.[50] Dabei wurde
das „Haus der Spezialisten“ genommen und der Fähranleger kam in
Luftangriff auf den Hauptbahnhof
Reichweite der schweren Maschinengewehre. Die Sowjets verloren
ebenso die Staatsbank und die Bierbrauerei in der Sowjetskaja-Straße
(„Sowjet-Straße“) an das I. Btl./Infanterie-Regiment (IR) 194 unter
Hauptmann Ginderling.[18] Tschuikow mobilisierte seine letzten
Reserven, um Stalingrad vor einer schnellen Eroberung durch die
Wehrmacht zu retten. Aus seinem Stab, Polizisten, Feuerwehrkräften,
Fabrikarbeitern und NKWD-Einheiten wurden militärische Verbände
gebildet, um die Straßen vom Hauptbahnhof bis zum Fähranleger zu
blockieren.[51] Ein zweiter Verband sollte die deutschen Infanteristen
aus dem Haus der Spezialisten werfen, damit der Fähranleger nicht
Bombardierung eines Gebäudes
länger unter Maschinengewehrbeschuss lag, was die Landung von
sowjetischen Entsatztruppen massiv erschwerte. Jeweils 50-100 Soldaten und Milizionäre waren abkommandiert, um
die taktisch bedeutsamen Gebäude Stalingrads, welche in „Häuserfestungen“ (oder sogenannte
„Ein-Mann-Festungen“) umgewandelt wurden, um jeden Preis zu halten. Zu diesem Zeitpunkt verteidigten nur ca.
1.500 Sowjets Stalingrad-Mitte.[52]
In der Nacht gegen 21 Uhr trafen die ersten Entsatzkräfte der 13. Gardeschützen-Division (GSD) unter Generalmajor
Alexander Iljitsch Rodimtzew ein, um den weiteren deutschen Vormarsch auf die Innenstadt aufzuhalten.[53] Ihr
wurde der zentrale Gefechtsabschnitt zwischen Zaritza und Mamajew-Hügel zugewiesen. Während der Überfahrt auf
der Wolga erlitten die Gardisten starke Verluste durch deutsche Luft- und Artillerieangriffe. Das 42. GSR unter
Oberst Jelin griff als erste Einheit in die Gefechte um die Innenstadt ein, konnte den Brückenkopf am Wolgaufer
weiter ausbauen und die Situation am Fähranleger stabilisieren.[54] Das 39. GSR wurde zur Rückeroberung des
Mamajew-Hügels abgestellt, das 42. und 34. GSR erhielt den Befehl die Zugänge zum Wolgaufer abzuriegeln.[55]
Vielerorts war die Wehrmacht bis auf 100 Meter zur Wolga vorgerückt, hatte jedoch zum Vorteil der Gardeschützen
nicht die Zeit gehabt sich einzugraben oder ausgebaute Stellungen für die schweren Maschinengewehre zu schaffen.
Südlich vom Platz des 9. Januars (auch Leninplatz genannt) gelang es dem 39. GSR die Grudinin-Mühle (russisch
Mel'nica Grudnica, Мельница Грудинина) im Nahkampf freizukämpfen.[56] Die Mühle aus rotem Backstein diente
dem 42. GSR später als Gefechtsstand und wichtigen Stützpunkt der zentralen Verteidigungslinie[57] , der
Divisionsgefechtsstand der 13. Gardeschützen-Division und das Hauptquartier von Generalmajor Rodimtzew wurde
100 Meter weiter südlich davon in das Steilufer der Wolga errichtet. Am erbittertsten waren die Kämpfe an diesem
Tag im Raum des Mamajew-Hügels, am Ufer der Zariza, beim Getreidesilo und am Westrand der Vorstadt Minina.
Der Hauptbahnhof wechselte allein an diesem Tag viermal den Besitzer.[58] Die beiden angreifenden Armeen, vom
Süden die 4. Panzerarmee und vom Nordwesten die 6. Armee, stellten an der Zarizarinne, die die alte Stadt vom
neuen Geschäftsviertel trennt, die Verbindung her.[59]
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Deutscher Angriff auf Stalingrad
156
Hauptbahnhof und Nagelfabrik (15. bis 17. September 1942)
Grudinin-Mühle
Frontverlauf Stalingrad-Mitte 16. September
1942
In den frühen Morgenstunden wurde der deutsche Angriff wieder
aufgenommen und begann mit massiven Luftschlägen. Die 295., und
71. ID griffen erneut den Hauptbahnhof und den Mamajew-Hügel
an.[50] Der Hauptbahnhof wechselte im Laufe des Tages mehrmals den
Besitzer und konnte nachts von den Sowjets gehalten werden.[58] Die
71. Infanterie-Division konnte erfolgreich den Angriff des 34. GSR
zusammen mit schweren Kampfpanzern auf das „Haus der
Spezialisten“ abwehren. Deutsche Maschinengewehrschützen drangen
in die Zaritsa-Schlucht ein, nahmen Tschuikows Hauptquartier erneut
unter Feuer und konnten nur mühsam vom Armeewachbataillon
zurückgedrängt werden.[58] Am Abend des 15. Septembers 1942 wurde
Lt. Anton Kuzmich Dragan vom I. Btl./42. GSR auf persönlichen
Befehl Tschuikows mit der Rückeroberung des Hauptbahnhofs
beauftragt.[50] Seiner Einheit gelang es in den Hauptbahnhof
einzusickern und mehrere deutsche Gegenangriffe bis zum Einbruch
der Nacht abzuwehren.[60] Bei Tagesanbruch wurden Luftangriffe und
Artillerieschläge auf den Hauptbahnhof fortgesetzt. 20 Kampfpanzer,
abgestellt von der 24. Panzer-Division, trieben die Sowjetsoldaten aus
dem Bahnhof, der bei einem Gegenangriff zurückerobert wurde. Am
Abend wurde der Hauptbahnhof wieder von Dragans Gardeschützen
kontrolliert.[61]
Das IR 194 war am 16. September 1942 in ein turbulentes und
verwirrendes Straße-zu-Straße und Gebäude-zu-Gebäude Großgefecht
gegen die 34. und 39. GSR auf einer 3,5 Kilometer breiten Zone von
Häusertrümmern und von Bomben pockennarbigen Straßen verwickelt,
die sich von der Dolgii-Schlucht südwärts bis zum Hauptbahnhof
ausdehnte. Die schwersten Kämpfe ereigneten sich in der Nähe des
Platz des 9. Januars in den Gebäuden der Kommunistecheskaia Straße,
die hartnäckig von Teilen des 34. und 42. GSR gehalten wurden.[62]
Heftige Regenfälle am 17. September 1942 ließen die Temperaturen in
Stalingrad drastisch sinken und verwandelten das Schlachtfeld in eine
Schlammwüste, welche die Vorwärtsbewegung auf beiden Seiten stark
[63]
behinderte.
Die Kämpfe um den Hauptbahnhof wurden fortgesetzt, wobei sich der Schwerpunkt in die
Nagelfabrik verlagerte.[64] Die Nagelfabrik befand sich in einem Häuserblock südlich des Hauptbahnhofs und diente
dem Infanteriezug Leutnant Dragans als Zufluchtsort, da der Hauptbahnhof von deutschen Soldaten eingekreist war
und vorerst aufgegeben werden musste. Gefechte entwickelten sich ebenfalls auf dem Roten Platz, um den
Barmaley-Brunnen, dem Warenhaus Uniwermag und auf den Bahngleisen.[65] Die 71. Infanterie-Division schnürte
die Häuserblocks um den Hauptbahnhof weiter ein und eroberte die Nagelfabrik in schweren Nahkämpfen.[58] In der
Nacht musste das Hauptquartier Tschuikows erneut aus der Zaritsa-Schlucht an das Steilufer der Wolga, ca. 800
Meter nördlich des Stahlwerkes Roter Oktober verlegt werden, da die Positionen an der Zaritsa nicht mehr zu halten
waren.[66] Im Laufe der Kämpfe schmolzen die Einheiten auf beiden Seiten durch die unerwartet hohen Verluste
drastisch zusammen, viele Regimenter bestanden teilweise nur noch aus 100 Soldaten. Nur die 10.
NKWD-Schützen-Division (SD) unter Oberst Sarajew war noch weitgehend intakt.[67]
Frontverlauf Stalingrad-Mitte 17.-19. September
1942
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Ein vertrautliches Kommuniqué der NKWD an Lawrenti Beria vom 16. September 1942 beschrieb die chaotischen
und barbarischen Zustände in Stalingrad in der Anfangsphase der Straßenkämpfe, wo ohne das Eingreifen der 13.
Gardeschützen-Division die Innenstadt hätte aufgegeben werden müssen.[68] Jeweils in den für die Rote Armee
kritischsten Stadien der Schlacht, wurde „frisches Blut in den Fleischwolf Stalingrads“ geschickt, so wurde die 62.
Armee von September bis Oktober 1942 um mehr als 100.000 neue Soldaten verstärkt, welche zumeist dem
„Gemetzel“ zum Opfer fielen. Tschuikow konnte trotz kontinuierlichem Geländeverlust und schrumpfenden
Perimeters des zu verteidigenden Raumes eine Sollstärke von 50.000 Soldaten somit aufrechterhalten. Die 6. Armee
konnte im Gegensatz dazu ihre Verluste in keiner Weise kompensieren.[69]
Hauptbahnhof, Eisenbahner- und Sedelnikowhaus (18. bis 19. September 1942)
Obwohl nahezu das gesamte Gelände des Hauptbahnhofs in deutschem Besitz war, kämpften Rotarmisten jetzt in
kleinen Einheiten aus kleinen verborgenen Unterständen, Kellergeschossen oder hinter umgestürzten oder zerstörten
Eisenbahnwaggons.[70] Die Taktik erforderte, sich von deutschen Angriffswellen überrollen zu lassen und dann aus
dem Hinterhalt anzugreifen. 20 Freiwillige unter Leutnant Dragan, ausgestattet mit einer 5-Tagesration, drangen
erneut in den Hauptbahnhof ein und bekämpften gezielt deutsche MG-Stellungen und Panzerfahrzeuge zwischen den
Gleisen. Bei der 71. Infanterie-Division galt der Hauptbahnhof als „Todesfalle“, da viele Offiziere durch
Scharfschützen fielen, deren Position sich nicht ausmachen ließ.[55]
Weitere Einheiten trafen zur Entlastung bei der Verteidigung von
Stalingrad-Mitte ein. Das 39. GSR ging erneut gegen die Gleisanlagen
im Bahnhofsbezirk vor, und verhinderte damit den völligen Einbruch
der Wehrmacht in die Innenstadt Stalingrads.[71] Eine Sturmabteilung
des 42. GSR konnte dabei unter dem persönlichen Einsatz von Oberst
Jelin am 19. September 1942 das Eisenbahner-Haus nehmen. Die
Wehrmacht hatte zwei Infanteriekompanien und eine Mörsergruppe
dazu abkommandiert, das Haus zu verteidigen. Die Gardeschützen
Brennende Häuser
wurden im Schutz des Wolgaufers auf diese Operation vorbereitet und
griffen in drei Angriffswellen an, jeweils 6-8 Mann stark mit ca. 80
Soldaten in Reservestellung.[72] Gegen 10 Uhr wurde nach starkem
Artillerie-Sperrfeuer der Einbruch in das Gebäude gemeldet, der durch
Nebelkerzen getarnt wurde.[73] Innerhalb von einer halben Stunde war
das Haus feindfrei. Ein ähnlicher Angriff wurde von Lt. Sedelnikow
auf das L-förmige Haus im Nordosten des Leninplatzes durchgeführt.
Das L-förmige Haus war ein sechsstöckiges stark befestigtes Gebäude,
von dem ein ganzer Straßenblock in direkter Nähe zum Wolgaufer
beherrscht werden konnte, indem Mörser- und Maschinengewehre auf
Sowjetischer Sturm und Einbruch
einem breiten Uferabschnitt wirken konnten. Bei Dämmerung robbten
sowjetische Sturmtruppen an das Gebäude heran. Der Einbruch
erfolgte überfallartig in den frühen Morgenstunden des 19. September 1942 an toten Winkeln, welche außerhalb der
Reichweite deutscher MGs lagen und nicht eingesehen werden konnten. Bevor die Deutschen von ihren
Schusswaffen Gebrauch machen konnten, war das Erdgeschoss bereits vollständig im Besitz der Gardisten. Ein
Drittel des Gebäudes wurde innerhalb von nur 20 Minuten gesäubert. Die im Keller eingeschlossenen Deutschen
lehnten nach 26 Stunden Belagerung ein Ultimatum der Sowjetsoldaten ab und wurden schließlich durch die
Explosion von Sprengladungen und den einstürzenden Trümmern verschüttet und lebendig begraben.[74]
157
Deutscher Angriff auf Stalingrad
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Leutnant Dragans Rückzugsgefechte (20. bis 22. September 1942)
Während des 20. und 21. Septembers 1942 wurde die Nagelfabrik mit
starken deutschen Panzer- und Infanteriekräften angegriffen. Am
Abend war das letzte sowjetische Bataillon in zwei Hälften
zerschlagen. Ein Teil konnte sich erneut im zerstörten
Bataillonsgefechtsstand im Kaufhaus Uniwermag verschanzen und den
deutschen Angreifern eine Zeit lang heftigsten Widerstand leisten.
Viermal wurde versucht Entsatz über den Roten Platz zu den im
Kaufhaus Uniwermag eingeschlossenen Einheiten zu schicken, was
jedes Mal blutig abgewiesen wurde. Fedosejew und sämtliche Offiziere
fielen bei diesem Versuch. Auch im Kaufhaus Uniwermag überlebte
kein sowjetischer Verteidiger den deutschen Beschuss. Leutnant
Dragan konnte sich nicht länger in der völlig verwüsteten Nagelfabrik
halten und zog sich mit seiner stark dezimierten Gruppe langsam aus
dem Bahnhofsbezirk zurück. An der Straßenecke Krasnopiterskaja und
Komsomolskaja bezog die 40 Mann starke Gruppe ein dreistöckiges
Gebäude, verbarrikadierte dort Fenster und Türen und bereitete sich
auf das zu erwartende Gefecht vor.[75] Fünf Tage lang konnte
Widerstand gegen vermehrte deutsche Angriffe geleistet werden, dabei
wurden 28 sowjetische Soldaten schwer verwundet und im Keller
aufgebahrt, am Ende waren nur noch 12 Männer kampffähig, wobei
noch zwei Gardisten desertierten. Der zähe Widerstand war beendet,
als die schweren Maschinengewehre keine Munition mehr hatten und
deutsche Panzer das Haus sturmreif schossen. Lediglich sechs
Gardisten konnten auf die andere Seite der Wolga fliehen.[76] Die 71.
ID klärte die Zaritza-Schlucht und Krutoi-Schlucht hinter dem
Hauptbahnhof von liegengebliebenen sowjetischen Schützen.[49] Die
Südstadt Stalingrads geriet mittlerweile vollständig in die Hand der
Deutschen, nur im Süden der Zaritza-Schlucht konnten sich
eingeschlossene sowjetische Marineinfanteristen behaupten.[77]
Frontverlauf Stalingrad-Mitte 21. September
1942
Frontverlauf Stalingrad-Mitte 22. September
1942
Barmaley Brunnen am Roten Platz
Deutscher Angriff auf Stalingrad
159
Am 21. September 1942 erreichte die 10000 Mann (darunter 3000
Matrosen) starke 284. Schützen-Division aus Sibirien das westliche
Wolgaufer. Ihr Kommandeur Oberst Batjuk erhielt den Auftrag, den
Raum zwischen Stahlwerk „Roter Oktober“ und Mamajew-Hügel zu
sichern und die 13. GSD zu entlasten.[78] Ein verbundener Angriff aus
Kampfflugzeugen, Panzern und Artillerie sollte die 13.
Gardeschützen-Division vom Hauptkörper der 62. Armee abtrennen.
Die 13. GSD musste sich am 22. September 1942 zwölf feindlicher
Offensiven erwehren[79] , am Abend waren die Gardeschützen an eine
Position
nördlich
des
Hauptfähranlegers
zurückgedrängt.
Wehrmachtssoldaten des Infanterie-Regimentes 194 erreichten die
Moskowskaja-Straße („Moskauer Straße“) in Nähe zum Wolgaufer.[80]
und spalteten die 62. Armee in zwei Teile.[81]
Endphase der Kämpfe in Mitte (23. bis 28. September 1942)
Kaufhaus Univermag
Ein sowjetischer Gegenangriff der 284. SD und 95. SD auf
Hauptfähranleger, Hauptbahnhof und Gleisanlagen wurde am 23.
September 1942 abgewehrt. Der 6. Armee gelang es den Korridor zum Wolgaufer dauerhaft zu sichern.[82] Eine
Truppeninspektion durch das OKH ergab, dass die Kompaniestärke bei der deutschen 295. und 71.
Infanterie-Division aufgrund der hohen Verluste während der Gefechte in Mitte teilweise auf 10 bis 15 Mann
gesunken war. Insbesondere die hohen Verluste an Offizieren waren höchst bedenklich. Angriffe konnten nur unter
Leitung eines Offiziers und Feuerschutz von mindestens einem Maschinengewehr erfolgen. Die Infanteristen waren
dafür ausgebildet, zusammen mit Sturmgeschützen zu kämpfen, wurden diese ausgeschaltet und fehlte die
Befehlsstruktur durch Offiziere, dann ließ die Effektivität des Angriffes stark nach. Auch wurde die Versorgungslage
der kämpfenden Truppen durch die schwierigeren Verbindungswege zunehmend angespannt.[83]
Die Kämpfe in Stalingrad-Mitte ebbten ab und die 62. Armee nutzt die verminderte Kampftätigkeit, um die Lage zu
sondieren und nach versprengten Einheiten zu suchen. Das Gorki-Theater und die Parteigebäude um den Roten Platz
standen kurz vor der Eroberung.[29] Ein sowjetischer Infanteriezug des 42. GSR eroberte ein freistehendes
vierstöckiges Gebäude am südlichen Ende des Platz des 9. Januars in der Penzenskaja Straße, ungefähr 300 Meter
von der Wolga entfernt. Während der Kämpfe fiel der Zugführer und wurde von Feldwebel Pawlow ersetzt. Die
Gruppe richtete sich in dem Gebäude, welches später als Pawlows Haus bekannt wurde, zur Verteidigung ein. Bei
Panzerangriffen zogen sich die Gardisten im Keller oder Dachgeschoss zurück, wo sie von Panzergranaten nicht
erreicht werden konnten. 58 Tage konnten sie erfolgreich der deutschen Übermacht standhalten.[84] In einem Park in
Nähe des Hauptbahnhofs wurde das 272. NKWD-Regiment (10. NKWD-Division) eingeschlossen und
vernichtet.[85] Am 27. September nahm das LI. Armeekorps das Hauptquartier der Kommunistischen Partei am
Roten Platz und hisste die Reichskriegsflagge. Dieses Ereignis wurde in der Wochenschau gezeigt und als kurz
bevorstehender Sieg gefeiert. Hitler plante bereits eine öffentliche Rede in Berlin über die Eroberung Stalingrads.[86]
Von jetzt ab verlagerte sich die Schlacht zunehmend in die Arbeitersiedlungen der Stalingrader Industriekomplexe.
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Bilanz
Die Wehrmacht verlor nach den Angaben Tschuikows[87] am 15.
September 1942 2.000 Soldaten und 8.000 bis 10.000 in der Zeit
zwischen dem 13. – 15. September 1942, außerdem wurden 54
deutsche Panzer vernichtet. Die Verluste der Sowjets sind nicht genau
bekannt, übertrafen die deutschen jedoch um ein Vielfaches. Die 6.
Armee verbrauchte in den Septemberkämpfen über 23 Mio.
Gewehrpatronen und 750.000 Mörsergranaten, Munition, die bei
späteren Operationen dringend fehlte.[88] Die extrem hohen Verluste
Zerstörte Innenstadt
der 71. ID infolge der Häuserkämpfe in der Innenstadt wurden in einer
Statistik des Oberkommandos des Heeres (OKH) am 19. September
1942 dokumentiert: IR 191: 377, IR 194: 304 und IR 211: 392 Gefallene. 50% der Verluste kamen nach Angaben
des OKH durch Artilleriebeschuss zustande.[89]
Der spätere Brigadegeneral der Bundeswehr und Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 31 Gerhard Münch
erinnerte sich an die Häuserkämpfe in Stalingrad-Mitte:
„Ich habe als Hauptmann das Bataillon geführt, das beim Angriff auf Außenbezirke den Durchbruch zur
Wolga in der Nähe des Hauptbahnhofs erreicht hat – aber um welchen Preis! Ich habe das psychisch bis heute
nicht alles überwunden, die unglaubliche Brutalität des Straßenkampfes, das kann man nicht mehr
abschütteln.“[90]
Münch war der einzige Überlebende des III. Bataillons in der Schlacht von Stalingrad.[91]
Die vierstöckige Getreidemühle mit ihren zahlreichen Einschusslöchern, die von der Intensität der Kämpfe um
Stalíngrad-Mitte zeugen, wurde auf Wunsch der Stalingradveteranen[92] in ihrem ursprünglichem Zustand belassen
und ist heute neben dem Mamajew-Hügel Denkmal und Museum der Schlacht um Stalingrad.[30]
Mamajew Kurgan
Der Mamajew-Hügel (russisch Mamajew Kurgan Мамаев курган,
auch Mamai-Hügel und auf deutschen Gefechtskarten als Höhe 102
bezeichnet) war einer der zentralen Punkte im Verteidigungsverbund
Stalingrads, da von dort aus die sowjetischen östlichen
Wolgastellungen mit Artillerie beschossen werden konnten. Für beide
Konfliktparteien bedeutete die Einnahme des Hügels einen großen
taktischen Gewinn beim Zugang auf Innenstadt, Arbeitersiedlungen
und Wolgaufer.[93] Am 13. September 1942 erwartete ein
NKWD-Bataillon
den
Großangriff
der
deutschen
295.
Infanterie-Division (IR 516 im Süden, IR 517 im Zentrum und Grp.
Salzer im nördlichen Sektor[94] ) in stacheldrahtbewehrten
Schützengräben. Aufgrund von schwerem flächendeckenden
Mamajew Hügel 16. bis 17. September 1942
Artilleriebeschuss[95] musste Tschuikows Hauptquartier der 62. Armee
am Mamajew-Hügel aufgegeben und in den sogenannten Zaritzyner
Unterstand verlegt werden.[96] Obwohl die Vorwärtsbewegung durch Minenfelder und Stacheldrahtverhau stark
behindert wurde, meldete die 295. Infanterie-Division um 12 Uhr die Einnahme des Mamajew-Hügels, erlitt dabei
jedoch
in
den
Schützengräben
schwerste
160
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Verluste im Nahkampf. [97] Ein weiteres NKWD-Schützenbataillon
erhielt den Befehl den Mamajew-Hügel zurückzuerobern, was jedoch
nur teilweise gelang. Um die sowjetischen Verteidigungsstellungen zu
zermürben, wurden schwere Luftangriffe gegen den Mamajew-Hügel
und die als „Tennisschläger“ bezeichnete Eisenbahnschleife am Fuße
des Höhe geflogen. GSR 42 unter Oberst Jelin erhielt den Auftrag,
Mamajew-Hügel
und
„Tennisschläger“
um
jeden
Preis
zurückzuerobern und kämpfte sich von der Linie Hauptbahnhof bis
zum Südabhang des Hügels vor. In der Dämmerung konnten die
mittlerweile fast völlig aufgeriebenen NKWD-Einheiten am
Mamajew-Hügel von zwei Bataillonen des 42. GSR[98] und 416.
Schützen-Regiment (SR) / 112. Schützen-Division unter schweren
Mörser-Sperrfeuer
abgelöst
werden.[93]
Granattrichter
und
Bombenkrater dienten den Gardeschützen als Schützenlöcher, die zu
einem Stellungssystem verbunden wurden. Nach sowjetischen
Darstellungen nahm Hauptmann Kirin die Positionen der Deutschen
auf dem Nordabhang, während sich das 416. Regiment auf dem
Nordostabhang zur Hügelspitze vorarbeitete. Leutnant Wdowitschenko
und 30 Mann seines Infanteriezuges nahmen die Hügelspitze im
Nahkampf, dabei überlebten nur sechs Soldaten. Deutsche Luftangriffe
und ein kombinierter Gegenangriff von Infanterie und Panzern konnten
die Sowjetsoldaten nicht mehr aus ihren Stellungen werfen. Zwei
Panzer wurden bei diesem Angriff vernichtet.
161
Mamajew Hügel 20. September bis 5. Oktober
1942
Mamajew Hügel Sowjetische Stellungen
Vom 15. bis 17. September 1942 nahm die Intensität der Gefechte am
Hügel zu, es war teilweise unbestimmbar, wer die Kontrolle über den
taktisch wichtigen Punkt hielt. Im Gegensatz zum Gefecht am
Getreidesilo von unten nach oben, wurden die Kämpfe am
Mamajew-Hügel aus deutscher Sicht bergab geführt, um die stark
befestigten sowjetischen Stellungen am Osthang zu nehmen. Am 16.
September 1942 eroberte das 42. Gardeschützenregiment der 13.
Gardeschützen-Division unter Oberst Jelin in einem chaotischen und
völlig unübersichtlichem Gefecht den nördlichen Teil des
Mamajew-Hügels vom IR 518[99] zurück. Das 42. GSR (Jelin) und die
Stuka über Stalingrad, rechts der
Überreste der 112. Schützen-Division (Sologub) errangen einen
Mamajew-Hügel
Geländegewinn von 100-150 Metern und konnten sich auf der
Hügelkuppe des Mamajew-Hügels festsetzen.[100] Da die deutschen
Bemühungen nicht nachließen entstand eine Pattsituation zwischen den Kontrahenten an der Hügelkuppe. Die 95.
Schützen-Division verstärkte am 19. September 1942 die stark abgenutzte sowjetische Verteidigungslinie[101] und
einen Tag später erreichte die 284. Schützen-Division den Mamajew-Hügel.
Am 22. September 1942 mussten Wuthmanns IR 516 und 518 ihre Vorstöße mit Flammenwerfern und geballten
Ladungen gegen die Schützengräben und Erdbunker der 95. und 112. SD wiederholen, da Paulus dies als
kompromisslose Vorbedingung für die bevorstehende Offensive auf den Industriebezirk ansah und somit die rechte
Flanke des LI. Armeekorps deutlich entlastet werden würde. Hierzu wurden IR 517 und Kampfgruppe Sälzer (24.
PD) zur Unterstützung mobilisiert. Trotz konzentrierter Luftschläge bei klarem Wetter konnten die Schützengräben
der Roten Armee nicht zerstört werden, welche ihrerseits mit Mörser-, Artillerie- und Raketenwerferfeuer
antworteten. Nach schwersten Feuergefechten drückten IR 516 und 517 Gorishnys Division langsam gegen den
Deutscher Angriff auf Stalingrad
südlichen Hügelabhang. Erst die neu eingetroffenen Schützenregimenter 1047 und 1045 der 284. SD verhinderten
den totalen Verlust der tatarischen Grabstätte. IR 516 konnte die Verteidigungsstellungen der 95. SD auf der
Hügelspitze nicht knacken, während das 26. Panzergrenadier-Regiment am Westabhang bereits im Abwehrkampf
lag.[102]
Am 26. September 1942 löste die 100. Jäger-Division der Wehrmacht die angeschlagene 295. Infanterie-Division ab,
welche gegen den „Tennisschläger“ eingesetzt wurde.[103] Die 100. Jäger-Division drang ebenfalls in den
„Tennisschläger“ ein und nahm dabei zwei Drittel der Fleischfabrik.[104] Am 27. September 1942 verblieb der
Mamajew-Hügel zur Hälfte nach anfänglichen Teilerfolgen bei der Einnahme der Flugpiste und des Schießstandes
auf der Nordwestseite in deutschem Besitz, nur der Osthang wurde von der 284. Schützen-Division (Oberst Batjuk)
unvermindert hartnäckig verteidigt. Es wird vermutet, dass an diesem Höhenzug bis zu 30000 Soldaten beider Seiten
im Laufe der Schlacht starben.[105] Bei einem einzigen Gegenangriff der Roten Armee soll angeblich ein
Tagesverlust von 10000 Soldaten entstanden sein.[106]
Eroberung des Getreidesilos
Das Getreidesilo (russ. Elewator Stalingrada, Элеватор Сталинградa)
stellte eines der höchsten Gebäude Stalingrads dar[107] und galt als
taktisch bedeutsamer Beobachtungspunkt, von dem aus alle wichtigen
Zugänge im Süden der Stadt kontrolliert werden konnten. Die 14.
Panzer-Division trennte im schnellen Vorstoß die in der Südstadt
stationierte 35. GSD (Oberst Dubyanski) vom Rest der 62. Armee
ab[108] [109] und die 94. ID griff in den südlichen Vorstädten die
Eisenbahnlinie in Richtung Wolgaufer an.[110] Die Kämpfe begannen
am 15. September 1942, als sich 50 Gardeschützen der 35. GSD in der
Wellblechkonstruktion des Seitenturms verschanzten.[111] Am 17.
September 1942 waren nur noch 30 Gardisten am Leben. Sie wurden
nachts durch einen achtzehn Mann starken Zug Marineinfanteristen
(92. Spezial-Infanterie Brigade, genannt „Seeteufel“) unter Leutnant
Andrej Chojsjanow verstärkt.[112] Die Marineinfanteristen waren mit
PM
1910
Maxim-Maschinengewehren
und
Degtjarjow-PTRD-Panzerbüchsen bewaffnet und richteten sich für
Stalingrad Südstadt Vormarsch auf das
eine längere Belagerung ein. Am 17. September 1942, als die Schlacht
Getreidesilo am 15. November 1942
in der Südstadt ihren Höhepunkt erreichte[113] befand sich das IR 276
und später auch das IR 274 im Kampf um das Getreidesilo und die befestigten Gebäude östlich der Bahnlinie.
General Werner Kempf beschwerte sich, dass das Getreidesilo nicht schon beim ersten Vorstoß der 24. PD
genommen wurde.[114] Am 18. September 1942 wurden im Laufe des Tages zehn Angriffe von Stoßtrupps der 94.
Infanterie-Division, 14. Panzer-Division (Wehrmacht) und 29. Infanterie-Division (mot)[115] erfolgreich abgewehrt.
Tagsüber wurde von der höchsten Stelle des Betonkomplexes verteidigt und nachts eine Rundumsicherung
gelegt.[116]
Vom 18. bis 25 September 1942 waren die 94.ID und 29. ID (mot) mit der schwierigen Aufgabe jedes einzelne von
nur
wenigen
Sowjetsoldaten
verteidigte
Widerstandsnest
zwischen
Eisenbahnlinie,
162
Deutscher Angriff auf Stalingrad
163
Konservenfabrik und Wolgaufer oft im Nahkampf niederzukämpfen.
Der Vormarsch löste sich in eine Unzahl kleiner lokal begrenzter
hartnäckiger Feuergefechte auf. Beim Getreidesilo verdichteten sich
die Kampfhandlungen und die 94. ID musste Teile der 24. PD zur
Feuerunterstützung anfordern.[117]
Deutsche Artillerie bereitete das Gelände mit einem massiven
Granatenbeschuss für den Bodenangriff vor, dabei wurde das Getreide
in Brand gesetzt. Am 20. September 1942 formierten sich die
Panzerverbände der 14. PD vor dem Gebäude und die Munition der
Sowjetsoldaten wurde knapp, darüber hinaus fielen die beiden
schweren Maschinengewehre aus. Die Bedingungen für die Verteidiger
wurden durch die starke Qualmentwicklung im Inneren und fehlendem
Wasser unerträglich. Mehrere Kapitulationsangebote wurden
abgelehnt.[116] Choisjanow ließ die Verwundeten zurück und
unternahm einen Ausbruchsversuch, um Wasservorräte zu besorgen,
dabei geriet seine Gruppe in Kriegsgefangenschaft.
Getreidesilo deutscher Vormarsch
Am 21. September 1942 rissen Bombentreffer Mauerdurchbrüche im
Westen des massiven Betonkomplexes und den Soldaten des IR
267/94. ID gelang es, in das Innere einzudringen. Dabei musste der
Treppenaufgang und jedes Stockwerk einzeln im Nahkampf, d.h. mit
Maschinenpistolen, Messern und Klappspaten, freigekämpft
werden.[118] Oberst Dubyanski schilderte die Kämpfe:
„Die Lage hat sich verändert. Zuerst waren wir im oberen Teil
des Silos und die Deutschen im unteren. Dann haben wir sie
unten hinausgeworfen. Dafür sind sie oben eingedrungen. Jetzt
wird im oberen Teil gekämpft.[119] “
Getreidesilo
Das Getreidesilo war eines der ersten Gebäude in der Schlacht um
Stalingrad, in dem eine Mehrfachbesetzung gleichzeitig durch deutsche
und sowjetische Infanteristen stattfand und in dem auf verschiedenen
Ebenen gekämpft wurde.[120] Gefeuert wurde häufig nur auf Stimmen
des Gegners, da der Qualm die Sicht nahm.[121]
„Wir hörten das Atmen des Feindes und jede seiner Bewegungen,
konnten ihn im dichten Rauch aber nicht sehen. Deshalb
schossen wir auf Geräusche.“[121]
Artilleriebeschuss auf das Getreidesilo
Sowjetische Marineinfanteristen landen am
Wolgaufer
Deutscher Angriff auf Stalingrad
164
Die dramatische Nahkampferfahrung während der extrem harten Gefechte im Getreidesilo traumatisierte die
deutschen Infanteristen und ließen die Hoffnung auf eine schnelle Eroberung Stalingrads schon in der Anfangsphase
der Schlacht schwinden:
„Wenn alle Gebäude in Stalingrad so verteidigt werden, dann wird keiner unserer Soldaten nach Deutschland
zurückkehren. Unsere Soldaten haben noch nie so bittere Gefechte erlebt. “
– Wilhelm Hoffmann Unteroffizier, Infanterie-Regiment 267/94. Infanterie-Division[31]
In dieser Phase erlitten die deutschen Angriffsverbände hohe Verluste und die Mannschaftsstärken der Kompanien
reduzierte sich teilweise auf 60 Mann.[122] Als das Getreidesilo am 23. September 1942 vollständig erobert wurde,
fanden die Deutschen vierzig gefallene Rotarmisten.[123] Carell schildert, dass Infanteristen und Pioniere des IR
71/29. ID (mot) den Zugang zum Getreidesilo aufsprengten und tote sowjetische Soldaten entdeckten, die durch
Explosionen getötet wurden, verbrannten oder erstickten. Die Eingänge zum Getreidespeicher waren zugemauert,
um weitere Ausbruchsversuche zu verhindern. [124] Der Weizen, der aus dem brennenden Speicher gerettet werden
konnte, diente der 6. Armee später als wichtige Nahrungsreserve.[118]
Ähnlich wie der Narvikschild sollte ein Emblem die Stalingradkämpfer an die Eroberung des Getreidespeichers als
Kampfauszeichnung erinnern. General der Panzertruppe Friedrich Paulus beauftragte die Propagandakompanie 637
und den Künstler Ernst Eigner mit dem Entwurf. Ein erster Entwurf, welcher die Ruinen der Stadt und das Gesicht
eines toten Soldaten zeigte, wurde vom OKW als „wehrkraftzersetzend“ abgelehnt, daraufhin wurde auf Anregung
von Paulus die Silhouette des Getreidespeichers mit den Worten „Stalingrad“ und „Wolga“ angefertigt und sollte als
Ärmelschild auf die Uniformen aufgenäht werden.[125]
Kampf um die Industriekomplexe
Stalingrad war einer der wichtigsten Industriestandorte im Süden der
Sowjetunion und für die Rüstungsproduktion der Roten Armee von
entscheidender Bedeutung.[126] [127] Die Bombardierung Stalingrads
schränkte die Produktion in den Industrieanlagen zwar stark ein,
jedoch wurden noch während der Kampfhandlungen in der
Geschützfabrik „Barrikaden“ 76-mm-Geschütze hergestellt und
Raketenwerfer im Stahlwerk „Roter Oktober“.[128] Bereits Ende
September 1942 verlagerte das Oberkommando der 6. Armee den
Angriffsschwerpunkt in die Industriekomplexe im Norden der Stadt.
Stalingrad-Mitte war bis auf wenige sowjetische „Häuserfestungen“
(u.a. Pawlows Haus) fast vollständig unter deutscher Kontrolle, nur im
Norden war die Entscheidung um das Areal des taktisch bedeutsamen
Mamajew-Hügel noch nicht gefallen. Vereinzelte Versuche am 23.
September 1942 den benachbarten „Tennisschläger“ oder die
Chemische Fabrik „Lazur“ zu nehmen scheiterten trotz großer Verluste
auf sowjetischer Seite.[129]
Stalingrad Industriekomplexe Einteilung in
Planquadrate
Die 284. Schützendivision löste die 13. Gardeschützen-Division auf
dem Mamajew-Hügel ab und hielt trotz anhaltenden Artilleriefeuers
ihre Stellungen in den Laufgräben am Süd- und Osthang, die Hügelspitze verblieb im Besitz der 295.
Infanterie-Division. Nördlich davon richteten sich die 39. Gardeschützen-Division, 194. und 308. Schützen-Division
Schützengräben zur Verteidigung des Westzuganges zu den Fabriken „Roter Oktober“ und „Barrikaden“ ein. Dort
entstand unter Tarnmaßnahmen eine zweite Frontlinie, die Kämpfe am Mamajew-Hügel sollten von dem
Stellungsbau im Norden ablenken. Im Bereich des Traktorenwerkes erreichten die 112. Schützen-Division und die
37. Gardeschützen-Division unter General Wiktor Scholudjew das westliche Wolgaufer.[130] General Tschuikow
Deutscher Angriff auf Stalingrad
musste nach Wegnahme des Wolgafähranlegers in Stalingrad-Mitte neue Flussübergänge im Norden improvisieren,
um die Mannschaftsstärke seiner Divisionen in den Fabriken zu erhöhen. Aufgrund des starken deutschen
Artilleriefeuers waren diese Manöver nur nachts möglich und war infolge deutscher Artillerie- oder
Sturzkampfbomberangriffe mit hohen Verlusten verbunden. Bis Oktober 1942 konnten etwa 100.000 Soldaten über
die Wolga verschifft werden. Allein im September 1942 verlor die 62. Armee in Stalingrad etwa 80.000 Soldaten,
am westlichen Ufer der Wolga waren nur noch 53.000 Männer kampffähig.[131]
General Tschuikow erhielt über seine Spähtrupps Kenntnis über deutsche Truppenbewegungen im Industriebezirk.
Am 9. Oktober meldeten seine Aufklärer, welche sich in einem leeren Kohle-Eisenbahnwagon zwischen
Mamajew-Hügel und Stahlwerk „Roter Oktober“ verbargen, das Verlegen von Feldgeschützen, Granatwerfern und
Munition an das Hauptquartier der 62. Armee. Die deutschen Angriffspläne auf die Fabriken waren somit nicht
länger geheim.[132]
Paulus forderte von der Heeresgruppe Süd Ersatz über seine ausgefallenen 40.000 Soldaten an. Abgezogen und
bereitgestellt werden konnte lediglich die 14. Panzer-Division und die 29. Infanteriedivision (mot).[132] Die
sowjetischen Luftstreitkräfte errangen ab Mitte Oktober 1942 die nächtliche Lufthoheit über Stalingrad. Die
zunehmenden Luftangriffe demoralisierten die erschöpften deutschen Soldaten und nahmen ihnen permanent die
Nachtruhe. Besonders gefürchtet waren Angriffe aus sowjetischen Polikarpow-Po-2-Doppeldeckern (Кукурузник,
russ. Kukurusnik), die wegen ihres Geräusches „Nähmaschinen“ oder „Kohlenschipper“ genannt wurden und gezielt
nachts deutsche Unterstände bombardierten.[133]
Ausweitung der Angriffsoperationen auf die Arbeitersiedlungen (27. September bis 7. Oktober 1942)
Die 24. PD, 100. JD und 389. ID wurden am 26. September 1942 nach
Norden in die Industriebezirke verlegt, um einen Gegenangriff der
Roten Armee zu begegnen. Die Gruppe Edelsheim (Oberst
Reichsfreiherr Maximilian von Edelsheim, Kommandeur des 26.
Panzergrenadier-Regiments/24. PD[134] ) und Gruppe Winterfeld
(Major Hild-Wilfried von Winterfeld, Kommandeur I Btl./24.
Panzer-Regiment/24.PD[134] ) gingen gegen feindliche Stellungen
entlang der Eisenbahnlinie im Buschgelände vor der Arbeitersiedlung
„Roter Oktober“ nördlich vom Mamajew Kurgan vor. Die 284. SD
unter Oberst Batjuk hatte den Auftrag die Panzersperren um die
Dolgi-Schlucht verteidigen. Die 112. SD sollte das deutsche
Vordringen in die Arbeitersiedlungen „Roter Oktober“ und
„Barrikaden“ verhindern und die befestigten Gebäudefestungen in der
Schule Nr. 20 und im Badehaus an der Kreuzung Kasachija und
Dublinskaja Straße halten. Nach deutschen Teilerfolgen eroberten
Deutsche Angriffe auf die Arbeitersiedlungen
Rotarmisten die Geländegewinne der Deutschen nachts wieder zurück
und konnten sich in der Kantine, im Badehaus und in der Schule Nr. 5 festsetzen.[135]
Der deutsche Großangriff am 27. September 1942 auf die Arbeitersiedlung „Roter Oktober“ und die Erfolge am
Mamajew Kurgan, wo Luftangriffe das Stellungssystem der 95. SD dem Erdboden gleichmachte und kurzzeitig die
Kontrolle über den Hügel übernommen werden konnte, brachte die 62. Armee in schwere Bedrängnis. Gleichzeitig
konnten
die
Minenfelder
in
der
165
Deutscher Angriff auf Stalingrad
166
Arbeitersiedlung „Barrikaden“ überwunden werden und der Druck auf
die sowjetische Verteidigungslinie wuchs. Für beide Seiten war der
vorläufige Höhepunkt der Schlacht erreicht.[86]
„Noch ein solcher Kampf und wir sind in der Wolga “
– Generaloberst Wassili Iwanowitsch Tschuikow[86]
Rotarmisten bei der Verteidigung der
Arbeitersiedlungen
Am 28. September 1942 nahm die 100. Jägerdivision 75% des Fleischkombinats am „Tennisschläger“ und die 24.
PD konnte ihren Sektor 500 Meter nordwestlich der Geschützfabrik „Barrikaden“ klären. Ein weiterer Vormarsch der
österreichischen Jäger auf den Tennisschläger konnte von der 284. SD verhindert werden. Zwischen 25. und 28.
September 1942 konnten weitere Schützenbrigaden an der Front in den Arbeitersiedlungen in Stellung gebracht
werden, um die Situation dort vorübergehend zu stabilisieren. Am 29. September 1942 nahmen deutsche Verbände
einen Großteil der Arbeitersiedlung „Barrikaden“ und die Silikatfabrik. Es entwickelten sich die bislang härtesten
Kämpfe in der Schlacht von Stalingrad gegen gut gesicherte Fabrikfestungen auf einer Frontbreite von 8 Kilometern
von der Chemischen Fabrik Lazur bis zum Traktorenwerk im Norden, der Geländegewinn betrug nach sechs Tagen
lediglich 400 Meter nach Osten. Von den Fabrikdächern und den Schornsteinen entwickelt sich eine verstärkte
Scharfschützenaktivität.
Am 30. September 1942 musste ein Gegenangriff der Roten Armee in den Siedlungen „Roter Oktober“ und
„Barrikaden“ vornehmlich von der 100. Jäger-Division abgeschlagen werden, dabei wurde die Stadtbahn vor dem
Stahlwerk „Roter Oktober“ an zwei Stellen besetzt. Der gewonnene Geländeabschnitt musste aufgrund von starkem
Druck der Sowjetarmee schnell wieder preisgegeben werden, nur die Verbindung zur 24. PD konnte gehalten
werden. Im Abschnitt des IR 276 entwickelte sich ein mit großer Härte geführter Nahkampf um sowjetische
Bunkerstellungen an einem Brückenkopf nördlich der Balka in Planquadrat 74c. Folgende Verluste wurden an
diesem Tag verzeichnet: 100. JD: 15 Gefallene und 68 Verwundete, 24. PD: fünf Gefallene und 30 Verwundete, 94.
ID: zwei verwundete Offiziere. Am gleichen Tag verstärkte die 193. SD am Westsektor der Geschützfabrik
“Barrikaden” und die 95. SD im Stahlwerk “Roter Oktober”.
Zwischen 3. und 7. Oktober verlagerten sich die Kämpfe in Richtung Arbeitersiedlung „Traktorenwerk“, getragen
von der 389. ID im äußersten Norden, der Gruppe Winterfeld und der Gruppe Edelsheim von der Silikatfabrik in
Richtung auf den schwer befestigten „Schnellhefterblock" nördlich der Silikatfabrik. Aus der Luft betrachtet stellte
diese Gruppe von Wohnblöcken das Bild eines aufgeschlagenen Aktenordners dar. Am 2. Oktober 1942 erreichte die
Kampfgruppe Winterfeld die Wohnblöcke, die von den Sowjets auch als „sechsseitiger Gebäudeblock“ bezeichnet
wurden.[136] Die Panzergrenadiere Edelsheim stießen im sehr solide konstruierten Schnellhefterblock auf
erbittertsten Widerstand der Roten Armee, konnten am 3. Oktober vom Norden her eindringen, waren jedoch nicht in
der Lage, den gesamten Komplex zu nehmen.[137] Im gesamten Raum zwischen Silikatfabrik, Schnellhefterblock,
Stadion und Skulpturnypark entbrannten wütende Kämpfe zwischen den Panzergrenadieren und Soldaten der 308.
SD. Die Einnahme dieses Sektors war von großer Bedeutung, um Zugang auf die untere Arbeitersiedlung
„Traktorenwerk“ und die Fabrik an sich zu erhalten.[138]
Am 3. Oktober 1942 erfolgte ein weiterer kombinierter Angriff der Gruppen Edelsheim und Winterfeld gegen die
Südostseite des Schnellhefters. Nach der Einnahme richteten sich die Panzergrenadiere in der Südostseite zur
Verteidigung gegen mögliche sowjetische Gegenangriffe ein. Erst am 4. Oktober 1942 war der Schnellhefterblock
feindfrei, da Winterfelds Panzer zahlreiche T-34 Panzer an dieser Seite vernichten konnten. Auch im Inneren des
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Blocks wurde noch weitergekämpft, da sich Scharf- und MG-Schützen in einigen der zahlreichen Fensterhöhlen
verschanzt hatten und einzeln bekämpft werden mussten.[139] Beim Zusammentreffen der 39. GSD und der Gruppe
Winterfeld entwickelten sich in der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober 1942 weitere schwere Kämpfe um den
Schnellhefterblock.
Die Kämpfe in Stalingrad konzentrierten sich am 6. und 7. Oktober 1942 auf die vorgelagerten Arbeitersiedlungen
des Traktorenwerkes. Gekämpft wurde gegen die 37. Gardeschützen-Division in den Arbeiterwohnheimen, wo
militärische Erfolge in der Anzahl der bereits eingenommenen Räume gemessen wurden. Nur ein einziger
Wohnblock konnte bei Tagesende von den deutschen Infanteristen erobert werden. An diesem Tag kostete es die
Deutschen vier Bataillone und 16 Panzer, um einen einzigen Wohnblock einzunehmen.
„Wir haben 15 Tage lang um ein einziges Haus gekämpft, mit Mörsern, Granaten, MGs und Bajonetten. Schon
am dritten Tag lagen 54 deutsche Leichen in den Kellern, auf den Treppenaufsätzen, in den Stiegenaufgängen.
Die Front ist ein Gang zwischen ausgebrannten Räumen, die dünne Decke zwischen zwei Stockwerken. Hilfe
kommt aus den Nachbarhäusern über Feuertreppen und Kamine. Das ist ein unaufhörlicher Kampf, Tag und
Nacht. Die Gesichter geschwärzt, bewerfen wir einander von Stockwerk zu Stockwerk mit Granaten inmitten
von Explosionen, Staub und Rauch, Schutthaufen, Strömen von Blut, Teilen von Möbeln und Menschen. Frage
einen Soldaten, was eine halbe Stunde Nahkampf hier bedeutet. Und dann stell dir Stalingrad vor: 80 Tage
und 80 Nächte Nahkampf. Die Straße wird nicht mehr in Metern gemessen, sondern in Leichen….Stalingrad
ist keine Stadt mehr. Bei Tag ist es eine gewaltige Wolke aus brennendem und beißendem Rauch; ein riesiger
Ofen, der vom Widerschein der Flammen beleuchtet wird. Und wenn die Nacht kommt, eine dieser sengenden,
heulenden, blutigen Nächte, springen die Hunde in die Wolga und schwimmen verzweifelt ans andere Ufer.
Die Nächte von Stalingrad sind schrecklich für sie. Tiere flüchten aus dieser Hölle; die härtesten Steine
ertragen das nicht lange, nur Menschen halten das aus.“
– Leutnant Joachim Stempel, Panzergrenadier-Regiment 103 / 24. Panzer-Division[140]
Die Arbeitersiedlungen waren Anfang Oktober 1942 in deutschem Besitz, so dass nur noch die Fabriken
Traktorenwerk, Geschützfabrik „Barrikaden“ und Stahlwerk „Roter Oktober“ nennenswerte Befestigungen der
sowjetischen Verteidigungslinie darstellten.[141]
Korrektur des Orlowka-Frontbogens (29. September bis 8. Oktober 1942)
Der Orlowka-Frontvorsprung trennte das XIV.
Panzerkorps vom LI. Armeekorps und band somit
Kräfte, die für die Eroberung der Fabrikkomplexe
dringend erforderlich waren.[142] In der
Eröffnungsphase
der
Offensive
auf
die
Fabrikanlagen sollte aus taktischen Gründen der
Orlowka-Frontvorsprung im äußersten Norden der
Stadt
von
schnellbeweglichen
deutschen
Sturmkeilen eingedrückt werden. Zu diesem
Zweck wurde die 16. Panzer-Division, 60.
Infanterie-Division (mot), 389. Infanterie-Division
Deutsche Angriffe auf den Orlowka-Frontvorsprung
und die 100.Jäger-Division nach Norden
transportiert und hatte den Auftrag die relativ
schwachen sowjetischen Stellungen von Orlowka bis Rynok auf einer Frontlänge von 19 Kilometern zu erobern. Die
124.
Spezial-Brigade
unter
Oberst
167
Deutscher Angriff auf Stalingrad
168
Andrjussenko und die Überreste der 196. Schützen-Division und 2.
Schützen-Brigade (mot) verteidigten mit ca. 5000 Soldaten diese
Stellungen. Von dort aus bedrohten sie die deutsche Flanke und
konnten Störangriffe gegen die nördlichen Industriekomplexe von
Stalingrad eröffnen.[143] Die 60. Infanterie-Division (mot) hatte den
Auftrag Orlowka frontal, aus nordwestlicher Richtung kommend,
anzugreifen. Die vornehmlich aus Kriegsveteranen bestehende 60.
Infanterie-Division (mot) musste die Operation in dem ihr
zugewiesenen Sektor auf offenem Gelände ohne Panzerunterstützung
Sowjetischer T-34 Panzer
durchführen. Der erste Angriff in den frühen Morgenstunden wurde
von feindlichen Luftangriffen und Maschinengewehrfeuer abgewehrt.
Dabei fielen viele deutsche Soldaten auch durch Artilleriedirektbeschuss. Die Operationsziele konnten jedoch später
im Laufe des Tages erreicht werden und der sowjetische Widerstand brach an dieser Stelle völlig zusammen.[144] Die
Angriffskeile drangen konzentrisch aus drei Richtungen in östliche Richtung vor und wurden auf den Höhen 135,4
und 147,6 in harte Begegnungsgefechte verwickelt. Verluste konnten zunächst noch mit Reserven aufgefüllt werden.
Bei Gorodischtsche wurde um die Höhenzüge 109,4 und 108,9 mit Panzern und MPI-Schützen gekämpft. Dabei
wurde die Gefechtsordnung des II Bataillons der 124. Spezial-Brigade vollständig überrannt. [145] Am 29. September
war der Orlowka-Frontvorsprung abgetrennt, die eingeschlossenen Sowjetverbände brachen weder aus, noch
kapitulierten sie.[146] Die Kämpfe am 30. September konzentrierten sich auf die Einnahme Orlowkas, dass im
Norden und Süden der Ortschaft von zwei Schützen-Bataillonen gehalten wurde, östlich davon drohte jedoch der
Einbruch der deutschen Angriffsverbände. Der Korridor über die Orlowskaya Balka nach Spartanowka und dem
eigentlichen Angriffsziel der Traktorenfabrik war jetzt für die 6. Armee zugänglich. [147] Am 1. Oktober 1942
schlossen sich die deutschen Angriffszangen um das III Schützen-Bataillon[148] und in den Ortschaften Orlowka und
Wodstroj wurden die hartnäckigen Stellungs- und Häuserkämpfe zwischen der 60. ID (mot) und einem sowjetischen
Panzer-Regiment wieder aufgenommen.[149] Die 124. Spezial-Brigade war mit ihrer Mannschaftsstärke von 500
Mann jetzt von allen Seiten eingeschlossen und kämpfte noch bis zum 7. Oktober 1942 im Kessel weiter. Erst als die
Munition vollständig aufgebraucht war, brach sie in südlicher Richtung über die Balka Mokraya Metschetkaya durch
und konnte sich am Nordrand des Traktorenwerkes mit den dort stationierten Einheiten vereinigen. Die Operationen
um Orlowka hatten der 6. Armee unvertretbare Verluste zugefügt und die Offensivbestrebungen in Nord-Stalingrad
geschwächt. Angeblich hat die Wehrmacht vom 1. bis 7. Oktober 1942 über fünf Infanterie-Bataillone, 17 Panzer, 21
schwere Maschinengewehre, 2 mittlere Feldgeschütze, 6 Panzerabwehrkanonen und Granatwerferbatterien verloren,
die für den geplanten Großangriff auf das Traktorenwerk nicht mehr zur Verfügung standen.[150]
Vor dem Großangriff auf das Traktorenwerk (6. bis 13. Oktober 1942)
Zerstörung im Fabrikgelände
Bereits am 6. Oktober 1942 führte die 14. PD und 60. ID (mot) eine
größere bewaffnete Aufklärungsoperation gegen das Fabrikgelände des
Traktorenwerkes
durch
und
traf
dabei
auf
die
37.
Gardeschützen-Division.[151]
Die
Offensive
wurde
jedoch
abgebrochen, da fast ein gesamtes Bataillon der 60. ID (mot) auf
offenem Gelände durch Beschuss aus Katjuscha-Raktenwerfern
westlich der Eisenbahnbrücke über die Metschetka[140] vernichtet
wurde.[152] Auch war die Kampfkraft der Infanterieverbände für
weitere Offensivbemühungen bereits zu stark abgenutzt.[153] Tags
darauf begann um 11 Uhr 30 mit zwei Divisionen ein weiterer
Deutscher Angriff auf Stalingrad
169
begrenzter Angriff auf das Wohngebiet vor dem Traktorenwerk. Die 60. ID (mot) von Westen und die 14. PD mit
500 Kampfpanzern von Südwesten. In den Abendstunden nach schweren Gefechten konnten sie die 37. GSD
zurückdrängen. Die Deutschen eroberten einen kompletten Wohnblock der Arbeitersiedlung[151] und bewegten sich
auf das Sportak Sportstadion (Traktor Stalingrad Трактор Сталинград[154] ) zu. Die 193. SD nahm ein hartes
Gefecht mit wechselseitigem Erfolg um das Badehaus im Stahlwerk Roter Oktober auf, nachdem keine Seite die
Oberhand behielt, wurde das Badehaus zum Niemandsland.[155] Am 8. Oktober 1942 fügten deutsche
Angriffsverbände der 193. SD im Badehaus weitere schwere Verluste zu und drängte die 37. GSD in das
Stadion.[155] Es wurde festgestellt, dass die 6. Armee sich in keiner guten Verfassung befand: die 94. ID war
reduziert auf 535 noch für den Kampfeinsatz tauglicher Soldaten und die 76. ID war bereits völlig abgekämpft. Die
Kompanien bestanden durchschnittlich nur noch aus 60 Soldaten. Die relativ ausgeruhte 305. ID sollte die geringen
deutschen Geländegewinne sichern. Das LI. Armeekorps machte kaum Hehl daraus einen Großangriff auf das
Traktorenwerk zu planen, deutsche Kriegsgefangene bestätigten bei Verhören durch die Rote Armee dieses
Vorhaben. Ein deutscher Funker wurde von einer sowjetischen Jägerpatrouille gefangen genommen und konnte
relativ präzise Angaben über den deutschen Truppenaufmarsch machen.[156] Tschuikow fällte die riskante
Entscheidung 3000 Mann[156] vom Mamajew Kurgan abzuziehen und in den Industriekomplexen zu stationieren.
Die 3075 Soldaten der 95. SD zogen vom Mamajew-Hügel ab und bezogen Positionen in den Außenbezirken des
Stahlwerkes „Roter Oktober“ zwischen 37. GSD und 308. SD. Die 95. SD erhielt zusätzlich 937 Matrosen der
Wolgaflotte. 2300 Soldaten der 112. SD, einschließlich des 524. SR am östlichen Wolgaufer, marschierten vom
Nordwesten in die Arbeitersiedlung „Traktorenwerk“. Die Fabrikhallen des Traktorenwerkes und der Ziegelei
wurden zu Festungen umgebaut. Die STAWKA übergab am 9. Oktober 1942 die Befehlsgewalt von den
Politkommissaren an die Frontoffiziere. Die Sowjettruppen im Norden (124., 143. und 115. Spezial-Brigade)
konnten ihre Linien in Rynok, Spartanowka, Spartanowka-Wald und entlang der Arbeitersiedlung „Traktorenwerk“
am Metschetkafluss halten. Das Regiment der 10. NKWD SD wurde in Reserve gehalten. Die 6. Armee verordnete
eine Kampfpause und befahl ihren Truppen in ihren Stellungen auszuharren und auf Verstärkung zu warten.[157]
Das Kräfteverhältnis gestaltete sich am 9. Oktober wie folgt:
6. Armee: 90000 Soldaten, 2000 Artilleriegeschütze und Mörser, 300 Panzer sowie 1000 Jagdflugzeuge und Bomber
der 4. Luftflotte
62. Armee: 55000 Soldaten, 950 Artilleriegeschütze, 500 Mörser, 80 Panzer und 188 Flugzeuge[156]
Noch am 12. Oktober 1942 fand ein größerer sowjetischer Gegenangriff im Raum Arbeitersiedlung und Stadion
südwestlich vom Traktorenwerk statt.[158] Die 37. GSD und ein Regiment der 95. SD unternahm lokale
Störangriffe[31] gegen die westlichen Außenbezirke der Arbeitersiedlung „Traktorenwerk“. Sie machten 200–300 m
Geländegewinn, bis sie vom massiven Hauptkörper der deutschen Streitkräfte aufgehalten wurden.
Großangriff auf das Traktorenwerk "Dserschinski" (14. bis 17. Oktober 1942)
Das 1930 erbaute Traktorenwerk „Felix Dserschinski“, auch STW –
Stalingrader Traktorenwerk (russisch Сталинградский тракторный
завод им. Ф. Э. Дзержинского) genannt, befand sich im äußersten
Norden
des
Fabrikgeländes
und
produzierte
Traktoren,
T-34-Kampfpanzer und militärische Ausrüstungsgegenstände.[159]
Etwa 20.000 Arbeiter waren im STW beschäftigt, vor der Offensive
wurden Fabrikarbeiter als Milizsoldaten für die Verteidigung
abkommandiert.[160]
Luftangriff auf das Traktorenwerk
Der minuziös geplante Großangriff der Wehrmacht auf das
Traktorenwerk begann in den frühen Morgenstunden des 14. Oktober
Deutscher Angriff auf Stalingrad
170
1942 mit einem massiven Sturzkampfbomberangriff. Beeinträchtigt
wurde die Sicht durch große Rauch- und Staubwolken, welche von der
intensiven Artillerievorbereitung herrührten. General der Artillerie
Walther von Seydlitz-Kurzbach ordnete für den Oktober folgendes Ziel
für die in Stalingrad stehenden Verbände an:[161]
Traktorenwerk
Eingang zum Traktorenwerk
Deutscher Aufklärer
„„Im Norden der Stadt stehen wir nun vor der schweren Aufgabe,
noch die drei großen Industriewerke, das Traktorenwerk
„Dserschinski“, die Geschützfabrik „Barrikaden“ und das
Stahlwerk „Roter Oktober“ zu nehmen und auch dort überall das
Wolgaufer zu erreichen. Der Angriffsplan sieht vor zunächst das
Traktorenwerk „Dserschinski“ anzugreifen, dann die beiden
anderen Industriewerke und schließlich das Öllager und den
Rest des Stadtzentrum von Norden nach Süden aufzurollen.Für
diese Aufgabe werden zwei Divisionen neu zugeteilt, die 305.
Infanterie-Division unter General Oppenländer und die 14.
Panzer-Division unter General Heim.““
Die Angriffsformation des LI. Armeekorps am 13. Oktober 1942
bestand aus Teilen der 24. Panzer-Division am Südflügel der
Angriffsgruppe, der Gruppe Jänecke der 305. Infanterie-Division und
Panzerschwadronen der 14. und 24. Panzer-Division, Teilen der 389.
Infanterie-Division und Teilen der 16. Panzer-Division.[162] Der
Infanterieangriff wurde mit einem massiven Luftschlag von über 300
Sturzkampfbombern vorbereitet.
Vor dem Erreichen des Traktorenwerkes wurden die vorrückenden
Wehrmachtstruppen in schwere Kämpfe mit Sowjetsoldaten in der
vorgelagerten
Arbeitersiedlung
und
in
den
zahlreichen
Balka-Schluchten
verwickelt.
Das
I.
Bataillon
des
Panzergrenadier-Regiments 103 unter Hauptmann Domaschk war
eines der ersten, das gegen 9 Uhr die Werkhallen erreichte.[163] Beim
Eindringen in die Fabrik wurde auf dem Boden, von Werkhalle zu
Werkhalle und in den Kanälen gekämpft. Das STW wurde von der 37.
Gardeschützen-Division und 95. Schützen-Division gegen 150
deutsche Panzer verteidigt, die von abgesessenen Panzergrenadieren
flankiert waren. Tschuikow berichtete von einer fünffachen
Überlegenheit der Deutschen an Soldaten und sogar 12-fachen
Überlegenheit an Panzern, was jedoch stark bezweifelt werden
kann.[164]
Die deutsche Luftaufklärung konnte aufgrund der starken
Qualmbildung in der unübersichtlichen Ruinenlandschaft keine klare
Kämpfe im Raum Traktorenwerk 5.-15. Oktober
1942
Hauptkampflinie (HKL) mehr erkennen. Später stellte sich heraus, dass
die Tagesziele der gepanzerten Stoßverbände nicht erreicht werden
konnten. Bis zum Mittag erreichte die 305. Infanterie-Division den Nordwestbereich des Traktorenwerkes und wurde
im
Planquadrat
96
D
Deutscher Angriff auf Stalingrad
in anhaltende Feuergefechte verwickelt.[165] Der starke Widerstand in
den einzelnen Gebäudekomplexen erforderte ein ständiges
Umgruppieren der Offensivkräfte, was zu viel Zeit in Anspruch nahm,
um eine schnelle Entscheidung zu bewirken. Panzer durchbrachen die
sowjetische Verteidigungslinie und gegen 11 Uhr 30 drangen die
Sturmtrupps der 389. Infanterie-Division unter General Erwin
Jaenecke in die weitläufigen Werkhallen der Traktorenfabrik ein.
Innerhalb kürzester Zeit waren fast die kompletten Sturmspitzen der
angreifenden Infanterie aufgerieben oder gefallen. Zeitzeugen
berichteten, dass sich überall erbitterte Nahkämpfe entwickelten. In der
Werkskantine entstand eine scharfe gewaltsame Auseinandersetzung
als beide Parteien unvorbereitet aufeinander trafen.[166] Soldaten der
37. Gardeschützen-Division unter General Scholudjew verwehrten den
deutschen Grenadieren lange Zeit den Zugang in die Traktorenfabrik.
Von den 8000 sowjetischen Soldaten fielen 5000 innerhalb von 48
Stunden während der erbarmungslosen Kämpfe in der
Traktorenfabrik.[166]
171
Angriff auf das Traktorenwerk 14.-15. Oktober
1942
Gegen 15 Uhr befand sich die 24. PD im Stadion, die 14. PD in den
Schluchten am Planquadrat (PQ) 94B und die 305. ID am Nordrand
des Stadtteils in PQ 86 D. Am späten Nachmittag konnten sich zwei
Panzerspitzen in den zerstörten Werkhallen vereinigen. Ein Offizier
der 14. PD schilderte seine Erlebnisse:
„„Es war ein unheimlicher, zermürbender Kampf auf und unter
der Erde, in den Trümmern, Kellern und Kanälen der
Industriewerke.“[167] “
Bei Einsetzen der Dämmerung konnten einige Stoßtrupps bereits die
Wolga erreichen. Der kurzzeitige Geländegewinn am Wolgaufer
musste jedoch bereits in der Nacht wieder aufgegeben werden, da die
in den Balkas verborgenen Rotarmisten die deutschen Angriffsspitzen
in heftige Feuergefechte verwickelten.[168] Eine Panzerschlacht
entwickelt sich vornehmlich im Nordbereich, als die 124.
Schützen-Brigade (SB), 115. Schützen-Brigade und die 2.
Schützen-Brigade (mot) einige Werkhallen im Gegenangriff
zurückerobern konnten.[163]
Deutscher Angriff auf das Traktorenwerk am 14.
Oktober 1942
Die 62. Armee gruppierte ihre Kräfte um, die 37. GSD erhielt den
Auftrag den Südteil des Traktorenwerkes zu halten und die 95. SD besetzte den Raum zwischen Traktorenwerk und
Geschützfabrik „Barrikaden“.[169] Die Gesamtlage der 62. Armee war am 14. Oktober 1942 besonders kritisch, denn
sämtliche Telefonleitungen zu den einzelnen Kampfverbänden waren beim Artilleriefeuer und schweren
Luftangriffen völlig zusammengebrochen. Die wenigen Melder, welche das Gefecht überlebten, berichteten
widersprüchliche Nachrichten an das Hauptquartier, so dass kein umfassendes Bild der Situation entstehen
konnte.[170] Über behelfsmäßigen Funkverkehr wurde an alle im Traktorenwerk kämpfenden sowjetischen Einheiten
die Parole zum bedingungslosen Durchhalten ausgegeben.[171] Oberst Gurtjew und die 308. Schützendivision
wurden im Nordwesten der Geschützfabrik „Barrikaden“ in die Maschinenhallen gedrängt und vom Rest der 62.
Armee abgeschnitten. Generalmajor Smechotworow erhielt den Befehl die Verbindung zur 308. SD wieder
Deutscher Angriff auf Stalingrad
172
herzustellen. Dies gelang erst, als sich die Truppe vorsichtig vom Wolgaufer, während des schweren
Artilleriegefechtes, an die eingeschlossenen Schützen im Kriechgang annäherte. Die deutsche Großoffensive spaltete
die Verteidiger des Traktorenwerkes in drei Teile: Der nördliche Kampfverband musste nach Rynok ausweichen, die
mittlere Gruppe wurde im Werksgelände eingeschlossen und kämpfte in der Metallgießerei und in der
Montageabteilung und der südliche Truppenteil zog sich in die Kellern der Nischnisiedlung zurück.[172] Luftangriffe
zerstörten den Divisionsgefechtsstand von General Scholudjew, welcher mit seinem Stab in den Trümmern
verschüttet wurde.[173] Erst nachts erreicht die 62. Armee über Funk Lebenszeichen der eingeschlossenen 37.
GSD.[174]
Am 15. Oktober 1942 wurde der Schwerpunkt der Offensive weiter in den Südteil des Traktorenwerkes verlagert,
das Ziel lautete immer noch Durchstoß bis zum Wolgaufer. Dabei stieß das Panzer-Regiment 36 (14. PD) tief in das
Werksgelände vor, Panzergrenadier-Regiment 103 eroberte eine wichtige Bunkerstellung am Bahndamm und das
Grenadier-Regiment 577 (305. ID) warf den Gegner über Bahnlinie in die Ziegelei zurück.[175] Durch die großen
Verluste der Hauptkräfte geschwächt, übernahmen in den frühen Morgenstunden zunächst Sturmpioniere vom PiBtl.
389 Infanterieaufgaben. Die Pioniere führten Stoßtruppunternehmen vornehmlich in den unterirdischen
Verbindungen und Tunneln zwischen den Werkanlagen durch. Sie waren darauf spezialisiert lautlos sowjetische
Horchposten auszuschalten und benutzten im Nahkampf geballte Ladungen, Flammenwerfer, Klappspaten und
Pionierhandbeile.[176] Im Laufe des Tages entwickelte sich im Traktorenwerk eine größere Materialschlacht, die sich
auch auf die benachbarte Ziegelei ausdehnte. Die Wehrmacht konnte am Ende des Tages einen größeren
Geländegewinn verzeichnen. Erst am 20. Oktober 1942 wurde das Traktorenwerk komplett von der Wehrmacht
erobert, gleichzeitig waren erfolgreich Einbrüche in die Geschützfabrik „Barrikaden“ und die Einnahme des
westlichen Teils des Stahlwerkes „Roter Oktober“ gemeldet worden.
Die 62. Armee hatte vom 13. bis zum 17. Oktober 1942 in der Schlacht um das Traktorenwerk insgesamt 13.000
Mann verloren (25% der 53.000 westlich der Wolga eingesetzten Soldaten). Allein am 14. Oktober 1942 mussten
3500 Verwundete in die Lazarette östlich der Wolga gebracht werden, aber auch die Verwundetentransporte über
den Fluss waren wegen der Stuka-Angriffe riskant.[177] Die Wehrmacht verlor bei dem Angriff 1500 Soldaten und
40 Kampfpanzer vornehmlich durch Panzerbüchsen.[169] Die Kämpfe im Traktorenwerk waren die bis dahin
härtesten und verlustreichsten in der Schlacht um Stalingrad. Die asymmetrischen Gefechte und das Fehlen einer
Hauptkampflinie (HKL) erschwerten taktische Entscheidungen und das genaue Beurteilen der militärischen Lage.
„„Das Kämpfen nahm monströse Proportionen an, die überhaupt nicht mehr zu messen waren.““[178]
Angriff auf die Geschützfabrik „Barrikaden“ (16. bis 26. Oktober 1942)
Die 1914 gegründete Geschützfabrik „Barrikaden“ (russisch
Производственное объединение «Баррикады») befand sich in der
Mitte der Fabrikanlagen und war von den sowjetischen Verteidigern
ebenso wie das Traktorenwerk und das Stahlwerk „Roter Oktober“ zu
einer Festung ausgebaut worden.[179]
Geschützfabrik Barrikaden 1942
Angriffsvorbereitungen
wurde
Die Offensive auf das Traktorenwerk hatte zur Folge, dass die 112. SD
und Milizbrigaden vom Rest der 62. Armee abgeschnitten und die 37.
GSD im Traktorenwerk eingekesselt wurde. [180] Von der 308. SD
hatten ursprünglich zwei SR in der Geschützfabrik Stellung bezogen
und ein weiteres in der nahe gelegenen Schlucht, um die offene Flanke
zu sichern. In dem Grabensystem überstanden die Sowjetsoldaten
zahlreiche
Luftangriffe.[181]
Kurz
vor
den
deutschen
die
Verteidigung
durch
die
138.
SD
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Von Stukaangriffen zerstörte Industrieanlage
Zerstörte Werkhallen
173
unter Oberst Iwan Iljitsch Ljudnikow übernommen. Die stark
dezimierten Verbände der 308. SD wurden abgelöst.[182] Am 16.
Oktober 1942 drangen Stoßtrupps der 305. Infanterie-Division von
Norden und 14. Panzer-Division im Zentrum in das Areal der
Geschützfabrik ein.[175] Einen Tag später ging die 100. Jäger-Division
gegen den Südteil des Fabrikgeländes vor. Die Querstraße im
Werksgelände der Geschützfabrik wurde vom Infanterie-Regiment 577
besetzt, parallel erreichte das Infanterie-Regiment 576 im schnellen
Vorstoß die Wolga. Artillerieunterstützung konnte wegen
Munitionsmangel kaum noch stattfinden. Sowjetische Autoren
berichten hingegen, dass der erfolgreiche Einbruch deutscher
Angriffsverbände in das Werksgelände erst am 23./24. Oktober 1942
erfolgte.[183] Vom 16. bis 18. Oktober 1942 wurde noch in der
Arbeitersiedlung „Barrikady“ gekämpft. Am 17. Oktober 1942 befahl
Tschuikow General Ljudnikow den unbedingten Gehorsam bei der
Verteidigung der Geschützfabrik:
„Sie sind für das Schließen des Durchbruchs mit der 138.
Schützen-Division, das Sichern der rechten Flanke und
Herstellen von engem Kontakt verantwortlich; unter keinen
Umständen werden sie dem Feind erlauben, in die
Barrikady-Fabrik einzudringen oder beim 138. SD
durchzubrechen. Sie sind für die Linie verantwortlich.“
– Generaloberst Wassili Iwanowitsch Tschuikow[184]
Der 18. Oktober 1942 war für die sowjetischen Streitkräfte ein
kritischer Moment, so dass erstmalig in der Schlacht um Stalingrad ein
taktischer Rückzug im Industriebezirk um 200 Meter angeordnet
wurde.[184]
Die Kämpfe in der Geschützfabrik „Barrikaden“ gestalteten sich als
besonders schwierig, da es fast unmöglich war inmitten der Trümmer,
Güterwaggons, Schlackehalden und zerstörten Werkhallen den Gegner
zu lokalisieren.
Generalleutnant Strecker beschrieb das schwierige Gelände wie folgt:
Geschützfabrik Barrikaden 16.-18. Oktober 1942
„„Der Feind kommt einfach immer wieder und nützt die neu
geschaffenen
Ruinen
zur
Befestigung
seiner
[185]
Verteidigungsstellungen.“
“
Die Kämpfe erreichten eine besonders hohe Intensität und waren für
beide Seiten äußerst verlustreich. Die deutschen Angriffsverbände erlitten ihre größten Verlustzahlen in der Zeit vom
16. bis 18. Oktober 1942, als viele Kampfkompanien in der Materialschlacht teilweise auf wenige Soldaten dezimiert
wurden. Ein Geländegewinn von nur 20 Metern wurde bereits als großer Erfolg gewertet, meist ging dieser durch
nächtliche sowjetische Gegenangriffe wieder verloren.[186] Am 19. Oktober 1942 verlagerte sich der Schwerpunkt
der
Gefechte
auf
Deutscher Angriff auf Stalingrad
174
das Schluchtengelände zwischen Geschützfabrik „Barrikaden“ und
Stahlwerk „Roter Oktober“, während die Kämpfe in den Werkshallen
unvermindert fortgesetzt wurden. Besonders intensiv wurde um den
Gefechtsstand des 339. Schützen-Regimentes im Hauptbüro von
„Barrikady“ gekämpft, hier hielt der sowjetische Widerstand noch bis
zum 26. Oktober 1942 an.[187] Am 25. Oktober 1942 erhielt die 100.
Jäger-Division den Befehl „Barrikady“ vollends zu erobern. Als sich
die Jäger am Bahndamm zum Angriff formierten, verfehlten die Stukas
ihr Ziel und warfen ihre Bomben irrtümlich über die österreichischen
Infanteristen ab, was den Angriff zum Scheitern brachte.[184] Der
Angriff wurde auch am folgenden Tag zu einem verlustreichen Fiasko,
die eingegrabenen Sowjettruppen ließen sich von den Sturmkeilen
überrollen, kesselten eine größere deutsche Einheit ein und
vernichteten diese.[188]
Ähnlich wie das Stahlwerk konnte die Geschützfabrik nie vollständig
eingenommen werden und in der anhaltenden Zermürbungs- und
Barrikaden Frontverlauf 17.-25. Oktober 1942
Abnutzungsschlacht konnte durch wechselseitige Angriffe und
Gegenangriffe keine Entscheidung herbeigeführt werden. Die
Rotarmisten konnten im Gegensatz zu den Wehrmachtstruppen ihre Menschen- und Materialverluste durch stetigen
Nachschub über die Wolga ausgleichen. Erst am 25. Oktober 1942 stellte die 6. Armee ihre Angriffsbemühungen in
der Geschützfabrik vollständig ein, da die Verluste nicht mehr länger kompensiert werden konnten.[189]
Angriff auf das Stahlwerk „Roter Oktober“ (23. bis 31. Oktober 1942)
Das Stahlwerk „Roter Oktober“ (russisch: Волгоградский металлургический завод «Красный Октябрь») und seine
zehn Werkshallen galt wegen seiner günstigen topographischen Lage und den verteidigenden sowjetischen
Eliteeinheiten längere Zeit als uneinnehmbar. Ende Oktober war das nasskalte Herbstwetter endgültig beendet und es
brach ein strenger Winter mit Temperaturen zwischen −20 °C bis −30 °C herein. Luftangriffe wurden durch
einsetzende Winterstürme erschwert.
Am 22. Oktober 1942 wurden bei der Vollendung der Offensivplanung
unter Seydlitz-Kurzbach auf das Stahlwerk „Roter Oktober“ alle
Infanteriezüge aufgelöst und es wurden Stoßtrupps zu jeweils ca. 15
Mann gebildet, die von Räumungstrupps begleitet wurden, welche die
Aufgabe hatten liegen gebliebenen Feind zu vernichten.[191] Für die
Offensive auf das Stahlwerk als letzte größere sowjetische
Verteidigungsstellung wurde folgende Angriffsformation am 23.
Oktober 1942 um 7 Uhr eingesetzt[192] :
• 79. Infanterie-Division unter General von Schwerin wurde von der
Donfront abgezogen und sollte mit dem verstärkten Jäger-Regiment
Stahlwerk Roter Oktober
54 „Kampfgruppe Weber“ (100. Jäger-Division) das Stahlwerk aus
dem gegnerischen Brückenkopf nehmen und zur Wolga durchstoßen[193]
• 14. Panzer-Division sollte Panzersperren an der Brotfabrik durchbrechen und zur 79. ID aufschließen
Deutscher Angriff auf Stalingrad
175
Verteidigt wurde das Stahlwerk „Roter Oktober“ von der 193.
Schützen-Division und der 39. Gardeschützen-Division. Zu diesem
Zeitpunkt
hatten
die
Verbände
folgende
Stärke:
138.
Schützen-Division: ca. 1000 Mann und 193. Schützen-Division: ca.
400 Mann, Ersatzkräfte ca. 3000 Mann.
Im Fabrikgelände von „Roter Oktober“ wurde besonders starke
sowjetische Scharfschützenaktivität beobachtet. Wassili Saizew
operierte dort häufig mit der „Akademie für Scharfschützen“ von den
Dächern der Fabrik oder im Niemandsland zwischen dem Stahlwerk
Rotarmisten beim Sturm auf ein Gebäude
und der Chemischen Fabrik „Lazur“. Die Ausbildung in der
Scharfschützentechnik fand in einem Gebäude der Chemischen Fabrik
statt, kurz danach wurden die Rekruten unter reellen
Gefechtsbedingungen an die Front geschickt.[194] Der eigentliche
Angriff im Stahlwerk „Roter Oktober“ fand auf einer lediglich 2,5 km
breiten Front statt. Zuvor fanden Erkundungen durch Spähtrupps statt,
anhand deren Berichte die Kompanien ihre Angriffsräume zugewiesen
bekamen. Die Offensivkräfte wurden für den bevorstehenden
Häuserkampf umgestellt und neu gruppiert. Primäres Angriffsziel war
die Werkbahn, sukzessive die Hallen 1-10 und schließlich das
Wolgaufer einzunehmen.[195] Ein schneller Vormarsch wurde von
Seydlitz ausdrücklich verboten: weitere Vorstöße waren nur gestattet,
wenn alle sowjetischen Verteidigungsstellungen im eigenen Raum
ausgeschaltet waren. Solange Artillerie und Luftwaffe Ziele unter
Feuer nahmen, sollten die Infanteristen auf dem Boden liegen bleiben.
Der Angriff der deutschen Infanterie wurde durch eine lange Kolonne
fest miteinander verkuppelter Güterwagen auf der Stadtbahn behindert
Stahlwerk Roter Oktober, Angriff 23. bis 31.
und konnte erst dann fortgesetzt werden, nachdem Pioniere mit
Oktober 1942
geballter Ladung eine Bresche schlugen. Die erste Verteidigungslinie
am Bahndamm wurde unter großen Verlusten der Rotarmisten genommen.[196] Die Werkbahn wurde gegen 9 Uhr
eingenommen und um 11 Uhr drangen die ersten Stoßtrupps in die Werkhallen ein. Gegen 13 Uhr geriet der Angriff
ins Stocken, da der Funkverkehr mit den vordersten Einheiten abbrach. Das Oberkommando der 6. Armee ging von
einem Fiasko aus, da schwere Waffen vorerst nicht mehr eingesetzt werden konnten. Erst gegen 16 Uhr erreichte
Paulus der Funkspruch, dass das Wolgaufer östlich von Halle 7 erreicht wurde. Da andere Einheiten im zähen
Häuserkampf in den Werkhallen gebunden waren, bestand allerdings bei dem an der Wolga stehenden Bataillon die
Gefahr der Einschließung und Vernichtung.[197] Die zweite Angriffswelle erlitt die größten Verluste und „blutete in
den Werkshallen aus“, wie ein Augenzeuge berichtete. (Uffz Willi Heller 4./208[198] ) In der Nacht musste sich das
am weitesten vorgedrungene Bataillon vom Wolgaufer zurückziehen, da der Geländegewinn nicht weiter gehalten
werden konnte. Der Ostsektor des Stahlwerkes „Roter Oktober“ war von größter strategischer Bedeutung, da von
dort
aus
der
Deutscher Angriff auf Stalingrad
176
tote Winkel des flach ansteigenden Wolga-Ufers beherrscht werden
konnte. Die Rote Armee konnte sich in den Hallen 1 bis 3, Halle 8 und
dem Schulgebäude erfolgreich behaupten. Der Angriff des verstärkten
Jäger-Regiments 54 blieb an den Bunkeranlagen vor der Banni- (auch
Bajonnet-)Schlucht im Planquadrat 62 genannt liegen.[198] Die
Infanteriekompanien in den Werkhallen richteten sich improvisiert zur
nächtlichen Verteidigung ein und mussten dabei zahlreiche massive
Gegenangriffe der Roten Armee überstehen. Die Verluste bei der
Wehrmacht betrugen 25% der Angriffsstärke, bei Offizieren durch
Scharfschützenfeuer sogar 50%.
Das Zentrum der 79. ID bestehend aus IR 208 und PiBtl. 179 sollte am
23. Oktober 1942, in Stoßkeilen gruppiert, die schwer befestigten
Verwaltungsgebäude von „Roter Oktober“ nehmen: „H-Gebäude“,
„Leiterhaus“, „Hakengebäude“ einschließlich der wichtigsten
Hauptfabrikhallen 3-7.[199] Massives sowjetisches Artilleriefeuer
brachte den Angriff von IR 208 und Jäger-Regiment 54 nach
Einnahme der Hallen 3 und 6 im Vorfeld der Westseite von Halle 4
zum Stillstand. Der weite Vorstoß von seiner Ausgangsposition machte
das Jäger-Regiment anfällig für Gegenangriffe der Roten Armee.
Dennoch wurde gegen 18 Uhr die kurzfristige Einnahme der Südseite
von Halle 4 vermeldet, wo sich das 120. Gardeschützen-Regiment
unter Major Goriachew zur Verteidigung eingerichtet hatte.[200] Als
Panzergrenadiere der 24. PD die Halle 4 (Martinsofenhalle, russ.
Мартеновский заводской цех, Martenowski sawodskoi zech) stürmen
wollten, fanden sie ein schreckliches Schlachtfeld inmitten der
Industrietrümmer vor.[201] Schwerin beschloss den Fokus auf die
vollständige Einnahme der Martinsofenhalle zu legen, da sich dort die
Verteidiger teilweise in den noch unzerstörten Schornsteinen
eingerichtet hatten und von dort aus fast den gesamten Abschnitt der
79. ID unter gezieltes Feuer nehmen konnten. IR 208 und PiBtl. 179
sollten in einem zweiphasigen Angriff die Gardeschützen endgültig aus
der Martinsofenhalle vertreiben.
Die Halle 4 mit den acht tief in den Boden eingelassenen Martinsöfen
bildete das Zentrum der Sowjetverteidigung. Sie wurde von
Rotarmisten der 39. GSD (Gardeschützendivision) verteidigt, deren gut
positionierte MG-Stellungen jegliche Annäherung unmöglich machten.
Auch waren auf den Schornsteinen des Stahlwerkes Maschinengewehrund Scharfschützen positioniert, welche das gesamte Werksgelände
inklusive Straßen, Schluchten und Trampelpfaden durch das
Trümmerfeld einsehen und unter wirkungsvollen Beschuss nehmen
konnten.[202] Oberstleutnant Wolf (Kommandeur Infanterie-Regiment
208) berichtete von der Schlacht im Stahlwerk von einem Kampf im
Trümmerfeld einer „grausigen Mondlandschaft“ mit umherirrenden
Zivilisten
und
orientierungslosen
eigenen
Soldaten.
Stahlwerk Roter Oktober, Deutscher Angriff
23./24. Oktober 1942, weitestes kurzzeitiges
Vordringen bis zur Wolga, violett
Angriffsplanung
Stahlwerk Roter Oktober, Einnahme der
Werkshallen bis auf Halle Vier im Oktober 1942
Deutsche Sturmpioniere in Angriffsvorbereitung
Das
Feuer
ließ
sich
Deutscher Angriff auf Stalingrad
177
oft nicht lokalisieren, ob vom Gegner oder von den eigenen
Einheiten.[202] Gekämpft wurde auch um den Kanaldurchlass zwischen
Stadt- und Werkbahn, da die Zugänge zur Kanalisation von der Roten
Armee beansprucht wurden. Die Gefechte konzentrierten sich lange
Zeit um die massiven Verwaltungsgebäude der Fabrik und um Halle 4,
wo immer noch keine Vorwärtsbewegung möglich war.
Deutscher Soldat mit sowjetischer PPSch 41
Maschinenpistole
Am 24. Oktober 1942 wurde die Einnahme des Stahlwerkes „Roter
Oktober“ durch die 79.ID bis auf Halle 4 vom OKW bekannt gegeben.
[203]
Die Verluste waren wesentlich größer als angenommen, auch
brach der Funkverkehr sehr häufig zusammen, so dass Melder
geschickt wurden. In den ersten Kampftagen fielen allein 20 Melder
durch Scharfschützen. Die Brotfabrik wurde zeitgleich mit der
Eroberung des Stahlwerkes am 24. Oktober 1942 vom
Panzergrenadier-Regiment 103 (14. PD) erobert. Die Hauptlast der
Kämpfe trug hier die 14. Panzergrenadier-Brigade unter Oberstleutnant
Hans Freiherr von Falkenstein.[204]
Angriff auf die Martinsofenhalle am 3. November
1942
Halle 4 war vom Westen und vom Süden her eingeschlossen. Die Westseite von Halle 4 wurde für eine kurze Zeit
erobert.[203] Eine Woche nach dem Angriff vom 24. Oktober 1942 war der Erfolg des LI. Armeekorps völlig
absorbiert. Was zuvor als minimales Tagesziel in den Werkhallen 1, 5, 10 und der Martinsofenhalle ausgegeben
wurde, wurde in der Nacht durch Tschuikows Verstärkungen über die Wolga wieder egalisiert. Die Verluste der
Roten Armee bei Tag wurden nachts wieder ersetzt.[205] Am 25. Oktober 1942 fasste Schwerin die noch
einsatzfähigen 2500 Soldaten der Division unter dem Oberbefehl von Oberstleutnant Richard Wolf (Kommandeur
der Divisions-Mörsereinheiten und seit 1943 Ritterkreuzträger) zusammen und befahl erneut die Einnahme der
Martinsofenhalle. Der erste Angriff schlug fehl, nachdem die Sturmtruppen in das Innere der Halle eindrangen und
Gardeschützen aus einem unterirdischen Abflussgraben, welcher sich durch die Halle zog, an die Oberfläche
gelangten und aus versteckten Positionen mit automatischen Waffen und Maschinengewehren unter geballtes Feuer
nahmen. Verstärkungen vom IR 212 und 700 Pionieren des PiBtl. 179 sollten die Entscheidung bringen.[206]
„Der Vorstoß von Westen, unterstützt von starkem Artillerie-Abwehrfeuer auf die Martinsofenhalle erzielte
einen guten Anfangserfolg. Wir konnten bis zur Hälfte in Halle 4 eindringen, während Halle 1 und 2
zurückerobert wurden. Fortan verlief die vordere Grenze unserer Truppen entlang der östlichen Fabrikseite.
Leider war der Erfolg in Halle 4 nicht von Dauer. Unsere Truppen waren Gegenangriffen des 120.
Gardeschützen-Regiments ausgesetzt. Danach verlief die vorderste Linie nur noch entlang der Westseite von
Halle 4 “
– Oberstleutnant Richard Wolf, 79. Infanterie-Division[206]
Am 25. Oktober 1942 begann Phase zwei im Kampf um „Roter Oktober“ mit dem Ziel Halle 4 zu erobern. Hierzu
wurden die Kampfgruppen umorganisiert und Oberstleutnant Richard Wolf unterstellt. Eine neue Kampfgruppe
„Buchholz“ (Hauptmann Buchholz, IR 212), Teilen der 79. ID und Sturmpionieren wurden mit dieser Aufgabe
betraut. Halle 4 wurde von einem großen unterirdischen Entwässerungsgraben, der direkt zur Wolga führte, versorgt.
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Gardeschützen nutzten den Graben und die erkalteten Martinsöfen als Verfügungsraum. Nördlich der
Martinsofenhalle wurden Halle 1 und 2 erobert, hier verlief die Hauptkampflinie in der Kampfphase zwei.
Sturmpionieren gelang kurzzeitig der Einbruch bis zur Mitte der Martinsofenhalle, diese ging bei einem nächtlichen
sowjetischen Gegenangriff aber wieder verloren. Ein Verband der 79. ID erlitt hohe Verluste, als bei einem
Sturzkampfbomberangriff ein mit Panzerplatten beladener Waggon getroffen wurde und die darunter liegenden
Soldaten tötete.
Oft fanden tagsüber nur noch Luftangriffe und Artilleriegefechte auf beiden Seiten statt und in der Nacht
Operationen der Stoßtrupps, teilweise mit Gefechtsfeldbeleuchtung. Verpflegung konnte wegen
Scharfschützenbeobachtung auch nur nachts erfolgen. Die Stellungen der Rotarmisten auf der Steiluferseite konnten
nicht genommen werden, da Artillerie und Mörser hier nicht wirken konnten.[207] Der Gefechtsstand der 62. Armee
und der Bunker General Tschuikows lagen nur 50 Meter von der 14. PD entfernt. Es entwickelt sich ein
verlustreicher Stellungskrieg in der Hauptkampflinie zwischen Geschützfabrik und Stahlwerk. In Halle 4 kämpfte
das kroatische Regiment 369 unter Oberst Pavicic weiter um die Entscheidung. Von den 3865 kroatischen Soldaten
waren am 21. Oktober 1942 nur noch 983 am Leben, davon nur 447 einsatzfähig.
Das erst am 26. Oktober 1942 eingetroffene IR 226 wurde in den folgenden drei Tagen direkt in die anhaltenden
Kämpfe um die Martinsofenhalle geschickt, war aber nicht in der Lage Halle 4 zu werfen.[208]
„Während der Angriffe der 79. Infanterie-Division auf das Stahlwerk „Roter Oktober“ setzte sich die
Erkenntnis durch, dass die Martinsofenhalle der Eckstein der Verteidigung der Roten Armee ist. Halle 4 mit
ihren großen Martinsöfen innerhalb der massiven Außenwände ist eine Art natürliche Festung, die weder mit
Stukas noch mit Artillerie zerstört werden kann. Auch die Infanterie ist ungeeignet für die Einnahme. Aufgrund
seiner Konstruktion und seiner Verteidigungsanlagen ist sie ein bevorzugtes Ziel für die Sturmpioniere. “
– Oberstleutnant Richard Wolf, 79. Infanterie-Division[208]
Am 29. Oktober 1942 konzentrierten sich Luftwaffe und Artillerie erneut auf die Martinsofenhalle als vorrangiges
Angriffsziel, ein nächtlicher Großangriff der Infanterie mit Flammenwerfern und dem neu eingetroffenen
Infanterie-Regiment 226/79. ID scheiterten am starken sowjetischen Abwehrfeuer.[209] IR 226 sollte die Schutthalde
und die „Burg“ nordöstlich der Martinsofenhalle nehmen, somit verschob sich die HKL wieder auf den Ostrand der
Hallen 1 und 2.
Um Halle 4 zu werfen, waren nach Ansicht des Divisionsstabs der 79. ID ausgeruhte Truppen und Sturmpioniere
notwendig. Luftangriffe waren bei den dickwandigen massiven Martinsöfen wirkungslos, diese konnten nur durch
einen Frontalangriff der Infanterie mit verstärkten Kräften und hoher Truppenüberlegenheit genommen werden.
Halle 4 war über 100 m lang und 40–80 m breit und das Kerngebäude des Stahlwerkes „Roter Oktober“. Seine
Schornsteine waren von weithin sichtbar und in der Mitte befanden sich acht Martinsöfen, die tief in den Boden
eingelassen waren. Von dort aus führten Treppen in 40 bis 50 m Tiefe in betonierte Unterkunftsräume und Hallen,
Lagerräume und Kantinen. Von hier aus bestand auch eine Verbindung zum Wolgaufer und Nachschubswegen. Die
Martinsofenhalle war im November 1942 ein Frontkeil, von dem aus die Rote Armee blitzartige Offensiven eröffnen
und den Gegner in großer Zahl binden konnte. Mit Halle 4 konnte das Hintergelände bis zum Steilufer der Wolga
beherrscht werden. Das sowjetische Verteidigungssystem bestand weiterhin aus Stellungen südöstlich der
Schlackenhalde, der „Fingerschlucht“, dem Weißen und dem Roten Haus, deren natürliche Barriere die Halle 4
darstellte.[209] Für die Rote Armee hätte ein Wegfall der Martinsofenhalle das Preisgeben der
Wolgaübersetzungsstellen und der befestigten Stützpunkte bedeutet, aus diesem Grund lag die Hauptbemühung der
sowjetischen Verteidigung auf Halle 4.[210] Am 31. Oktober 1942 wurde die Martinsofenhalle wieder vollständig
von der 39. Gardeschützen-Division zurückerobert.[211]
Die Kämpfe hielten in Halle 7 und 10 an und vom Wasserturm verursachten sibirische Scharfschützen hohe Verluste
unter Offizieren und vorgeschobenen Einheiten. Am 2. November 1942 griff das IR 369 erneut die Martinsofenhalle
an und sollte die Kampfgruppe Buchholz, die sich in der Mitte der Halle 4 befand, entlasten. General Werner Sanne,
Kommandeur der 100. Jäger-Division verlieh Zugführer Podobnik das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse, da seine
178
Deutscher Angriff auf Stalingrad
179
Einheit einen wichtigen Bunker der Roten Armee werfen konnte, der ein komplettes deutsches Regiment am
Fortkommen hinderte.
Bis zum 31. Oktober 1942 waren alle Werkshallen bis auf Halle 4 in deutscher Hand, man stellte jedoch fest, dass
Luftwaffe und Artillerie der Infanterie keine weitere Unterstützung mehr bieten konnten.[212] Die neu eingetroffene
45. Schützen-Division wurde am gleichen Tag über die Wolga verlegt und erhielt den Befehl die Martinsofenhalle,
die Kalibrierungsabteilung und das Fertigwarenlager zurück zu erobern.[213] Angesichts der Zähigkeit der Kämpfe
im Stalingrader Industriebezirk und dem möglichen Zulauf sozialistischer Kreise, ordnete Reichspropagandaminister
Goebbels an, dass Begriffe wie Geschützfabrik „Barrikaden“ und Stahlwerk „Roter Oktober“ in der deutschen
Presselandschaft nicht mehr verwendet werden dürfen.[214]
Angriff gegen die letzten sowjetischen Verteidigungsstellungen (9. bis 14. November 1942)
→ Hauptartikel: Operation Hubertus
Stalingrad Industrieanlagen
Am 1. November 1942 brach der letzte Angriff der 79. ID im
Stahlwerk „Roter Oktober“ im schweren Artilleriefeuer zusammen.
„Die Wirkung der feindlichen Artilleriemassierung östlich der Wolga
hat die Angriffskraft der Division entscheidend geschwächt.".[215]
Aufgrund des Munitionsmangels konnte kein weiterer Geländegewinn
mehr verzeichnet werden. Druck auf die sowjetischen Stellungen
wurde nur noch mit punktuellen Kleinangriffen („gewaltsame
Erkundungen durch Spähtrupps“) aufrechterhalten.
Diese Ereignisse führten mitunter zu einem grundlegenden
Strategiewechsel der 6. Armee, keine Offensiven mit Großverbänden,
sondern gezielte Operationen durch Spezialeinheiten für besondere
militärische Aufgaben: Hitlers Rede verkündete am 9. November 1942
im Münchner Bürgerbräukeller den Einsatz kleinerer Kampfverbände:
„[] weil ich dort kein zweites Verdun haben will, sondern es lieber mit
ganz kleinen Stoßtrupps mache. Die Zeit spielt dabei gar keine Rolle.
Es kommt kein Schiff mehr die Wolga hoch und das ist das
Entscheidende.“[216] Forciert wurde dieses Vorhaben federführend
durch Generaloberst Wolfram Freiherr von Richthofen, Kommandeur
Sowjetischer Gegenangriff
der Luftwaffe, welcher sich gegenüber Paulus durchsetzte und die
Freigabe der Sturmpioniere, einer Elitetruppeneinheit für Häuserkampf und andere Spezialaufgaben erwirkte.[217]
[218]
Vorausgegangen waren Konflikte zwischen Richthofen und der Heeresleitung mit Friedrich Paulus und Walter
von Seydlitz-Kurbach, Richthofen beschwerte sich über den von ihm bezeichneten „Heereskonventionalismus“:
„„Die Artillerie schießt nicht und die Infanterie nutzt Bombenabwürfe gar nicht aus. Unsere Flugzeuge werfen
jetzt schon auf Handgranatenweite vor der Infanterie, die nichts tut.“[219] “
Für diese Operation waren 305. ID, 389. ID, Sturmpioniere und Sturmgeschütze vorgesehen, mit der Planung
wurden
Oberst
Steinmetz,
Kommandeur
der
305.
ID
und
Major
Josef
Linden,
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Kommandeur des PiBtl. 672 betraut. Der Divisionsgefechtsstand
befand sich im „Schnellhefterblock“, einem Häuserblock westlich der
Geschützfabrik „Barrikaden“, der in der Phase der Kämpfe um die
Arbeiterviertel schwere Verluste verursachte.[220] PiBtl. 336 und 294
wurden eingeflogen, PiBtl. 45 (mot), PiBtl. 50 und PiBtl. 162
erreichten am 4. November 1942 Stalingrad auf dem Landweg.[218]
Diskutiert wurden unterschiedliche Vorgehensweisen: von Seydlitz sah
vor das Wolgaufer mithilfe der Sturmpioniere im Gefechtsabschnitt der
295. ID zu gewinnen, während Hitler die Eroberung der Chemischen
Fabrik „Lazur“ favorisierte. Schließlich entschied man sich für die
zweite Variante, dazu bildete die 79. ID sowie Teile der 14. und 24. PD
die „Kampfgruppe Schwerin“, während die 14. PD die „Kampfgruppe
Seydel“ und die 24. PD die „Kampfgruppe Scheele“ formierte[218] [221]
Am 6. November 1942 änderte Hitler seinen Plan und räumte der
Eroberung des Wolgastreifens zwischen „Barrikaden“ und „Roter
Oktober“ höchste Priorität vor der Einnahme von „Lazur“ ein.[221]
180
Operation Hubertus November 1942
Die letzten sowjetischen Verteidigungsstellungen befanden sich in der
Geschützfabrik „Barrikaden“, Stahlwerk „Roter Oktober' und
Eisenbahnschleife „Tennisschläger“. Das Angriffsziel des deutschen
Angriffs war zunächst die „Apotheke“ (auch als „Weißes Haus“
bezeichnet, zwei Häuserzeilen im Rohbau zwischen „Roter Oktober“
und Wolga) sowie Haus 78, das Kommissarshaus (auch als „Rotes
Haus“' bezeichnet, ein roter Backsteinbau 200 m links von der
Apotheke), die Brotfabrik und die als uneinnehmbar geltende
Martinsofenhalle im Stahlwerk „Roter Oktober“.[220]
Frontverlauf Barrikaden – Roter Oktober
Am 11. November 1942 fand unter dem Oberbefehl von General Schwerin (79. ID) ein Großangriff auf die
Martinsofenhalle und die 400 dort verschanzten Verteidiger der 39. GSD statt. Schwerin gewann rasch die
Erkenntnis, dass die dortigen Stellungen mit konventionellen Angriffswaffen der Infanterie nicht niederzukämpfen
waren.[222] Hauptmann Helmut Welz führte das PiBtl. 179 (79. ID) gegen die von den Sowjets gehaltene
Kanalisation der Halle 4.[223] Der Vormarsch der drei 30–40 Mann starken Stoßtrupps ging nur sehr zäh voran um
jeden Meter, jede Häuserecke, Treppenabsatz und Kellerloch. Der Stoßtrupp wurde gefolgt vom Sicherungstrupp,
um liegen gebliebene Rotarmisten zu eliminieren. Weiterhin sollte das im Nahkampf geschulte kroatische
Infanterie-Regiment 369 nachrücken und das Gelände sichern. Tschuikow bemerkte, dass die von der Roten Armee
kopierte und in Stalingrad sehr erfolgreiche Stoßtrupp-Taktik beim Angriff auf die Martinsofenhalle zum Scheitern
verurteilt war, da sich die Angreifer auf offener Fläche und nicht wie die Sowjets in befestigten Laufgräben dem
Angriffsziel näherten.[210] Das Infanterie-Regiment 369 wurde von Leutnant Rudolf Baricevic angeführt und
unterstützte den vierzinkigen Angriff der als „Bunkerknacker“ vorgehenden Pioniere auf die Martinsofenhalle. Drei
ihrer Angriffe wurden von Rotarmisten abgewehrt, einem vierten gelang der Einbruch, sie verloren jedoch die
Orientierung in den Trümmern und wurden von sibirischen Scharfschützen getötet.[224]
In den frühen Morgenstunden wurden starke Sprengladungen an den Hallenwänden ausgelöst. Getarnt durch die
Rauchwolken der Explosion konnten die ersten Sturmpioniere in Halle 4 eindringen. Nach einem erbitterten
dreistündigen Kampf wurde lediglich ein Geländegewinn von 70 Metern verzeichnet. Die Vorwärtsbewegung war
durch die von Bomben völlig zerstörte Fabrikruine aus Eisenteilen, Mauerresten, zerstörten Maschinen, verbogenen
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Stahlträgern, Draht und Geröll extrem mühselig bis unmöglich, vielerorts nur im Kriechgang durch das Dauerfeuer
der sowjetischen Maschinengewehre. Die Stoßtrupps konnten nicht genug Wucht in ihrer Offensive entwickeln, um
das gewonnene Terrain in Halle 4 zu halten. Stärkere Verbände konnten sich in den engen Ruinen wiederum nicht
entfalten und somit scheiterte das Unternehmen, die Martinsofenhalle direkt mit beschränkten Mitteln an
Mannschaftsstärke und Feuerkraft zu nehmen. Die Truppenteile, die in Halle 4 eindringen konnten, wurden vom
massiven feindlichen Abwehrfeuer aus mehreren Richtungen gestoppt. Der Angriff der Wehrmacht geriet schließlich
in einen größeren sowjetischen Gegenangriff[225] und wurde verlustreich abgeschlagen. 50% der Angriffsstärke
fielen am ersten Tag bei den Sturmpionieren aus, insgesamt fielen 13 Unteroffiziere und 41 Mannschaftsdienstgrade.
Die Kroaten zählten 33 Gefallene.[226]
Es folgte der Wintereinbruch und die Temperaturen sanken auf −18 °C[221] [227] Stoßtruppunternehmen der 71., 295.
ID und 100. JD sollten Täuschungsmanöver darstellen, um den Gegner von den eigentlichen Zielen der Operation
Hubertus abzulenken.[228] Sowjetische Aufklärer, welche sich tief hinter den deutschen Stellungen befanden,
lieferten der 62. Armee detaillierte Informationen über den Truppenaufmarsch.[229] Die in den Fabrikbezirk
stehenden Schützendivisionen gruppierten sich ebenfalls taktisch um und erhielten den Auftrag ihre Brückenköpfe
täglich um 100 Meter nach Westen zu erweitern.[230]
Die 71., 79., 100., 295. 305. und 389. Infanterie-Division mit den angegliederten Pionierbataillonen eröffneten am
11. November 1942 den Angriff.[219]
Da die 305. ID durch ihren pausenlosen Einsatz große Ausfälle hatte („Grabenstärke“ einer Kompanie nur noch
25–35 Mann), wurde der Angriff durch vier Bataillone Sturmpioniere begonnen, denen die 305. ID folgen sollte. Der
Angriff wurde auf rund zwei Kilometern Breite vorgetragen und durch Fabriktrümmer und Geländehindernisse sehr
erschwert. Die Bewaffnung und Munitionierung der deutschen Truppen war unzureichend. Die sowjetischen
Verteidigungsstellungen wurden von Elitesoldaten der Gardeschützen verteidigt.[231]
Eine Kompanie des PiBtl. 336 hatte schon in der Bereitstellung Ausfälle von 18 Mann in einer verminten
Fabrikhalle.[232] Rotes und Weißes Haus waren von den Sowjets zu starken Stützpunkten ausgebaut worden und
konnten vom PiBtl. 50 (mot) nicht eingenommen werden. Die Verluste am 9. November 1942 wurden mit 15%
beziffert.[233] Ohne Nachführung von unverbrauchten Infanterie-Regimentern waren die Geländegewinne der
Sturmpioniere nicht zu halten. Die Sturmpioniere konnten die Apotheke nach Plan einnehmen, gerieten aber beim
Kommissarshaus in einen Feuerüberfall, der ihre erste Offensive zusammenbrechen ließ. Erst am nächsten Morgen
gelang dem PiBtl. 50 (mot) der Einbruch.[234] Die sowjetischen Verteidiger zogen sich in den Keller zurück, wo sie
mit Handgranaten und Benzinkanistern, die in Brand geschossen wurden, bekämpft wurden. Nebelkerzen um das
Kommissarshaus sollten die Flucht der Rotarmisten unmöglich machen. [232] Am Abend gelang es einen Verband
von 2000 Rotarmisten bei diesen Häusergruppen einzuschließen. Im Verlauf der Operation ging das
Kommissarshaus wieder verloren. Im Kommissarshaus befand sich der Gefechtsstand von Oberst Ljudnikow und der
Mittelpunkt des Brückenkopfes „Ljudnikows Insel“.' Ein weiteres schwer umkämpftes Gebäude das Haus 78 wurde
nach dem Tod von Leutnant Kretz in Kretzhaus umbenannt. Der Widerstand der eingekesselten Rotarmisten konnte
nicht gebrochen werden.
Am 11. November 1942 stand im Wehrmachtsbericht: „In Stalingrad lebhafte Stoßtrupptätigkeit“, dabei wurden
sowjetische Bunker im Raum Wasserwerk und Chemische Fabrik „Lazur“ genommen. Die Luftwaffe konnte zwar
die Fabrikschornsteine zum Einsturz bringen, den Gegner aus seinen ausgebauten Stellungen in Gräben, Bunkern
und Kellern aber nicht vertreiben.[235] Bei Dämmerung wurde eine größerer Gegenangriff der 62. Armee mit
Schwerpunkt auf der 95. SD in Richtung auf die „Todesschlucht“ (so bezeichnet durch hohe sowjetische Ausfälle, da
die Schlucht sich im Wirkungsbreich deutscher Scharfschützen befand).[236] zwischen „Barrikaden“ und „Roter
Oktober“gestartet und sollte die deutschen Truppen daran hindern ihre Flanken zu schützen[237] Deutsches
Mörserfeuer am 12. November 1942 zwang die Rotarmisten dazu ihren Vorstoß abzubrechen und ein Angriffskeil
trieb zwei sowjetische SR auseinander. Dabei wurden die Öltanks am Wolgaufer erreicht. Die erste Phase der
Operation Hubertus endete mit nur minimalen Raumgewinn und unverhältnismäßig hohen Verlusten auf beiden
181
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Seiten. Für die zweite Phase mussten die Offensivkräfte erneut umgruppiert werden.[228]
Am 13. November 1942 wurden erneut Operationen gegen die Häuserfestungen der 62. Armee unternommen,
Stoßtrupps gelang es, das Kommissarshaus für eine kurze Zeit zu nehmen. Die massiven Angriffe vom 12. bis 13.
November brachten der Wehrmacht aber eine unvertretbare hohe Zahl von Ausfällen.[228] Hauptsächlich war es die
sowjetische Artillerie unter General Woronow, welche deutsche Offensiven bereits im Verfügungsraum
zusammenbrechen ließ.[238] Ungeachtet des Misserfolges bei der Operation Hubertus waren Nachfolgeoperationen
für die zweite Novemberhälfte in Planung, die Operation Schwerin I sollte den Geländeabschnitt zwischen Roter
Oktober und Barrikaden endgültig unter deutsche Kontrolle bringen und Operation Schwerin II hatte das Ziel die
Martinsofenhalle zu isolieren.[238] Realisiert wurde keiner der beiden Pläne.
Noch bis zum 15. November versuchte die 6. Armee die Martinsofenhalle in vereinzelten kleineren
Kommandounternehmen einzunehmen, welche alle scheiterten.
Ljudnikows Insel (16. bis 18. November 1942)
Die Überreste der 138. SD unter General Ljudnikow wurde zwischen
der Geschützfabrik Barrikaden und Wolga auf engem Raum in einem
Geländedreieck von 350 x 200 Metern zurückgedrängt und von drei
Seiten eingekreist.[239] Dieser Brückenkopf wird in der russischen
Literatur als „Ljudnikows Insel“ (russisch: Остров Людникова)
bezeichnet.[240]
Die Division schrumpfte durch starke Ausfälle von 10.000 auf zuletzt
800 Mann. Eingeschlossen waren die Überlebenden und Verwundeten
der SR 768, 344 und 650, welche kaum noch aus der Luft versorgt
werden konnten. Die Nahrungsreserven mussten drastisch reduziert
Ludnikows Insel 16.-18. November 1942
werden und die Kämpfe konnten teilweise nur noch mit erbeuteten
Waffen und Munition fortgeführt werden. Am 17. November 1942
stand die 138. SD kurz vor dem Zusammenbruch und die Funkverbindung zur 62. Armee am östlichen Wolgaufer
brach ab. Wehrmachtsverbände drangen in Stoßtruppstärke immer wieder in die eingekreisten Stellungen der 138.
SD ein, waren ihrerseits aber zu schwach, um Erfolge oder größere Geländegewinne zu erzielen.[241] Erst am 20.
November 1942 gelang es Schiffen dort am Wolgaufer zu landen und den isolierten Verband mit Nahrung und
Munition zu versorgen, Ljudnikows Truppen kämpften in ihren eingeschlossenen Stellungen noch insgesamt 40
Tage weiter.[242] Nach der Schlacht von Stalingrad wurde das Gebiet zum Nationaldenkmal erklärt.
Ebenfalls am 17. November erteilte Hitler dem Oberkommando der 6. Armee folgenden Befehl:
„Die Schwierigkeiten des Kampfes um Stalingrad und die gesunkenen Gefechtsstärken sind mir bekannt. Die
Schwierigkeiten für den Russen sind jetzt aber bei dem Eisgang auf der Wolga noch größer. Wenn wir diese
Zeitspanne ausnützen, sparen wir uns später viel Blut. Ich erwarte deshalb, dass die Führung nochmals mit
aller wiederholt bewiesener Energie und die Truppen nochmals mit dem oft gezeigten Schneid alles einsetzt,
um wenigstens bei der Geschützfabrik und beim Metallurgischen Werk bis zur Wolga durchstoßen und diese
Stadtteile zu nehmen. Luftwaffe und Artillerie müssen alles tun, was in ihren Kräften steht, diesen Angriff
vorzubereiten und zu unterstützen.[243] “
Die Kämpfe im Industriebezirk endeten schließlich durch ein starkes Nachlassen der Kräfte am 18. November 1942,
dokumentiert im Lagebericht des OKH: „Die bei der Lederfabrik [Fabrik im Stalingrader Vorort Kuporosnoje]
eingeschlossenen Feindkräfte wurden bis auf zwei Offiziere und einige gefangen genommenen Soldaten vernichtet.
An der übrigen Front der Heeresgruppe keine besonderen Kampfhandlungen.“[189]
182
Deutscher Angriff auf Stalingrad
183
Fazit
Die vollständige Einnahme Stalingrads scheiterte vermutlich aus
folgenden Gründen:[238]
• deutsche Luft- und Artillerieangriffe zeigten nicht die gewünschte
Wirkung gegen die sowjetische Verteidigungslinie[193]
• Sturmgeschütze als Schwerpunktwaffe ließen sich aufgrund ihrer
Unbeweglichkeit im Häuserkampf kaum nutzen
• die Rote Armee nutzte den Geländevorteil der zerstörten Stadt
effizient, um den Gegner, auf einem ihm unbekannten
Gefechtsterrain, in verlustreiche Häuserkämpfe zu verwickeln, seine
Reserven zu binden und in einer langwierigen Materialschlacht
aufzureiben
• die seit dem Ersten Weltkrieg überholte Taktik, wichtige
Verteidigungsknoten wie zum Beispiel Pawlows Haus im
Ludendorffschen Frontalangriff einnehmen zu wollen, führte zu
zahlreichen unnötigen Menschenverlusten
Lage nach dem Scheitern der vollständigen
Einnahme Stalingrads
• die Infanterie der Wehrmachtsverbände war nicht für den Ortskampf ausgebildet, die Verluste wurden so
wesentlich höher als bei der Planung angenommen und konnten nicht mehr ausgeglichen werden
• die 6. Armee konnte ihre Beweglichkeit in Stalingrad nicht entfalten, ihre Panzerverbände wurden gezielt
ausgeschaltet und der deutschen Infanterie wurde eine ihr bislang unbekannte Kampfpraxis aufgezwungen:
Nahkämpfe, Scharfschützenbeschuss und Nachtangriffe
• das ebenfalls aus dem Ersten Weltkrieg stammende Falkenhaynsche Prinzip, den Gegner im Stellungskrieg
ausbluten zu lassen (s. Schlacht um Verdun) ließ sich in Stalingrad nicht anwenden[212]
• Material- und Personalüberlegenheit der Roten Armee durch Versorgung über die Wolga[244]
Während der Schlacht von Stalingrad wurde die Stoßtrupptaktik[245] von der Sowjetarmee erfolgreich
weiterentwickelt, Wehrmachtsverbände übernahmen diese Kampftechnik erst später während des Angriffs auf das
Stahlwerk Roter Oktober. Zeit war ein bedeutsamer Faktor für die 62. Armee, je länger die Kampfhandlungen trotz
unverhältnismäßig hoher Menschen-[246] und Materialopfer in die Länge gezogen werden konnten, desto größer war
die Wahrscheinlichkeit, Brückenköpfe am westlichen Wolgaufer zu halten.[247] Auf Stellungskrieg und die daraus
resultierenden Nahkämpfe war das LI. Armeekorps nur unzureichend vorbereitet.[248] In den ersten Tagen der
Kampfhandlungen gelang es den deutschen Truppen trotz zahlenmäßiger Überlegenheit lediglich, Stoßkeile durch
Infiltration von MPi-Schützen im Zentrum voranzutreiben, es aber nicht in der Gesamtheit zu nehmen.[249] Neben
den militärischen Besonderheiten des Häuserkampfes spielte die extrem hohe körperliche Belastung und psychischer
Stress eine weitere Rolle für das Scheitern der Einnahme. Die Kämpfe waren nahezu durchgehend geprägt durch
eine dichte räumliche Nähe zum Gegner, permanente Bedrohung durch Scharfschützen, wenig Kampfpausen und
Möglichkeit zur Regeneration durch die angespannte personelle Lage und ein stark erhöhten Lärmpegel infolge von
Artilleriefeuer und Luftangriffen. Hinzu kamen im unübersichtlichen Ortsgelände große Verluste durch friendly fire
und durch die verwischten, asymmetrischen Frontlinien begünstigte Partisanentaktik durch bewaffnete
Zivilbevölkerung und Fabrikarbeiter. Einen Großteil des sowjetischen Erfolges machten außerdem Nachtangriffe
und Nahkämpfe aus, die den Wehrmachtssoldaten auf einem ihn fremden Terrain aufgezwungen wurden.[250]
Letztendlich war es die extreme Härte der Häuserkämpfe und Widerstandsfähigkeit der Sowjetarmee, welche die 6.
Armee vom September bis November 1942 stark abnutzte und somit das Ergebnis der weiteren Kämpfe
vorherbestimmte. Die Operation „Uranus“ traf bei der 6. Armee nur noch auf geringen Widerstand und die
Einschließung der Armee zusammen mit Teilen der 4. Panzerarmee und der 3. rumänischen Armee war die logische
Konsequenz. Obwohl anfänglich eine stabile Kesselfront gehalten werden konnte, führte die sowjetische Operation
„Kolzo“ (dt. Ring) mit ständigen Angriffen in Verbindung mit dem völlig unzureichenden Nachschub aus der Luft
Deutscher Angriff auf Stalingrad
und den Ausfällen durch den immer härter werdenden Winter zur schrittweisen Reduktion des Kessels, an dessen
Ende der Untergang der 6. Armee stand. Hitlers Ansicht, dass jeder Krieg mit den „übrig“ gebliebenen Bataillonen
gewonnen werden kann, welche gegenüber den vermeintlich geschlagenen Resten der Roten Armee den Ausschlag
geben sollten, erwies sich als falsch.[251]
Weblinks
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Private Website mit vielen Materialien zur Schlacht [252]
mehrsprachige Informationsseite über die Stalingrad-Schlacht [253]
niederländische Website über die Stalingrad Schlacht [254]
linking researchers, collectors and gamers to the Stalingrad Battle [255]
offizielle Wolgograd-Website [256]
russische Website Zweiter Weltkrieg [257]
Literatur
Quellen
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D.V. Druzhinin: Zweihundert Tage unter Beschuß, Moskau 1968
Helmuth Groscurth: Tagebücher eines Abwehroffiziers. Stuttgart 1970
S.D. Gluchowski: Lyudnikovs Insel, Moskau 1963
Nikolai Krylow: Stalingradskij Rubez Stalingrad – Die entscheidende Schlacht des Zweiten Weltkriegs,
Pahl-Rugenstein, Köln 1981, ISBN 3-7609-0624-9.
Herbert Selle: Wofür? Erinnerungen eines Führenden Pioniers bis Stalingrad. Vowinkel, Neckargemuend 1977,
ISBN 3-87879-118-6.
Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. 3. Auflage. Militärverlag der DDR, Berlin 1988
(Originaltitel: Сражение века, übersetzt von Arno Specht), ISBN 3-327-00637-7 (auch Verlag Sowjetskaja
Rossija, 1975).
Helmut Welz: Verratene Grenadiere, Dt. Militärverlag Berlin, 1967.
Hans Wijers (Hrsg.): Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November
1942, Augenzeugen berichten. Eigenverlag, Brummen 2001.
Sekundärliteratur
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New York 2003, ISBN 0-89141-781-8.
• Peter Antill: Stalingrad 1942 (Campaign). Osprey Publishing, Oxford 2007, ISBN 978-1-84603-028-4.
• Antony Beevor: Stalingrad. Orbis-Verlag, Niedernhausen 2002 (übersetzt von Klaus Kochmann), ISBN
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• Paul Carell: Unternehmen Barbarossa, Der Marsch nach Russland, Ullstein Verlag, Frankfurt, Berlin, Wien,
1963
• Raymond Cartier: Der Zweite Weltkrieg. Bd. 2 1942–1944, Lingen Verlag, Köln 1967 (Originaltitel: La Seconde
guerre mondiale, übersetzt von Max Harriès-Kester).
• Alan Clark: Barbarossa: The Russian-German Conflict, 1951–1945. New York, 1965, William Morrow, ISBN
0-688-04268-6.
• William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. 8. Auflage. Heyne, München 1991
(Originaltitel: Enemy at the gates, übersetzt von Ursula Gmelin und Heinrich Graf von Einsiedel), ISBN
3-453-00787-5.
184
Deutscher Angriff auf Stalingrad
• Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. tosa, Wien 2006, ISBN
3-902478-62-4.
• David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City - Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and
Operational Maps, Part 1: The Fight for Stalingrad’s Suburbs, Center City, and Factory Villages. 3 September 13 October 1942, in: The Journal of Slavic Military Studies, Bd.21, (2008), Heft 1, S. 146–238.
• David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City: Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and
Operational and Tactical Maps. Part 2: The Fight for Stalingrad’s Factory District-14 October–18 November
1942, The Journal of Slavic Military Studies, 1556-3006, Band 21 (2008), Heft 2, S. 377–471
• David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2).
University of Kansas Press, Lawrence 2009, ISBN 978-0-7006-1664-0.
• Wilhelm Graf: Grundsätze und Erfahrungen des Ortskampfes von Panzern und Panzergrenadieren, dargestellt
am Beispiel des Einsatzes der 24. Panzer-Division in Stalingrad in den Monaten September und Oktober 1942,
1969
• Haller (Hrsg.): Liutenant General Karl Strecker. Westport (Conn.), 1994
• Lothar von Heinemann: Der Kampf um die Einnahme Stalingrads (letzte Phase Herbst 1942), 1956 in
Studiengruppe VI 4dd Stalingrad 1942/43 (Lw 170/92)
• Michael Jones: How the Red Army triumphed, Pen and Sword, 2010, ISBN 978-1-84884-201-4.
• Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. In: Beiträge zur Militär- und
Kriegsgeschichte. 3. Auflage. Bd. 15, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979, ISBN 3-421-01653-4.
• Walter Kerr The Russian Army - Its Men, its Leaders and its Battles, Alfred A. Knopf, New York 1944.
(Online-Version [258])
• Guido Knopp: Stalingrad. Das Drama. Goldmann, München 2006, ISBN 3-442-15372-7.
• Jason D. Mark: Island of Fire: The Battle for the Barrikady Gun Factory in Stalingrad. Leaping Horseman
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• William T. McCroden: The Organization of the German Army in World War II, Army Groups, Armies, Corps,
Divisions, and Combat Groups, in five volumes, draft manuscript, undated and unpublished
• Herbert Selle: Die Tragödie von Stalingrad: Eine Darstellung von militärischer Seite mit einer Kartenbeilage.
Verlag Das Andere Deutschland, Hannover 1947.
• Stalingrad Battle Encyclopedia, June 1942- February 1943, Publishing House “Volgograd” 2008.
• P. N. Pospelov, Hans Gossens (Hrsg.), Geschichte des Grossen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion,
Deutscher Militärverlag (Berlin), 1962
Divisionsgeschichten
• Arbeitsgemeinschaft Das Kleeblatt: Die 71. Infanterie-Division 1939–1945: Gefechts- und Erlebnisberichte aus
den Kämpfen der "Glückhaften Division". 1. Auflage, Verlag Dörfler, Eggolsheim 2006, ISBN 3-89555-363-8.
• Jason D. Mark, Death of the Leaping Horseman: 24. Panzer-Division in Stalingrad, Leaping Horseman, Pymble,
Australia 2003. ISBN 978-0-9751076-0-7.
• Rolf Grams: Die 14. Panzer-Division, 1940–45, Bad Nauheim, 1957
• Wolfgang Kirstein: "Chronik 295. Inf.Div. „Rekonstruktion eines Tage-Buches“,
• Wolfgang Werthen: Geschichte der 16. Panzer-Division 1939–1945, Bad Nauheim 1958
• Zentralarchiv der Pioniere: Deutsche Pioniere 1939–1945, Eine Dokumentation in Bildern. Vowinckel,
Neckargemünd 1970, ISBN 3-87879-108-9.
185
Deutscher Angriff auf Stalingrad
Einzelnachweise
[1] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, ISBN 978-0-7006-1664-0 S.716
[2] Peter Antill: Stalingrad 1942. Osprey Publishing, Oxford 2007.
[3] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, Vorwort
[4] Stalingrad: Wendepunkt des Krieges. In: Der Spiegel. Nr. 5, 1983, S. 36–57 ( Online (http:/ / www. spiegel. de/ spiegel/ print/ d-14018104.
html)).
[5] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 25
[6] Raymond Cartier: Der Zweite Weltkrieg. Bd. 2 1942–1944. Lingen Verlag, Köln 1967, S. 573
[7] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 16
[8] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 32
[9] Raymond Cartier: Der Zweite Weltkrieg. Bd. 2 1942–1944. Lingen Verlag, Köln 1967, S. 576
[10] Raymond Cartier: Der Zweite Weltkrieg. Bd. 2 1942–1944. Lingen Verlag, Köln 1967, S. 575
[11] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 125
[12] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 110
[13] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 12
[14] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 32
[15] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 33
[16] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 114f
[17] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 302ff
[18] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 88
[19] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 80, 101
[20] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 11
[21] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 36
[22] Vgl. Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Berlin (Ost) 1975, S. 95
[23] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 132
[24] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, Vorwort
[25] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 28-31
[26] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 157
[27] Mannschaftsstärke 62. Armee: 54.000, 64. Armee: 36.000 und 6. Armee: 170.000; in David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and Operational Maps, Part 1: The Fight for Stalingrad’s Suburbs, Center City, and
Factory Villages, 3 September - 13 October 1942. 2008, S. 175
[28] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 26-28
[29] Combat Studies Institute: Urban Operations: An Historical Casebook. (http:/ / www. globalsecurity. org/ military/ library/ report/ 2002/
urbanoperationsintro. htm) Command & General Staff College: Fort Leavenworth/Kansas 2002.
[30] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 164
[31] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 55
[32] Luftangriffe fanden zumeist nur bei klarem Wetter und guter Sicht statt und nahmen im Herbst 1942 bei Wintereinbruch stark ab.
[33] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 166–167
[34] ZDF Dokumentarfilm „Stalingrad“ von Christian Klemke, 2002
[35] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 97
[36] russland-reisen.suite101.de: Wolgograd – Stalingrad erkunden: Stadt an der Wolga und Mahnmal der Geschichte (http:/ / russland-reisen.
suite101. de/ article. cfm/ wolgograd_stalingrad_erkunden#ixzz0mpzjnRBA), Zugriff am 12. Mai 2010
[37] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 96
[38] dradio.de: Deutschlandfunk - Feldpostbriefe aus Stalingrad - Die Tücken des Winters (http:/ / www. dradio. de/ dlf/ sendungen/
stalingrad-feldpost/ 348519/ ), Zugriff am 12. Mai 2010
[39] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 34
[40] Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 35
[41] Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 37
[42] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 24
[43] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 158
[44] Arbeitsgemeinschaft Das Kleeblatt: Die 71. Infanterie-Division, 1939–1945. Hildesheim 1973, S. 237
[45] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 121
[46] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 161
186
Deutscher Angriff auf Stalingrad
[47] Arbeitsgemeinschaft Das Kleeblatt: Die 71. Infanterie-Division, 1939–1945. Hildesheim 1973, S. 240f
[48] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 136
[49] Peter Antill: Stalingrad 1942. Osprey Publishing, Oxford 2007, S. 55
[50] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 127
[51] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 123
[52] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 87
[53] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 89
[54] Die Soldaten der 13. GSD waren weitgehend kampfunerfahren, nach langem Marsch ermüdet, schlecht ausgerüstet und hatten keine exakten
Karten über die Lage der strategisch wichtigen Gebäude Stalingrads. Die schwere Ausrüstung wurde im Verfügungsraum am östlichen
Wolgaufer zurückgelassen, so dass sie von Tschuikow mit Gewehren, Maschinengewehren, Panzerbüchsen, Mörsern und Granaten notdürftig
ausgestattet werden mussten. Sie hatten wenig Munition und nur 1000 Soldaten waren überhaupt mit Gewehren ausgestattet. Jedes Bataillon,
das über die Wolga verschifft wurde, wurde unmittelbar und kaum vorbereitet in die Schlacht geworfen, die an Härte von Tag zu Tag zunahm.
Aus Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. 1975, S. 123f
[55] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 90
[56] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 131–136
[57] volfoto.ru: Волгоград: Музей-панорама «Сталинградская битва» - Руины мельницы (http:/ / www. volfoto. ru/ volgograd/ panorama/
melnitsa/ ), Zugriff am 12. Mai 2010
[58] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 128
[59] feldpost.mzv.net: Daten „Operation Blau“ – Sommeroffensive 1942 (http:/ / feldpost. mzv. net/ Daten/ Daten1/ body_daten1. html), Zugriff
am 12. Mai 2010
[60] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 92
[61] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 95f
[62] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 140
[63] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 155
[64] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 155ff
[65] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 97f
[66] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 136
[67] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 113
[68] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 131–134
[69] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 135
[70] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 142
[71] Arbeitsgemeinschaft Das Kleeblatt: Die 71. Infanterie-Division, 1939–1945. Hildesheim 1973, S. 246
[72] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 310
[73] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 313
[74] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 335
[75] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 159
[76] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 102f
[77] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 321
[78] Nikolai Krylow: Stalingrad – Die entscheidende Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Köln 1981, S. 183
[79] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 166
[80] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 165
[81] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 154
[82] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 105
[83] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 58
[84] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 112
[85] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 197
[86] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 62
[87] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 129
[88] Karl Ziemke: Stalingrad to Berlin: The German Defeat in the East. Washington 1987, S. 79–80
[89] V.O./OKH b. AOK 6: Bericht über eine Fahrt nach Stalingrad. A.H. Wu. 25.9.42 in Urban Operations: An Historical Casebook.
[90] Kölner Stadtanzeiger vom 29. Januar 2003
[91] Helmut Lüder: Stalingrad, ein deutsch-russisches Trauma (http:/ / www. stadt-badlauterberg. de/ pics/ medien/ 1_1228227334/
rund-um-12-2008. pdf). S. 3ff., abgerufen am 12. Mai 2010 (PDF).
[92] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 131
[93] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 130
187
Deutscher Angriff auf Stalingrad
[94] David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City - Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and Operational Maps, Part
1: The Fight for Stalingrad’s Suburbs, Center City, and Factory Villages. 3 September - 13 October 1942. S. 190
[95] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 108
[96] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 119
[97] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 160
[98] Nach Angaben Tschukows war es das 39. GSR, vgl. Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der
DDR, Berlin 1988, S. 130
[99] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 139
[100] Unterschiedliche Datumsangaben der Autoren.
[101] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 139
[102] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 199–200
[103] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 235
[104] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 255, S. 259
[105] The Mamayev Hill. 60 Years ago (http:/ / web. archive. org/ web/ 20030111151308/ http:/ / www. vor. ru/ 55/ Stalingrad/ 8_eng. html)
(englisch). The Voice of Russia. Archiviert vom Original (http://www.vor.ru/55/Stalingrad/8_eng.html) am 11. Januar 2003. Abgerufen
am 11. Mai 2010.
[106] Battle of Stalingrad (http:/ / ww2db. com/ battle_spec. php?battle_id=3) (englisch). ww2db.com. World War II Database. Abgerufen am
11. Mai 2010. „At Mamayev Kurgan hill, a Russian counterattack took control of the hill after suffering 10,000 casualties in one day“
[107] Es hatte die Höhe eines 22 stöckigen Hauses gem. ВОРОШИЛОВСКИЙ РАЙОН (http:/ / web. archive. org/ web/ 20070702013852/ http:/
/ www. areavol. by. ru/ ra_vor. shtm). Archiviert vom Original (http:/ / www. areavol. by. ru/ ra_vor. shtm) am 7. Februar 2007. Abgerufen
am 11. Mai 2010..
[108] vectorsite.net: Germans Resurgent (http:/ / www. vectorsite. net/ twsnow_07. html), Zugriff am 12. Mai 2010
[109] stalingrad-info.com: Stalingrad 1942–43 (http:/ / www. stalingrad-info. com/ stalingrad1942german. htm), Zugriff am 12. Mai 2010
[110] David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City - Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and Operational Maps, Part
1: The Fight for Stalingrad’s Suburbs, Center City, and Factory Villages. 3 September - 13 October 1942. S. 177
[111] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 96f
[112] columbia.edu: Battle of Stalingrad (http:/ / www. columbia. edu/ ~lnp3/ mydocs/ fascism_and_war/ Stalingrad. htm), Zugriff am 12. Mai
2010
[113] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 145
[114] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 151
[115] Janusz Piekałkiewicz: Stalingrad. Anatomie einer Schlacht. Heyne, München 1993, S. 234
[116] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 134
[117] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 163–165
[118] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 97
[119] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 132
[120] Nikolai Krylow: Stalingrad – Die entscheidende Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Köln 1981, S. 162
[121] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 135
[122] Basierend auf Kriegtagebüchern von Wilhelm Hoffmann/IR 267 → usswashington.com: World War 2 Plus 55 (http:/ / usswashington.
com/ worldwar2plus55/ dl13se42. htm), Zugriff am 12. Mai 2010
[123] Stalingrad: Decisive Battle of Eastern Front, 8/11/42 – 3/2/43 (http:/ / www. history. neu. edu/ ugrad/ stalingrad/ stalingrad. swf) (Flash).
Abgerufen am 11. Mai 2010.
[124] Paul Carell: Unternehmen Barbarossa, Der Marsch nach Russland, Ullstein Verlag, Frankfurt, Berlin, Wien, 1963, S. 498, 501
[125] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 74
[126] Die Schlacht um Stalingrad 1942 (http:/ / web. archive. org/ web/ 20080621120209/ http:/ / www. maraba. de/ Gedseite/ kriegwid/
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[127] historisches-tonarchiv.de: Der Schauplatz des Todes im Osten (http:/ / www. historisches-tonarchiv. de/ STALINGRAD/
stalingrad-schauplatz. htm), Zugriff am 12. Mai 2010
[128] Nikolai Krylow: Stalingrad – Die entscheidende Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Köln 1981, S. 50 u. 84
[129] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 113
[130] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 116
[131] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 118
188
Deutscher Angriff auf Stalingrad
[132] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 124
[133] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 130
[134] David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City - Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and Operational Maps, Part
1: The Fight for Stalingrad’s Suburbs, Center City, and Factory Villages. 3 September - 13 October 1942. S. 223
[135] John Erickson: The Road to Stalingrad: Stalin’s war with Germany. London 1993, S.?
[136] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 316
[137] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 319
[138] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 321–322
[139] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 325–329
[140] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 83
[141] David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City - Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and Operational Maps, Part
1: The Fight for Stalingrad’s Suburbs, Center City, and Factory Villages. 3 September - 13 October 1942. S. 197–225
[142] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 289
[143] Nikolai Krylow: Stalingrad – Die entscheidende Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Köln 1981, S. 213
[144] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 122
[145] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 199ff
[146] J. Bowyer Bell: Besieged – Seven Cities under Siege. Transaction Publishers, New Jersey, 2006, S. 134
[147] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 200
[148] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 202
[149] http://www.62vgd.com/RK_Mannschaften.htm (Link nicht mehr abrufbar)
[150] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 203–205
[151] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 82
[152] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 225
[153] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 37
[154] Fußballverein Stalingrads, von Mitgliedern der Stalingrader Traktorenwerke gegründet.
[155] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 87
[156] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 89
[157] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 88
[158] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 219
[159] realeconomy.ru: Волгоградский тракторный завод (http:/ / www. realeconomy. ru/ 219/ 286/ 3604/ index. shtml), Zugriff am 12. Mai
2010
[160] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 226
[161] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 11
[162] Angriffsgliederung LI A.K. in Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November
1942. Brummen 2001, S. 9
[163] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 12
[164] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 222
[165] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 18f
[166] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 126
[167] Rolf Grams: Die 14. Panzer-Division 1940–1945. S. 54
[168] Hans Doerr: Der Feldzug nach Stalingrad. S. 54
[169] Kriegstagebuch KTB der 62. Armee in Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19.
November 1942. Brummen 2001, S. 26
[170] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 235
[171] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 228f
[172] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 228
[173] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 224
[174] KTB General Tschuikow, 62.Armee "Der 15. Oktober 1942" in Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände,
14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 30
[175] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 38
[176] Oberleutnant Alfred von Habsburg zu Hohenberg, PiBtl. 389 in Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände,
14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 28
[177] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 234
[178] Maj. V. Velitschko: The 62nd Army, in USSR, Stalingrad. S. 149
189
Deutscher Angriff auf Stalingrad
[179] volfoto.ru: Волгоград (http:/ / www. volfoto. ru/ volgograd/ ), Zugriff am 12. Mai 2010
[180] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 231
[181] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 164f
[182] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 232
[183] Pospelow: Geschichte des Grossen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion. Berlin 1962, S. 527
[184] Will Fowler: Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942. Wien 2006, S. 113
[185] Haller: Lieutenant General Karl Strecker. Westport 1994, S. 90
[186] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 67
[187] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 66
[188] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 132
[189] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 173
[190] David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City: Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and Operational and Tactical
Maps. Part 2: The Fight for Stalingrad’s Factory District-14 October–18 November 1942. S.468
[191] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 89
[192] Befehl LI. Korps in Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942.
Brummen 2001, S. 72f
[193] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 39
[194] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 114
[195] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 81f
[196] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 84
[197] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 90f
[198] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 95
[199] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 472–473
[200] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 481–483
[201] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 698
[202] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 110f
[203] Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press, Lawrence 2009,
S. 488–490
[204] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 117
[205] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 495–496
[206] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 498
[207] KTB 62. Armee in Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942.
Brummen 2001, S. 137
[208] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 518
[209] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 141
[210] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 277
[211] David M. Glantz: Armageddon in Stalingrad: September-November 1942 (The Stalingrad Trilogy, Volume 2). University of Kansas Press,
Lawrence 2009, S. 520–521
[212] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 40
[213] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 267
[214] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 234 aus W.A. Boelcke: „Wollt Ihr den totalen Krieg?“, Die Geheimen
Goebbels-Konferenzen. Stuttgart, 1967, S. 384
[215] KTB AOK 6, BA-MA, RH20-6/221 in Anthony Beevor: Stalingrad. 2002, S. 248f
[216] Zitat bei M. Domarus: Hitler – Reden und Proklamationen, 1932–1945. Bd. 2, Würzburg 1962, S. 1937f
[217] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 143
[218] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 41
[219] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 253
[220] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 164
[221] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 42
[222] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 143
[223] Helmut Welz: Verratene Grenadiere. Berlin 1973, S. 49–79
[224] Lt. Baricevic in Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen
2001, S. 133
190
Deutscher Angriff auf Stalingrad
[225] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 278
[226] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 144
[227] Nachlass Grossmann, RGALI 618/2/108 in Anthony Beevor: Stalingrad. 2002, S. 251
[228] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 43
[229] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 258 u. 260
[230] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 261
[231] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 195
[232] William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. Heyne, München 1991, S. 145
[233] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 170
[234] Hans Wijers: Der Kampf um Stalingrad, die Kämpfe im Industriegelände, 14. Oktober bis 19. November 1942. Brummen 2001, S. 173
[235] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 271
[236] Wassili Iwanowitsch Tschuikow: Die Schlacht des Jahrhunderts. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 152
[237] Antony Beevor: Stalingrad. Niedernhausen 2002, S. 254
[238] Manfred Kehrig: Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht. Stuttgart 1979, S. 44
[239] Guido Knopp: Stalingrad – Das Drama. München 2006, S. 171
[240] volfoto.ru: Волгоград: Баррикады - Остров Людникова (http:/ / www. volfoto. ru/ volgograd/ barrikadi/ ostrov_ludnikova/ ), Zugriff am
12. Mai 2010
[241] David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City: Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and Operational and Tactical
Maps. Part 2: The Fight for Stalingrad’s Factory District-14 October–18 November 1942. 2008, S. 460ff
[242] STALINGRAD CHRONICLES: DECEMBER 1942 (http:/ / web. archive. org/ web/ 20050318020615/ http:/ / www. vor. ru/ 55/ Stalingrad/
chron-6-eng. html). The Voice of Russia. Archiviert vom Original (http:/ / www. vor. ru/ 55/ Stalingrad/ chron-6-eng. html) am 18. März 2005.
Abgerufen am 11. Mai 2010.
[243] David M. Glantz: The Struggle for Stalingrad City: Opposing Orders of Battle, Combat Orders and Reports, and Operational and Tactical
Maps. Part 2: The Fight for Stalingrad’s Factory District-14 October–18 November 1942. 2008, S. 465f
[244] US-Nachschub an Rüstungsgütern in die UdSSR seit 1941 in Raymond Cartier: Der Zweite Weltkrieg. Bd. 2 1942–1944. Lingen Verlag,
Köln 1967, S. 585
[245] „The degeneration of urban warfare into a series of small-group—or even of individual-battles was evident in operations as different as
Stalingrad, Hue and Beirut. The nature of cities themselves is responsible for this fragmentation process. As battles wear on, the streets and
building blocks of the urban physical morphology fragment urban warfare into conflict between units usually of squad or platoon size, with
generally insufficient space for the deployment and maneuvering of larger units. The battle rapidly disintegrates into a series of more or less
separate and isolated conflicts around such ‚fortresses‘.“ Abschnitt „Small-Unit Operations“ in: U.S. Army FM 3-06.11 - COMBINED ARMS
OPERATIONS IN URBAN TERRAIN, APPENDIX H: LESSONS LEARNED FROM MODERN URBAN COMBAT (http:/ / www. inetres. com/
gp/ military/ FM3-06_11H. html)
[246] Die Lebenserwartung der Rotarmisten betrug häufig weniger als 24 Stunden: „… masses of Russian soldiers (whose life expectancy was
less than 24 hours) …“, in: Military History Podcast: Urban Warfare at Stalingrad (http:/ / militaryhistorypodcast. blogspot. com/ 2006/ 04/
urban-warfare-at-stalingrad. html)
[247] „During urban operations time is a critical factor, and a problem with the campaign for the Germans was how the Soviets perceived time.
The Germans wanted to quickly accomplish their objectives, but the Soviet defenders were more interested in dragging the conflict out as long
as they could to whittle the Germans down both physically and psychologically.“ In Eric Mailman: Urban operations: learning from past
battles (http:/ / findarticles. com/ p/ articles/ mi_m0IAV/ is_2_97/ ai_n25436315/ ), Infantry Magazine, März/April 2008.
[248] Nikolai Krylow: Stalingrad – Die entscheidende Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Köln 1981, S. 141
[249] Nikolai Krylow: Stalingrad – Die entscheidende Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Köln 1981, S. 142, 150f
[250] Abschnitt „Urban Warfare“ in: U.S. Army FM 3-06.11 - COMBINED ARMS OPERATIONS IN URBAN TERRAIN, APPENDIX H:
LESSONS LEARNED FROM MODERN URBAN COMBAT (http:/ / www. inetres. com/ gp/ military/ FM3-06_11H. html)
[251] Raymond Cartier: Der Zweite Weltkrieg. Bd. 2 1942–1944. Lingen Verlag, Köln 1967, S. 659
[252] http:/ / feldpost. mzv. net/ Truppen-neu/ XI_AK/ 16_PD/ 24_PD/ 24pd24_pd. html
[253] http:/ / www. stalingrad-info. com/
[254] http:/ / www. stalingradbattle. nl/
[255] http:/ / www. fireonthevolga. com/
[256] http:/ / www. volfoto. ru/ volgograd/ panorama/
[257] http:/ / www. world-war. ru/
[258] http:/ / www. archive. org/ stream/ russianarmyitsme012597mbp/ russianarmyitsme012597mbp_djvu. txt
[30] [219]
[6] [10]
[18] [55] [118] [132] [166] [232]
[134]
[3] [175] [193] [212] [218] [221] [228] [238]
191
Deutscher Angriff auf Stalingrad
[189]
[49]
[50] [58] [93] [116] [121] [210] [17]
[161] [163] [169] [198] [202] [209] [220]
192
193
Japans Ansturm im Pazifik
Angriff auf Pearl Harbor
Angriff auf Pearl Harbor
Teil von: Zweiter Weltkrieg, Pazifikkrieg
Karte von Oʻahu mit den japanischen Anflugspfaden
Datum
7. Dezember 1941
Ort
Pearl Harbor, Oʻahu /
Hawaiʻi
Ausgang
Japanischer Sieg
Konfliktparteien
USA
Japan
Befehlshaber
Husband E. Kimmel Yamamoto Isoroku (Admiral), Nagumo Chūichi (Vizeadmiral)
(Marine)
Walter C. Short
(Armee)
Truppenstärke
8 Schlachtschiffe
8 Kreuzer
29 Zerstörer
9 U-Boote
391
Kampfflugzeuge
6 Flugzeugträger
2 Schlachtschiffe
3 Kreuzer
9 Zerstörer
6 U-Boote
441 Kampfflugzeuge
Verluste
Angriff auf Pearl Harbor
194
5 gesunkene
Schlachtschiffe
3 Schlachtschiffe,
3 Kreuzer und
3 Zerstörer
beschädigt
188 zerstörte
Kampfflugzeuge
155 beschädigte
Kampfflugzeuge
2.403 Tote
1.178 Verletzte
29 zerstörte
Kampfflugzeuge
5 gesunkene U-Boote
1 Gefangener
61 Tote
Überblick - Pazifikkrieg
Der Angriff auf Pearl Harbor, auch bekannt als Überfall auf Pearl Harbor, war der Luftangriff der japanischen
Flotte auf die in Pearl Harbor auf Oʻahu, Hawaii vor Anker liegende amerikanische Pazifikflotte am 7. Dezember
1941.
Der Angriff wird als ein entscheidender Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg angesehen, weil er der Auslöser für den
Kriegseintritt der USA war, die sich zwar zuvor schon durch beträchtliche materielle Unterstützung Großbritanniens
und der UdSSR indirekt am Krieg beteiligt (Lend-Lease), aber formal als neutral gegolten hatten. Durch den
Überraschungsangriff, der ohne vorherige Kriegserklärung erfolgte, wurde ein Großteil der amerikanischen
Schlachtflotte ausgeschaltet, wodurch die japanische Flotte für mehrere Monate die absolute Überlegenheit im
Pazifikraum besaß. Gleichzeitig mit dem Angriff begann die japanische Offensive gegen die britischen und
niederländischen Kolonien in Südostasien, womit der Zweite Weltkrieg sich zu einem auch tatsächlich global
geführten Krieg ausweitete. Zusätzlich wird der Angriff auf Pearl Harbor oft als die Schlacht angesehen, in der der
Flugzeugträger das Schlachtschiff als dominierendes Element des Seekrieges ablöste.
Obwohl der Angriff den USA eine erhebliche militärische Schwächung zufügte, erwiesen sich seine langfristigen
Folgen als fatal für Japan. Durch den in den USA als „heimtückisch“ aufgefassten Angriff gelang es der
amerikanischen Regierung, die bis dahin größtenteils pazifistisch und isolationistisch eingestellte US-Bevölkerung
für den Kriegseintritt auf Seiten der Alliierten zu mobilisieren, was aufgrund des enormen amerikanischen
Industriepotentials die Entscheidung zu deren Gunsten herbeiführte. Der Name Pearl Harbor gilt heute in den USA
als Synonym für einen ohne jede Vorwarnung erfolgten vernichtenden Angriff.
Aufgrund der stark pro-alliierten Einstellung der amerikanischen Regierung, die schon längere Zeit die Alliierten mit
allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützte und dabei auch Zusammenstöße der US-Marine mit
deutschen U-Booten im Atlantik provozierte, gibt es zu den Ereignissen zahlreiche Verschwörungstheorien. Kritiker
werfen der US-Regierung vor, sie habe den Angriff durch ihre Politik und die Stationierung der Flotte auf Hawaii
gezielt provoziert, bzw. sie habe vorher von dem Angriff erfahren und die Pazifikflotte absichtlich nicht gewarnt, um
den Kriegseintritt der USA herbeizuführen.
Die amerikanisch-japanischen Beziehungen vor Pearl Harbor
Seit 1937 führte Japan in China den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg. Die Vereinigten Staaten waren anfangs
neutral, jedoch änderte sich ihre Haltung in den folgenden Jahren aufgrund des Panay-Vorfalls sowie sich häufender
Berichte über japanische Gräueltaten wie zum Beispiel das Massaker von Nanking zugunsten Chinas. So
unterstützten die USA China in zunehmendem Maße mit Materiallieferungen und einem (formal
nicht-amerikanischen) Jagdgeschwader aus Freiwilligen. Ferner warnten die USA Anfang 1940 Japan davor, in
Französisch-Indochina einzumarschieren, und verlegten demonstrativ ihre Pazifikflotte aus ihrer Heimatbasis San
Diego an der Westküste nach Pearl Harbor auf den Hawaiʻi-Inseln. Als Japan im Juli 1940 trotz amerikanischer
Warnung Truppen in Indochina stationierte, schränkte die amerikanische Regierung unter Präsident Franklin D.
Angriff auf Pearl Harbor
Roosevelt im September 1940 den amerikanischen Export von Erdöl und Stahl nach Japan ein (damals bezog Japan
80 % seines Erdöls aus den USA). Nachdem dies nicht die gewünschte Wirkung hatte und Japan im Juli 1941
weitere Truppen in Indochina stationierte, verhängten die USA am 25. Juli 1941 ein vollständiges Öl-Embargo
gegen Japan und froren alle japanischen Guthaben ein. Da sich Großbritannien und Niederländisch-Indien diesem
Schritt anschlossen, verlor Japan 75 % seines Außenhandels und 90 % seiner Öl-Importe[1] .
Ohne die Öl-Importe reichten Japans Reserven für Industrie und Militär nur für wenige Monate, daher musste die
japanische Führung unter Premierminister Hideki Tōjō innerhalb dieser Zeit die Ölzufuhr wiederherstellen, wenn sie
den Zusammenbruch des Reiches verhindern wollte. Dazu sah sie nur zwei Möglichkeiten:
• entweder erreichte Japan eine Aufhebung des Embargos durch Verhandlungen mit Washington als Gegenleistung
für japanische Konzessionen
oder
• Japan stellte seine Versorgung mit Öl und anderen knappen Ressourcen durch Inbesitznahme der rohstoffreichen
südostasiatischen Kolonien Großbritanniens und der Niederlande gewaltsam sicher[2] .
Die Mehrheit der japanischen Führung hielt eine Einigung mit den USA, zu akzeptablen Bedingungen für Japan, für
unwahrscheinlich. Außerdem würde Japan auch bei einer Einigung weiterhin von ausländischen Rohstoffen
abhängig sein. Die Konsequenzen dieser Abhängigkeit waren akut. Japan nahm dennoch Verhandlungen mit der
amerikanischen Regierung auf, die schließlich am 26. November 1941 zur Hull-Note führten. Diese wurde von
Premierminister Tōjō und dem japanischen Kabinett als Ultimatum aufgefasst[3] .
Währenddessen bereitete das Militär den Angriff auf die britischen und holländischen Kolonien im Süden vor. Aus
Sicht Japans war die Gelegenheit günstig, da die Niederlande über keine nennenswerten Streitkräfte verfügten und
Großbritanniens Kräfte wegen des Krieges in Europa gebunden waren. Zudem war Japan durch den
Automedon-Vorfall in den Besitz der streng geheimen strategischen Direktiven des britischen Generalstabs für
Fernost gekommen. Diese enthielten nicht nur eine detaillierte Analyse der vorhandenen britischen Streitkräfte in
Asien und der geplanten Strategien im Kriegsfall, sondern auch die besonders wertvollen Informationen, inwiefern
Großbritannien gewillt war, Kräfte von anderen Fronten nach Asien zu verlegen. Dadurch war das japanische
Oberkommando besser über die britische Verwundbarkeit informiert als die meisten britischen Befehlshaber.
Allerdings lagen zwischen Japan und den zu erobernden Rohstoffen immer noch die Philippinen, die zu diesem
Zeitpunkt eine halbautonome Kolonie der USA waren. Von dort aus wären die USA in der Lage gewesen, im Falle
eines Krieges mit Japan die Transportwege zwischen den Rohstoffen in Südostasien und der japanischen Industrie zu
unterbrechen. Ein Kriegseintritt der USA als Folge des japanischen Angriffs in Südostasien war durch den in der
amerikanischen Bevölkerung vorherrschenden Isolationismus und Pazifismus zwar äußerst unwahrscheinlich, jedoch
hielten viele japanische Militärs aufgrund der amerikanischen Politik der vorangegangenen Jahre einen Konflikt
letztendlich für unvermeidlich und forderten daher die Besetzung der Philippinen als Teil der Offensive. Sie
verwiesen darauf, dass sowohl die Philippinen als auch andere im Westpazifik gelegene amerikanische Besitzungen
wie Guam und Wake nur schwach verteidigt waren (so verfügte die Asienflotte der US-Navy lediglich über drei
Kreuzer und 13 veraltete Zerstörer), sich dieses jedoch schnell ändern könne. Ferner hatten die USA nach dem
Ausbruch des Krieges in Europa mit einem massiven Ausbau ihrer Flotte begonnen, zu dem auch zehn
Schlachtschiffe der South-Dakota- und Iowa-Klassen sowie neun große Flugzeugträger der Essex-Klasse gehörten.
Allein diese im Bau befindlichen Einheiten bildeten eine Flotte, die stärker war als die gesamte in 30 Jahren
aufgebaute japanische Flotte. Ferner konnte Japan 1941 darauf hoffen, dass der Krieg in Europa einen Teil der
amerikanischen Ressourcen binden würde. Zu einem späteren Zeitpunkt würde es alleine kämpfen müssen.
Demgegenüber stand eine kleinere Gruppe von Offizieren und Politikern, die vor einem Krieg mit den USA warnten.
Sie verwiesen auf die enorme industrielle Leistungskraft der USA, die nicht nur diese riesige Flotte bauten, sondern
gleichzeitig riesige Mengen an Rüstungsgütern für Großbritannien und die Sowjetunion produzierten (vgl. Leih- und
Pachtgesetz), ohne dass dies zu Einschränkungen in der Produktion von zivilen Konsumgütern führte. So waren in
den Vereinigten Staaten 1940 etwa 4,5 Mio. Lastwagen gebaut worden, in Japan lediglich 48000.[4] Einer der
195
Angriff auf Pearl Harbor
196
prominentesten Gegner eines Krieges mit den USA war Admiral Yamamoto Isoroku, Oberbefehlshaber der
japanischen Flotte und ehemaliger japanischer Marineattaché in Washington. Über die Aussicht, einen solchen Krieg
zu gewinnen, sagte er: „Bekomme ich Befehl, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen Krieg zu führen, so werde ich
6 Monate oder 1 Jahr lang wild um mich schlagen. Sollte der Krieg aber ein zweites oder drittes Jahr dauern, sehe
ich äußerst schwarz!“[5] . Dass der Krieg innerhalb eines Jahres gewonnen werden könne, glaubte niemand. Dennoch
entschied sich die japanische Führung Ende November 1941 endgültig zum Krieg gegen die Vereinigten Staaten.
In Washington wurden die diplomatischen Verhandlungen zum Schein noch bis zum Morgen des 7. Dezember
weitergeführt. Am 6. Dezember begann Tokio, der japanischen Botschaft in Washington eine Note in 14 Teilen zu
übermitteln, die dem amerikanischen Außenminister Punkt 13.00 Uhr Washingtoner Zeit (30 Minuten vor dem
geplanten Angriffsbeginn) übergeben werden sollte. Mit dieser Note teilte Japan den USA offiziell mit, dass man auf
Grund der Haltung der US-Regierung keinen Sinn in weiteren Verhandlungen sähe und diese daher abbreche. Die
Note enthielt aber entgegen heute weit verbreiteter Meinung keine Kriegserklärung Japans[6] . Der entscheidende 14.
Teil, der den Abbruch der Verhandlungen enthielt, wurde erst in der Nacht zum 7. Dezember geschickt. Obwohl die
Note schon von Tokio ins Englische übersetzt worden war und nur noch entschlüsselt werden musste, dauerte das
Vorbereiten der Note zu lange. Dies lag zu einem guten Teil daran, dass der übernächtigte Botschaftsmitarbeiter, der
den Text nach der Entschlüsselung noch einmal mit der Schreibmaschine abtippen musste, am Anfang so viele
Tippfehler machte, dass er sich schließlich entschloss, die ersten Seiten wegzuwerfen und sie noch einmal neu zu
schreiben. Aber auch das Entschlüsseln dauerte länger als von Tokio erwartet. Dadurch wurde die Note erst mehrere
Stunden nach dem Angriff überreicht [7] .
Die US-Pazifikflotte
In der Vorkriegszeit war die Pazifikflotte immer erheblich stärker
gewesen als die Atlantikflotte. Nach dem Washingtoner Flottenvertrag
von 1922 durften die USA 15 Schlachtschiffe und 6 Flugzeugträger
besitzen, von diesen waren der Pazifikflotte 12 Schlachtschiffe und 4
Träger zugeordnet. Dabei handelte es sich auch um die
schlagkräftigsten Schiffe, die drei Schlachtschiffe der Atlantikflotte
(Arkansas, New York, Texas) waren die ältesten der Flotte. Der Grund
für diese einseitige Verteilung war, dass im Pazifik mit Japan ein
potenzieller Feind über die drittgrößte Flotte der Welt verfügte,
während die größten Flotten im Atlantik Großbritannien und
Frankreich gehörten, mit denen keine Konflikte zu erwarten waren.
Pearl Harbor im Oktober 1941. In der Mitte Ford
Island, links davon die Liegeplätze der
Schlachtschiffe, die sogenannte Battleship Row
(Schlachtschiff-Allee)
Dies änderte sich, als mit der Niederlage Frankreichs 1940 die
französische Flotte neutralisiert wurde und die Royal Navy alleine im
Atlantik und im Mittelmeer gegen die deutsche und italienische Flotte kämpfen musste.
Um Großbritannien dabei soweit wie möglich zu entlasten, dehnten die USA ihre Neutralitätspatrouille immer weiter
in den Atlantik aus. So überwachten amerikanische Kreuzer die Dänemarkstraße und amerikanische Zerstörer
eskortierten Konvois im Westatlantik, bis sie von britischen Zerstörern für den gefährlichsten Teil des Weges
übernommen wurden. Dazu wurde ein Viertel der Pazifikflotte in den Atlantik verlegt, darunter die Schlachtschiffe
New Mexico, Mississippi, Idaho und der Flugzeugträger Yorktown. Ferner wurden fast alle neu gebauten Flugzeuge
entweder im Atlantik eingesetzt oder direkt per Leih- und Pachtgesetz an Großbritannien geliefert; die
amerikanischen Streitkräfte im Pazifik mussten mit dem auskommen, was sie hatten[8] .
Dennoch war die Pazifikflotte nach den bis dahin gültigen Maßstäben, die noch von einer Schlachtentscheidung
durch Schlachtschiffe ausgingen, recht stark. Sie hatte neun Schlachtschiffe mit insgesamt 24 40,6 cm (16 Zoll)
Geschützen und 68 35,6 cm (14 Zoll) Geschützen gegen zehn japanische Schlachtschiffe mit insgesamt 16 40,6 cm
Angriff auf Pearl Harbor
(16 Zoll) Geschützen und 80 35,6 cm (14 Zoll) Geschützen. Den Kern der Schlachtflotte bildeten die big five, die
fünf Schlachtschiffe der Tennessee- und Colorado-Klassen. Diese erst nach dem Ersten Weltkrieg gebauten
Schlachtschiffe waren die kampfstärksten der Flotte zwischen den Weltkriegen. Hinsichtlich ihrer Artillerie und
Panzerung waren sie auch noch 1941 den damals modernsten Schlachtschiffen der Welt, wie der britischen King
George V-Klasse oder der deutschen Tirpitz ebenbürtig. Nur bei der Geschwindigkeit waren sie inzwischen mit ihren
relativ langsamen 22 Knoten den modernen Schlachtschiffen unterlegen. Da die japanische Flotte selbst jedoch
ebenfalls aus Schlachtschiffen bestand, die während oder direkt nach dem Ersten Weltkrieg gebaut wurden, kam
dieser Nachteil im Pazifik nicht zum Tragen.
Bei den Flugzeugträgern bestand ein Verhältnis von drei amerikanischen zu elf japanischen (davon fünf kleinere
Träger), allerdings sah man die Rolle der Träger eher in der Unterstützung der Schlachtschiffe durch Luftaufklärung.
Vorbereitungen
Die Planungen der USA für einen Krieg gegen Japan basierten lange Zeit auf dem War Plan Orange, nach dem die
US-Pazifikflotte im Kriegsfall von ihrer Heimatbasis San Diego aus zu den Philippinen laufen würde, um diese vor
einem japanischen Angriff zu verteidigen und dann als Basis für einen Vorstoß gegen Japan selbst zu nutzen. Im
Verlauf dieser Operationen sollte es dann zu einer großen Entscheidungsschlacht zwischen den Schlachtschiffen
kommen. Die Möglichkeit der Eröffnung des Krieges durch einen japanischen Überraschungsangriff ähnlich dem
Angriff auf Port Arthur zu Beginn des Russisch-Japanischen Krieges 1904, wurde dabei durchaus für möglich
gehalten. Man dachte dabei jedoch an einen Angriff auf Manila, die Basis der schwachen amerikanischen
Asienflotte, oder die Insel Wake. Die US-Pazifikflotte befand sich in ihrem Heimatstützpunkt San Diego jedoch weit
außerhalb der Operationsreichweite der japanischen Flotte.
Mit der Verlegung der Pazifikflotte nach Pearl Harbor im Jahre 1940 änderte sich dies – Pearl Harbor lag knapp
innerhalb des Bereiches, in dem japanische Flottenverbände mit vertretbarem Aufwand operieren konnten. Hin- und
Rückweg waren mit einmaligem Betanken auf See zu schaffen. Als Japan mit den Planungen für einen Angriff
begann, stieß man jedoch schnell auf Schwierigkeiten. Die topographische Form des Hafens, praktisch ein
Binnengewässer, das nur durch einen natürlichen Kanal mit dem Meer verbunden ist, machte einen Torpedoangriff
mit Zerstörern, wie er 1904 in Port Arthur erfolgt war, unmöglich. Die Zerstörer hätten erst durch den Kanal in den
Hafen laufen müssen, um freies Schussfeld für ihre Torpedos zu bekommen, dabei mussten sie zwangsläufig
entdeckt und zusammengeschossen werden.
Als Alternative wurde ein Luftangriff untersucht. Auch dies war keine vollkommen neue Idee: Während einer
gemeinsamen Übung von amerikanischer Armee und Marine zur Verteidigung Hawaiʻis im Jahr 1932 hatte Admiral
Harry E. Yarnell, Kommandeur der angreifenden Streitkräfte, die Staffeln der Flugzeugträger Saratoga und
Lexington einen Angriff auf Hawaiʻi fliegen lassen. Durch diesen am 7. Februar 1932 (wie der 7. Dezember 1941 ein
Sonntag) aus nordwestlicher Richtung durchgeführten Angriff wurde den überraschten Verteidigern nach Ansicht
der Schiedsrichter beträchtlicher Schaden zugefügt. Es ist durchaus möglich, dass dieses Manöver auch die
japanischen Planungen beeinflusst hat, obgleich die amerikanische Marine die Ergebnisse damals als unrealistisch
verwarf.
Die Vorlage für den Angriff lieferten jedoch die Briten im Mittelmeer, als sie in der Nacht vom 11. auf den
12. November 1940 beim Angriff auf Tarent den italienischen Marinehafen Tarent mit Torpedobombern des
Flugzeugträgers Illustrious angriffen und dabei drei italienische Schlachtschiffe versenkten. Dieser Angriff wurde
sowohl vom japanischen als auch vom amerikanischen Admiralstab intensiv untersucht, da die Verhältnisse in
Tarent jenen in Pearl Harbor sehr ähnlich waren, insbesondere was den Einsatz von Torpedos betraf. Die
Verwendung von Torpedos war nach Ansicht der Planer unbedingt erforderlich, da dies die einzige Waffe war, mit
der Flugzeuge Schlachtschiffe mit Aussicht auf Erfolg angreifen konnten.
197
Angriff auf Pearl Harbor
Die verfügbaren Bomben waren nach allgemeiner Ansicht hingegen
nicht in der Lage, die massiven Deckpanzerungen der Schlachtschiffe
zu durchdringen und größere Schäden anzurichten. Da von Flugzeugen
abgeworfene Torpedos durch ihr Gewicht jedoch erst einmal auf eine
größere Tiefe sanken, bevor die eingebaute Tiefensteuerung sie wieder
nach oben lenkte, galten flache Häfen wie Tarent und Pearl Harbor als
sicher. Um zu verhindern, dass die Torpedos im Hafen auf Grund
stießen und dort festliefen, waren die Torpedos mit kleinen Flügeln
modifiziert worden, damit sie nach dem Abwurf länger in horizontaler
Torpedobomber vom Typ Fairey Swordfish
Lage blieben und nicht wie sonst in einem mit der Abwurfhöhe
zunehmenden Winkel ins Wasser eintauchten. Zusätzlich waren die
britischen Piloten extrem langsam und niedrig geflogen. Die Amerikaner erhielten diese Informationen von den
Briten. Japanische Offiziere konnten sich in Tarent einen geborgenen britischen Torpedo ansehen [9] .
Die US-Marine revidierte aufgrund des Angriffs ihre Richtlinien bezüglich des Torpedoschutzes von Schiffen im
Hafen. Bis dahin wurde eine Wassertiefe von 76 Fuß (23 Meter) als Minimum für einen erfolgreichen
Torpedoangriff aus der Luft erachtet. Im Juni 1941 wurde dies mit Hinweis auf den Angriff auf Tarent dahin
korrigiert, das Torpedoangriffe auch bei geringeren Wassentiefen möglich seien[10] . Angriffe bei einer Wassertiefe
von unter 20 Metern wurden aber als unwahrscheinlich eingestuft, womit Pearl Harbor bei einer durchschnittlichen
Wassertiefe von 15 Metern weiterhin als sicher galt. Die Amerikaner glaubten auch, dass ein vergleichbarer Angriff
auf Pearl Harbor unwahrscheinlich wäre, da die Entfernung zwischen Tarent und der britischen Basis in Alexandria
viel geringer war als die zwischen Pearl Harbor und den nächstgelegenen japanischen Basen. Die unbemerkte
Annäherung eines Feindes war daher erheblich schwieriger. Zusätzlich konnten die japanischen Torpedobomber
Nakajima B5N Kate nicht so langsam fliegen wie die alten Doppeldecker vom Typ Fairey Swordfish der Briten, was
eine Anwendung der britischen Methode ihrer Meinung nach ausschloss.
Die Japaner hingegen kamen zu dem Schluss, dass ein Torpedoangriff durchführbar wäre, wenn man die Torpedos
entsprechend modifizierte. Dies führte zur Entwicklung des Torpedos Typ 95, der kleiner und leichter als die
üblichen japanischen Torpedos war. Zusätzlich modifizierte man panzerbrechende Granaten der Kaliber 35,6 cm und
40,6 cm so, dass sie als Bomben abgeworfen werden konnten. Aus einer Höhe von mindestens 3000 Metern
abgeworfen sollten sie genügend Durchschlagskraft haben, um die Panzerung der Schlachtschiffe zu durchdringen.
Es war eine dieser Panzersprengbomben, die die Munitionskammer der Arizona traf[9] .
Der Plan
Der Plan laut Zitat Admiral Yamamotos:
„Zu Beginn des Krieges soll der Kampfverband, bestehend aus
sechs Flugzeugträgern als Kern und kommandiert vom
Oberbefehlshaber der 1. Luftflotte, seinen Weg zu den
Hawaii-Inseln fortsetzen und die im Hafen vor Anker liegenden
Hauptkräfte der US-Flotte aus der Luft angreifen. Der
Kampfverband wird folglich ungefähr zwei Wochen vor dem
Weg des Kidō Butai zum Angriff auf Pearl
Ausbruch der Feindseligkeiten vom Heimatland auslaufen, sich
Harbor
den Hawaii-Inseln von Norden nähern und ein oder zwei
Stunden vor Tagesanbruch alle Flugzeuge an Bord der Träger, etwa 400, starten. Der Überraschungsangriff
auf die ankernden feindlichen Flugzeugträger und Schiffe sowie auf Flugzeuge am Boden wird von einem
Punkt gestartet werden, ungefähr 200 sm nördlich der Insel Oahu.
198
Angriff auf Pearl Harbor
199
Der U-Bootverband, bestehend aus 27 U-Booten und kommandiert vom Oberbefehlshaber der 6. Flotte, wird
fortwährend die Bewegung der feindlichen Flotte, die in Hawaii vor Anker liegt, erkunden und mit diesen
Operationen einige Tage vor der Eröffnung der Feindseligkeiten beginnen. Falls die feindliche Flotte den
Hafen verlässt, wird der U-Bootverband einen Überraschungsangriff ausführen oder versuchen, Fühlung mit
ihr zu halten. Andererseits wird dem Spezial-Angriffsverband der U-Bootverband unterstellt, der unentdeckt in
den Perlenhafen (Pearl Harbor) vorstoßen und gleichzeitig mit den Luftangriffen des Kampfverbandes einen
überraschenden Angriff auf die feindliche Flotte starten wird.“
Dem japanischen Angriffsplan zufolge sollte sich der Flugzeugträgerverband auf einer etwa 6.000 Kilometer langen
Route nördlich der üblichen Schifffahrtswege in einer Reise von 11 Tagen unbemerkt Pearl Harbor nähern und 350
Kilometer nördlich von dem Stützpunkt überraschend angreifen. Da sonntags die meisten Dienststellen der
US-Streitkräfte nur mit vermindertem Personal arbeiteten, wurde als Angriffstermin der erste Sonntag im Dezember,
der 7. Dezember gewählt. Der Angriff sollte vom Kidō Butai durchgeführt werden, bestehend aus den
Flugzeugträgern Akagi, Kaga, Hiryū, Sōryū, Zuikaku und Shōkaku. Der Geleitschutz der Träger bestand aus den
schnellen Schlachtschiffen Hiei und Kirishima, den schweren Kreuzern Tone und Chikuma sowie 9 Zerstörern, die
vom leichten Kreuzer Nagara angeführt wurden.
Die strategischen Hauptziele des Angriffs waren:
• Neutralisierung der Pazifikflotte: Durch das Ausschalten der
Schlachtschiffe und Flugzeugträger sollte die amerikanische Flotte
nicht in der Lage sein, die japanische Offensive in Südostasien zu
behindern. Die angreifenden Piloten erhielten ausdrückliche
Anweisung, nur Schlachtschiffe und Träger anzugreifen und ihre
Torpedos und Bomben nicht an andere Schiffe zu „verschwenden“
(nicht alle hielten sich während des Angriffs an den Befehl).
• Ausschaltung des Stützpunktes Pearl Harbor: Durch Zerstörung der
Dockanlagen und Treibstofftanks sollte es den USA unmöglich
gemacht werden, auf absehbare Zeit von Pearl Harbor aus zu
operieren. Die Docks von Pearl Harbor waren die einzigen Anlagen
westlich von Kalifornien, in denen Reparaturen und größere
Wartungsarbeiten durchgeführt werden konnten. Wurden sie
vernichtet, mussten amerikanische Schiffe selbst für kleinere
Reparaturen über den halben Pazifik an die Westküste fahren. Im
Idealfall würde durch die Versenkung eines großen Schiffs im
Zufahrtskanal Pearl Harbor sogar als Ankerplatz ausfallen, womit
die gesamte Flotte für jede Operation erst von der Westküste
herankommen müsste.
Japanischer Jäger von Typ Mitsubishi A6M Zero
Japanischer Sturzkampfbomber Aichi D3A Val
Aus taktischen Gründen kam ein weiteres Ziel hinzu:
• Vernichtung der Luftstreitkräfte: Die amerikanischen Flugplätze
Japanischer Torpedobomber Nakajima B5N Kate
mussten angegriffen werden, damit die dort stationierten Jäger nicht
die Angriffe auf den Hafen behinderten und die Bomber keine Gegenangriffe auf den Angriffsverband flogen
(falls dieser lokalisiert werden konnte).
Da nicht genügend Flugzeuge zur Verfügung standen, um alle drei Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen, wurde
beschlossen, zuerst nur die Schiffe und die Flugplätze anzugreifen. Sobald die Maschinen zurückkamen, sollten sie
neu betankt und munitioniert werden, um die Docks und Treibstofftanks anzugreifen[11] .
Der erste Angriff sollte möglichst früh im Morgengrauen erfolgen. Da die Träger jener Zeit keine Katapulte
verwendeten, wurde immer das halbe Deck als Startbahn benötigt. Damit konnte nur die Hälfte der Flugzeuge
Angriff auf Pearl Harbor
gleichzeitig zum Starten an Deck gebracht werden. Die zweite Hälfte konnte erst startklar gemacht werden, nachdem
die erste Hälfte gestartet war. Da die Startvorbereitungen mindestens 30 Minuten dauerten, wurde entschieden, den
ersten Angriff in zwei Wellen zu fliegen: die erste Hälfte flog voraus, die zweite folgte so schnell, wie man sie
startklar machen konnte.
Die erste Welle sollte aus 45 Jägern A6M Zero, 54 Sturzkampfbombern D3A Val und 90 Torpedobombern B5N
Kate bestehen. 40 der Kate sollten Torpedos tragen, der Rest Bomben. Die zweite Welle sollte aus 36 Zero, 81 Val
und 54 Kate (alle mit Bomben) bestehen.
Da die Überraschung bei diesem Angriff elementar war, hatte der Befehlshaber des Angriffsverbands, Vizeadmiral
Nagumo Chūichi, den Befehl, sofort umzukehren, falls er auf dem Anmarsch entdeckt würde. Würde er erst am
Morgen des Angriffstages entdeckt, war es ihm überlassen, ob er den Angriff riskieren wollte. Auf keinen Fall sollte
er seine Schiffe unnötigen Risiken aussetzen, da sie für Japan unersetzlich waren.
Der Angriffsverband verließ Japan am 26. November 1941 von den Gewässern in den Kurilen aus. Während der
Fahrt schickte Admiral Yamamoto am 2. Dezember eine kodierte Nachricht an Nagumo: Niitaka yama Nobore
(Erklimmt den Berg Niitaka), womit der endgültige Befehl zur Durchführung des Angriffs erteilt wurde.
Die amerikanische Funkaufklärung
Die amerikanische Fernmeldeaufklärung gliederte sich in drei Arbeitsbereiche[7] :
• Der Bereich Funkpeilung war für das Lokalisieren der Absender von aufgefangenen Funksprüchen zuständig.
Dazu hatten die USA ein Netz von Abhörstationen aufgebaut, das Mid-Pacific Strategic Direction-Finder Net. Es
erstreckte sich in einem riesigen Halbkreis von den Philippinen über Guam, Samoa, Midway und Hawaiʻi bis
hinauf nach Alaska.
• Im Bereich Funkverkehranalyse wurden die Muster der aufgefangenen Funksprüche analysiert. Anhand der
Rufzeichen wurde festgestellt, wer mit wem sprach. Aus der Häufigkeit der Kommunikation versuchte man, die
Beziehung zwischen den Stationen herauszufinden. Wenn z. B. die Stationen NOTA 1 und OYO 5 häufig mit
KUNA 2 sprachen, aber selten miteinander und gar nicht mit anderen, so war anzunehmen, dass KUNA 2 der
Befehlshaber von NOTA 1 und OYO 5 war, etwa das Flaggschiff eines Geschwaders, dem die Schiffe NOTA 1
und OYO 5 zugeteilt waren. Mit Hilfe der Funkpeilung war die Zuordnung der Rufzeichen möglich, wenn man
wusste, welche Einheiten/Schiffe zum Sendezeitpunkt an der Sendeposition waren.
• Der Bereich Kryptoanalyse war für das Entschlüsseln der aufgefangenen Nachrichten verantwortlich. Dies war
der schwierigste und geheimste Teil der Funkaufklärung. Da es äußerst wichtig war, die Tatsache geheim zu
halten, dass es gelungen war, den japanischen Code zu knacken, wurden die daraus gewonnenen Informationen
lediglich einer kleinen Gruppe ranghoher Offiziere und Politiker zugänglich gemacht, während die Ergebnisse der
Funkpeilung und Funkverkehranalyse einem weit größeren Kreis zugänglich waren. So erhielten z. B. die
Befehlshaber auf Hawaiʻi, Admiral Husband E. Kimmel und General Walter C. Short, die Ergebnisse aus
Funkpeilung und Funkverkehranalyse, aber nicht die aus der Kryptoanalyse, während der Befehlshaber auf den
Philippinen, General Douglas MacArthur, Zugang zu allen Informationen hatte.
Im Verlaufe des November 1941 stellte die Funkaufklärung anhand der japanischen Funkmuster die Vorbereitung
einer großen Operation fest. Diese Muster entsprachen den drei Phasen, die man schon bei den Vorbereitungen zu
den beiden Operationen zur Besetzung Indochinas beobachtet hatte.
• Erste Phase: Es kam zu einem sprunghaften Anstieg des Funkverkehrs. Das Oberkommando gab Befehle und
Anweisungen für die Operation an die Armee und Flottenbefehlshaber. Diese Instruktionen wurden über die
gesamte Hierarchie an die Einheiten weitergeleitet, die sich auf die Operation vorzubereiten hatten. Auf diese Art
konnte man oft schon die beteiligten Einheiten identifizieren, indem man prüfte, welche Rufzeichen an dem
verstärkten Funkverkehr beteiligt waren. Da die japanische Flotte jedoch am 1. November ihren halbjährlichen
Rufzeichenwechsel für ihre 20.000 Rufzeichen durchgeführt hatte, waren viele Rufzeichen noch nicht wieder
200
Angriff auf Pearl Harbor
identifiziert. Allerdings wurde festgestellt, dass das japanische Oberkommando hauptsächlich mit den südlichen
Befehlshabern kommunizierte, aber nicht mit den Kommandeuren in China.
• Zweite Phase: Der Funkverkehr sank wieder auf die normale Menge an Meldungen. Die beteiligten Einheiten
hatten sich gemäß den Anweisungen vorbereitet und warteten auf den Befehl, die Operationen zu beginnen. In
den Funkmustern konnten Änderungen festgestellt werden, die durch Umgruppierungen entstanden waren.
Stationen kommunizierten plötzlich mit neuen Stationen, aber nicht mehr mit ihren vorherigen
Kommunikationspartnern.
• Dritte Phase: Die Anzahl der Funkmeldungen nahm rapide ab und wurden einseitig. Die Operation hatte
begonnen, die Flottenverbände waren ausgelaufen und hielten Funkstille, um ein Einpeilen auf ihre Position zu
verhindern. Sie erhielten allerdings weiterhin an sie adressierte Funksprüche von anderen Einheiten (die
Funkstille betraf also nur das Senden, nicht das Empfangen).
Am 1. Dezember wechselte die japanische Flotte erneut ihre Rufzeichen. Dieser außerplanmäßige Wechsel
alarmierte die Nachrichtendienste zusätzlich.
Auf diese Art war allein schon aufgrund von Funkpeilung und Funkverkehranalyse bekannt, dass Japan eine große
Operation in Richtung Süden durchführen wollte. Das Ziel war jedoch nicht eindeutig, es konnte sich dabei sowohl
um einen Angriff auf die britischen und niederländischen Kolonien handeln (was vermutet wurde), als auch um
einen Angriff auf die Philippinen oder weitere Truppenverlegungen nach Indochina (was als unwahrscheinlich galt).
Am 24. und 27. November schickte deshalb der Chief of Naval Operations, Admiral Harold R. Stark,
Kriegswarnungen an alle Kommandeure im Pazifik, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass aggressive Handlungen
Japans in den nächsten Tagen zu erwarten seien. Als mögliche Ziele eines japanischen Angriffs wurden Malaysia,
Thailand, die Philippinen, Borneo und Guam genannt. Alle Kommandeure im Pazifik wurden angewiesen,
entsprechende Maßnahmen zur Vorbereitung ihrer Truppen auf den Kriegsfall zu treffen, aber selbst keine
offensiven Aktionen durchzuführen, solange Japan keine offene Kriegshandlung gegen die USA unternähme.[12]
Die Aufklärungsdienste Großbritanniens und der Niederlande, die mit den Amerikanern beim Abfangen und
Analysieren der Nachrichten zusammenarbeiteten, hatten das gleiche Bild. Großbritannien begann daraufhin seine
Truppen im Bereich des Möglichen zu verstärken: Es verlegte das moderne Schlachtschiff Prince of Wales und den
Schlachtkreuzer Repulse nach Singapur.
Einen Sonderfall bildeten dabei die japanischen Trägerverbände. Von ihnen wusste man gar nichts, da bei ihnen
totale Funkstille herrschte. Dass die Trägerverbände nicht nur keine Nachrichten sendeten, sondern auch keine
Nachrichten an sie gesendet wurden, führte zu der Vermutung, dass sich die Träger weiterhin in den japanischen
Heimatgewässern aufhielten. Dort konnten sie über schwächere Nahbereichsender kommunizieren, deren
Sendeleistung zu schwach war, um von den weit entfernten Abhörstationen empfangen zu werden. Dieser Blackout
war schon bei den vorherigen Operationen beobachtet worden. Auch damals hatte man die Träger in Japan vermutet
und später auf verschiedene Weise festgestellt, dass sie tatsächlich dort gewesen waren. Das vermutete Verbleiben
der Träger in Japan erweckte keinen Argwohn, denn es passte bestens in das Gesamtbild. Nach Ansicht der
Analysten wurden die Träger für eine Offensive allein gegen die britischen und niederländischen Kolonien nicht
gebraucht, stattdessen bildeten sie zusammen mit mehreren Schlachtschiffen eine strategische Reserve für den Fall,
das die USA Großbritannien zu Hilfe kommen würden. Tatsächlich jedoch befand sich der Verband unter Funkstille
auf dem Weg nach Pearl Harbor. Nachrichten an ihn wurden in allgemeinen, an große Flottenbereiche adressierten
Funksprüchen versteckt.
201
Angriff auf Pearl Harbor
Die für die Kryptoanalyse zuständige Abteilung bekam inzwischen
große Probleme mit dem Umfang des abgefangenen Materials.
Zusätzlich zur Entschlüsselung der Nachrichten musste dieses noch aus
dem Japanischen ins Englische übersetzt werden. Die kleine Zahl der
Übersetzer, die nicht nur für den militärischen, sondern auch für den
diplomatischen Verkehr zuständig waren, konnte mit dem erheblich
gesteigerten Volumen nicht mehr Schritt halten. Man versuchte, die
Anzahl zu erhöhen, dies war jedoch schwierig. Die Übersetzer mussten
nicht nur hervorragend Japanisch können, sondern auch absolut
vertrauenswürdig sein. Solche Leute gab es nur wenige, und es waren
größtenteils Amerikaner japanischer Abstammung, denen man ein
generelles Misstrauen entgegenbrachte. So gelang der Marineabteilung
für Kryptoanalyse 1941 trotz größter Bemühungen lediglich die
Verdopplung der Übersetzer von 3 auf 6 Personen. Dies hatte zur
Folge, dass Übersetzungen nach Art der Verschlüsselung gereiht
Die japanische Schlüsselmaschine „PURPLE“
wurden. Zuerst kam der mit der Schlüsselmaschine „Purple“
verschlüsselte diplomatische Verkehr, dann der mit militärischen
Hochsicherheitscodes verschlüsselte Verkehr, dann die mit einfacheren japanischen Codes verschlüsselten Texte.
Auf diese Weise wurden mit Purple verschlüsselte Anweisungen an die japanischen Botschaften in Großbritannien
und Niederländisch-Ostindien übermittelt, ihre „Purple“-Maschinen nach Japan zurückzuschicken und die
Vernichtung ihrer restlichen Codes vorzubereiten. Dies bestätigte die Vermutung eines bevorstehenden Krieges mit
diesen Ländern. Entsprechende Anweisungen an die Konsulate in den USA, welche keine „Purple“-Maschinen
hatten, wurden jedoch nicht übersetzt. Die einzigen „Purple“-Maschinen innerhalb der USA waren in der japanischen
Botschaft in Washington, wo sie noch gebraucht wurden. Dass es zuerst keine Anweisung gab, diese Maschinen
zurück nach Japan zu schicken, wurde dahingehend interpretiert, dass kein Angriff auf die USA geplant war. Erst am
3. Dezember erhielt die Botschaft in Washington den Befehl, eine ihrer beiden Schlüsselmaschinen und einen
Großteil ihrer Codes zu vernichten, wodurch für die Analysten die Möglichkeit eines Krieges zwischen den USA
und Japan erheblich wahrscheinlicher wurde.
Die entschlüsselten militärischen Nachrichten enthielten nichts Hilfreiches, um die Ziele näher zu identifizieren.
Dies war auch nicht zu erwarten gewesen (dass es später bei der Schlacht um Midway gelang, Midway als das Ziel
zu identifizieren, lag daran, dass es im weiten Umkreis um Midway keine anderen möglichen Ziele gab). Am
6. Dezember wurden die ersten 13 Teile der 14-teiligen japanischen Note, die am 7. Dezember übergeben werden
sollte, empfangen und entschlüsselt. Obwohl der 14. Teil mit den wichtigsten Informationen noch fehlte (die ersten
13 Teile enthielten größtenteils einen geschichtlichen Abriss über die Beziehungen der USA und Japans, in dem die
USA einer feindseligen Haltung Japan gegenüber beschuldigt wurden, aber nichts über die beabsichtigte japanische
Politik), wurden die bereits empfangenen 13 Teile noch am Abend zu sämtlichen Personen gebracht, die befugt
waren, diese geheimen Informationen zu sehen. Nach Durchsicht des Inhalts sagte Präsident Roosevelt zu seinem
Berater Harry Hopkins: „Das bedeutet Krieg.“. Nachdem sie kurz die ihnen bekannten japanischen Flotten- und
Truppenbewegungen in Südostasien diskutiert hatten, meinte Hopkins, es wäre ihm lieber, die USA würden den
ersten Schlag führen und so etwaigen Überraschungen vorbeugen. Roosevelt entgegnete darauf, so etwas könne man
als friedliebende Demokratie nicht tun. Roosevelt wollte noch mit Admiral Stark telefonieren, dieser war jedoch im
Theater. Ihn dort herauszurufen war zwar möglich, hätte jedoch Aufsehen erregt, was der Präsident vermeiden
wollte.[7]
Alle anderen Personen, welche die ersten 13 Teile am Abend bekamen, wollten erst den 14. Teil abwarten, bevor sie
Maßnahmen veranlassten. Marineminister Frank Knox arrangierte zu diesem Zweck eine Konferenz mit
Kriegsminister Henry L. Stimson und Außenminister Cordell Hull für den nächsten Morgen. Auch Admiral Stark,
202
Angriff auf Pearl Harbor
der erst spät am Abend vom Chef des Marinenachrichtendienstes von der Existenz der japanischen Note erfuhr,
ordnete lediglich an, ihm am nächsten Morgen die vollständige Note ins Büro zu bringen. Der Generalstabschef der
Armee, General George C. Marshall, bekam die Note nicht zu sehen, da er bereits schlief und man ihn nicht wecken
wollte. Am nächsten Morgen machte er nach dem Frühstück einen Ausritt und war deshalb längere Zeit nicht zu
finden, als man ihm den 14. Teil bringen wollte.[13]
Die Anweisung an die japanische Botschaft in Washington, ihre verbliebenen Codes und die zweite
Schlüsselmaschine zu vernichten, kam mit dem Begleittext zum 14. Teil der japanischen Note vom 7. Dezember, der
auch die Anweisung enthielt, die Note um Punkt 13:00 Washingtoner Ortszeit (07:30 in Pearl Harbor) zu
überreichen. Die Übersetzung des Begleittextes erreichte den verantwortlichen Nachrichtenoffizier Lieutenant
Commander Alwin D. Kramer um 10:20 Washingtoner Zeit, knapp 3 Stunden vor Beginn des Angriffs auf Pearl
Harbor. Er leitete die Nachricht sofort weiter, und um ca. 11:30 befahl General Marshall, sämtliche Kommandeure in
Übersee vor möglichen japanischen Aktionen zu warnen, wobei die Philippinen höchste Priorität hätten. Diese
Nachricht erreichte Pearl Harbor jedoch nicht rechtzeitig. Sie hatte auch auf den Philippinen und anderen
Stützpunkten im Pazifik wie Wake und Guam keine große Wirkung, da die verbleibende Zeit bis zum Beginn des
japanischen Angriffs zu kurz war[7] .
Pearl Harbor am 7. Dezember
Da auf Hawaiʻi nicht ernsthaft mit einem japanischen Angriff gerechnet wurde, waren die Liegeplätze der
Schlachtschiffe um Ford Island nicht gesichert. Die Besatzungen hatten größtenteils Landgang. Die Feuer unter den
Kesseln der Schiffe waren entweder ganz oder zur Hälfte gelöscht. Ohne Feuer unter den Kesseln konnten die
Schiffe keinen Dampf für ihre Maschinen erzeugen und das Anfeuern eines Kessels dauerte mehrere Stunden, bis
ausreichender Dampfdruck aufgebaut war.
Für die Verteidigung der Insel selbst war die Armee verantwortlich. Auch hier waren die Truppen in keinerlei Weise
auf einen Angriff vorbereitet. Die Flakgeschütze waren nicht um die militärischen Anlagen herum verteilt, sondern
standen in Depots, da es sich bei den umliegenden Grundstücken um Privatbesitz handelte, deren Besitzer man nicht
unnötig verärgern wollte. So hatte man z. B. die Heeres-Flak bei der neu gebauten Kāneʻohe Naval Air Station
wenige Tage vorher wieder in die Kasernen verlegt. Die Flak-Munition wurde in separaten Munitionsdepots
gelagert, diese waren wie alle anderen Munitionsdepots abgeschlossen. Teilweise sollen sich während des Angriffs
die Schlüsselinhaber geweigert haben, die Munitionskammern ohne schriftlichen Befehl zu öffnen. Auf Anweisung
von General Short waren auf den Flugplätzen sämtliche Flugzeuge von den üblichen Positionen am Rande des
Feldes und den Unterständen in die Mitte des Feldes gestellt worden, da man sie so besser gegen Sabotage schützen
konnte. Die sechs neuen mobilen Radarstationen, die erst im Oktober 1941 auf Hawaiʻi eingetroffen waren,
arbeiteten nur zwischen 4:00 und 7:00 morgens.[5] Die Entscheidung, das Radar nicht rund um die Uhr, sondern nur
zu dem wahrscheinlichsten Angriffszeitpunkt einzusetzen, war unter anderem in der Skepsis begründet, die dieser
neuen Technologie trotz ihres erfolgreichen Einsatzes in der Luftschlacht um England noch immer entgegengebracht
wurde. Dass der Zeitraum zwischen 4:00 und 7:00 morgens als wahrscheinlichster Zeitpunkt eines Angriffs galt,
zeigte aber auch, dass man sich der Möglichkeit eines Angriffs bewusst war und (durchaus zutreffend) davon
ausging, dass ein solcher Angriff zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Sonnenaufgang stattfinden würde. Ein
japanischer Angriff galt also nicht als unmöglich, aber aufgrund der aktuellen Lagebeurteilung als äußerst
unwahrscheinlich.
203
Angriff auf Pearl Harbor
204
Marineeinheiten in Pearl Harbor:[14]
• Schlachtschiffe
Nevada, Oklahoma, Pennsylvania,
California, Maryland, West Virginia
Arizona,
Tennessee,
Die Schlachtschiffe lagen bis auf die Pennsylvania, die sich im
Trockendock befand, in einer Reihe vor Ford Island in der
Hafenmitte vor Anker (Battleship Row). Das neunte
Schlachtschiff der Pazifikflotte, die Colorado, befand sich in
Bremerton, wo sie im Puget Sound Naval Shipyard aufgerüstet
wurde.
Die Battleship Row am 7. Dezember
• Flugzeugträger
Keine.
Der Flugzeugträger Enterprise sollte am 6. Dezember einlaufen, er hatte mit 3 Kreuzern und 9 Zerstörern eine
Staffel Jagdflugzeuge nach Wake Island transportiert (eine damals nicht ungewöhnliche Aufgabe für einen
Flugzeugträger). Der Verband musste jedoch auf dem Weg durch einen Sturm laufen, was zu einer Verspätung
von 24 Stunden und einem Einlaufen erst am Nachmittag des 7. führte. Die Lexington transportierte mit 3
Kreuzern und 5 Zerstörern eine weitere Jagdstaffel nach Midway. Da die Verlegung der beiden Staffeln jedoch
nach Möglichkeit geheim gehalten werden sollte, befanden sich die Träger offiziell auf Übungsmissionen.
Teilweise hat sich diese Tarngeschichte bis zum heutigen Tag gehalten; in nicht wenigen Artikeln und
Büchern steht noch immer, dass die Träger kurz vor dem Angriff (die Lexington lief am 5. Dezember aus) den
Hafen zum Üben verließen. Allerdings war vorher zumindest für die Enterprise tatsächlich die Teilnahme an
einer Übung mit der ersten Schlachtschiffdivision (Arizona, Nevada und Oklahoma) in diesem Zeitraum
geplant worden. Die Übung fand dann ohne sie statt, und die Schlachtschiffe liefen am 5. Dezember wieder in
Pearl Harbor ein.[15]
Der letzte der drei Träger der Pazifikflotte, die Saratoga, war nach einem Werftaufenthalt in Bremerton auf
dem Weg nach San Diego.
• Kreuzer
Raleigh, Detroit, Phoenix, Honolulu, St. Louis, Helena, New Orleans, San Francisco
• Zerstörer
Ward (außerhalb des Hafens), Helm, Phelps, MacDonough, Worden, Dewey, Hull, Monaghan, Farragut, Dale,
Aylwin, Henley, Patterson, Ralph Talbot, Selfridge, Case, Tucker, Reid, Conyngham, Blue, Allen, Chew, Shaw,
Downes, Cassin, Mugford, Jarvis, Schley, Cummings, Bagley
• U-Boote
Narwhal, Dolphin, Cachalot, Tautog
• Minenleger
Oglala, Gamble, Ramsay, Montgomery, Breese, Tracy, Preble, Sicard, Pruitt
• Minensucher
Zane, Wasmuth, Trever, Perry, Turkey, Bobolink, Rail, Tern, Grebe, Vireo, Cockatoo, Crossbill, Condor,
Reedbird
• Kanonenboote
Sacramento
• Schnellboote
Angriff auf Pearl Harbor
PT-20, PT-21, PT-22, PT-23, PT-24, PT-25; auf dem Kai befanden sich PT-26 und PT-28; an Deck des
Tankers Ramapo PT-27, PT-29, PT-30 und PT-42
• Zerstörer-Tender
Dobbin, Whitney
• Seeflugzeug-Tender
Curtiss, Tangier, Avocet, Swan (im Dock), Hulbert, Thornton
• Munitionsschiffe
Pyro
• Tanker
Ramapo, Neosho
• Werkstattschiffe
Medusa, Vestal, Rigel
• U-Boot-Tender
Pelias
• U-Boot-Rettungsschiff
Widgeon
• Hospitalschiffe
Solace
• Frachter
Vega (in Honolulu), Castor, Antares (beim Einlaufen nach Pearl Harbor)
• Schlepper
Ontario, Sunnadin, Keosanqua (vor Pearl Harbor), Navajo (18 km außerhalb Pearl Harbors)
• Hilfsschiffe
Utah, Argonne, Sumner
Das japanische Oberkommando war über die Schiffe im Hafen informiert, da das japanische Konsulat in Hawaiʻi
seine Beobachtungen des Hafens kontinuierlich nach Tokio meldete (derartige Beobachtungen gehörten zu den
Standardaufgaben der Konsulate aller Länder). Von Tokio aus wurden die Meldungen an die Flotte (und damit
Nagumo) weitergeleitet. Damit wurde (im Bereich des Möglichen) sichergestellt, dass die Pazifikflotte in Pearl
Harbor war und Nagumo nicht einen leeren Hafen angriff. Allerdings wussten sowohl Nagumo als auch das
japanische Oberkommando bereits 24 Stunden vor dem Angriff, dass keine Flugzeugträger vor Ort waren.
205
Angriff auf Pearl Harbor
206
Der Angriff
Am Abend des 6. Dezember verringerte die anlaufende Kidō Butai ihre
Geschwindigkeit auf etwa 25 Knoten. Vizeadmiral Nagumo richtete
einen letzten Rundspruch von der Akagi an alle seine Einheiten. Mit
den Worten „Das Schicksal des Reiches hängt von dieser Operation ab.
Jeder Mann muss sich seiner speziellen Aufgabe total hingeben.“ [16]
schwor er die Schiffsbesatzungen und speziell die Besatzungen der
Flugzeugstaffeln, die den Angriff fliegen sollten, noch einmal ein.
Gegen 21:00 Uhr hatte die Flotte den 158. Meridian erreicht und war
noch etwa 910 Kilometer nördlich von Hawaii. Heftige Winde hatten
während der zwölftägigen Fahrt die gehissten Flaggen zerrissen und
mehr als zehn Seeleute waren über Bord gespült worden. Doch alles
verlief nach Plan, da die Flotte bisher nicht von anderen Schiffen oder
Aufklärungsflugzeugen gesichtet worden war.
Die beiden japanischen Angriffswellen am
7. Dezember 1941
Anflug
Die erste japanische Angriffswelle mit 183 Maschinen startete um 6:10
Uhr am Morgen des 7. Dezember 1941 etwa 230 Seemeilen (400
Kilometer) nördlich von Oʻahu. Sie brauchte allerdings 20 Minuten
länger als geplant, um sich über den Trägern zu formieren. Sechs nicht
rechtzeitig gestartete Maschinen blieben zurück und starteten eine
Stunde später mit der zweiten Welle. Die Besatzungen der Träger
verabschiedeten die startenden Maschinen mit Banzai-Rufen. Zur
gleichen Zeit starteten vom amerikanischen Flugzeugträger Enterprise,
der sich rund 370 Meilen westlich von Pearl Harbor befand, 18 SBD
Dauntless, die nach Ford Island vorausfliegen sollten.
Zum ersten Zusammenstoß zwischen den Streitkräften Japans und der
Vereinigten Staaten kam es um 6:37 Uhr Ortszeit vor dem
Hafeneingang. In der Nacht wollte man bereits von Bord des
Minensuchers Condor ein Periskop in der Nähe der Hafeneinfahrt
gesehen haben und hatte den vor der Hafeneinfahrt patrouillierenden
Zerstörer Ward alarmiert. Dieser konnte jedoch kein U-Boot finden.
Gegen 6:30 Uhr meldete dann auch das Versorgungsschiff Antares die
Sichtung eines U-Boots, worauf die Marine ein PBY
Catalina-Flugboot startete, das die Ward unterstützen sollte. Gegen
6:45 Uhr fand und versenkte die Ward das U-Boot mit Geschützfeuer
und Wasserbomben. Es handelte sich dabei um eines von fünf
japanischen Kleinst-U-Booten des U-Boot-Spezialverbandes, welche
versuchen sollten, in den Hafen einzudringen. Wenige Minuten später
meldete die Catalina die Versenkung eines weiteren U-Boots vor der
Hafeneinfahrt.[17] Der Kommandant der Ward, Lieutenant
Outerbridge, der erst zwei Tage zuvor die Ward als sein erstes
Kommando übernommen hatte, sendete eine verschlüsselte Nachricht
Die Besatzung der Shōkaku verabschiedet eine
startende Maschine mit Banzai-Rufen
Der Zerstörer USS Ward
Die Battleship Row zu Beginn des Angriffs.
Oklahoma und West Virginia zeigen bereits
Schlagseite, die West Virginia erhält gerade einen
Torpedotreffer.
Angriff auf Pearl Harbor
an den Kommandeur des 14. Marinedistrikts, um diesen zu
informieren, dass er in der Hafenverteidigungszone ein U-Boot
bekämpfe.
Verzögert
durch
den
routinemäßigen
Entschlüsselungsprozess (inklusive Textumformulierung, damit ein in
falsche Hände gelangender Klartext nicht zum Einbruch in den
verwendeten Code benutzt werden konnte) erreichte die Nachricht
gegen 7:15 Uhr die diensthabenden Offiziere und wurde von dort bis
zu Admiral Kimmel weitergeleitet. Angesichts zahlreicher falscher
U-Boot-Meldungen in den vorherigen Wochen wollte Kimmel jedoch
eine Bestätigung der Meldung abwarten, bevor er Maßnahmen traf. [17]
Um 7:02 Uhr entdeckten die beiden Radarbeobachter der Opanah
Radar-Station eine Gruppe von 50 oder mehr Flugzeugen in 130
Meilen Entfernung, die sich aus Norden näherten. Die Opanah
Radar-Station war eine von sechs der neuen mobilen Radaranlagen, der
Armee, welche seit weniger als einem Monat auf Oʻahu eingesetzt
wurden. Es waren Geräte vom Typ SCR-270, eine Variante mit
größerer Reichweite der Baureihe SCR-268.[18] Nach einer kurzen
Diskussion riefen sie die Informationszentrale in Fort Shafter an und
meldeten die Ortung sich nähernder Flugzeuge, ohne allerdings die
Anzahl der georteten Maschinen zu erwähnen. Der Bericht wurde von
einem Leutnant entgegen genommen, der erst zum zweiten Mal Dienst
in der Informationszentrale tat und nicht weiter nachfragte. Er wusste,
dass eine Gruppe von Bombern des Typs B-17 Flying Fortress
erwartet wurde und glaubte, dass diese Maschinen geortet worden
waren. Da er diese als vertraulich eingestufte Information aber nicht
den Radarbeobachtern mitteilen durfte, sagte er ihnen lediglich, dass
sie ihren Dienst beenden (das Radar war immer nur zwischen 4:00 und
7:00 Uhr in Betrieb) und sich um die Flugzeuge keine Sorge machen
sollten (“Don’t worry about it.”).[5] [17]
207
Die sinkende California
Die brennende Arizona Der vordere Mast ist auf
die Kommandobrücke gestürzt
Erster Angriff
Die erste japanische Angriffswelle erreichte Pearl Harbor, ohne auf
Widerstand zu stoßen. Auf dem Weg hatte sie mehrere amerikanische
Flugzeuge abgeschossen. Wenigstens eine dieser Maschinen schaffte
es noch, einen Funkspruch zu senden, dessen Inhalt aber schwer
verständlich war. Um 7:49 Uhr befahl der Kommandant der
Angriffswelle, Mitsuo Fuchida, den Angriff in der Variante für
vollständige Überraschung durchzuführen, mit den Torpedobombern
zuerst. Sein Funker sendete darauf dreimal das entsprechende Signal,
bestehend aus to für totsugeki (Angreifen) und ra für raigeki
(Torpedos/Torpedobomber). Das Signal to ra, to ra, to ra wurde auch
auf dem Trägerverband empfangen, der dadurch wusste, dass die
Überraschung geglückt war. Amerikanische Funker hörten es
ebenfalls, sie verstanden jedoch tora, das japanische Wort für Tiger.
Ein zerstörter B-17 Bomber auf Hickam Field
Die brennende Nevada auf dem Weg zum
Hafenausgang
Angriff auf Pearl Harbor
Dies führte dazu, dass der Funkspruch als Tora, tora, tora bekannt wurde.[17] [19]
Der Angriff auf den Hafen begann um 7:55 Uhr mit der Bombardierung von Ford Island. Drei Minuten später
schickte die dortige Funkstation an alle Stationen die Warnung „Luftangriff auf Pearl Harbor. Dies ist keine
Übung“.[17] Die Nachricht wurde auch in Washington empfangen und bereits wenige Minuten nach Beginn des
Angriffs dem Marineminister Frank Knox mitgeteilt. Dieser wollte es zuerst nicht glauben: „Das kann nicht stimmen,
die müssen die Philippinen meinen“ (My God! This can’t be true, this must mean the Philippines.).[5] [19]
24 der insgesamt 40 japanischen Torpedobomber griffen die an der Ostseite von Ford Island liegenden
amerikanischen Schlachtschiffe an. Der Nevada gelang es, zwei angreifende Maschinen abzuschießen, bevor sie von
einem Torpedo und zwei Bomben getroffen wurde. Die California erhielt zwei Torpedo- und zwei Bombentreffer,
einer der Bombentreffer brachte ein Magazin mit Flakmunition zur Explosion. Da nicht alle wasserdichten Schotten
gesichert waren, kam es zu schweren Wassereinbrüchen, die man nicht unter Kontrolle bekam, weshalb das Schiff
schließlich aufgegeben werden musste. Auf der Oklahoma erzielten die ersten angreifenden Maschinen drei
Torpedotreffer, nach denen das Schiff zu kentern begann. Während des Kenterns schlugen noch mindestens zwei
weitere Torpedos in Bordwand und Aufbauten des Schlachtschiffs ein. Über 400 Matrosen wurden unter Deck
eingeschlossen, 32 von ihnen konnten in den folgenden Tagen aus dem Wrack befreit werden. Die West Virginia
wurde von mindestens sechs Torpedos getroffen, doch durch schnelles Gegenfluten wurde ein Kentern des Schiffes
verhindert, die West Virginia sank auf ebenen Kiel. Zusätzlich wurde sie von zwei Bomben getroffen, die einen
Brand auf dem Achterdeck auslösten. Splitter eines Bombentreffers auf der benachbarten Tennessee verletzten den
Kommandanten, Captain Mervyn S. Bennion, tödlich. Die Arizona wurde vermutlich von einem Torpedo getroffen,
der unter dem neben ihr liegenden Werkstattschiff Vestal durchlief, bevor um 8:10 Uhr eine Panzersprengbombe
zwischen den beiden vorderen Haupttürmen einschlug. Die Bombe löste eine Kettenreaktion aus, die zur Explosion
der vorderen Hauptmagazine mit über 450 Tonnen Pulver führte. Durch die gewaltige Explosion wurde das
Schlachtschiff 5 bis 6 Meter angehoben, wodurch es in zwei Teile zerbrach. Der vordere Teil des Schiffes wurde
praktisch vollständig zerstört, zusätzlich entzündete die Explosion ausgelaufenes Öl auf der Wasseroberfläche. Dabei
starben 1177 der 1400 Mann starken Besatzung, die Hälfte aller amerikanischen Toten des Angriffs, darunter auch
der Kommandant Franklin van Valkenburgh und Konteradmiral Isaac C. Kidd. Die Arizona brannte noch zwei Tage
nach dem Angriff. Die auf der Innenseite der Battleship Row liegenden Schlachtschiffe Maryland und Tennessee
wurden vergleichsweise leicht beschädigt; von Torpedos konnten sie nicht getroffen werden, da auf der einen Seite
Ford Island und auf der anderen Seite die außen liegenden Schlachtschiffe Oklahoma und West Virginia im Weg
waren. Beide Schiffe wurden von je zwei Bomben getroffen, auf der Tennessee fielen dadurch zwei der zwölf
35,6 cm (14 Zoll) Geschütze aus. Die nach der Explosion der Arizona aufsteigenden dichten Rauchwolken
erschwerten jedoch den japanischen Bombenschützen das Zielen auf die beiden Schiffe. Das Achterschiff der von
den gesunkenen Schiffen eingeklemmten Tennessee erlitt jedoch starke Schäden durch Hitzeeinwirkung, da es zwei
Tage lang im brennenden Öl der Arizona lag.
Gleichzeitig griffen die restlichen 16 Torpedobomber die Nordwestseite von Ford Island an, wo sich auch die
Liegeplätze der Flugzeugträger befanden. Dort lagen aber nur die Kreuzer Detroit und Raleigh, der
Seeflugzeug-Tender Tangier sowie das zum Schulschiff für Flugabwehrkanoniere umgebaute alte Schlachtschiff
Utah. Gemäß dem Befehl, nur Schlachtschiffe und Träger anzugreifen, drehten die meisten der Bomber ab, einige
führten den Angriff trotzdem durch. Möglicherweise identifizierten sie die Schiffe falsch und hielten die Utah für
eines der neueren Schlachtschiffe, die es auszuschalten galt. Die Utah wurde von zwei Torpedos getroffen und
kenterte nach zehn Minuten. Die Raleigh erhielt einen Torpedotreffer, konnte aber mit einiger Mühe über Wasser
gehalten werden. Die restlichen Torpedobomber überflogen Ford Island und setzten danach zu einem Angriff auf die
Schlachtschiffe an, bis auf eine Maschine, die ihren Torpedo auf den Kreuzer Helena abwarf. Der Torpedo lief unter
dem neben der Helena liegenden Minenleger Oglala hindurch und traf den Kreuzer Mittschiffs, wodurch ein
Maschinenraum überflutet wurde. Die Wucht der Detonation fügte der Oglala so schwere Schäden zu, dass sie zwei
Stunden später kenterte.
208
Angriff auf Pearl Harbor
209
Gleichzeitig mit dem Angriff der Torpedobomber griffen Sturzbomber und Jäger die Flugplätze Ewa, Hickam Field,
Wheeler Field, Ford Island und Kāneʻohe an. Besonders auf den Armee-Flugplätzen Hickam und Wheeler waren die
nebeneinander aufgereihten amerikanischen Maschinen leichte Ziele, aber auch den anderen Flugplätzen erging es
nicht viel besser. Neben Bellows Field, das nur von einem einzigen Jäger beschossen wurde, blieb nur der kleine
Flugplatz Haleʻiwa verschont. Der Großteil der Flugzeuge wurde am Boden zerstört oder beschädigt. Es gelang nur
einer Handvoll amerikanischer Jäger der Typen P-36 Hawk und P-40 Warhawk zu starten. Am erfolgreichsten waren
die Piloten Kenneth Taylor und George Welch, die während des Angriffs zweimal landeten, um neue Munition zu
fassen und insgesamt sechs japanische Maschinen abschossen.[19] Während des Angriffs trafen auch die erwarteten
B-17 Bomber ein, die aber keine Bordwaffen und nach dem langen Flug auch keine Treibstoffreserven mehr hatten.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als mitten im Angriff irgendwo die Landung zu versuchen, was allen 11
Maschinen trotz Angriffen japanischer Jäger gelang (einer der Bomber landete auf einem Golfplatz).[17] Weniger
Glück hatten die ebenfalls eintreffenden Maschinen der Enterprise. Sie wurden nicht nur von japanischen Jägern,
sondern auch von der amerikanischen Flak beschossen und verloren dabei 6 der 18 Bomber.
Nachdem die letzten Maschinen der ersten Welle abgeflogen waren, kam es zu einer kurzen Ruhepause. Mehrere
amerikanische Schiffe liefen aus dem Hafen aus, um den relativen Schutz der offenen See zu erreichen, die meisten
von ihnen ohne vollständige Besatzung. So lief z. B. der Zerstörer Blue unter dem Kommando von vier Fähnrichen
aus, alle anderen Offiziere waren nicht an Bord gewesen. Auf dem Weg zur Hafenausfahrt sahen
Besatzungsmitglieder des Kreuzers St. Louis plötzlich zwei Torpedos auf das Schiff zulaufen, die jedoch an einem
Unterwasserhindernis explodierten. Wahrscheinlich wurden sie von einem der japanischen Kleinst-U-Boote
abgeschossen. Der Zerstörer Helm sichtete ein weiteres Kleinst-U-Boot an der Hafenausfahrt, sein Angriff auf das
Boot blieb erfolglos, aber das U-Boot strandete auf einem Riff. Eines der beiden Besatzungsmitglieder ertrank, das
andere, Leutnant Sakamaki Kazuo, wurde der erste japanische Kriegsgefangene der Amerikaner. Auch der Zerstörer
Monaghan sichtete beim Auslaufen ein U-Boot im Hafenbecken, das er mit Wasserbomben versenkte. Von den
Schlachtschiffen war die Nevada das einzige, das es schaffte abzulegen, da die Maryland und Tennessee durch die
gesunkenen Oklahoma und West Virginia blockiert waren.
Zweiter Angriff
Die Nevada hatte das Hafenbecken noch nicht verlassen, als um 8:50
Uhr die aus Sturz-und Horizontalbombern bestehende zweite
japanische Angriffswelle eintraf. 23 Bomber griffen die Nevada an in
der Hoffnung, das Schlachtschiff im engen Zufahrtskanal zu versenken
und damit den Hafen zu blockieren. Sie erzielten mindestens fünf
direkte Treffer, von denen zwei Löcher in den Rumpf schlugen. Als
klar wurde, dass die Nevada es nicht durch den Kanal schaffen würde,
entschlossen sich die kommandierenden Offiziere, abzudrehen und
setzten das Schlachtschiff am Hospital Point auf Grund.
Das Schlachtschiff Pennsylvania befand sich während des Angriffs im
Trockendock, zusammen mit den Zerstörern Cassin und Downes, die
nebeneinander vor dem Schlachtschiff lagen. Die erste japanische
Angriffswelle übersah die Pennsylvania vollständig, erst die
Maschinen der zweiten Welle entdeckten und bombardierten sie. Dabei
erzielten sie jedoch nur einen einzigen Treffer, der einige Geschütze
mittschiffs ausschaltete, aber ansonsten nur geringe Schäden
verursachte. Die beiden Zerstörer wurden jedoch von mehreren für die
Die Wracks der Zerstörer Cassin und Downes vor
der Pennsylvania
Angriff auf Pearl Harbor
Pennsylvania bestimmten Bomben getroffen, deren Fragmente ihre
Rümpfe durchlöcherten und das aus ihren Treibstofftanks auslaufende
Öl entzündeten. Die zahlreichen Brände sowie explodierende Munition
richteten schwere Schäden an den Rümpfen der Zerstörer an, die
Rümpfe wurden durch die entstehenden strukturellen Schäden
praktisch zerstört. Auch am Bug der Pennsylvania entstand durch das
Feuer ein allerdings eher oberflächlicher Schaden. Während des
Angriffs wurde das Dock zur Hälfte geflutet, dadurch sollten im Falle
der Zerstörung des Außentors des Docks Schäden durch
hereinbrechendes Wasser verhindert werden. Die Cassin schwamm
Das Wrack des Zerstörers USS Shaw im
zerstörten Schwimmdock YFD-2
dabei teilweise auf und kippte gegen die Seite der Downes. Der in der
Nähe in einem Schwimmdock liegende Zerstörer Shaw wurde dreimal
im Vorschiff getroffen. Die resultierenden Brände bekam man nicht unter Kontrolle, so dass eine halbe Stunde später
die vorderen Magazine des Zerstörers detonierten. Durch die Explosion wurde das Schwimmdock versenkt,
außerdem verlor die Shaw ihren kompletten Bug, dessen Trümmer bis zu 800 Meter weit flogen.
Andere Bomber der zweiten Welle griffen vereinzelt verschiedene Schiffe im Hafen an, so wurden die Raleigh und
die Curtiss von je einer Bombe getroffen. Auch die Flugplätze wurden erneut bombardiert. Gegen 9:45 Uhr drehten
die letzten japanischen Maschinen ab und kehrten zu ihren Flugzeugträgern zurück. Als eine der letzten Maschinen
landete um 13:00 Uhr Fregattenkapitän Fuchida, der während des gesamten Angriffs über Pearl Harbor geblieben
war, um die entstandenen Schäden zu beobachten. Nachdem Admiral Nagumo seine erste Beurteilung gehört hatte,
befahl er um 13:30 Uhr den Rückzug ohne einen weiteren Angriff.[19]
Amerikanische Aufklärer, die nach dem Angriff starteten, suchten im Norden nach dem japanischen Verband,
konnten ihn aber nicht finden, da er viel weiter nördlich als angenommen stand. Daraufhin wurde vermutet, dass der
beobachtete An- und Abflug der Japaner aus Richtung Norden nur eine Finte war und die japanischen Träger
westlich oder südlich von Hawaiʻi standen.
Verantwortlich für diese Fehleinschätzung waren die zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Reichweiten der
japanischen Trägerflugzeuge, welche die ihrer amerikanischen Gegenstücke weit übertrafen. Während die
japanischen Kate, Val und Zero Reichweiten von über 1500 km hatten, hatte der amerikanische Sturzkampfbomber
SBD Dauntless eine Reichweite von 1200 km, der Torpedobomber TBD Devastator schaffte mit einem Torpedo
ausgerüstet sogar nur 700 km (1150 km mit einer 453 kg Bombe). Die reine Flugstrecke für Hin- und Rückflug nach
Pearl Harbor vom 400 km entfernten Startpunkt betrug schon 800 km. Zusätzlich flogen die meisten Maschinen nach
dem Start zuerst im Kreis, während sie sich über den Trägern formierten und auf die restlichen Maschinen warteten.
Auch während der Landung wurde zusätzlicher Treibstoff verflogen, da immer nur ein Flugzeug zur Zeit landen
konnte und die anderen entsprechend lange warten mussten. Bei der Schlacht von Midway starteten die
amerikanischen Träger ihre Maschinen erst, nachdem sie sich auf 200 km an ihr Ziel angenähert hatten. Dass die
Japaner aus der doppelten Entfernung starten konnten, konnte man sich nicht vorstellen, weshalb die amerikanischen
Aufklärer zu früh abdrehten. Diese Fehleinschätzung der Reichweiten führte in den folgenden Monaten auf Seiten
der Alliierten immer wieder zu der falschen Annahme, japanische Flugzeugträger müssten in der Nähe sein, wenn
japanische Flugzeuge dieser Typen an Orten gesichtet wurden, die nach fester Überzeugung der alliierten
Kommandeure außerhalb der Reichweite japanischer Flugplätze lagen.
210
Angriff auf Pearl Harbor
211
Nagumos Entscheidung zum Rückzug
Nach der ursprünglichen Planung hätte auf die ersten beiden
Angriffswellen mindestens eine weitere folgen sollen, um die
Werftanlagen und Treibstofftanks zu zerstören. Der Verlust dieser
Anlagen und Vorräte hätte Operationen der US-Streitkräfte im Pazifik
in den folgenden Monaten massiv eingeschränkt. Angesichts des
Kriegsverlaufs sind viele Historiker der Auffassung, dass das
Ausschalten von Pearl Harbor als Flottenstützpunkt für die USA ein
weit schwererer Verlust gewesen wäre als die ausgeschalteten
Schlachtschiffe. Dennoch entschloss sich Admiral Nagumo, die dritte
Welle nicht zu starten, sondern sich zurückzuziehen, sobald die
Angriffsverbände zurückgekehrt waren. Folgende Gründe führte er für
seine Entscheidung an:
Die U-Boot-Basis mit den daneben liegenden
Treibstofftanks
• die von der ersten und zweiten Angriffswelle eintreffenden Berichte ließen keinen Zweifel daran, dass die in Pearl
Harbor liegenden Schlachtschiffe vernichtend getroffen worden waren. Ohne diese Schiffe war die US-Flotte
selbst bei massiver Verstärkung durch Schiffe aus dem Atlantik nicht in der Lage, die gleichzeitig angelaufene
japanische Großoffensive in Südostasien ernsthaft zu behindern. Das strategische Hauptziel des Angriffs war
damit erreicht.
• das Vorbereiten einer dritten Welle hätte beträchtliche Zeit gedauert. Die Maschinen der ersten Welle wurden
nach der Landung sofort unter Deck gebracht, da die Flugdecks für die Landung der zweiten Welle frei sein
mussten. Die Neuausrüstung mit Bomben und Treibstoff hätte zusätzlich Zeit benötigt, dann mussten die
Maschinen zum Starten wieder auf das Flugdeck gebracht werden, wobei man gleichzeitig die auf dem Flugdeck
stehenden gelandeten Maschinen in das Hangardeck bringen musste. Dieser komplexe und zeitraubende Prozess
hätte bedeutet, dass die dritte Welle nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurückgekehrt wäre. Nachtlandungen auf
Trägern waren 1941 nicht üblich, es gab noch keine sicheren Verfahren für das Landen bei Dunkelheit und die
Trägermaschinen waren zumeist nicht nachtflugtauglich. Eine Nachtlandung hätte höchstwahrscheinlich den
Verlust vieler erfahrener Piloten bedeutet, die Japan nicht entbehren konnte. Darüber hinaus wären die Schiffe
während der Neuausrüstung der Flugzeuge äußerst verwundbar gewesen. Sechs Monate später wurden die
Flugzeugträger Akagi, Sōryū, Hiryū und Kaga in der Schlacht um Midway durch einen verhältnismäßig
schwachen Angriff, der zufälligerweise während ihrer Startvorbereitungen erfolgte, vernichtet.
• die Verluste der zweiten Welle waren doppelt so hoch gewesen wie die der ersten, da sie ohne
Überraschungsmoment angriff. Ein weiterer Angriff würde aufgrund der mehrstündigen Pause gegen einen voll
abwehrbereiten Feind fliegen und noch höhere Verluste erleiden.
• solange die Maschinen unterwegs waren, musste Nagumo auf seiner Position bleiben, damit sie ihn zum Landen
finden konnten. Dies würde jedoch amerikanischen Streitkräften die Möglichkeit zum Gegenschlag mit eventuell
verbliebenen Bombern sowie ihren U-Booten geben. Obwohl die japanischen Geschwader zur Täuschung die
Insel aus allen Richtungen angeflogen hatten, musste er damit rechnen, dass die Amerikaner bemerkt hatten, aus
welcher Richtung die Maschinen an- und abflogen.
• die Flugzeugträger wurden für die Offensive in Südostasien benötigt. Viele der Ziele in Indonesien und Neu
Guinea lagen außerhalb der Reichweite landgestützter Flugzeuge. Er durfte seine Verbände (Träger und ihre
Flugzeuge) keinem großen Risiko aussetzen, wenn es dafür keinen zwingenden Grund gab. Die Vernichtung des
Stützpunktes Pearl Harbor war seiner Meinung nach nicht ausreichend dafür.
Mehrere Stabsoffiziere sowie Geschwaderkommandanten der zurückgekehrten ersten Angriffswelle bedrängten ihn,
den dritten Angriff dennoch durchzuführen, konnten ihn jedoch nicht umstimmen.[19]
Angriff auf Pearl Harbor
212
Bilanz
Verluste
Die unmittelbaren Ergebnisse des Angriffs sind widersprüchlich
beurteilt worden. Dies liegt daran, dass kleinere Schiffe oft nicht
mitgezählt wurden oder es Unstimmigkeiten bei der Zählung von
beschädigten oder zerstörten Schiffen gab. Die Toten und
Verwundeten wurden teilweise getrennt nach Zivilisten, Marine- und
Armee-Zugehörigkeit erfasst, in manchen Bilanzen wurden die zivilen
Opfer gar nicht erfasst.
Die folgende Bilanz gibt also nur ungefähr wieder, welche Zerstörung
und wie viele Opfer in Pearl Harbor zu verzeichnen waren.
Aufrichtung der Oklahoma im März 1943
Verluste auf US-amerikanischer Seite
•
•
•
•
•
•
etwa 2403 Mann gefallen
etwa 1178 Verwundete
etwa 12 gesunkene oder gestrandete Schiffe
etwa 9 beschädigte Schiffe
etwa 164 zerstörte Flugzeuge
etwa 159 beschädigte Flugzeuge
Letztendlich wurden bis auf zwei Schiffe alle versenkten
amerikanischen Einheiten wieder gehoben und noch im Zweiten
Weltkrieg wieder eingesetzt. Zusammen mit der Mississippi schlugen
West Virginia (vorn) und Tennessee schwer
fünf der in Pearl Harbor versenkten oder beschädigten Schlachtschiffe
beschädigt auf Grund liegend
(Maryland, West Virginia, Tennessee, California und Pennsylvania)
1944 die Schlacht in der Surigao-Straße. In diesem letzten Gefecht
zwischen Schlachtschiffflotten, ausgetragen von Schlachtschiffen aus dem Ersten Weltkrieg und nicht den
moderneren Iowas und Yamatos, versenkten sie die japanischen Schlachtschiffe Yamashiro und Fusō. Die Nevada
fuhr 1944 als Teil der Alliierten Invasionsflotte in Richtung Normandie.
Die durch die Magazinexplosion fast völlig zerstörte Arizona ist heute eine Gedenkstätte, das Wrack des zum
Flak-Ausbildungsschiff umgebauten alten Schlachtschiffs Utah wurde lediglich in eine Position gezogen, wo es
nicht im Weg liegt. Als letztes Schiff wurde 1943 die gekenterte Oklahoma gehoben, die langwierige Reparatur ihrer
massiven strukturellen Schäden lohnte sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Die Zerstörer Cassin und Downes
waren zwar praktisch Totalverluste, jedoch baute man die größtenteils intakten Maschinen und Geschütze in neue
Rümpfe ein. Diese erhielten die alten Rumpfnummern, womit die US Navy die Schiffe als „repariert“ betrachtete.
Angriff auf Pearl Harbor
213
Verluste auf japanischer Seite
•
•
•
•
etwa 65 Piloten und U-Boot-Besatzungsmitglieder gefallen,
etwa 29 zerstörte Flugzeuge,
etwa 5 versenkte Zwei-Mann-U-Boote,
1 Gefangener (U-Boot-Kommandant Leutnant Sakamaki Kazuo).
Die geringen japanischen Verluste von lediglich 29 Flugzeugen
übertrafen selbst die optimistischsten Prognosen der Planer des
Angriffs. Man hatte mit weit höheren Verlusten gerechnet. Dass diese
nicht eintraten, lag sowohl an der erreichten vollständigen
Überraschung sowie an der mangelnden Kampfbereitschaft, in der sich
die amerikanischen Streitkräfte vor dem Angriff befanden.
Wrack eines japanischen Kleinst-U-Bootes
Strategische Auswirkungen
Gleichzeitig mit dem Angriff auf Pearl Harbor begann die erwartete
japanische Offensive im Pazifik, japanische Truppen marschierten in
Thailand ein und landeten auf den Philippinen. Am Morgen des
10. Dezember malaiischer Ortszeit (knapp 48 Stunden nach dem
Angriff) versenkten japanische Bomber mit der Prince of Wales und
der Repulse zum ersten Mal in der Geschichte Schlachtschiffe auf
hoher See und in voller Gefechtsbereitschaft. Die Versenkung dieser
schnellen und modernen Schiffe allein durch Luftstreitkräfte beendete
die bis dahin dominierende Rolle des Schlachtschiffes in der
Seekriegsführung.
Die japanischen Eroberungen von 1937 bis März
1942
Mit nur noch einem verfügbaren Schlachtschiff, der nicht in Pearl
Harbor liegenden Colorado, stellte die amerikanische Pazifikflotte keine Bedrohung mehr dar, was Japan erlaubte,
seine gesamte Flotte in Südostasien einzusetzen. Durch seine jetzt gewaltige Überlegenheit zur See und in der Luft
hatte es die uneingeschränkte Initiative im Kampfraum, wodurch es den Japanern gelang, die nominell gleichstarken
alliierten ABDA-Streitkräfte (beide Seiten verfügten im Kampfgebiet über ca. 11 Divisionen an Landstreitkräften)
innerhalb von drei Monaten ohne größere Schwierigkeiten zu überrennen.
Der amerikanischen Pazifikflotte blieb nach dem Angriff nur die Defensive übrig. An offensive Operationen war für
lange Zeit nicht zu denken, da die japanische Flotte jetzt in jeder Hinsicht überlegen war. Zwar gelang es, die
leichter beschädigten Schlachtschiffe Maryland, Tennessee und Pennsylvania binnen dreier Monate in Tag- und
Nachtarbeit zu reparieren, womit zusammen mit der Colorado und den aus dem Atlantik zurückverlegten Idaho,
Mississippi und New Mexico wieder 7 Schlachtschiffe zur Verfügung standen. Damit war man jedoch den
inzwischen um die Yamato verstärkten 11 japanischen Schlachtschiffen deutlich unterlegen.
Bei den Flugzeugträgern war das Kräfteverhältnis noch ungünstiger. Obwohl man keinen Träger verloren hatte und
Verstärkung durch die Yorktown und Hornet erhielt, standen den 5 amerikanischen Trägern 11 japanische
gegenüber. Erheblich schwerer als die numerische Unterlegenheit wog der qualitative Unterschied in dieser nun
äußerst wichtigen Waffengattung. Die Japaner verfügten über große Erfahrung in Trägeroperationen, ihre
Mannschaften waren perfekt eingespielt und ihre Piloten hatten in den letzten vier Jahren über China
Kampferfahrung sammeln können. Auf amerikanischer Seite waren größere Trägeroperationen zwar nichts Neues,
denn man hatte in Manövern der Vorkriegszeit Angriffe von Flugzeugträgern auf den Panama-Kanal geübt und
ausgewertet. Da aber die US-Träger in der Zwischenzeit mit neuen Flugzeugmustern ausgerüstet worden waren,
hatte man anfangs Probleme mit der Koordination der Aktivitäten auf dem Flugdeck. Als sechs Monate später in der
Angriff auf Pearl Harbor
Schlacht um Midway die Träger Enterprise und Hornet alle Maschinen zu einem gemeinsamen Angriff starten
sollten, dauerte es nach dem Start der ersten Hälfte der Maschinen zu lange, die zweite Hälfte startklar zu machen.
Man war gezwungen, den gemeinsamen Angriff aufzugeben und die bereits gestarteten Flugzeuge alleine
loszuschicken, bevor sie beim Warten zu viel Treibstoff verflogen. Als Folge davon erlitten die jetzt ohne Jagdschutz
angreifenden Verbände schwere Verluste. Schwerer jedoch wog die mangelnde technische Ausrüstung, speziell bei
Jagdflugzeugen und der Torpedowaffe. Die Grumman F4F war der Mitsubishi A6M in Manövrierfähigkeit,
Steigleistung und Geschwindigkeit stark unterlegen und es dauerte bis Mitte 1943, bis geeignete Flugzeugmuster
(Grumman F6F und Vought F4U) zur Verfügung standen. Allerdings ermöglichte die inzwischen von John S.
„Jimmy“ Thach entwickelte neue Luftkampftaktik den US-Piloten auch mit den älteren Maschinen echte Chancen
auf Luftsiege gegen die japanischen Typen. Bei den Torpedoflugzeugen war die Douglas TBD hoffnungslos veraltet.
Zwar wurde sie nach der Schlacht um Midway durch die Grumman TBF ersetzt, aber die Torpedos selbst waren
langsam und funktionierten nur selten. Aus Ersparnisgründen hatte man nur wenige Tests vor dem Krieg
durchgeführt, so dass bis 1943 keine wirkungsvollen Torpedos zur Verfügung standen. Die Leistung des japanischen
Long-Lance-Torpedos wurde jedoch nie erreicht.
Da der Überwasserflotte auf absehbare Zeit nichts weiter übrig blieb als zu versuchen, die Stellung so gut es ging zu
halten, bis von den Werften Verstärkung durch neue Schiffe kam, wurden die U-Boote zur einzigen Waffe, mit der
offensiv gegen Japan agiert werden konnte. Als neuer Befehlshaber der Pazifikflotte wurde deshalb Chester W.
Nimitz ernannt, einer der wenigen aus der U-Boot-Waffe hervorgegangenen Admiräle. In der Folgezeit führten die
amerikanischen U-Boote gegen das auf seine Seeverbindungen angewiesene Japan einen Tonnagekrieg, der so
erfolgreich war, dass er heute von allen Seiten als eine der Hauptursachen für den amerikanischen Sieg im Pazifik
angesehen wird[20] .
Das japanische Oberkommando betrachtete die Schlacht seinerzeit als einen strategischen Erfolg, der seine kühnsten
Erwartungen übertraf. Die japanische Flotte hatte an der Grenze ihrer Reichweite operiert, den Feind in einem kaum
für möglich gehaltenen Ausmaß überrascht und seine gesamte Schlachtflotte auf einen Schlag ausgeschaltet.
Angesichts der unerwartet niedrigen eigenen Verluste von nur 29 Maschinen erschienen das Fehlen der
Flugzeugträger sowie die Verschonung der Docks und Öllager als kleine Schönheitsfehler in einem ansonsten
unglaublich perfekten japanischen Sieg.
Heute wird der Angriff hingegen in allen Punkten als vollständiger strategischer Fehlschlag angesehen. Dass man
keinen Flugzeugträger versenkte, war noch entschuldbar, da das japanische Oberkommando ihre Abwesenheit weder
voraussehen, noch darauf reagieren konnte, als man über das Konsulat vom Auslaufen auch der Lexington am
5. Dezember erfuhr. Der Angriff konnte nur am 7. Dezember durchgeführt werden, der japanische Kampfverband
hatte keine Treibstoffreserven, die ein Verschieben des Angriffs erlaubt hätte, geschweige denn, dass man die
gesamte Offensive in Südostasien kurzfristig aufhalten konnte. Dass Nagumo es unterließ, den Stützpunkt mit dessen
Einrichtungen anzugreifen und zu zerstören, war jedoch sehr nachteilig für die Japaner. Der Verlust der einzigen
Docks im Zentralpazifik hätte die USA zweifellos am härtesten getroffen. Dass dies unterblieb, zeugt von einer
falschen Setzung der Prioritäten sowohl bei Nagumo selbst als auch beim Oberkommando, das die Entscheidung,
den Angriff abzubrechen, später als richtig ansah. Auch der Angriff auf die Schlachtschiffe wird oft kritisiert, da sie
im flachen Hafenwasser sanken, konnten sie doch relativ einfach wieder gehoben und repariert werden. Hätte Japan
gemäß dem ursprünglichen Kriegsplan (gültig vor der Verlegung der Flotte von San Diego nach Pearl Harbor) das
Auslaufen der Flotte zur Verstärkung der angegriffenen Philippinen abgewartet und die Schlachtschiffe dann auf
hoher See versenkt, wären diese permanent verloren gewesen. Hinzu kommt noch, dass sich die versenkten
Schlachtschiffe aufgrund ihrer geringen Geschwindigkeit für die neue Rolle des Schlachtschiffs als
Flugzeugträger-Eskorte ungeeignet erwiesen und während des Krieges hauptsächlich amphibische Landungen mit
ihrer Artillerie unterstützten.
214
Angriff auf Pearl Harbor
215
Politische Auswirkungen
Die schwerwiegendste Folge war die Wirkung des Angriffs auf die
öffentliche Meinung in den USA: Isolationismus und Pazifismus
verloren auf einen Schlag ihren Einfluss. Am 8. Dezember erklärten
die USA Japan offiziell den Krieg, die Kriegserklärung wurde im
vorher zwischen Isolationisten und Interventionisten gespaltenen
Kongress mit nur einer Gegenstimme verabschiedet.[21] Vier Tage
später erklärten Deutschland und Italien, die von dem Angriff ebenfalls
überrascht worden waren, den USA den Krieg, womit die USA auch in
den europäischen Teil des Krieges eintraten.
Der Überraschungsangriff galt in den USA als hinterhältig und perfide,
da er ohne vorherige Kriegserklärung (auch die am 7. Dezember
verspätet überreichte Note enthielt lediglich den Abbruch der
Verhandlungen) und für die Bevölkerung der USA vollkommen
überraschend erfolgt war. In den USA gilt der Begriff Pearl Harbor
seither als Metapher für einen verheerenden, unprovozierten und
unvorhergesehenen Angriff. Der 7. Dezember 1941 wird oft als Day of
Infamy (Tag der Ehrlosigkeit) bezeichnet, nach der Eröffnung der Rede
Präsident Roosevelts, mit der er am nächsten Tag vom Parlament die
Zustimmung zur Kriegserklärung einholte.[22] Der Wunsch nach Rache
und Sieg über Japan führte dazu, dass die Werbebüros der Streitkräfte
von Freiwilligen geradezu überrannt wurden. Den Hass bekamen
japanischstämmige Amerikaner als erste zu spüren, sie wurden Opfer
zahlreicher Übergriffe und schließlich in Internierungslagern inhaftiert.
1988 entschuldigte sich Präsident Ronald Reagan im Namen der
US-Regierung für dieses auf „Rassismus, Vorurteilen und
Kriegshysterie“ basierende Verhalten.[23]
Franklin D. Roosevelt unterzeichnet als Reaktion
am 8. Dezember die Kriegserklärung an Japan
Zur Untersuchung des Angriffs setzte Präsident Roosevelt eine
Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des Verfassungsrichters
Owen Josephus Roberts ein. Am 28. Januar 1942 erklärte die
Kommission in ihrem Bericht Admiral Kimmel und General Short zu
den Hauptverantwortlichen für die Niederlage.[24] Man warf ihnen
aufgrund der mangelnden Gefechtsbereitschaft ihrer Streitkräfte
Pflichtvernachlässigung vor. Sie hätten Warnungen nicht ernst genug
genommen und besonders Short habe durch seine Entscheidung,
Propagandaplakat: „Rächt Pearl Harbor“
sämtliche Flugzeuge in der Mitte der Flugplätze zu parken, diese zu
leichten Zielen gemacht. Beide Kommandeure waren bereits Mitte
Dezember 1941 von ihren Posten abgelöst worden, wodurch sie automatisch von ihren bisherigen (aber nur temporär
für ihr Kommando vergebenen) 4-Sterne-Rängen in 2-Sterne-Ränge zurückfielen. Ihre Karrieren waren damit
praktisch beendet. Die von der Roberts-Kommission vertretene Auffassung war von Anfang an kontrovers; viele
sahen in Kimmel und Short Sündenböcke, die bei einer Anklage von einem Militärgericht jederzeit freigesprochen
worden wären. 1944 führten zwei Kommissionen, eine der Armee (Army Pearl Harbor Board) und eine der Marine
(Navy Court of Inquiry), eine weitere Untersuchung des Angriffs durch (insgesamt wurden nach der
Roberts-Kommission bis 1946 sieben Untersuchungen des Angriffs durchgeführt). Tatsächlich befand der Navy
Angriff auf Pearl Harbor
Court of Inquiry, dass Admiral Kimmel nichts vorzuwerfen sei, der Bereitschaftsgrad der Flotte sei der Admiral
Kimmel bekannten Lage angemessen gewesen. Besonderes Gewicht wurde darauf gelegt, dass die Flakgeschütze der
Schiffe einsatzbereit waren und bei Beginn des Angriffs sofort das Feuer eröffneten, während die Flakgeschütze der
Armee teilweise stundenlang auf Munition warteten. General Stark hingegen wurde massiv kritisiert, weil er die
Möglichkeit eines Angriffs nicht vorhergesehen hatte und Pearl Harbor in seiner Kriegswarnung nicht als mögliches
Angriffsziel erwähnt wurde.[25] Das Army Pearl Harbor Board hingegen befand, dass sich General Short tatsächlich
der Pflichtvernachlässigung schuldig gemacht habe, kritisierte aber ebenfalls die Armeeführung in Washington,
insbesondere General Marshall. Auch die Armeeführung hatte die Möglichkeit eines Angriffs nicht erkannt und den
ihr bekannten geringen Bereitschaftsgrad der Armee auf Hawaii nicht korrigiert, obwohl sie mit einem
bevorstehenden Krieg mit Japan rechnete.[26] Beide Berichte wurden jedoch während des Krieges geheim gehalten,
zum einen, weil mehrere der kritisierten Offiziere inzwischen hohe Positionen innehatten und dort als hervorragend
bewertete Arbeit leisteten; ihre Ablösung wurde für die Kriegführung als nachteilig angesehen. Ein anderer Grund
war die Rolle, die die entschlüsselten japanischen Funksprüche für die Beurteilung durch die Kommissionen hatte.
Dass der japanische Code gelesen werden konnte, musste aber während des noch laufenden Krieges geheim bleiben.
Am 25. Mai 1999 schließlich verabschiedete der Senat mit 52 zu 47 Stimmen eine Resolution, die Kimmel und Short
von allen Vorwürfen freisprach und sie posthum in den 4-Sterne Rang erhob, den alle anderen ranghöheren
amerikanischen Offiziere des Zweiten Weltkrieges spätestens bei ihrem Ausscheiden aus den Streitkräften erhalten
hatten.[27]
In Japan löste der Angriff gemischte Gefühle aus. Admiral Yamamoto war entsetzt darüber, dass die japanische
diplomatische Note erst nach dem Angriff überreicht worden war. Dies verschlimmerte die seiner Meinung nach von
Anfang an nicht aussichtsreiche Lage Japans, den Krieg zu gewinnen. Den Tag nach Pearl Harbor soll er in
Depressionen versunken verbracht haben, während sein Stab feierte. Es gibt zwar keinen Beleg, dass er den
berühmten Satz „Ich fürchte, alles, was wir erreicht haben, ist, einen schlafenden Riesen zu wecken und mit einem
furchtbaren Vorsatz zu erfüllen.“ je gesagt hat, der ihm im Film Tora! Tora! Tora! zugeschrieben wird. Nach
Aussage von Zeitzeugen gibt der Satz aber die Stimmung Yamamotos nach dem Angriff durchaus zutreffend wieder.
Für die japanische Bevölkerung kam der Angriff genauso überraschend wie für die amerikanische, und obwohl die
japanische Regierung seit einiger Zeit durch Propaganda anti-amerikanische Stimmung zu erzeugen versuchte,
scheinen viele Japaner entsetzt darüber gewesen zu sein, dass sie sich jetzt im Krieg mit den Vereinigten Staaten
befanden, einem Land, das von nicht wenigen Japanern bewundert wurde. Die Japaner scheinen jedoch die
Rechtfertigung der Regierung, dass der Krieg unvermeidbar war, akzeptiert zu haben und unterstützten im
Folgenden bis zur japanischen Kapitulation die Kriegspolitik. [28]
Verschwörungstheorien
siehe hierzu: Verschwörungstheorien zum Angriff auf Pearl Harbor
Seit dem Angriff äußern Kritiker Zweifel daran, dass die US-Regierung von dem Angriff überrascht wurde. Sie
werfen der Regierung vor, sie habe den Angriff gezielt provoziert, bzw. von dem kommenden Angriff gewusst und
die Flotte nicht gewarnt, um den Kriegseintritt der USA herbeizuführen.
Sie kommen zu dem Schluss, dass sich die US-Streitkräfte der Möglichkeit eines japanischen Angriffs auf Pearl
Harbor wohl bewusst gewesen sein mussten. Amerikanische und britische Geheimdienste hätten schon Wochen
zuvor nicht nur den streng geheimen diplomatischen Funkverkehr aus Tokio decodiert und mitgehört, die
Funkaufklärung der Marine soll auch den entscheidenden japanischen Militärcode (5-Num-Code) vorzeitig
entschlüsselt haben. Auch soll der japanische Flottenverband die befohlene Funkstille nicht eingehalten haben,
sodass dessen Bewegungen mitverfolgt werden konnten. Dabei beruft man sich teilweise auf Dokumente, die nach
dem Freedom of Information Act freigegeben wurden.
Schon wenige Wochen nachdem das japanische Marineministerium die Entscheidung traf, einen Angriff auf Hawaiʻi
in die Kriegsplanungen aufzunehmen, machte in Tokio das Gerücht die Runde, Japan wolle im Kriegsfall mit den
216
Angriff auf Pearl Harbor
USA Pearl Harbor bombardieren. Am 27. Januar 1941 berichtete der amerikanische Botschafter in Japan, Joseph C.
Grew, dass der peruanische Botschafter einem US-Botschaftsangestellten erzählt hätte, dass viele Quellen, inklusive
einer japanischen, von einem geplanten Großangriff auf Pearl Harbor sprächen, wenn es zum Zerwürfnis mit den
USA käme.[5] [29] Die amerikanische Führung sei darum über den bevorstehenden Angriff von Beginn der
Vorbereitungen an informiert gewesen.
Siehe auch
• Chronologischer Kriegsverlauf des Pazifikkrieges
• Operation Vengeance
Literatur
• Stan Cohen: East Wind Rain. A Pictoral History of the Pearl Harbor Attack. Pictoral Histories Publishing,
Missoula/Mont. 1988, ISBN 0-933126-15-8.
• Peter Herde: Pearl Harbor, 7. Dezember 1941. Der Ausbruch des Krieges zwischen Japan und den Vereinigten
Staaten und die Ausweitung des europäischen Kriegs zum Zweiten Weltkrieg. Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt 1985, ISBN 3-534-07555-2.
• David Kahn: The Codebreakers. The story of secret writing. Scribner, New York 1996, ISBN 0-684-83130-9.
• Hans Lengerer, Sumie Kobler-Edamatsu: Pearl Harbor 1941. Der Paukenschlag im Pazifik nach japanischen
Dokumenten. Podzun-Pallas, Friedberg 1982, ISBN 3-7909-0164-4.
• Walter Lord: Day of Infamy. Holt Books, New York 2001, ISBN 0-8050-6809-0 (Repr. d. Ausg. London 1957)
• George Morgenstern: Pearl Harbor 1941. Eine amerikanische Katastrophe. Herbig, München 2000, ISBN
3-7766-1996-1 (Originalausgabe, New York 1947)
• Gordon W. Prange: At Dawn We Slept. The untold story of Pearl Harbor. Penguin Books, London 2001, ISBN
0-14-100508-4 (Gilt als objektivste Darstellung, behandelt vor allem die Untersuchungen).
• Gordon W. Prange u.a.: December 7, 1941. The Day the Japanese Attacked Pearl Harbor. McGraw Hill Books,
New York 1991, ISBN 0-517-06658-0 (Sehr genaue Darstellung der Ereignisse anhand von unzähligen Quellen).
• Robert B. Stinnett: Pearl Harbor. Wie die amerikanische Regierung den Angriff provozierte und 2476 ihrer
Bürger sterben ließ. Zweitausendundeins Verlag, Frankfurt/M. 2003, ISBN 3-86150-603-3
• Dan van der Vat: Pearl Harbor, „der Tag der Schande“. Das Weltereignis in Bildern. Heyne, München 2001,
ISBN 3-453-19525-6
• Harry Thürk: Pearl Harbor. Die Geschichte eines Überfalls. Brandenburgischer Verlag, Berlin 1993, ISBN
3-89488-043-0.
Filme
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Die Schlacht von Hawaii und in der Malaien-See (Hawai mare oki kaisen) (1942)
Verdammt in alle Ewigkeit (1953)
Tora! Tora! Tora! (1970)
Mac Arthur - Held des Pazifiks (1977)
Der letzte Countdown (1980)
Pearl Harbor (Film) (2001)
Angriff auf Pearl Harbor. Dokumentation, Deutschland (2006)
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Angriff auf Pearl Harbor
Weblinks
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Literatur über Angriff auf Pearl Harbor in Bibliothekskatalogen: DNB [30], GBV [31]
Roosevelts Pearl-Harbor-Rede vom 8. Dezember 1941 [32] (Englisch)
Pearl Harbor: Anhörungen [33] (Englisch)
Pearl Harbor: Mythen, die sich um Pearl Harbor ranken [34] (Englisch)
Pearl Harbor: Dokumente [35] (Englisch)
Der Angriff mit interaktiver Karte bei National Geographic [36] (Englisch)
Fotos der US-Marine mit detaillierter Beschreibung [37] (Englisch)
Pearl Harbor Historiography [38] (Englisch)
Koordinaten: 21° 22′ 0″ N, 157° 57′ 0″ W [39]
Referenzen
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[2] Zusammenstellung der japanischen Militärhistorischen Abteilung zur Politik zwischen 1937 und 1941 (http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ monos/
)
[3] Aussage Tōjōs vor dem Internationalen Tribunal (http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ monos/ 150/ 150app03. html)
[4] Walter Lord, Midway: The Incredible Battle, Wordsworth Editions Ltd., 2000, ISBN 1-84022-236-0
[5] Quelle:Dan van der Vat,Pearl Harbor. Der Tag der Schande.
[6] Die japanische Note vom 7. Dezember 1941 (http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ PTO/ Dip/ Fourteen. html)
[7] David Kahn, The Codebreakers
[8] US-Streitkräfte im Atlantik 1941 (http:/ / www. avalanchepress. com/ Americans-Bismarck. php)
[9] Artikel über die Treffsicherheit der japanischen Marineflieger (http:/ / www. ospreypublishing. com/ content2. php/ cid=74)
[10] Notiz der US-Marine betreffend der Mindestwassertiefe für Torpedoangriffe (http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ myths/ taranto. html)
[11] Befehle an die japanische Flotte inklusive detailliertem Angriffsplan (http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ monos/ 097/ index. html)
[12] Kriegswarnung vom 27. November 1941 (http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ PTO/ EastWind/ CNO-411127. html)
[13] Untersuchungsbericht der US-Army (englisch) (http:/ / www. propagandamatrix. com/ army_board_report. html)
[14] Liste der Schiffe in Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 (http:/ / www. history. navy. mil/ faqs/ faq66-2. htm)
[15] Artikel über die amerikanischen Träger bei Pearl Harbor (http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ myths/ Missing_Carriers. html)
[16] Chronology of the Dutch East Indies, December 1941 unter www.geocities.com (http:/ / web. archive. org/ web/ 20020521203439/ http:/ /
www. geocities. com/ dutcheastindies/ december1. html)
[17] Der Angriff mit interaktiver Karte bei National Geographic (Englisch) (http:/ / plasma. nationalgeographic. com/ pearlharbor/ history/
pearlharbor_facts. html)
[18] Buch "Radar cross section" von Knott, Shaeffer und Tuley, Seite 24, ISBN 978-1-891121-25-8, Scitech Pub Inc, 2003 (englisch)
[19] www.militaryhistoryonline.com/Pearl Habor (http:/ / www. militaryhistoryonline. com/ wwii/ pearlharbor/ default. aspx)
[20] US-Uboote im Pazifik 1941-45 (http:/ / www. u-s-history. com/ pages/ h1710. html)
[21] Die amerikanische Kriegserklärung (http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ PTO/ Dip/ DecWar-J. html)
[22] Rede Präsident Roosevelts am 8. Dezember (http:/ / www. history. navy. mil/ branches/ teach/ pearl/ infamy/ infamy6. htm)
[23] Übersicht über die Internierung Amerikaner japanischer Abstammung (http:/ / www. momomedia. com/ CLPEF/ history. html)
[24] Bericht der Roberts-Kommission (http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ pha/ roberts/ roberts. html)
[25] Bericht des Navy Court of Inquiry 1944 (http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ pha/ navy/ navy_0. html)
[26] Bericht des Army Pearl Harbor Board 1944 (http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ pha/ army/ chap_0. html)
[27] Resolution des US Senats 25. Mai 1999 (http:/ / www. senate. gov/ legislative/ LIS/ roll_call_lists/ roll_call_vote_cfm. cfm?congress=106&
session=1& vote=00142)
[28] Robert Guillain, I saw Tokyo burning: An eyewitness narrative from Pearl Harbor to Hiroshima (J. Murray, 1981). ISBN 0-7195-3862-9
[29] Quelle: Peace and War - United States Foreign Policy 1931-1941, Departement of State: Washington, 1943 auf www.ibiblio.org (http:/ /
www. ibiblio. org/ hyperwar/ Dip/ PaW/ PaW-14. html)
[30] http:/ / d-nb. info/ gnd/ 4127711-9
[31] http:/ / gso. gbv. de/ DB=2. 1/ CMD?ACT=SRCHA& IKT=1016& SRT=YOP& TRM=4127711-9
[32] http:/ / bcn. boulder. co. us/ government/ national/ speeches/ spch2. html
[33] http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ pha/
[34] http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ myths/
[35] http:/ / avalon. law. yale. edu/ subject_menus/ pmenu. asp
[36] http:/ / plasma. nationalgeographic. com/ pearlharbor/ history/ pearlharbor_facts. html
[37] http:/ / www. history. navy. mil/ photos/ events/ wwii-pac/ pearlhbr/ pearlhbr. htm
[38] http:/ / www. lewrockwell. com/ north/ north26. html
218
Angriff auf Pearl Harbor
219
[39] http:/ / toolserver. org/ ~geohack/ geohack. php?pagename=Angriff_auf_Pearl_Harbor& language=de& params=21. 3666666667_N_157.
95_W_region:US-HI_type:waterbody
Japanische Invasion Südostasiens
Die Japanische Invasion Südostasiens fand vom 7. Dezember 1941 bis Mitte des Jahres 1942 statt. Die Japaner
besetzten in diesem Zeitraum im Rahmen des Zweiten Weltkriegs die Philippinen, die malaiische Halbinsel inklusive
Singapur, Niederländisch-Ostindien, Teile Neubritanniens und Neuirlands. Die dort stationierten Truppen der USA,
Großbritanniens, Australiens und der Niederlande konnten den vorrückenden japanischen Landungseinheiten kaum
Widerstand entgegensetzen, so dass Südostasien bis 1945 fest in japanischer Hand war. Erst nachdem im Verlauf des
Pazifikkriegs die USA die japanische Flotte immer weiter dezimiert hatte und die Alliierten mit Vorstößen die
Besatzer zurückdrängen konnten, gelang es Südostasien schrittweise zurück zu erobern.
Vorgeschichte
→ Vorgeschichte des Pazifikkrieges
Anfang des 20. Jahrhunderts war der Großteil Ostasiens und des
Südpazifiks unter der Herrschaft europäischer und amerikanischer
Kolonialmächte. Indochina gehörte zu Frankreich, die Philippinen zu
den USA, Niederländisch-Ostindien den Niederlande, sowie das
heutige Malaysia zu Großbritannien. Korea und Taiwan waren
japanische Kolonien.
Die japanischen Eroberungen in Südostasien 1941
Von 1912 bis 1926 regierte mit dem Taishō-Tennō Yoshihito ein
psychisch kranker Mann, wodurch sich die Macht vom Tennō und
seinen Vertrauten, den Genrō, auf das Parlament und die neu
gegründeten Parteien verschob. 1926 begann mit Hirohitos
Inthronisierung die Shōwa-Zeit. Er regierte ein Land, in dem seit dem
Ende des Ersten Weltkrieges nationalistische Kräfte zunehmend an
Einfluss gewannen.
Nachdem es nicht gelungen war, die Wirtschaftskrise ab 1929 im
Rahmen der weltwirtschaftlichen Lage einzudämmen, wurden in Japan
Die Machtverteilung im September 1939
verstärkt Stimmen laut, die eine territoriale Expansion als Lösung der
Probleme sahen. Durch die erfolgte Umstrukturierung der Wirtschaft
mit einer erstarkten Schwerindustrie traten auch einflussreiche Finanzgruppen (Zaibatsu) mit dem selben Ziel hervor.
Mehrere Putschversuche und eine massive Sozialistenverfolgung führten ab den 1930er-Jahren schlussendlich zum
Aufstieg einer ultranationalen Gruppierung aus Militärs, die verstärkt Kontrolle über die Regierung, einschließlich
des Amts des Premierminister Japans erlangten.
Der aggressive Einsatz für eine Neuordnung der Pazifikregion hatte vorgeblich zum Ziel, die Hegemonie der
asiatischen Länder und Kolonien durch westliche, europäische Staaten zu beenden und sie durch eine japanische zu
ersetzen (→ Panasiatismus). Das Hauptinteresse der japanischen Expansion galt dem Gebiet der damaligen Republik
China. Nach dem Mukden-Zwischenfall am 18. September 1931, der vermutlich von den Japanern selbst erzeugt
wurde, kam es zur Mandschurei-Krise und die Guandong-Armee besetzte die Mandschurei. Am 1. März 1932 wurde
Japanische Invasion Südostasiens
dort der Marionettenstaat Mandschuko ausgerufen. Mitte 1937 brach der Zweite Japanisch-Chinesische Krieg aus
und Japans Vormarsch durch China nach Süden begann.
Im Jahr 1940 war der japanische Mehrparteienstaat tot, eine Zentralorganisation namens Taisei Yokusankai
übernahm alle Funktionen. In einem Presseinterview am 1. August 1940 verkündete der japanische Außenminister
Matsuoka Yōsuke den Aufbau der Großostasiatischen Wohlstandssphäre. Diese Wirtschafts- und
Verteidigungsgemeinschaft asiatischer Länder unter japanischer Vorherrschaft sollte frei von westlichem Einfluss
sein.
Am 22. September des selben Jahres pressten die Japaner von den Franzosen nach einem vorausgegangenen
Ultimatum ein militärisches Übereinkommen ab. Dies beinhaltete die Nutzung dreier Flughäfen und den Transit
eigener Truppen durch Indochina nach China. In einer Note an die Japaner missbilligten die USA dieses Vorgehen
und lehnten es ab.
Am 27. September 1940 unterzeichnete Japan den Dreimächtepakt mit
Deutschland und Italien, der den bestehenden Antikominternpakt um
gegenseitige militärische Unterstützung erweiterte. Damit verwarf der
japanische Kaiser seine noch am 5. September 1939 verkündete
Neutralität und unterstrich seine aggressive Außenpolitik vor allem
gegenüber China.
Die USA, die ein politisches Engagement mit dem Führer der
chinesischen Nationalpartei Kuomintang Chiang Kai-shek eingegangen
waren, versuchten immer wieder zu intervenieren, doch mehrere
diplomatische Verhandlungen im Jahr 1941 führten zu keinerlei
Der geplante japanische Verteidigungsbereich im
verwertbaren Ergebnissen. So sprachen die Japaner auch von einer
Pazifik (Ende 1941)
friedlichen territorialen Ausbreitung in den Südwestpazifik und
forderten die Amerikaner auf, sie bei der Förderung und Produktion
von Rohstoffen wie Erdöl, Gummi, Zinn und Nickel zu unterstützen. Wörtlich hieß es dort:[1]
“Japanese expansion in the direction of the southwestern Pacific area is declared to be of peaceful nature,
American cooperation shall be given in the production and procurement of natural resources (such as oil,
rubber, tin, nickel) which Japan needs.”
„Die japanische Expansion in Richtung des südwestlichen Pazifik wird als von friedlicher Natur erklärt. Eine
amerikanische Kooperation soll in der Produktion und Beschaffung von Rohstoffen (wie Öl, Kautschuk, Zinn
und Nickel) erfolgen, die Japan benötigt.“
Am 2. Juli fiel in Japan die Entscheidung, den territorialen Anspruch nach Südostasien auszuweiten.
US-amerikanischen Entschlüsselungsspezialisten gelang die Entzifferung eines entsprechenden Funkspruchs, so dass
Washington, London und Melbourne schnell über die geplante Vorgehensweise der Japaner unterrichtet waren.[2]
Umgehend zogen die Japaner mehr als eine Million Männer zum Wehrdienst ein und erhielten vom Vichy-Regime
die Zustimmung zur Besetzung Indochinas, dem heutigen Vietnam, die am 29. Juli ausgeführt wurde. Zwei Tage
später verhängten die USA und Großbritannien ein Export-Embargo über Japan und froren dessen finanziellen Mittel
ein.
220
Japanische Invasion Südostasiens
221
Wegen des Embargos Großbritanniens und der USA und weil Japan
von den Rohstofflieferungen der europäischen Verbündeten
abgeschnitten war, erschien ein Krieg mit den USA und
Großbritannien die einzige Alternative zum Verlust des Reiches in der
bisherigen Form. Im Besonderen waren die ergiebigen Bodenschätze
der niederländischen und britischen Kolonien ein lohnendes Ziel für
die Japaner.
Am 1. Dezember beschloss das japanische Parlament unter Tōjō
Hideki die gewaltsame Ausweitung der japanischen Einflusssphäre
nach Süden und den Angriffskrieg gegen die USA. Währenddessen
führte der japanische Botschafter Admiral Nomura Kichisaburō in
Washington D. C. Friedensgespräche mit dem amerikanischen
Außenminister Cordell Hull.[3]
Botschafter Admiral Kichisaburō Nomura (links),
Außenminister Cordell Hull (Mitte) und
Sonderbotschafter Saburō Kurusu (ganz rechts)
am 7. Dezember 1941
In Anbetracht der sich zuspitzenden Situation versetzten die Briten am
selben Tag ihre Truppen auf der malaiischen Halbinsel in höchste
Alarmbereitschaft. Die Flotte unter Admiral Tom Spencer Vaughan Phillips wurde angewiesen, die Gewässer östlich
von Singapur nach feindlichen Schiffen abzusuchen.
Zeitgleich gab Admiral Yamamoto Isoroku folgenden Befehl an die Kaiserliche Flotte durch:[4]
“Japan, under the necessity of her self-preservation and self-defense, has reached a position to declare war on
the United States of America, United Kingdom and the Netherlands. The Supreme Commander of the
Combined Fleet will start the war with an attack on the enemy fleet in the Hawaii Islands area and destroy it
with the 1st Air Fleet.”
„Aus Selbsterhaltungs- und Selbstverteidigungsgründen hat Japan eine Position erreicht, die es erachtet den
Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und den Niederlanden den Krieg zu erklären. Der
Oberbefehlshaber der Vereinten Flotte wird den Krieg durch einen Angriff auf die feindliche Flotte im Raum
Hawaii beginnen und diese mit der 1. Luftflotte vernichten.“
Japanische Invasion Südostasiens
222
Amerikanische Flugzeuge sichteten am 2. Dezember zwölf japanische U-Boote
vor der Küste Indochinas, die einen Kurs in Richtung Süden, möglicherweise
nach Singapur, liefen. Am selben Tag gab Yamamoto das Signal zum Start aller
Operationen mit den Worten „Ersteigt den Berg Niitaka“ und der Durchgabe des
Angriffstags.
Admiral Phillips flog am 4. Dezember nach Manila und traf sich dort mit
Admiral Thomas C. Hart und General Douglas MacArthur, um eine
Übereinkunft für ein Kooperationsabkommen im Fernen Osten zu schließen. Im
Südchinesischen Meer befanden sich zu der Zeit drei japanische Divisionen auf
dem Weg zur Invasion von Thailand und Malaysia.
Alle japanischen Konsulate in den USA wurden angewiesen ihre kompletten
Kodierungsunterlagen und Geheimdokumente zu vernichten. Dies geschah über
Radio Tokyo, das in einer Wettervorhersage die Worte „Higashi no kaze ame“
(deutsch: „Ostwind, Regen“) brachte – einer der möglichen Sätze, die den Krieg
mit den USA verkünden sollten. Auch in den niederländischen Kolonien wurde
diese Durchsage von der Abhörstation Kamer 14 (Raum 14) im technischen
College in Bandung auf Java empfangen und dekodiert, deren Bedeutung der
Führungsspitze bekannt war. Daher gaben sie die Meldung unverzüglich an ihre
Botschaft in Washington durch, um eine Benachrichtigung der amerikanischen
Regierung zu veranlassen.
Australisches Plakat, das vor dem
Vorrücken der Japaner nach Süden
warnt und Verhaltensregeln im
Kriegsfall aufstellt
Am 6. Dezember sichteten australische Aufklärungsflugzeuge den japanischen
Konvoi, der von Indochina in Richtung Süden lief. Admiral Phillips verließ
darauf hin die Gesprächsrunde in Manila. Britische und amerikanische Schiffe
bekamen Auslauforder zum Schutz der ostasiatischen Inseln und britische
Aufklärungsflugzeuge hoben von ihren Basen ab, um stetig Patrouillenflüge zu
unternehmen.
Mit dem Legen von Minen vor der Küste der Malaiischen Halbinsel durch japanische U-Boote und dem groß
angelegten Angriff auf Pearl Harbor begann am 7. Dezember der eigentliche Pazifikkrieg. Am nächsten Tag
erklärten die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Australien, Neuseeland, Kanada und die Niederlande den
Japanern den Krieg. Japan selbst wartete mit einer Kriegserklärung an die Niederlande bis zum 11. Januar 1942, da
sie durch ihr schnelles und erfolgreiches Vorrücken nach Süden auf einen Abzug der niederländischen Truppen
hofften, was aber nicht geschah.
Der Feldzug nach Süden
Am 1. Dezember 1941 hatten die Japaner mehr als 250.000 ausgebildete und trainierte Soldaten in Indochina
stationiert um ihr Reich nach Süden auszuweiten und weitere Einheiten folgten in den nächsten Tagen. In den Häfen
lagen die Truppentransporter und Geleitschiffe bereit um die erwarteten Befehle auszuführen.
Der Plan[5] sah im ersten Zug die Einnahme der Malaiischen Halbinsel
sowie der Philippinen vor. Die Hauptstreitmacht auf den Philippinen
sammelte sich anschließend in Davao und traf dort mit weiteren
Einheiten aus Palau zusammen. Von dort aus nahmen sie Kurs auf
Jolo, einer kleinen Insel vor Borneo, die schon Ende Dezember 1941
von der 23. und 11. Luftflotte erreicht worden war. Die zur Deckung
Japanische Flottenparade 1940
Japanische Invasion Südostasiens
223
der Operationen in Malaya vorgesehene und bei Saigon stationierte 22. Luftflotte stand als Eingreifreserve mit mehr
als 100 Kampfflugzeugen bereit. Im Nachzug nahm die 21. Luftflotte Anfang Januar 1942 Station auf Davao. Die 2.
Flotte der Kaiserlich Japanischen Marine lag ab dem 25. Dezember mit ihrem Haupttross in Formosa.
Zur Eroberung der Ostindischen Inseln war eine Zangenbewegung mit zwei Stoßkeilen vorgesehen. Die östliche
Flotte, die durch die Molukkensee fahren und dann Manado, Kendari und Makassar auf Celebes, sowie
Landungspunkte auf Ambon und Timor einnehmen sollte, sowie die westliche Flotte, die unterstützt durch die 23.
Luftflotte, durch die Straße von Makassar kommend, Tarakan, Balikpapan und Banjarmasin an der Ostküste Borneos
erobern sollte.
Unterdessen sollten die Luft- und Landstreitkräfte auf der Malaiischen Halbinsel bis nach Singapur vorrücken und
eine weitere taktische Eingreiftruppe Rabaul auf Neubritannien einnehmen um dort mittels Flugzeugträgern
Kampfflugzeuge zu stationieren.
Malaiische Halbinsel
Hauptartikel: Japanische Invasion der Malaiischen Halbinsel
Die Invasion der Malaiischen Halbinsel durch die Japaner (Operation
„E“) begann am 7. (8.)[6] . Dezember 1941 mit den Landungen bei Kota
Bharu im Norden des heutigen Malaysias und weiteren Landungen in
Thailand. Oberbefehlshaber der japanischen Streitkräfte war General
Yamashita Tomoyuki, der nach diesem Feldzug von den Alliierten den
Beinamen Tiger of Malaya erhielt. Sie endete mit dem Fall Singapurs
am 15. Februar 1942.
Etwa 88.000 alliierte Verteidiger, bestehend aus indischen, britischen,
australischen und malaiischen Einheiten, standen den rund 250.000
Japanern entgegen, die ausgerüstet mit Fahrrädern und gepanzerten
Fahrzeugen von Norden her innerhalb von nur knapp zwei Monaten bis
nach Singapur vorrückten. Dabei verloren die Alliierten ca. 5.000
Mann und rund 50.000 von ihnen gingen in japanische Gefangenschaft.
Die Japaner verloren etwa 34.000 Soldaten.
Der britische Oberbefehlshaber in Singapur, General Arthur Percival,
versuchte zwar noch, mit 85.000 Mann die Stadt zu verteidigen, doch
den Japanern gelang am 15. Februar die Einnahme der Stadt.
Japanische Einheiten in Johore
Philippinen
Hauptartikel: Schlacht um die Philippinen
Am 6. November 1941 wurde die japanische Südarmee aufgestellt, die
aus drei Regionalarmeen und einigen Armeen mit entsprechender
Luftunterstützung bestand. Das Kommando hatte General Terauchi
Hisaichi. Zur Invasion der Philippinen wurde die 14. Armee unter
Generalleutnant Homma Masaharu bestimmt, die aus der 16. und 48.
Division und der 65. Brigade bestand.
Die ersten Luftschläge gegen die amerikanischen Stützpunkte auf
Luzon begannen am Morgen des 8. Dezember mit Angriffen gegen
amerikanische Einrichtungen bei Tuguegarao und Baguio. Am Mittag
Zerstörungen auf dem Luftwaffenstützpunkt
Hickam Field
Japanische Invasion Südostasiens
224
vernichteten die Japaner die US-Kampfflugzeuge auf den Stützpunkten Clark Field und Iba. Zur selben Zeit nahmen
die Japaner die Batan-Inseln in der Straße von Luzon ein. Sie errichteten dort einen kleinen Luftwaffenstützpunkt,
von dem aus schon am nächsten Tag die ersten Operationen gestartet werden konnten.
In den nächsten Tagen erlangten die Japaner die komplette Luft- und Seeherrschaft über das Gebiet der nördlichen
Philippinen. Sie bombardierten den Marinehafen von Cavite bei Manila und unablässig die amerikanischen
Luftstützpunkte. Die US-Asienflotte (Task Force 5) war bereits vorher abgezogen worden.
Die eigentlichen Landungen begannen am 10. Dezember in Nordluzon bei Aparri und Vigan und zwei Tage später
bei Legaspi im Süden Luzons. Von den Landungsstränden rückten sie schnell ins Landesinnere vor.
Um eine Basis zur Weiterführung der Eroberungen im
südostasiatischen Raum zu bekommen, hatte General Homma die
Einnahme von Davao auf Mindanao in den Südphilippinen geplant.
Am 20. Dezember gingen dort 5.000 Soldaten an Land und besetzten
die Stadt. Von dort aus starteten zwei Bataillone nach Jolo im
Sulu-Archipel, das am 25. Dezember fiel.
Die Hauptlandungen zur Einnahme von Luzon fanden schließlich am
21. Dezember im Golf von Lingayen und am 24. Dezember in der
Lamon Bay statt. Den US-Amerikanern und Filipinos gelang es nicht
die Japaner aufzuhalten, oder sogar zurück zu schlagen. Sie mussten
sich schrittweise bis auf die Halbinsel Bataan zurückziehen. Manila
fiel am 2. Januar 1942 in japanische Hände.
Die Japaner feiern ihren Sieg auf Bataan
Die alliierten Truppen im Süden Bataans konnten sich bis zum 9. April
halten, mussten sich dann aber mit etwa 70.000 Mann den Japanern
ergeben und gerieten in Kriegsgefangenschaft. Während des dann
folgenden Todesmarsches von Bataan, der sie in Gefangenenlager in
Zentralluzon zurück führte kamen rund 16.000 von ihnen ums Leben.
Als letzte Bastion der Alliierten in den Philippinen musste die Bataan vorgelagerte kleine Insel Corregidor am 6. Mai
kapitulieren.
Niederländisch-Ostindien
Die niederländische Verteidigung
Als die Kämpfe in den niederländischen Kolonien in Südostasien
begannen, bestand die Königlich Niederländische Ostindien Legion
(KNIL) in diesem Gebiet nur aus etwa 85.000 Soldaten, deren
Hauptaufgabe es war, die Ordnung in den Kolonien aufrecht zu halten.
Mittels schnellstens durchgeführten Rekrutierungen in den Kolonien
stockte die KNIL ihre Stärke auf 121.000 Mann auf. Den Hautanteil
der Truppe machten einheimische Söldner aus, die sich in den
militärischen Einheiten oder bei lokalen Polizeiposten verdingt hatten.
Die japanische Eroberung
Die niederländischen Soldaten und Offiziere machten nur einen
Niederländisch-Ostindiens
kleinen Teil der Gesamttruppe aus, die zwar besser als das heimische
Heer ausgerüstet war, aber nicht über eine so moderne Ausrüstung wie die Japaner verfügte.
Im Gegensatz zur Landarmee war die Königlich Niederländische Marine bei Kriegsausbruch in einem guten
Verteidigungszustand. Sie verfügte über drei Leichte Kreuzer, sieben Zerstörer, fünfzehn Unterseeboote und eine
große Zahl Minensucher und -leger, die sich mit den anderen Alliierten zur ABDA-Flotte zusammenschlossen. Auch
Japanische Invasion Südostasiens
die niederländische Marine-Luftwaffe verfügte über viele moderne Kampfflugzeuge, wie beispielsweise die deutsche
Dornier Do 24 und die amerikanische Consolidated PBY Catalina, aber die Flugzeuge der Armee-Luftwaffe waren
allesamt veraltet und stellten für die modernen schnellen japanischen Flugzeuge keinerlei Gefahr da. [7] .
Borneo (Niederländisch-Britisch)
Hauptartikel: Japanische Invasion Borneos
Die Invasion der Insel Borneo durch die japanischen Streitkräfte fand vom 16. Dezember 1941 bis etwa Mitte März
1942 statt und führte zum Fall der kompletten kolonialen Besitzungen der Niederländer und Briten auf der Insel.
Generalmajor Kawaguchi Kiyotakes Einheiten gelang die Einnahme der strategisch wichtigen Flugfelder
Singkawang II und Samarinda II, sowie die Besetzung der Ölförderanlagen in Miri, Seria und Lutong. Weitere
Erdölvorkommen und Raffinerien auf Tarakan (→ Schlacht um Tarakan) und Balikpapan und der wichtige Ölhafen
Bandjermasin fielen ebenfalls in japanische Hände.
Sumatra
Hauptartikel: Japanische Invasion Sumatras
Die Invasion Sumatras fand vom 14. Februar bis zum 28. März 1942 statt und führte zum Fall der kompletten
kolonialen Besitzungen der Niederländer auf der Insel. Der Fall Sumatras war zeitlich vor der Invasion Javas
geplant, um die starke Westflanke der Alliierten mit Zugriff auf Java auszuschalten.
Der japanische Invasionsplan war zweigeteilt und bestand aus der Operation „L“, die die Einnahme von Palembang
im Süden den Insel, den umliegenden Ölfeldern und des dort liegenden Flugfeldes P1 vosah, sowie der Operation
„T“, die ab dem 28. Februar die Invasion im Nordteil der Insel fortsetzte.
Sumatra fiel schließlich am 28. März, als sich die letzten KNIL-Einheiten bei Kutatjane in Nordsumatra ergaben.
Riau-Inseln (Kepulauan Riau)
In Tanjung Pinang auf der Insel Bintan war zur Verteidigung nur eine
kleine KNIL-Garnison unter Major J. H. de Vries stationiert. Zudem
standen in Tanjung Uban und auf Pulau Sambu je eine
Landsturm-Infanterie-Kompanie. Sie traten alle beim Anrücken der
Japaner den Rückzug nach Australien an.
Celebes
Anfang 1942 standen der KNIL auf Celebes, dem heutigen Sulawesi,
Do 24K-1 X-19 der Niederländer. Die Maschine
im Norden bei Manado etwa 1.500 Mann zur Verfügung. Darunter
war am 25. Dezember 1941 in ein Luftgefecht
befanden sich etwa 600 Einheimische. Die Einheiten waren nicht
mit japanischen Kampfflugzeugen über den
besonders trainiert und schlecht bewaffnet. Mit ihnen sollten die
Anambas verwickelt.
beiden Flugfelder nahe Manado bewacht und verteidigt werden. Im
Raum Makassar befanden sich etwa 1.000 KNIL-Soldaten. Im Südwesten der Insel waren weitere 200 Mann
stationiert. Die Einheiten standen alle unter dem Kommando von Colonel M. Vooren, dem bewusst war, dass er
kaum eine Chance zur Küstenverteiddigung hatte. Daher entschloss er sich zu einem Guerillakrieg im Landesinneren
gegen die japanischen Streitkräfte. Zu diesem Zweck ließ er ein Nachschubdepot in Enrekang anlegen und dort
durch Oberstleutnant Jan Gortmans 400 Einheimische zu Guerillakämpfern ausbilden. Zudem existierten etwa 80
Kilometer nordöstlich von Makassar einige befestigte Stellungen bei Tjamba. Gegen Ende Januar, während die
Japaner bereits den Norden der Insel einnahmen, wurden alle europäischen Frauen únd Kinder nach Java evakuiert
und die KNIL-Familien zogen von Makassar in zwei Camps, Malino und Pakato, in den Bergen östlich der Stadt.
225
Japanische Invasion Südostasiens
226
Nordcelebes (Kema und Manado)
Zur Durchführung der Landungen auf Celebes (Operation H) bestieg
die 1. Sasebo-Speziallandungstruppe in Davao unter Captain Kunizo
Mori sechs Transporter, die am 9. Januar den Hafen verließen und
zusammen mit Minensuchern, U-Boot-Jägern, elf Zerstörern und dem
leichten Kreuzer Nagara als Flaggschiff, einen Konvoi in Richtung
Celebes bildeten. Kommandant war Konteradmiral Kubo Kyūji. Nach
einer Luftlandung auf dem Langoan-Flugfeld (Manado II) mittels 334
Fallschirmjägern, die vom Luftstützpunkt in Davao gestartet waren,
landete die Invasionseinheit am 11. Januar an den Stränden der
Minahassa-Halbinsel bei Kema, südwestlich von Bitung, um 3:00 Uhr
und bei Manado um 4:00 Uhr. Am Folgetag landeten weitere 185
Fallschirmjäger zur Verstärkung auf dem Flugfeld.
Südcelebes (Kendari und Makassar)
Vizeadmiral Ibō Takahashi, dem die Flotte zur
Eroberung Niederländisch-Ostindiens unterstellt
war.
Die 1. Sasebo-Speziallandungstruppe bestieg am 21. Januar in Bangka, nahe Menado, sechs Transporter und lief mit
einem Kreuzer, mehreren Zerstörern, Minenlegern und -suchern, sowie einem Frachter nach Kendari, wo sie ohne
auf bedeutenden Widerstand zu stoßen, am 24. Januar an Land gingen. Allerdings kam es am selben Tag zu einem
Zwischenfall auf See, als der Transporter Myoken Maru vom US-U-Boot Swordfish versenkt wurde und
amerikanische Bomber den Zerstörer Hatsuharu beschädigten.
→ Schlacht in der Straße von Makassar 4. Februar 1942 → Schlacht um Makassar
Ambon
Der Hafen von Ambon war Ende 1941 mit 19 Küstenbatterien recht gut bewehrt und es existierte bei Laha ein
befestigter Flughafen, auf dem einige Hudson-Bomber stationiert waren. Weiterhin gab es eine kleine
Flugbootstation. Allerdings meldeten verantwortliche Offiziere bereits vor Beginn des Pazifikkriegs ihre Zweifel an,
eine mögliche japanische Einnahme der Insel verhindern zu können, da sie ihre Einheiten völlig unterbewaffnet
sahen.
Zur besseren Verteidigung der Molukken-Inseln erhielt Brigadier Edward F. Lind zu Kriegsbeginn den Befehl
Einheiten nach Timor und Ambon in Marsch zu setzen und so landete am 17. Dezember 1941 die australische
Gull-Force mit 1.170 Soldaten unter Oberstleutnant Leonard N. Roach auf Ambon, um die dort stationierten 2.800
KNIL-Soldaten unter Lieutenant-Colonel J. R. L. Kapitz zu unterstützen. Roach wurde nicht zuletzt wegen seiner
Kritik an der schwachen Verteidigung schon am 16. Januar 1942 durch Major John R. Scott ersetzt. Die
australischen Einheiten litten zu diesem Zeitpunkt auf Grund der schlechten Versorgungs- und Hygienelage schon
unter Ruhr und teilweise Malaria.
Der erste Luftangriff durch japanische Flieger fand am 6. Januar statt, als sieben Flugboote Ziele auf der Insel
angriffen. Weitere Angriffe folgten am 15 und 16. des Monats, bei denen einige Hudson-Bomber zerstört und die
Flugbootbasis unbrauchbar wurde. Japanische Flugzeuge des Trägerverbandes unter Konteradmiral Yamaguchi
Tamon, mit den Trägern Hiryū und Sōryū, die zur Deckung der Landungen auf Celebes in der Bandasee operierten,
griffen am 24. und 25. Januar den Stützpunkt der Alliierten auf Ambon mit 35 Kampfflugzeugen an. Die Angriffe
wurden mit kleineren Wellen an den Folgetagen wiederholt. Ende Januar wurden die verbliebenen Hudson-Bomber
ausgeflogen, so dass Ambon ohne Luftverteidigung war. Einen Tag später, kurz vor dem Morgengrauen des 29.
Januar, meldeten Posten die Sichtung von fünf anlaufenden Kriegsschiffen und siebzehn Transportern, sowie einigen
nicht identifizierbaren Schiffen. Umgehend begannen die Verteidiger auf der Insel mit der Zerstörung der
wichtigsten Ölvorratslagern, Bombenlagern und Flugzeughangars.
Japanische Invasion Südostasiens
227
Die japanische Planung sah eine Invasion der Insel erst für den 6. Februar 1942 vor, doch durch die schnellen und
erfolgreichen Eroberungen lagen sie vor ihrem eigentlichen Plan und zogen die Einnahme von Ambon vor. So
landeten sie am Morgen des 29. Januar bei Hitu-Iama und auf der Halbinsel Laitimor. Da sich nur kleinere
Truppenteile der KNIL bei Hitu-Iama befanden, konnten die Japaner dort ohne große Probleme an Land gehen, die
Verteidiger überrennen und über unzerstörte Brücken weiter in das Landesinnere nach Paso vorrücken. In kurzer Zeit
verloren die niedeländischen Einheiten den Kontakt zu den Australiern und da sie keine Funkgeräte besaßen, auch
untereinander. Damit verloren sie auch den Überblick über die Gesamtsituation auf Ambon.
Auf der Laitimor-Halbinsel begannen Kämpfe mit den Australiern, deren heftige Gegenwehr bis zum 2. Februar
andauerte. Doch sie wurden immer weiter zur Küste abgedrängt und hatten sich am Morgen des 3. Februar dermaßen
verausgabt, dass über eine Kapitulation diskutiert wurde. Nachdem alle Waffen unbrauchbar gemacht worden waren,
ergaben sich die Australier den Japanern. Etwa 800 Australier kamen in japanische Kriegsgefangenschaft.
Die japanische Hauptlandung unter Generalmajor Itō Takeo fand bei Hutumor statt. Von dort drangen die Japaner
auf Fahrrädern und Pferden schnell bis Laha vor.
Der Kampf um Laha begann am späten Nachmittag des 31. Januar. Die dort verbliebenen Verteidiger hatten dem
starken Maschinengewehr- und Artilleriefeuer kaum etwas entgegenzusetzen und, als am 2. Februar
Sturzkampfbomber und die Schiffsartillerie zusätzlich in die Schlacht eingriffen und den Japanern die Einnahme des
Flugplatzes gelang, waren die Verteidiger geschlagen und ergaben sich. Die rund 300 überlebenden KNIL-Soldaten
wurden zusammen mit den australischen Gefangenen in ein Lager bei Tan Tui, nördlich von Ambon-Stadt verbracht.
Dort begingen die Japaner an ihnen das Massaker von Laha.[8] .
→ Seeschlacht in der Straße von Badung 18. bis 20. Februar
Timor
Hauptartikel: Schlacht um Timor
Eine australische Armeeeinheit mit 1.400 Mann, die Sparrow Force, erreichte am 12. Dezember 1941 Kupang, die
Hauptstadt des niederländischen Westteils der Insel. Die Einheit wurde von Lieutenant Colonel William Leggatt
kommandiert. Zu der Sparrow Force kamen noch 650 Mann der Königlichen Niederländisch-Indienlegion
(Koninklijk Nederlandsch-Indisch Leger KNIL) unter Lt. Col. Nico van Straten inklusive des Timor und
Dependenzen Garnisonsbataillon, einer Kompanie des VIII. Infanteriebataillon, einer Reserveinfanteriekompanie,
einem Maschinengewehrzug des XIII. Infanteriebataillons und einer Artilleriebatterie. Die Landstreitkräfte wurden
durch 12 leichte Bomber vom Typ Lockheed Hudson des No. 2 Squadron der Royal Australian Air Force (RAAF)
und einem 189 Mann starken Kontingent der britischen 79th Light Anti-Aircraft Battery der Royal Artillery ergänzt.
Die alliierten Truppen waren um das strategisch wichtige Flugfeld von Penfui stationiert. Einige Einheiten waren
auch in Klapalima, Usapa Besar, Babau stationiert. Die Versorgungsbasis der Sparrow Force lag weiter östlich in
Champlong.
Am 26. Januar kam es zu ersten Angriffen durch japanische Flugzeuge
auf die alliierten Truppen in Westtimor. In der Nacht vom 19. zum 20.
Februar begann das 228. Infanterieregiment der Kaiserlichen
Japanischen Armee mit der Landung auf Timor. Die Australier zogen
sich mit Verlusten nach Süden in die Berge zurück und etwa 200
niederländische Soldaten zogen unter van Straten nach Südwesten in
Richtung Grenze.
In derselben Nacht gerieten die alliierten Truppen in Westtimor unter
schwere Luftangriffe, die die RAAF zum Rückzug nach Australien
zwang. Dem Bombardement folgte die Landung der Hauptmacht des
228. Regimentes im nicht verteidigten Südwesten der Insel am
Pahafluss.
Australische Guerrilleros in einem Lager im
Dschungel von Timor
Japanische Invasion Südostasiens
228
Ende Februar kontrollierte Japan den Großteil Westtimors und das Gebiet um Dili im Nordosten. Die Australier
begannen nun einen Guerillakrieg aus den Bergen mit den Japanern zu führen, welcher bis in den Dezember 1942
andauerte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Japaner bereits 12.000 Soldaten auf Timor stationiert. Die letzten
Alliierten verließen Timor im Februar 1943.
Bali
Die Insel Bali, östlich vom eigentlichen Hauptziel Java gelegen, war kein primärer Bestandteil der japanischen
Invasionsbemühungen, bis durch starken Monsunregen die Flugfelder im Süden Borneos bei Banjarmasin ausfielen.
Kurzfristig entschloss sich die japanische Führung zur Einnahme von Bali, da von dort aus der strategisch wichtige
Marinehafen der Niederländer in Surabaja mit Kampfflugzeugen gut erreicht werden konnte. So lief in der Nacht
vom 17. auf den 18. Februar 1942 eine für Bali bestimmte japanische Invasionsflotte unter dem Kommando von
Konteradmiral Kubo Kyūji von Makassar aus.
Auf Bali waren keine regulären Einheiten der KNIL stationiert. Nur ein einheimisches Hilfskorps, das Korps
Prajoda, aufgestellt 1938 mit etwa 600 Soldaten und einigen niederländischen Offizieren unter dem Kommando von
Oberstleutnant W. P. Roodenburg stand zur Verteidigung der Insel bereit. Ihre wichtigste Aufgabe bestand darin, das
Flugfeld bei Denpasar bei Ankunft der Japaner zu halten und wenn dies unmöglich würde, es auch zu zerstören.
Kampfflugzeuge standen den Niederländern allerdings zu diesem Zeitpunkt keine zur Verfügung.
In der Nacht des 19. Februar gingen die zwei Transporter Sagami Maru und Sasako Maru bei Senoer vor Anker.
Etwas weiter auf See lagen die vier Zerstörer Arashio, Asashio, Oshio und Michishio der 8. Zerstörer-Division zur
Konvoi-Deckung und der Leichte Kreuzer Nagara mit weiteren drei Zerstörern, Hatsushimo, Nenohi und Wakaba
als Abfangflotte. Kurz darauf gingen japanische Soldaten in die Landungsboote und landeten an den Stränden.
Hierbei handelte es sich um das fast komplette 3. Infanteriebataillon (eine Kompanie fehlte) der 48. Japanischen
Infanteriedivision unter dem Oberbefehl von Major Kanemura Matabei. Dieses konnte im Schutze der Dunkelheit
schnell bis Denpasar vordringen und das Flugfeld gegen 10:30 Uhr am Morgen unzerstört einnehmen. Die
niederländischen Pioniere missdeuteten den Befehls Roodenburgs, die Zerstörungsaktion nicht zu verschieben, als
Aufschiebung und hatten die Sprengungen nicht ausgelöst. Schon am nächsten Tag landeten die ersten japanischen
Kampfflugzeuge der Tainan Air Group auf dem Flugfeld.
Nach der erfolgten Landung traf die ablaufende japanische Flotte auf die eintreffenden Einheiten der ABDA-Flotte
und die Seeschlacht in der Straße von Badung entbrannte. Sie verlief für die japanische Marine erfolgreich.
Java
Hauptartikel: Japanische Invasion Javas
Nach der Schlacht in der Javasee, die für die alliierte ABDA-Flotte mit
einem Desaster endete, begannen die Japaner die Landungen auf Java
am 1. März 1942 im Osten und Westen der Insel. Ihnen standen auf der
Insel etwa 25.000 Soldaten der KNIL, ca. 6.000 Soldaten der britischen
Armee und eine geringe Anzahl australischer und amerikanischer
Einheiten gegenüber. Nach teilweise schweren Kämpfen fielen die
Städte Tjilatjap und Bandung am 7. März an die Japaner. Die
Niederländer kapitulierten daraufhin am Folgetag und die anderen
beteiligten Nationen am 9. März. Java war endgültig ab dem 28. März
vollständig von den Japanern besetzt.
Die Japaner feiern ihre Landung bei Merak,
Westjava
Mit dem Fall Javas verloren die Niederländer ihre kolonialen Besitzungen in Südostasien. Die Japaner hatten nun
nicht nur die sogenannte malaiische Barriere durchbrochen, sondern auch den Zugang zum Indischen Ozean und
nach Australien geöffnet. Auch die reichen Bodenschätze, allen voran die Erdöl- und Kautschukvorkommen,
konnten nun für die militärische Produktion ausgebeutet werden.
Japanische Invasion Südostasiens
Operationen in der Bandasee und Invasion der Molukken
Das japanische Oberkommando startete die Operation T am 29. Juli 1942 unter dem Befehl von Konteradmiral
Hatakeyama Koichiro. Die auslaufende Flotte teilte sich in drei Angriffseinheiten auf um die Ziele auf den
Molukken anzulaufen. Die erste Flotte lief von Babo auf Neuguinea nach Aru, die zweite Flotte von Misool zu den
Kai-Inseln und die dritte Flotte von Ambon nach Babar und Tanimbar.
• Ceram, wurde schon im Vorfeld der „Operation T“ am 31. März 1942 besetzt - Die Landung erfolgte am Strand
von Boela - Die KNIL-Verteidiger (100 Mann) zerstörten die Ölfelder und verließen Ceram schon Ende Januar.
• Kai, 30. Juli 1942 - Toeal - Eine kleine KNIL-Truppe (Operation Plover) wurde im Juli auf Kai stationiert, um
einheimische Aufstände nieder zu halten. Kommandant der 27 Mann umfassenden Einheit war Leutenant F.
Hieronymus. Eine erste japanische Landungswelle konnte zurückgeschlagen werden. Nachdem japanische
Verstärkung eintraf wurde Kai durch die Landungstruppen überrannt.
• Aru, 30. Juli 1942 - Die KNIL-Truppe, die im Juli im Rahmen der Operation Plover auf Aru in Dodo stationiert
wurde, umfasste 41 Mann. Sie leisteten den Japanern keinen Widerstand.
• Tanimbar, 30. Juli 1942 - Landung in der Bucht von Saumlaki - Die KNIL-Truppe (Operation Plover) war im Juli
auf Tanimbar stationiert worden. Ihre Stärke betrug 13 Mann unter Sergeant Julius Tahija. Die erste japanische
Landung konnte durch die KNIL, die nur mit zwei leichten Maschinengewehren ausgerüstet war, abgewehrt
werden. Ein Entsatz durch australische Einheiten scheiterte am 31. Juli (Plover Force - 30 Mann) durch deren
Beschuss von See aus. Kurz darauf beschossen die japanischen Schiffe auch die KNIL-Einheit, die sich daraufhin
auf ein Segelschiff begab und sich in Richtung Australien absetzte.
• Babar, 30. Juli 1942 - keine KNIL Einheiten auf der Insel.
• Banda, 23. Februar 1942 - Bombardierung durch die Japaner und Evakuierung der niederländischen Verwaltung,
8. Mai 1942 - Landung der Japaner
Neuguinea (Niederländisch-Australisch)
Operation „SR“ (ab 1. März)
Australisch-Neuguinea
Die 4. Flotte unter Vizeadmiral Inoue Shigeyoshi lief von Rabaul aus nach Neuguinea um am 5. März ein Bataillon
der Südsee-Truppen bei Salamaua anzulanden. Eine Landungstruppe der Marine ging am 8. März bei Lae im
Huongolf an Land, eine weitere am 10. März bei Finschhafen.
Die Deckung übernahm das 6. Kreuzer-Geschwader mit den Kreuzern Aoba, Furutaka, Kako und Kinugasa sowie
das 18. Kreuzer-Geschwader mit den Leichten Kreuzern Tenryū und Tatsuta. Die Tenryū erkundete am 8. März
zusätzlich die Lage bei Buka, nördlich von Bougainville. Die direkte Sicherung und Versorgung der
Landungstruppen übernahm die 6. Zerstörerflottille mit dem Kreuzer Yūbari und den Zerstörern Asanagi, Mochizuki,
Mutsuki, Oite, Yayoi und Yūnagi, sowie die 24. Marineflieger-Gruppe mit dem Behelfs-Seeflugzeugtender Kiyokawa
Maru.
Ein amerikanischer Konvoi mit der Kennung ZK.7 transportierte vom 7. bis zum 10. März die Americal Division
von Melbourne nach Noumea. Er wurde durch die Kreuzer USS Honolulu und USS New Orleans sowie den Zerstörer
USS Mugford gesichert.
Die Task Force 11 unter Vizeadmiral Wilson Brown mit dem Flugzeugträger USS Lexington und den Kreuzern USS
Indianapolis, USS Minneapolis, USS Pensacola und USS San Francisco, sowie den Zerstörern USS Aylwin, USS
Bagley, USS Clark, USS Dale, USS Dewey, USS Drayton, USS Hull, USS MacDonough, USS Patterson und USS
Phelps bildete ab dem 6. März zusammen mit der Task Force 17 unter Konteradmiral Fletcher mit dem Träger USS
Yorktown und den Zerstörern USS Russell und USS Walke eine Angriffsgruppe um aus den südlichen Gewässern
Neuguineas die Landungsstrände der Japaner anzugreifen.
229
Japanische Invasion Südostasiens
Beide Flugzeugträger starteten am 10. März insgesamt 104 Maschinen, die nach ihrem Flug über das
Owen-Stanley-Gebirge die japanischen Landungsräume angriffen. Dabei versenkten sie den Hilfskreuzer Kongo
Maru und den Transporter Yokohama Maru. Der Kreuzer Yubari, die Zerstörer Asanagi und Yunagi, der Minenleger
Tsugaru, sowie zwei weitere Hilfsschiffe und ein Transporter wurden bei den Angriffen beschädigt. Der Transporter
Tenyu Maru wurde nach schweren Treffern von den Japanern auf Grund gesetzt und aufgegeben.
Ein australisch-neuseeländischer Verband (ANZAC) unterstützt von US-Schiffen operierte unter Konteradmiral John
Gregory Crace mit den Kreuzern HMAS Australia, USS Chicago und den Zerstörern USS Lamson und USS Perkins
mit den von der Task Force 17 abgeordneten Kreuzern USS Astoria und USS Louisville und Zerstörern USS
Anderson, USS Hammann, USS Hughes und USS Sims südöstlich von Neuguinea.
Der australische Hilfskreuzer HMAS Westralia transportierte zwischen dem 16. und 18 März ein Bataillon der
Americal-Division von Noumea nach Éfaté in den Neuen Hebriden. Als Geleit dienen die neuseeländischen Kreuzer
HMNZS Achilles und HMNZS Leander.[9]
Mit der Operation MO versuchte die japanische Führung ab dem 3. Mai 1942 den Vorstoß auf Port Moresby. Die
Einnahme der Stadt, geplant durch Admiral Yamamoto Isoroku, musste aber in Folge der Schlacht im Korallenmeer
abgebrochen werden.
Niederländisch-Neuguinea
Laut der Marine-Direktive 62 des japanischen Hauptquartiers vom 5. März 1942 wurden die Truppen nach der
erfolgten Einnahme von Java nach Neuguinea beordert, um die dortigen verbliebenen KNIL-Einheiten aufzureiben.
Es sollten strategisch wichtige Orte erobert werden, die hinsichtlich möglicher feindlicher Luftbasen, Anlegepunkte
und Standorte von Ölfeldern vorher ausgesucht worden waren. Zudem war es wichtig eine gute Kommunikationsund Versorgungslinie mit dem australisch verwalteten Teil der Insel herzustellen. Die vorgesehenen Landungsorte
waren Babo, Fak-fak, Hollandia, Manokwari, Moemi, Nabire, Sarmi, Serui und Sorong. Die Hauptmacht sollte im
Raum bei Fak-fak und Manokwari an Land gehen. Als vorgelagerter Stützpunkt war Boela auf Ceram ausgesucht
worden, da dort zusätzlich ein Ölfeld eingenommen werden konnte. Konteradmiral Fujita Ruitaro begann ab dem 15.
März die Invasionsflotte auf Ambon zusammenzustellen, die am 31. März Ceram erreichte.
• Fak-fak: Die kleine KNIL-Garnison ergab sich kampflos am 1. April den Japanern.
• Babo: Die ca. 200 Mann der KNIL waren mit dem Bau einer zweiten Startbahn auf dem Flugfeld beschäftigt.
Dort waren drei Hudson Bomber stationiert, die als Jagdmaschinen gegen japanische Luftangriffe eingesetzt
werden sollten. Nach der japanischen Landung am 1. April versuchten die Niederländer, nach Australien zu
flüchten.
• Sorong: Stationierungsort der niederländischen Marine-Luftfahrtgruppe GVT-2 mit drei Dornier Do-24K (X-11,
X-12, X-25) unter Lieutenant W. J. Reynierse. Die japanische Landung erfolgte am 4. April. Die Niederländer
kapitulierten nach kurzem Schusswechsel.
• Manokwari: Hier hatte die KNIL ca. 125 Mann unter Captain J. B. H. Willemsz Geeroms stationiert. Die
japanischen Landungseinheiten gingen am 12. April in der Bucht von Dore an Land. Der KNIL Widerstand war
schnell gebrochen. Die KNIL-Truppen (noch 60 Mann und 17 Einheimische) zogen sich in den Dschungel
zurück, wo sie vorsorglich Vorratslager angelegt hatten und führten einen Guerillakampf, bis die Japaner am 18.
April 1944 das letzte Lager mit noch 35 verbliebenen KNIL-Soldaten überrannten. Nur wenige konnten
entkommen. Captain Geeroms fiel in die Hände der Japaner. Sergeant Mauretz Christiaan Kokkelink übernahm
das Kommando. Unter ihm gelang im Oktober des selben Jahres eine Kontaktaufnahme mit alliierten Truppen bei
Sansapor, die die verbliebenen 17 Soldaten und einen Einheimischen nach Australien evakuierten.
• Moemi: KNIL-Einheiten waren hier nicht stationiert. Die vor dem Krieg von Japanern betriebenen Plantagen
waren das Ziel der Landungstruppen am 15. April.
• Serui: Der Ort auf der Insel Yapen wurde kampflos am 16. April von den Japanern eingenommen. Die Insel Biak
nahm die 36. Infanteriedivision am 25. April ein, um dort ein Flugfeld anzulegen.
230
Japanische Invasion Südostasiens
231
• Nabire: Ein kleiner KNIL-Außenposten, der am 17. April von den Japanern überrannt wurde. Die wenigen dort
stationierten KNIL-Soldaten konnten so gut wie keinen Widerstand leisten und die ehemals unter japanischer
Konzession stehenden Forstwirtschaftsbetriebe wurden besetzt.
• Sarmi: Nach kurzen Scharmützeln mit den dortigen KNIL-Einheiten besetzten die Japaner am 19. April die Stadt
und stationierten dort 68 Soldaten.
• Hollandia: Am 19. April nahmen die Japaner die Stadt nach kurzem Kampf mit der KNIL ein und stationierten
dort einige Soldaten.
Am 21. April vereinigten sich die Hauptkräfte der japanischen Landungseinheiten wieder in Manokwari. Nachdem
die KNIL faktisch keinerlei Widerstand mehr leisten konnte und die Japaner nach eigenen Angaben keine Opfer zu
beklagen hatten, setzten sie die Landungseinheiten wieder nach Ambon über.
Neubritannien
Der Naturhafen der Stadt Rabaul im Nordosten Neubritanniens war von den Japanern als Basis für ihre weiteren
Operationen in Richtung Neuguinea, dort speziell Port Moresby, der Salomonen und Australien auserkoren worden.
Zusätzlich musste Rabaul vor einem weiteren alliierten Ausbau geschützt werden, da der wichtige strategische
Stützpunkt Truk in der Reichweite alliierter Bomber lag, die von Rabaul starten könnten. Daher sollte Rabaul
ursprünglich schon zu Beginn der Kampfhandlungen in Südostasien erobert werden[10] .
Gasmata im Süden der Insel wurde von den Japanern am 9. Februar eingenommen. Das dort von einem australischen
Plantagenbesitzer angelegte Flugfeld wurde von ihnen ausgebaut und mit neun leichten Flugabwehrkanonen
ausgestattet. Die Japaner benannten das Flugfeld „Surmi“. Es diente vor allem während der Schlacht in der
Bismarcksee als wichtiger Stützpunkt[11] .
Rabaul
Hauptartikel: Schlacht um Rabaul (1942)
Rabaul war nur von einer kleinen australischen Einheit, der „Lark
Force“ unter dem Kommando von Oberst John Scanlan, mit rund 1.400
Soldaten besetzt. Dazu kamen die Besatzungen und Wartungseinheiten
der dort stationierten zehn Wirraway Kampfflugzeuge der Royal
Australian Air Force. Zur Verteidigung standen zwei auf See
ausgerichtete Kanonen, sowie drei Flugabwehrkanonen zur
Verfügung[10] . Trotz dieser sehr geringen Verteidigungsstärke von
Rabaul zogen die Japaner eine gewaltige Streitmacht zusammen. Als
Sicherung der „Operation R“ boten sie vier Flugzeugträger zwei
Schlachtschiffe, sowie einen Kreuzer und acht Zerstörer auf. Die
Landungen wurden am Abend des 22. Januar durchgeführt und Rabaul
war am nächsten Tag in der Hand der Japaner.
Für die Japaner war Rabaul in der Folge der wichtigste Außenposten in
Südostasien. Sie setzten schnellstmöglich die Flugfelder wieder in
Stand und bauten die Stadt zur Festung mit einer gigantischen, teils
unterirdisch angelegten Nachschubbasis aus, die zeitweise mit bis zu
200.000 Soldaten besetzt war.
Generalmajor Horii Tomitarō, Oberbefehlshaber
der Landungstruppen in Rabaul
Japanische Invasion Südostasiens
Neuirland
Am selben Tag, dem 23. Januar 1942, als die japanische Marine Rabaul auf Neubritannien einnahm, landeten
japanische Einheiten auch nördlich von Kavieng auf Neuirland[12] . Die kleine australische Garnison, bestehend aus
250 Soldaten unter dem Kommando von Major J. Edmonds-Wilson, konnte keinen nennenswerten Widerstand
leisten. Zudem befanden sich auch einige von ihnen auf Außenposten, die bis nach Tulagi auf den Salomonen
verteilt waren.
Alle europäischen Frauen und Kinder waren schon vor Weihnachten 1941 nach Australien ausgeflogen worden. Die
ersten Angriffe durch 60 japanische Kampfflugzeuge und Bomber, die von vier Flugzeugträgern der von Hawaii
zurückkehrenden Kido Butai gestartet worden waren, erfolgten am 21. Januar gegen Kavieng. Sie trafen vor allem
den Hafen und den kürzlich erbauten Flughafen. Kurz nach den Angriffen wurde der Entschluss zur Evakuierung der
Stadt gefasst und sofort in die Tat umgesetzt.
Die Japaner nahmen Kavieng noch am gleichen Tag der Landung ein. Der Flughafen, der von einer kleinen Gruppe
Soldaten verteidigt wurde, war am frühen Morgen des 24. Januar in japanischer Hand. Innerhalb einer Woche setzten
die Japaner die durch Bombeneinschläge beschädigte Landebahn wieder in Stand und nutzten das Flugfeld im
weiteren Kriegsverlauf zu Attacken auf die Salomonen[13] .
Manus
Manus wurde im November 1941 von einem Platoon der First Independent Company der Australian Imperial Force
besetzt. Sie bezogen Quartier in Lorengau, wo sie begannen das dort gelegene kleine Flugfeld auszubauen. Dazu
heuerten sie Hunderte der einheimischen Bevölkerung an. Nach einigen Wochen war das Flugfeld fertiggestellt, aber
es landeten dort keine alliierten Kampfflugzeuge während der mittlerweile im ostasiatischen Raum ausgebrochenen
Kriegshandlungen. Der erste und einzige japanische Luftangriff wurde am 25. Januar 1941 von drei einmotorigen
Flugbooten ausgeführt, die in Baumhöhe angriffen. Das Hauptziel war der Antennenmast der kleinen am Flugfeld
gelegenen Radiostation[14] .
Am 8. April liefen der japanische Leichte Kreuzer Tatsuta, der Zerstörer Mutsuki und der Truppentransporter
Mishima Maru im Hafen von Lorengau ein. Japanische Truppen besetzten innerhalb kürzester Zeit die Stadt, ohne
auf Gegenwehr zu stoßen. Die Australier hatten sich mit wenigen Ausrüstungs- und Nahrungsmitteln in den nahen
Dschungel zurückgezogen, um auf versprochene Evakuierungsschiffe zu warten. Diese trafen jedoch nie ein.
Nach einigen Wochen hatten sich die Australier bis in den Süden der Insel durchgekämpft. Dort lagen eine Barkasse
und eine Ketsch versteckt vor Anker, mit denen ihnen die Flucht nach Bogadjim (Stephansort) in der Astrolabe
Bucht, südlich von Madang gelang. Am 16. Mai erreichten sie das Mount Hagen Camp, wo sie auf weitere
Flüchtlinge aus Manus trafen. Von dort wurden sie vom Flugfeld Wau ausgeflogen.
Weihnachtsinsel
Hauptartikel: Eroberung der Weihnachtsinsel
Die britische Garnison auf der Weihnachtsinsel bestand nur aus einer Handvoll indischer Soldaten; zusammen mit
der örtlichen Polizei waren ca. 100 Mann verfügbar. An schweren Waffen war lediglich ein veraltetes
15-cm-Geschütz vorhanden. Nachdem am 7. März ein japanischer Kampfverband die Insel beschossen hatte, wurde
beschlossen, dass die Verteidigung der Insel bei einem Angriff aussichtslos sei und daher kein Widerstand geleistet
werden sollte. Die Soldaten gingen daraufhin geschlossen in Kriegsgefangenschaft.
Nach der Begutachtung der Insel wurde diese von den Japanern als ungeeignet zur Errichtung eines größeren
Aufklärungsstützpunktes befunden und bis auf eine kleine Garnison geräumt.
232
Japanische Invasion Südostasiens
Kriegsgefangene
Während der Feldzüge auf den Inseln Südostasiens fielen den japanischen Streitkräften eine hohe Zahl an alliierte
Soldaten in die Hände. Diese wurden in vielen Fällen zunächst in deren jeweile Quartiere verbracht und diese
oftmals zu primitiven Gefangenencamps umfunktioniert. Teilweise errichteten die Japaner auch eigene große
Camps, um Gefangene aus verschiedenen Lagern zusammen zu führen. Die Konditionen in den Camps waren zu
Beginn meist relativ gut, verschlechterten sich im Verlauf der Zeit aber zusehends. Vor allem ließen die
hygienischen Zustände und die Ernährung zu wünschen übrig, so dass sich Krankheiten wie Ruhr und Malaria
schnell verbreiteten. Auch die Drangsalien der meist aus Korea rekrutierten Bewacher trugen nicht unerheblich dazu
bei.
Borneo
Sandakan-Ranau Todesmarsch[15] : In Sandakan (Nordborneo) befand sich seit 1942 ein Kriegsgefangenenlager, in
dem rund 2.700 alliierte Gefangene, meist Australier und Briten, zusammen mit einer großen Zahl an Einheimischen
am Ausbau eines Flugfeldes für die japanischen Besatzer arbeiteten. Die Lebensbedingungen im Camp
verschlechterten sich während des weiteren Kriegsverlaufs und Anfang 1945 beschlossen die Japaner, 455 der
gesündesten Gefangenen nach Jesselton zu verlegen. In Folge der zunehmenden alliierten Luftangriffe endete der
Marsch dann aber in Ranau. Ende Mai und Mitte Juni des Jahres wurden weitere Gefangene nach Ranau verlegt.
Von den in Sandakan verbliebenen Gefangenen verstarben bis Kriegsende 1.400 sowie 3.600 Einheimische. Auf den
Märschen und anschließend im Lager von Ranau verstarben alle Gefangenen. Nur sechs Australier, denen die Flucht
aus Sandakan gelungen war, überlebten mit Hilfe der einheimischen Bevölkerung.
Sumatra
Die Niederländer hatten ihre Pläne zum Bau einer Eisenbahnlinie zwischen Pakan-Baroe und Moecura zum
Transport von Öl und Kohle vor Kriegsausbruch aufgegeben.[16] Der Weg durch unwegsamen Regenwald und
Sümpfe sowie der Bau von Brücken über Flüsse, die während der Monsunzeit zu reißenden Gewässern wurden,
erschien ihnen zu schwierig und gefährlich. Ab Mai 1943 führten die Japaner die alten Pläne zuerst mittels 120.000
Sklaven (Romushas) aus Java und Einheimischen, dann ab Mai 1944 auch durch mehr als 5.000 Kriegsgefangene
aus. Sie setzten sich aus niederländischen (ca. 4.000), britischen (fast 1.000), amerikanischen, australischen und
neuseeländischen Soldaten zusammen. Bewacht wurden die Arbeiter durch koreanische Aufseher. Die Fertigstellung
der Bahnlinie gelang am 15. August 1945, dem Tag der japanischen Kapitulation. Die Kunde von der Kapitulation
drang aber erst am 31. August bis in den Regenwald von Sumatra durch. Das letzte Camp wurde am 25. November
geräumt. Es verstarben während der Arbeiten ca. 2.500 Briten und Niederländer sowie rund 80.000 Einheimische.
Folgen
Diktatorische Herrschaft der Japaner - in Indonesien wird Sukarno politisch geduldet, da er sich zur Zusammenarbeit
mit den Japanern bekannt hat. Es begann eine Plünderung der Bodenschätze, vor allem Öl. Dazu wurden vor allem
einheimische Zwangsarbeiter eingesetzt. Ab September 1943 wurden einheimische Milizen auf Sumatra, Java und
Bali aufgebaut und am 3. Oktober die PETA (indonesisch: Pembela Tanah Air - Verteidiger des Heimatlandes)
gegründet. Ab Oktober 1944 führten die Japaner eine eingeschränkte Selbstverwaltung ein und nach Vorgesprächen
in den ersten Monaten des Jahres 1945 wurde im Juli angekündigt, in Kürze Indonesien den Indonesiern zu
übergeben. Durch die japanische Kapitulation kam Indonesien nach Beschluss der Potsdamer Konferenz aber unter
die Verwaltung der Briten (SEAC - South East Asia Command), ebenso wie Indochina, Thailand und Malaisia. Die
Australier verwalteten den Osten Indonesiens und Kalimantan. In der Folge begannen die Indonesier ihren Kampf
für die eigene Unabhängigkeit.
233
Japanische Invasion Südostasiens
Siehe auch
• Pazifikkrieg/Chronologischer Kriegsverlauf
• Kriegsverbrecherprozesse in Niederländisch-Indien
• Kriegsverbrecherprozesse in Singapur
Literatur
• Tom Womack, Dutch Naval Air Force Against Japan: The Defense of the Netherlands East Indies, 1941-1942,
McFarland & Company, 2006, ISBN 078642365X
• Ong Chit Chung, Operation Matador: World War II: Britain's Attempt to Foil the Japanese Invasion of Malaya
and Singapore, Times Academic Press, Singapore, 2003, ISBN 9812102663
• William H. Bartsch, December 8, 1941: MacArthur's Pearl Harbor, Texas A&M University Press, 2003, ISBN
1585442461
• Nicholas Tarling, A Sudden Rampage: The Japanese Occupation of South East Asia, C. Hurst & Co, 2001, ISBN
1850655847
• Masanobu Tsuji, Japan's Greatest Victory/Britain's Worst Defeat, Sarpedon Publishers, 1997, ISBN 188511933X
• J. Kennedy, British Civilians and the Japanese War in Malaya and Singapore, 1941-45, Palgrave Macmillan,
1987, ISBN 0333416031
• Robert H Firth, A matter of time: Why the Philippines fell, the Japanese invasion 1941-42, Eigenverlag, 1984,
ISBN 0960506004
Weblinks
• Flash-Animation der japanischen Feldzüge in Südostasien [17]
Malaisia und Singapur
• The war in Malaya, by Lt. General A. E. Percival, Extract from his official report to the government 1946 [18]
(englisch)
• Fall of Malaya and Singapore [19] (englisch)
• Südostasien unter japanischer Besetzung [20] (englisch)
Niederländisch-Ostindien
•
•
•
•
•
The Netherlands East Indies 1941-1942 [21] (englisch)
East Indies [22] (englisch)
Loss of the Netherlands East Indies [23] (englisch)
The Netherlands East Indies and the Pacific War [24] (englisch)
Indonesien unter japanischer Besetzung [25] (englisch)
Miri, Sarawak, Borneo
• World War II in Miri, Sarawak, Borneo [26] (englisch)
Riau-Inseln
• The capture of Riouw Archipelago [27] (englisch)
Celebes
• The Fall of Menado, January 1942 [28] (englisch)
• The Fall of Kendari, January 1942 [29] (englisch)
• The capture of Makassar, February 1942 [30] (englisch)
Ambon
• The Japanese Invasion of Ambon Island, January 1942 [31] (englisch)
234
Japanische Invasion Südostasiens
• Fall of Ambon - Australian governement [32] (englisch)
• GULL FORCE 2/21st.Battalion Association [33] (englisch)
Bali
• Fire in the Night: The loss of Bali and Timor [34] (englisch)
Bandasee-Operationen
• Beschreibung für ein Kartenmaterial in der National Libary of Australia [35] (englisch)
Neuguinea
• The Fall of Dutch New Guinea, April 1942 [36] (englisch)
• The capture of Manokwari, April 1942 [37] (englisch)
Japanische Kriegsverbrechen
• Pakan Baroe Death Railway [38] (englisch)
• Gefangenenlager in Niederländisch-Ostindien [39] (englisch)
• Japanse krijgsgevangenkampen [40] (niederländisch)
Anmerkung: Bei diesem Artikel wird der Familienname vor den Eigennamen der Person gesetzt. Dies ist die übliche Reihenfolge
im Japanischen. Matsuoka ist hier somit der Familienname, Yōsuke ist der Eigenname.
Referenzen
[1] Diskussions with Japan 1941 and Pearl Harbor unter: http:/ / www. mtholyoke. edu/ acad/ intrel/ WorldWar2/ pearl. htm
[2] 2001 History Conference - Remembering 1941 - Strategy and Command in Australia's Campaigns of 1941 von Professor David Horner unter:
http:/ / www. awm. gov. au/ events/ conference/ 2001/ horner. htm
[3] Memorandum [91] Regarding a Conversation Between the Secretary of State, the Japanese Ambassador (Nomura), and Mr. Kurusu unter:
http:/ / www. ibiblio. org/ pha/ timeline/ 411201apw. html
[4] Chronology of the Dutch East Indies, December 1941 unter: http:/ / www. reocities. com/ dutcheastindies/ december1. html
[5] http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ AAF/ I/ AAF-I-10. html'' Seite 376
[6] Für das Datum gilt es die Datumsgrenze zu beachten. Während in Pearl Harbor noch der 7. Dezember war, befand man sich in Kota Bahru
schon am 8. Dezember. Im Text gilt Weltzeit
[7] Australian War Memorial - Australia and the Dutch in the Pacific War unter: http:/ / www. awm. gov. au/ alliesinadversity/ japanese/ index.
asp
[8] Peter Stanley, 2002, „Remembering 1942: The defence of the 'Malay barrier': Rabaul and Ambon, January 1942“ (http:/ / www. awm. gov. au/
atwar/ remembering1942/ ambon/ transcript. htm). Access date: October 21, 2007.
[9] Seekrieg März 1942 unter: http:/ / www. wlb-stuttgart. de/ seekrieg/ 42-03. htm
[10] Australia-Japan Research Project - Offensive against Rabaul and key surrounding areas unter: ajrp.awm.gov.au (http:/ / ajrp. awm. gov. au/
ajrp/ ajrp2. nsf/ 017f5db0d9c8cf61ca256d9500143041/ feaf1a17b66469a8ca25705700216fe1?OpenDocument)
[11] Gasmata Airfield (Surumi, Tsurumi) unter: (http:/ / www. pacificwrecks. com/ airfields/ png/ gasmata/ index. html)
[12] The Japanese Invasion of New Ireland 1942 unter: http:/ / www. jje. info/ lostlives/ exhib/ potp/ japaneseinvasion. html
[13] Kavieng Flugfeld unter: http:/ / www. pacificwrecks. com/ airfields/ png/ kavieng/ index. html
[14] Manus Island, experience of No. 4 Section, 'B' Platoon, First Independent Company, Australian Imperial Force unter: http:/ / www. reocities.
com/ dutcheastindies/ manus. html
[15] (http:/ / www. sandakan-deathmarch. com/ index. htm)Sandakan Death March
[16] (http:/ / pakanbaroe. webs. com/ ) Pakan Baroe Death Railway
[17] http:/ / www. historyanimated. com/ DutchEastIndies. swf
[18] http:/ / www. fepow-community. org. uk/ arthur_lane/ Percivals_Report/ index. htm
[19] http:/ / www. britain-at-war. org. uk/ WW2/ Malaya_and_Singapore/ index. htm
[20] http:/ / www. cofepow. org. uk/ pages/ asia. html
[21] http:/ / www. reocities. com/ dutcheastindies
[22] http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ USA/ USA-C-EIndies/ index. html
[23] http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ AAF/ I/ AAF-I-10. html
[24] http:/ / www. awm. gov. au/ alliesinadversity/ essay/ index. asp
[25] http:/ / countrystudies. us/ indonesia/ 15. htm
[26] http:/ / www. authorsden. com/ categories/ article_top. asp?catid=17& id=19648
[27] http:/ / www. reocities. com/ dutcheastindies/ riouw. html
235
Japanische Invasion Südostasiens
[28] http:/ / www. reocities. com/ dutcheastindies/ menado. html
[29] http:/ / www. reocities. com/ dutcheastindies/ kendari. html
[30] http:/ / www. reocities. com/ dutcheastindies/ makassar. html
[31] http:/ / www. reocities. com/ dutcheastindies/ ambon. html
[32] http:/ / www. ww2australia. gov. au/ japadvance/ ambon. html
[33] http:/ / gullforce. org. au/ Battalion_History. html
[34] http:/ / www. netherlandsnavy. nl/ battle_balitimor. html
[35] http:/ / catalogue. nla. gov. au/ Record/ 4363138?lookfor=author:%22Japan. %20Rikugun. %20Sanbo%CC%84%20Honbu%22& offset=1&
max=48
[36] http:/ / www. reocities. com/ dutcheastindies/ new_guinea. html
[37] http:/ / www. reocities. com/ dutcheastindies/ manokwari. html
[38] http:/ / pakanbaroe. webs. com/
[39] http:/ / www. mansell. com/ pow_resources/ camplists/ list_2. html#anchor383395
[40] http:/ / www. japansekrijgsgevangenkampen. nl/
236
Schlacht im Korallenmeer
237
Schlacht im Korallenmeer
Schlacht im Korallenmeer
Teil von: Zweiter Weltkrieg, Pazifikkrieg
Karte der Schlacht
Datum
7. und 8. Mai
1942
Ort
Korallenmeer
Ausgang
Unentschieden
Konfliktparteien
Japanisches
Kaiserreich
USA, Australien
Befehlshaber
Frank Jack Fletcher Takeo Takagi
Tadaichi Hara
Truppenstärke
2 Flugzeugträger
3 Kreuzer
3 Flugzeugträger
4 Kreuzer
Verluste
1 Flugzeugträger
1 Zerstörer
1 Tanker
ca. 540 Tote
1 Flugzeugträger
1 Zerstörer
ca. 3.500 Tote
Überblick - Pazifikkrieg
Die Schlacht im Korallenmeer fand während des
Pazifikkriegs im Zweiten Weltkrieg am 7. und 8. Mai 1942
südwestlich der Salomonen und östlich von Neuguinea statt.
Sie war die erste einer Reihe von sogenannten
Trägerschlachten, bei denen sich japanische und alliierte
See-Einheiten
gegenüberstanden,
die
entscheidenden
Kampfhandlungen jedoch ausschließlich mit Flugzeugen
ausgetragen wurden. In der Seeschlacht spielten erstmals in der
Militärgeschichte Flugzeugträger eine Schlüsselrolle.
USS Yorktown (CV-5)
Schlacht im Korallenmeer
Hintergrund
Seit Beginn der pazifischen Auseinandersetzungen mit den
USA und deren Verbündeten Großbritannien, den
Niederlanden, Australien und Neuseeland verlief der Vorstoß
der Japaner in den südostasiatischen Raum fast ungehindert.
Die ABDA-Flotte wurde Ende Februar 1942 besiegt, und die
Eroberung
von
Rabaul
brachte
einen
wichtigen
vorgeschobenen Stützpunkt zur weiteren Expansion Richtung
Osten ein. Nach der Einnahme der Philippinen und dem Fall
der letzten dort befindlichen amerikanischen Bastion auf
USS Lexington (CV-2)
Corregidor kontrollierte Japan ganz Südostasien. Zwar gelang
es den Amerikanern, mit der Durchführung des Doolittle Raid
dem Gegner einen Nadelstich zu versetzen, aber mehr als einen Propagandasieg verzeichneten sie nicht. Die
Kampfkraft der japanischen Streitkräfte blieb ungebrochen.
Zum Ausbau ihrer Luftüberlegenheit plante die japanische Armee, einen Luftstützpunkt in Port Moresby an der
Südostküste Neu-Guineas zu errichten. Dieser Vorposten hätte es ihnen erlaubt, Australien zu bedrohen und weiter
in den Südostpazifik vorzudringen (Operation MO). Zu diesem Zweck wurde eine Landungstruppe entsandt,
bestehend aus einer kleineren Flotte, die die in den südlichen Salomonen gelegene Insel Tulagi angreifen sollte. Der
Hauptschlag jedoch zielte auf Port Moresby ab, wohin eine größere Flotte aufbrach. Die japanischen Seestreitkräfte
wurden einerseits von Rabaul aus mit Flugzeugen unterstützt, die von Norden her in das Korallenmeer flogen, sowie
andererseits von den großen Flugzeugträgern Shokaku und Zuikaku. Diese wiederum begleitete eine Flotte aus
Zerstörern und Kreuzern.
Schlachtauftakt
Die US-Marine gelangte durch Geheimdienstaufklärung an die japanischen Invasionspläne. Im Aufmarschgebiet bei
Rabaul wurden drei Flugzeugträger, zwei bis drei Schlachtschiffe, drei Schwere Kreuzer und zwei Leichte Kreuzer,
16 Zerstörer, ein U-Boot-Tender, sechs U-Boote und etliche kleinere Einheiten ausgemacht. Eine großangelegte
Operation der Japaner zeichnete sich ab.
Nach den amerikanischen Luftangriffen auf die japanischen Stützpunkte auf Lae und Salamaua am 10. März 1942
blieb die daran beteiligte Task Force FOX, bestehend aus dem Flugzeugträger USS Yorktown sowie drei Schweren
Kreuzern und sechs Zerstörern, im Operationsgebiet des Korallenmeers, während die Task Force BAKER mit dem
Träger USS Lexington nach Pearl Harbor zurücklief. Am 16. April erhielt sie vom Oberkommando den Befehl, in
Richtung Weihnachtsinseln auszulaufen. Während der Fahrt dorthin wurde der Einsatzbefehl aber revidiert und ein
Kurs zum Korallenmeer befohlen.
Am 1. Mai trafen die beiden Einsatzgruppen zusammen, und Konteradmiral Frank Jack Fletcher, Befehlshaber der
Task Force FOX, übernahm das Kommando. Die Einsatzgruppe bestand nun aus den beiden Trägern und acht
Kreuzern, darunter zwei der australischen Marine. Wenig später sichtete ein Aufklärungsflugzeug der Yorktown ein
aufgetauchtes japanisches U-Boot in etwa 60 Kilometern Entfernung zur Flotte. Es konnte wohl von Wasserbomben
dreier angeforderter Kampfflugzeuge versenkt werden, aber abgehörte Funksprüche deuteten darauf, dass die
Position der amerikanischen Einheiten den Japanern noch durchgegeben worden war.
Am nächsten Tag wurden Fletcher Geheimdienstberichte übermittelt, die den Schluss nahelegten, dass ein
gegnerischer Vorstoß Richtung Port Moresby unmittelbar bevorstand. Fletcher reagierte, indem er einen nördlichen
Kurs einschlug, um rechtzeitig im Operationsgebiet einzutreffen. Die Gruppe BAKER hatte die Treibstoffaufnahme
noch nicht abgeschlossen und wurde angewiesen, in der Nacht auf den 4. Mai zu folgen.
238
Schlacht im Korallenmeer
Tulagi
Als japanische Truppen am 3. Mai auf Tulagi zu landen
versuchten, um dort einen kleinen Luftwaffenstützpunkt
einzurichten, startete die Task Force FOX mit der Yorktown am
Morgen des 4. Mai von Norden her einen Luftangriff auf das
japanische Landungsunternehmen. Der Zerstörer Kikuzuki
wurde in der Halavo Bay (Florida Island) sehr schwer
beschädigt und sank. Ebenso gingen ein zweiter Zerstörer, ein
Frachtschiff, vier Kanonenboote und einige kleinere Einheiten
verloren. Ein Wasserflugzeugtender und ein Frachtschiff
wurden schwer beschädigt. Die US-Streitkräfte büßten zwei
Kampfflugzeuge und ein Torpedoflugzeug ein.
Die Yorktown und ihre Begleitschiffe kehrten sofort nach
Kikuzuki zerstört in der Halavo Bay
diesem Angriff wieder um und vereinigten sich am 5. Mai mit
den anderen Schiffen, um bei den verbliebenen Tankern wieder
Treibstoff aufzunehmen. Kurz darauf schossen Flugzeuge der Yorktown ein japanisches Flugboot ab. Ein etwas
später gesichtetes japanisches U-Boot, das wohl von diesem Flugboot zur amerikanischen Flotte geleitet worden
war, drehte wieder ab.
Die US-Einheiten bezogen eine Position etwa 1.100 Kilometer südlich von Rabaul und warteten auf das Vorrücken
der japanischen Hauptflotte. Als sich die Meldungen über eine Schiffskonzentration verdichteten, die in Richtung
Port Moresby unterwegs war, ordnete Fletcher Nordkurs an, um die Japaner am Morgen des 7. Mai angreifen zu
können. Der Tanker Neosho und der Zerstörer USS Sims wurden angewiesen, südlich der Flotte zu operieren. Eine
weitere Gruppe, die Task Force 44 unter dem Kommando von Konteradmiral John Crace, sollte japanische
Transporter und deren Begleitschiffe auf dem Weg nach Port Moresby abfangen. Der Verband bestand aus den
Schweren Kreuzern HMAS Australia und USS Chicago, dem Leichten Kreuzer HMAS Hobart sowie den Zerstörern
USS Perkins, USS Walke und USS Farragut. Als die Schiffe eine Position 180 km vor der Südspitze Neu Guineas
erreicht hatten, wurden sie von 27 japanischen Flugzeugen angegriffen. Nur Minuten nach dem Ende des
japanischen Angriffs bombardierten irrtümlich amerikanische B-17-Bomber, die von australischen Luftbasen
gestartet waren, den Verband. Bei beiden Angriffen gab es jedoch kaum nennenswerte Schäden.
Die Schlacht
7. Mai 1942
Am Morgen des 7. Mai lagen die feindlichen Flotten knapp 110 Kilometer voneinander entfernt. Beide Seiten
wussten, dass sie sich in unmittelbarer Angriffsreichweite befanden, und wollten daher unbedingt den Erstschlag
führen, um den Gegner nach Möglichkeit zu überraschen. Auf der japanischen Seite befehligten Vizeadmiral Takeo
Takagi und Konteradmiral Tadaichi Hara den Konvoi. Mangelnde Aufklärung führte zu Luftschlägen gegen kleinere
Flottenteile, während die Hauptflotten zunächst unberührt blieben. Dies betraf beide Kontrahenten, wobei besonders
die japanischen Flugzeugträger, durch ein Schlechtwettergebiet begünstigt, von den amerikanischen
Aufklärungsflugzeugen nicht ausgemacht werden konnten.
239
Schlacht im Korallenmeer
Japanische Aufklärungsflieger sichteten gegen 8:00 Uhr in
südlicher Position den zurückgebliebenen amerikanischen
Versorgungstanker USS Neosho I und den Zerstörer USS Sims.
Diese befanden sich aber weit entfernt von den amerikanischen
Trägern. Sie wurden von den Piloten als „Flugzeugträger und
Kreuzer“ gemeldet. Zwei folgende, heftige Feuerschläge
richteten so gut wie keine Schäden an, als aber gegen Mittag
eine Welle Sturzbomber die Schiffe angriff, sank die USS Sims,
und die USS Neosho wurde als manövrierunfähiges Wrack
zurückgelassen. Die Mannschaft der USS Neosho konnte
tagelang nicht gerettet werden, weil ihre Position versehentlich
falsch übermittelt worden war.
240
USS Sims
Währenddessen meldete ein amerikanischer Aufklärer um 8:45
Uhr zwei japanische Flugzeugträger nördlich von Misima. Die
USS Yorktown und USS Lexington starteten sofort einen
gemeinsamen Großangriff auf die rund 260 Kilometer
entfernten Schiffe. Als die Kampfflugzeuge in der Luft waren,
landete kurz danach der Aufklärer, und es stellte sich heraus,
dass die durchgegebene Meldung fehlerhaft war. Der Pilot
hatte nur zwei Schwere und zwei Leichte Kreuzer melden
wollen, aber seine Meldungskonsole war falsch einjustiert
Torpedotreffer auf dem japanischen Flugzeugträger Shōhō
worden. So befanden sich die Kampfflugzeuge auf dem Weg
zu einem falschen Ziel, doch sie wurden nicht zurückgerufen. Im nachhinein erwies sich diese Entscheidung als
richtig, da australische Aufklärer etwas später eine japanische Gruppe, bestehend aus einem leichten Flugzeugträger,
der Shōhō, zusammen mit vier schweren Kreuzern ausfindig gemacht hatten. Da deren Position nur leicht von der
alten Meldung abwich, lenkte man die Kampfflugzeuge entsprechend um. Mit 53 Bombern, 22 Torpedoflugzeugen
und 18 Jägern griffen sie die Schiffe an. Die Shōhō wurde noch vor Mittag so oft und so stark getroffen, dass sie
innerhalb von Minuten sank.
Zur gleichen Zeit dirigierte der Flugleiter der USS Lexington die vorgesehenen Patrouillenflüge beider
amerikanischer Träger. Die erste Gruppe war von der USS Lexington gestartet und meldete die erste Feindsichtung
"bogey" um 9:03 Uhr. Es kam aber nicht zu einer Abfangaktion, da das Flugzeug nicht mehr gesehen wurde. Gegen
10:50 Uhr starteten auch von der USS Yorktown Patrouillenflugzeuge, die gegen 11:15 Uhr ein japanisches Flugboot
erspähten und kurz danach, in einer Entfernung von 65 Kilometern zur eigenen Flotte, abschossen. Die beiden im
Gebiet vermuteten großen japanischen Flugzeugträger konnten von keiner der Maschinen entdeckt werden. Die
Flüge wurden kurz darauf eingestellt, doch es erschienen immer wieder feindliche Echos auf den Radarschirmen. Als
am Nachmittag eine japanische Maschine der amerikanischen Flotte sehr nahe kam, starteten von der USS Yorktown
einige Abfangjäger, um diese abzuschießen. Infolge des schlechten Wetters wurde die Maschine aber verfehlt und
erst in einer Entfernung von nur noch 15 Kilometern zur amerikanischen Flotte wiederentdeckt. Es konnte als
Aufklärungsflugboot identifiziert werden, entkam aber.
Schlacht im Korallenmeer
Amerikanischer Sturzbomber SBD "Dauntless"
Japanischer Sturzbomber Aichi D3A1
241
Da die japanische Seite ebenfalls auf der Suche nach den Amerikanern
war, starteten sie am frühen Abend einige Jägerstaffeln und schickten
sie in Richtung der vermuteten Träger. Nachdem um 17:47 Uhr dieses
Geschwader auf den Radarschirmen der Amerikaner in 29 Kilometern
Entfernung
erschienen
war,
beorderte
man
umgehend
Abfangformationen von beiden Flugzeugträgern in die Luft. Abermals
spielte das Wetter nicht mit. Auf dem Weg zu den anfliegenden
Japanern sahen die Piloten immer wieder feindliche Flugzeuge auf
Gegenkurs unter sich, allerdings verschwanden diese schnell in den
Wolken. Zwei amerikanische Maschinen schwenkten daraufhin vom
Kurs ab, um einige der japanischen Bomber zu verfolgen. Einer dieser
Jäger kehrte nicht mehr zurück. Die verbliebene Staffel lieferte sich
bald darauf eine Luftschlacht mit Aichi 99 Sturzkampfbombern, von
denen mindestens fünf abgeschossen wurden. Nach Sonnenuntergang
landeten die Amerikaner wieder auf ihren Trägern. Über der
Steuerbordseite der USS Yorktown erschienen während des
Landevorgangs überraschend drei japanische Jäger. Als diese den Bug
des Schiffes überflogen, eröffnete ein landendes amerikanisches
Flugzeug kurzfristig das Feuer auf sie, vermochte aber keine sichtbaren
Schäden anzurichten. Etwa eine Stunde später kreisten nochmals
japanische Flugzeuge über der USS Yorktown, die umgehend das Feuer
auf sie eröffnete und sie zur Umkehr zwang. Auch der Kommandant
der USS Lexington berichtete später von ähnlichen Vorfällen bei
seinem Schiff.
All dies hatte zur Folge, dass die japanische Führung die Invasion von Port Moresby abbrach, um auf weitere
Anweisungen zu warten. Beide Flotten bereiteten sich nun auf die Schlacht am folgenden Morgen vor.
Die Japaner verloren am 7. Mai einen leichten Flugzeugträger und einen leichten Kreuzer. An Flugzeugen büßten sie
13 Jäger, drei Torpedobomber, zwei Sturzbomber und eine Aufklärungsmaschine ein. Die Amerikaner verloren
dagegen einen Versorgungstanker und einen Zerstörer sowie drei Sturzbomber und drei Jäger. Die Mannschaft einer
Dauntless SBD konnte später gerettet werden.
8. Mai 1942
Die Schlacht im Korallenmeer erreichte an diesem Tag ihren Höhepunkt. Die amerikanische Einsatzgruppe war in
der Nacht weiter nordwestwärts gelaufen, da die Aufklärung die japanischen Schiffe auch auf Nordkurs sah. Die
exakte Position der Flugzeugträger war allerdings noch immer nicht bekannt. Es wurde aber vermutet, dass diese
sich nach wie vor im Korallenmeer aufhielten, um die Luftherrschaft für die beabsichtige Landung auf Port Moresby
zurückzugewinnen.
Der amerikanische Angriff
Bereits vor dem Morgengrauen am 8. Mai 1942 wurde an Bord der US-Schiffe der Entschluss zum Beginn einer
Rundumsuche gefasst. Die Suchflugzeuge starteten von der USS Lexington um 6:25 Uhr. Um 8:20 Uhr meldete eine
Maschine die Sichtung von zwei Trägern, zusammen mit vier Schweren Kreuzern und einigen Zerstörern, die 275
Kilometer nordöstlich der eigenen Flotte mit hoher Geschwindigkeit auf Südkurs lagen. Kurz darauf entdeckten die
japanischen Kampfverbände die amerikanische Formation, was durch einen abgefangenen Funkspruch belegt ist.
Das Wetter begünstigte die Japaner. Während die amerikanische Gruppe in einem Schönwettergebiet lag, war die
Sicht bei den gegnerischen Trägern auf drei bis 25 Kilometer eingeschränkt. Starke Wolken überdeckten das
Schlacht im Korallenmeer
242
gesamte Gebiet.
Um 9:07 Uhr übergab Admiral Fletcher das taktische
Kommando an Admiral Aubrey W. Fitch, der für die
Lufteinsätze verantwortlich war. Unterdessen starteten die
ersten Kampfflugzeuge vom Deck der USS Yorktown. Sie
waren alle mit 1000-Pfund-Bomben bestückt. Insgesamt flogen
sechs Jäger, sieben Bomber, 17 Sturzbomber und neun
Torpedomaschinen in Richtung der japanischen Träger, die um
10:32 Uhr ausgemacht werden konnten. Die japanischen
Träger fuhren in einem Abstand von etwa elf Kilometern. Ihre
Begleitgruppe bestand aus einem Schlachtschiff oder einem
sehr großen Kreuzer, drei Schweren Kreuzern und vier
Zerstörern.
Die Shokaku schwer getroffen im Korallenmeer
Als die Bomber ihre Angriffsposition um 10:49 Uhr erreicht hatten, mussten sie noch auf die langsameren
Torpedobomber warten, und begannen, Kreise zu fliegen. Ein japanischer Träger, die Zuikaku, setzte Kurs in ein
starkes Regengebiet, während der andere, die Shokaku, in den Wind drehte und seine Flugzeuge zu starten begann.
Zehn Minuten später erreichten auch die Torpedobomber ihre Position, und die Gruppe startete einen Angriff auf den
Träger, der gerade seine Maschinen gestartet hatte. Die Shokaku drehte abrupt nach Steuerbord, genau in dem
Moment, als die Torpedobomber angriffen und ihre Last ausklinkten. Mindestens drei der Torpedos trafen den
Träger. Der erste riss den Bug von der Wasserlinie bis zum Flugdeck auf, und die nächsten beiden trafen mittschiffs.
Schnell stand die Shokaku vom Bug bis zur Mitte in Flammen. Alle amerikanischen Torpedobomber entkamen dem
feindlichen Beschuss. Die vier Jäger, die die Bomber eskortiert hatten, wurden unterdessen von sechs japanischen
Zeros attackiert, von denen drei abgeschossen werden konnten. Alle Kampfflugzeuge kehrten bis 13:00 Uhr wieder
an Bord der USS Yorktown zurück. Dabei rammte eine Maschine bei der Landung den Kommandoturm und musste
über Bord gekippt werden, die beiden Besatzungsmitglieder wurden gerettet.
Die Flugkampfgruppe der USS Lexington hatte währenddessen
auch ihren Träger verlassen und befand sich auf dem Weg zu
den japanischen Trägern. Sie bestand aus 12 Torpedobombern,
18 Sturzbombern, vier Aufklärern und neun Jägern, von denen
drei die Sturzbomber begleiteten. Aufgrund der ungünstigen
Wetterlage verloren diese drei Maschinen ihre Gruppe und
mussten zur USS Lexington zurückkehren. Der Rest flog den
vorgegebenen Kurs weiter, verfehlte aber die feindlichen
Die Zuikaku
Schiffe. Unter stark eingeschränkter Sicht begannen die
Maschinen, einen quadratischen Bereich abzusuchen. Nach einiger Zeit tat sich eine Wolkenlücke auf, in der sie die
japanischen Schiffe orteten. Schnell waren japanische Jagdflugzeuge des Typs A6M Zero zur Stelle, welche die
Amerikaner in Luftkämpfe verwickelten. Einige der Bomber konnten zu dem unter ihnen fahrenden Träger
durchdringen. Sie erzielten auf der Zuikaku einen Bomben- und drei Torpedotreffer. Die amerikanischen
Kampfmaschinen landeten gegen 14:00 Uhr wieder auf der USS Lexington. Ein Flugzeug kehrte aufgrund von
Treibstoffmangel nicht zurück und blieb vermisst.
Zunächst herrschte Verwirrung unter den Admirälen Fitch und Fletcher hinsichtlich der getroffenen japanischen
Träger: Hatten beide Staffeln denselben Träger attackiert und sogar versenkt, oder waren es zwei unterschiedliche
Ziele gewesen? Erst eine Befragung der Piloten ergab, dass die zweite Staffel mit der Zuikaku in Kontakt gekommen
war und folglich keiner der japanischen Träger versenkt worden war.
Schlacht im Korallenmeer
Der japanische Gegenschlag
Nach den abgefangenen Funksprüchen ging die amerikanische Seite davon aus, dass sie von den Japanern entdeckt
worden war und eine gegnerische Attacke folgen würde. Admiral Fitch, der das taktische Kommando inne hatte,
befahl die Aufstellung von Patrouillenstaffeln zur Abwehr der Torpedo-Flugzeuge. Die Schiffe nahmen Fahrt bis zu
25 Knoten auf und erhöhten diese während des Angriffs noch auf 30 Knoten. Die Amerikaner fuhren in einer
kreisförmigen Deckungsformation mit den beiden Flugzeugträgern in der Mitte, wobei die USS Yorktown nördlich
der USS Lexington fuhr. Während eines Hochgeschwindigkeitsmanövers drehten die Träger voneinander weg, um
den Torpedos und Bomben auszuweichen. Die Begleitschiffe folgten ihnen.
Als gegen 10:14 Uhr ein japanisches Flugboot, das in einer Entfernung von 35 Kilometern die amerikanische Flotte
beobachtete, von den Jägern entdeckt und abgeschossen wurde, schien der Angriff unmittelbar bevorzustehen. Um
10:55 Uhr tauchten auf dem Radar der USS Yorktown in 110 Kilometern Entfernung japanische Kampfflugzeuge
auf. Vier Minuten später rief Fitch die in der Luft befindlichen Flugzeuge zu den Trägern zurück und ließ zusätzlich
vier weitere Jäger aufsteigen, so dass nun acht Jäger der USS Yorktown und neun der USS Lexington zur
Verteidigung in der Luft bereitstanden.
Kurz nach 11:00 Uhr meldeten die Jäger, die etwa 450 Meter unter den Japanern kreuzten, dass es sich um eine
Anzahl von 50 bis 60 Flugzeugen handelte, die in einer Höhe zwischen 3,5 und 4,5 Kilometern verteilt waren. Auf
der untersten Ebene flogen die Torpedomaschinen, darüber Jäger, dann die Sturzkampfbomber und zuoberst weitere
Jäger. Drei amerikanische Jäger griffen diese große Formation an, als sie sich in einer Entfernung von etwa 20
Kilometern zu den Trägern befand. Zwei weitere attackierten die unten fliegenden, bis auf 7 Kilometer zur Flotte
vorgerückten Torpedoflugzeuge. Zwei Jäger nahmen das Ende der Formation ins Visier. Als die Japaner ihre
Trägerattacke begannen und die Torpedos ausklinkten, wurden sie von oben von zwei amerikanischen Abfangjägern
unter Feuer genommen. Ein Sturzkampfbomber und ein Zero-Jäger konnten abgeschossen werden. Kurz danach
stürzten unter amerikanischem Beschuss zwei weitere Maschinen ab.
Die acht SBDs, welche von der USS Yorktown gestartet waren,
wurden von einer größeren Zahl japanischer Jäger angegriffen,
denen es gelang, vier der Maschinen abzuschießen. Im
folgenden Kampfgetümmel konnten die verbliebenen
amerikanischen Maschinen im Gegenzug vier japanische Jäger
abschießen und etliche andere beschädigen. Jäger der USS
Lexington vernichteten weitere acht Kampfmaschinen.
Trotzdem gelang es japanischen Torpedobombern gegen 11:20
Uhr, sechs Torpedos gegen die USS Yorktown ins Wasser zu
bringen. Die USS Yorktown drehte sofort ab und begann, sich
von der USS Lexington fortzubewegen. Sie lief nun auf
Die USS Lexington brennt
parallelem Kurs zu den im Wasser befindlichen Torpedos. Dem
Abwehrfeuer der amerikanischen Schiffe fielen vier japanische
Maschinen zum Opfer. Etwas später ließ ein Bomber einen Torpedo von der Steuerbordseite aus auf den Träger
zulaufen. Nach einer Drehung der USS Yorktown lief er knapp am Bug vorbei. Mit der Sonne im Rücken stürzten
nun Sturzbomber aus größerer Höhe auf den Träger zu. Ihr Ziel schien die Kommandobrücke zu sein. Ein heftiges
Abwehrfeuer schlug ihnen entgegen, so dass sie mehrmals gezwungen wurden den Kurs zu korrigieren. Alle Bomber
schafften dennoch den Durchbruch und brachten einen direkten Bombentreffer gegen den amerikanischen Träger an.
Sechs weitere Nahtreffer von der Schiffsmitte bis zum Bug folgten. Der Haupttreffer traf das Flugdeck unweit des
zweiten Aufzugs und der Kommandobrücke. Die Bombe drang bis auf die dritten Ebene vor und explodierte im
Ausrüstungsraum der Flieger, wobei 37 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen und etliche verwundet wurden. Der
Sachschaden hingegen war nicht sehr hoch. Allerdings fiel das Radar der USS Yorktown für etwa 50 Minuten aus.
243
Schlacht im Korallenmeer
Auch die USS Lexington wurde zur gleichen Zeit heftig attackiert. Nur
mittels stetiger Kursänderungen gelang es dem Träger, sich aus den
Laufbahnen der geworfenen Torpedos zu manövrieren, die sowohl von
Backbord als auch von Steuerbord anliefen. Dennoch schlug um 11:20
Uhr der erste Torpedo unter der vorderen Waffenphalanx auf der
Backbordseite ein. Nur eine Minute später folgte ein zweiter etwas
weiter hinten gegenüber der Kommandobrücke. Obwohl die
Abwehrgeschütze der USS Lexington unentwegt feuerten und auch vier
japanische Flugzeuge abgeschossen wurden, detonierte eine 1.000
Pfund Bombe (453 kg) am hinteren Ende der vorderen Waffenphalanx.
Die nach dem Treffer beschädigte Abwehrbatterie
Sie zerstörte die Batterie vollständig, wobei die Besatzung der Station
der USS Lexington
Nr. 6 getötet und 13 Soldaten der anderen Stationen teils erheblich
verletzt wurden. Weitere Tote gab es auf dem Hauptdeck in einer
Durchgangspassage, wo gelagerte Munition durch Bombeneinwirkung explodierte. Sofort brach Feuer aus. Zwei
kleinere Bombentreffer töteten weitere Männer. Das Schiff neigte sich um etwa 6° zur Backbordseite, da die
Lastverteilung nicht mehr stimmte. Mittels Umpumpen von Öl vermochte man es jedoch wieder aufzurichten. Einige
Räume waren überflutet und mussten ausgepumpt werden. Um 12:40 Uhr lag das Schiff wieder eben, und die Feuer
waren unter Kontrolle.
Die Versenkung der USS Lexington
Um 12:47 Uhr ereignete sich an Bord der USS Lexington eine große Explosion unter Deck, die sehr wahrscheinlich
verspätet durch eine vorher nicht explodierte Bombe verursacht wurde. Möglicherweise waren aber auch
Treibstofflecks dafür verantwortlich. Sofort brach ein großes Feuer aus, das sich rasend schnell ausbreitete.
Löschtrupps versuchten erfolglos den Brand zu löschen. Während sich das Feuer nach oben durchfraß, kam es zu
weiteren kleinen Explosionen. Nach und nach fielen die Kommunikationseinrichtungen an Bord des Trägers aus.
Admiral Fletcher musste nach der Rückkehr der amerikanischen Flugzeuge entscheiden, entweder einen weiteren
Angriff auf die japanischen Träger zu fliegen, oder eine Angriffsgruppe in Richtung Port Moresby auszusenden. Um
14:22 Uhr meldete Admiral Fitch, dass möglicherweise ein dritter Flugzeugträger zur japanischen Flotte gestoßen
wäre. Die USS Yorktown konnte nach dem Gegenangriff nur noch mit maximal 30 Knoten laufen, und die USS
Lexington nur noch mit 24 Knoten. Die Träger hatten zudem etliche Maschinen bei den Kämpfen verloren und
waren so schwer beschädigt, dass die verbliebenen Flugzeuge nicht mehr befriedigend gewartet und gerüstet werden
konnten. Fletcher entschloss sich daher gegen eine erneute Attacke. Auch die Landungspläne der bei Port Moresby
befindlichen Gruppe wurden verworfen, da mit einem weiteren Angriff der Japaner vor Einbruch der Dunkelheit zu
rechnen war. Deshalb nahm man südlichen Kurs, während die Schiffe auf Schäden untersucht und die Flugzeuge der
Wartung unterzogen wurden. Auf der USS Lexington informierte der Einsatzoffizier der Löschmannschaften um
14:52 Uhr den Kommandanten, dass die Feuer nicht mehr kontrollierbar waren. Einige Minuten später signalisierte
der Träger um Hilfe. Die Hitze und der Rauch unter Deck waren so stark geworden, dass nur mehr Einsatzkräfte mit
Atemschutz an der Brandbekämpfung teilnehmen konnten. Es gab aber etliche Männer, die nur mit einfachen
Gasmasken wieder zurück an die Feuerfront gingen. Es wurde festgestellt, dass es möglich wäre, die USS Lexington
zu retten, wenn genügend Wasser herbeigeschafft werden könnte.
Die flugbereiten Maschinen der USS Lexington wurden am Nachmittag zur USS Yorktown geflogen. Der Träger
sollte für die Fahrt nach Pearl Harbor instandgesetzt werden. Bis zum Abend stiegen von der USS Yorktown
Aufklärungsflugzeuge auf, die die Umgebung nach japanischen Maschinen absuchten.
244
Schlacht im Korallenmeer
Um 16:30 Uhr musste der Maschinenraum der USS Lexington
endgültig evakuiert werden. Ab diesem Zeitpunkt lag der Träger
manövrierunfähig
und
ohne
Antrieb
im
Korallenmeer.
Schwimmwesten wurden ausgegeben, die Mannschaft bereitete sich
auf das Verlassen des Schiffs vor. Als letzte Rettung sollten Zerstörer
längsseits der USS Lexington gehen und Wasserschläuche
hinüberwerfen, was der USS Morris mit zwei Schläuchen auch gelang.
Mittlerweile war die Temperatur am Brandherd aber schon auf über
750 °C gestiegen und die Führungsoffiziere befürchteten eine große
Explosion, die den Träger zerreißen würde. So gab man um 17:07 Uhr
den Befehl zum Verlassen des Schiffs. Die USS Hamman und die USS
Anderson waren unterdessen ebenfalls längsseits gesteuert, während
die USS Morris ihre Löschschläuche zurückzog. Hunderte
Besatzungsmitglieder befanden sich auf dem Flugdeck des Trägers,
und viele waren schon ins Wasser gesprungen und schwammen zu den
Zerstörern, die Rettungsboote zu Wasser gelassen hatten. Weitere
Zerstörer näherten sich dem sich immer weiter neigenden Träger und
begannen ihn zu umkreisen. Einige begaben sich mit den
aufgenommenen Geretteten zur USS Yorktown und übergaben diese
dort. Anschließend fuhren sie wieder zur USS Lexington zurück, die
immer öfter von weiteren Explosionen erschüttert wurde.
Umherfliegende Trümmerteile trafen auch die den Träger
umkreisenden Zerstörer und führten dort zu leichteren Schäden.
245
Die Mannschaft verlässt den sinkenden
Flugzeugträger
Kurz nach 18:00 Uhr umrundete ein Beiboot der USS Phelps die
verlassene USS Lexington um sicherzustellen, dass sich niemand mehr
an Bord aufhielt. Wieder erschütterten mehrere schwere Explosionen
Überlebende der USS Lexington werden von
den Flugzeugträger, der mittlerweile 30° Schlagseite hatte. An Bord
einem Kreuzer an Bord genommen
befanden sich nur noch der Kommandant, Captain Frederick C.
Sherman und sein erster Offizier Commander Morton T. Seligman, die nach einer letzten Inspektion kurz nach 18:00
Uhr die USS Lexington verließen und mit einem kleinen Rettungsboot zur USS Minneapolis übersetzten. Insgesamt
konnten von den 2.951 Besatzungsmitgliedern 92 Prozent gerettet werden. Während der Schiffsaufgabe selbst kam
niemand ums Leben. Als Opfer waren 26 Offiziere und 190 Seeleute zu beklagen.
Fünf Torpedos vom amerikanischen Zerstörer USS Phelps trafen die USS Lexington zwischen 19:15 Uhr und 19:52
Uhr, worauf der Flugzeugträger sank. Kurz darauf detonierte das untergegangene Schiff unter Wasser so stark, dass
der Kommandant der USS Phelps kurzzeitig annahm, sein Schiff wäre von einem feindlichen Torpedo getroffen
worden.
Am Abend verließen beide Seiten das Schlachtfeld. Die Japaner kehrten mit der Zuikaku ein paar Tage später
zurück. Da ihnen aber nur noch sehr wenige Flugzeuge zur Verfügung standen, wurde die Einnahme von Port
Moresby nicht weiter verfolgt. Am 11. Mai kommandierte das japanische Oberkommando den Flugzeugträger
wieder ab.
Die USS Yorktown nahm Kurs auf Pearl Harbor und spielte nach ihrer Reparatur eine wichtige Rolle bei der Schlacht
um Midway.
Schlacht im Korallenmeer
Folgen
Auf den ersten Blick kam die Kaiserliche Japanische Marine mit einem verkraftbaren Unentschieden davon: Sie
verlor den leichten Flugzeugträger Shôho. Ein weiterer schwerer Träger, die Shokaku, wurde schwer beschädigt.
Außerdem gingen viele Kampfflugzeuge verloren.
In der folgenden Schlacht um Midway machte sich jedoch ein Abnutzungseffekt zuungunsten der japanischen
Streitkräfte bemerkbar. Die Verluste aus der Schlacht im Korallenmeer und die durch Reparaturen bedingte
Abwesenheit der Shokaku waren deutlich spürbar.
Auf amerikanischer Seite hingegen wurde der Flugzeugträger Lexington versenkt und der Träger Yorktown schwer
beschädigt.
Vom Oberkommando der Pazifikstreitkräfte wurde die Operation als strahlender Erfolg für die US Navy
kommentiert. Das größte technische Problem hätte man mit beschlagenen Bombenvisieren bei Sturzflügen aus
17.000 Fuß gehabt, was die technische Ausgereiftheit der Kampfverbände belegen sollte. Die optimistische
Beurteilung war ein moralischer Faktor für die kommenden Trägerschlachten.
Man war allgemein darüber enttäuscht, welchen geringen Effekt die eingesetzten Bomben, Torpedos und Geschosse
insgesamt hatten. Intern wurde eine Liste von Kritikpunkten und angeforderten Verbesserungen erstellt:
• Die Ausbildung von Flug- und Artilleriepersonal muss intensiviert werden. Unzureichender Jagdschutz
verhinderte eine wirkungsvolle Verteidigung sowohl der Angriffsstaffeln als auch der Flotte.
• Veraltete Torpedoflugzeuge behinderten die Piloten. Angriffe mit Torpedoflugzeugen sind effektiver, wenn sie
mit Sturzbomberangriffen koordiniert werden.
• Automatische Waffen brauchen bessere Feuerleitsysteme, die höhere Treffergenauigkeit bei großen
Vorhaltewinkeln ermöglichen.
• Alle Flugzeugträger sollen mit zwei Langstrecken-Radaranlagen ausgerüstet sein.
• Intensiveres gemeinsames Training von land- und seegestützten Luftstreitkräften soll deren Zusammenwirken
verbessern.
• Die Zerstörungskraft von Fliegerbomben und Torpedos muss gesteigert werden.
• Die Gefahren, die das Mitführen großer Treibstoffmengen birgt, müssen verringert werden.
• Begleitschiffe bieten den besten Schutz für Flugzeugträger gegen Torpedoflugzeuge, wenn sie im Abstand
zwischen 1.500 bis 2.500 Metern Entfernung zu diesen patrouillieren.
Die Yorktown konnte in Pearl Harbor durch Notreparaturen in Rekordzeit wieder einsatzbereit gemacht werden, und
sie beteiligte sich an der Seite der USS Enterprise und der USS Hornet an der Verteidigung von Midway. Sie wurde
dort bei japanischen Angriffen erneut schwer getroffen und schließlich am Morgen des 7. Juni von einem
japanischen U-Boot versenkt.
246
Schlacht im Korallenmeer
247
Siehe auch
• Chronologischer Kriegsverlauf des Pazifikkrieges
Literatur
• Chris Henry: The Battle of the Coral Sea, Naval Institute Press 2003. ISBN 1-59114-033-1
Spielfilm
• Video Battle Of The Coral Sea, 1959, Regie: Paul Wendkos, Darsteller: Cliff Robertson, Gia Scala, 1992
Weblinks
• Umfangreiche Schlachtbeschreibung auf ibiblio.org [1] (englisch)
• Schlachtbeschreibung der US-Marine [2] (englisch)
Referenzen
[1] http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ USN/ USN-CN-Coral/ index. html
[2] http:/ / www. history. navy. mil/ photos/ events/ wwii-pac/ coralsea/ coralsea. htm
Schlacht um Midway
Schlacht um Midway
Teil von: Zweiter Weltkrieg, Pazifikkrieg
Anmarschwege der beteiligten Verbände
Datum
4.–7. Juni 1942
Ort
Midwayinseln
Ausgang
Amerikanischer Sieg
Konfliktparteien
USA
Japan
Befehlshaber
Chester W. Nimitz
Yamamoto Isoroku
Frank Jack Fletcher
Nagumo Chūichi
Raymond A. Spruance Kondō Nobutake
Truppenstärke
Schlacht um Midway
248
3 Flugzeugträger
50 weitere Schiffe
4 Flugzeugträger
150 weitere Schiffe
Verluste
1 Flugzeugträger
1 Zerstörer
98 Flugzeuge
307 Tote
4 Flugzeugträger
1 Kreuzer
ca. 300
Trägerflugzeuge
ca. 4.800 Tote
Überblick – Pazifikkrieg
Die Schlacht um Midway war eine große Trägerschlacht während des Pazifikkriegs im Zweiten Weltkrieg. Vom 4.
bis zum 7. Juni 1942 kämpften bei den Midwayinseln große Verbände der Kaiserlichen Japanischen Marine und der
United States Navy.
Auslösende Faktoren
Seitdem Japan im Dezember 1941 die westlichen Alliierten angegriffen hatte, führten seine Streitkräfte einen äußerst
erfolgreichen Feldzug zur Eroberung der britischen und niederländischen Kolonien in Südostasien. Als sich im
Frühjahr 1942 die Operationen zur Eroberung der rohstoffreichen Gebiete in Malaysia und Niederländisch-Indien
ihrem Ende näherten, kam es daher im Japanischen Oberkommando zur Diskussion über das weitere Vorgehen. Eine
Fraktion der japanischen Militärs wollte weiter nach Westen Richtung Indien und Sues vorstoßen und dort
schließlich die Verbindung mit dem deutschem Afrikakorps herstellen. Eine andere Fraktion hingegen favorisierte
ein Vorstoßen in Richtung Fidschi - Samoa, um die Verbindungslinien der Alliierten zwischen Australien und den
USA zu kappen[1] .
Mit dem amerikanischen Luftangriff auf Tokio (Doolittle Raid) am 18. April 1942 änderten sich jedoch die
japanischen Pläne. Bis zu diesem Zeitpunkt war die nach dem Überfall auf Pearl Harbor geschwächte
US-Pazifikflotte als keine ernstzunehmende Bedrohung erschienen, und da es im Zentralpazifik keine Ziele gab,
deren Eroberung sich lohnte, waren die Japaner seit den Eroberungen von Wake und Guam nicht weiter in dieses
Gebiet vorgestoßen. Nach dem Angriff auf Tokio erklärte Admiral Yamamoto Isoroku die Vernichtung der
verbliebenen US-Flotte, insbesondere ihrer Flugzeugträger zur höchsten Priorität. Dies sollte nicht nur weitere
Angriffe gegen Japan unmöglich machen, sondern auch jede denkbare Bedrohung durch die Amerikaner in nächster
Zeit ausschließen und würde vielleicht sogar zu einem Verhandlungsfrieden zwischen Japan und den USA führen[1] .
Die Midwayinseln sind nach dem kleinen Kure-Atoll die westlichste der Nordwestlichen Hawaii-Inseln und waren
zu dieser Zeit der am weitesten im Westen liegende Vorposten der Amerikaner im Zentralpazifik. Der strategische
Wert der Inseln selbst war gering, aufgrund ihrer Größe eigneten sie sich nur als Aufklärungstützpunkt, aber nicht als
größere Basis. Als Auftankstation für die aus Pearl Harbor gegen Japan operierenden U-Boote erwiesen sie sich
allerdings als recht nützlich, die Boote konnten so erheblich länger im Einsatzgebiet bleiben, da Hin- und Rückweg
zwischen Pearl Harbor und Midway zusammen über 3500 Kilometer ausmachen. Pläne zur Eroberung von Midway
gab es auf Seiten der Japaner zwar schon seit Beginn des Krieges, sie waren jedoch nie ausgeführt worden, da der
Aufwand zur Versorgung der eroberten Inseln als größer erachtet wurde als ihr Nutzen als Aufklärungsbasis.
Aufgrund der relativen Nähe zu Pearl Harbor, dem einzigen als große Flottenbasis verwendbaren Hafen, der den
US-Streitkräften im Pazifik zur Verfügung stand, konnten die Amerikaner es sich jedoch nicht leisten, die Insel ohne
Weiteres zu verlieren. Eine Invasion von Midway bot die Möglichkeit, die US-Pazifikflotte trotz ihrer Schwäche zu
einer Entscheidungsschlacht zu zwingen[1] .
Schlacht um Midway
Die japanische Strategie
Der Plan sah vor, die beiden kleinen Atoll-Inseln (Sand Island und Eastern Island) einzunehmen und dort eine eigene
Luftbasis aufzubauen. Dies sollte die Amerikaner veranlassen, ihre Trägerflotte nach Midway in Marsch zu setzen.
Die kampferprobte japanische Übermacht wollte sie dort angreifen und möglichst alle feindlichen Träger vernichten.
Als Ablenkungsmanöver war gleichzeitig ein Schlag gegen die Aleuten im nördlichen Pazifik vorgesehen, die
ebenfalls einen strategisch wichtigen Punkt bildeten.
Danach wäre die Übermacht der Japaner im Pazifik so groß geworden, dass eventuell ein Friedensvertrag in den
existierenden Grenzen hätte ausgehandelt werden können – wie es die japanische Endsieg-Strategie vorsah.
Ausgangslage
Nach der Schlacht im Korallenmeer am 7. und 8. Mai 1942, bei der der Flugzeugträger USS Lexington der
Amerikaner verloren ging und der Träger USS Yorktown schwer beschädigt worden war, verhielten sich die Japaner
abwartend. Die Führungsebene der amerikanischen Marine vermutete, dass der Gegner seine Kräfte sammelte, um
eventuell die Invasion Australiens vorzubereiten. Als weiteres mögliches Ziel fasste man Port Moresby auf Neu
Guinea ins Auge. Je länger die japanische Flotte verborgen blieb, desto stärker richtete sich der Verdacht auf einen
bevorstehenden Angriff auf die Flottenbasis in Pearl Harbor. Als nächstes Ziel erschien das Midway-Atoll als
Ausgangsbasis für weitere Angriffe der Japaner plausibel.
Funkaufklärung
Ein wesentlicher Faktor im Vorfeld der Schlacht von Midway war die Entschlüsselung des japanischen
JN-25-Marinekodebuchs und die vereinte Funkaufklärung amerikanischer, britischer, australischer und
niederländischer Kräfte. Zu nennen wären die Stationen HYPO auf Hawaii und CAST auf den Philippinen, die
Gruppe OP-20-G in Washington, die britischen Stationen in Hongkong und Singapur, die Gruppe in Bletchley Park
sowie niederländische Kräfte im ost-indischen Batavia. Ungenannt bleiben die Posten, die das Abfangen und die
Weiterleitung der Nachrichten übernahmen. In der Literatur wird betreffend der Midway-Codes oft die Arbeit von
Joseph Rochefort betont, der 36-Stunden-Schichten schließlich im Bademantel durcharbeitete, während die
maßgeblichen Ideen zur Positionsbestimmung von Midway von Jasper Holmes stammten.
Die US-Funkaufklärung OP-20-G empfing einige Tage nach der Korallenmeerschlacht eine Nachricht, die an alle
großen japanischen Flugzeugträger gerichtet war und einem Einsatzbefehl glich. Kurz danach erging ein weiterer
Funkspruch an die Goshu Maru, in dem von einem Zielkürzel AF die Rede war. Den Amerikanern war bekannt, dass
solche Kürzel für diverse Ziele im Pazifikraum benutzt wurden. So stand beispielsweise RZP für Port Moresby, R für
Rabaul, PS für Saipan und AH für Oahu. Da einige der A-Kürzel Hawaii und umliegende Inseln bezeichneten,
vermuteten einige Funkaufklärer Midway als AF.
Die amerikanischen Funker auf der Insel Corregidor in der Bucht von Manila hatten schon im März AF als Midway
identifiziert, aber durch die japanische Besetzung der Philippinen bestand kein Kontakt mehr zu ihnen. Admiral
Chester W. Nimitz entschied sich recht schnell für Midway und ließ am 18. Mai Admiral Ernest J. King über den
geplanten japanischen Großangriff unterrichten, der zunächst noch an die Aleuten als Angriffsziel dachte.
Zur Absicherung des Funkkürzels AF bediente sich die US-Marine einer List. Über das nach Midway gelegte Kabel
wurde die dortige Station aufgefordert, einen Funkspruch im Klartext an das Oberkommando zu senden, in dem
angegeben wurde, dass die Destillationsanlage für die Trinkwassergewinnung defekt sei und man sehr bald unter
Wassermangel leiden würde. Das Oberkommando funkte anschließend auch im Klartext zurück, dass mit
Wasserlieferungen Abhilfe geschaffen werde. Nun lag es an den Japanern, ob sie die Funksprüche abgehört hatten
und wie sie darauf reagieren würden. Kurz danach sendete Tokyo den täglichen Geheimdienstreport an alle Schiffe.
Eine der Nachrichten lautete, dass auf AF das Wasser knapp werde. Damit war Midway eindeutig identifiziert und
Nimitz beorderte sofort alle Träger zurück nach Pearl Harbor.
249
Schlacht um Midway
Gegen Ende Mai gelang es den Amerikanern anhand von Funksprüchen der Japaner, auch den vorgesehenen
Angriffstag zu identifizieren. Er war für den 4. Juni vorgesehen. Am 28. Mai änderten die Japaner die Kodierung
ihres Funkverkehrs, so dass vorläufig keine weiteren Meldungen mehr entschlüsselt werden konnten.
Flottenbewegung
Die Japaner setzten den Trägerkampfverband Kido Butai von Vizeadmiral Nagumo Chūichi mit vier
Flugzeugträgern, dem Flaggschiff Akagi, der Kaga, der Hiryū und der Sōryū, in Richtung Midway in Fahrt. Etliche
hundert Meilen hinter diesen kamen die Schlachtschiffe des Oberkommandierenden Admirals Yamamoto Isoroku.
Aus südwestlicher Richtung näherte sich die dritte japanische Welle unter Vizeadmiral Kondō Nobutake. Mit seinen
Zerstörern und Kreuzern bildete er die Invasionsflotte für Midway. Yamamoto hatte aber das Pech, dass zwei seiner
Flugzeugträger, die er dringend vor Midway gebraucht hätte, für die Schlacht ausfielen. Der Träger Shōkaku war in
der Schlacht im Korallenmeer schwer beschädigt worden, während die Zuikaku einen Großteil ihres
Bordgeschwaders verloren hatte. So konnte er nur mit vier großen Trägern den Angriff starten.
Admiral Nimitz machte seine aus zwei großen Trägern bestehende
Flugzeugträgerflotte – USS Enterprise (Capt. Murray) und USS Hornet
(Capt. Mitscher) – klar und wartete auf die Japaner. Die USS Yorktown
(Capt. Buckmaster) war im Korallenmeer schwer beschädigt worden
und lief am 27. Mai zur Instandsetzung in ein Trockendock in Pearl
Harbor ein. Eine erste Begutachtung der Schäden an der Yorktown
ergab, dass ein Zeitraum von drei Monaten zur Reparatur der Schäden
nötig sein würde.
Da das Schiff dringend für die Verteidigung Midways benötigt wurde,
Die USS Yorktown bei Reparaturarbeiten im
wurden die Arbeiten an allen anderen in der Werft liegenden Schiffen
Trockendock in Pearl Harbor, 29. Mai 1942
vorübergehend eingestellt und das freigewordene Personal zur
Yorktown geschickt; 2000 Werftarbeiter arbeiteten daraufhin
ununterbrochen in Tag- und Nachtschichten. Zusätzlich wurden die Arbeitsprozesse drastisch vereinfacht. So
wurden zerschossene Stahlplatten nicht durch neue ersetzt, sondern nur der verbogene Teil mit dem Schneidbrenner
herausgetrennt und das Loch mit auf der Werft vorgefundenem Stahl "überplattet". Am 29. Mai um 9 Uhr, nur zwei
Tage später und nicht nach den geschätzten drei Monaten, war die Yorktown wieder einsatzfähig. Sie lief, jetzt als
Flaggschiff von Admiral Frank J. Fletcher, dem Befehlshaber der Task Force 17, hinter den zwei vorauslaufenden
Trägern her. Zusätzlich wurde die Luft- und Landverteidigung von Midway erheblich aufgerüstet.
250
Schlacht um Midway
Aufklärungsflüge und erster Kontakt
Um dem Angriff erfolgreich begegnen zu können, sandte Nimitz die
Kampfgruppen TF-16 (KAdm. Spruance, USS Enterprise und USS
Hornet) und TF-17 (KAdm. Fletcher, USS Yorktown) in eine Position
300 Meilen nordwestlich von Midway. Dazu kamen als Fernaufklärer
Flugboote vom Typ PBY-5/-5A "Catalina", die in einem Radius von
600 Seemeilen um Midway herum aufklärten.
Auch am Morgen des 3. Juni waren die amerikanischen Fernaufklärer
wieder in der Luft. Die erste Sichtung geschah gegen 9:00 Uhr, als ca.
470 Meilen westsüdwestlich vor Midway zwei japanische
Minensuchboote entdeckt wurden. Eine halbe Stunde später machte
eine weitere PBY in einer Entfernung von rund 700 Meilen die
japanische Transportflotte aus, die Richtung Osten lief. Später am Tag
Sichtung der japanischen Minensucher
bombardierten amerikanische B-17 den Konvoi, richteten aber keinen
Schaden an. Am Nachmittag hoben von Midway vier PBY ab, um in
der Nacht die japanische Transportflotte anzugreifen. In den ersten Stunden des 4. Juni konnte der Tanker Akebono
Maru mit einem Torpedo getroffen werden. Er wurde aber nur leicht beschädigt und fuhr mit der Flotte weiter.
Die Schlacht am 4. Juni 1942 [2]
Der Angriff
Kurz nach 5:30 Uhr meldete eine Aufklärungsmaschine die Sichtung
der japanischen Trägerflotte nordwestlich von Midway in einer
Entfernung von knapp 200 Meilen. Ein paar Minuten später konnte
eine andere Maschine diese Nachricht bestätigen und zusätzlich
melden, dass die Japaner mehr als 100 Kampfflugzeuge und Bomber
von ihren Flugzeugträgern in Richtung Midway gestartet hatten. Sofort
wurden auf dem Atoll alle Vorbereitungen zur Verteidigung der Insel
Japanischer Luftangriff auf Midway
getroffen. Die amerikanischen Flugzeuge auf Midway wurden
gestartet. Die Flottenverbände TF-16 und TF-17 hatten die Meldungen
ebenfalls vernommen. Diese sprachen jedoch nur von zwei – statt den erwarteten vier – Flugzeugträgern.
Folgende Verbände flogen von Midway gegen die japanische Flotte:
•
•
•
•
VMSB-241 (Major Lofton R. Henderson) mit 16 SBD-2 "Dauntless" (Sturzkampfbomber)
VMSB-241 (Major Benjamin W. Norris) mit 11 SB2U-3 "Vindicator" (Sturzkampfbomber)
VT-8 Det. (Lt. Langdon K. Fiberling) mit 6 TBF-1 "Avenger" (Torpedobomber)
69th Bombardment Squadron/3rd BG(M) (Capt. William F. Collins) mit 4 B-26B "Marauder" – mittlere Bomber
der USAAF, an die man einen Torpedo gehängt hatte
• 431st Bombardment Squadron (LtCol. Walter C. Sweeney mit 14 B-17E "Flying Fortress" – schwere Bomber der
USAAF, die zum Angriff gegen die Invasionsflotte gestartet waren und umdirigiert wurden)
251
Schlacht um Midway
Die Jagdstaffel VMF-221 (Maj. Floyd B. Parks) mit 20 F2A-3
"Buffalo" und 5 F4F-3 "Wildcat" wurde nicht zum Schutz der Bomber,
sondern zum Schutz Midways eingesetzt und fing die japanische
Formation um 6:15 Uhr ab. Die japanischen Mitsubishi A6M
Zero-Jäger, die die Bomber begleiteten, fügten den amerikanischen
Jagdverbänden erhebliche Verluste zu. 17 Jäger der US Navy wurden
abgeschossen, nur zwei Maschinen waren nach der Landung noch
flugtauglich. Ein Pilot des US Marine Corps bemerkte bitter in Bezug
auf die ungünstige Ausgangslage des überstandenen Luftkampfes:
"Jeder Kommandeur muss sich bewusst sein, dass, wenn er seine
Piloten in einer F2A-3 aufsteigen lässt, diese verloren sind, bevor sie
den Boden verlassen haben."[3]
252
Brennende Öltanks auf Sand Island (Midway)
Um 6:30 Uhr erreichte die japanische Kampfgruppe Midway und bombardierte 20 Minuten lang beide Inseln. Auf
Eastern Island wurden Ziele getroffen, aber die Start- und Landebahnen blieben fast unbeschädigt. Auf Sand Island
wurden Öltanks, der Wasserflugzeughangar und andere Gebäude zerstört. Der kommandierende japanische Pilot
Kaigun-Shōi[4] [5] Joichi Tomonaga meldete wegen der geringen Schäden, dass eine zweite Welle nötig sei, um die
amerikanische Verteidigung entscheidend zu schwächen. Admiral Nagumo hatte die Hälfte seiner Flugzeuge für
einen Angriff gegen die US-Trägerflotte an Deck, falls diese wider Erwarten auftauchen sollte. Da sie bisher nicht
entdeckt worden war, ordnete er die Umrüstung der Bomber von See- auf Landzielbomben und von Torpedos auf
Bomben an.
Während sich die japanischen Maschinen auf dem Rückweg zu ihren
Trägern befanden, griffen die amerikanischen Bomber aus Midway die
feindlichen Schiffe an. Ohne Jagdschutz und mit vielen unerfahrenen
Piloten waren die Verluste der Amerikaner hoch, ohne dass sie auch
nur einen Treffer erzielen konnten.
Zur selben Zeit sichtete ein japanisches Aufklärungsflugzeug die
amerikanische Flotte, ohne zunächst die Träger zu entdecken.
Vizeadmiral Nagumo ließ sofort die Umrüstung der Bombenflugzeuge
stoppen.
Wendepunkt
Der Träger Soryu führt während eines Angriffs
von B-17E Flying Fortress ein
Ausweichmanöver durch
Um 7:00 Uhr starteten die Träger USS Hornet und USS Enterprise ihre
Trägergeschwader. Von der Enterprise startete die Staffel VT-6 mit 14
Torpedobombern (TBD-1 "Devastator"), VB-6 und VS-6 mit 34
Sturzkampfbombern (SBD "Dauntless") und VF-6 mit 10 Jägern (F4F-4 "Wildcat"), um die japanischen Träger
anzugreifen. Von der USS Hornet startete VT-8 mit 15 TBD-1, VB-8 und VS-8 mit 34 SBD-3 und VF-8 mit 10
F4F-4. Bald darauf, beginnend um 8:38 Uhr, wurden auch die Flugzeuge der USS Yorktown gestartet, die zuerst
zurückgehalten wurden, falls die beiden anderen japanischen Träger noch auftauchten. Von dort startete VT-3 mit 12
TBD-1, VB-3 mit 17 SBD-3 und VF-3 mit 6 F4F-4. Insgesamt wurde der Angriff von 84 SBD-3, 41 TBD-1 und 26
F4F-4 geflogen.
Unklarheit herrschte an Bord der amerikanischen Träger über den Kurs, den die Flugzeuge nehmen sollten. So
befahl der Commander Air Group der USS Hornet, Cmdr. Stanhope Ring, einen nördlicheren Kurs, während der
Staffelkapitän der Torpedostaffel VT-8, Lt.Cmdr. John Waldron, auf einem südlicheren Kurs bestand. Wegen einer
Kursänderung der Japaner verfehlten die Staffeln VB-8, VS-8 und VF-8 die Japaner, Waldron fand die Japaner als
Erster. VT-8 wurde komplett vernichtet. Danach griff die Torpedostaffel der USS Enterprise, VT-6, an und verlor 10
Schlacht um Midway
253
von 14 TBD. Lediglich VT-3 der USS Yorktown griff später im Verband mit den anderen Staffeln an, verlor jedoch
auch 10 von 12 TBD. Diese verlustreichen Angriffe hatten aber zur Folge, dass der japanische Jägerschirm auf
niedrige Höhe gezogen wurde und die kurz darauf eintreffenden Sturzkampfbomber freie Bahn hatten.
Die Sturzbomberstaffeln der USS Enterprise hätten ebenfalls fast den Feind verfehlt. Als am Abfangpunkt nur leere
See zu sehen war, nahm der Commander Air Group der Enterprise, Lt.Cmdr. Wade McClusky, an, dass die Japaner
nur nach Norden abgedreht haben konnten – und nicht nach Süden, wie Ring dies annahm. Daher entschloss er sich,
ebenfalls in diese Richtung zu fliegen. KAdm Spruance sah wegen dieser Entscheidung in McClusky "den
herausragenden Helden der Schlacht von Midway", dessen Vorgehen "das Schicksal der amerikanischen
Trägerverbände und der Streitkräfte auf Midway entschied." Gegen 10 Uhr sah McClusky unter sich den Zerstörer
Arashi, der die Jagd auf das amerikanische U-Boot USS Nautilus aufgegeben hatte und zu Nagumos Kampfverband
zurückkehrte. McClusky entschloss sich, dem Zerstörer zu folgen und erblickte kurze Zeit später den japanischen
Trägerverband. Die später gestarteten Staffeln der USS Yorktown hatten den Kurs der Japaner richtig eingeschätzt
und trafen deshalb durch Zufall gleichzeitig mit McCluskys Staffeln ein.
Diorama der brennenden japanischen
Flugzeugträger
Da die japanischen Jagdflugzeuge die Torpedobomber bekämpften,
konnten die SBD der USS Enterprise und der USS Yorktown gegen
10:20 Uhr drei der japanischen Flugzeugträger aus großer Höhe
unbemerkt angreifen. Die Hangardecks der japanischen Träger Sōryū,
Akagi und Kaga standen voller betankter und bewaffneter Flugzeuge,
die sich auf den Start vorbereiteten. Nach nur wenigen Minuten
brannten alle drei Träger und konnten sich nicht mehr an der weiteren
Schlacht beteiligen. Die Sōryū und die Kaga sanken in den
Folgestunden. Die Akagi war schwer beschädigt, die Feuer waren nicht
mehr zu kontrollieren und das Schiff musste verlassen werden. Die
Akagi brannte völlig aus und japanische Zerstörer versenkten sie im
Morgengrauen des folgenden Tages mit Torpedos, damit das
ehemalige Flaggschiff nicht in Feindeshand fiel.
Eine beschädigte Douglas SBD-3 Dauntless ist
nach Angriff auf den Träger Kaga auf der USS
Yorktown gelandet
Die USS Yorktown kurz nach der ersten
Bomber-Attacke
Der einzig übrig gebliebene japanische Flugzeugträger war die Hiryū.
Im Bestreben, den Torpedoflugzeugen auszuweichen, war sie weit vom
Kurs abgekommen und wurde daher von den SBDs nicht entdeckt.
Von ihr aus startete gegen 11:00 Uhr eine Kampfgruppe von 18
Sturzkampfbombern mit sechs Begleitmaschinen und etwa eineinhalb
Stunden darauf eine zweite Gruppe, bestehend aus zehn
Torpedobombern und sechs Kampfflugzeugen. Ziel war der Träger
USS Yorktown. Gegen Mittag trafen die Bomber die USS Yorktown und
die Beschädigung der Kesselanlagen zwang das Schiff vorübergehend
zum Anhalten. Um 14:45 Uhr gelang den anderen Maschinen ein
Schlacht um Midway
254
Torpedotreffer mittschiffs, der die Yorktown manövrierunfähig machte. Sie musste später aufgegeben werden. Viele
japanische Maschinen gingen im Luftkampf mit der amerikanischen Verteidigung verloren. Es kehrten aber genug
zur Hiryū zurück, um eine dritte Angriffswelle vorzubereiten. Die USS Yorktown konnte aber ihre eigenen
Maschinen in die Luft bringen und nach der Hiryū suchen lassen. Sie fanden sie am Nachmittag.
Gegen 17:00 Uhr starteten die Bomberangriffswellen von der USS
Enterprise, die von zehn Bombern der USS Yorktown unterstützt
wurden. Gerade als die Hiryū ihre Maschinen starten wollte, trafen vier
Bomben das vordere Flugdeck und setzten den Flugzeugträger in
Brand. Bis Mitternacht arbeitete der Antrieb der Hiryū noch, dann
stoppte das Feuer die Maschinen. Die Besatzung verließ das Schiff und
japanische Zerstörer erhielten den Befehl das ausgebrannte Wrack mit
Torpedos zu versenken, damit es nicht den Amerikanern in die Hände
fiel. Früh am Morgen des 5. Juni fand ein Suchflugzeug des kleinen
Die brennende Hiryū
Trägers Hōshō das verlassene Schiff und stellte fest, dass noch
Überlebende an Bord waren. Der Zerstörer Tanikaze fuhr zur Position der Hiryū, fand aber niemanden. Er wurde
später am Tag von mehr als 50 amerikanischen Flugzeugen attackiert, konnte aber dank erfolgreicher
Ausweichmanöver entkommen.
Um 02:55 Uhr am 5. Juni befahl Yamamoto schließlich den Abbruch der Schlacht und den Rückzug der ganzen
Flotte nach Westen.
Nachspiel
Die USS Yorktown wurde am 6. Juni vom japanischen U-Boot I-168
torpediert und schwer getroffen. Die Amerikaner lagen zu diesem
Zeitpunkt mit dem Zerstörer USS Hammann längsseits, um
Reparaturarbeiten auszuführen. Auch er bekam einen Treffer ab und
sank innerhalb von Minuten. Die USS Yorktown sank am nächsten
Morgen.
USS Yorktown und USS Hammann werden
torpediert (Diorama)
Bis zum 7. Juni bombardierten amerikanische Flugzeuge immer wieder
einzelne Schiffe der japanischen Flotte. Bei diesen Angriffen wurde
der Schwere Kreuzer Mikuma versenkt.
Die USS Trout, ein amerikanisches U-Boot, entdeckte am 9. Juni zwei
Überlebende des schweren japanischen Kreuzers Mikuma, der drei
Tage vorher von amerikanischen Trägerflugzeugen versenkt worden
war.
Am 14. Juni sichtete ein Aufklärer ein kleines Boot hunderte von
Meilen westlich von Midway. Diese Sichtung wurde am 19. Juni
wiederholt, und die USS Ballard fuhr in das Gebiet. Dort fand sie die
35 Überlebenden der Hiryū, die schon am Morgen des 5. Juni von den
Japanern noch an Bord gesehen wurden. Kurz bevor das Schiff
gesunken war, hatten sie ein Boot gefunden und trieben seitdem im
Meer.
Der sinkende Schwere Kreuzer Mikuma
Schlacht um Midway
255
Bedeutung der Schlacht
Die Japaner verloren bei Midway vier von ihren insgesamt sechs großen Flugzeugträgern und viele ihrer
ausgebildeten Piloten. Ihre Verluste an Flugzeugbesatzungen wogen gegenüber denen der Amerikaner besonders
schwer, weil sich darunter viel Ausbildungspersonal befand, das für die Fronteinsätze aus den Fliegerschulen
abberufen worden war. Die Japaner hatten in der Folge größere Schwierigkeiten bei der Pilotenausbildung als die
Amerikaner.
Dadurch wurde die Schlacht um Midway der Wendepunkt im Pazifikkrieg. Vor Midway hatten die Japaner die
Initiative, aufgrund ihrer Überlegenheit bestimmten sie wo und wann gekämpft wurde, während die Alliierten für
größere eigene Operationen zu schwach waren und nur auf den nächsten japanischen Angriff warten konnten. Durch
die schweren Verluste an Trägern und Piloten änderte sich dies, nun waren beide Seiten in etwa gleich stark.
Japanische Operationen nach Midway waren allesamt letztendlich vergebliche Versuche, die bei Midway verlorene
Initiative zurückzugewinnen. Zwei Monate nach der Schlacht begannen die Alliierten mit der Landung auf
Guadalcanal ihre erste Offensive. Von nun an bis zur japanischen Kapitulation 1945 reagierte die japanische Flotte
nur noch auf die Vorstöße der immer stärker werdenden Alliierten, die immer tiefer in den japanischen
Verteidigungsgürtel eindrangen.
Trotzdem war die Schlacht um Midway nicht die Entscheidungsschlacht, als die sie oft angesehen wird. Zwar
schwächte sie die japanische Flotte gewaltig und stellte das Gleichgewicht der Kräfte im Pazifik wieder her. Doch
dies war schon von Beginn des Krieges an unausweichlich. „Bekomme ich Befehl, ohne Rücksicht auf die
Konsequenzen Krieg zu führen, so werde ich 6 Monate oder 1 Jahr lang wild um mich schlagen. Sollte der Krieg
aber ein zweites oder drittes Jahr dauern, sehe ich äußerst schwarz!“ hatte Admiral Yamamoto vor dem Krieg die
Lage Japans in Kenntnis der gewaltigen industriellen Überlegenheit der USA eingeschätzt[1] .
In den USA war zu dieser Zeit schon das weltweit größte militärische Schiffbauprogramm aller Zeiten angelaufen.
Die Produktion von Kriegsschiffen lief auf Hochtouren. Auch eine vollständige Niederlage der USA mit Verlust
aller bei Midway eingesetzten Träger ohne japanische Verluste wäre für Japan nur ein kurzfristiger, temporärer
Erfolg gewesen. Schon Mitte 1943 überstieg die Anzahl der bis dahin vom Stapel gelaufenen und einsatzfähigen
neuen Flugzeugträger inklusive ihrer Kampfflugzeuge die Produktion der Träger der Japaner. Bis zum Ende des
Krieges war das Übergewicht der USA erdrückend, selbst wenn die Japaner bis dahin keinen weiteren Träger
verloren hätten. Der amerikanische Sieg bei Midway beschleunigte dies und erlaubte es den USA früher als erwartet
gemäß der „Germany first“-Strategie („Deutschland zuerst“) in großer Stärke auf dem europäischen Kriegsschauplatz
eingreifen zu können.
Diagramm zur nebenstehenden Tabelle
Flugzeugträger und Flugzeuge von Mitte 1942 bis
Mitte 1946
Vergleich der historischen Trägerverluste mit
einem theoretischen Sieg der Japaner bei Midway
Schlacht um Midway
Siehe auch
• Chronologischer Kriegsverlauf des Pazifikkrieges
Literatur
• Robert D. Ballard: Rückkehr nach Midway. Die Suche nach den versunkenen Schiffen der größten Schlacht im
Pazifik. Ullstein, Berlin 1999. ISBN 3550083025
• Robert J. Cressmann (Hrsg.): A Glorious Page in Our History. The Battle of Midway, 4-6 June 1942. Pictoral
Histories Publishing, Missoula/Montana 1990. ISBN 0929521404
• Mitsuo Fuchida, Masatake Okumiya, Midway: The Battle That Doomed Japan, the Japanese Navy's Story,
Bluejacket Books, 2001, ISBN 1557504288
• Mitsuo Fuchida / Masatake Okumiya: Midway – Die entscheidendste Seeschlacht der Weltgeschichte. Stalling,
Oldenburg 1956.
• Mark Healy, Midway, 1942 (Campaign), Osprey Publishing, 1998, ISBN 1855323354
• Daniel V. Hernandez (mit Lt.CDR Richard H. Best, USN Ret.): SBD-3 Dauntless and the Battle of Midway.
Aeronaval Publishing, Valencia/Spanien 2004. ISBN 8493296309
• Walter Lord, Midway: The Incredible Battle, Wordsworth Editions Ltd., 2000, ISBN 1840222360
• John B. Lundstrom: Black Shoe Carrier Admiral. Frank Jack Fletcher at Coral Seas, Midway & Guadalcanal.
Naval Institute Press, Annapolis (Maryland), 2006. ISBN 1591144752
• Samuel Elliot Morison: Coral Sea, Midway and Submarine Actions: May 1942-August 1942 (History of United
States Naval Operations in World War II, Volume 4). Reprint, Castle Books 2001. ISBN 0785813055
• Elmar B. Potter, Chester W. Nimitz, Jürgen Rohwer: Seemacht. Eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur
Gegenwart. Pawlak, Herrsching, 1982. ISBN 3881990828
• Gordon W. Prange: Miracle at Midway. Penguin Books, Harmondsworth 1982. ISBN 0140068147
• Jonathan Parshall, Anthony Tully: Shattered Sword. The untold story of the Battle of Midway. Potomac Books,
Dulles (Virginia), 2005. ISBN 1574889230
• Earle Rice: The Battle of Midway (Battles of World War II), Lucent Books, 1995, ISBN 1560064153
• Oliver Warner: Große Seeschlachten. Ariel, Frankfurt 1963.
Filme
Dokumentation
• DVD, Die Schlacht um Midway, 2003.
• Battle of Midway [6] während der Schlacht gefilmter Propagandafilm der US Navy des Regisseurs John Ford –
Download bei archive.org,
Spielfilm
• DVD, Schlacht um Midway, 1976 Regie: Jack Smight, Darsteller: Charlton Heston, Henry Fonda, James Coburn,
Glenn Ford, Hal Holbrook, Toshirō Mifune, Robert Mitchum, Robert Wagner u.a., Musik: John Williams, 2003.
• War and Remembrance, TV-Miniserie 1988; Regie: Dan Curtis, Darsteller: Robert Mitchum, Jane Seymour, Hart
Bochner, Sharon Stone, Robert Morley. 12 Teile, 1620 min. Teil 3 hat die Schlacht um Midway zum Thema.
Nach dem gleichnamigen Roman von Herman Wouk.
256
Schlacht um Midway
Weblinks
•
•
•
•
•
Umfangreiche Schlachtbeschreibung auf ibiblio.org [7] (englisch)
The ONI Review – Der Bericht des japanischen Admirals Nagumo über die Schlacht [8] (englisch)
Der CinCPac-Bericht von Admiral Chester A. Nimitz an Admiral Ernest J. King [9] (englisch)
Kurzbeschreibung mit sehr umfangreichem Kartenmaterial auf ibiblio.org [10] (englisch)
Schlachtbeschreibung der US Navy [11] (englisch)
Referenzen
[1]
[2]
[3]
[4]
Walter Lord, Midway: The Incredible Battle, Wordsworth Editions Ltd., 2000, ISBN 1840222360
http:/ / www. wlb-stuttgart. de/ seekrieg/ 42-06. htm
Bericht von Captain P.R. White, 6. Juni 1942 (http:/ / home. comcast. net/ ~r2russ/ midway/ aa-reports/ vmf-221. pdf)
Der jap. Rang Shōi entspricht dem deutschen Dienstgrad Leutnant zur See. Der Vorsatz Kaigun- zeigt an, dass es sich um einen
Marinedienstgrad handelt.
[5] Joachim Wätzig: Die japanische Flotte – Von 1868 bis heute. Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1996, ISBN 3-89488-104-6. S. 183
[6] http:/ / www. archive. org/ details/ BattleOfMidway
[7] http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ USN/ USN-CN-Midway/ index. html
[8] http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ Japan/ IJN/ rep/ Midway/ Nagumo/
[9] http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ USN/ rep/ Midway/ Midway-CinCPac. html
[10] http:/ / www. ibiblio. org/ hyperwar/ AAF/ USSBS/ PTO-Campaigns/ USSBS-PTO-5. html
[11] http:/ / www. history. navy. mil/ photos/ events/ wwii-pac/ midway/ midway. htm
257
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Der Krieg in den Schatten
David Stirling
Sir David Stirling, DSO OBE (* 15. November 1915; † 4. November
1990) war ein schottischer Laird, Bergsteiger, Offizier der britischen
Armee und Gründer des Special Air Service.
Leben
David Stirling wurde nahe Stirling im Haus seiner Eltern geboren.
Seine Eltern waren Archibald Stirling of Keir und Margaret Fraser,
Tochter von Simon Fraser (Lord Lovat), einem direkten Nachfahren
von König Karl II. von England.
1937 trat David Stirling in die Scots Guards ein. 1940 meldete er sich
freiwillig zu Kommandooperationen der britischen Armee. Nach der
Auflösung seines Kommandos am 1. August 1941 war er immer noch
davon überzeugt, dass in kriegerischen Auseinandersetzungen eine
kleine Mannschaft von hochspezialisierten Soldaten mehr ausrichten
kann als ein ganzer Zug konventioneller Streitkräfte.
Statue von David Stirling nahe Doune, Schottland
Da er keine Möglichkeit sah, auf regulärem Wege den Beweis für seine
Theorie anzutreten, überzeugte er Claude Auchinleck davon, ihm die Führung einer solchen Operation zu überlassen.
Ihm wurde das Kommando über das erste Regiment der "L Detachment, Special Air Service Brigade" (SAS)
übertragen, offiziell eine Einheit in Bataillonsstärke der existierenden Brigaden in Nordafrika.
Die erste Operation der Einheit zur Aufklärung als Fallschirmjäger hinter feindlichen Linien war ein totaler
Misserfolg. Nur ein Drittel der Einheit erreichte den vereinbarten Sammelpunkt.
Mit geänderter Taktik durch Angriffe zu Fuß im Schutz der Wüstennacht unter Hilfe der Long Range Desert Group
war die Einheit dann endlich erfolgreich. Nach der Zuteilung eigener Geländewagen und wendigen Kleinlastern, die
man mit Maschinengewehren aufrüstete, wurde die SAS unter Stirlings Führung rasch zu einer gefürchteten, hinter
den deutsch-italienischen Linen operierenden Marodeurtruppe, die unter anderem an die 250 Flugzeuge und große
Mengen von kriegswichtigem Material zerstörte, vor allem aber ein permanenter "Dorn im Fleisch" von Rommels
Truppen war.
Im Januar 1943 wurde er von den Deutschen gefasst, entkam der Gefangenschaft jedoch viermal bevor er in Schloss
Colditz für den Rest des Krieges interniert wurde. Das Kommando der SAS übernahmen nach Stirlings
Gefangennahme bis Kriegsende sein Bruder Bill und der Nordirische Boxer, Rugbyspieler und Jurist Major Blair
("Paddy")Maine, den Feldmarschall Montgomery für die Auszeichnung mit dem Victoria Cross vorschlug.
1990 wurde David Stirling zum Ritter geschlagen und starb im selben Jahr.
David Stirling
Sonstiges
Nach ihm benannt ist das Stirling House im Welbeck College.
2002 wurde zu seinen Ehren ein SAS Ehrenmal errichtet, welches Ihn auf einem Stein stehend darstellt.
Weblinks
• Deutsche Biografie [1]
• Englische Biografie (ausführlicher) [2]
Referenzen
[1] http:/ / www. homefrontcenter. de/ Historical/ stirlingbio. html
[2] http:/ / www. electricscotland. com/ history/ men/ stirling. htm
Special Operations Executive
Das Special Operations Executive (SOE; deutsch etwa: „Durchführung besonderer Unternehmungen“) war eine
aktive britische nachrichtendienstliche Spezialeinheit während des Zweiten Weltkriegs. Sie wurde von Winston
Churchill und Hugh Dalton im Juli 1940 aufgestellt, um kriegerische Aktionen ohne direktes militärisches
Engagement ausführen zu können.
Sie wurde häufig auch als The Baker Street Irregulars bezeichnet, in Anspielung auf die erfundene Gruppe von
Spionen in Sherlock-Holmes-Romanen. Ursprünglich als Sektion D des MI6 bezeichnet, bestand die Aufgabe des
SOE in der Unterstützung und Versorgung von Spionage und Sabotage hinter den feindlichen Linien sowie als
Keimzelle für die Formierung einer Widerstandsbewegung in Großbritannien im Falle einer befürchteten deutschen
Invasion der britischen Insel.
Bekannt als Churchills Geheimarmee und beauftragt, „Europa in Brand zu stecken“ (eine Mission, die auch
Churchills andere Spezialeinheit, die Commandos, die britischen Kommandogruppen, erfüllen sollte), blieb die
Existenz des SOE auch viele Jahre nach der Einstellung der Einrichtung der Öffentlichkeit verborgen (ähnlich wie
die Aktion Ultra, die Unternehmungen der Codebreaker [Dechiffrierer] von Bletchley Park).
Organisation
Kopf des SOE war ab September 1943 Colonel Colin Gubbins. Chef der französischen Sektion (Süd) des SOE war
Maurice Buckmaster. Seine Assistentin Vera Atkins war so sehr „die Seele“ des SOE, dass einige meinten, sie würde
die Organisation leiten.
Das Hauptquartier von SOE befand sich in der Baker Street 64 in London. Eine weitere wichtige Adresse in London
befand sich in Aston House, wo Waffen- und taktische Forschung ausgeführt wurden.
Unter dem Decknamen Inter-Services Research Bureau (ISRB) errichtete SOE eine Einrichtung, in der Ausrüstung
für den Schattenkrieg entwickelt werden konnte. Unter der Tarnbezeichnung Station IX lag ca. 30 Meilen nördlich
von London ein ehemaliges Hotel mit dem Namen The Frythe außerhalb der Ortschaft Welwyn, wo das ISRB
spezielle Waffen und Ausrüstungsgegenstände erprobte. Ende 1944 wurden die Hilfsmittel nach Australien an das
Allied Intelligence Bureau (SRD; deutsch: Alliiertes Geheimdienstbüro) zur tropischen Erprobung geliefert.
SOE-Operationen in Frankreich wurden von zwei Londoner Sektionen befehligt. Die F-Sektion stand unter
britischem Kommando und wurde nicht politisch geleitet, während die RF-Sektion dem Kommando von General
Charles de Gaulles France libre-Kräften unterstand. Darüber hinaus gab es zwei kleinere Sektionen: Die
EU/P-Sektion, in der die polnische Gemeinde Frankreichs zusammengefasst war und die DF-Sektion, die für die
259
Special Operations Executive
Fluchtrouten und die Koordinierung zuständig war. Ende 1942 wurde eine weitere Sektion unter der Bezeichnung
AMF in Algier gegründet.
Das Haupttrainingszentrum des SOE befand sich in Wanborough Manor, Guildford. Dem SOE gehörten eine Reihe
von Frauen an, allein die F-Sektion (Frankreich) schickte 39 weibliche Agenten ins Feld, von denen 13 nicht
zurückkehrten. In Valençay im Département Indre in Frankreich ehrt seit dem 6. Mai 1991 das
Valençay-SOE-Mahnmal unverschleiert den 50. Jahrestag der Entsendung der ersten Agenten der F-Sektion nach
Frankreich. Die „Ehrenrolle“ des Mahnmals listet die Namen von 91 Männern und 13 Frauen auf, die als Mitglieder
des SOE ihr Leben für Frankreichs und Europas Freiheit gaben.
Das SOE war in hohem Maße abhängig von der Sicherheit chiffrierter Funksendungen. Leo Marks, der
SOE-Kryptograph, war für die Entwicklung von besseren Chiffrierverfahren als den unsicheren Gedicht-Kodes
zuständig, die später ersetzt wurden.
Ausrüstung
Das SOE nutzte neben konventioneller Ausrüstung und Waffen eine Vielzahl eigens für den Sondereinsatz
hergestellte Ausrüstungsgüter. So zum Beispiel Funkgeräte (das Paraset), Waffen, Explosivgeschosse und getarnte
Fallen für Agenten und geheime Aufstandsgruppen. Unter den in Station IX produzierten Produkten fand sich das für
Fallschirmjäger nutzbare, faltbare Miniaturmotorrad (das Welbike), eine leise Pistole (das Welrod) und mehrere
Miniaturtauchfahrzeuge (der Welman und Sleeping Beauty). Eine amphibische Versuchseinheit wurde in
West-Wales bei Goodwick in der Nähe von Fishguard als Station IXa aufgestellt, um diese Hilfsmittel zu erproben.
Einsätze
Das SOE war insbesondere in den folgenden Ländern aktiv: Frankreich, Norwegen, Italien, den Niederlanden,
Jugoslawien, Algerien, Griechenland, Polen, Tschechoslowakei und sogar im Deutschen Reich selbst (Ostmark, das
damals zu Deutschland gehörende Österreich). Durch die Zusammenarbeit von SOE und britischem Geheimdienst
wurde eine Gruppe jüdischer Freiwilliger aus Palästina zwischen 1943 und 1945 auf Missionen in verschiedene, von
Nazi-Deutschland besetzte Länder entsandt.
Unter dem Kommando von Kapitän Martin Linge wurde im März 1941 eine Gruppe organisiert, die in Norwegen als
erste unabhängige norwegische Kompagnie 1 Überfallaktionen ausführen sollte. Ihr erstes Stoßtruppunternehmen
war die Operation Archery 1941, ihre bekanntesten waren wahrscheinlich Sabotage-Aktionen auf die norwegische
Fabrik für Schweres Wasser in Rjukan im Jahre 1943. Die Kommunikationslinien nach London wurden graduell
verbessert, so dass 1945 insgesamt 64 Funker verteilt über Norwegen zur Verfügung standen. Eine Seeverbindung
nach Norwegen bestand zwischen den Shetlands und der norwegischen Küste. Dort fuhren die Männer erst mit
Fischerbooten, später mit US-amerikanischen U-Boot-Jägern mit Hilfe des Shetland Bus nach Norwegen, brachten
Widerstandskämpfer und Material nach Norwegen und verhalfen Norwegern zur Flucht.
Am 5. Mai 1941 sprang mit Georges Bégué (* 1911; † 1993) der erste SOE-Agent in Frankreich ab, der dann die
Funkverbindung aufnahm und den Absprung der nächsten Agenten begleitete. Zwischen Bégués erstem Absprung
und August 1944, der Befreiung von Paris, wurden mehr als 400 Agenten der F-Sektion (u. a. Nancy Wake) in das
von Nazi-Deutschland besetzte Frankreich entsandt. Sie waren in verschiedenen Funktionen, z.B. als Instrukteure für
Waffen und Sabotage, Kuriere, Organisatoren, Verbindungsoffiziere und Funker, aktiv.
Weniger erfolgreich, eventuell aber auch gezielt um von der kommenden Landung in der Normandie abzulenken,
verlief der Aufbau eines Agentennetzes der SOE in den Niederlanden, wo die deutsche Abwehr im Englandspiel den
Funkverkehr zurückspielte.
Das SOE wurde offiziell 1946 aufgelöst, und viel seiner Einflußsphäre ging auf den Secret Intelligence Service
(SIS), besser als MI6 bekannt, über. Das SOE wurde in der Öffentlichkeit unter seinem Decknamen, Inter-Services
Research Bureau (ISRB) bekannt.
260
Special Operations Executive
Mediale Rezeption
Romane
Der Autor Ian Fleming, der Maurice Buckmaster und Vera Atkins kannte, stand in dem Ruf, einige Eigenschaften in
den Figuren M und Miss Moneypenny seiner James-Bond-Romane verwendet zu haben. In seinem ersten
Bond-Roman sagt Fleming, dass die Figur der Vesper Lynd auf der schönen SOE-Agentin Christine Granville
beruhe.
Das Buch (nach einer TV-Dokumentarserie) Spione – Agenten – Soldaten: Geheime Kommandos im Zweiten
Weltkrieg von Janusz Piekalkiewicz hat ein Kapitel mit der Überschrift S.O.E. – London schult Saboteure. Im
Untertitel heißt es: „Geschichte der Special Operations Executive, der in London gegründeten Organisation zur
Unterstützung des Widerstandes in den besetzten Ländern.“
Auch die Romane Die Marionette von Larry Collins (1985) und Die Leopardin von Ken Follett (2001) behandeln
das Thema SOE. Follett schreibt in der Widmung seines Romans:
„Fünfzig Frauen wurden im Zweiten Weltkrieg von der Special Operations Executive als Geheimagentinnen
nach Frankreich geschickt. Sechsunddreißig von ihnen überlebten den Krieg, die anderen vierzehn gaben ihr
Leben. - Ihnen allen ist dieses Buch gewidmet.“
Insofern ergibt sich hier eine Differenz zu den obigen Zahlen.
Filme
• The Heroes of Telemark (dt. "Kennwort: Schweres Wasser") ist ein 1965 gedrehter Film mit Kirk Douglas, der
auf einer SOE-Operation basiert, die die Fabrik für Schweres Wasser in Rjukan, Norwegen, 1943 sabotieren
sollte.
• Ein französisch-norwegischer Schwarz-Weiß-Dokumentarfilm von 1948, der den Titel "La Bataille de l'eau
lourde"/"Kampen om tungtvannet" (deutsch "Die Schlacht um das Schwere Wasser") trägt, in der ein Teil der
‘Originalbesetzung’ auftritt. Joachim Rønneberg hatte mit seinem Buch "Die Schlacht um das Schwere Wasser"
einen aufrichtigen Versuch gestartet, die wahre Geschichte dieser Aktion zu beschreiben. Der Film "Heroes of
Telemark" hatte dagegen nur wenig mit der Realität zu tun.
• "Nancy Wake Codename: The White Mouse" ist ein Dokudrama von 1987 über Nancy Wakes Arbeit für SOE,
teilweise durch sie selbst erzählt.
• Leo Marks: "Between Silk and Cyanide", 1998; Marks war Herr des Chiffrierwesens bei SOE und dieses Buch ist
ein Beitrag seines Kampfes zur Einführung besserer Chiffriermethoden für den Gebrauch der Agenten.
Verweise
Literatur
• Patrick Martin-Smith: "Widerstand vom Himmel - Österreicheinsätze des britischen Geheimdienstes SOE 1944."
Martin Patrick-Smith / Peter Pirker Hg., (Wien: Cernin Verlag 2004), ISBN 3-7076-0182-X. - Dargestellt werden
insbesondere SOE Aktionen, die aus der Carnia in Friaul (Italien) in Richtung Kärnten (Österreich)gerichtet
waren.
• Monika Siedentopf: "Absprung über Feindesland. Agentinnen im Zweiten Weltkrieg." (dtv 2006) , ISBN
3-423-24582-4
• Professor William Mackenzie: "The Secret History of SOE - Special Operations Executive 1940-1945", (BPR
Publications, 2000), ISBN 0-9536151-8-9
• David Stafford: "Secret Agent - The True Story of the Special Operations Executive", (BBC Worldwide Ltd,
2000), ISBN 0-563-53734-5
261
Special Operations Executive
• E. H. Cookridge: "Versteckspiel mit dem Tode - Geheimagenten gegen Hitler 1940/45." (Oldenburg; Hamburg:
Stalling, 1967), nach dem englischsprachingen Original "Inside S.O.E."
• R.J. Minney schrieb das Buch: "Carve her name with pride" von 1956, das die Geschichte von Violette Szabo
erzählt. Ein Film gleichen Titels wurde 1958 mit Paul Schofield und Virginia McKenna gedreht.
• William Stanley Moss schrieb das Buch: "Ill Met by Moonlight" von 1950, verarbeitet seine Kenntnisse aus erster
Hand einer SOE-Operation von 1944, bei der Generalmajor Heinrich Kreipe, der deutsche
Divisions-Kommandeur auf Kreta, entführt wurde. Der Film "Night Ambush", der auf diesem Buch basiert,
wurde 1957 mit Dirk Bogarde und Marius Goring gedreht.
• Jerrard Tickell schrieb das Buch: "Odette: The story of a British agent" von 1949, das die Geschichte von Odette
Sansom-Hallowes erzählt. Der Film "Odette", der auf dem Buch basiert, wurde 1950 mit Anna Neagle and Trevor
Howard gedreht.
• Jean Overton Fuller schrieb das Buch "The Starr Affair", in dem die Geschichte von John Renshaw Starr erzählt
wird.
• Arthur Christie: "Mission Scapula SOE in the Far East", ISBN 0-9547010-0-3 Eine wahre Geschichte über einen
gewöhnlichen Soldaten, der zu MI5 entsandt wurde und von dort auf eine Mission nach Singapur, wo er fiel. Mit
Freddy Spencer-Chapman.
• Leo Marks: "Between Silk and Cyanide", ISBN 0-684-86780-X, ISBN 978-0-684-86780-9; A young World War
II cryptographer chronicles his career in the Special Operations Executive, discussing his replacement of
outmoded codes with one-time silk-printed codes.
• David Stafford: Churchill & Secret Service, London 1997 (Abacus), ISBN 0-349-11279-7.
Weblinks
• The Special Operations Executive(Official Document - British Foreign & Commonwealth Office Website) [1]
(englisch)
• Colin Gubbins, Leo Marks and the SOE [2] (englisch)
• SOE bei spartacus.schoolnet.co.uk [3] (englisch)
• Imperial War Museum (London) [4] (englisch)
• Imperial War Museum Collections Online [5] (englisch)
Referenzen
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
http:/ / www. fco. gov. uk/ servlet/ Front?pagename=OpenMarket/ Xcelerate/ ShowPage& c=Page& cid=1050510206588
http:/ / clutch. open. ac. uk/ schools/ emerson00/ soe_gubbins_marks. html
http:/ / www. spartacus. schoolnet. co. uk/ 2WWsoe. htm
http:/ / london. iwm. org. uk/
http:/ / www. iwmcollections. org. uk/
262
Office of Strategic Services
Office of Strategic Services
Das Office of Strategic Services (OSS), deutsch: Amt für strategische
Dienste, war ein Nachrichtendienst des Kriegsministeriums der Vereinigten
Staaten von 1942 bis 1945.
Auftrag
Die Aufgabengebiete des OSS umfasste die operative Beschaffung von
Informationen,
Desinformation,
psychologische
Kriegführung,
Partisanen-Unterstützung, Asymmetrische Kriegführung, Sabotage und
Spionageabwehr.
Organisation
Das OSS unterstand direkt den Vereinigten Stabschefs des Kriegsministeriums
Ärmelabzeichen des OSS, Vorbild für
und arbeitete ihnen zu. Damit stand es in direkter Konkurrenz zum G-2
das spätere Abzeichen des US Special
(Heeresnachrichtendienst) der Army. Obwohl zuständig für die Aufklärung im
Operations Command (SOCOM)
Ausland, gab es Regionen, in denen das OSS nicht aktiv war. So z.B.
Lateinamerika, wo das FBI für die Auslandsspionage verantwortlich zeichnete. Gleichzeitig wurden die Aktivitäten
vom militärischen Nachrichtendienst G-2 und dem Marinenachrichtendienst argwöhnisch beobachtet und die
zuständigen Stellen versuchten eifersüchtig, ihre Zuständigkeitbereiche zu verteidigen, da es etliche
Überschneidungen und Parallelaufgaben gab.
Rekrutierung und Ausbildung
Der Leiter des OSS Major General Donovan war anfangs Mitglied des Room gewesen, einer monatlich konspirativ
tagenden Geheimloge führender US-Industrieller, die diskret Wirtschaftsinformationen aus dem Ausland
austauschten. Die Söhne seiner Geschäftsfreunde, die sich vom OSS Ruhm versprachen, wurden bevorzugt
rekrutiert.
Das Personal des OSS empfand sich als elitär und war mehrheitlich rechtskonservativ eingestellt.
Ausrüstung
Da eines der Hauptätigkeitsfelder die konspirative Nachrichtenbeschaffung und die Partisanenunterstützung war,
experimentierte Major General Donovan hauptsächlich mit technischen Neuentwicklungen im Bereich getarnter
Waffen (Stich- und Schusswaffen sowie Schalldämpfer) und Ausrüstungsgegenstände, deren eigentliche Funktion
nicht gleich erkenntlich sein sollte und die so den Agenten bei einer Kontrolle hinter den feindlichen Linien nicht
verraten würde. Auch Techniken der nachrichtendienstlichen Kommunikation und Informationsweitergabe
(Geheimtinte etc.) wurden genutzt und stetig weiterentwickelt.
263
Office of Strategic Services
Geschichte
Gründung
Das am 11. Juli 1941 von Präsident Franklin D. Roosevelt ins Leben gerufene, zunächst zivile Office of the
Coordinator of Information (COI) wurde am 13. Juni 1942 in das Office of Strategic Services umgewandelt[1] . Er
war ein operativ arbeitender Nachrichtendienst, der den Vereinigten Stabschefs im Kriegsministerium direkt
unterstand und zuarbeitete. Alle Abteilungen bestanden bereits im COI. Bei der Gründung des OSS stand der
britische Auslandsnachrichtendienst MI6 Pate.
Erster und einziger Leiter des OSS war der reaktivierte Kriegsveteran und Wallstreet-Anwalt „Wild Bill” Donovan
(1883–1959), ein Freund des Präsidenten, der bereits als Colonel den Vorläufer der Behörde geleitet hatte und Ende
1944 zum Major General befördert wurde. Viele Pläne erwiesen sich als praxisuntauglich und man musste erst einen
hohen Blutzoll (einschließlich des einheimischen Widerstandes) leisten, um die notwendige Erfahrung zu sammeln,
wie ein Kampf hinter feindlichen Linien optimal zu führen war.
Einsätze
Partisanenunterstützungseinsätze
Die reine Aufklärungsarbeit war weniger erfolgreich, da die Hauptlast der Informationsgewinnung durch die
Luftaufklärung der US Army Air Force (durch Luftbildauswertung) getragen wurde. Dagegen erzielte das OSS recht
gute Ergebnisse mit der Ausbildung, Ausrüstung und Führung einheimischer Partisanengruppen hinter den
feindlichen Linien und führte Operationen in Italien, Griechenland, Jugoslawien, Norwegen und Frankreich durch.
Vorbereitungen für D-Day
So sprangen in den Monaten vor der alliierten Landung in der Normandie (Operation Overlord) etliche
3-Mann-Teams, die so genannten Jedburgh Teams (benannt nach ihrem schottischen Ausbildungsort Jedburgh), im
deutsch-besetzten Frankreich ab, um Kontakt mit der Résistance aufzunehmen und sie im Partisanenkampf und in
der Vorbereitung der Invasion zu unterstützen. Die nächstgrößere Einheit war die Operational Group (OG) mit 34
Mann, die sich aber auch bei Bedarf in zwei 16-Mann-Teams aufteilen konnte. Die OSS-OGs waren die direkten
Vorläufer der Special Forces der Green Berets Detachments.
Pazifik
Das OSS war trotz der Ablehnung durch General Douglas MacArthur,
dem Oberbefehlshaber des pazifischen Kriegsschauplatzes, der die
Arbeit des G2 bevorzugte, dennoch auch im südostasiatischen und
pazifischen Raum aktiv, in dem es Mao Zedongs Rote Armee im
Guerillakampf unterstützte.
Nachrichtendienstliche Einsätze
Ertragreichster OSS-Agent war Allen Dulles, der im neutralen Bern
General William J. Donovan bei einer Inspektion
eine nahezu ungetarnte Anlaufstelle für Überläufer unterhielt, wo u. a.
von Einsatzkräften in Bethesda, Maryland 1945
Fritz Kolbe vorstellig wurde und Vermittler von Karl Wolff die
Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Italien verhandelten.
Erfolgreicher waren Operationen der psychologischen Kriegführung mit Flugblatt- und Radiokampagnen, die den
Feind demoralisieren sollten. Bekannteste OSS-Partnerin war Marlene Dietrich, die neben Fronttheater auch über den
Hörfunk an die Deutschen zur Kapitulation appellierte.
264
Office of Strategic Services
Mitarbeiter des OSS waren u. a. auch der deutsche Philosoph Herbert Marcuse, zeitweilig Chef der Europa-Sektion
des Dienstes, sowie der Schriftsteller Klaus Mann. Dieser verfasste einige Monate nach der alliierten Landung auf
Sizilien, welche das OSS unter dem Decknamen Operation Husky zusammen mit dem Marinenachrichtendienst
(ONI) vorbereitet hatte, für die nach Norden vorrückende 5. US-Armee Flugblätter zum Abwurf hinter den
deutschen Linien und Texte für Grabenlautsprecher. Er verhörte während des Italien-Feldzuges auch deutsche
Kriegsgefangene, damit die Stimmung in der Truppe genauer analysiert werden konnte.[2]
1944 nahm das Londoner Büro des OSS Kontakte zur Freien Deutschen Bewegung in Großbritannien auf, um aus
ihren Reihen geeignete Kandidaten anzuwerben. Die Kontaktaufnahme erfolgte über Jürgen Kuczynski, den
damaligen Leiter der Freien Deutschen Bewegung. Die Kandidatenliste wurde von Seiten der deutschen Emigranten
mit der GRU abgestimmt. Die sieben ausgewählten Kandidaten sollten per Fallschirm hinter den deutschen Linien
abspringen.[3] Drei der Agenten, Anton Ruh, später Botschafter der DDR in Rumänien, Paul Lindner und Kurt
Gruber), wurden 2006 postum von der Regierung der USA mit dem Silver Star gewürdigt.[4] [5] Der Historiker Brian
Nelson Macpherson hob in seiner Dissertation hervor: „Keine andere Quelle des Nachrichtendienstes war so hilfreich
in der zuverlässigen Wahrnehmung von Einzelheiten während der letzten Kriegsmonate.“ Dieser Einsatz wurde auch
als Operation Hammer bezeichnet.
Mit der Operation Sunrise etablierte das OSS bereits früh eine amerikanische Zusammenarbeit mit Personen des
späteren Bundesnachrichtendienstes. Generalmajor Reinhard Gehlen leitete von 1942 bis 1945 im Generalstab des
Heeres die Spionageabteilung Fremde Heere Ost. Unmittelbar nach dem Krieg wurden Gehlen und seine gesamte
Organisation (die vor allem aus SS-, SD- und Abwehr-Leuten bestand) in den Dienst des amerikanischen
Geheimdienstes gestellt. Gehlen wurde damit beauftragt, einen deutschen Auslandsnachrichtendienst aufzubauen,
der sich vor allem gegen die Sowjetunion richten sollte. Die Organisation Gehlen wurde später durch die CIA
übernommen.
Für die Spionageabwehr war während des Krieges die Abteilung X-2 zuständig.
Persönlichkeitsprofil Hitlers
Donovan beauftragte den Harvard-Psychoanalytiker Walter C. Langer ein Profil über Adolf Hitlers Persönlichkeit zu
erstellen.[6] Langer befragte hierfür Personen, die aus dem Deutschen Reich in die Staaten gekommen waren. So
zum Beispiel Eduard Bloch, den Arzt von Klara Hitler, Ernst Hanfstaengl, den ehemaligen Auslandspressechef der
Nationalsozialisten und William Patrick Hitler. Der Bericht aus dem Jahr 1943 schildert unter anderem „Hitlers
wahrscheinliches Verhalten in der Zukunft“:
„1. Hitler könnte eines natürlichen Todes sterben. Das ist nur eine ganz entfernte Möglichkeit, denn, soweit
wir wissen, ist er ganz guter Gesundheit, außer bei seinen Magenbeschwerden, die wahrscheinlich
psychosomatische Ursachen haben.
2. Hitler könnte Asyl in einem neutralen Land suchen. Das ist extrem unwahrscheinlich im Hinblick auf seine
großen Sorgen um seine Unsterblichkeit. Nichts würde den Mythos wirkungsvoller zerstören als ein Führer,
der im kritischen Moment davonrennt.
3. Hitler könnte in einer Schlacht getötet werden. Das ist eine reale Möglichkeit. Wenn er überzeugt ist, dass
er nicht gewinnen kann, könnte er seine Truppen in die Schlacht führen und sich als furchtloser und
fanatischer Führer stilisieren. Das wäre von unserem Standpunkt aus das am wenigsten Wünschenswerte, weil
sein Tod als Beispiel für seine Nachfolger dienen würde, ebenfalls mit fanatischer, todesverachtender
Entschlossenheit bis zum bitteren Ende zu kämpfen.
4. Hitler könnte ermordet werden. Obwohl Hitler extrem gut geschützt wird, besteht die Möglichkeit, dass ihn
jemand ermordet. Hitler fürchtet diese Möglichkeit […] Sie ist ebenfalls von unserem Blickwinkel aus nicht
wünschenswert, weil sie einen Märtyrer aus ihm machen würde und die Legende stärkt.
5. Hitler könnte krank werden. Hitler hat viele Charakteristika, die an der Grenze zur Schizophrenie sind. Es
ist möglich, dass seine Psyche zusammenbricht, wenn er mit der Niederlage konfrontiert ist. Das wäre
265
Office of Strategic Services
eventuell aus unserer Sicht wünschenswert, denn es würde viel dazu beitragen, die Hitler-Legende in den
Köpfen des deutschen Volkes zu unterminieren.
6. Das deutsche Militär könnte revoltieren und ihn entmachten. Das scheint mit Blick auf die einzigartige
Stellung, die Hitler im Bewusstsein des deutschen Volkes hat, unwahrscheinlich … Das deutsche Militär
könnte aber im Angesicht der Niederlage beschließen, dass es weiser wäre, Hitler zu entthronen und eine
Marionettenregierung für Friedensverhandlungen einzusetzen. Das würde wahrscheinlich große interne
Zwistigkeiten in Deutschland hervorrufen.
7. Hitler könnte in unsere Hände fallen. Das ist die unwahrscheinlichste Variante überhaupt.
8. Hitler könnte Selbstmord begehen. Das ist das plausibelste Resultat. Er hat mehrmals gedroht, sich
umzubringen; nach allem, was wir über seine Psyche wissen, ist dies die wahrscheinlichste Möglichkeit …
Was auch passiert, wir dürfen relativ sicher sein, dass Hitler immer neurotischer werden wird, je mehr
Niederlagen Deutschland einstecken muss. Jede Niederlage wird sein Selbstvertrauen erschüttern und seine
Möglichkeiten begrenzen, sich seine eigene Größe zu beweisen. Als Konsequenz wird er sich gegenüber
Angriffen aus den Reihen seiner Verbündeten mehr und mehr verletzlich zeigen und seine Wutanfälle werden
sich häufen. Er wird vermutlich versuchen, seine Angreifbarkeit mit zunehmender Grausamkeit und
Rücksichtslosigkeit zu kompensieren. Seine öffentlichen Auftritte werden immer seltener, weil er unfähig ist,
eine kritische Zuhörerschaft zu ertragen …
In jedem Fall wird sich sein geistiger Zustand weiter verschlechtern. Er wird so lange kämpfen wie er kann,
mit jeder nur erdenklichen Waffe oder Technik, die ihm geeignet erscheint, den drohenden Untergang
aufzuhalten. Der Kurs, dem er folgt, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einer, der ihm den
Weg in die Unsterblichkeit ebnet und zur selben Zeit die Welt in Flammen aufgehen lässt.“
– Walter C. Langer, 1943.[7]
Auflösung
Das von Präsident Harry S. Truman von Anfang an mit Argwohn bedachte OSS wurde nach dem Zweiten Weltkrieg
am 20. September 1945 wieder aufgelöst. Die direkte Nachfolge-Organisation des OSS war die SSU (Strategic
Services Unit); deren Hauptquartier in Deutschland war in Wiesbaden, von wo aus auch die ersten erfolgreichen
Versuche gestartet wurden, deutsche NKWD-Agenten zu Doppelspionen umzufunktionieren.[8] .
Einige Veteranen installierten einen OSS-Mythos durch eine Vielzahl entsprechender Abenteuerromane, Comics und
Spielfilme. Die Übernahme der ehemaligen OSS-Agenten in die 1947 gegründete Central Intelligence Agency oder
das American Committee for a United Europe verlief jedoch keineswegs automatisch: viele verweigerten sich und
suchten nach anderen Betätigungsfeldern. Die ehemalige Mitgliedschaft im OSS erwies sich zwar für manche als
Sprungbrett für wirtschaftliche Karrieren - andere sahen nach Kriegsende eher kritisch auf die historische Rolle des
OSS zurück.[9]
Die Akten des OSS wurden teilweise in den 1970er und 1980er Jahren freigegeben. Im August 2008 veröffentlichte
das Nationalarchiv der USA 35.000 weitere Personalakten sowie Dokumente über geheime Einsätze.[10]
Mediale Rezeption
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O.S.S. (1946); Regie: Richard Maibaum, später der erste James-Bond-Regisseur
Cloak and Dagger (1946); deutsch: Im Geheimdienst, Regie: Fritz Lang
13 Rue Madeleine (1947); Regie: Henry Hathaway
Der gute Hirte (2006); Regie: Robert De Niro, behandelt die Gründung des OSS und der Nachfolge-Organisation
CIA
• Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (2008); Regie: Steven Spielberg, Professor Jones wird als
ehemaliger OSS-Agent eingeführt, dessen damaliger Partner McHale sich als Doppelagent herausstellt
266
Office of Strategic Services
• Spy Kids (2001); Regie: Robert Rodriguez, filmische Persiflage über einen Geheimdienst namens OSS. Im
zweiten Teil, Spy Kids 2 – Die Rückkehr der Superspione (2002), wird ein Donovan Direktor.
Literatur
• Christof Mauch: Schattenkrieg gegen Hitler. Das Dritte Reich im Visier der amerikanischen Geheimdienste 1941
bis 1945. Deutsche Verlags-Anstalt DVA, München 1999, ISBN 3-421-05196-8
• Richard Cutler: Counterspy. Memoirs of a Counterintelligence Officer in World War II and the Cold War,
Brassey's, Dulles 2004, ISBN 1-57488-839-0 (engl.)
Weblinks
•
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•
•
•
Michael Warner: Broschüre auf der Homepage über das OSS der CIA [11] (englisch)
Informationen über die „Operational Groups“ des OSS und ihre Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg [12] (englisch)
Über das OSS bei soc.mil [13] (englisch)
OSS Psychological Warfare Study [14] (englisch)
OSS Society [15] (englisch)
Secret Norwegian sites in Sweden 1944–1945 financially supported by the OSS [16]
• The Office of Strategic Services [17] (englisch)
• Einsatzkräfte, Spione und Saboteure. Die Geschichte der Männer und Frauen des OSS [18] (englisch)
• OSS. Ehrenliste, Auszeichnungen und Bilder [19] (englisch)
Referenzen
[1] Poster des CIA-Museums zum 60sten Jahrestag (http:/ / www. osssociety. org/ pdfs/ 60thannivposter. pdf) Die Abbildung zeigt Donovan in
der Uniform eines US-Brigadegenerals(Major General).
[2] Uwe Naumann: Klaus Mann. RoRoRo, Hamburg 1984, ISBN 3-499-50332-8, S.114 ff.
[3] Das Vermächtnis des US-Offiziers Gould (http:/ / www. drafd. de/ ?DrafdInfo200507_Gould). Auf: drafd.de, der Homepage des Verband
Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung „Freies Deutschland“ e.V.
[4] Junge Welt, 13. Juni 2006. Vgl. [[Kategorie:Vorlage Der Spiegel mit alten Parametern (http:/ / www. spiegel. de/ spiegel/ print/ d-32628510.
html)] Klaus Wiegrefe: Falsche Freunde]. In: Der Spiegel 45/2004 vom 30. Oktober 2004.
[5] Erinnerung an einen "German Miner" (http:/ / www. drafd. de/ ?DrafdInfo200507_Gould)
[6] Wiedergegeben auf nizkor.org: A Psychological Analysis of Adolph Hitler. His Life and Legend (http:/ / web. archive. org/ web/
20050828111124/ http:/ / www. nizkor. org/ hweb/ people/ h/ hitler-adolf/ oss-papers/ text/ profile-index. html).
[7] Walter C. Langer: „OSS-Geheimbericht über Adolf Hitler“. Washington D.C. 1943, Supplement S.1. Zitiert nach: Wolfgang Zdral: Die
Hitlers. Die unbekannte Familie des Führers. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-593-37457-4, S. 192–194.
[8] siehe R. Cutler: Counterspy. Memoirs of a Counterintelligence Officer in World War II and the Cold War, S.71ff
[9] Max Corvo: O.S.S. in Italy 1942–1945: A Personal Memoir of the Fight for Freedom: 1943–1945. Enigma Books, New York 2005, ISBN
1-929631-45-6
[10] „Das Who is Who berühmter US-Spione“ (http:/ / www. sueddeutsche. de/ politik/ 419/ 306381/ text/ ), Süddeutsche Zeitung, 14. August
2008.
[11] https:/ / www. cia. gov/ library/ center-for-the-study-of-intelligence/ csi-publications/ books-and-monographs/ oss/ index. htm
[12] http:/ / www. ossog. org/
[13] http:/ / www. soc. mil/ sofinfo/ story. html#sp04
[14] http:/ / www. icdc. com/ ~paulwolf/ oss/ oss. htm
[15] http:/ / www. osssociety. org
[16] http:/ / www. sepals. info
[17] http:/ / www. militaryhistoryonline. com/ general/ articles/ officestrategicservices. aspx
[18] http:/ / thedropzone. org/ oss/ default. asp
[19] http:/ / www. specialforcesroh. com/ browse. php?mode=viewc& catid=15
267
Long Range Desert Group
268
Long Range Desert Group
Die Long Range Desert Group (dt.: Langstrecken-Wüstengruppe)
war eine Spezialeinheit der British Army während des Zweiten
Weltkrieges, die von 1940 bis 1943 im Einsatz war. Sie wurde nach
der Überschreitung der libysch-ägyptischen Grenze durch italienische
Truppen im Juni 1940 vom Major Ralph Alger Bagnold gegründet. Zu
ihren Aufgaben zählte die Aufklärung in der Wüste im Rahmen des
Afrikafeldzuges, sowie Beobachtung feindlicher Aktivitäten, aber auch
die Aufklärung von Angriffs- und Nachschubwegen für die eigenen
Truppen unterstanden ihrem Aufgabengebiet. In der Anfangszeit
arbeitete sie eng mit dem SAS zusammen.
Aufstellung und Ausrüstung
Mützenabzeichen der L.R.D.G.
In ihrer Gründungszeit bestand die Long Range Desert Group vorwiegend aus neuseeländischen Freiwilligen, die
von dem britischen Kommandeur der 2. Neuseeländischen Division Lieutenant General Bernard Freyberg
ausgewählt wurden. Später ergänzten britische und rhodesische Soldaten die Long Range Desert Group. Jede Einheit
war in 3 Spähtrupps zu je 40 Mann gegliedert, die zum Transport der Aufklärungstrupps vorwiegend auf LKWs des
Typs Chevrolet (30cwt) und Jeeps wie den Willys MB zurückgriff.
Die Bewaffnung der einzelnen Trupps bestand hauptsächlich aus Waffenbeständen der britischen Armee bzw. der
Commonwealth-Staaten. So führte ein einzelner Spähtrupp zehn Maschinengewehre der Marke Lewis Gun sowie
Panzerbüchsen des Fabrikats Panzerbüchse Boys mit. Zur mobilen Bewaffnung zählten das Browning M2 und
Vickers K, die zumeist auf den Jeeps montiert waren. Später wurden auch Panzerabwehrkanonen auf den Jeeps
montiert. Als Kommunikationsmittel wurden Funkgeräte mit einer Reichweite bis zu 1200 Meilen eingesetzt.
Einsatzgebiete
Im September 1940 begann man mit der Errichtung eines ersten Stützpunktes in der Oase Siwa. Kurz darauf kam es
zum ersten Einsatz zweier Trupps der Long Range Desert Group. Unter Leitung des neuseeländischen Captains
Mitford durchquerten sie das Kalansho-Dünenmeer mit dem Ziel des Handstreich und der Sprengung italienischer
Treibstoffdepots sowie Landebahnen von operativ wichtigen Flugplätzen. Nachfolgend operierte diese Einheit der
Long Range Desert Group mit Kurs auf den Tschad zur Kontaktaufnahme mit der Streitkraft des Freien Frankreichs.
Nach Aufmunitionierung und Betankung durchquerten sie die Charga-Oase mit dem Ziel, nach Kairo zu gelangen.
Insgesamt legten sie rund 6000 Kilometer zurück.
Die Kooperation mit den französischen Truppen wurde bestärkt, als Major Bagnold Ende September 1940 nach Fort
Lamy reiste, um die französischen Kolonien in Afrika zum Beitritt in die alliierten Streitkräfte zu bewegen.
Gemeinsam mit den neuen französischen Verbündeten wurden italienische Stützpunkte im Gebiet der Murzuk-Oasen
angegriffen, was zur Einnahme von Kufra führte. Man einigte sich später, das Hauptquartier der Long Range Desert
Group in die Kufra-Oase zu verlegen. Die schlechten Wetterbedingungen mit heftigen Sandstürmen und extrem
hohen Temperaturen von bis zu 50°C erschwerten das weitere Vorgehen stark.
Long Range Desert Group
Ende und Verbleib
Während des Sommers 1941 machte sich der mittlerweile zum Colonel beförderte Gründer Bagnold auf die Suche
nach einem Nachfolger. Kurzzeitig befehligte unter anderem Major Jake Easonsmith und Lieutenant-Colonel Guy
Lennox Prendergast die LRDG, bis schließlich Major General David Lloyd Owen das endgültige Kommando über
die Long Range Desert Group bis zur Niederlage der Achsenmächte in Afrika 1943 übernahm. Colonel Bagnold
verließ die LRDG noch 1941, und wirkte fortan in Kairo im Stab der Britischen Armee. Die Mehrzahl der
Angehörigen der LRDG gingen in den SAS über, oder kämpften an der Seite von Partisanen in Griechenland bzw.
auf dem Balkan.
Siehe auch
• Afrikafeldzug
• Deutsches Afrikakorps
• Hit and Run
Literatur und Quellen
• Owen, David Lloyd : The History of the Long Range Desert Group: Providence Their Guide, 2000, ISBN
0-85052-712-0
• List, David : The Long Range Desert Group, 1983, ISBN 0-85045-484-0
• Morgan, Mike : Sting of the Scorpion: In Action with the Long Range Desert Group, 2000, ISBN 0-7509-2481-0
• Piekalkiewicz, Janusz : Der Wüstenkrieg in Afrika 1940 - 1943, 2002, ISBN 3-8289-0357-6
Weblinks
• Seite der LRDG Preservation Society [1] (englisch)
• Gliederung der LRDG [2] (englisch)
Referenzen
[1] http:/ / www. lrdg. org
[2] http:/ / www. regiments. org/ regiments/ uk/ specfor/ LRDG. htm
269
Résistance
270
Résistance
Die Résistance ist der Sammelbegriff für die französischen und
belgischen Widerstandsbewegungen gegen die deutsche und
italienische Besatzungsmacht sowie gegen die mit diesen
kollaborierenden Institutionen und Bevölkerungsgruppen im Zweiten
Weltkrieg.
Die Résistance war nicht einheitlich organisiert und geführt, sondern
verfolgte im Sinne ihrer Trägerorganisationen verschiedene Ziele. Im
Frühjahr 1943 gelang es Jean Moulin, einem Abgesandten General de
Gaulles, die wichtigsten Gruppierungen zumindest auf allgemein
gehaltene
gemeinsame
Ziele
festzulegen
und
eine
Koordinierungsinstanz zu etablieren. Gegen das von den Deutschen
verwendete Hakenkreuz wurde das Lothringer Kreuz auch von der
Resistance als Symbol des französischen Befreiungskampfes
übernommen.
Organisation
Lothringer Kreuz
Von Lyon aus bemühte sich Jean Moulin im Auftrag de Gaulles lange
Zeit, den Widerstand der verschiedenen Gruppen zur Résistance im
Comité Français de la Libération Nationale (CFLN) zu vereinen, was ihm auch mit den wichtigsten
Résistancegruppen gelang:
in der Südzone fusionierten:
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•
die Gruppe Combat mit der Untergrundzeitung Combat um Henri Frenay
die Gruppe Libération Sud mit der Untergrundzeitung Libération um Emmanuel d’Astier de la Vigerie
die Gruppe Franc-Tireur mit der Untergrundzeitung Franc-Tireur unter der Leitung von Jean-Pierre Lévy
die Francs-Tireurs et Partisans unter der Leitung von Pierre Fabien
die Armée secrète unter der Leitung von Charles Delestraint
der Front National mit der Untergrundzeitung Front national von Pierre Villon
das Comité d’Action Socialiste um Pierre Brossolette, mit den Gruppen aus der Nordzone:
•
•
•
•
die Gruppe Organisation civile et militaire (OCM)
die Gruppe Libération Nord
die Gruppe Ceux de la Résistance
die Gruppe Ceux de la Libération
weitere Résistancegruppen, die daneben zeitweilig oder dauerhaft existierten:
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die Résistance de Fer der französischen Eisenbahner
die Gruppe France-Liberté
die Gruppe la Dernière Colonne
die Gruppe Musée de l’Homme
die Gruppe Confrèrerie Notre Dame um Gilbert Renault
die Organisation de résistance de l'armée
die Armée des Volontaires (AV) um Dr. Bareiss
• das Netzwerk Mithridate
• das Netzwerk Cohors
Résistance
271
Die Résistance entwickelte als politischen Arm eine Art politisches Untergrundparlament der verschiedenen
Widerstandsgruppen den Conseil National de la Résistance (CNR, dt. Nationaler Widerstandsrat). Dank des
unermüdlichen Einsatzes von Jacques Bingen entwickelte sich aus
•
•
•
•
der gaullistischen l'Armée secrète,
der kommunistischen Francs-Tireurs et Partisans und
der giraudistischen Organisation de résistance de l'armée
sowie isolierten militärischen Résistancegruppen
der fusionierte militärische Arm der Résistance, die Forces françaises de l'intérieur (FFI).
Die Operationen der Résistance
Die Résistance entstand unmittelbar nach dem Waffenstillstand von Marschall Pétain mit Deutschland am 22. Juni
1940. Anfangs bestand sie aus wenigen Tausend Menschen, die die deutsche Besetzung nicht einfach erdulden
wollten. Ihr Ziel war das planmäßige Vorgehen gegen die Besatzer. Dazu mussten private Racheakte eingedämmt
werden, die nicht selten waren. Tausende von Zivilisten und Soldaten waren vor den heranrückenden deutschen
Truppen in den Süden Frankreichs geflüchtet. In Zeitungen wurden Suchanzeigen annonciert, um die auf der Flucht
verlorenen Angehörigen wiederzufinden. Hier schrieb die Résistance Antwortbriefe, in denen die Betroffenen zur
Mitarbeit und Kettenbriefen aufgefordert wurden.
Später ging sie dazu über, die Alliierten über Bewaffnung und Bewegungen der deutschen Truppen zu informieren.
Sabotageakte der Résistance sollten die militärischen Operationen der Alliierten unterstützen und die der Wehrmacht
erschweren. Dazu wurden nach und nach eigene Strukturen aufgebaut: Für jede französische Gemeinde wurde eine
Akte angelegt, in der jeder Eisenbahntunnel, jede Langsamfahrstelle der Eisenbahn, jede Fabrik, Werkstatt und
Werft vermerkt wurde. Tonnen von Munition und Waffen wurden versteckt, statt sie (gemäß
Waffenstillstandsbestimmungen) an die Wehrmacht zu übergeben. Anstelle von Mitgliederlisten wurden schmale
Papierstreifen aus Reispapier verwendet, die man besser herunterschlucken konnte. Darin standen der Name des
Aufgenommenen, sein Beruf und seine Verbindungen, seine Unterbringungs- und Verpflegungsmöglichkeiten sowie
seine Transportmittel (LKW, Auto, Motorrad, Fahrrad). Dort war auch registriert, ob derjenige für Sabotage-,
Transport- oder Kommando-Aufgaben eingeteilt war. Diese Listen wurden von Bankbeamten nachts geschrieben.
Anfangs war das Hauptquartier der Résistance in der Pariser Metro.
Während der Fahrt wurden Pläne gemacht und Nachrichten
ausgetauscht. Abhören war hier sehr viel schwieriger. Vor allem
konnte die Gestapo nur schwer Einzelne, die ein- oder ausstiegen, im
Gewühl von Tausenden von Menschen identifizieren und beobachten.
Dennoch blieben die geheimen Tätigkeiten nicht verborgen. Die
Quartiere wurden daraufhin ständig gewechselt. Im Laufe der Zeit
strukturierte sich die Arbeit der Résistance arbeitsteilig:
Quartiermacher beschafften in einem Dorf oder einer Stadt unauffällige
Wohnungen, deren Lage, Flucht- und Ausweichmöglichkeiten sie
vorher geprüft hatten. Einem Stab der Résistance unterstanden zwanzig
regionale, von Offizieren kommandierte Einheiten, die im Rhythmus
von acht bis zehn Tagen ihren Standort wechselten. Dazu wurden in
einem Dorf etwa zehn Häuser ausgesucht, in denen der Befehlsstand
unterzubringen war.
Ein Mitglied der Forces françaises de l'intérieur,
ca. 1944
Résistance
Da die Funkübertragung von Nachrichten durch Peilwagen der
Deutschen gefährdet war, wurden sie häufig mündlich weitergegeben:
Die Boten lernten dabei ihren Auftrag auswendig, so dass sie durch
nichts Schriftliches identifizierbar waren. Kundschafter überprüften die
Bewohner umliegender Häuser vor einem geplanten Coup und
machten sich mit Zugangsmöglichkeiten, der Bewachung, ihren
Wachwechseln, ihrer Bewaffnung und Alarmplänen vertraut. Für
Kommando-Aufträge hatte sich das Corps Francs etabliert. Es waren
in der Regel sportliche Männer unter vierzig Jahren, die als Gorilles
bezeichnet wurden. Sie bildeten den Stoßtrupp, der bei einem Überfall
den Angriff auf die deutschen Soldaten, Bewacher, Gestapo-Leute etc.
führte.
Transportkommandos beschafften die häufig zu wechselnden
Fahrzeuge, kundschafteten Routen und Straßensperren aus, machten
sich mit der Strecke vertraut. Der Ortswechsel eines Kommandos oder
Stabes vollzog sich in der Regel nachts über abgelegene Feldwege. Es
wurden auch Transportmöglichkeiten in französischen und deutschen
Zügen und auf regelmäßig kursierenden deutschen Armeelastwagen
ausgekundschaftet und genutzt. Sie stellten die Männer, die die bei
einem Überfall möglicherweise zu erbeutenden Waffen und Munition
verluden und transportierten. Ein Zerstörungskommando setzte nach
einem Überfall die Örtlichkeit in Brand oder sprengte sie fort.
272
Festnahme verdächtiger Franzosen durch
deutsche Soldaten im Juli 1944
Gefangennahme von Mitgliedern der Resistance
durch französische Milizen im Juli 1944
Saboteure waren häufig Frauen, Jugendliche und ältere Männer, die weniger durch Muskelkraft, sondern mehr durch
List ihr Ziel erreichten: Ihnen wurde auch durch Instrukteure wie Nancy Wake, die vom britischen Special
Operations Executive ausgebildet waren, beigebracht, wie man Brandbomben platzierte, Sprengkapseln an
Eisenbahnschienen fixierte, wie man durch die Besatzer beschlagnahmte Ware unbrauchbar machte, einen Menschen
geräuschlos erwürgte, Waffen auseinander nimmt, reinigt und handhabt. Durch diese Sabotagekommandos wurden
Sprengungen von Brücken, Eisenbahntunneln, Telegrafenmasten usw. vorbereitet und ausgeführt.
In den französischen Gebirgen operierte die Résistance vom Maquis aus. Diese unzugänglichen Gebiete waren durch
umliegende Schluchten und Pässe geschützt und konnten deshalb durch Schützenstände, Maschinengewehre und
Artillerie von wenigen Leuten selbst bei einer starken feindlichen Übermacht gehalten werden. Das wichtigste und
größte Maquis lag im Vercors.
Die Wirksamkeit und das Vorgehen der Résistance gegen Kollaborateure wird seit den 1970er Jahren in der
französischen Öffentlichkeit verstärkt diskutiert.
Symbol für die grausame Rache der SS an Widerstandskämpfern ist der Ort Oradour-sur-Glane. Als Reaktion auf
Aktionen der Résistance in der Gegend vernichtete eine Kompanie des Panzergrenadier-Regiments „Der Führer“ am
10. Juni 1944 das gesamte Dorf, exekutierte die Männer und sperrte Frauen und Kinder in die Kirche, die dann
angezündet wurde. Mehr als 600 Menschen wurden ermordet. Heute ist Oradour-sur-Glane Gedenkstätte für den
französischen Widerstand.
Ein bekanntes deutsches Mitglied der Résistance war Peter Gingold, der am 28. Oktober 2006 verstarb.
Résistance wird auch als literarischer Begriff für eine Bewegung verwendet, die während der Vichy-Zeit illegal
literarische Texte und Zeitschriften publizierte. Sie hatte zwar nicht als Teil der politisch-militärischen Résistance
agiert, ihr wurde aber nachträglich eine hohe symbolische Bedeutung zugemessen, weil sie dem Widerstand eine
Stimme gegeben hatte. Als eine der bekanntesten Veröffentlichungen der Résistanceliteratur gilt die Erzählung Le
silence de la mer, die 1942 unter dem Pseudonym Vercors erschien.
Résistance
"Wusstet ihr, … dass es nur ein Wort für Entsetzen gibt, nur ein Wort für Angst? Wusstet ihr, dass das Leiden keine
Schranke kennt, der Schrecken keine Grenze?" (von Charlotte Delbo, sie war Mitglied der Résistance und wurde ins
KZ Auschwitz deportiert)
Siehe auch
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Frauen in der Résistance
Geschichte der Résistance im Artikel über Jean Moulin
Forces Françaises Libres , auch France libre, Geschichte der Résistance im historischen Kontext
Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Vichy-Regime (die Literatur zu beiden Themen überschneidet sich)
Nationalkomitee Freies Deutschland im Westen (CALPO - Comité Allemagne libre pour l'Ouest), Partner der
Résistance
Max Windmüller
Jean-Paul Sartre
Romain Gary, Kampfflieger der Forces Françaises Libres
Edmond Michelet
Henri Honoré d'Estienne d'Orves
• Armand Gatti, Résistant in der Corrèze, zeitweise Zwangsarbeiter im KZ Neuengamme, Nebenlager Lindemann
Veddel, Arbeit an und unter der Ostsee, nach Flucht Fallschirmspringer der RAF im Auftrag der Forces
Françaises Libres
Literatur
• Guy Michaud & Alain Kimmel: La Résistance en France occupée pendant la Seconde Guerre mondiale. in: Le
nouveau guide France. Hachette, Paris 1990, S. 159; wieder in: Karl Stoppel Hg.: La France. Regards sur un pays
voisin. Eine Textsammlung zur Frankreichkunde. Reclam, Stuttgart 2008 ISBN 9783150090688 Reihe:
Fremdsprachentexte. S. 228f. [1]
• Klaus-Michael Mallmann: Frankreichs fremde Patrioten. Deutsche in der Résistance. in: Exilforschung. Ein
internationales Jahrbuch Bd. 15, 1997, S. 33 - 63
• (Walther Flekl) Artikel: Résistance in: Frankreich-Lexikon, Erich Schmidt, Berlin 2005, S. 833 - 836 (Lit.) ISBN
3503061843. Studienausgabe ebd. 2006 ISBN 3503079912
• Jean-François Muracciole: Histoire de la résistance en France PUF, Que sais-je ?, Paris 2003
• Alain Guérin: La Résistance Chronique illustrée 1930-1950 (5 Vol.) Livre Club Diderot, Paris 1972
• Jean-Pierre Azéma: Des résistances à la Résistance in: La France des années noires T2, Éditions du Seuil, Paris
1993
• Pierre Broué, Raymond Vacheron: Meurtres au maquis Éditions Grasset, Paris 1997
• Gilles Perrault: Taupes rouges contre SS Éd. Messidor, Paris 1986 (communistes et antifascistes allemands et
autrichiens dans la Résistance en France)
• Brés, Éveline & Yvan Un maquis d‘antifascistes allemands en France (1942-1944) Presses du Languedoc, Max
Chaleil Éditeur, Montpellier 1987
• Pierre Péan: Vies et morts de Jean Moulin Éditions Fayard, Paris 1998
• Dominique Peillon: Les Réseaux de Résistance in La France des années noires T1, le Seuil, 1993
• Dominique Peillon & Olivier Wieviorka: La Résistance in La France des années noires T2, Éditions du Seuil,
Paris 1993
• Philippe Bourdrel: L'Épuration sauvage 1944-45 Éd. Perrin, Paris 2002
• Gottfried Hamacher u.a.: Gegen Hitler. Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition
und der Bewegung "Freies Deutschland". Kurzbiografien Karl Dietz, Berlin 2005 (2. Aufl.) Reihe RLS
273
Résistance
•
•
•
•
Manuskripte, Nr. 53 [2] ISBN 332002941X
Marieluise Christadler: Résistance - Kollaboration in: Fremde Freunde. Deutsche und Franzosen vor dem 21.
Jahrhundert Hg. Robert Picht u.a. Piper, München 2002 ISBN 3492039561 S. 45 - 50
Helga Bories-Sawala, Catherine Szczesny & Rolf Sawala: La France occupée et la Résistance Reihe: Einfach
Französisch. Schöningh, Paderborn 2008 ISBN 9783140462624 [3]
Jacques Lusseyran: Das wiedergefundene Licht. 1966 [4] Wieder: dtv, München 2009 ISBN 9783423300094
Matthias Bauer: Die Résistance als Ursprung. Zur Genese privater Verständigungsinitiativen als Wegbereiter der
deutsch-französischen Aussöhnung 1940-1949. Universität Augsburg Mag. Arb., 2006 [5]
Weblinks
• Verband Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung "Freies
Deutschland" e.V. [6]
• Französische Widerstandskämpfer und die Bundeswehr [7]
• [8] Pauline Grison Widerstand im Exil. Die deutschen Widerstandskämpfer in Frankreich während des Zweiten
Weltkriegs aus: Rencontres, Juni 2005 (mit 3 Literaturangaben in französischer Sprache) - Auch zweisprachig
dt.-frz.: [9]
• [10] Europa-Vorstellungen in der Résistance (Frédéric Stephan, Diss. phil. Stuttgart 2002, in deutsch) (zu den
Europavorstellungen im deutschen Widerstand siehe eigene PDF-Datei, gleiche URL, jedoch "Band01". Dort
auch das Inhaltsverzeichnis beider Bände; 1,37 MB)
• Henri Rol-Tanguy [11], Oberst der Résistance, der am 18. August 1944 den Aufstand der Bevölkerung von Paris
auslöste und am 25. die Kapitulation der Deutschen im Auftrag General Leclercs annahm und unterzeichnete.
(frz.)
• [12] Biografische Angaben zu vielen Deutschen in der R. ("Ein biographisches Lexikon. Arbeitsmaterial") auch
als Print, siehe Literatur (PDF-Datei; 552 kB)
• [13] Ausführl. Bibliographie der Gedenkstätte Dt. Widerstand. Das trinationale Projekt von Studierenden (inkl.
Polen) im ganzen: [14] Zur Résistance siehe "Materialien": Tafel 9 und zwei der "Vorträge" von Stud. aus
Toulouse. (PDF-Datei; 64 kB)
• European Resistance Archive (ERA) - Videointerviews mit WiderstandskämpferInnen [15]
• [16] Gedenkveranstaltung am Grab des deutschen Résistancemitgliedes Joseph Wolfgang Wertheim in
Lafage-sur-Sombre
Referenzen
[1] Mit Auszug aus dem Londoner Appell de Gaulles vom 18. Juni 1940. In Französisch. Insbes. für den Schulunterricht
[2] Die Online-Version von 2003 ist etwas anders, sie hat deutlich mehr Literatur-Angaben als das Buch, insbes. autobiograph. u.ä. Art, siehe
Weblinks. Die Lemmata in beiden Versionen sind unterschiedlich, dh. in der einen Fassung fehlen evtl. Personen, die in der anderen
auftauchen. Die Online-Version nennt Belegquellen zu jeder Person
[3] Schulbuch. Überwiegend in Französisch, z.T. in Deutsch; mit vielen Abb. und Original-Dok.
[4] Autobiografie eines Blinden, der als 17-jähriger in die Résistance geht, eine besondere Funktion übernimmt und als Verräter bezeichnet,
später das KZ Buchenwald überlebt.
[5] Nicht verlegt. Auch in der Bibliothek des DFI
[6] http:/ / www. drafd. de/ ?Austellung_Resistance
[7] http:/ / www. buergervereinigung-landsberg. de/ umganggeschichte/ bundeswehr/ korth/ korth. htm
[8] http:/ / www. rencontres. de/ Berlin___Paris. 142. 0. html#3312
[9] http:/ / www. rencontres. de/ uploads/ media/ Exil. pdf
[10] http:/ / elib. uni-stuttgart. de/ opus/ volltexte/ 2003/ 1409/ pdf/ Band02. pdf
[11] http:/ / fr. wikipedia. org/ wiki/ Henri_Rol-Tanguy
[12] http:/ / www. rosalux. de/ fileadmin/ rls_uploads/ pdfs/ Veranstaltungen/ 2003/ DRAFD. pdf
[13] http:/ / www. gdw-berlin. de/ tri/ pdf/ bibliographie. pdf
[14] http:/ / www. gdw-berlin. de/ tri/ projekt. html
[15] http:/ / www. resistance-archive. org/
274
Résistance
275
[16] http:/ / josephetresistance. blogspot. com/
Sowjetische Partisanen
Die
sowjetischen
Partisanen
waren
Mitglieder
der
Widerstandsbewegung gegen Faschismus und Nationalsozialismus, die
zwischen 1941 und 1944 im Zweiten Weltkrieg auf sowjetischem
Gebiet im Hinterland des Feindes einen erbitterten Kampf gegen die
deutschen Besatzer führten.[1] Die Widerstandsbewegung wurde von
der sowjetischen Regierung und Armeeführung zumeist organisiert und
kontrolliert.
Anfang der Widerstandsbewegung
Sowietische Partisanen bei der Übernahme eines
Dorfes
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941
blieben durch den schnellen Vormarsch der deutschen Truppen viele
Soldaten der Roten Armee hinter der Frontlinie zurück, wurden eingeschlossen oder versprengt. Vor allem aus
diesen Soldaten entstanden anfangs spontan Gruppen, die völlig auf sich gestellt und ohne schwere Waffen
Widerstand leisteten. Am 29. Juni 1941 erließen die sowjetische Regierung und das Zentralkomitee (ZK) der KPdSU
eine Direktive, in den grenznahen Gebieten Partisanengruppen zu bilden. Das Politbüro des ZK der KPdSU fasste
am 18. Juli einen Beschluss „Über die Organisierung des Kampfes im Hinterland der deutschen Truppen“. Daraufhin
entstanden zahlreiche Partisanengruppen, in der Ukraine teilweise schon vor ihrer Besetzung durch die Wehrmacht.
Ende 1941 bestanden über 2.000 Partisanengruppen mit einer Stärke von rund 90.000 Mann. Bereits Mitte April
1942 stellte der Befehlshaber des Rückwärtigen Heeresgebietes Mitte fest, dass die Kampfkraft der
Partisanenabteilungen mit der von regulären Truppenteilen vergleichbar wäre. Bewaffnung und Organisationsgrad
der Partisanen wurden ständig weiter ausgebaut. Im Mai 1942 waren ein Zentraler Stab der sowjetischen
Partisanenbewegung und entsprechende Stäbe bei den sowjetischen Armeen und an den Fronten gebildet worden.
Die Partisanen verfügten über Funkverbindungen und wurden mit Flugzeugen versorgt. 1943 war ihre Zahl auf
250.000 gestiegen, und sie beherrschten in einigen rückwärtigen Gebieten das Territorium. Sie behinderten die
wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Gebiete und banden nicht nur deutsche Truppen, sondern schränkten auch
die deutsche Kriegführung ein.[2]
Gebiete in denen Partisanen tätig waren
Weißrussland
Sowjetische Partisanen
Die Weißrussische SSR wurde bereits im Sommer 1941 vollständig
erobert, zu einem Zeitpunkt als die Wehrmacht nur langsam in der
Ukraine vorankam, da die Rote Armee heftigen Widerstand leistete.
Die Weißrussen waren vom schnellen Vormarsch der deutschen
Truppen überrascht. Zahlreiche Städte des Landes wurden bereits am
22. Juni bombardiert und viele Menschen getötet. Vielfach wurden
weißrussische Flüchtlinge aus den eroberten Gebieten wieder eingeholt
und mussten in ihre teilweise zerstörten Dörfer und Städte
Partisanen in der Weißrussischen SSR, im
zurückkehren. Nur etwa 20 Prozent der Weißrussen, ca. 1,8 Millionen,
Polazker Gebiet, 1943
gelang im Sommer 1941 die Flucht nach Osten. Viele flohen
zusammen mit der Roten Armee.
Mogiljow hatte Ende Juni 1941 neben seinen Einwohnern auch noch etwa 200.000 Flüchtlinge aus dem Minsker
Gebiet zu versorgen.
Mehr als 25 Prozent der Bevölkerung, Weißrussen, Polen und Juden, kam in den drei Jahren deutscher Besatzung
ums Leben, Hunderttausende wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt und die jüdische Gemeinde
Weißrusslands wurde fast vollständig ausgelöscht.
Zu Beginn des Krieges begrüßten viele Weißrussen den Einmarsch der Wehrmacht als Befreiung vom stalinistischen
Terror.
Wie auch in anderen von der Wehrmacht besetzten Staaten, wurden Schulen und Universitäten geschlossen. Die
Besatzer setzten die nationalsozialistische Ideologie von „Herren-“ und „Untermenschen“ durch, indem sie der
Bevölkerung der annektierten Länder, unter anderem, den Zugang zur Bildung verwehrten.
In der Folge stieg auch die Zahl derer, die sich Partisaneneinheiten anschlossen. Ende 1941 gab es beispielsweise in
Minsk mehr als 50 verschiedene Partisanengruppen mit mehr als 2.000 Kämpfern.
In den westlichen Gebieten Weißrusslands waren die Partisanen unpopulär, und viele Partisanen wurden sogar von
der örtlichen Bevölkerung an die Besatzer verraten.
1943 gab es in Weißrussland 375.000 Partisanen, davon waren 65 Prozent Weißrussen. Die weiteren 35 Prozent
setzten sich aus 45 verschiedene Ethnien, wie 4.000 Polen, 400 Tschechen und Slowaken, 300 Jugoslawen und
weitere, zusammen
Zur Bekämpfung der Partisanenbewegung gründeten die Deutschen spezielle Bandenbekämpfungstruppen, die
teilweise mit schwersten Waffen gegen die Partisanen kämpften. Gefangen genommene Partisanen (oder
Verdächtigte) wurden erschossen oder erhängt.
Dörfer, in denen Partisanen Unterkunft fanden, wurden zerstört. Wie auch in anderen besetzten Ländern Osteuropas
reichte hierfür ein Verdacht aus. 5.295 Ortschaften wurden zerstört und ein Teil der Bewohner getötet. In 628
wurden alle Bewohner umgebracht. [3]
1943 bis 1944 gelang der erstarkten Partisanenbewegung die Befreiung ganzer Gebiete. Die Deutschen, 1943/1944
auf dem Rückzug, hatten keine Möglichkeiten gegen die immer größere Zahl von Anschlägen und Angriffen der
Partisanen vorzugehen.[4]
276
Sowjetische Partisanen
Ukraine
An der Eroberung der Ukraine war der deutschen Führung sehr viel gelegen. Zu Anfang wurden auch hier
(insbesondere im Westen der Ukraine, der bis 1939 zu Polen gehörte) die Wehrmachtsangehörigen als Befreier vom
Stalinismus begrüßt, aber nach den ersten deutschen Maßnahmen und Repressalien änderte sich die Einstellung der
Bevölkerung.
Im Sommer 1941 flohen etwa 5,8 Millionen Ukrainer, Russen und Juden aus dem Land, oder wurden evakuiert.
Ähnlich wie auch in anderen eroberten Gebieten der Sowjetunion wurden auch hier Tausende zur Zwangsarbeit nach
Deutschland gebracht. Millionen sowjetischer Kriegsgefangener verhungerten in deutschen Gefangenenlagern.
Besonders litt die jüdische Bevölkerung der Ukraine, die mit 800.000 Opfern stark dezimiert wurde.
In der Folgezeit bildeten sich kommunistische, ukrainisch-nationalistische sowie anarchistische Partisanengruppen,
die gegen die Deutschen, aber zum Teil auch gegeneinander kämpften. Aber nicht nur die Wehrmacht, sondern auch
die ukrainische Zivilbevölkerung litt unter den Angriffen der Partisanengruppen.
Der Partisanenkrieg forderte in der Ukraine etwa 5,5 Millionen Opfer, von denen nur ein Teil Partisanen waren. Die
meisten Opfer waren polnische und ukrainische Zivilisten.
Bei der Belagerung von Charkiw 1941 bis 1942 verhungerten über 20.000 Bewohner der Stadt, Russen und
Ukrainer, da die Deutschen sie daran hinderten die Stadt zu verlassen oder sich Nahrung zu besorgen.
Am 15. August 1943 wurde das ukrainische Dorf Jadliwka bei Kiew, in denen etwa 800 Ukrainer lebten von den
Deutschen niedergebrannt, da in dem Dorf sowjetische Partisanen vermutet wurden, die tags zuvor in der Gegend
Anschläge auf deutsche Züge verübten. Etwa 200, meist männliche Bewohner jeden Alters, wurden in ihren Häusern
verbrannt oder auf dem örtlichen Marktplatz erschossen. Die übrigen, meist Frauen und Kinder, wurden Tage später
zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert.
Baltische Staaten
In den baltischen Staaten gab es wenig Partisanentätigkeit. Im Vergleich zu Weißrussland und der Ukraine ist die
Naturlandschaft im Baltikum, besonders in Lettland und Estland, für einen effektiven Partisanenkampf nicht
geeignet.
Russland
In Russland wurden große Verbände der roten Armee durch den
raschen Vorstoß der Wehrmacht überrollt und eingekesselt. Wegen des
Mangels an Munition und Lebensmitteln und allgemeinem Verlust der
Kampfmoral Angesichts der Überlegenheit der deutschen Truppen
gingen
viele
hunderttausend
Rotarmisten
in
deutsche
Kriegsgefangenschaft. Aus antisowjetisch eingestellten ehemaligen
Rotarmisten formte die SS auf Weisung Himmlers Ende 1944 die
Russischen Befreiungsarmee unter der Führung von Wlassow. Diese
sollte vor allem zum "Bandenkampf" eingesetzt werden.
Verhör eines sowjetischen Partisanen, Oblast
Nowgorod (Russland) 1942
Ein Teil der aufgeriebenen Truppen jedoch flüchtete sich die Wälder
und es bildeten sich ständig anwachsende und gut organisierte
Partisanenverbände die teilweise Nachschub und Instruktionen durch die Sowjetarmee erhielten.
Die deutsche Führung beabsichtigte das russische Volk zu unterwerfen bzw. zu vernichten. Der Generalplan Ost sah
die
Zerteilung
des
277
Sowjetische Partisanen
russischen Gebiets und seine wirtschaftliche Ausbeutung vor.
Die jüdische Bevölkerung wurde ermordet, in vielen Orten wurden
Schulen und Universitäten geschlossen, man ließ die Kriegsgefangenen
verhungern und viele Russen und Kriegsgefangene wurden zur
Zwangsarbeit und Internierung in KZ nach Deutschland deportiert.
Die Zusammenarbeit der Roten Armee mit den Partisanen verbesserte
sich ab 1944. Die Partisanen führten nun einen „Schienenkrieg“, in dem
sie Verbindungs- und Nachschublinien der deutschen Truppen
Antisowjetische russische Partisanenjäger 1942
angriffen und somit deren Operationen an der Front sabotierten. Bei
den Kämpfen an der Wolchow-Front vor Leningrad und Nowgorod
zerstörten sie an 60.000 Stellen die Schienen, sprengten 200 Brücken und brachten 133 Militärzüge zum Entgleisen.
Partisanenverbände, teilweise in Regimentsstärke, unternahmen Streifzüge im Hinterland der Ostfront und
überschritten in einigen Fällen die sowjetischen Grenzen. Von besonderer Bedeutung für die Rote Armee waren
nicht nur Sabotagekriegführung und bewaffnete Gefechte, sondern auch die Feindaufklärung. Partisanen
übermittelten Nachrichten über deutsche Truppenverschiebungen, über Stellungen, Flugzeuge, Depots und
Verkehrsknotenpunkte.[5]
Die besondere Taktik der Partisanen, der Kleinkrieg ohne feste Front, Überraschungsangriffe und sofortiger Rückzug
ins unwegsame Gelände, ließ sie aus diesem Kampf meist als Sieger hervorgehen, so dass teilweise sogar
geschlossene Gebiete durch die Aufständischen befreit werden konnten.
Wegen der Stärke der Partisaneneinheiten ging die Wehrmacht bald mit eigens aufgestellten
„Bandenbekämpfungstruppen“ und schwersten Waffen gegen sie vor. Ganze Dörfer wurden ausgelöscht und ihre
Bewohner getötet. Je brutaler die deutschen „Abwehrmaßnahmen“ wurden, desto stärker wurde der Hass und der
Wille zum Widerstand gegen die Deutschen und ihre Kollaborateure.[6]
Finnland und Karelien
Ungefähr 5.000 Partisanen kämpften in dieser Region, meistens 1.500 bis 2.300 Menschen. Eine Besonderheit war,
dass die Partisaneneinsätze nicht auf dem Gebiet des Feindes formiert wurden, sondern dass die Gruppen aus der
Sowjetunion geschickt wurden und hauptsächlich von der sowjetischen Seite der Frontlinie aus operierten.
Die einzige größere Operation endete mit einer Niederlage, als die Erste Partisanenbrigade Anfang August 1942 bei
dem See Seesjärvi vernichtet wurde. Die Partisanen verteilten die Propagandazeitungen „Wahrheit“ (in finnischer
Sprache) und „Lenins Flagge“ (in russischer Sprache). Einer der Führer der Partisanenbewegung in Finnland und
Karelien war Juri Andropow.
Im Ostkarelien griffen die Partisanen finnische militärische Versorgungs-und Infrastruktureinrichtungen an, aber in
Finnland (innerhalb der Grenze vom Jahre 1940) waren fast zwei Drittel der Angriffe gegen Zivilisten gerichtet[7] ,
200 Menschen wurden umgebracht und 50 verwundet, darunter Kinder und ältere Menschen.[8] [9] [10] Häufig
wurden alle Zivilisten von den Partisanen ermordet, um keine Zeugen der Grausamkeiten am Leben zu lassen. Ein
Beispiel dafür war der Partisanenangriff auf Lämsänkylä, Kuusamo, der am 18. Juli 1943 stattfand. Die Partisanen
griffen ein einsames Haus an und ermordeten alle sieben Zivilisten, einschließlich Kinder, eines 3 Jahre, das andere
ein halbes Jahr alt.[7]
278
Sowjetische Partisanen
279
Kontroverse
Deutsche Repressialien gegen Partisanen
Für die deutsche Führung war der Krieg gegen die Sowjetunion
grundsätzlich „ein anderer Krieg, ein Krieg der Weltanschauungen“
und die sowjetischen Soldaten galten als „Barbaren“ (Zitat Hitler).
Deshalb gab die deutsche Führung sowohl den Kugel-Erlass als auch
den Kommissarbefehl heraus, demzufolge gefangen genommene
Politische Kommissare der Roten Armee sofort erschossen werden
sollten.
Die deutsche Führung betrachtete die Partisanen als „Banditen“, die im
Fall einer Gefangennahme kein Recht auf Schutz oder Fürsorge hatten.
Soldaten der Waffen-SS bei der Gefangennahme
eines „Partisanen“
Als die Partisanen-Einheiten immer stärker wurden, gingen die
Deutschen mit eigens dafür aufgestellten „Bandenbekämpfungtruppen“ und schwersten Waffen gegen sie vor. Zum
Teil wurden auch Dörfer, in denen man Partisanen vermutete, abgebrannt und die Bevölkerung ausgerottet.[11]
Beziehung zur Ukrainischen Nationalen Widerstandsbewegung
Die sowjetischen Partisanen und die Ukrainische Nationale Widerstandsbewegung kämpften zumeist unabhängig
voneinander, teilweise sogar gegeneinander. Die zivilen Einwohner litten unter den nächtlichen Angriffen und den
Repressalien der ukrainischen Partisanen (z. B. Raubzüge, Vergewaltigungen, Erpressungen) genauso wie unter der
deutschen Herrschaft. Manche Leute gerieten „zwischen die Fronten“ und flohen aus Angst vor beiden
Kriegsparteien in die Wälder und versteckten sich dort.
Zum Teil kam es auch zu „Vergeltungsmaßnahmen“ der ukrainischen Partisanen an Dörfern, von denen vermutet
wurde, dass die Einwohner mit den Deutschen zusammenarbeiteten.[12]
Bekannte sowjetische Partisanen
• Alexej Fjodorowitsch Fjodorow (neben Saburow/Kowpak, der Kommandeur einer der größten
Partisaneneinheiten)
• Juri Wladimirowitsch Andropow - später Generalsekretär der KPdSU und Regierungschef der Sowjetunion
• Pjotr Braiko
• Alexander Schekalin
• Oleksij Fedorow
• Mehdi Hüseyinzadə Partisan aus Aserbaidschan, genannt „Michailo“
• Nikolai Karotamm
• Wera Choruschaja
• Wsewolod Klokow
• Wassili Kononow
• Soja Kosmodemjanskaja
• Wasili Korsch
• Sydir Artemowytsch Kowpak - der bekannteste ukrainische Partisan
• Nikolai Iwanowitsch Kusnezow
• Pjotr Mironowitsch Mascherow - später 1. Sekretär der KP der Sowjetrepublik Weißrussland
• Kirill Trofimowitsch Masurow
• Dmitri Nikolajewitsch Medwedew - Kommandeur einer NKWD-Spezialeinheit
• Marytė Melnikaitė
Sowjetische Partisanen
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Michail Naumow
Kiril Orlowski
Panteleimon Kondratjewitsch Ponomarenko - Chef des Stabes des Zentralkommandos der Partisanenverbände
Mikola Popudrenko
Sinaida Martynowna Portnowa
Semen Wassiljewitsch Rudnew
Alexander Nikolajewitsch Saburow
Vilis Samsons
Arturs Sprongis
Petro Petrowytsch Werschyhora
Konstantin Zaslonow
Simcha Zorin
Jitzchak Wittenberg
Literatur
Schwerpunkt auf der Partisanenbewegung
Kenneth D. Slepyan: The People's Avengers: Soviet Partisans, Stalinistic Society and the Politics of Resistance
1941-1944, Ann Arbor 1994
Kenneth D. Slepyan: The Soviet Partisan Movement and the Holocaust in: Holocaust and Genocide Studies 20, 2006
Alexander Hill: The War Behind the Eastern Front. Soviet Partisans in North-West Russia, 1941-1944 Cass Series
on the Soviet Study of War, 18, London 2005
Smilovitskii, Leonid: Antisemitism in the Soviet Partisan Movement, 1941-1944: The Case of Belorussia in:
Holocaust and Genocide Studies 20, 2006
John A. Armstrong (Hrsg.): Soviet Partisans in World War II, Madison 1964 (zeitbedingt ohne Zugang zu sowjetischen
Partisanendokumenten, trotzdem empfehlenswert) Leonid Grenkevich : The Soviet Partisan Movement, 1941-1945. Critical
Analysis of Historiography, 1999, ISBN 0-7146-4428-5
Bogdan Musial (Hrsg.): Sowjetische Partisanen in Weißrußland - Innenansichten aus dem Gebiet Baranovici
1941-1944, München 2004, ISBN 3-486-64588-9
Bernd Bonwetsch: Sowjetische Partisanen 1941 – 1944. in: Gerhard Schulz (Hrsg.): Partisanen und Volkskrieg. Zur
Revolutionierung des Krieges im 20. Jahrhundert, Göttingen 1985
Jack Kagan, Dov Cohen: Surviving the Holocaust With the Russian Jewish Partisans, 1998, ISBN 0-85303-336-6
Schwerpunkt auf der Partisanenbekämpfung der Wehrmacht
• Hans Umbreit: Das unbewältigte Problem. Der Partisanenkrieg im Rücken der Wehrmacht in: Jürgen Förster
(Hrsg.): Stalingrad. Ereignis – Wirkung – Symbol, München, Zürich 1993
• Jürgen Förster: Die Sicherung des Lebensraums in: Horst Boog, Jürgen Förster, Joachim Hoffmann, Ernst Klink,
Rolf-Dieter Müller, Gerd R. Ueberschär: Der Angriff auf die Sowjetunion. ( = Militärgeschichtliches
Forschungsamt (Hrsg.) Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 4). 2. Auflage. Deutsche
Verlags-Anstalt, Stuttgart 1987, ISBN 978-3-421-06098-3.
• Timm C Richter: "Herrenmensch" und "Bandit" Deutsche Kriegsführung und Besatzungspolitik als Kontext des
sowjetischen Partisanenkrieges (1941-44), Münster 1998, ISBN 3-8258-3680-0
• Ruth Bettina Birn: Zweierlei Wirklichkeit? Fallbeispiel zur Partisanenbekämpfung im Osten in: Bernd Wegner
(Hrsg.): Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler- Stalin- Pakt zum 'Unternehmen Barbarossa, München, Zürich
1991 ISBN 3-492-11346-X
280
Sowjetische Partisanen
Weblinks
• Der deutsche Genozid am weißrussischen Volk [13]
Referenzen
[1] Leonid D. Grenkevich, The Soviet Partisan Movement, 1941–1944: A Critical Historiographical Analysis, Frank Cass, London 1999, ISBN
978-0-7146-4874-3.
[2] Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz: Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938-1945); Heidelberg 1996; Bd.8,
S.190ff. ISBN 3-326-00411-7
[3] http:/ / www. khatyn. by/ de/ genocide/ expeditions/
[4] Johannes Leeb, Die Nürnberger Prozesse
[5] Europa unterm Hakenkreuz, a.a.O., S. 194
[6] Hefte zur politischen Bildung (Der Nationalsozialismus), 1991; Johannes Leeb, Der Nürnberger Prozess, 1995
[7] Eino Viheriävaara, (1982). Partisaanien jäljet 1941-1944, Oulun Kirjateollisuus Oy. ISBN 951-99396-6-0
[8] Veikko Erkkilä, (1999). Vaiettu sota, Arator Oy. ISBN 952-9619-18-9.
[9] Lauri Hannikainen, (1992). Implementing Humanitarian Law Applicable in Armed Conflicts: The Case of Finland, Martinuss Nijoff
Publishers, Dordrecht. ISBN 0-7923-1611-8.
[10] Tyyne Martikainen, (2002). Partisaanisodan siviiliuhrit, PS-Paino Värisuora Oy. ISBN 952-91-4327-3.
[11] Johannes Leeb, Der Nürnberger Prozess, 1995; Hefte zur politischen Bildung (Der Nationalsozialismus), 1991
[12] Hitlers Krieg im Osten
[13] http:/ / www. khatyn. by/ de/ genocide/
Jugoslawische Volksbefreiungsarmee
Die Jugoslawische Volksbefreiungsarmee (JVBA) (serbisch/kroatisch: Narodnooslobodilačka vojska, NOV) war
eine kommunistische Partisanenorganisation in Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs. Sie kämpften von
1941 bis 1945 gegen die faschistischen Besatzungsmächte Deutschland und Italien, die kroatischen faschistischen
Ustascha, und kroatische Heimwehr (Domobrani), slowenische Heimwehr (Domobranzen), gegen die serbischen
nationalistisch-monarchistischen Tschetniks und später auch gegen die italienischen (Foibe-Massaker), deutschen
(AVNOJ-Beschlüsse) und ungarischen Minderheiten (Délvidéki vérengzések).
Gründung
Am 22. Juni 1941 wurde im Wald Brezovica bei Sisak in Kroatien die erste Partisaneneinheit gegründet. Dies war
die erste antifaschistische Militäreinheit in Kroatien und bestand aus Mitgliedern verschiedener Nationalitäten. Heute
ist dieser Tag in Kroatien ein Feiertag (Tag des antifaschistischen Kampfes).
Die jugoslawischen Partisanen waren eine kommunistisch dominierte Volksbewegung, bestanden allerdings aus
einem Bündnis verschiedener Gruppen und Parteien. Die Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ) übernahm von
Anfang an eine organisatorische Führungsrolle, nicht zuletzt wegen ihrer großen Erfahrung als
Untergrundbewegung. Die KPJ hatte sich schon 1934 für eine föderative Staatsordnung mit der Gleichberechtigung
aller Völker eingesetzt, was es wohl den Mitgliedern der verschiedenen Nationalitäten einfacher machte, sich unter
ihrer Führung zu vereinigen.
281
Jugoslawische Volksbefreiungsarmee
Kampf gegen die Besatzer
Unter der Führung von Josip Broz, genannt Tito, erkämpften sich die Partisanen im Schatten der alliierten
Luftangriffe die Befreiung vom Faschismus und die Wiederherstellung Jugoslawiens in neuer Form als
sozialistischer Bundesstaat (Föderative Volksrepublik Jugoslawien).
Die Partisanen waren anfangs schlecht und meist nur mit Flinten ausgerüstet, später änderte sich dies durch
Beutewaffen, Überläufer und die Unterstützung der Alliierten, die Ausrüstung und Waffen abwarfen. Während die
Partisanen 1941 nur kleine Gebiete kontrollierten, wurden diese Gebiete bis 1943 immer größer. Die Kampftaktiken
der Partisanen waren der Zermürbungskrieg und die Sabotage beim Feind. Deutsche Truppen schlugen mit großer
Brutalität zurück, konnten die Partisanen aber kaum abhalten, immer mehr Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen.
Beziehungen mit den Alliierten
Die Westalliierten sahen zunächst noch die jugoslawische königliche Exilregierung in London und die königstreuen
Tschetniks als rechtmäßige Vertreter des besetzten Jugoslawien an. Erst als die militärischen Erfolge der Partisanen
und die Kollaboration der Tschetniks mit den Besatzern bekannt wurden, führte dies zur umfassenden Anerkennung
und Unterstützung durch die Alliierten. Zwischen 1942 und 1943 schwenkte auch Großbritannien schrittweise auf
eine Unterstützung der Tito-Partisanen um, die es inzwischen als die stärkere Widerstandsgruppe ansah.
Im Oktober 1944 einigten sich Stalin und Churchill auf einen jeweils 50prozentigen Einfluss in Jugoslawien. Tito
aber hatte bereits einen Monat zuvor mit Stalin die Modalitäten des Einmarsches der Roten Armee besprochen. Am
20. Oktober 1944 wurde Belgrad durch jugoslawische Truppen überraschend eingenommen, nachdem Tito zuvor
durch eine List die sowjetischen Verbündeten von einem Einmarsch in die Hauptstadt abgehalten hatte. In Kroatien
und Slowenien dauerten die Kämpfe gegen die slowenische und kroatische Heimwehr des Ustascha-Regimes noch
bis zum Frühling 1945 an.
Das Bewusstsein, das Land selbst befreit zu haben, trug wohl auch zum Bruch zwischen Tito und Stalin 1948 bei.
Neugründung Jugoslawiens
Schon während des Krieges kontrollierten die Partisanen große Teile Jugoslawiens. 1943 wurden auf der zweiten
Tagung des Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung Jugoslawiens (Antifašističko vijeće narodnog
oslobođenja Jugoslavije, kurz AVNOJ) in Jajce (Bosnien-Herzegowina) die Grundlagen der späteren Föderativen
Volksrepublik Jugoslawien beschlossen. Die Partisanen befreiten Jugoslawien weitgehend ohne sowjetische Hilfe,
allerdings mit großen Verlusten. Deutsche Vergeltungsmaßnahmen an der Zivilbevölkerung, der Genozid der
Ustascha und die Kampfhandlungen im Allgemeinen forderten schätzungsweise mindestens 500.000 Opfer.
Unter Vermittlung von Großbritannien wurde 1944 eine neue jugoslawische Regierung als Koalitionsregierung aus
Vertretern der Partisanen und der Exilregierung gebildet. Da die Kommunisten unter der Führung von Tito mit dem
Oberbefehl über die Volksbefreiungsarmee die tatsächliche Macht ausübten, konnten sie auch andere
Schlüsselpositionen besetzten und so die Oberhand in der neuen Regierung gewinnen. Mit Errichtung regulärer
Streitkräfte ging die Volksbefreiungsarmee in der Jugoslawischen Volksarmee (Jugoslovenska narodna armija,
JNA) auf.
Menschenrechtsverletzungen und Kriegsgräuel
Die Partisanen und ihre Rolle wurden im Nachkriegs-Jugoslawien mythologisiert und stellten einen wichtigen Teil
des Selbstverständnisses des sozialistischen Jugoslawien dar. Die Vertreibung, Enteignung, Internierung und
Ermordung von Gottscheern und Donauschwaben, ungarischen und italienischen Minderheiten (Foibe-Massaker)
und die von der Volksbefreiungsarmee nach Kriegsende begangenen Verbrechen wie die Hinrichtungen von
Kroaten, Slowenen und Serben, die als Massaker von Bleiburg bekannt wurden, wurden meist verschwiegen. Orte
282
Jugoslawische Volksbefreiungsarmee
mit Massengräbern wie im Gottscheer Hornwald (Kočevski Rog), in Tezno bei Maribor oder der Barbara-Stollen von
Huda Jama waren als militärische Sperrgebiete gegen die Öffentlichkeit abgeschirmt.
Siehe auch
• Osvobodilna Fronta (Slowenien)
ELAS
ELAS ist die Kurzbezeichnung der Griechischen
Volksbefreiungsarmee (Ellinikós / Ethnikós Laikós
Apelevtherotikós Stratós, griechisch Ελληνικός /
Εθνικός
Λαϊκός
Απελευθερωτικός
Στρατός
[ΕΛΑΣ]), des militärischen Arms der „Nationalen
Befreiungsfront“ EAM. Die ELAS führte während des
Zweiten Weltkriegs unter dem Kommando des
kommunistischen
Widerstandskämpfers
Áris
Velouchiótis einen erbitterten Partisanenkampf gegen
die deutschen, italienischen und bulgarischen
Besatzungstruppen
und
deren
faschistische
Kollaborateure.
Im Dezember 1941 beschloss das Zentralkomitee der
am 27. September 1941 gebildeten „Nationalen
Befreiungsfront“ EAM (Ethnikó Apelevtherotikó
Métopo, griechisch Εθνικό Απελευθερωτικό Μέτωπο
[ΕΑΜ])
die
Gründung
der
Griechischen
Volksbefreiungsarmee. Mitte 1942 nahmen die
Partisanen der ELAS den bewaffneten Kampf auf. Die
ELAS entwickelte sich danach zur stärksten
Denkmal für die Nationale Befreiungsfront (EAM), die Nationale
militärischen
Macht
im
griechischen
Volksbefreiungsarmee
(ELAS) und die Jugendorganisation EPON in
Widerstandskampf. Am 5. Juli 1943 wurde die ELAS
Ano Liosa, Athen
vom britischen Hauptquartier Nahost als verbündete
Armee anerkannt. Sie fügte den Besatzungstruppen
erhebliche Verluste an Menschen und Material zu. Zu diesem Zeitpunkt hielt es die deutsche Führung noch für
möglich, die Befreiungsbewegung militärisch nach Zuführung der vorgesehenen deutschen Truppen zu zerschlagen.
Insgesamt acht Divisionen sowie Spezialeinheiten im Umfang von acht Bataillonen wurden 1943 nach Griechenland
verlegt. Am 1. Mai 1944 hatte sich die Zahl der deutschen Soldaten gegenüber 1942 zwar mehr als verdoppelt, aber
Generaloberst Löhr musste trotzdem erklären, dass es nie gelingen werde, die ELAS restlos zu vernichten und den
Raum zu befrieden. Durch Terror sollte sie aber so geschwächt werden, dass im Fall einer Invasion die
Hauptverkehrswege eine gewisse Zeit lang offen gehalten werden konnten. Im Juli beherrschten die deutschen
Truppen nach eigener Einschätzung kein größeres zusammenhängendes Gebiet mehr. Am 26. August 1944 befahl
Hitler die Räumung Süd- und Mittelgriechenlands.
Die ELAS war aufgrund ihres Vorgehens auch gegen Landsleute nicht unumstritten und wurde in der Nachkriegszeit
von der regierenden Rechten als kommunistischer Terrorverband diffamiert. In Wirklichkeit enthielten sowohl EAM
als auch ELAS das breite Spektrum der linken Bewegung, das von linksdemokratisch (z. B. Stefanos Sarafis) bis hin
283
ELAS
zu stalinistisch (z. B. Nikolaos Zachariadis) reichte und um Aris Velouchiotis, Georgios Siantos und Andreas Tzimas
einen sehr starken nichtstalinistischen kommunistischen Flügel besaß. Als die ehemals linksliberale und
sozialistische Widerstandsbewegung EDES von Komninos Pyromaglou und General Nikolaos Plastiras unter der
Führung des Opportunisten Napoleon Zervas mehr und mehr zu einem Sammelbecken royalistischer und
faschistischer Kräfte wurde, die auch vor Kollaboration mit den Deutschen nicht zurückschreckte, kam es im Winter
des Jahres 1943 zum Konflikt mit der ELAS.
Bis September 1944 hatten sich der ELAS ca. 120.000 Kämpfer angeschlossen. Zur ELAS liefen auch Angehörige
der in Griechenland eingesetzten deutschen, u. a. aus ehemaligen politischen Häftlingen gebildeten Strafdivision 999
wie Wolfgang Abendroth, Ludwig Gehm und Kurt Lohberger über. Auch Falk Harnack, zuvor Mitglied des
bekannten Widerstandskreises Weiße Rose, kämpfte ab Winter 1943 in den Reihen der ELAS. Die italienischen
Besatzungstruppen hegten zum Teil tiefe Sympathien mit dem griechischen Partisanenkampf und liefen vielerorts als
geschlossene Kampfverbände zur ELAS über, als Italien sich vom Achsenbündnis löste.
Nach der Kapitulation der italienischen und bulgarischen Besatzungstruppen und dem Rückzug der deutschen
Wehrmacht im Oktober 1944 wandten sich EAM und ELAS gegen die von Großbritannien betriebene
Wiederherstellung der Monarchie unter Georg II., vor allem aber gegen die Restauration des von General Metaxás
hinterlassenen Monarchofaschismus. Aufgrund des Moskauer Geheimabkommens zwischen den Regierungen
Churchills und Stalins war Griechenland zur britischen Einfluss-Sphäre erklärt worden. Die konservative britische
Regierung fürchtete die Errichtung einer griechischen Volksrepublik und verfolgte daher einen unversöhnlichen
Konfrontationskurs gegen EAM und ELAS, um ihren Machtanspruch in Griechenland durchzusetzen. Das führte
Ende 1944 zu bewaffneten Auseinandersetzungen, die in der sogenannten Schlacht um Athen ausgetragen wurden.
Nach militärischer Intervention Großbritanniens am 5. Dezember 1944 sollte die ELAS entsprechend dem
Abkommen von Varkiza vom 12. Februar 1945 entwaffnet und demobilisiert werden. Dies geschah nicht vollständig
und die Demokratische Armee Griechenlands (DSE) setzte als rein kommunistischer Nachfolger der ELAS den
Bürgerkrieg gegen die Regierung noch bis zu ihrer endgültigen Niederlage 1949 fort.
Während des von 1946 bis 1949 ausgetragenen Griechischen Bürgerkrieges mussten viele der demobilisierten
ELAS-Kommandeure mit ihren Familien das Land verlassen, um den einsetzenden Verfolgungen des weißen Terrors
zu entgehen, dem dennoch zahlreiche ELAS-Angehörige mit Billigung der Westalliierten zum Opfer fielen. Sie
fanden Aufnahme in Bulgarien und Rumänien. Viele von ihnen zogen nach 1949 in die neu gegründete DDR, wo sie
eine neue Heimat fanden.
Bis heute bildet der Widerstandskampf der ELAS einen Identifikationsfaktor der Kommunistischen Partei
Griechenlands KKE, der es gelang, sich auch weiterhin als Vorkämpfer für die Anerkennung der Leistungen der
ehemaligen Partisanen zu profilieren.
Weblinks
• Partisanenkrieg in Griechenland [1]
• Widerstand und Revolution in Griechenland [2]
Literatur
• Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz, Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in
Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941–1945); Hüthig Verlagsgemeinschaft, Band 6,
ISBN 3-8226-1892-6
284
ELAS
Referenzen
[1] http:/ / www. dhm. de/ lemo/ html/ wk2/ kriegsverlauf/ partisanengrie/
[2] http:/ / www. agmarxismus. net/ vergrnr/ m04_2_griechenl. htm
285
286
Die Gegenseite - Deutsche Spionage
Abwehr (Nachrichtendienst)
Als Abwehr wurden ab 1920 bis 1944 alle entsprechenden
Dienststellen der Reichswehr und später der Wehrmacht bezeichnet,
die mit Spionageabwehr, Spionage und Sabotage beauftragt waren.
Gründung
Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg wurde mit dem Reichsheer
auch der deutsche militärische Nachrichtendienst Abteilung III b
aufgelöst. In den Jahren 1919 und 1920 gab es keinen militärischen
deutschen Geheimdienst.
Soldaten des Geheimen Funkmeldedienstes des
OKW beim Ver- oder Entschlüsseln von
Nachrichten mithilfe der Schlüsselmaschine
ENIGMA
Im Frühjahr 1920 begannen einige ehemalige Mitarbeiter unter Major
Friedrich Gempp, dem ehemaligen Stellvertreter Walter Nicolais, im
Rahmen der „vorläufigen Reichswehr“, eine Abwehrdienststelle
einzurichten, welche als Abteilung Abwehr von Oberstleutnant Gempp aus den Resten der Abteilung III b gebildet
wurde. Die „Abteilung Abwehr“ war ein Heeres-Nachrichtendienst. Als offizielles Gründungsdatum der Abwehr
wird der 1. Januar 1921 genannt, der Tag der Bildung des Reichswehrministeriums. Organisatorisch war die Abwehr
eine Gruppe im Reichswehrministerium.
Geschichte
Zum 1. April 1928 ordnete Reichswehrminister Groener auf Vorschlag von Schleichers die Zusammenlegung der
Gruppe Abwehr mit dem Marinegeheimdienst an und erhöhte die neue Dienststelle zur Abteilung. Gleichzeitig
verbot er jeder anderen Dienststelle jede konkurrierende Abwehrtätigkeit. Die Abwehr der 1920er Jahre war zu
klein, um ihre Aufgaben erledigen zu können. Sie kann erst unter Conrad Patzig als funktionsfähiger Geheimdienst
angesehen werden.
Mit der Wiederaufrüstung und Kriegsvorbereitung unter Adolf Hitler
erhielt die Abwehr deutlich mehr Geld und Personal. Bis 1933 hatte
die Abwehr nur ca. 150 Mitarbeiter. .[1] Bis Juni 1935 waren es dann
bereits 956 Mitarbeiter. In den ersten Jahren des NS-Staates nahm die
Abwehr auch Aufgaben wahr, die eigentlich der Gestapo zustanden, da
diese erst im Aufbau begriffen war. Nach der Ablösung Patzigs, der
mit den neuen Machthabern im Streit lag, handelte der neue Chef (ab
2. Januar 1935), Wilhelm Canaris, mit Reinhard Heydrich die
sogenannten „zehn Gebote“ aus, in denen die Befugnisse der einzelnen
Dienste abgegrenzt wurden. Im wesentlichen erhielt die Gestapo den
zivilen, die Abwehr den militärischen Bereich als Aufgabengebiete.
Soldat des Geheimen Funkmeldedienstes des
OKW Amt Ausland/Abwehr
Abwehr (Nachrichtendienst)
1938 wurde die Abwehrabteilung zur Amtsgruppe Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht und 1941 zum Amt
Ausland/Abwehr im OKW befördert. Am 11. Februar 1944 wurde Admiral Canaris von Adolf Hitler seines Amtes
enthoben. Die Abwehr wurde teilweise als Amt Mil dem Reichssicherheitshauptamt unterstellt.
Gliederung vor 1928
• Gruppe Abwehr der Abteilung T3
• Erkundung
• Chiffrier- und Horchdienst
• Spionageabwehr
Organisationsaufbau
• Abteilung Z: Personal- und Finanzverwaltung
•
•
•
•
Gruppe ZF: Finanzen
Gruppe ZR: Recht
Gruppe ZKV: Zentralkartei der V-Leute
Gruppe ZO: Offiziere
• Gruppe Z Archiv
• Gruppe ZK: Zentralkartei
• Gruppe Z Reg: Registratur, Materialverwaltung
• Gruppe Z B: Außenpolitische Berichterstattung
• Abteilung Ausland (Ausl.)
• Gruppe I: Außen- und Wehrpolitik; Militärpolitische Unterrichtung Chefs OKW.
• Gruppe II: Beziehungen zu fremden Wehrmächten; Allgemeine Registratur; Protokolle der Wehrmacht.
• Gruppe III: Fremde Wehrmächte; Meldesammelstelle des OKW; Militärische Unterrichtung Chef Amt
Ausl/Abwehr und V. O. bei W.F.St.
• Gruppe IV: Etappenorganisation der Kriegsmarine.
• Gruppe V: Auslandspresse.
• Gruppe VI: Militärische Untersuchungsstelle für Kriegsvölkerrecht.
• Gruppe VII: Kolonialfragen.
• Gruppe VIII: Wehrauswertung (u.a.Auswertung von Beuteakten).
• Abteilung I (Abw.I): Geheimer Meldedienst (Auslandsspionage/Nachrichtenbeschaffung)
• Chef-Gruppe
• Gruppe I H: Geheimer Meldedienst Heer.
• Gruppe I M: Geheimer Meldedienst Marine.
• Gruppe I L: Geheimer Meldedienst Luft.
• Referat I Wi: Geheimer Meldedienst Wirtschaft.
• Gruppe I G: Technische Abwehrmittel.
• Gruppe I J.
• Gruppe I HT.
• Gruppe I TLW.
• Referat I P: Presseauswertung.
• Referat I i: Funknetz - Abw. Funkstelle.
• Abteilung II (Abw.II): Sabotage und Sonderaufgaben
• Gruppe II A: Chefbüro
• Gruppe II West
287
Abwehr (Nachrichtendienst)
• Gruppe II Ost
• Gruppe II Südost
• Gruppe II Übersee
• Gruppe II Technik/Laboratorium
• Abteilung III (Abw.III): Spionageabwehr und Gegenspionage
• Chef-Gruppe III A (Verwaltung und Registratur)
• Gruppe III W. (Abwehr in der Wehrmacht)
• Untergruppe III H (Heer)
• Untergruppe III M (Marine)
• Untergruppe III L (Luft)
• Gruppe III C. (Abwehr Inland)
•
•
•
•
• Untergruppe III C 1
• Untergruppe III C 2
Gruppe III Wi. (Abwehr Wirtschaft)
Gruppe III D. (Sonderdienst)
Gruppe III F. (Gegenspionage/Abwehr Ausland)
Gruppe III G. (Gutachten)
• Gruppe III N.
• Gruppe III Kgf.
• Gruppe III Org.
• Gruppe III S. (Sabotageabwehr)
• Gruppe III Z. (Zentralarchiv)
• Abwehrstelle Ostland
• Abwehrnebenstelle Reval (heute Tallin)
• Abwehrkommando 166 M
• „Oran“
• Referat Luft
• Referat Marne
• Abwehrstelle West
Leiter der Abwehr
•
•
•
•
•
•
•
•
1920 bis 1927 Oberstleutnant Friedrich Gempp
1927 bis 1929 Oberstleutnant Günter Schwantes
1930 bis Mitte 1932 Oberstleutnant Ferdinand von Bredow
6. Juni 1932 bis 2. Januar 1935 Fregattenkapitän/Kapitän zur See Conrad Patzig
2. Januar bis 25. April 1935 Kapitän zur See Wilhelm Canaris (mit der Führung beauftragt)
26. April 1935 bis 11. Februar 1944 Kapitän zur See/Konteradmiral/Vizeadmiral/Admiral Wilhelm Canaris
Februar 1944 bis 22. Juli 1944 Oberst Georg Hansen
Juli 1944 bis Ende April 1945 SS-Brigadeführer Walter Schellenberg (als Chef des Amtes Mil im RSHA)
Chef der Abteilung Ausland im Amt Ausland/Abwehr war von 1939 bis 1945 Vizeadmiral Leopold Bürckner.
288
Abwehr (Nachrichtendienst)
Ausführungsorgane
Alleinige Ausführungsorgane der Abwehr waren bis 1938 die Abwehrstellen (Ast’en) mit den Abwehrnebenstellen
(Anst’en) und den Außenstellen. Die Organisation der Abwehrstellen folgte dem Beispiel der Zentrale. So
berichteten beispielsweise die Gruppen 1 einer Ast an die Abteilung 1 der Zentrale usw.
Abwehrstellen waren ausschließlich im Inland tätig. Jeder Wehrkreis erhielt eine Ast, die die Verantwortung für die
Spionageabwehr und die Spionage im anliegenden Ausland trug.
Ohne Stützpunkte im Ausland war die Abwehr jedoch nicht in der Lage, ihre Aufgaben zu lösen. So wurde kurz vor
Kriegsbeginn mit dem Aufbau der sogenannten Kriegsorganisation (KO) begonnen, personell schwach besetzten
Dienststellen im neutralen europäischen und außereuropäischen Ausland.
Als weitere wichtige Ausführungsorgane kamen bei Kriegsbeginn die Abwehrkommandos und Abwehrtrupps hinzu.
Sie erhielten später die Bezeichnung Frontaufklärungskommandos und –Trupps. Abwehrkommandos folgten der
kämpfenden Truppe und sicherten Dokumente, verhafteten gegnerische Agenten, verhörten Kriegsgefangene und
bauten Spionagenetze auf. Auch die Geheime Feldpolizei muss in den Einflussbereich der Abwehr gezählt werden.
Einsätze
In Polen gelang es 1939 Abwehragenten, Teile des oberschlesischen Industriegebietes vor dem Eintreffen regulärer
deutscher Einheiten zu besetzen, was eine wirkungsvolle Zerstörung der Anlagen durch polnische Truppen
verhinderte, so dass sie nahezu intakt den deutschen Truppen in die Hände fielen.[2]
Im besetzten Frankreich konnte die Abwehr in den 1940er Jahren alle wichtigen Résistance-Gruppen unterwandern.
Mit Hilfe der Funkabwehr konnten Zehntausende von französischen Agenten und Widerstandskämpfern verhaftet
werden. In der Operation „Englandspiel“ gelang es ihr, ab 1942 für 1,5 Jahre ein SOE-Agentennetz in Holland zu
kontrollieren. Auffallend ist hingegen das beinahe vollständige Versagen der Abwehr in der Spionage gegen England
und die USA. In schlecht geplanten Unternehmungen wurden über England Hauptleute und Majore als Spione mit
dem Fallschirm abgesetzt, die dann in der Regel innerhalb von wenigen Stunden oder Tagen von den englischen
Behörden gefasst und erschossen wurden. Ab dem Jahr 1942 kam die sowieso schon geringe Aufklärung in den USA
(siehe: Paul Borchardt) vollständig zum Erliegen.
Möglich ist, dass – wie der englische Historiker Phillip Knightley andeutete – Hans Oster und seine Helfer jede
offensive Spionagetätigkeit sabotierten und lediglich die Defensivarbeit professionell durchführten. Allerdings war
er nur einer von drei Abteilungsleitern der Abwehr. Die Erfolge der britischen Dienste SIS und der SOE, derer sich
ihre Angehörigen nach dem Krieg in Hunderten von Büchern rühmten, müssten unter diesem Gesichtspunkt jedoch
neu bewertet werden.
Ebenfalls wenig erfolgreich war die Aufklärungsarbeit über die Sowjetunion. Obwohl Hitler schon wenige Tage
nach seinem Amtsantritt der Wehrmacht seine Absicht, gegen dieses Land Krieg zu führen, bekannt gegeben hatte,
wusste man in Deutschland zu Kriegsbeginn nur sehr wenig über die tatsächliche Stärke der Sowjetunion. Selbst
deutliche Hinweise auf die Existenz des T-34 waren ignoriert worden (eine russische Delegation, die Deutschland
besuchte, hatte hartnäckig darum ersucht, ihr doch auch den großen Panzer zu zeigen – sie wollten nicht glauben,
dass dies der Panzerkampfwagen IV sein sollte).
289
Abwehr (Nachrichtendienst)
Literatur
• Arbeitsgemeinschaft ehemaliger Abwehrangehöriger (AGEA): Die Nachhut - Informationsorgan für Angehörige
der ehemaligen Militärischen Abwehr 32 Hefte (1967-1975)
• Karl Heinz Abshagen: Canaris, Patriot und Weltbürger. Stuttgart 1954
• Karl Glaubauf, Stefanie Lahousen-Vivremont: Generalmajor Erwin Lahousen-Vivremont. Ein Linzer
Abwehroffizier im militärischen Widerstand, LIT Verlag: Münster 2005, ISBN 3-8258-7259-9.
• Heinz Höhne: Canaris. Patriot im Zwielicht. München (C. Bertelsmann) 1976 (ISBN 3570016080)
• Karl Bartz: Die Tragödie der deutschen Abwehr. Verrat oder Verantwortung? Pilgram Verlag: Salzburg 1955
• Julius Mader: Hitlers Spionagegenerale sagen aus. Berlin 1970
• Norbert Müller (Hg.): Das Amt Ausland-Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht. Eine Dokumentation.
(Materialien aus dem Bundesarchiv, Heft 16) Bundesarchiv, Koblenz 2007, ISBN 978-3-86509-767-5.
• Oskar Reile: Der deutsche Geheimdienst im Zweiten Weltkrieg. Augsburg, München 1990
• Oscar Reile: Geheime Westfront. Die Abwehr 1935-1945. Verlag Welsermühl: München, Wels 1962
• Hans Schafranek: Unternehmen „Nordpol“. Das „Englandspiel“ der deutschen militärischen Abwehr in den
Jahren 1942–1944. In: Hans Schafranek / Johannes Tuchel (Hrsg.), Krieg im Äther. Widerstand und Spionage im
Zweiten Weltkrieg. Picus-Verlag: Wien 2004
Weblinks
• „Die Brandenburger“ [3]
• „Wilhelm Canaris, A Photo Chronology“ (English) [4]
• German Espionage and Sabotage Against the United States in World War II [5], Department of the Navy – Naval
Historical Center
Referenzen
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
Heinz Höhne: Canaris. Patriot im Zwielicht. Seite 188-190
Maier, Rohde Das Deutsche Reich und der zweite Weltkrieg Band 2, DVA-Stuttgart Seite 116
http:/ / www. bundesarchiv. de/ aktuelles/ aus_dem_archiv/ galerie/ 00131/ index. html?index=0& id=4& nr=2
http:/ / canaris. fotopic. net
http:/ / www. history. navy. mil/ faqs/ faq114-1. htm
290
Brandenburg (Spezialeinheit)
Brandenburg (Spezialeinheit)
„Brandenburger“ war die Bezeichnung für Angehörige einer Spezialeinheit des Amtes Ausland/Abwehr der
Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges, zu deren Hauptaufgabe Operationen hinter den feindlichen Linien
gehörten. Diese hatten die überraschende Einnahme operativ wichtiger Angriffsziele, Sabotage oder die Kooperation
mit verbündeten politischen Gruppierungen zum Ziel. Häufig wurden dabei Einsätze in Halbtarnung (übergeworfene
Feinduniform) oder völkerrechtswidrig in Volltarnung (gesamte Ausrüstung und Uniform der Feindkräfte)
durchgeführt. Die Angehörigen dieser Division kamen zumeist aus der Gebirgstruppe oder traten als
Auslandsdeutsche ihren Wehrdienst in diesem Verband an. Aus diesem Grund hatte die Division einen hohen Anteil
an Fremdsprachen kundigen Deutschen, die darüber hinaus teilweise noch mit den Lebensgewohnheiten im
Einsatzraum vertraut waren. Im eigentlichen Sinn wurde die Division bis kurz vor Kriegsende nie geschlossen
eingesetzt, sondern in einzelnen Kommandos den Heeresgruppen unterstellt. Zum Einsatzbereich zählten sowohl das
unmittelbare Frontgebiet auf allen Kriegsschauplätzen, als auch das südliche Afrika, Afghanistan und der Nahe
Osten sowie der Kaukasus. Im späteren Kriegsverlauf wurden Teile der Spezialeinheit auch im Kampf gegen
Partisanen in Jugoslawien eingesetzt, bevor die Division in den letzten Kriegsmonaten mit Masse zu einer regulären
Panzergrenadierdivision umgegliedert wurde.
Truppenerkennungszeichen Sonderverband
„Brandenburg“ (1942/43)
Aufbau und Gliederung
291
Brandenburg (Spezialeinheit)
292
Unterstellungsverhältnis[1]
Zeit
Kommandobehörde
10. Okt. 1939 - 1. Apr. 1943
OKW / Amt Ausland/Abwehr
1. Apr. 1943 - 15. Sept. 1944 OKW / Wehrmachtführungsstab
15. Sept. 1944 - Febr. 1945
OKH / Generalstab des Heeres
Febr. 1945 - 30. Apr. 1945
Panzerkorps „Großdeutschland“
30. Apr. 1945 - 10. Mai 1945 LIX. Armeekorps
Noch vor Beginn des Krieges gegen Polen 1939 stellte die Abwehrabteilung II (und die Abwehrgruppen der
Wehrkreise VIII und XVII), also der deutsche Militärgeheimdienst, mehrere „K-Trupps“ (K = Kampf) auf, die aus
polnisch sprechenden Schlesiern und Volksdeutschen bestanden, und deren Aufgabe es war, wichtige
Schlüsselpositionen zu besetzen und bis zum Eintreffen regulärer Wehrmachtsverbände zu halten. So besetzte z. B.
der 500 Mann starke „Kampfverband Ebbinghaus“ Industrieanlagen in Ostoberschlesien. Fast alle dieser Aktionen
wurden mit Erfolg durchgeführt. Bekanntheit erlangte jedoch später das Unternehmen des „K-Trupp Herzner“,
welcher am 26. August, also fünf Tage vor Kriegsausbruch, den operativ wichtigen Tunnel am Jablunka-Pass
einnahm und mehrere Stunden besetzt hielt, weil er nicht von der Verschiebung des Angriffstermins benachrichtigt
werden konnte.[2]
Baulehrbataillons z.b.V. 800 (Frühjahr 1940)
Truppenteil
Standort
Sprachraum
Bataillons-Stab Brandenburg
1. Kompanie
Baden bei
Wien
russisch-baltisch
2. Kompanie
Brandenburg
englisch-nordafrikanisch
3. Kompanie
Münstereifel
tschechisch-jugoslawisch
4. Kompanie
Niederrhein
u.a. polnisch
Die Angehörigen der „K-Trupps“ im Polenfeldzug waren zum überwiegenden Teil Zivilisten, die von der Abwehr
extra für diese spezielle Verwendung ausgebildet wurden. Die Erfahrungen aus diesen Einsätzen gaben dann jedoch
Anlass dazu, eine reguläre Truppe für Kommandounternehmen aufzustellen. So entstand am 15. Oktober 1939 auf
dem Truppenübungsplatz Bruck an der Leitha unter der Tarnbezeichnung Baulehrkompanie (D.K.) z. b. V. (D.K. =
„Deutsche Kompanie“) die erste reguläre deutsche Kommandoeinheit, der bereits am 25. Oktober die
Baulehrkompanie z. b. V. 800 in Brandenburg an der Havel folgte. Nachdem in zwei verschiedenen Standorten am 1.
und 23. November 1939 zwei weitere Kompanien entstanden waren, wurden sie alle am 10. Januar 1940 im
Baulehrbataillon z. b. V. 800 zusammengefasst. Dies war allerdings nur eine rein administrative Maßnahme, da die
Einheiten auch weiterhin in verschiedenen Garnisonen untergebracht waren (siehe: Tabelle rechts unten).[3] Die
Organisation und Koordination aller Teileinheiten erfolgte durch den Stab des Bataillons, welcher ebenso wie die 2.
Kompanie in Brandenburg an der Havel lag, weswegen der Verband innerhalb der deutschen Streitkräfte bald nur
noch kurz als „Brandenburger“ bezeichnet wurde. Am 1. Juni 1940 erreichte die Größe des Verbandes einen Umfang,
der eine Umbenennung in Lehrregiment Brandenburg z. b. V. 800 sinnvoll machte. Nun erst, nach zahlreichen
Einsätzen, wurde die Bezeichnung „Brandenburger“ auch zum Synonym für deutsche Kommandoeinheiten.
Als dann im weiteren Kriegsverlauf fast ganz Europa und Teile Afrikas zum Kriegsschauplatz wurden, stiegen auch
die Anforderungen an die Kommandoverbände, so dass es für sie nötig wurde zahlreiche neue Spezialeinheiten, wie
z. B. eine Fallschirmspringerkompanie, aufzustellen.[4] Am 20. November 1942 erhielt der stark angewachsene
Verband deshalb die Bezeichnung Sonderverband Brandenburg. Diese administrative Einheit umfasste fünf
Brandenburg (Spezialeinheit)
Verbände in Regimentsstärke (drei Bataillone), eine Küstenjäger-Abteilung sowie eine Nachrichtenabteilung.[5]
Bereits am 1. April 1943 wurde der Sonderverband wiederum umbenannt und erhielt diesmal die Bezeichnung
Division Brandenburg, was allerdings keinen wesentlichen Einfluss auf die Gliederung hatte.[6]
Personelle Zusammensetzung
Die ersten Angehörigen der „K-Trupps“ waren
Volksdeutsche. Sie meldeten sich freiwillig oder wurden
wegen ihrer Sprachfertigkeiten gezielt angeworben. In der
Regel hatten diese Männer überhaupt nicht oder
Ärmelband der Division „Brandenburg“, getragen ab 1944
zumindest nicht in der Wehrmacht gedient und waren nur
kurz von der Abwehr II ausgebildet worden. Sie waren
deswegen selbst keine Soldaten, sondern Zivilisten, obwohl sie von Wehrmachtoffizieren angeführt wurden. Dies
änderte sich erst nach dem Polenfeldzug, als die Mitglieder der neu aufgestellten Kommandotruppen den Status von
Wehrmachtsangehörigen erhielten, um zum einen die Möglichkeit zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen zu eröffnen
und zum anderen die Versorgung der Hinterbliebenen sicherzustellen.
Für die Rekrutierung der neuen Mannschaften stellte die Abwehr II hohe Anforderungen. „Die erste Voraussetzung
war Freiwilligkeit, dann Wendigkeit und schnelle Reaktionsfähigkeit, die Gabe zu improvisieren, ein hohes Maß
an Eigeninitiative auch beim letzten Schützen, gepaart mit ausgesprochenem Teamgeist; außerdem eine gewisse,
wenn auch gebremste Abenteuerlust, Takt im Umgang mit Fremdvölkern und natürlich körperliche
Leistungsfähigkeit. Dringend erwünscht waren gediegene Auslands- und Sprachkenntnisse, die so weit gehen
sollten, dass der Betreffende überzeugend als britischer Offizier oder Rotarmist auftreten konnte.“[7] Den ersten
Grundstock der Baulehrkompanien bildeten die Angehörigen der „K-Trupps“ (Schlesier, Volks- und
Sudetendeutsche). Mit der Ausweitung der Kriegsschauplätze kamen auch Deutsche aus anderen Regionen, wie dem
Baltikum, dem Balkan oder Südafrika hinzu. Als sich die Nachricht von der neuen Elite-Einheit in der Wehrmacht
herumsprach, meldeten sich Soldaten aus den regulären Heeresteilen. Erst als der Personalbedarf mehr und mehr
wuchs, begannen Werbeoffiziere mit Anwerbungen in Truppenschulen der Wehrmacht. Bei der Auswahl von
Rekruten wurden der Sprachkenntnisse und Zuverlässigkeit größere Aufmerksamkeit gewidmet. Die
Abwehr-Spezialausbildungen wurde dann in der Ausbildungsschule der Abwehr II („Quenzgut“) nahe Brandenburg
an der Havel vorgenommen. Da mit zunehmenden Umfang der Sonderverbände der Bedarf an sprachkundigen
Kommandosoldaten nicht mehr gedeckt werden konnte, ging man dazu über den militärischen Spezialisten
sogenannte Kampfdolmetscher aus Einheimischen, zumeist Kriegsgefangene aus Minderheiten des Einsatzlandes,
zur Seite zu stellen.
Kampfdolmetscher waren Muttersprachler aus dem Einsatzgebiet, die meist in ihren Heimatländern eine militärische
Ausbildung durchlaufen hatten und teilweise hochqualifiziert waren. Bei Einsätzen hinter gegnerischen Linien fiel
ihnen die Aufgabe zu für die Tarnung der Einsatzgruppe beim Auftreffen auf Militärpolizisten oder gegnerischen
Kontrollposten [Checkpoint] zu sorgen. Da in solchen Situationen keine Rücksprache zwischen Kampfdolmetscher
und deutschen Kommandotruppführer möglich war, lag bei den Dolmetschern oft eine große Verantwortung für die
gesamte Einheit. Besonders an der Ostfront war die Zahl der Kampfdolmetscher mit zunehmender Kriegsdauer oft
größer als die Zahl der eigentlichen Kommandosoldaten.
Die Angehörigen der ersten neu aufgestellten Kommandotruppen waren meist ungedient und verfügten, abgesehen
von den Angehörigen der ehemaligen „K-Trupps“, über keinerlei Einsatzerfahrung. Aus diesem Grund mussten
1939/1940 für die Besetzung der höheren Ränge zunächst Unteroffiziere von regulären Wehrmachtsverbänden und
ältere Offiziere der Reserve, die über Kenntnisse über den Einsatzraum aus dem I. (Weltkrieg) oder Fachkenntnisse
(Slawistik, Ethnologie) verfügten, herangezogen werden. Das Dienstverhältnis selbst entsprach dabei nicht immer
dem sturen Prinzip von Befehl und Gehorsam, da es oft vorkam, dass bei Einsätzen auch einfache Mannschaften
schnell Entscheidungen für die ganze Gruppe treffen mussten, wenn sie z. B. als Einzige in der Gruppe die
293
Brandenburg (Spezialeinheit)
294
Landessprache beherrschten. Dies änderte sich allerdings mit
Kommandoverbände und ihrem Einsatz als reguläre Grenadierdivision.
der
zunehmenden
Vertruppung
der
Kommandeure[8]
Zeit
Name
10. Okt. 1939 - 12. Dez. 1940
Hptm. Dr. Theodor von Hippel
12. Okt. 1940 - Ende Okt.
1940
Maj.d.R. Hubertus von Aulock
30. Nov. 1940 - 12. Feb. 1943
OTL. Paul Haehling von Lanzenauer
12. Feb. 1943 - 10. Apr. 1944
Gen.Maj. Alexander von Pfuhlstein
10. Apr. 1944 - 20. Okt. 1944
Gen.Lt. Friedrich Kühlwein
20. Okt. 1944 - 10. Mai 1945
Gen.Maj. Hermann
Schulte-Heuthaus
Nicht nur die Zugehörigkeit zur Kommandoeinheit, sondern selbst die Ausführung eines Kommandoauftrages
beruhte auf absoluter Freiwilligkeit. So hieß es in einer Anweisung des Amtes Ausland/Abwehr vom 28. Juli 1943:
„a) Die Beteiligung des deutschen Abwehrpersonals an einem Einsatz in Tarnkleidung zusammen mit russischen
V-Leuten kann nicht befohlen werden. b) Freiwillige Teilnahme an Einsätzen in Tarnkleidung ist zulässig [...] Zu der
Entscheidung zu a) haben folgende Erwägungen geführt: Kommandierungen zu Einsätzen in russischer Uniform
zusammen mit russischen V-Leuten sind nicht angängig, da einem deutschen Soldaten wegen der möglichen Folge,
als Spion behandelt zu werden, nicht befohlen werden kann, sich außerhalb des geltenden Kriegsrechts zu stellen,
auch wenn dieses von der Sowjetunion nicht anerkannt wird.“[9] Dass dies in der Praxis auch tatsächlich so
gehandhabt wurde, zeigt das Beispiel von zwei Unteroffizieren, die ausgebildet worden waren, über Irland
abzuspringen und Verbindung zur IRA aufzunehmen und kurz vor Einsatzbeginn von diesem Auftrag zurücktraten.
Der direkte Vorgesetzte der beiden Unteroffiziere bei der 14. Armee klagte sie wegen Feigheit vor dem Feind an.
Die Klage wurde jedoch mit dem Verweis auf das Prinzip der Freiwilligkeit abgewiesen und keinem der
Angeklagten entstanden im weiteren Verlauf des Krieges Karrierenachteile. Dieses Prinzip der Freiwilligkeit endete
jedoch mit der zunehmenden Vertruppung der Einheit.[10]
Einsatzverfahren
Kommandoeinsätze im Zweiten Weltkrieg waren zeitlich eng begrenzte und von kleinen Trupps ausgeführte
Aktionen im gegnerischen Hinterland, also in einem Gebiet, das für reguläre Einheiten nicht zugänglich war. Zu den
Kommandoeinsätzen zählten zum einen K-Einsätze (K = Kampf) zur Sicherung operativ oder wirtschaftlich
wichtiger Objekte wie Brücken oder Industrieanlagen und zum anderen S-Einsätze (S = Sabotage) zur Störung und
Lähmung gegnerischer Bewegungen. Von wesentlicher Bedeutung waren auch die I- und Z-Operationen (I =
Insurrektion; Z = Zersetzung), deren Ziel es war, im gegnerischen Hinterland oppositionelle Bewegungen zu
unterstützen und sogar Aufstände zu entfachen. Was diese Unternehmen von gewöhnlichen Stoßtrupps unterschied,
war die Tatsache, dass sie sich auch geheimdienstlicher Methoden, wie z. B. falscher Identitäten, bedienten. Nicht
zum Aufgabenbereich zählte die gezielte Ermordung einzelner Persönlichkeiten, beispielsweise durch Attentate.[11]
Die Unternehmen erfolgten sehr oft in Kooperation mit Einheimischen, die je nach Sichtweise als
Widerstandskämpfer oder Kollaborateure betrachtet wurden. Dabei näherte man sich dem Zielobjekt in der Regel in
Halb-, Voll- oder Mischtarnung. Bei der Halbtarnung wurden bei der Annäherung an das Objekt über der deutschen
Uniform gegnerischer Uniformteile oder Zivil getragen. Diese Tarnung wurde vor dem eigentlichen Kampf abgelegt.
Von Volltarnung sprach man, wenn vollständige gegnerische Uniform auch während des Kampfes getragen wurde.
Bei einer Mischtarnung traten nur einige der Soldaten in gegnerischer Uniform auf, während der größere Teil in
deutscher Uniform von den Ersteren meist als angebliche deutsche Gefangene oder Deserteure durch die feindlichen
Brandenburg (Spezialeinheit)
295
Linien eskortiert wurde. Waffen und Munition versteckten die Abgeführten dann in oder unter ihrer Uniform. Zu
Tarnzwecken wurden auch gegnerische Waffen und Fahrzeuge verwendet. Wie diese Mittel eingesetzt wurden, war
den jeweiligen Einsatzführern überlassen, die allein für die Planung eines Unternehmens zuständig waren. Wenn ein
Unternehmen direkt im Frontgebiet oder im unmittelbaren Hinterland erfolgte, unterstanden die Kommandoeinheiten
den im jeweiligen Bereich zuständigen Kommandobehörden, wie Heeresgruppe, Armee oder Korps. Hierbei traten
im Laufe des Krieges auch immer mehr Probleme auf, da diese die unterstellten Einheiten oder Verbände der
Brandenburger ebenso wie die der Fallschirmjäger als infanteristische Reserve und Kampfgruppen einsetzten.
Einsätze über größere Distanzen steuerte die Abwehr II selbst. Bei der konkreten Planung der
Kommandounternehmen ließ man dem verantwortlichen Offizier im Sinne der Auftragstaktik volle
Handlungsfreiheit, so dass es ihm überlassen blieb, auf welche Art der Auftrag durchgeführt wurde.
Einsätze
Die Soldaten der „Brandenburger“ agierten oft in kleinsten Gruppen, deren Tätigkeiten ein breites Aufgabenspektrum
umfassten. Über viele dieser Einsätze liegen heute kaum mehr vollständige Akten vor und falls Dokumente
überliefert sind, ist eine Zuordnung meist wegen der Verwendung von Decknamen kaum möglich. Nur wenige
seriöse Veröffentlichungen liegen zu den Unternehmen vor. Aufgrund dessen ist es nicht möglich, eine vollständige
Auflistung aller Einsätze zu erstellen und nur die Wichtigsten und Bekanntesten sind deshalb angeführt.
Kommandoeinsätze
Nach ihrer Aufstellung verwendete die Abwehr II die Soldaten der neuen
Spezialeinheit zunächst zum Schutz der rumänischen Ölfelder und später
auch der Chromerz-Zufuhren aus der Türkei.[12] Erst während des
Unternehmens Weserübung (Angriff auf Dänemark und Norwegen) im
April 1940 gelangten kleinere Kommandotrupps zur Sicherung
strategischer Objekte in Dänemark und Norwegen zum Einsatz.[13] Die
ersten Einsätze in größerem Umfang fanden im Rahmen des Westfeldzuges
statt. In der Nacht vom 9. zum 10. Mai 1940 eroberten Kommandos des
Baulehrbataillons z. b. V. 800 im Tarneinsatz strategisch wichtige Brücken
bei Maaseik (Belgien), Gennep, Berg, Uromon, Obicht und Stein in den
Niederlanden.[14] Am 27. Mai nahm ein weiteres Kommando die
Meeresschleusen und Straßenbrücken bei Nieuwpoort in Belgien ein und
verhinderte damit, dass der deutsche Vormarsch, wie bereits 1914, durch
geplante Überschwemmungen aufgehalten wurde.[15]
Truppenerkennungszeichen
Fallschirm-Jäger-Bataillon
„Brandenburg“ (1944)
Während des Unternehmens Marita (Angriff auf Jugoslawien und
Griechenland) gelang dem II. Bataillon des Lehrregiment Brandenburg z. b. V. 800 am 6. April 1941 die Einnahme
einer strategisch wichtigen Brücke über den Vardar und des Eisernen Tores. Kurz darauf eroberte diese Einheit die
Insel Euböa.[16] Weitere Einsätze zur Sicherung von strategischen Objekten fanden 1941 in der Eröffnungsphase des
Krieges gegen die Sowjetunion statt. Am bekanntesten wurde die Einnahme der Düna-Brücken bei Dünaburg am 28.
Juni 1941, bei dem Angehörige der 8. Kompanie die Brücke auf sowjetischen Beute-LKW überquerten, die
Wachmannschaft überrumpelten und diese Stellung anschließend zwei Stunden lang gegen sowjetische
Gegenangriffe hielten.[17] Im Herbst 1942 lösten Angehörige des Lehrregiments als NKWD-Offiziere getarnt
Verwirrung und Zersetzungserscheinungen hinter den Linien der Roten Armee im Raum Maikop (Kaukasus) aus.[18]
Von Juni 1942 bis Februar 1943 wurden auch auf dem Kriegsschauplatz Nordafrika Kommandoeinsätze gegen die
alliierten Nachschublinien in Ägypten, Libyen und Tunesien durchgeführt.[19]
Brandenburg (Spezialeinheit)
Beispiel: Die Maas-Brücke bei Gennep 1940
Wie ein typisches Kommandounternehmen durchgeführt wurde, lässt sich gut an dem Einsatz bei Gennep 1940
verdeutlichen: Für den geplanten Westfeldzug war die Einnahme verschiedener Brücken über die Maas
erforderlich.[20] Schon Ende Januar 1940 wurde Ltn.d.R. Witzel (22 Jahre, Tarnname Wolf), von der 1. Kompanie
des Baulehrbataillons z. b. V. 800 in die Zentrale der Abwehr II nach Berlin beordert. Dort wurde er mit
Luftaufnahmen von fünf Brücken vertraut gemacht, welche im Kommandoeinsatz eingenommen werden sollten.
Witzel erhielt den Auftrag, Pläne zu erarbeiten, eine passende Mannschaft aus dem Bataillon zusammenzustellen
und eventuell Materialanforderungen bei der Abwehr II zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt standen fast ausschließlich
osteuropäische Freiwillige, aber keine holländisch-sprachigen Kommandosoldaten zur Verfügung. Wolf plante
deshalb die Einsätze in „Mischtarnung“ durchzuführen. Bei drei Brücken sollten die Kommandos sich, als deutsche
Deserteure in Begleitung von niederländischen Gendarmen getarnt, nähern. Die vierte Brücke sollte durch einen
Trupp getarnt als Streckenarbeiter und die fünfte Brücke durch einen Trupp in Zivil eingenommen werden. Um die
Tarnung zu vervollständigen, warb die Abwehr II gezielt „Kampfdolmetscher“ unter den Anhängern der
Mussert-Bewegung (rechte holländische Oppositionsgruppe) in Deutschland an. Mitte Februar erfolgte die
Aufstellung von Wolfs neuem Verband als 4. Kompanie des Baulehrbataillons z. b. V. 800. Ende des gleichen
Monats wurden Abstimmungen zwischen der Kommandoeinheit und dem XXVI. Armeekorps getroffen, dem das
Kommando für den Einsatz direkt unterstellt werden sollte. Im März 1940 wurde die Kompanie in ein Übungslager
zwischen Kleve und Goch verlegt, wo man sich intensiv auf die Einsätze vorbereitete. Schwerpunkte der Ausbildung
waren Nachtmärsche, Sprengstoffbeseitigung und Nahkampf. Da eine Aufklärung der Zielobjekte vor Ort nicht
gestattet war, wurden die Truppführer anhand von „Sandkastenmodellen“ in ihren Auftrag eingewiesen. Die Leitung
der Kompanie wurde mit dessen Ankunft Mitte April an Oberleutnant Walther übergeben.
Am 9. Mai traf der Einsatzbefehl des XXVI. Armeekorps ein, woraufhin Tarnkleidung, Waffen und Ausrüstung an
die Einsatzkräfte ausgegeben wurden. Um 23 Uhr traten alle fünf Trupps den Marsch zu ihren jeweiligen
Zielobjekten an. Oberleutnant Walther führte persönlich den Einsatz gegen die Eisenbahnbrücke bei Gennep. Der
Trupp bestand aus sechs Kommandosoldaten und drei „Kampfdolmetschern“. Einer der Dolmetscher verweigerte an
der Grenze jedoch den Weitermarsch und musste unter der Bewachung durch einen Deutschen zurückgelassen
werden. An der Brücke traf der Trupp demnach mit nur noch sieben Mann ein, fünf deutschen „Deserteuren“ und
zwei niederländischen „Gendarmen“. Auf dem Brückendamm wurden vier niederländische Wachposten erst
getäuscht und dann lautlos überwältigt. Einer der Dolmetscher und zwei Kommandosoldaten (davon einer
verwundet) blieben am Brückenaufgang zurück, während die übrigen vier über die 150 Meter lange Brücke gingen.
Ein Wachposten ließ sie passieren, doch auf dem jenseitigen Ufer wurden sie von alarmierten niederländischen
Soldaten empfangen und mit neun Mann Bewachung abgeführt. Kurz darauf tauchten jedoch deutsche Tiefflieger
auf und im Durcheinander gelang es den Soldaten, die niederländische Wachmannschaft zu überwältigen. Die vier
Kommandosoldaten griffen dann die Brücke von Westen aus erneut an. Dabei eroberten sie drei Bunker und nahmen
einige niederländische Soldaten gefangen. Kurz darauf erschien ein deutscher Panzerzug, um die Brücke endgültig
zu sichern.
Die Einnahme der Brücke bei Gennep war von großer operativer Bedeutung. Die 9. Panzerdivision konnte auf ihr die
Maas überschreiten und einige Tage später Verbindung zu den bei Moerdijk gelandeten deutschen Fallschirmjägern
herstellen. Drei weitere Kommandounternehmen gegen die Maasbrücken gelangen ebenfalls. In einem Fall rückten
die deutschen Heeresverbände jedoch nicht schnell genug nach, sodass die Niederländer Zeit fanden, die Brücke
zurückzuerobern und doch noch zu sprengen.
296
Brandenburg (Spezialeinheit)
Einsätze im weiteren Ausland
Einzelne Soldaten oder Einheiten der Brandenburg-Verbände kamen auch im Rahmen eher politischer Missionen im
Ausland zum Einsatz. Besonders geschah dies, um in Teilen des britischen Kolonialreiches Unruhen zu verursachen,
welche die britische Regierung dazu zwangen, Truppen in diese Regionen zu verlegen. Ein bekanntes Beispiel für
einen derartigen Einsatz bildete das Unternehmen Tiger in Afghanistan. Im April des Jahres 1941 entsandte das Amt
Ausland/Abwehr des OKW den Offizier Dietrich Witzel mit zwei Funkern nach Kabul, um dort in der deutschen
Gesandtschaft einen Stützpunkt der Abwehr einzurichten, der als Basis für geheimdienstliche Operationen gegen
Britisch-Indien dienen sollte. Die Einreise nach Afghanistan erfolgte getarnt als Kurier des Auswärtigen Amtes über
Moskau und Termez. Besonders der als „Fakir von Ipi“ bekannte paschtunische Stammesführer Mirza Ali Khan, der
zum Dschihad gegen die britischen Kolonialherren aufgerufen hatte, sollte unterstützt werden. Doch zwei weitere
„Brandenburger“, Dr. Manfred Oberdörffer und Fred Brandt, die getarnt als Lepra-Studiengruppe zu Mirza Khan
unterwegs waren, gerieten im Juli 1941 in einen Hinterhalt, bevor sie ihren Auftrag erfüllen konnten. Dr. Oberdörfer
fiel und wurde auf dem europäischen Friedhof in Kabul beigesetzt, wo sein Grab heute vom deutschen
ISAF-Kontingent gepflegt wird.
Für den Abwehrstützpunkt in Kabul, dem auch die Rolle der Vorhut eines - allerdings nie realisierten - Vorstoßes der
Wehrmacht über den Kaukasus nach Indien zugedacht war, wurde jedoch eine ursprünglich gar nicht vorgesehene
Aufgabe bald zur wichtigsten Aufgabe, nämlich die abwehrmäßige Verbindung zum antibritischen Untergrund in
Indien. Der indische Nationalistenführer Subhash Chandra Bose war den Engländern entkommen. Über Kabul, wo er
sich vergeblich um die Unterstützung Moskaus für seine Pläne bemüht hatte, gelangte er Ende April 1941 nach
Berlin. Von dort aus setzte er seinen Kampf um die Befreiung Indiens von der britischen Herrschaft mit
Unterstützung der Achsenmächte fort. Die Gesandtschaft und der Abwehrstützpunkt in Kabul wurden nun zum
konspirativen Scharnier zwischen Bose in Deutschland und seinen Vertrauten im antibritischen Untergrund in
Indien. Sie erhielten in Kabul auch Sabotage-, Funk- und Chiffrier-Ausbildung und gemeinsam mit ihnen wurden
weitreichende Sabotagepläne erarbeitet. Wie aus heute zugänglichen alliierten Geheimakten zu entnehmen ist,
gelang es ihnen allerdings doch noch, auch von sowjetischer Seite Unterstützung zu erhalten. Parallel zur
Verbindung zur deutschen Seite hatten sie dann auch Kontakt zur sowjetischen Botschaft in Kabul.
Die Bedingungen für die konspirative Arbeit in Kabul verschlechterten sich jedoch angesichts des für die
Achsenmächte negativen Kriegsverlaufs. Afghanistan blieb zwar bis zum Kriegsende neutral und die Gesandtschaft
behielt ihren exterritorialen Status bis zum 8. Mai 1945. Im September 1943 mussten aber Witzel und einer seiner
Abwehrfunker auf Druck der Alliierten, die in der Präsenz der „Brandenburger“ noch immer eine Bedrohung sahen,
Afghanistan verlassen. Die Verbindung zu den indischen Bose-Anhängern wurde vorher an die japanische Botschaft
in Kabul übergeben, nicht zuletzt auch weil Bose sich seit Frühjahr 1943 in Ostasien aufhielt.[21]
In Nordafrika wurde ein Sonderkommando der Brandenburger unter dem Kommando des Hauptmanns Ladislaus
Almásy im Rahmen der Operation Salaam eingesetzt. Die anschliessende Operation Kondor unter Hauptmann
Johannes Eppler konnte über einige Wochen im Jahre 1942 Informationen aus Kairo für das Afrikakorps beschaffen.
Zum Einsatz zweier Wettertrupps unter Führung der Abwehr in der Arktis auf der Inselgruppe Spitzbergen siehe
Wetterstationen der Wehrmacht in der Arktis.
Völkerrechtliche Aspekte von Kommandoeinsätzen
Die Einsätze der „Brandenburger“ erfolgten oft in Halb-, Voll- oder Mischtarnung. Die „Brandenburger“ (und
ebenso die ähnlich operierenden Kommandosoldaten anderer Nationen) verzichteten damit auf den Schutz, den die
Haager Landkriegsordnung (HLKO) Kombattanten gewährt. Nach der HLKO gilt der Kombattantenstatus nur für
die Personen, die a) zentraler Befehlsgewalt unterstehen, b) zur Erkennung ein Abzeichen oder eine Uniform tragen,
c) die Waffen offen tragen, und d) selbst die Gesetze und Gebräuche des Krieges beachten (HLKO, Artikel 1). Falls
ein Kommandosoldat also während eines Tarn-Einsatzes in Gefangenschaft geriet, hatte er als Nichtkombattant
keinen Anspruch auf den durch die HLKO geschützten Status als Kriegsgefangener und wurde in der Mehrzahl der
297
Brandenburg (Spezialeinheit)
Fälle nach Artikel 29 und 30 der HLKO als Spion behandelt und infolgedessen in Übereinstimmung mit dem
Kriegsvölkergewohnheitsrecht standrechtlich erschossen. Kehrte der Kommandosoldat jedoch wieder zum eigenen
Heer zurück und wurde erst später gefangen genommen, so war er nach Artikel 31 als Kriegsgefangener zu
behandeln und konnte wegen früherer Spionageaktionen nicht belangt werden. Aufgrund dieser Argumentationslinie
wurden zahlreiche Kommandosoldaten nach dem Krieg auch vor alliierten Militärgerichten freigesprochen; so unter
anderem in einem aufsehenerregenden Prozess gegen Otto Skorzeny und acht weitere Angeklagte der
Panzerbrigade 150 z. b. V., die während der Ardennenoffensive hinter den alliierten Linien operiert und dabei
amerikanische Uniformen getragen hatten (→ siehe: Unternehmen Greif). Fünf Angehörige dieses
Kommandounternehmens waren bereits 1944 gefangen genommen und standrechtlich erschossen worden. Das
Gericht erklärte weiterhin, dass es sich bei einer Halbtarnung (nur Annäherung in gegnerischer Uniform) nicht um
einen Missbrauch der gegnerischen Uniform (HLKO, Artikel 23) handelte, sondern um eine Form der Kriegslist, die
in Artikel 24 der HLKO ausdrücklich erlaubt war. Dagegen ist der Einsatz der Volltarnung (Annäherung und Kampf
in gegnerischer Uniform) nach wie vor als unvereinbar mit dem von der HLKO geschützten Kombattanten-Status
angesehen worden.[22]
Umgliederung zur regulären Heeresdivision
Zum Jahreswechsel 1942/43 erfolgte aus verschiedenen Gründen ein
Umdenken gegenüber dem Sonderverband Brandenburg. Oft sahen
Frontkommandeure in den ihnen nur kurzfristig unterstellten Einheiten eine
Art „Feuerwehr“, die sie an den Krisenpunkten der Front einsetzten.
Aufgrund der allmählich prekären Lage an den Fronten und um die großen
personellen Verluste auszugleichen, musste die Einheit deshalb zunehmend
als normale Fronttruppe verwendet werden. Dies geschah allerdings nie
geschlossen, sondern immer nur bataillons- und regimentsweise. Zum
anderen waren es höhere Offiziere des Sonderverbandes selbst, welche
mehr sein wollten als bloße Verwalter von Bataillonen und Regimentern,
die nur auf dem Papier eine Einheit bildeten. Nicht zuletzt trat ab dem Jahr
1942 auch eine deutliche Konkurrenz zur SS auf, welche erfolgreich
Truppenerkennungszeichen Division
versuchte, alle Kompetenzen in Sachen Kommandoeinsätze und Spionage
„Brandenburg“ (1943/44)
an sich zu ziehen. Deshalb wurde die neu gebildete Division Brandenburg
dem Wehrmachtführungsstab (WFSt) am 1. April 1943 direkt als reguläre
Eingreifreserve unterstellt. Kommandoeinsätze wurden ab diesem Zeitpunkt entweder von Verbänden der
Waffen-SS, dem Regiment Kurfürst oder der Frontaufklärungstruppe II durchgeführt, welche einen großen Teil des
kommando-geschulten Personals des Sonderverbandes Brandenburg übernahmen (allein 350 in die Jagdverbände
der Waffen-SS).
Das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 steigerte dessen Misstrauen gegenüber der Wehrmacht und besonders auch
gegen die Division Brandenburg, da diese eine Schaffung des denunzierten Widerstandsangehörigen Admiral
Wilhelm Canaris war. Außerdem rückte die Rote Armee Anfang September 1944 in Bulgarien ein und drohte bald
die deutsche Heeresgruppen auf dem Balkan anzugreifen. Unter diesen Umständen entschloss sich die
Wehrmachtführung am 13. September 1944 die Regimenter der Division Brandenburg im Raum Belgrad
zusammenzuziehen und zu einer regulären Panzergrenadierdivision umzuwandeln.[23] So wurde die
Kommandoeinheit im Zuge dieser Entwicklung zunächst in eine motorisierte Infanteriedivision umgegliedert und
erhielt am 15. September 1944 den Namen Panzer-Grenadier-Division Brandenburg. Dazu wurde das 3. Regiment,
das gerade in Italien stand, herausgelöst und als M.G.-Bataillon Generalfeldmarschall Kesselring verselbständigt.
Das Personal des 4. Regimentes wurde auf die Regimenter 1 und 2 aufgeteilt, die nunmehr als Jäger-Regiment 1
Brandenburg bzw. Jäger-Regiment 2 Brandenburg den Kern der neuen Division bildeten. Dabei wurden Mitte
298
Brandenburg (Spezialeinheit)
299
Oktober 1944 auch Teile der Sturm-Division Rhodos eingegliedert. Am 20. Dezember 1944 folgte der
Zusammenschluss der Panzer-Grenadier-Division Brandenburg mit der Division Großdeutschland zum Panzerkorps
„Großdeutschland“.[24] Da die Division innerhalb weniger Monate schwere Verluste erlitt, wurde im Februar 1945
eine Umgliederung und Auffrischung erforderlich. Am 10. März 1945 kam der Verband deshalb als
Panzer-Grenadier-Regiment Brandenburg[25] wieder zum Einsatz.
Einsätze als regulärer Verband
Nachdem einige Einheiten des Verbandes bereits in den besetzten
Gebieten der UdSSR zur Partisanenbekämpfung eingesetzt worden
waren, erhielten ab dem Frühjahr 1943 sämtliche Einheiten diesen
Auftrag auf dem Balkan. Das 1., 2. und 4. Regiment waren dabei in
verlustreiche Kämpfe gegen Partisanen in Kroatien, Serbien und
Griechenland verwickelt, während das 3. Regiment ähnliche Aufgaben
in Südfrankreich und Italien wahrnahm. Ab dem August 1944 erfolgte
der Einsatz des Fallschirm-Jäger-Bataillon „Brandenburg“ in
Rumänien, wo dieses an der Besetzung Bukarests teilnahmen. Die
Einheit wurde jedoch von Verbänden der Roten Armee eingeschlossen
und innerhalb weniger Tage vollständig aufgerieben.
Truppenerkennungszeichen der
Panzergrenadierdivision „Brandenburg“
Ab Ende September 1944 standen die Regimenter der Division an der Theiß und Donau in Abwehrkämpfen gegen
die Rote Armee noch bevor sie sich in Belgrad zur geplanten Umgliederung eingefunden hatten. Während der
sowjetischen Offensive auf die jugoslawische Hauptstadt (→ Belgrader Operation) wurden Teile dieser Einheiten
eingeschlossen und erlitten erhebliche Verluste bevor sie zu den deutschen Linien durchbrechen konnten. Danach
folgte der langsame Rückzug nach Südungarn im Verband der Heeresgruppe E. Zu diesem Zeitpunkt betrug die
Gefechtsstärke der Division nur noch die eines halben Regimentes, weshalb sie taktisch der 71. Infanterie-Division
unterstellt wurde. Zur Auffrischung verlegte man die Reste der Division zwischen dem 12. und 20. Dezember 1944
nach Ostpreußen, wo gleichzeitig der Zusammenschluss der Division mit der Division Großdeutschland zum
Panzerkorps „Großdeutschland“ erfolgte. Bahnverladung der Division auf dem Truppenübungsplatz Arys
(Ostpreußen) am 13. Januar 1945 zum Transport in den Raum Lodz. Nach Beginn der sowjetischen Offensive am
15. Januar 1945 schlug sich der Großverband dann durch den Warthegau bis in die Schlesische Lausitz durch, wo er
der Heeresgruppe Mitte unterstellt wurde. Von Anfang März bis Mitte April 1945 stand die Division im Raum
Weißwasser an der Lausitzer Neiße. Bei dem erneuten sowjetischen Großangriff der Roten Armee am 16. April
wurde die Division schließlich im Raum Rothenburg-Penzig (nördlich Görlitz) eingekesselt, konnte jedoch schon am
20. April nach Löbau ausbrechen. Nachdem die Reste der Division um Bautzen gekämpft hatten, wurden sie am 3.
Mai 1945 per Bahn in den Raum Mährisch-Ostrau in das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren verbracht. Anfang
Mai 1945 kämpften dort immer noch Einheiten der Division bei Olmütz und zogen sich bis in Raum Deutsch-Brod
zurück. Nach der Kapitulation der Wehrmacht marschierte ein Teil der Division nach Westen, während andere Teile
sich einfach auflösten. Ein großer Teil ging in Tabor in russische Kriegsgefangenschaft. Vielfach wurden
Angehörige der Division von der tschechischen Bevölkerung ermordet.[26]
Kriegsverbrechen
Kurz nach dem Krieg wurden Angehörige der Einheit „Brandenburg“ mit Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht.
Im Mittelpunkt stand dabei oft das Massaker von Lemberg. Am 30. Juni 1941 wurde die Stadt vom 1. Bataillon des
Baulehrregimentes z.b.V. 800 zusammen mit dem ihm unterstellten ukrainischen Freiwilligenbataillon „Nachtigall“
besetzt. Obwohl die ukrainische Einheit ebenfalls von der Abwehr II aufgestellt und mit Rahmenpersonal des
Baulehrregiments ausgestattet worden war, bildete es selbst keinen Teil des Regimentes. Im Laufe der Besetzung
kam es zu heftigen Ausschreitungen und Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung der Stadt, denen einen
Brandenburg (Spezialeinheit)
unbestimmte Zahl Menschen zum Opfer fielen. Den Soldaten des 1. Btl./ Baulehrregiment z.b.V. 800 wurde bis
heute oft vorgeworfen sich an diesen Ausschreitungen beteiligt zu haben.[27] Eine eingehende Untersuchung der
Vorfälle fand jedoch schon im Jahre 1960/61 während des Prozesses gegen den ehemaligen Minister für Vertriebene
und Angehörigen des Bataillons „Nachtigall“ Theodor Oberländer (1905-1998) vor dem Landgericht Bonn statt.
Nach zahlreichen Zeugenvernehmungen kam das Gericht zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich Ausschreitungen
ukrainischer und deutscher Einheiten gegeben hätte. Dabei waren jedoch vorrangig Abteilungen der
Feldgendarmerie im Blickpunkt des Gerichtes, während es keine Beweise, jedoch Indizien, gab, die für eine
Beteiligung von Angehörigen der Einheit „Brandenburg“ sprachen.[28] So bemerkte der Kommandeur des 1.Btl./
Baulehrregiment z.b.V. 800 (Major Friedrich Wilhelm Heinz) über die Einnahme Lembergs in seinem
Abschlussbericht: „Die eigene Truppe ist, wie die Meldungen der Kompanien beweisen, über die Rohheitsakte und
Quälereien empört. Sie hält ein unerbittliches Strafgericht an den Schuldigen am Massaker der Bolschewisten für
unbedingt erforderlich, versteht jedoch nicht das Quälen und Erschießen wahllos zusammen getriebener Juden,
darunter Frauen und Kinder. [...] Es ist dieselbe Truppe, die gestern jüdische Plünderer rücksichtslos
niedergeschossen hat, aber kaltherzige Quälereien verwirft.“[29]
Ein weiteres Kriegsverbrechen begingen Angehörige des Lehrregimentes z.b.V. 800 im syrmischen Dorf Grgurevci
(heute Serbien) im Rahmen des Partisanenkrieges im Unabhängigen Staat Kroatien. Am 6. Juni 1942 erschossen
Soldaten der Einheit mit Hilfe einiger Angehöriger der deutschen Volksgruppe insgesamt mindestens 257 serbische
Männer als Vergeltung für eigene Verluste, die die Einheit am Vortag hatte erleiden müssen. [30]
Eindeutig belegt sind auch die Erschießung eines gefangenen italienischen Offiziers (am 16. November 1943, also
nach der Kapitulation Italiens) und dreier weiterer Gefangener (19. November 1943) durch Angehörige des 2.
Regiments der Division „Brandenburg“. Im März 1990 wurde zudem der Bericht eines Obergefreiten eines
Regiments der Division Brandenburg bekannt, dessen Kompanie Mitte November 1943 den Befehl erhalten hatte,
italienische Offiziere gefangenzunehmen, die sich, an Malaria erkrankt, beim Kriegsaustritt Italiens in einer
nordalbanischen Stadt aufhielten und zu schwach oder zu gutgläubig waren, um fliehen zu können. Heftige
Regenfälle machten die Wege unpassierbar, woraufhin die Kompanie den Befehl erhielt, „die Italiener zu
liquidieren“. Insgesamt 41 Menschen wurden daraufhin am 22. November und weitere 18 am 24. November 1943 am
Steilhang eines Flusses durch Genickschuss exekutiert, und die Leichen durch Fußtritte in den Fluss befördert.[31]
Im Zusammenhang mit dem Einsatz gegen Partisanen, besonders im Balkangebiet, ist auf den oft
völkerrechtswidrigen Charakter dieser Kriegsführung zu verweisen. Kriegsverbrechen gegenüber Kombattanten
waren hier auf beiden Seiten häufig. Erwiesen ist ferner, dass deutsche Einheiten bei der Partisanenbekämpfung
zahlreiche Kriegsverbrechen auch gegenüber Zivilisten verübt haben. [32] So sind beispielsweise
Geiselerschießungen und rechtswidrige Vergeltungsaktionen zahlreich nachgewiesen. Es ist demnach
wahrscheinlich, dass auch von Seiten der „Brandenburg“-Verbände Kriegsverbrechen verübt wurden, zumal diese in
besonderem Maße in der Partisanenbekämpfung tätig waren. Bislang fehlen in diesem Kontext jedoch konkrete
Belege, was sicherlich auch auf die schlechte Quellenlage zurückgeführt werden kann. Auch wenn einzelne Akten
eine Beteiligung von „Brandenburg“-Verbänden nahelegen,[33] steht eine umfassende Untersuchung zu diesem
Thema noch aus.
Nachwirkungen
Die kurz nach der Deutschen Wiedervereinigung neuaufgestellte Reserveformation der Bundeswehr in Potsdam war
als „Heimatschutzbrigade Brandenburg“ benannt worden (ähnlich der Heimatschutzbrigaden „Freistaat Sachsen“
oder „Mecklenburg“.) Dies führte im Juni 1991 zu einer Debatte im Landtag Brandenburg, in der Prof. Dr.
Gonnermann (PDS) die Landesregierung dazu aufforderte, sich von dieser Benennung zu distanzieren und für eine
Umbenennung einzusetzen, da es „politisch instinktlos und menschlich geschmacklos“ sei, den Namen einer
Wehrmachtsdivision zu verleihen, deren „faschistischen Gehalt und Verbrechenscharakter“ er für erwiesen ansah
(dabei rechnete er fälschlicherweise den Sonderverband Bergmann und das Bataillon Nachtigall zur Einheit
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Brandenburg (Spezialeinheit)
„Brandenburg“ hinzu.) Die Redner der Fraktionen der SPD und der Landesregierung stellten sich dem Antrag
entgegen. Trotz ausländischer Beteiligung bei der Vereidigung der Einheit hätte es keinerlei Proteste gegeben und
der Name der Einheiten solle in erster Linie deren Heimatverbundenheit unterstreichen. Ein Vergleich der jeweiligen
Einheiten sei „unakzeptabel“. Der Antrag wurde schließlich mit 10 zu 38 Stimmen (16 Enthaltungen) abgelehnt.[34]
In ihrem 2007 erschienenen Buch „Geheime Krieger“ behaupteten später
Brigadegeneral a.D. Reinhard Günzel und GSG-9-Gründer Ulrich Wegener, die
Verbände der „Brandenburger“ seien ein legendäres Vorbild für das Kommando
Spezialkräfte der Bundeswehr, und deren Korpsgeist sei vorbildlich gewesen.[35]
Politiker des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages kritisierten das
Ziehen dieser Traditionslinie zur Wehrmacht sowie die angeblichen „Dünkel“ der
KSK-Soldaten.[36] Problematisch ist diese von Günzel und Wegener gezogene
Traditionslinie vor allem deswegen, weil die Bundeswehr nicht in der Tradition der
Armee eines Unrechtsregimes stehen, sondern vielmehr eine eigene, demokratische
Abzeichen des KSK
Tradition begründen soll. Im Traditionserlass der Bundeswehr heißt es
entsprechend: „Ein Unrechtsregime, wie das Dritte Reich, kann Tradition nicht
begründen. […] Traditionen von Truppenteilen ehemaliger deutscher Streitkräfte werden an
Bundeswehrtruppenteile nicht verliehen.“[37] Dies führte neben zahlreichen kritischen Berichten in der Presse auch
zu einer kleinen Anfrage der Fraktion Die LINKE an die Bundesregierung, in der sie um eine Stellungnahme zu den
in Güntzels Buch geäußerten Ansichten, das KSK sehe sich in der Tradition einer „Verbrecherische
Wehrmachtsdivision“ und „terroristische Sondereinheit“, bat. In seiner Antwort stellte das Verteidigungsministerium
am 21. Mai 2007 fest: „Eine Anlehnung an Kommandoverbände der früheren Wehrmacht ist unsachgemäß, wäre
undemokratisch, insgesamt wesensfremd und findet tatsächlich auch nicht statt.“[38] Am 30. April 2009 berichtete
das ARD-Magazin KONTRASTE, dass der Offizier der "Brandenburger" Dietrich Witzel trotz Verharmlosung der
Kriegsverbrechen der Wehrmacht Mitautor des vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr
herausgegebenen Afghanistan-Wegweisers war, der jedem Bundeswehrsoldaten bei seinem Einsatz in Afghanistan
mit auf den Weg gegeben wird.[39]
Literatur
• Hans Bentzien: Division Brandenburg - Die Rangers von Admiral Canaris, Berlin 20042. ISBN
978-3-360-01058-2
• Werner Brockdorff: Geheimkommandos des Zweiten Weltkrieges, Wels 1967. ISBN 3-88102-059-4
• Bernhard Chiari (Hrsg.): Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan (2. Auflage), Paderborn/München/Wien/Zürich
2007. ISBN 978-3-506-75664-0
• Reinhard Günzel, Wilhelm Walther, Ulrich K. Wegener: Geheime Krieger – Drei deutsche Kommandoverbände
im Bild. KSK, Brandenburger, GSG 9. Pour le Mérite Verlag, Kiel 2006, ISBN 3-932381-29-7
• Eric Lefèvre: Brandenburg Division - Commandos of the Reich, Paris 2000. ISBN 2-908182-73-4
• James Lucas: Kommando - German Special Forces of World War Two, London 1985. ISBN 0-85368-707-2
• Helmuth Spaeter: Die Brandenburger - Eine deutsche Kommandotruppe, München 1982. ISBN 3-922128-05-X
• Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Beiträge,
Bd. IV, Herford/ Bonn 1990. (Online Version; Stand: 13. August 2007 [40])
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Brandenburg (Spezialeinheit)
Weblinks
• Bundesarchiv: „Die Brandenburger“. Kommandotruppe und Frontverband; Geschichte und Originaldokumente
[41]
Referenzen
[1] Angaben nach: Thomas Menzel: „Die Brandenburger“ - Kommandotruppe und Frontverband (http:/ / www. bundesarchiv. de/ aktuelles/
aus_dem_archiv/ galerie/ 00131/ index. html) (Stand: 30. Mai 2007)
[2] Dazu im Detail: Herbert Schindler: Mosty und Dirschau 1939 - Zwei Handstreiche der Wehrmacht vor Beginn des Polenfeldzuges, Freiburg
1971.
[3] Georg Tessin: Verbände und Truppen der Deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. Band 12. Die
Landstreitkräfte 631 – 800. Biblio-Verlag, Bissendorf 1975, ISBN 3-7648-1080-7, S. 327.
[4] Gliederung: I. Btl. (4 Kp.) in Brandenburg; II. Btl. (4 Kp.) in Baden/ Wien; III. Btl. (4 Kp.) Aachen, später Düren; 1 Nachrichten-Kp. und
weitere 5 Spezialkompanien; siehe: Georg Tessin: Verbände und Truppen der Deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg
1939–1945. Band 12. Die Landstreitkräfte 631 – 800. Biblio-Verlag, Bissendorf 1975, ISBN 3-7648-1080-7, S. 327.
[5] Gliederung: Verband 801 (Brandenburg), 802 (Baden/ Wien), 803 (Düren), 804 (Langenargen), 805 (Ergänzungs- und
Versorgungsabteilungen); Küstenjäger-Abteilung 800; Nachrichten-Abteilung 800; siehe: Georg Tessin: Verbände und Truppen der
Deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. Band 14. Die Landstreitkräfte. Namensverbände. Die Luftstreitkräfte.
Fliegende Verbände. Flakeinsatz im Reich 1943–1945. Biblio-Verlag, Bissendorf 1980, ISBN 3-7648-1111-0, S. 27.
[6] Gliederung: Regiment Brandenburg 1 bis 4; Lehr-Regiment 5 Brandenburg; Küstenjäger-Abteilung Brandenburg; Nachrichten-Abteilung
Brandenburg; siehe: Georg Tessin: Verbände und Truppen der Deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. Band
14. Die Landstreitkräfte. Namensverbände. Die Luftstreitkräfte. Fliegende Verbände. Flakeinsatz im Reich 1943–1945. Biblio-Verlag,
Bissendorf 1980, ISBN 3-7648-1111-0, S. 28.
[7] Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Beiträge, Bd. IV, Herford/ Bonn 1990,
S.120
[8] Angaben nach: Thomas Menzel: „Die Brandenburger“ - Kommandotruppe und Frontverband (http:/ / www. bundesarchiv. de/ aktuelles/
aus_dem_archiv/ galerie/ 00131/ index. html) (Stand: 30. Mai 2007)
[9] Einsatz deutschen Abwehrpersonals in Tarnkleidung, BA-MA, RW 49/ 141, Bl. 16, Zit. nach: Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der
Abwehr II im Zweiten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Beiträge, Bd. IV, Herford/ Bonn 1990, S.127
[10] Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Beiträge, Bd. IV, Herford/ Bonn
1990, S.128
[11] Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Beiträge, Bd. IV, Herford/ Bonn
1990, S.127
[12] Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Beiträge, Bd. IV, Herford/ Bonn
1990, S.121
[13] Helmuth Spaeter: Die Brandenburger - Eine deutsche Kommandotruppe, München 1982, S.47-54
[14] James Lucas: Kommando - German Special Forces of World War Two, London 1985, S.43-51
[15] James Lucas: Kommando - German Special Forces of World War Two, London 1985, S.71-75
[16] Werner Brockdorff: Geheimkommandos des Zweiten Weltkrieges, Wels 1967, S.427
[17] Helmuth Spaeter: Die Brandenburger - Eine deutsche Kommandotruppe, München 1982, S.144-150
[18] Werner Brockdorff: Geheimkommandos des Zweiten Weltkrieges, Wels 1967, S.425
[19] Helmuth Spaeter: Die Brandenburger - Eine deutsche Kommandotruppe, München 1982, S.250-273
[20] Die folgende Darstellung beruht vollständig auf: Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg, in:
Militärgeschichtliche Beiträge, Bd. IV, Herford/ Bonn 1990, S.121ff; Helmuth Spaeter: Die Brandenburger - Eine deutsche
Kommandotruppe, München 1982, S.157ff
[21] Rolf-Dieter Müller: Afghanistan als militärisches Ziel deutscher Außenpolitik im Zeitalter der Weltkriege, in: Bernhard Chiari (Hrsg.):
Wegweiser zur Geschichte - Afghanistan (2. Auflage), Paderborn/München/Wien/Zürich 2007, S.49f
[22] Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Beiträge, Bd. IV, Herford/ Bonn
1990, S.128f
[23] Helmuth Spaeter: Die Brandenburger - Eine deutsche Kommandotruppe, München 1982, S.274-279
[24] Gliederung: Jäger-Regiment 1 Brandenburg, Jäger-Regiment 2 Brandenburg, Artillerie-Regiment Brandenburg; siehe: Georg Tessin:
Verbände und Truppen der Deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. Band 14. Die Landstreitkräfte.
Namensverbände. Die Luftstreitkräfte. Fliegende Verbände. Flakeinsatz im Reich 1943–1945. Biblio-Verlag, Bissendorf 1980, ISBN
3-7648-1111-0, S. 28.
[25] Gliederung: Panzer-Regiment Brandenburg; Panzer-Jäger-Regiment 1 Brandenburg; Panzer-Aufklärungs-Abteilung Brandenburg;
Panzer-Artillerie-Regiment Brandenburg; siehe: Georg Tessin: Verbände und Truppen der Deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten
Weltkrieg 1939–1945. Band 14. Die Landstreitkräfte. Namensverbände. Die Luftstreitkräfte. Fliegende Verbände. Flakeinsatz im Reich
1943–1945. Biblio-Verlag, Bissendorf 1980, ISBN 3-7648-1111-0, S. 29.
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Brandenburg (Spezialeinheit)
[26] Werner Brockdorff: Geheimkommandos des Zweiten Weltkrieges, Wels 1967, S.423-428
[27] Siehe bspw.: „Aber den Kreis der wahrscheinlich Schuldigen (am Massaker in Lemberg) kann man doch eingrenzen. Dazu gehört das
Bataillon 800. [...] Es spricht einiges dafür, dass "Die Brandenburger" den Judenmord ausgelöst haben.“, siehe: Hannes Heer: Blutige
Ouvertüre - Lemberg, 30. Juni 1941: Mit dem Einmarsch der Wehrmachttruppen beginnt der Judenmord, in: Die Zeit, Nr.26 (2001) ( Online
Version; Stand: 13. August 2007 (http:/ / images. zeit. de/ text/ 2001/ 26/ 200126_a-lemberg. xml))
[28] Hermann Raschhofer: Der Fall Oberländer, Tübingen 1962, S.74
[29] Auszugsweise einsehbar unter: friedrich-wilhelm-heinz.de (http:/ / www. friedrich-wilhelm-heinz. de/ index2. html)
[30] BA-MA RH 31 III/2, sowie AVII Fond NDH/146, 4/27.
[31] Gerhard Schreiber: Deutsche Kriegsverbrechen in Italien, München 1996, S.73-75
[32] Thomas Menzel: „Die Brandenburger“ - Kommandotruppe und Frontverband (http:/ / www. bundesarchiv. de/ aktuelles/ aus_dem_archiv/
galerie/ 00131/ index. html) (Stand: 30. Mai 2007)
[33] Bspw. Vernehmungsprotokolle der Nürnberger Prozesse; siehe: Protokolle 14. bis 26. Februar 1946 (http:/ / www. nizkor. org/ hweb/ imt/
tgmwc/ tgmwc-07/ tgmwc-07-59-08. shtml)
[34] Landtag Brandenburg - Plenarprotokoll der 23. Sitzung (27. Juni 1991), S.1733-1736 (http:/ / www. parldok. brandenburg. de/ parladoku/ /
w1/ plpr/ 23. pdf)
[35] Reinhard Günzel/ Ulrich Wegener/ Wilhelm Walther: Geheime Krieger – Drei deutsche Kommandoverbände im Bild, Pour le Mérite
Verlag, 2005.
[36] Spiegel-Online: Ex-KSK-Chef lobt NS-Spezialeinheit als Vorbild (http:/ / www. spiegel. de/ politik/ deutschland/ 0,1518,468421,00. html)
(24. Februar 2007)
[37] Aktueller Traditionserlass der Bundeswehr auf der offiziellen Homepage (http:/ / www. bundeswehr. de/ portal/ a/ bwde/ kcxml/
04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4w3DPQDSYGZbkAmTCwoJVXf1yM_N1XfWz9AvyA3otzRUVERAK9FmHs!/ delta/
base64xml/ L3dJdyEvd0ZNQUFzQUMvNElVRS82X0FfMVFO) (Stand: 7. Mai 2007)
[38] Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, u.a.: Verbrecherische Wehrmachtsdivision als mögliche
Traditionsgeberin für das Kommando Spezialkräfte und die GSG 9 (21. Mai 2007) (http:/ / dipbt. bundestag. de/ dip21/ btd/ 16/ 053/ 1605380.
pdf)
[39] ARD-Sendung KONTRASTE vom 30. April 2009: Bundeswehr hofiert Ritterkreuzträger (http:/ / www. rbb-online. de/ kontraste/ archiv/
kontraste_vom_30_04/ beitrag_4. html)
[40] http:/ / www. das-ritterkreuz. de/ index_themen. php4?modul=kommando& thema=brand1. htm
[41] http:/ / www. bundesarchiv. de/ aktuelles/ aus_dem_archiv/ galerie/ 00131/ index. html
Reichssicherheitshauptamt
Das Reichssicherheitshauptamt (Abkürzung RSHA) wurde am 27. September 1939, zu Beginn des Zweiten
Weltkrieges vom Reichsführer-SS Heinrich Himmler durch Zusammenlegung von Sicherheitspolizei (Sipo) und
Sicherheitsdienst (SD) gegründet. Das Amt stellte als eines von 12 Hauptämtern der SS mit ca. 3000 Mitarbeitern die
zentrale Behörde dar, die den größten Teil der deutschen Sicherheitsorgane zur Zeit des Nationalsozialismus leitete.
Ein Großteil der einzelnen Ämter und Amtsgruppen war über ganz Berlin verstreut untergebracht. Seinen Hauptsitz
hatte es in der Wilhelmstraße 101, wo sich die Büros von Heydrich und Kaltenbrunner befanden, und in der
Prinz-Albrecht-Straße 8 (heute: Niederkirchnerstraße in Berlin-Kreuzberg), wo die Zentrale der Gestapo war. Das
Gelände gehört zur 2004 entstandenen Gedenkstätte Topographie des Terrors.
Geschichte
Mit der Gründung des Reichssicherheitshauptamtes erreichte die von Heinrich Himmler seit 1933 vorangetriebene
Verselbstständigung des nationalsozialistischen Gewaltapparates ihren Höhepunkt. Die Zuständigkeiten von
staatlichen Organen und Gliederungen der NSDAP wurden dabei immer mehr vermischt. Chef des RSHA, das
seinerseits ein SS-Hauptamt bildete, war der Chef der Sicherheitspolizei und des SD im Range eines
SS-Obergruppenführers Reinhard Heydrich. Nachdem dieser an den Folgen eines Attentats am 4. Juni 1942
gestorben war, führte Heinrich Himmler als „Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei“ zunächst persönlich
das RSHA, bis am 30. Januar 1943 Ernst Kaltenbrunner neuer RSHA-Chef wurde. Ein enger Mitarbeiter Heydrichs,
Walter Schellenberg, hatte sich vergeblich bemüht, Nachfolger zu werden. Nach dem Kriege wurde Kaltenbrunner
im ersten Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wegen seiner Verbrechen in dieser Funktion zum
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Reichssicherheitshauptamt
Tode verurteilt und hingerichtet.
Der Aufgabenbereich des RSHA umfasste alle „sicherheitspolitischen und nachrichtendienstlichen Belange“.
Darunter fielen auch Verhaftungen von „politisch unzuverlässigen“ Personen. Die dem RSHA unterstellten
SS-Einsatzgruppen unternahmen in den besetzten Gebieten die Bekämpfung „aller reichs- und deutschfeindlichen
Elemente“. Dies bedeutete vor allem in Polen und später in der Sowjetunion planmäßige Massaker an staatlichen und
kulturellen Repräsentanten dieser Länder, insbesondere an katholischen Priestern und kommunistischen
Funktionären, sowie an Roma und vor allem an Juden. Gegen die jüdische Bevölkerung wurden durch
Hasspropaganda auch gezielt Pogrome in Gang gesetzt. In der Sowjetunion leitete das RSHA die sogenannten
„Säuberungsaktionen“ gegen sowjetische Kommunisten und Juden. Über 500.000 Menschen fielen diesen Aktionen
zum Opfer. Im Referat IV B 4 des RSHA organisierte SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann als Synonym des
Schreibtischtäters den bürokratischen Teil der „Endlösung der Judenfrage“. Auch innenpolitisch verfügte das RSHA
über umfassende Vollmachten und nutzte vor allem die gerichtlich nicht kontrollierbare „Schutzhaft“ zur
Bekämpfung politischer wie „rassischer“ Gegner (Juden, „Zigeuner“). Die sogenannten „Meldungen aus dem Reich“
lieferten detaillierte Berichte über die Stimmung der intensiv bespitzelten Bevölkerung.
Aufbau
Mit Erlass Himmlers vom 27. September 1939 setzte sich das RSHA ab dem 1. Oktober 1939 wie folgt aus den
bisherigen Hauptämtern Sipo und SD zusammen:
• Amt I (Organisation, Verwaltung, Recht): Werner Best
• Amt Verwaltung und Recht des Hauptamtes Sipo
• Amt I des Hauptamtes SD (ohne Referat I/3)
• Abteilung I und IV des Gestapa
• Amt II (Gegnererforschung): Franz Six
• Abteilung II/1 (Gegnererforschung) und I/3 des Hauptamtes SD
• Amt III (Deutsche Lebensgebiete – SD-Inland): Otto Ohlendorf
• Abteilung II/3 (Deutsche Lebensgebiete) des Hauptamtes SD
• Amt IV (Gegnerbekämpfung – Gestapo): Heinrich Müller
• Amt Politische Polizei des Hauptamtes Sipo
• Abteilung II und III des Gestapa
• Amt V (Kriminalpolizei): Arthur Nebe
• Reichskriminalpolizeiamt
• Amt VI (SD-Ausland): Heinz Jost
• Amt III (Auslandsnachrichtendienst) Hauptamt SD
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Reichssicherheitshauptamt
Organisatorischer Aufbau des Amtes II (SD-Inland) nach dem Geschäftsverteilungsplan
vom 1. Februar 1940
Amt II (Weltanschauliche Gegnererforschung)
• II A (Grundlagenforschung): Rudolf Oebsger-Röder
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II A 1 (Presse): Helmut Mehringer
II A 2 (Bibliothek): Waldemar Beyer
II A 3 (Archiv): Paul Dittel
II A 4 (Auskunftsstelle): Karl Burmester
II A 5 (Verbindungsstelle zur Deutschen Bücherei Leipzig): Martin Nitsche
• II B (Weltanschauliche Gegnererforschung)
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II B 1 (Freimaurerei): Hans Richter
II B 2 (Judentum): Hans Richter
II B 3 (Politische Kirchen): Albert Hartl
II B 4 (Marxismus): Rolf Mühler
II B 5 (Liberalismus): Rolf Mühler
• II C (Inlandsprobleme)
• II C 1 (Kulturforschung): SS-Sturmbannführer Hans Schick
• II D (Auslandsprobleme)
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II D 1 (Ost): Erich Hengelhaupt
II D 2 (Südost): Emil Steudle
II D 3 (Süd): SS-Sturmbannführer Karl Haß
II D 4 (Frankreich): SS-Sturmbannführer Andreas Biederbick
II D 5 (?)
II D 6 (?) SS-Sturmbannführer Hanke
Im Laufe des Jahres 1940 konnte Müller Six auch den Bereich „Gegnerforschung“ entziehen. Die umfassende
Zuständigkeit des Amtes I für Personal und Organisation sprengte bald dessen Kapazität, so dass eine Teilung in ein
Amt I (Personal), ab Juni 1940 unter SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Bruno Streckenbach, und Amt
II (Organisation), ab Sommer 1940 unter SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Hans Nockemann,
erforderlich wurde. Das bisherige Amt II erhielt die neue Bezeichnung Amt VII (Weltanschauliche Forschung und
Auswertung).
Organisatorischer Aufbau nach dem Geschäftsverteilungsplan vom März 1941
Amtsleiter: Chef der Sicherheitspolizei und des SD SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich
• Amt I (Personal): Chef SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Bruno Streckenbach
• I A (Personalabteilung): SS-Standartenführer und Oberregierungsrat Walter Blume, (ab 1. April 1943
SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Gustav vom Felde)
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I A 1 (Allgemeine Personalangelegenheiten): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Robert Mohr
I A 2 (Personalien der Gestapo): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Karl Tent
I A 3 (Personalien der Kripo): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Georg Schraepel
I A 4 (Personalien des SD): SS-Sturmbannführer Fritz Braune
I A 5 (Partei- und SS-Personalien): unbesetzt
I A 6 (Fürsorge): SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Edmund Trinkl
• I B (Erziehung, Ausbildung und Schulung) SS-Standartenführer Erwin Schulz
• I B 1 (Weltanschauliche Erziehung): SS-Sturmbannführer Friedrich Engel
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I B 2 (Nachwuchs): SS-Sturmbannführer Rudolf Hotzel
I B 3 (Lehrplangestaltung der Schulen): Regierungsrat Martin Sandberger
I B 4 (Sonstige Lehrpläne): SS-Obersturmbannführer, Regierungs- und Kriminalrat Heinz Rennau
Zur Gruppe I B gehörig:
• Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg
• Grenzpolizeischule in Pretzsch
• Schule für Funker und Fernschreiber in Fulda
• Reichsschule der Sicherheitspolizei und des SD in Prag
• I C (Leibesübungen): SS-Standartenführer und Oberregierungsrat Herbert Edler von Daniels
• I C 1 (Allgemeine Angelegenheiten der Leibesübungen): unbesetzt
• I C 2 (Körperschulung und militärische Ausbildung): unbesetzt
• I D (Strafsachen): wahrgenommen von SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Bruno Streckenbach
• I D 1 (Dienststrafsachen): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Schulz
• I D 2 (SS-Disziplinarsachen): SS-Sturmbannführer Walter Haensch
• Amt II (Organisation, Verwaltung und Recht): Chef SS-Standartenführer und Oberst der Polizei Hans
Nockemann (ab 19. November 1942 SS-Obersturmbannführer Rudolf Siegert, ab 1943 SS-Standartenführer Kurt
Prietzel, ab 1. März 1944 SS-Standartenführer Josef Spacil)
• II A (Organisation und Recht): SS-Sturmbannführer und Oberregierungsrat Rudolf Bilfinger
• II A 1 (Organisation der Sipo und des SD): SS-Hauptsturmführer und Regierungsassessor Alfred Schweder
• II A 2 (Gesetzgebung): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Kurt Neifeind
• II A 3 (Justizangelegenheiten, Schadensersatzansprüche): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Friedrich
Suhr (Nachfolger von SS-Sturmbannführer Paul Mylius)
• II A 4 (Reichsverteidigungsangelegenheiten): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Walter Renken
• II A 5 (Verschiedenes: Feststellung der Volks- und Staatsfeindlichkeit, Vermögenseinziehung,
Aberkennung der Staatsangehörigkeit): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat H. Richter
• II B (Grundsatzfragen des Paßwesens und der Ausländerpolizei): Ministerialrat Johannes Krause
• II B 1 (Paßwesen I): Regierungsrat Max Hoffmann, Regierungsrat Baumann
• II B 2 (Paßwesen II): Regierungsrat Carl-Richard Weintz
• II B 3 (Ausweiswesen und Kennkarten): Regierungsrat Rolf Kelbing
• II B 4 (Grundsatzfragen für Ausländerpolizei und Grenzsicherung): Oberregierungsrat Rudolf Kröning
• II C a (Haushalt und Wirtschaft der Sipo): SS-Standartenführer und Ministerialrat Rudolf Siegert
• II C 1 ((Haushalt und Besoldung): SS-Standartenführer und Ministerialrat Rudolf Siegert
• II C 2 (Versorgung und sächliche Kosten): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Arnold Kreklow
• II C 3 (Unterkunft und Gefangenenwesen): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Rudolf Bergmann
(neben den Polizeigefängnissen auch zuständig für die Arbeitserziehungslager)
• II C 4 (Wirtschaftsstelle): SS-Sturmbannführer und Amtsrat Josef Meier
• II C b (Haushalt und Wirtschaft des SD): nicht besetzt, Vertreter SS-Obersturmbannführer Carl Brocke
• II C 7 (Haushalt und Besoldung des SD): SS-Hauptsturmführer Oskar Radtke
• II C 8 (Beschaffung, Versicherung, Verträge, Liegenschaftswesen, Bauwesen und Kraftfahrwesen):
SS-Sturmbannführer Schmidt
• II C 9 (Prüfung und Revision): SS-Sturmbannführer Arthur Wettich
• II D (Technische Angelegenheiten): SS-Obersturmbannführer Walter Rauff
• II D 1 (Funk-, Foto- und Filmwesen) SS-Sturmbannführer und Polizeirat Reiner Gottstein
• II D 2 (Fernschreib- und Fernsprechwesen): SS-Sturmbannführer und Polizeirat Walter
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• II D 3 a (Kraftfahrwesen der Sipo): SS-Hauptsturmführer und Hauptmann der Schutzpolizei Friedrich
Pradel (Mitarbeiter vom Oktober 1941 bis September 1942 August Becker als Inspekteur für die im Osten
eingesetzten Gaswagen)
• II D 3 b (Kraftfahrwesen des SD): SS-Hauptsturmführer Gast, SS-Untersturmführer Heinrich
• II D 4 (Waffenwesen): SS-Sturmbannführer und Polizeirat Erich Lutter
• II D 5 (Flugwesen): SS-Sturmbannführer und Major der Schutzpolizei Georg Leopold
• II D 6 (Bewirtschaftung der technischen Fonds der Sipo und des SD): Polizeirat Adolf Kempf
• Amt III (Deutsche Lebensgebiete – SD-Inland): Chef SS-Standartenführer Otto Ohlendorf
• III A (Fragen der Rechtsordnung und des Reichsaufbaus): SS-Sturmbannführer Karl Gengenbach, ab Ende
1941 SS-Sturmbannführer Wolfgang Reinholz
• III A 1 (Allgemeine Fragen der Lebensgebietsarbeit): SS-Hauptsturmführer Justus Beyer
• III A 2(Rechtsleben): SS-Hauptsturmführer und Regierungsrat Heinrich Malz
• III A 3 (Verfassung und Verwaltung): durch Gruppenleiter betreut, ab 1944 Erhard Mäding)
• III A 4 (Allgemeines Volksleben): unbesetzt
• III B (Volkstum): SS-Obersturmbannführer Hans Ehlich, ab Oktober 1942 Herbert Strickner
• III B 1 (Volkstumsarbeit): SS-Hauptsturmführer Heinz Hummitzsch
• III B 2 (Minderheiten): zur Zeit unbesetzt
• III B 3 (Rasse und Volksgesundheit): SS-Hauptsturmführer Schneider, Mitarbeiter ab August 1942:
Carl-Heinz Rodenberg
• III B 4 (Einwanderung und Umsiedlung): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Bruno Müller
• III B 5 (Besetzte Gebiete): SS-Sturmbannführer Eberhard Freiherr von und zu Steinfurth
• III C (Kultur): SS-Sturmbannführer Wilhelm Spengler
• III C 1 (Wissenschaft): SS-Hauptsturmführer Ernst Turowski
• III C 2 (Erziehung und religiöses Leben): SS-Hauptsturmführer Heinrich Seibert, ab Mitte 1942
SS-Hauptsturmführer Rudolf Böhmer
• III C 3 (Volkskultur und Kunst): SS-Hauptsturmführer Hans Rößner
• III C 4 (Presse, Schrifttum und Rundfunk): SS-Hauptsturmführer Walter von Kielpinski
• III D (Wirtschaft): zur Zeit unbesetzt, Vertreter SS-Sturmbannführer Willi Seibert
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III D 1 (Ernährungswirtschaft): zur Zeit unbesetzt
III D 2 (Handel, Handwerk und Verkehr): SS-Sturmbannführer Heinz Kröger
III D 3 (Industrie und Energiewirtschaft): zur Zeit unbesetzt
III D 4 (Arbeits- und Sozialwesen): SS-Sturmbannführer Hans Leetsch
• Amt IV (Gegnererforschung und -bekämpfung – Geheimes Staatspolizeiamt) SS-Brigadeführer und
Generalmajor der Polizei Heinrich Müller (Vertreter: SS-Oberführer und Oberst der Polizei Wilhelm/Willi
Krichbaum)
• IV A (Opposition): SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Friedrich Panzinger,
• IV A 1 (Kommunismus, Marxismus und Nebenorganisationen, Kriegsdelikte, illegale und
Feindpropaganda): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Josef Vogt, ab August 1941
SS-Hauptsturmführer Günther Knobloch als Sachbearbeiter für die „Ereignismeldungen der Einsatzgruppen
der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR“
• IV A 2 (Sabotageabwehr, Sabotagebekämpfung, Politisch-polizeiliche Abwehrbeauftragte, Politisches
Fälschungswesen): SS-Hauptsturmführer und Kriminalkommissar Horst Kopkow (1939
SS-Obersturmführer Bruno Sattler, ab Sommer 1940 SS-Sturmbannführer Kurt Geißler)
• IV A 3 (Reaktion, Opposition, Legitimismus, Liberalismus, Emigranten, Heimtücke-Angelegenheiten –
soweit nicht IV A 1): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Willy Litzenberg
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• IV A 4 (Schutzdienst, Attentatsmeldung, Überwachungen, Sonderaufträge, Fahndungstrupp):
SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Franz Schulz
• IV B: (Weltanschauliche Gegner): SS-Sturmbannführer Albert Hartl
• IV B 1 (Politischer Katholizismus): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Erich Roth
• IV B 2 (Politischer Protestantismus, Sekten): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Erich Roth
• IV B 3 (Sonstige Kirchen, Freimaurerei): zur Zeit unbesetzt, ab Dezember 1942 Otto-Wilhelm
Wandesleben
• IV B 4 (Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten): SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann
• IV C (Karteiwesen): SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Fritz Rang
• IV C 1 (Auswertung, Hauptkartei, Personenaktenverwaltung, Auskunftstelle, A-Kartei,
Ausländerüberwachung, Zentrale Sichtvermerkstelle): Polizeirat Paul Matzke
• IV C 2 (Schutzhaftangelegenheiten): SS-Sturmbannführer, Regierungs- und Kriminalrat Emil Berndorff
• IV C 3 (Angelegenheiten der Presse und des Schrifttums): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Ernst
Jahr
• IV C 4 (Angelegenheiten der Partei und ihrer Gliederungen): SS-Sturmbannführer und Kriminalrat Kurt
Stage
• IV D (Besetzte Gebiete): SS-Obersturmbannführer Erwin Weinmann
• IV D 1 (Protektoratsangelegenheiten, Tschechen im Reich): Gustav Jonak, ab September 1942
SS-Sturmbannführer Bruno Lettow, ab November 1943 SS-Obersturmbannführer Kurt Lischka
• IV D 2 (Gouvernementsangelegenheiten, Polen im Reich): Regierungsrat Karl Thiemann, ab Juli 1941
SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Joachim Deumling, ab Juli 1943 SS-Sturmbannführer und
Regierungsrat Harro Thomsen
• IV D 3 (Vertrauensstellen, Staatsfeindliche Ausländer): SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Erich
Schröder, ab Sommer 1941 SS-Sturmbannführer Kurt Geißler
• IV D 4 (Besetzte Gebiete: Frankreich, Luxemburg, Elsaß und Lothringen, Belgien, Holland, Norwegen,
Dänemark): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Bernhard Baatz
• IV E (Abwehr): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Walter Schellenberg; ab Juli 1941
SS-Sturmbannführer Walter Huppenkothen
• IV E 1 (Allgemeine Abwehrangelegenheiten, Erstattung von Gutachten in Hoch- und Landesverratssachen,
Werkschutz und Bewachungsgewerbe): SS-Hauptsturmführer und Kriminalkommissar Kurt Lindow
• IV E 2 (Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten, Wirtschaftsspionageabwehr): Regierungsamtmann
Sebastian
• IV E 3 (Abwehr West): SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Herbert Fischer
• IV E 4 (Abwehr Nord): Kriminaldirektor Ernst Schambacher
• IV E 5 (Abwehr Ost): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Walter Kubitzky
• IV E 6 (Abwehr Süd): SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Schmitz
• IV P (Verkehr mit ausländischen Polizeien) Kriminalrat Alwin Wipper (ab August 1941)
• Amt V (Verbrechensbekämpfung – Reichskriminalpolizeiamt) Chef SS-Brigadeführer und Generalmajor der
Polizei Arthur Nebe, ab 15. August 1944 SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Friedrich Panzinger
• V A (Kriminalpolitik und Vorbeugung): SS-Standartenführer Paul Werner
• V A 1 (Rechtsfragen, internationale Zusammenarbeit und Kriminalforschung): Regierungs- und Kriminalrat
Franz Wächter, später SS-Sturmbannführer und Regierungs- und Kriminalrat Dr. Josef Menke
• V A 2 (Vorbeugung): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Friedrich Riese
• V A 3 (Weibliche Kriminalpolizei): Regierungs- und Kriminalrat Friederike Wieking
• V B (Einsatz): Regierungs- und Kriminalrat Georg Galzow
• V B 1 (Kapitalverbrechen): Regierungs- und Kriminalrat Hans Lobbes
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Reichssicherheitshauptamt
• V B 2 (Betrug): Kriminaldirektor Rassow
• V B 3 (Sittlichkeitsverbrechen): Kriminaldirektor Gerhard Nauck
• V C (Erkennungsdienst und Fahndung): Oberregierungs- und Kriminalrat Wolfgang Berger
• V C 1 (Reichserkennungsdienstzentrale): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Müller
• V C 2 (Fahndung): Kriminaldirektor Karl Baum
• V D (Kriminaltechnisches Institut der Sicherheitspolizei): SS-Obersturmbannführer und Oberregierungs- und
Kriminalrat Dr.-Ing.habil. Walter Heeß
• V D 1 (Spurenidentifikation): SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Dr.-Ing. Walter Schade
• V D 2 (Chemie und Biologie): SS-Untersturmführer Dr.-Ing. Albert Widmann
• V D 3 (Urkundenprüfung): Kriminalrat Felix Wittlich
• Amt VI (Ausland – SD-Ausland): SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Heinz Jost, ab 1942
SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Walter Schellenberg
• VI A (Allgemeine auslandsnachrichtendienstliche Aufgaben mit sieben Referaten): SS-Obersturmbannführer
Albert Filbert, ab Januar 1944 SS-Standartenführer Martin Sandberger
• Beauftragter des Amtes VI für die Nachprüfung aller nachrichtendienstlichen Verbindungen einschließlich
der Sicherung der Verbindungs- und Kurierwege und des Einsatzes der nachrichtendienstlichen Mittel des
Amtes VI im In- und Ausland: verantwortlich Gruppenleiter VI A
• Beauftragter des Amtes VI für die Überprüfung und Sicherung der den SD-(Leit)Abschnitten gestellten
Auslandsaufgaben: unbesetzt
• Beauftragter I (West) für die SD-(Leit)Abschnitte Münster, Aachen, Bielefeld, Dortmund, Köln,
Düsseldorf, Koblenz, Kassel, Frankfurt/M., Darmstadt, Neustadt, Karlsruhe, Stuttgart:
SS-Obersturmbannführer Heinrich Bernhard
• Beauftragter II (Nord) für die SD-(Leit)Abschnitte Bremen, Braunschweig, Lüneburg, Hamburg, Kiel,
Schwerin, Stettin, Neustettin: SS-Obersturmbannführer Hermann Lehmann
• Beauftragter III (Ost) für die SD-(Leit)Abschnitte Danzig, Königsberg, Allenstein, Tilsit, Thorn, Posen,
Hohensalza, Litzmannstadt, Breslau, Liegnitz, Oppeln, Kattowitz, Troppau, Generalgouvernement:
SS-Sturmbannführer Karl von Salisch
• Beauftragter IV (Süd) für die SD-(Leit)Abschnitte Wien, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg,
München, Augsburg, Bayreuth, Nürnberg, Würzburg, Prag: SS-Sturmbannführer Hermann Lapper
• Beauftragter V (Mitte) für die SD-(Leit)Abschnitte Berlin, Potsdam, Frankfurt/O., Dresden, Halle, Leipzig,
Chemnitz, Dessau, Weimar, Magdeburg, Reichenberg, Karlsbad: SS-Obersturmbannführer Karl Thiemann
• VI B (Deutsch-italienisches Einflussgebiet in Europa, Afrika und dem Nahen Osten mit zehn Referaten, im
Plan nicht aufgeführt): zur Zeit nicht besetzt, ab 1943 SS-Standartenführer Eugen Steimle
• VI C (Osten, Russisch-japanisches Einflussgebiet mit elf Referaten, im Plan nicht aufgeführt): zur Zeit nicht
besetzt, ab April 1941 SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Heinz Gräfe
• VI C/Z (1942/43): SS-Obersturmbannführer Rudolf Oebsger-Röder
• VI D (Westen, Englisch-amerikanisches Einflussgebiet mit neun Referaten, im Plan nicht aufgeführt): nicht
besetzt, ab September 1942 SS-Sturmbannführer Theodor Paeffgen
• VI E (Erkundung weltanschaulicher Gegner im Ausland mit sechs Referaten, im Plan nicht aufgeführt):
SS-Obersturmbannführer Helmut Knochen, ab Juni 1942 SS-Obersturmbannführer Walter Hammer
• VI F (Techn. Hilfsmittel für den Nachrichtendienst im Ausland mit sieben Referaten, im Plan nicht
aufgeführt): SS-Obersturmbannführer Walter Rauff
• Amt VII (Weltanschauliche Forschung und Auswertung – SD-Ausland) Chef SS-Standartenführer Prof. Franz
Six, (Vertreter: April 1941–18. November 1943 SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Paul Mylius),
Chef ab Ende 1943 SS-Obersturmbannführer Paul Dittel
• VII A (Materialerfassung): SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Paul Mylius
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Reichssicherheitshauptamt
• VII A 1 (Bibliothek): SS-Hauptsturmführer Waldemar Beyer
• VII A 2 (Berichterstattung, Übersetzungsdienst, Sichtung und Verwertung von Pressematerial):
SS-Hauptsturmführer Helmut Mehringer
• VII A 3 (Auskunftei und Verbindungsstelle): SS-Hauptsturmführer Karl Burmester
• VII B (Auswertung): zur Zeit unbesetzt
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VII B 1 (Freimauererei und Judentum): zur Zeit unbesetzt
VII B 2 (Politische Kirchen): SS-Hauptsturmführer Friedrich Murawski
VII B 3 (Marxismus): SS-Untersturmführer Horst Mahnke, Vorauskommando Moskau der Einsatzgruppe B
VII B 4 (Andere Gegnergruppen): SS-Obersturmbannführer Rolf Mühler
VII B 5 (Wissenschaftliche Einzeluntersuchungen zu Inlandsproblemen): SS-Hauptsturmführer Hans
Schick
• VII B 6 (Wissenschaftliche Einzeluntersuchungen zu Auslandsproblemen): zur Zeit unbesetzt
• VII C (Archiv, Museum und wissenschaftliche Sonderaufträge): zur Zeit unbesetzt
• VII C 1 (Archiv): SS-Hauptsturmführer Paul Dittel
• VII C 2 (Museum): Hans Richter]
• VII C 3 (Wissenschaftliche Sonderaufträge): SS-Obersturmbannführer Rudolf Levin
1942 konnte sich Reinhard Heydrich gegenüber dem Chef des Hauptamtes Ordnungspolizei (HA Orpo), Kurt
Daluege, im Kampf um weitere Zuständigkeiten für das RSHA durchsetzen. So gingen die Zuständigkeiten der
Abteilung II des HA Orpo, also für das Passwesen, die Ausländerpolizei, das Meldewesen, Wehrersatzwesen,
Staatsangehörigkeitswesen und Auswanderungswesen sowie der Abteilung V mit dem Polizeiverwaltungsrecht,
Polizeistrafrecht, Waffenwesen und die Gesundheitspolizei an das RSHA über.
In der Fortdauer des Krieges gewannen die Referate der Gestapo für die besetzten Gebiete immer größere
Bedeutung. In einer erneuten Umorganisation des RSHA im Frühjahr 1944 wurden so die drei nachstehenden
Referatsgruppen gebildet:
• IV A (Fachreferate)
• IV B (Länderreferate)
• IV G (Grenzpolizei)
Die Fachreferate gliederten sich wie folgt:
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IV A 1 (Links- und Rechtsopposition): SS-Oberführer Friedrich Panzinger
IV A 2 (Sabotageabwehr): SS-Sturmbannführer und Kriminalrat Horst Kopkow
IV A 3 (Spionageabwehr): SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Walter Huppenkothen
IV A 4 (Weltanschauliche Gegner-Konfessionen/Juden): SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann
IV A 5 (Sonderaufträge): SS-Standartenführer Rudolf Mildner
IV A 6 (Kartei, Schutzhaft, Schutzdienst): Emil Berndorff
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IV B 1 (West- und Nordgebiete): SS-Standartenführer Humbert Achamer-Pifrader
IV B 2 (Ost- und Südostgebiete): SS-Obersturmbannführer Kurt Lischka
IV B 3 (Südgebiete): SS-Standartenführer und Kriminaldirektor Fritz Rang
IV B 4 (Paß- und Ausweiswesen): Ministerialrat Johannes Krause
IV B a A (Grundsatzfragen des Einsatzes ausländischer Arbeiter)
• IV G (Zollgrenzschutz, Grenzinspektion)
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Reichssicherheitshauptamt
Literatur
• Hans Buchheim u. a.: Anatomie des SS-Staates. 2 Bde. München 1979.
• Jacques Delarue: Geschichte der Gestapo. Athenäum, Königstein 1979.
• Hans-Jürgen Döscher: SS und Auswärtiges Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der „Endlösung“.
Ullstein, Frankfurt a.M. u. Berlin 1991.
• Robert Gellately: Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Die Durchsetzung der Rassenpolitik 1933–1945. 2.
Aufl. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1994.
• Klaus Gessner: Geheime Feldpolizei. Militärverlag der DDR, Berlin 1986.
• Christoph Graf: Politische Polizei zwischen Demokratie und Diktatur. Die Entwicklung der preußischen
politischen Polizei vom Staatsschutzkorps der Weimarer Republik zur Geheimen Staatspolizei des Dritten
Reiches. Berlin 1983.
• Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS. Gondrom, Bindlach 1990.
• Helmut Krausnick und Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen
der Sicherheitspolizei und des SD 1938–1942. Stuttgart 1981.
• Stephan Linck: Der Ordnung verpflichtet: Deutsche Polizei 1933–1949. Der Fall Flensburg. Schöningh,
Paderborn 1999.
• Gerhard Paul und Klaus-Michael Mallmann (Hg): Die Gestapo Mythos und Realität. Darmstadt 1995
• Alwin Ramme: Der Sicherheitsdienst der SS. Zu seiner Funktion im faschistischen Machtapparat und im
Besatzungsregime des sogenannten Generalgouvernements. Berlin 1970.
• Reinhard Rürup (Hg): Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt auf dem
„Prinz-Albrecht-Gelände“. Eine Dokumentation. 8. Aufl. Willmuth Arenhövel, Berlin 1991.
• Carsten Schreiber: Elite im Verborgenen. Ideologie und regionale Herrschaftspraxis des Sicherheitsdienstes der
SS und seines Netzwerks am Beispiel Sachsens. Studien zur Zeitgeschichte , Bd. 77, München 2008
• Carsten Schreiber:Generalstab des Holocaust oder akademischer Elfenbeinturm? Die ‚Gegnerforschung‘ des
Sicherheitsdienstes der SS, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts 5 (2006), S. 327-352.
• Johannes Tuchel und Reinold Schattenfroh: Zentrale des Terrors. Prinz-Albrecht-Straße 8: Das Hauptquartier
der Gestapo. Siedler, Berlin 1987
• Bernd Wegner: Hitlers politische Soldaten: Die Waffen-SS 1933–1945. 6. Aufl. Schöningh, Paderborn 1999.
• Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburger
Edition, 2002, ISBN 3-930908-75-1.
• Friedrich Wilhelm: Die Polizei im NS-Staat. Die Geschichte ihrer Organisation im Überblick. 2., durchges. u.
verbesserte Aufl. Schöningh, Paderborn 1999.
• Friedrich Zipfel: Gestapo und Sicherheitsdienst. Berlin 1960.
Siehe auch
• Organisationsstruktur der SS
• Abwehr
Weblinks
•
•
•
•
Ausführlicher Artikel zum RSHA auf Shoa.de [1]
Newsletter des Fritz-Bauer-Instituts zur Geschichte des RSHA [2]
Topographie des Terrors [3]
Dokumente u. a. über RSHA und dessen Angehörige im Simon Wiesenthal Center L.A. [4]
311
Reichssicherheitshauptamt
312
Referenzen
[1]
[2]
[3]
[4]
http:/ / www. zukunft-braucht-erinnerung. de/ drittes-reich/ herrschaftsinstrument-staat/ 190. html
http:/ / www. fritz-bauer-institut. de/ rezensionen/ nl23/ schilde. htm
http:/ / www. topographie. de/
http:/ / motlc. specialcol. wiesenthal. com/
Geheime Staatspolizei
Die Geheime Staatspolizei, auch kurz Gestapo genannt, war ein
kriminalpolizeilicher Behördenapparat und die Politische Polizei in der
Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945). Sie entstand 1933 nach
Umformung der politischen Polizeiorgane der Weimarer Republik.
1939 wurde die Gestapo in das Reichssicherheitshauptamt (Amt IV)
eingegliedert. Als Instrument des NS-Staates besaß sie weitreichende
Machtbefugnisse bei der Bekämpfung politischer Gegner. In den
Nürnberger Prozessen wurde sie zu einer verbrecherischen
Organisation erklärt.
Organisatorische Entwicklung
Verhaftete Mitglieder der Gestapo nach der
Befreiung Lüttichs durch die Alliierten
Gründung 1933 und erste Jahre bis 1936
Als am 30. Januar 1933 Adolf Hitler vom Reichspräsident Paul von
Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde, wurde zugleich
Hermann Göring zum Reichskommissar für das preußische
Innenministerium ernannt. Dieser ernannte wiederum am selben Tag
den Leiter der politischen Polizeitruppe des preußischen
Innenministeriums (3 Referate der Abteilung II), Rudolf Diels, zum
Leiter der Abteilung I A, der politischen Polizei Preußens, deren
Hauptaufgabe die Beobachtung und Bekämpfung politischer Gegner
Geheimes Staatspolizeihauptamt, früher
war. Am 3. März 1933 hob eine preußische Ministerialverordnung die
Kunstgewerbemuseum, Prinz-Albrecht-Straße 8
bis dahin geltenden Kompetenzbeschränkungen der Polizei auf. Damit
in Berlin (1933)
war ein erster Schritt zur Entlassung der Gestapo aus der Bindung an
die Gesetze vollzogen. Am 11. April wurde Göring auch preußischer
Ministerpräsident. Mit seinem Erlass vom 26. April 1933 wurde die Preußische Geheimpolizei aus dem
Polizeiapparat ausgegliedert und das Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa) gebildet, welches dem preußischen
Minister des Innern, Hermann Göring, direkt unterstellt war und die Stellung einer Landespolizeibehörde hatte. Diels
sagte einmal über die Bezeichnung Gestapa/Gestapo, es sei eine selbstständige Erfindung der Reichspost gewesen,
die den langen Namen der Dienststelle eigenmächtig abgekürzt und die verwendeten Laufstempel damit versehen
habe. Mit dem zweiten Gestapo-Gesetz vom 30. November 1933 wurde die Gestapo ein völlig selbstständiger Zweig
der inneren Verwaltung, welche direkt dem Ministerpräsidenten (Göring) unterstellt war.[1] [2] Mit Erlass vom 9.
März 1934 übertrug Göring auch die oberste Leitung der Landespolizei vom Amt des Preußischen Innenministers
Geheime Staatspolizei
313
auf das Amt des Preußischen Ministerpräsidenten bevor mit 1. Mai 1934 Wilhelm Frick auch preußischer
Innenminister wurde.
In den ersten Jahren der NS-Herrschaft war der Machtkampf um die Leitung der politischen Polizei im Reich noch
nicht entschieden. Von 1933 bis 1936 kam es zu Rivalitäten bezüglich der Umstrukturierung und Leitung der
Polizeieinheiten, vor allem zwischen Hermann Göring, Heinrich Himmler und Reichsinnenminister Wilhelm Frick.
Himmler hatte, ausgehend von Bayern, bis April 1934 nach und nach die Zuständigkeiten für die politische Polizei in
den nicht-preußischen Ländern (bis auf das kleine Schaumburg-Lippe, welches erst nach Preußen folgte) auf seine
Person vereinigt.[1] [2]
Am 1. April 1934 wurde Diels als preußischer Gestapo-Chef entlassen
und am 20. April 1934 wurde Heinrich Himmler Inspekteur und
stellvertretender Chef der preußischen Gestapo, tatsächlich hatte er
aber schon die Befehlsgewalt. Die direkte Leitung wurde an Reinhard
Heydrich, zuvor Chef der Bayrischen Politischen Polizei und dort
Himmler unterstellt, übergeben. Jetzt entwickelte sich die Gestapo zu
einer flächendeckenden Großorganisation zur Bespitzelung der
Bevölkerung und Ausschaltung von Regimegegnern, die eng mit der
SS verwoben war. Organisatorisch und rechtstechnisch wurde sie dabei
stark durch Heydrichs Stellvertreter Werner Best geprägt. Göring
versuchte noch, die Gestapo in Preußen wieder unter seine Kontrolle
zu bekommen, aber am 20. November 1934 sah er sich genötigt,
Himmler die Geschäfte der gesamten preußischen Geheimen
Staatspolizei unter dessen alleiniger Verantwortung ihm gegenüber zu
übertragen.[1] [2] Göring konzentrierte sich auf den Ausbau der
Luftwaffe.
Hermann Göring ernennt Heinrich Himmler
(links) zum Leiter der Gestapo
Entwicklung seit 1936
Am 17. Juni 1936 wurde Heinrich Himmler auf der Grundlage von
Hitlers „Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Einsetzung
eines Chefs der deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren“
[3]
zum Chef der gesamten deutschen Polizei. Damit waren die
unterschiedlichen Polizeiverbände wie Schutzpolizei, Gendarmerie und
Gemeindepolizei nicht mehr unter einer Aufsicht der Innenministerien
der Länder, sondern die Polizei wurde zentralisiert. Offiziell war er
Innenminister Wilhelm Frick unterstellt, faktisch war er aber nun der
zweitmächtigste Mann im Staat und strukturierte die Polizeiverwaltung
grundlegend um. Am 20. August 1943 wurde er dann auch
Reichsinnenminister. Himmler hatte die „Ordnungspolizei“ und die
Gestapo-Anordnung auf Schutzhaft gegen einen
„unverbesserlichen Homosexuellen“
„Sicherheitspolizei“ separat untergliedert [4] . Ihm wurde die Gestapo
nun auch nominell unterstellt. Insbesondere die Staatspolizeistellen
(politische Polizei) in den nicht-preußischen Ländern wurden zu diesem Zeitpunkt eindeutig der Gestapo zugeordnet,
wenngleich die Gauleiter, wie zum Beispiel in Hamburg, noch immer Einfluss auf die Arbeit der Staatspolizeistellen
nahmen. Die Gestapo wurde mit der Kriminalpolizei in dem Amt Sicherheitspolizei (Sipo) zusammengelegt, deren
Leitung wiederum Reinhard Heydrich übernahm. Unmittelbar zuständig für die Bekämpfung der Regimegegner war
Geheime Staatspolizei
die Gestapo als Abteilung II (Politische Polizei), deren Leitung Heinrich Müller innehatte. Zusätzlich wurde die
Gestapo nun zu einem Repressionsinstrument, um gegen die politischen Gegner des Nationalsozialismus
vorzugehen. Juden, Homosexuelle, so genannte „Asoziale“ und „Arbeitsscheue“ sowie die im Untergrund aktiven
Zeugen Jehovas gerieten in ihr Visier.
Zusammenschluss zum Reichssicherheitshauptamt 1939
1939 erfolgte die nächste Änderung: Gestapo und Kriminalpolizei wurden als Teile der Sicherheitspolizei mit dem
Sicherheitsdienst (SD) zum Reichssicherheitshauptamt (RSHA) zusammengeschlossen. Die Gestapo firmierte nun
als Abteilung IV des RSHA mit der Bezeichnung „Gegnerbekämpfung“ und stand neben den Abteilungen für
„Gegnerforschung“, „Deutsche Lebensgebiete“ und dem ehemaligen Auslandsdienst, die alle aus dem SD
hervorgegangen waren. Diese Position im Gefüge des NS-Staats sollte die Gestapo bis 1945 behalten. Die Gestapo
war damit bis zu ihrer Auflösung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Teil eines Machtkonglomerats geworden,
in dem die Unterscheidung zwischen eigentlicher Polizeibehörde und den zur SS, also einer politischen
Organisation, gehörenden Organisationseinheiten kaum mehr möglich war.
Parallel zum Wandel der Unterstellungsverhältnisse veränderte sich auch die Binnengliederung der Gestapo: Nach
Gründung gliederte sie sich in zehn Dezernate, von denen eins für Generalia und eines für Schutzhaftsachen
zuständig war. Die übrigen acht Dezernate hatten zur Aufgabe, je eine politische Bewegung zu überwachen. An
diesem Organisationsprinzip hielt die Gestapo auch fest, nachdem sie Himmler und Heydrich unterstellt worden war,
und jetzt aus drei Hauptabteilungen (Verwaltung, Politische Polizei, Abwehrpolizei) bestand. Als sie 1936 mit der
Kriminalpolizei zur Sicherheitspolizei zusammengefasst wurde, entstand ein Amt für Verwaltung und Personal, das
die Belange beider Polizeieinrichtungen regelte. Der Zusammenschluss der Sicherheitspolizei mit dem SD zum
RSHA veränderte an dieser Aufteilung nichts, so dass die Gestapo dem Geschäftsverteilungsplan nach eine
Fachabteilung im RSHA bildete. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Fachreferate, die sich auf die
Verfolgung je einer Gegnergruppe konzentrierten, ergänzt durch Länderreferate, die für die besetzten Gebiete
zuständig waren. Die Abwehrpolizei wurde schließlich in das Referat Grenzpolizei umbenannt und überwachte das
Zoll- und Einreisegeschehen.
Entwicklung der Mitarbeiterzahl
Mit diversen organisatorischen Veränderungen und dem steigenden Aufgabenumfang einhergehend, nahm die
Mitarbeiterzahl der Gestapo ständig zu. War das Geheime Staatspolizeiamt 1933 mit unter 50 Mitarbeitern eine
Stabsorganisation zur Koordination der während der Konsolidierungsphase des Regimes durchgeführten
Unterdrückungsmaßnahmen gegen politische Gegner, bot die Gestapo 1935 ein anderes Bild. Mit ungefähr 4.200
Mitarbeitern[5] bildeten das Staatspolizeiamt und die Leitstellen 1935 ihren reichsweit ausgebauten Überwachungsund Verfolgungsapparat. Für 1937 ist eine Gesamtstärke von 7.000 Bediensteten anzunehmen. Für 1941 waren
14.835 Gestapoangehörige auf den Gehaltslisten verzeichnet, von denen jedoch rund 4.000 außerhalb des Reiches
eingesetzt wurden. Mit dem Ausbruch des Weltkriegs dehnte die Gestapo ihre Verfolgungsmaßnahmen nicht nur
räumlich aus, sondern bekämpfte auch neue Gegnergruppen, womit am Ende des Dritten Reichs nicht weniger als
31.000 Mann beschäftigt waren. [6]
314
Geheime Staatspolizei
Staatspolizeiliche Praxis und Gegnergruppen
In den Anfangsjahren baute die Gestapo eine intensive innenpolitische
Berichterstattung auf. Die verschiedenen Staatspolizeistellen
informierten die NS-Behörden ausführlich über die Zustimmung, die
das Regime von Seiten der Bevölkerung erfuhr. Diese Tätigkeit wurde
1936 eingestellt und ein Jahr später dem SD übertragen, da den
Gestapo-Berichten, die eine brüchige Loyalität der Bevölkerung
feststellten, vorgeworfen wurden, einem Defätismus Vorschub zu
leisten. Grundlage hierfür war der Funktionstrennungserlass vom 1.
Juli 1937, in dem Heydrich die unterschiedlichen Aufgabenbereiche
Haupthalle des Geheimen Staatspolizeiamtes in
von SD und Gestapo regelte: Die Gestapo war ausschließlich für die
Berlin, 1934
Beobachtung und Bekämpfung von Marxismus, Landesverrat und
Emigration – und damit den handfesten politischen Widerstand –
zuständig. Auf zahlreichen weiteren Gebieten teilten sich beide Geheimdienste die Beobachtung, die vom SD aber
nur in Hinblick auf die Stimmungslage der Bevölkerung ausgewertet wurde. Informationen, die er über politische
Gegner gewann, reichte er an die Gestapo weiter, die Verfolgungsmaßnahmen einleitete.
Denn deren ausschließliche Aufgabe seit 1936 war die Bekämpfung der politischen und ideologischen Gegner von
Regime und Nationalsozialismus. Dabei verfügte sie über ein breites Instrumentarium, das bei verhältnismäßig
harmlosen Geldstrafen und Wirtshausverboten anfing und in den seriellen Exekutionen politischer Gegner des
NS-Regimes während der letzten Kriegsjahre eine extreme Zuspitzung erfuhr. Allen diesen Maßnahmen war
gemeinsam, dass sie ohne Überprüfung der Gerichte oder anderer Verwaltungsbehörden angeordnet und
durchgeführt wurden. Nur wenn die Gestapo es für zweckdienlich hielt, beispielsweise bei der Verfolgung
prominenter Regimegegner, gab sie die Fälle an die, freilich seit 1933 auch gründlich nazifizierte, Justiz ab.
Wichtigstes Instrument der Gestapo, um politische Gegner des Nationalsozialismus zu bekämpfen, war die so
genannte Schutzhaft. Diese diente vor 1933 nur der kurzfristigen Verwahrung von Personen. Durch die
Notverordnung nach dem Reichstagsbrand wurden aber Befristungen wie die richterliche Überprüfung aufgehoben.
Durch einen Erlass des Reichsministers des Innern vom 25. Januar 1938 durfte nur das Geheime Staatspolizeiamt in
Berlin Schutzhaft anordnen. Diese wurde grundsätzlich in Konzentrationslagern vollstreckt; nicht selten wurde die
Gelegenheit genutzt, den politischen Gegner umzubringen. Dies gab der Gestapo ein Instrument in die Hand,
unliebsame Justizurteile zu korrigieren: Hatten die Betroffenen eine von den Gerichten verhängte Strafe vollzogen,
so wurden sie auf Grund der gleichen Vorwürfe nach ihrer Freilassung in Schutzhaft genommen und in ein
Konzentrationslager eingewiesen.
Die Bekämpfung von politischen Gegnern war ein Schwerpunkt der Arbeit der Gestapo. In den Anfangsjahren
infiltrierte die Gestapo konspirative Gruppen, die sich aus den verbotenen politischen Parteien entwickelt hatten.
Dabei wurden Mitglieder dieser Organisationen durch Drohung und materielle Vorteile zur Kooperation bewegt.
Diese V-Leute sorgten dafür, dass ein organisierter Widerstand vor Kriegsbeginn zerschlagen wurde. Um politische
Gegnergruppen in den späteren Jahren zu bekämpfen, wurden Sonderkommissionen eingesetzt, so zum Beispiel nach
der Ermordung Heydrichs oder dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Informationen wurden in brutalen Foltern
erzwungen und in den anschließenden Prozessen verwendet. Die Aufdeckung der Roten Kapelle wollte die Gestapo
nutzen, um den sowjetischen Kriegsgegner in Zusammenarbeit mit der Wehrmacht mit Funkspielen zu täuschen. Die
Gestapo bekämpfte auch kritische Meinungsäußerungen zum Regime, die durch das Heimtückegesetz für illegal
erklärt worden waren, wofür sie Denunziationen nutzte.
315
Geheime Staatspolizei
Parallel zu der Bekämpfung von politischen Gegnern, die der
Stabilisierung des Regimes dienen sollte, fanden auch die
ideologischen Ziele des NS Eingang in die Arbeit der Gestapo, so dass
auch weltanschauliche Gegner wie zum Beispiel Homosexuelle oder
„Arbeitsscheue“ ins Visier der Geheimpolizei gerieten.
Die Maßnahmen gegen Homosexuelle verschärften sich im Laufe des
Dritten Reichs massiv. Verließ sich die Gestapo in den Anfangsjahren
des Regimes noch auf Razzien in der Szene und gab die meisten Fälle
Briefmarke mit Abbildung von
an die Justiz weiter, so setzte sie in späteren Jahren auf Denunziation
Widerstandskämpfern der Roten Kapelle
und setzte eine rücksichtslose Inhaftierung in Konzentrationslagern
durch. Zynischerweise wurde ihnen die Wahl zwischen Kastration und
weiterer Inhaftierung gelassen. Sogenannte Asoziale wurden in den Anfangsjahren mit Schutzhaft drangsaliert,
später bündelte die Gestapo diese Verfolgungsmaßnahmen. 1940 wurden sogenannte Arbeitserziehungslager (AEL)
eingerichtet, in welche Menschen wegen „Nichterfüllung ihrer Arbeitspflicht“ eingeliefert werden konnten. Nach
einem Runderlass des Reichsführers-SS vom 15. Dezember 1942 wurden zusätzlich in den größeren Betrieben, in
deren Nähe kein Arbeitserziehungslager war, Erziehungslager unter Leitung der Staatspolizeileitstellen eingerichtet,
in denen die Häftlinge durch Angehörige des Werkschutzes bewacht wurden.
Während des Kriegs erweiterte die Gestapo ihre Verfolgungsmaßnahmen auf neue Gegnergruppen. Die zahllosen
Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter mussten überwacht werden, was ungefähr die Hälfte des Personals band. Im
Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen dabei Bummelei, Sabotage in den Betrieben und Arbeitsniederlegungen
sowie unerlaubter Umgang mit Deutschen, beispielsweise Geschäfte auf dem Schwarzmarkt oder sexueller Verkehr.
In der zweiten Kriegshälfte organisierte sich der Widerstand der Zwangsarbeiter entweder konspirativ in den
Betrieben oder, im Falle von entflohenen Zwangsarbeitern, in Form kleiner Gruppen, die sich in den Großstädten
versteckten. Die Gestapo griff daraufhin zu immer brutaleren Methoden, gerade osteuropäische und sowjetische
Zwangsarbeiter wurden zahlreich und ohne Gerichtsverfahren exekutiert. Auch in den besetzten Ländern war die
Gestapo tätig und bekämpfte die dortigen Widerstandsbewegungen. Die brutale Behandlung ganzer
Bevölkerungskreise sollte eine direkte Fortsetzung in Deutschland finden, nachdem sich die Wehrmacht aus immer
mehr Ländern hatte zurückziehen müssen. Während der letzten Kriegsmonate exekutierte die Gestapo vielerorts
unterschiedslos ihre Gefangenen, bevor die Orte von alliierten Truppen eingenommen wurden.
Zudem übernahm die Gestapo während des Zweiten Weltkriegs entscheidende Funktionen im Zusammenhang mit
der Verfolgung, Deportation und Ermordung der europäischen Juden. Wie auch andere Polizeiformationen wurden
Gestapo-Männer zu den Einsatzgruppen abkommandiert, die hinter der Front summarische Exekutionen
durchführten. Doch die wichtigere Rolle bei der Ermordung des europäischen Judentums spielte die Gestapo nicht in
den neu eroberten Gebieten, sondern in Berlin, dem politischen Zentrum des Dritten Reichs. Das berüchtigte
Judenreferat unter Adolf Eichmann war eine Gestapo-Dienststelle (IV B 4) im RSHA, von wo aus die anti-jüdischen
Maßnahmen koordiniert wurden. Die Deportation von Juden aus Deutschland wurde unter der Federführung der
Gestapo als arbeitsteiliger und bürokratischer Prozess durchgeführt, in dem die Geheimpolizei eng mit der
Reichsbahn zusammenarbeitete und sich der lokalen Polizeidienststellen bediente. Ihren Abschluss fand diese
generalstabsmäßige Vernichtung in der Fabrikaktion, an deren Planung und Durchführung die Gestapo ebenso
maßgeblich beteiligt war. Doch auch vorangegangene Diskriminierungsmaßnahmen wie zum Beispiel die
Einweisung in Judenhäuser wurden von der Gestapo geplant und von den Stapoleitstellen implementiert.
316
Geheime Staatspolizei
Gestapo und die NS-Bewegung
Die Führungselite der Geheimpolizei rekrutierte sich aus einem überwiegend bürgerlichen Hintergrund. Es handelte
sich dabei um junge Karriereakademiker, die fast ausnahmslos Juristen und zu einem erheblichen Teil promoviert
waren. Bis auf wenige Ausnahmen hatten alle Stapo-Stellenleiter ein Abitur.[7] Zu diesem hohen Bildungsstand
kamen nicht selten eine gewisse Distanz auch zu einzelnen Positionen des Nationalsozialismus, bzw. zu dessen
Charakter als Massen- und Parteibewegung. Als Generation der „neuen Sachlichkeit“, die ihre politische
Sozialisation in den instabilen 20er Jahren gewonnen hatte, waren ihre Mitglieder karrieregeleitet, oft völkisch
orientiert, elitär und anti-republikanisch.[8] Sie stellten die Effektivität und Effizienz des staatlichen
Verwaltungshandelns und ein tatorientiertes Führerprinzip über eine Einhegung durch Grundrechte und
rechtsstaatliche Prinzipien.
Diese Mentalität zeigt sich an der Mitgliedschaft von Gestapo-Angehörigen in politischen Organisationen. Ein
wesentlicher Teil, etwa zwei Drittel, war in einer NS-Organisation engagiert. In der Zentrale setzte sich frühzeitig
eine enge Bindung an den SS-Staat durch: 49,9 % der Mitglieder gehörten der SS an, 31,1 % dem SD und damit den
elitärsten Organisationen innerhalb der NS-Bewegung. Gerade diese Mitgliedschaften begründeten ein besonderes
Treuverhältnis, denn diese Gestapo-Angehörigen waren Himmler nicht nur als Dienstherrn, sondern auch in seiner
Funktion als Reichsführer SS unterstellt. Demgegenüber taten sich zwischen den regionalen Dienststellen erhebliche
Unterschiede auf, beispielsweise gehörten viele Gestapo-Angehörige in den westfälischen Ablegern der SA an. Die
enge Verzahnung zwischen eigentlich staatlicher Gestapo und dem SD als Geheimdienst der NS-Bewegung zeigte
sich auch in einem regen personellen Austausch zwischen beiden Organisationen.
Rapider personeller Ausbau der Gestapo, Personalauswahl und Durchdringung durch die NS-Bewegung
beeinflussten sich gegenseitig: In den Anfangsjahren wurde hauptsächlich aus dem Polizeidienst rekrutiert[9] , und es
wurde auf die Mitgliedschaft in einer NS-Organisation gedrängt. In den späteren Jahren kehrte sich dieser
Zusammenhang um. Das fachlich hohe Qualifikationsniveau konnte nicht mehr gehalten werden und in
Schnellkursen ausgebildete SS-Männer traten in den Dienst ein, so dass de facto die SS-Mitgliedschaft zu einem
wichtigen Kriterium der Personalauswahl wurde.
Gestapo und die deutsche Gesellschaft
Allerdings bewertet die historische Forschung die Gestapo, ihrem erheblichen Personalzuwachs zum Trotz, nicht
mehr wie noch in den 50er und 60er Jahren als eine allmächtige Organisation, die quasi die gesamte deutsche
Gesellschaft flächendeckend observierte. Dieser „Gestapo-Mythos“ wurde von Heydrich und anderen Mitarbeitern in
der Öffentlichkeit gepflegt, um die Wirkung der Verfolgungsmaßnahmen zu übertreiben. Er entsprach aber nicht der
Realität.[10] Vielmehr kamen in der am besten observierten Großstadt, Berlin, rund 4.000 Einwohner auf einen
Gestapobeamten, in der preußischen Provinz musste sich ein Geheimdienstmitarbeiter um die regimefeindlichen
Bestrebungen von 25.000 Bewohnern kümmern.
Die Gestapo konnte sich somit nicht nur auf ihre eigenen Operationen verlassen, da ihr Personal dafür nicht
ausreichte, sondern war auf Zuarbeit aus der Bevölkerung angewiesen. Dies erfolgte durch das Anwerben von
V-Leuten, während des Zweiten Weltkriegs aber verstärkt durch Denunziationen, die aus der Mitte der Bevölkerung
kamen.
V-Leute wurden von der Gestapo hauptsächlich in den gegenüber dem Nationalsozialismus resistenten Gruppen wie
der sozialdemokratisch oder kommunistisch geprägten Arbeiterschaft oder dem katholischen Milieu geworben.
Während des Kriegs rekrutierte die Gestapo V-Leute auch aus dem Kreis der Zwangsarbeiter, um diese Gruppe
besser kontrollieren zu können. Als wichtigste Motive der V-Leute zur Mitarbeit sind Drohung mit Schutzhaft,
materielle Vorteile und ideologische Überzeugung zu nennen. Entsprechend unterschiedlich gestaltete sich die
Kooperation zwischen V-Leuten und Gestapo: Hinhaltende Informierung der Gestapo, um die Mitglieder der
eigenen Gruppe zu schützen, stand neben aktiver Mitarbeit bei der Verfolgung.
317
Geheime Staatspolizei
Als eine weitere Quelle erschloss sich die Gestapo Denunziationen, also Hinweise aus der Bevölkerung zu
Verbrechen. Diese betrafen zumeist Handlungen und Äußerungen, die von dem Regime kriminalisiert wurden,
beispielsweise wurden politische Bewertungen der Beschuldigten weitergetragen und bildeten die Grundlage für
Ermittlungen, Schutzhaftverfahren und Prozesse. Dabei wandten sich die Denunzianten selten direkt an die Gestapo,
vielmehr wurden die Anzeigen häufig von der Schutzpolizei oder von der Partei weitergegeben. Gerade die
NS-Organisationen nutzten die ihnen zugetragenen Informationen auch nach eigenem Gutdünken und gaben diese
erst anschließend an die Gestapo weiter. Auch wenn keine Zahlen für das gesamte Reichsgebiet vorliegen, so zeigen
zahlreiche Lokalstudien die überragende Bedeutung der Denunziationen für die Praxis der Gestapo. Manche
Historiker spitzten dies zu der These zu, dass die deutsche Gesellschaft während des Dritten Reichs eine „sich selbst
überwachende Gesellschaft“[11] sei, da die Mehrheit der Bevölkerung die Ziele Hitlers geteilt habe.
Gelang es der Gestapo also scheinbar, erhebliche Teile der Bevölkerung für das Regime in Dienst zu stellen, so
erwiesen sich Denunziationen in der Praxis als problematisch. Ähnlich wie bei der Rekrutierung von V-Leuten kann
von einer erheblichen Bandbreite an Denunzianten, Beschuldigten und mutmaßlichen Motiven für Denunziationen
ausgegangen werden. Aus der Vielzahl von Einzelfällen hat die Geschichtsforschung freilich ein häufig
wiederkehrendes Muster herausgearbeitet: Denunziationen gingen zu einem erheblichen Teil von obrigkeitshörigen,
wenig vermögenden, einkommens- und bildungsschwachen sozialen Kreisen aus und richteten sich
überdurchschnittlich häufig gegen höhere soziale Schichten der Gesellschaft. Auch die Gestapo erkannte diese
Instrumentalisierung der Denunziation zum Ausleben sozialer Konflikte, ohne dieser Schwierigkeit in der
staatspolizeilichen Praxis begegnen zu wollen.
Nachgeschichte der Gestapo
Die Gestapo war in den Nürnberger Prozessen zu einer verbrecherischen Organisation erklärt worden. Hohe
Funktionsträger mussten sich in den Nachfolgeprozessen verantworten oder wurden im europäischen Ausland für
ihre Taten verurteilt. Das Verhalten der mittleren und unteren Ränge wurde durch die Spruchkammerverfahren
juristisch bewertet, was in vielen Fällen eine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst unmöglich machte. Für die
meisten ehemaligen Gestapomitglieder bedeutete das Ende des Zweiten Weltkriegs also einen scharfen Einschnitt,
auch wenn sie untertauchten oder aus Deutschland flohen.
Nicht selten mussten ehemalige Gestapo-Angehörige in den ersten Nachkriegsjahren mit dequalifizierten Tätigkeiten
ihren Lebensunterhalt bestreiten. 1951 amnestierte der amerikanische Hochkommissar John McCloy zahlreiche von
ihnen, der im gleichen Jahr in das Grundgesetz eingefügte Artikel 131 erleichterte die Wiederanstellung von
belasteten Beamten. In Folge dieser Entscheidungen rückten in den 50er Jahren zahlreiche ehemalige
Gestapo-Mitarbeiter wieder in die Polizei- und Justizapparate der Bundesrepublik ein. Es kann also von einer
schleichenden und stillen Integration der Mitarbeiter dieser Organisation des Dritten Reichs in die Gesellschaft
Nachkriegsdeutschlands gesprochen werden, da diese nach 1945 weder durch politische Äußerungen noch durch
Trauerarbeit, also eine Reflexion ihrer eigenen Rolle im NS-Staat, auffielen.
Auch über den Zweiten Weltkrieg hinaus wurde bzw. wird der Begriff „Gestapo“ für ähnliche Einrichtungen in
anderen Ländern verwendet. Noch heute wird das Sicherheitsbüro der französischen Fremdenlegion (Légion
étrangère) von vielen (ehemaligen) Fremdenlegionären mit Gestapo oder Deuxième Bureau (dt.: Abteilung II)
bezeichnet. Eine der wichtigsten Überlieferungen zur Gestapo lagert im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, wo die
Tätigkeit dieser Geheimpolizei im Rheinland dokumentiert ist.
318
Geheime Staatspolizei
Gestapo als Amt IV des RSHA
Im Geschäftsverteilungsplan Mäh vom März 1941 stellt sich die Gestapo als Amt IV organisatorisch und personell
wie folgt dar:
• Amt IV (Gegnererforschung und -bekämpfung – Geheimes Staatspolizeiamt) SS-Brigadeführer und
Generalmajor der Polizei Heinrich Müller (später Gruppenführer) (Vertreter: SS-Oberführer und Oberst der
Polizei Wilhelm/Willi Krichbaum)
• IV A (Gegnerbekämpfung): SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Friedrich Panzinger
• IV A 1 (Kommunismus, Marxismus und Nebenorganisationen, Kriegsdelikte, illegale und
Feindpropaganda): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Josef Vogt, ab August 1941
SS-Hauptsturmführer Günther Knobloch als Sachbearbeiter für die „Ereignismeldungen der Einsatzgruppen
der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR“
• IV A 2 (Sabotageabwehr, Sabotagebekämpfung, Politisch-polizeiliche Abwehrbeauftragte, Politisches
Fälschungswesen): SS-Hauptsturmführer und Kriminalkommissar Horst Kopkow (1939
SS-Obersturmführer Bruno Sattler, ab Sommer 1940 SS-Sturmbannführer Kurt Geißler)
• IV A 3 (Reaktion, Opposition, Legitimismus, Liberalismus, Emigranten, Heimtücke-Angelegenheiten –
soweit nicht IV A 1): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Willy Litzenberg
• IV A 4 (Schutzdienst, Attentatsmeldung, Überwachungen, Sonderaufträge, Fahndungstrupp):
SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Franz Schulz
• IV B: (Sekten): SS-Sturmbannführer Albert Hartl
• IV B 1 (Politischer Katholizismus): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Erich Roth
• IV B 2 (Politischer Protestantismus, Sekten): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Erich Roth
• IV B 3 (Sonstige Kirchen, Freimaurerei): zur Zeit unbesetzt, ab Dezember 1942 Otto-Wilhelm
Wandesleben
• IV B 4 (Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten): SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann
• IV C (Karteiwesen): SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Fritz Rang
• IV C 1 (Auswertung, Hauptkartei, Personenaktenverwaltung, Auskunftstelle, A-Kartei,
Ausländerüberwachung, Zentrale Sichtvermerkstelle): Polizeirat Paul Matzke
• IV C 2 (Schutzhaftangelegenheiten): SS-Sturmbannführer, Regierungs- und Kriminalrat Emil Berndorff
• IV C 3 (Angelegenheiten der Presse und des Schrifttums): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Ernst
Jahr
• IV C 4 (Angelegenheiten der Partei und ihrer Gliederungen): SS-Sturmbannführer und Kriminalrat Kurt
Stage
• IV D (Besetzte Gebiete): SS-Obersturmbannführer Erwin Weinmann
• IV D 1 (Protektoratsangelegenheiten, Tschechen im Reich): Gustav Jonak, ab September 1942
SS-Sturmbannführer Bruno Lettow, ab November 1943 SS-Obersturmbannführer Kurt Lischka
• IV D 2 (Gouvernementsangelegenheiten, Polen im Reich): Regierungsrat Karl Thiemann, ab Juli 1941
SS-Obersturmbannführer und Oberregierungsrat Joachim Deumling, ab Juli 1943 SS-Sturmbannführer und
Regierungsrat Harro Thomsen
• IV D 3 (Vertrauensstellen, Staatsfeindliche Ausländer): SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Erich
Schröder, ab Sommer 1941 SS-Sturmbannführer Kurt Geißler
• IV D 4 (Besetzte Gebiete: Frankreich, Luxemburg, Elsaß und Lothringen, Belgien, Holland, Norwegen,
Dänemark): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Bernhard Baatz
• IV E (Abwehr): SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Walter Schellenberg; ab Juli 1941
SS-Sturmbannführer Walter Huppenkothen
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Geheime Staatspolizei
320
• IV E 1 (Allgemeine Abwehrangelegenheiten, Erstattung von Gutachten in Hoch- und Landesverratssachen,
Werkschutz und Bewachungsgewerbe): SS-Hauptsturmführer und Kriminalkommissar Kurt Lindow
• IV E 2 (Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten, Wirtschaftsspionageabwehr): Regierungsamtmann
Sebastian
• IV E 3 (Abwehr West): SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Herbert Fischer
• IV E 4 (Abwehr Nord): Kriminaldirektor Ernst Schambacher
• IV E 5 (Abwehr Ost): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Walter Kubitzky
• IV E 6 (Abwehr Süd): SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Schmitz
• IV P (Verkehr mit ausländischen Polizeien) Kriminalrat Alwin Wipper (ab August 1941)
Gebäudereste der Topographie des Terrors
Als Topographie des Terrors wird ein seit 1987 bestehendes Museumsprojekt in Berlin bezeichnet. Dabei wird auf
dem Gelände der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße 8, heute Niederkirchnerstraße 8 im Stadtbezirk Kreuzberg, dem
Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei in einer ehemaligen Kunstgewerbeschule angestrebt, den Terrorapparat
der Nationalsozialisten zu dokumentieren. In unmittelbarer Nachbarschaft lag das Prinz-Albrecht-Palais in der
Wilhelmstraße 102, das seit 1934 zur Zentrale des Sicherheitsdiensts (SD) der SS und ab 1939 auch des
Reichssicherheitshauptamts (RSHA) wurde. Das vormalige Hotel Prinz-Albrecht, Prinz-Albrecht-Straße 9, war ab
1934 der Sitz der „Reichsführung SS“. Dieses Gebäude-Ensemble [12] fasst man heute unter dem Begriff
„Prinz-Albrecht-Gelände“ zusammen. Die Dokumentationsstätte in der Niederkirchnerstraße 8 zählt zu den
staatlichen Museen in Berlin. In diesem Gebäudekomplex gab es Gefängniszellen und Opfer berichteten von Folter
bei den Verhören.
Gestapo in Österreich
Mit Erlass Himmlers vom 18. März 1938 wurde die Staatspolizeileitstelle Wien sowie Staatspolizeistellen in Linz,
Salzburg, Klagenfurt, Innsbruck und Eisenstadt errichtet. Nach der Einteilung der österreichischen Bundesländer in
Reichsgaue wurde die Stapostelle Eisenstadt zwischen Wien und Graz aufgeteilt. In Wiener Neustadt, St. Pölten und
Znaim wurden Außenstellen der Stapostelle Wien geschaffen. Die Stapoleitstelle Wien konnte den anderen
Stapostellen Weisungen erteilen und Berichte anfordern. Jede Stapostelle unterstand außerdem unmittelbar dem
Geheimen Staatspolizeiamt (Gestapa), später dem Reichssicherheitshauptamt. Auch der jeweilige Höhere SS- und
Polizeiführer konnte den Stapostellen Weisungen geben. Die Stapostellen ihrerseits konnten sich der Behörden von
Kreis- und Ordnungspolizei bedienen. Zwischen 1940 und 1944 wurden die Stapostellen von Berlin aus direkt und
ohne Einschalten der Stapoleitstelle Wien gelenkt.
Staatspolizeileitstelle Wien
Die Wiener Gestapo mit Sitz im ehemaligen Hotel Metropol am
Morzinplatz war mit rund 900 Mitarbeitern die größte
Gestapo-Dienststelle im Deutschen Reich. Tag für Tag wurden hier bis
zu 500 Menschen zur Einvernahme vorgeladen oder nach erfolgter
Verhaftung eingeliefert. Karl Ebner, der stellvertretende Leiter der
Wiener
Gestapo-Leitstelle,
nannte
das
euphemistisch
„Parteienverkehr“. Insgesamt dürften mindestens 50.000 Personen in
die Mühlen von Wiens Gestapo geraten sein. Circa 12.000 Menschen
sind in der vorliegenden Erkennungsdienstlichen Kartei der Wiener
Gestapo
erfasst;
Fotos
wurden
angefertigt
und
auf
„Photographierscheinen“ wurde die „Verbrecherklasse“ verzeichnet.
Das ehemalige Hotel Metropol am Morzinplatz,
von 1938–1945 Sitz der Wiener Gestapo
Geheime Staatspolizei
321
Die von der Gestapo verhafteten Bürger wurden durch einen Hintereingang in der Salztorgasse direkt in den Keller
verschafft, der als Gefängnis und Folterkammer diente. Durch physische und psychische Gewalt wurden hier – nicht
selten mit Todesfolge – Geständnisse und Denunziationen erpresst. Bereits die erste große Verhaftungswelle im
März und April 1938, die vor allem namhafte Gegner des Nationalsozialismus und Juden zum Ziel hatte, wurde von
der Gestapo im Hotel Metropol koordiniert, ebenso die folgenden Deportationstransporte in die Konzentrationslager.
Die Wiener Leitstelle galt den Nationalsozialisten als „erfolgreichste Gestapo-Zentrale des Reichs“.
Leiter der Gestapo in Wien war von März bis Dezember 1938 der bayrische Kriminalrat und spätere
SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Franz Josef Huber, der schon in der Weimarer Republik bei der
Kriminalpolizei in München tätig war. SS-Standartenführer Rudolf Mildner wurde sein Nachfolger. Huber gilt als
einer der der NS-Hauptverbrecher in Österreich. Er wurde nach dem Krieg in der Bundesrepublik als
„Minderbelasteter“ eingestuft und mit 500 D-Mark Geldbuße und einem Jahr Gefängnis bedingt in Freiheit entlassen.
Er genoss den Schutz der amerikanischen Behörden, weil er sich rechtzeitig mit ihnen arrangierte.
SS-Obersturmbannführer (1943) Karl Ebner, der stellvertretende Leiter der Gestapo-Leitstelle in Wien, der als
Mitglied des Cartell-Verbandes in der ersten Republik und im Ständestaat in der Polizei seine Karriere begonnen
hatte, verfolgte als Abteilungsleiter des Judenreferats (II B 4, später IV B 4) in Wien insbesondere Kommunistische
Widerstandskämpfer und Juden rücksichtslos.[13] Ebner wurde 1948 vom Volksgericht zu 20 Jahren Kerker
verurteilt und durch Bundespräsident Theodor Körner bereits 1953 begnadigt.
Am 12. März 1945 brannte das Gebäude nach Bombentreffern aus und wurde später abgerissen. 1968 wurde an der
Stelle der ehemaligen Gestapo-Zentrale der Leopold Figl-Hof errichtet. An dessen Vorderseite befindet sich ein
Relief zur Erinnerung an die Opfer der Gestapo, an der Hinterseite ein Gedenkraum (Eingang Salztorgasse 6). An
gleicher Adresse führte Simon Wiesenthal – der auch hier wohnte – sein Dokumentationszentrum. Vis a vis der
Front des ehemaligen Sitzes der Gestapo-Zentrale steht heute ein Mahnmal.
Das so benannte Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft
(auch: Denkmal für die Opfer des Faschismus) auf dem Morzinplatz
wurde 1985 auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Verbände
von der Stadt Wien errichtet. Bestandteil des heutigen Denkmals ist ein
Gedenkstein mit Inschrift, der dort 1951 im Rahmen einer
Kundgebung des KZ-Verbandes enthüllt wurde. Die Inschrift stammt
von dem damaligen Präsidenten des KZ-Verbandes, Wilhelm Steiner,
und lautet:[14]
Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft
auf dem Morzinplatz
Oberer Steinquader des Morzinplatz-Denkmals,
mit Inschrift
in
Trümmer
gesunken
„Hier stand das
Haus
der
Gestapo.
Es
war für die
Bekenner
Österreichs die
Hölle. Es war
für viele von
ihnen
der
Vorhof
des
Todes. Es ist
wie
das
Geheime Staatspolizei
322
tausendjährige
Reich.
Österreich aber
ist
wiederauferstanden
und mit ihm
unsere Toten.
Die
unsterblichen
Opfer.“[14]
Unterer Bereich des Morzinplatz-Denkmals (links
der 1951 errichtete Gedenkstein mit Inschrift)
Die Stadt Wien nahm den vom KZ-Verband gestifteten und ohne
behördliche Bewilligung errichteten Gedenkstein in ihre Obhut und in den folgenden Jahren fanden hier viele, zum
Teil internationale Kundgebungen statt.[14] Die Neugestaltung des Denkmals erfolgte 1985 durch den Bildhauer und
Steinmetzmeister Leopold Grausam und wurde von der Städtischen Steinmetzwerkstätte ausgeführt, dessen
Technischer Leiter Grausam war. Er ergänzte den vorhandenen Steinblock mit einfachen, roh behauenen
Steinquadern und einer dazwischen stehenden Bronzefigur. Den obenliegenden Quader, der die Nische mit der Figur
abdeckt, versah Grausam mit der Inschrift:[15]
„Niemals vergessen“[15]
Beiderseits der Inschrift wurden in den Quader zwei der ehemaligen NS-Zwangskennzeichnungen eingefügt, links
das rote Dreieck der Politischen Gefangenen und rechts der gelbe Judenstern.[15]
Als Stein wählte Grausam Granit aus dem Steinbruch Mauthausen aus; der Bezug ergab sich für ihn daraus, dass die
von der Gestapo verhafteten und in der Staatspolizeileitstelle am Morzinplatz verhörten NS-Verfolgten meistens ins
KZ Mauthausen kamen, wo sie im dortigen Steinbruch schwere Zwangsarbeit leisten mussten. Leopold Grausam
schuf zahlreiche Mahnmale und Gedenksteine, das von ihm gestaltete Denkmal auf dem Morzinplatz gehört zu
seinen bedeutenden Arbeiten.[16] Die Enthüllung des Denkmals erfolgte am 1. November 1985 durch Bürgermeister
Helmut Zilk und Rosa Jochmann.[14]
Die Symbolik des von Grausam gestalteten Denkmals – ein die Faust ballender, vorwärtsschreitender Mann, der sich
zwischen den Steinquadern erhebt – wird von dem österreichischen Publizisten Peter Diem als „Sinnbild der
Überwindung der dunkelsten Jahre in der Geschichte unserer Republik“ beschrieben.[15]
Dienstgrade
Die Gestapo verwendete die Dienstgrade der Sicherheitspolizei.
Dienstgradvergleich von Sicherheitspolizei, Ordnungspolizei (Verwaltung, allgemeiner
Dienst) und Schutzstaffel (SS)
(Stand: 10. April 1941 – 8. Mai 1945)
Dienstgrade der Sicherheitspolizei
Dienstgrade der Ordnungspolizei
(Verwaltungsdienst)
Dienstgrade der Ordnungspolizei
(Allgemeiner Dienst)
Dienstgrade der
Schutzstaffel (SS)
Männer (Mannschaften)
Kriminalassistentenanwärter im
Vorbereitungsdienst
—
Anwärter
SS-Anwärter
—
—
Anwärter (nach sechsmonatiger
Dienstzeit)
SS-Mann
—
—
Unterwachtmeister
SS-Sturmmann
Geheime Staatspolizei
—
323
—
Rottwachtmeister
SS-Rottenführer
Unterführer (Unteroffiziere)
Kriminalassistenanwärter
Amtsgehilfe
Botenmeister
Hausmeister
Wachtmeister
SS-Unterscharführer
a.p. Kriminalassistent
(außerplanmäßige Stelle)
a.p. Polizeiassistent
Oberwachtmeister
SS-Scharführer
Kriminalassistent
Polizeiassistent
Polizeigefängnisoberwachtmeister
Revier-Oberwachtmeister
(Schutzpolizei)
Bezirks-Oberwachtmeister
(Gendarmerie)
Zugwachtmeister
(kasernierte Polizei-Einheiten)
SS-Oberscharführer
Kriminaloberassistent
Polizeigefängnishauptwachtmeister Hauptwachtmeister
Polizeioberassistent
SS-Hauptscharführer
[Kriminalsekretär]
[Polizeisekretär]
SS-Sturmscharführer
Meister
Führer (Offiziere)
Kriminalsekretär
Hilfskriminalkommissar
Kriminalkommissar auf Probe / zur
Prüfung
Polizeisekretär
Kanzleisekretär
technischer Obersekretär
a.p. Polizeiinspektor
Revier-Leutnant
Leutnant der Polizei
SS-Untersturmführer
Kriminalobersekretär
Kriminalinspektor
a.p. Kriminalkommissar
Polizeiobersekretär
Polizeiinspektor (auch mit
Zulage)
Assessor
Ministerialregistrator
Revier-Oberleutnant
Oberleutnant der Polizei
SS-Obersturmführer
Kriminalkommissar
a.p. Kriminalrat
Kriminalassessor
Polizeioberinspektor
a.p. Polizeirat
a.p. Amtmann
Regierungsassessor
Revier-Hauptmann
Hauptmann der Polizei
SS-Hauptsturmführer
Kriminalrat
Kriminaldirektor
Regierungs- und Kriminalrat
Polizeirat
Amtmann
Amtsrat
Regierungsrat
Major der Polizei
SS-Sturmbannführer
Oberregierungs- und Kriminalrat
Oberregierungsrat
Oberstleutnant der Polizei
SS-Obersturmbannführer
Regierungs- und Kriminaldirektor
Reichskriminaldirektor
Regierungsdirektor
Ministerialrat
Oberst der Polizei
SS-Standartenführer
—
—
—
SS-Oberführer
Höhere SS- u. Polizeiführer (Generäle)
???
Ministerialdirigent
Generalmajor der Polizei und
SS-Brigadeführer
SS-Brigadeführer
???
Ministerialdirektor
Generalleutnant der Polizei und
SS-Gruppenführer
SS-Gruppenführer
???
—
General der Polizei und
SS-Obergruppenführer
SS-Obergruppenführer
—
—
Generaloberst der Polizei und
SS-Oberstgruppenführer
SS-Oberstgruppenführer
Geheime Staatspolizei
Anmerkung: Dienstgrade des mittleren Dienstes stehen in Normalschrift, Dienstgrade des gehobenen Dienstes in
Fettschrift und Dienstgrade des höheren Dienstes in Kursivschrift.
Die Einstellung in den gehobenen Kriminalpolizeidienst erfolgte nach einer Eingangsprüfung als
Kriminalkommissaranwärter. Nach etwa einem Jahr wurde der Anwärter zu einem neunmonatigen Lehrgang an die
Führerschule der Sicherheitspolizei (Sipo) in Berlin-Charlottenburg abgeordnet. Nach Bestehen der Prüfung zum
Kriminalkommissar war die unmittelbare Beförderung zum Hilfskriminalkommissar obligatorisch. Die Zuweisung
eines Dienstpostens (und damit die Weiterbeförderung zum Kriminalkommissar auf Probe) folgte in der Regel
innerhalb weniger Tage. Nach etwa sechsmonatiger Bewährungszeit stand die Beförderung zum außerplanmäßigen
Kriminalkommissar an.
Literatur
• Shlomo Aronson: Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD. Stuttgart 1971.
• Holger Berschel: Bürokratie und Terror. Das Judenreferat der Gestapo Düsseldorf 1935–1945. Essen 2001.
• Heinz Boberach, Berichte des SD und der Gestapo über Kirchen und Kirchenvolk in Deutschland 1934–1944,
Mainz 1971.
• Hans Buchheim: Die SS – das Herrschaftssystem. In: Anatomie des SS-Staates – Band 1. dtv 462, München 1967.
• Carsten Dams und Michael Stolle: Die Gestapo. Herrschaft und Terror im Dritten Reich, Ch.Beck Verlag,
München 2008 *
• Rudolf Diels: Lucifer ante portas… es spricht der erste Chef der Gestapo. Stuttgart 1950.
• Robert Gellately: Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Die Durchsetzung der Rassenpolitik 1933–1945.
Paderborn 1993.
• Robert Gellately: Hingeschaut und weggesehen. Hitler und sein Volk. Deutsche Verlagsanstalt München 2002
(auch Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2003), ISBN 3-421-05582-3.
• Christoph Graf: Politische Polizei zwischen Demokratie und Diktatur. Berlin 1983.
• Siegfried Grundmann: Die V-Leute des Gestapo-Kommissars Sattler. Berlin 2010. [17]
• Bernd Hey: Zur Geschichte der westfälischen Staatspolizeistellen und der Gestapo. In: Westfälische Forschungen
37 (1987), S. 58–90.
• Eric A. Johnson: Nazi Terror: The Gestapo, Jews and Ordinary Germans. New York 1999.
• Gabriele Lotfi: KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich. Frankfurt/M. 2003, ISBN
3-596-15134-1.
• Thomas Mang: ‚Gestapo-Leitstelle Wien – Mein Name ist Huber'. Wer trug die lokale Verantwortung für den
Mord an den Juden Wiens?, Wien 2003, S. 131, ISBN 3-8258-7259-9.
• Wilhelm Mensing: Gestapo V-Leute kommunistischer Herkunft – auch ein Strukturproblem der KPD? In:
Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 34/2005.
• Gerhard Paul und Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo. Mythos und Realität. Darmstadt 1995.
• Jan Ruckenbiel: Soziale Kontrolle im NS-Regime: Protest, Denunziation u. Verfolgung; zur Praxis alltäglicher
Unterdrückung im Wechselspiel von Bevölkerung u. Gestapo [18], Köln 2003.
• Hans Schafranek: V-Leute und „Verräter“. Die Unterwanderung kommunistischer Widerstandsgruppen durch
Konfidenten der Wiener Gestapo. In: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der
deutschen Arbeiterbewegung, Nr. 3, 2000, S. 300–349.
• Herbert Schultheis, Isaac E. Wahler: Bilder und Akten der Gestapo Würzburg über die Judendeportationen
1941–1943. Bad Neustadt a. d. Saale 1988, ISBN 978-3-9800482-7-9.
• Gerd Steinwascher: „Gestapo Osnabrück meldet…“ Polizei- und Regierungsberichte aus dem Regierungsbezirk
Osnabrück aus den Jahren 1933 bis 1936. Aus: Osnabrücker Geschichtsquellen und Forschungen Bd. XXXVI,
Osnabrück 1995.
• Michael Stolle: Die Geheime Staatspolizei in Baden. UVK Medien-Verlags-Gesellschaft, Konstanz 2001, ISBN
3-89669-820-6; 432 Seiten.
324
Geheime Staatspolizei
• Jan Valtin: Tagebuch der Hölle. Aus dem Amerikanischen von Werner Krauss. Kiepenheuer & Witsch, Köln
1957 (heute als Lizenzausgabe in Komet MA-Service und Verlagsgesellschaft mbH, Frechen). In den USA
bereits 1941 als „Out of the Night“ veröffentlicht.
• Herbert Wagner: Die Gestapo war nicht allein… Politische Sozialkontrolle und Staatsterror im
deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Münster 2004 (über die Grafschaft Bentheim).
• Franz Weisz: Die geheime Staatspolizei Staatspolizeileitstelle Wien. Wien 1992.
• Walter Otto Weyrauch: Gestapo V-Leute. Tatsachen und Theorie des Geheimdienstes. fi Tb 11255, Frankfurt/M
1992, ISBN 3-596-11255-9.
Dokumentationen
• Holger Hillesheim, Wolfgang Schoen: Die Gestapo. Dreiteilige Dokumentation der ARD/SWR (1. Hitlers
schärfste Waffe. 2. Terror ohne Grenzen 3. Henker an der Heimatfront. Erstsendung: 18. April 2005).
Siehe auch
• Staatspolizeistelle Dessau • Staatspolizeileitstelle Düsseldorf • Staatspolizeileitstelle Magdeburg •
Staatspolizeistelle Wesermünde
• Geheimes Staatspolizeiamt Karlsruhe
Weblinks
•
•
•
•
•
http://www.historisches-centrum.de/zwangsarbeit/haft.htm Haftstätten und Gefängnisse der Gestapo
http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/gestapo/
http://www.celan-projekt.de/lexikon-gestapo.html
Gestapo [19]. In: Österreich-Lexikon von aeiou.
Fotos aus der Erkennungsdienstlichen Kartei der Gestapo Wien. Eine Auswahl mit derzeit über 3.200 Fotos von
NS-Opfern [20]
• Historische Widerstandsforschung [21]
• http://www.archive.nrw.de/LandesarchivNRW/abteilungRheinlandStandortDuesseldorf/index.html – Im
Hauptstaatsarchiv Düsseldorf lagert ein umfangreicher Bestand Gestapo-Akten
• http://www.nsdok.de NS Dokumentationszentrum der Stadt Köln im EL-DE Haus, der einstigen Zentrale der
Gestapo im Regierungsbezirk Köln
Referenzen
[1] Wildt: Polizei der Volksgemeinschaft. NS-Regime und Polizei 1933–1945 (http:/ / www. his-online. de/ download/ wildt_polizei. pdf),
Vortrag auf der Konferenz „Polizei und NS-Verbrechen“ – Aufarbeitung und Dokumentation im NS-Dokumentationszentrum Köln, 2.–5.
November 2000
[2] Zdenek Zofka: Die Entstehung des NS-Repressionssystems – oder: Die Machtergreifung des Heinrich Himmler (http:/ / www. km. bayern.
de/ blz/ report/ 01_04/ 1. html), Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Report 1/2004
[3] Alfred Schweder: Politische Polizei, Heymannverlag, Berlin, 1937, S. 158
[4] Alfred Schweder: Politische Polizei, S. 158
[5] Elisabeth Kohlhaas: Die Mitarbeiter der regionalen Staatspolizeistellen. In: Gerhard Paul, Klaus-Michael Mallmann: Die Gestapo. Unv.
Sonderausg. Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-482-X, S. 222
[6] Zahlen nach Elisabeth Kohlhaas: Die Mitarbeiter... S. 221 und S. 224f
[7] vgl. Carsten Dams und Michael Stolle: Die Gestapo. Herrschaft und Terror im Dritten Reich, Ch.Beck Verlag, München 2008, S.59
[8] vgl. Michael Wildt: Generation des Unbedingten Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes,Hamburger Edition der HIS
Verlagsgesellschaft, Hamburg 2003, S. 23 ff. u. S.165 ff.
[9] vgl. Carsten Dams und Michael Stolle: Die Gestapo. Herrschaft und Terror im Dritten Reich, Ch.Beck Verlag, München 2008, S.62
[10] Robert Gellately: Allwissend und allgegenwärtig? Entstehung, Funktion und Wandel des Gestapo-Mythos. In: Gerhard Paul, Klaus-Michael
Mallmann: Die Gestapo. S. 47ff
325
Geheime Staatspolizei
326
[11] Robert Gellately: Zur Entstehungsgeschichte einer selbstüberwachenden Gesellschaft. In: Detlev Schmiechen-Ackermann (Hrsg.):
Politische Kultur, soziale Milieus und der Widerstand im Nationalsozialismus in Deutschland. Berlin 1995
[12] „Fotos vom Prinz-Albrecht-Gelände“ (http:/ / www. topographie. de/ openair/ images/ large/ 009. jpg)
[13] Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, S. Fischer-Verlag, Frankfurt 2003
[14] Mahnmal Morzinplatz (http:/ / www. nachkriegsjustiz. at/ vgew/ 1010_morzinplatz. php). In: Der ehemalige Verein zur Erforschung
nationalsozialistischer Gewaltverbrechen und ihrer Aufarbeitung. Forschungsstelle Nachkriegsjustiz (www.nachkriegsjustiz.at), abgerufen am
8. Mai 2010.
[15] Peter Diem: Das Denkmal für die Opfer des Faschismus (http:/ / www. austria-lexikon. at/ af/ Wissenssammlungen/ Symbole/
Faschismus-Opfer_-_Denkmal). In: Symbole aus Stein und Bronze. Austria-Forum, abgerufen am 8. Mai 2010.
[16] Beatrix Neiss: Über Denkmäler, Gräber und andere Erinnerungszeichen. Von Steinen und Menschen (http:/ / www. wienerzeitung. at/
Desktopdefault. aspx?tabID=3946& alias=Wzo& lexikon=Tod& letter=T& cob=4750). In: Extra: Lexikon. Wiener Zeitung, 1. November
2002, abgerufen am 8. Mai 2010.
[17] Vgl. Ulrich Eumann: Rezension zu: Grundmann, Siegfried: Die V-Leute des Gestapo-Kommissars Sattler. Berlin 2010 (http:/ / hsozkult.
geschichte. hu-berlin. de/ rezensionen/ 2010-2-240). In: H-Soz-u-Kult, 29. Juni 2010.
[18] http:/ / www. ub. uni-siegen. de/ epub/ diss/ ruckenbiel. htm
[19] http:/ / www. aeiou. at/ aeiou. encyclop. g/ g343187. htm
[20] http:/ / www. doew. at/ php/ gestapo/
[21] http:/ / www. widerstandsforschung. de
Schutzstaffel
Die Schutzstaffel der NSDAP (Abkürzung SS) wurde in der
Weimarer Republik am 4. April 1925 als Sonderorganisation der
NSDAP zunächst zum persönlichen Schutz Adolf Hitlers gegründet.
Sie unterstand seit dem Reichsparteitag 1926 der Sturmabteilung (SA)
und wurde nach dem vermeintlichen "Röhm-Putsch" 1934 zu einer
eigenständigen paramilitärischen Organisation der NSDAP, die
zugleich den parteiinternen „Polizeidienst“ ausübte. In der Zeit des
Nationalsozialismus war die SS maßgeblich am Holocaust beteiligt
und wurde nach 1945 als verbrecherische Organisation verboten.
Emblem der SS
Geschichte
Stabswache und Stoßtrupp Adolf Hitler
Vorläuferorganisation der SS war der Stoßtrupp Adolf Hitler. Im Mai 1923 wurde auf Anordnung Adolf Hitlers ein
Saal-Schutz der NSDAP gebildet. Dieser setzte sich ursprünglich aus den zwei SA-Angehörigen Julius Schreck und
Joseph Berchtold sowie einigen Angehörigen des Münchener Infanterie-Regimentes 19 zusammen. Mitte 1923
wurde dann, nachdem sich Hermann Ehrhardt mit Ernst Röhm und Adolf Hitler überworfen hatte, dieser Saal-Schutz
aufgelöst und nun aus zwölf SA-Angehörigen der Stoßtrupp Adolf Hitler gebildet. Er sollte Hitler vor Übergriffen
der parteieigenen Sturmabteilungen schützen. Der Gruppe standen die zwei ehemaligen Angehörigen der
Stabswache, Julius Schreck und Josef Berchtold, vor. Die weiteren Mitglieder waren Ulrich Graf, Emil Maurice,
Christian Weber, Josef Dietrich, Rudolf Heß, Jakob Grimminger und Walter Buch sowie Karl Fiehler.
Schutzstaffel
Aufstellung
Am 1. April 1925 erhielt Julius Schreck den Auftrag Hitlers, eine neue Einheit zu bilden, die den Saalschutz der
NSDAP-Veranstaltungen übernehmen sollte. Bereits am 4. April wurde aus acht Angehörigen des ehemaligen
„Stoßtrupps Adolf Hitler“ diese neue Einheit gebildet, die rasch ausgebaut und über das ganze Deutsche Reich
ausgedehnt wurde. Über verschiedene Namensstufen wie Saal-Schutz, Schutzkommando und Sturmstaffel[1] wurde
schließlich am 9. November des gleichen Jahres der Name Schutzstaffel eingeführt. Diesen Namen schlug der
damalige SA-Führer Hermann Göring in Anlehnung an eine Fliegerbegleitstaffel Manfred von Richthofens im
November vor. Schreck wurde nun als „Oberleiter“ Kommandant der SS.
Die Aufgaben der Organisation beschrieb Hitler in einem Führerbefehl vom 7. November 1930 wie folgt: „Die
Aufgabe der SS ist zunächst die Ausübung des Polizeidienstes innerhalb der Partei.“
Das Symbol der Schutzstaffel bildete sich seit 1930 aus zwei nebeneinander liegenden, blitzähnlichen weißen
„Sig-Runen“ im schwarzen Feld.
Konkurrenz zur SA
Mit einer Beschränkung der Sollstärke auf zehn Prozent der
Sturmabteilung wollte die SA-Führung die SS kleinhalten. In den
Gauen durfte mit dem Aufbau einer Schutzstaffel erst begonnen
werden, wenn der Aufbau eines vollständigen SA-Sturmes
abgeschlossen war. Mit Ausnahme Berlins, wo die SS die doppelte
Stärke haben sollte, wurde die Sollstärke auf höchstens zehn Männer
und einen Führer festgelegt.
SS-Fliegersturm Hamburg bei einer Ehrenwache
Unzufrieden mit seinem geringen Handlungsspielraum trat Joseph
1933
Berchtold 1927 als Reichsführer SS zurück. Berchtolds Nachfolger
wurde Erhard Heiden, der ein 27-jähriges Mitglied der Röhmschen
Reichskriegsflagge zu seinem Stellvertreter ernannte: Heinrich Himmler. Heiden wurde von der SA und ihrer
Führung nicht ernst genommen. Die SA bestand in den Augen der SS nur aus „Rabauken“, während die SA die SS
als „feine Pinkel“ betrachtete. Am 5. Januar 1929 wurde Heiden von Hitler als Reichsführer SS entlassen. Der Grund
für seine Entlassung war, dass er seine schwarzen SS-Uniformhosen bei einem befreundeten jüdischen Schneider
anfertigen ließ. Heiden wünschte nun am 22. Januar 1929 seine komplette Streichung aus allen SS-Mitglieder- und
Organisationslisten und wandte sich wieder der SA zu. Im April 1933 wurde Heiden auf Befehl Heinrich Himmlers
in München ermordet.[2]
Beteiligungen an Kriegshandlungen
Am 12. März 1938 nahmen auch Truppenteile der SS-Verfügungstruppe am Einmarsch der Wehrmacht in Österreich
teil, wo sie in Wien ein bewaffnetes SS-Regiment aufbauten: die SS-Standarte Der Führer.
Im Oktober zog die SS-Verfügungstruppe ins tschechische Sudetenland ein. Wenig später wurde die
Tschechoslowakei aufgeteilt (Münchener Abkommen). Der tschechische Teil wurde zum Reichsprotektorat Böhmen
und Mähren erklärt und die SS mit der Zerschlagung des Widerstandes beauftragt. Der Chef des
Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich wurde später Reichsprotektor des besetzten Gebietes. Im Herbst
1939 wurden die Leibstandarte, die Verfügungstruppe und die Totenkopfverbände langsam zur Waffen-SS
verschmolzen. Heinrich Himmler wollte als Reichsführer-SS seine Schutzstaffel zu einem umfassenden
Staatsschutzkorps ausbauen, das an allen Fronten die inneren und äußeren Feinde des NS-Staates bekämpfen sollte.
Trotz aller Differenzen innerhalb der verzweigten SS-Organisationsstruktur blieb die SS auf ein einheitliches
ideologisches Ziel ausgerichtet. Dementsprechend gab es eine einheitliche Ausbildung der Führungskräfte in den
beiden SS-Junkerschulen in Bad Tölz und Braunschweig. Die militärische und ideologische Schulung unterschied
327
Schutzstaffel
nicht, ob die Führungskräfte in der SS-Verwaltung, an der militärischen Front, im SD oder in den
Konzentrationslagern eingesetzt werden sollten.
Der erste Kampfeinsatz der SS erfolgte beim Polenfeldzug. Die Wehrmacht befürchtete eine zunehmende
Konkurrenz durch die SS-Verfügungstruppe, konnte aber die Zusammenlegung der bisherigen Regimenter
Germania, Der Führer, Totenkopf und der Leibstandarte-SS Adolf Hitler zur SS-Verfügungsdivision nicht
verhindern. Aber: Die kämpfenden SS-Verbände dieser SS-V-Division unterstanden weiterhin dem Oberkommando
der Wehrmacht und wurden nun auf verschiedene Heeresteile verteilt, d. h. die SS-V-Division kämpfte nicht als
einheitlicher Verband. Seit 1943 beteiligten sich insbesondere die Panzerverbände der SS am Kampf im Osten, so z.
B. in der Orel-Kursk Schlacht im Rahmen der Operation Zitadelle. Ab 1943 wurden auch wehrpflichtige Deutsche
und Männer aus Nordwesteuropa in die SS-V-Division eingezogen, um an der Front neben den Wehrmachtsoldaten
zu kämpfen, später wurde auch der Versuch unternommen, SS-Einheiten aus anderen Ländern wie z. B. Albanien
aufzustellen. Diese Versuche hatten allerdings eher geringen Erfolg, so zerfiel die albanische SS-Division
„Skanderbeg“ bereits vor ihrem ersten Kampfeinsatz.
Weitere, vom Oberkommando unabhängige SS-Verbände (einige Totenkopfstandarten und nichtmilitärische
Verbände) kamen hinter der Front bei „Säuberungsaktionen“ zum Einsatz und begannen mit der systematischen
Verfolgung und Ermordung von Juden und Angehörigen der polnischen Intelligenz. Gemäß den Richtlinien zu
Zusammenarbeit des Heeres mit den Einsatzgruppen rückten die SS-Verbände unmittelbar nach der Wehrmacht in
die eroberten Ortschaften ein. Aus rassenideologischen Gründen verfolgte Menschen mussten sich auf Befehl des
ranghöchsten Offiziers der Wehrmacht im Ort an einem bestimmten Platz versammeln und wurden von dort oft
sofort durch die SS zu einem abgelegenen Ort gebracht und ermordet. Wehrmachtssoldaten waren oftmals Zeugen
dieser Hinrichtungen und auch die Wehrmacht und deutsche Polizeibataillone führten Massenexekutionen durch.
Da diese Verbrechen ganz auf der Linie der SS- und NS-Führung im Reich lagen, ging der Ausbau der kämpfenden
SS-Verbände rasch voran. Beim Angriff auf Frankreich verfügte die inzwischen gegründete Waffen-SS bereits über
drei Divisionen (Das Reich, Totenkopf und die SS-Polizei-Division) und das motorisierte Regiment LAH. Die
SS-Divisionen erlitten an der Front teilweise schwere Verluste. Als Freiwilligentruppe hochmotiviert, mit einer den
Wehrmachtsverbänden in der Regel überlegenen Ausrüstung, wurden diese Eliteeinheiten oft an den gefährlichsten
Einsatzorten verwendet. Auch im Frankreichfeldzug wurden von SS-Verbänden zahlreiche Kriegsverbrechen verübt.
Massaker an hunderten sich ergebender Soldaten und an einer Vielzahl von Kriegsgefangenen sind dokumentiert.
Kriegsverbrechen und Völkermord
Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs verübten Teile der Waffen-SS
allein und in Zusammenarbeit mit der Wehrmacht zahllose
Kriegsverbrechen wie die Folterung und Ermordung von
Kriegsgefangenen, Massenexekutionen von Zivilisten und die
Vertreibung zahlreicher Menschen aus den besetzten Gebieten.
Über das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt mit der Inspektion der
SS-Arzt Fritz Klein bei der durch die Alliierten
Konzentrationslager (IKL) betrieb die NSDAP die Verwaltung der
erzwungenen