Legitimationsstrategien von Betreuungsunternehmen im Home Care

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Legitimationsstrategien von Betreuungsunternehmen im Home Care
Legitimationsstrategien von
Betreuungsunternehmen
im Home Care Markt
Linda Schilling
linda.schilling@uzh.ch
03-204-773
GEO 511 Masterarbeit
Geographisches Institut der Universität Zürich
Betreuung Dr. Karin Schwiter
Fakultätsvertretung Prof. Dr. Christian Berndt
Zürich, 31. Oktober 2012
Dank
Bei der Entstehung dieser Arbeit wurde ich von vielen Menschen unterstützt, dafür
möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.
Als Erstes danke ich meinen Interviewpartnerinnen und Interviewpartner für ihre Zeit und
ihre Bereitschaft, mir von ihrem Unternehmen und ihrer Tätigkeit zu erzählen.
Ich danke Dr. Karin Schwiter für ihr grosses Engagement bei der Betreuung dieser Arbeit.
Prof. Dr. Christian Berndt danke ich für sein spannendes Seminar, welches mein Interesse
für das Gebiet der Wirtschaftsgeographie geweckt hat. M. Sc. Jasmine Truong danke ich
für den Miteinbezug in ihr Projekt und den ersten Einblick in den Home Care Markt, den
ich dadurch erhalten habe.
Meinen Freundinnen und Freunden danke ich fürs Zuhören und Mitdenken im
Entstehungsprozess dieser Arbeit. Für ihren grossen Einsatz bei der Durchsicht des Textes
danke ich Christiane. Oli danke ich für seine Begleitung durch einen grossen Teil meiner
Studienzeit, für seine Hilfsbereitschaft und Grosszügigkeit.
Der wichtigste Dank geht an meine Familie für ihre Unterstützung und ihr Vertrauen in
mich.
I
Inhalt
1 Einleitung ....................................................................................................................................... 1
1.1 Stand der Forschung ............................................................................................................... 2
1.2 Fragestellung .......................................................................................................................... 3
1.3 Aufbau der Arbeit ................................................................................................................... 4
Teil I
2 Wissenschaftliche Anknüpfungspunkte ........................................................................................ 6
2.1 Transnationale Hauswirtschaftsforschung ............................................................................. 7
2.2 Geographien der Arbeit .......................................................................................................... 9
Teil II
3 Methodologie und Forschungsdesign ......................................................................................... 17
3.1 Diskurstheoretischer Forschungszugang nach Michel Foucault .......................................... 17
3.2 Datenerhebung..................................................................................................................... 19
3.3 Datenauswertung ................................................................................................................. 25
Teil III
4 Themenfeld Arbeit....................................................................................................................... 27
4.1 Normalisierung im Vertrag, Spezialfall in der Praxis ............................................................ 28
4.2 Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Arbeitszeit ......................................................... 32
5 Themenfeld Arbeitnehmerin ....................................................................................................... 38
5.1 Nationalität ........................................................................................................................... 38
5.2 Geschlecht ............................................................................................................................ 45
6 Themenfeld Kundschaft .............................................................................................................. 47
6.1 Hilfsbedürftige Person .......................................................................................................... 47
6.2 Angehörige ........................................................................................................................... 51
II
7 Themenfeld Konkurrenz .............................................................................................................. 53
7.1 Abgrenzung gegenüber etablierten Institutionen................................................................ 53
7.2 Abgrenzung zu den „illegal Tätigen“ .................................................................................... 60
8 Diskussion .................................................................................................................................... 64
8.1 Typen der Legitimität ........................................................................................................... 64
8.2 Regulative Legitimität: Legalität als zentrales Thema .......................................................... 65
8.3 Moralische Legitimität: Individualität als zentrales Thema ................................................. 66
8.4 Kulturell-kognitive Legitimität: Stereotype als zentrale Themen ........................................ 67
8.5 Schlussbetrachtung .............................................................................................................. 68
Anhang 1: Interviewleitfaden ......................................................................................................... 71
Anhang 2: Codierblatt .................................................................................................................... 73
Anhang 3: Persönliche Erklärung.................................................................................................... 74
Literaturverzeichnis ........................................................................................................................ 75
III
1 Einleitung
In der Schweiz wird sich die Zahl der Personen über 65 Jahren in den nächsten 50 Jahren
gemäss dem Bundesamt für Statistik von 1’343’000 im Jahr 2010 auf 2’543'000 im Jahr
2060 fast verdoppeln (BfS 2010, 22 Mittleres Szenario). Es ist daher nicht erstaunlich, dass
dem Pflege- und Betreuungsmarkt ein grosses Wachstumspotential zugesprochen wird.
Besonders die starke Zunahme von hochbetagten Menschen über 80 Jahren (BfS 2010, 28)
führt zu mehr Betreuungsbedarf, der immer seltener durch die Familie übernommen werden kann. Gründe dafür sind die gestiegene Mobilität und die Abnahme von Mehrgenerationenhaushalten. Auch die Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen, welche traditionellerweise diese unbezahlte Pflegearbeit geleistet haben, spiegelt sich in dieser Entwicklung.
Altersheime entsprechen oft nur ungenügend dem Wunsch nach Selbstbestimmung der
Betagten und sind finanziell eine Belastung für Familie und Staat. Dennoch gibt es wenig
Alternativen, da innovative Formen des Zusammenlebens im Alter (noch immer) eher selten sind. Bestehende Non-Profit Organisationen wie die öffentliche Spitex, welche medizinische Pflegeleistungen und zum Teil auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten im Privathaushalt anbieten, stehen oft unter starkem finanziellem und zeitlichem Druck. Die Krankenkasse übernimmt nur die pflegerischen Leistungen. So müssen die Kosten für eine ambulante Betreuung von den hilfsbedürftigen Personen und ihren Angehörigen weitgehend
selbst übernommen werden. Eine zeitintensive Betreuung in den eigenen vier Wänden
durch hiesiges Personal ist für die meisten Familien in der Schweiz unbezahlbar. Die private Pflege und Betreuung durch Care Migrantinnen1 kommt hier als neue Option ins Spiel
und scheint an Bedeutung zu gewinnen. Neben der informellen und unsichtbaren Tätigkeit
von Migrantinnen, die sich privat organisieren, erscheinen zunehmend Unternehmen auf
dem Markt, welche die Vermittlung von Betreuungspersonal und die Organisation von
verschieden Dienstleistungen in Privathaushalten übernehmen. Die Angebote dieser neuen Dienstleistungsunternehmen siedeln sich hauptsächlich im nicht-medizinischen Bereich
an
und
reichen
von
einer
stundenweisen
Betreuung
bis
zum
24-Stunden-
Betreuungsarrangement, bei dem die Betreuerin im Haushalt der pflegebedürftigen Person wohnt. Die Palette der Tätigkeiten ist divers. Typischerweise beinhaltet sie sowohl
hauswirtschaftliche Aufgaben wie Kochen, Putzen, Waschen als auch Betreuungsaufgaben
1
Da die grosse Mehrzahl der Betreuungs- und Pflegearbeit im Privathaushalt von Frauen ausgeführt
wird, werde ich für deren Bezeichnung in diese Arbeit die weibliche Form benutzen. Einen Überblick
über die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Männern als Betreuer im Privathaushalt geben Sarti
und Scrinzi (2010).
1
wie beispielsweise Spiele spielen, zusammen fernsehen oder die Begleitung zu Arztterminen (Truong 2012, 11).
1.1 Stand der Forschung
Die private Betreuungsform durch Migrantinnen sowie ihre Anbieter sind in den Schweizer
Medien stark präsent. So titelte der Beobachter am 21. Juli 2011 „Pflegenotstand – Pflegen
für einen Hungerlohn“ (Haefely 2011), die NZZ schrieb am 12. Januar 2012 „Heikles
Betreuen rund um die Uhr“ (Ellner 2012) und der Tagesanzeiger berichtete am 6. Juni 2012
„Haushaltshilfen aus Osteuropa schuften zu Minimal-Löhnen“ (Minor 2012). Wissenschaftlich wird diese neue Form der Betagtenbetreuung in der Schweiz erst seit kurzem diskutiert. Aktuell sind zahlreiche Projekte aus verschiedenen Disziplinen in Arbeit, die sich mit
Aspekten der Care Migration in der Schweiz beschäftigen. Zu erwähnen ist Schilligers laufende Dissertation am Institut für Soziologie der Universität Basel. Sie setzt sich zum einen
mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen von osteuropäischen Care Migrantinnen in
Schweizer Privathaushalten auseinander und untersucht zum anderen die Praxis der Vermittlungsagenturen (Schilliger i. E.). Weiter beschäftigen sich Wigger und ihr Team (i.E.) im
Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms „NFP 60: Gleichstellung der Geschlechter“
mit den Auswirkungen von bezahlten Care Arrangements auf die Gleichstellung. Die Zusammenarbeit zwischen Spitex-Mitarbeitenden und Care Migrantinnen wurde aus der
Perspektive der Pflege vom Careum F+E im Auftrag der Fachstelle für Gleichstellung der
Stadt Zürich untersucht (Jähnke et al. 2012). Ebenfalls mit pflegewissenschaftlichem Hintergrund führt die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) eine Langzeitstudie in Zusammenarbeit mit dem HausPflegeService2 durch. In diesem Projekt werden Familien begleitet, welche eine Care Migrantin angestellt haben (Petry et al. i.E.). Eine
Übersicht über weitere aktuelle Forschungsarbeiten in der Schweiz zu Aspekten der Care
Migration zeigen Jähnke et al. (2012, 39f.).
Der wissenschaftliche Fokus war bisher stark auf die Betreuerinnen (Care Worker), meist
Migrantinnen aus Osteuropa, gerichtet. So hat sich Karakayali (2010) in ihrer Dissertation
mit osteuropäischen Pflegerinnen in deutschen Privathaushalten auseinandergesetzt. Ihren Fokus richtet sie auf die Auswirkungen von legalen und illegalen Settings auf die Arbeitsbedingungen der Betreuerinnen. In der Schweiz ist die Arbeit von Truong (2011) zu
erwähnen. Sie zeigt Aspekte der Entgrenzung in der Arbeit von 24-Stunden-Betreuerinnen
auf, die im gleichen Haushalt leben wie die zu betreuenden Personen. In Sermiers Arbeit
2
Der HausPflegeService ist ein Schweizer Home Care Unternehmen. Weitere Informationen finden sich
auf der Homepage http://www.hauspflegeservice.ch/.
2
(2010) wird untersucht, welche Belastungen solche live-in Betreuerinnen in Haushalten
von älteren Menschen erleben und wie sie damit umgehen. Medici (2011) befasst sich mit
den juristischen Rahmenbedingungen zu arbeits- und migrationsrechtlichen Aspekten der
Bertreuung und Pflege im Privathaushalt.
Die Perspektive der Unternehmerinnen und Unternehmer von Home Care Betrieben fehlt
bisher in der Wissenschaft weitgehend. Meine Arbeit soll auf die Sicht dieser Marktakteure
eingehen. Für diese Arbeit definiere ich Home Care Unternehmen als private, gewinnorientierte Unternehmen, welche Pflege- und/oder Betreuungsdienstleistungen für hilfsbedürftige Personen in Privathaushalten anbieten3. Ich knüpfe dabei an die Arbeit von Krawietz
(2010) an, die sich mit der rechtlichen Legitimation von Pflegevermittlungsagenturen auseinandersetzt. Krawietz zeigt, dass je nach Einbettung in die unterschiedlichen institutionellen Umfelder in Polen und Deutschland die Identität und Akzeptanz der Vermittlungsagenturen unterschiedlich ausfällt (2010, 269). Weiter orientiere ich mich an der Marktanalyse zum Zürcher Betreuungs- und Pflegemarkt, welche vom geographischen Institut
der Universität Zürich durchgeführt wurde und im April dieses Jahres erschienen ist. Sie ist
Teil des Projektes „Arbeitsmarkt Privathaushalt“ der Fachstelle für Gleichstellung der Stadt
Zürich und beschäftigt sich mit der Charakterisierung von Home Care Unternehmen in der
Stadt Zürich, analysiert die formellen Arbeitsbedingungen und untersucht die Dynamik des
profit-orientierten Pflege- und Betreuungsmarktes (Truong 2012). Ergänzend soll diese
Arbeit dazu beitragen, das Selbstverständnis dieser neuen Akteure im Pflege- und Betreuungsmarkt herauszuarbeiten und aufzuzeigen. Die Sicht des Unternehmens auf die eigene
Tätigkeit soll dabei im Zentrum stehen.
1.2 Fragestellung
Home Care Unternehmen stehen in einem Spannungsfeld. Einerseits befinden sie sich,
gerade was die Arbeitsbedingungen der Betreuerinnen in 24-Stunden-Arrangements betrifft, in einer rechtlichen Grauzone (Medici 2011). Die Arbeit der Betreuerinnen ist oft
geprägt durch soziale Isolation und Entgrenzung der Arbeitszeiten (Truong 2011). Dies wird
auch medial stark kritisiert. Andererseits stösst diese Form der Betreuung auf ein grosses
Interesse und scheint dem Bedürfnis vieler betagter Menschen und ihrer Angehörigen zu
entsprechen. Im Rahmen meiner Masterarbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie
Home Care Unternehmen mit diesen Spannungen umgehen und welche Rolle sie sich im
Betreuungsmarkt zusprechen. Daraus leite ich meine Forschungsfragen ab:
3
Für eine differenzierte Charakterisierung von Home Care Unternehmen siehe Kapitel 3.2 zur Datenerhebung im Abschnitt Zielgruppe, Seite 17.
3
Mit welchen Argumenten legitimieren profitorientierte Home Care Unternehmen ihre Arbeit?
Anhand welcher Kriterien grenzen sich profitorientierte Home Care Unternehmen von anderen Akteuren auf dem Pflegemarkt ab?
Wie sprechen profitorientierte Home Care Unternehmen von ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern?
Wie sprechen profitorientierte Home Care Unternehmen von den zu betreuenden Personen und deren Angehörigen?
1.3 Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil zeigt die Anknüpfungspunkte meines
Forschungsgegenstandes an die zwei Forschungsfelder transnationale Haushaltsforschung
und Geographien der Arbeit. Im ersten Themengebiet wird aufgezeigt, wie sich der Forschungsgegenstand Hausarbeit in den letzten Jahren von der Frage nach gerechter Aufteilung zwischen den Geschlechtern zu einer Frage nach der gerechten Aufteilung zwischen
Nationen entwickelt hat. In der aktuellen Debatte werden Aspekte der Kommerzialisierung
von Hausarbeit diskutiert, wobei die zunehmende Auslagerung von Sorgetätigkeiten gegen
Bezahlung an meist weibliche Migrantinnen im Zentrum steht. Welche Auswirkungen diese Auslagerung für die ArbeitnehmerInnen, für die ArbeitgeberInnen und auf die Gesellschaften der Entsende- und Empfängerländer hat, wird im Rahmen der transnationalen
Haushaltsforschung diskutiert. Im zweiten Forschungsfeld, in den Geographien der Arbeit,
greife ich Arbeiten zur Temporärarbeit und zum Arbeitsverleih auf. Im Zentrum meines
Interesses stehen dabei sogenannte Arbeitsmarktvermittler und ihre vielfältige Rolle an
der Schnittstelle zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden. Im zweiten Teil der
vorliegenden Arbeit stelle ich den Forschungsprozess vor und lege dar, welche Überlegungen mich bei der Datenerhebung und Datenauswertung geleitet haben. Da die hier angewandte diskurstheoretische Forschungsperspektive nach dem französischen Historiker und
Philosophen Michel Foucault keine explizite Anleitung beinhaltet, lege ich besonderen
Wert auf das Sichtbarmachen meines methodischen Vorgehens. Im dritten Teil werden die
Resultate vorgestellt. Die Sprechweisen der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer werden charakterisiert und beschrieben. Im ersten Kapitel zum Themenfeld Arbeit
wird dargestellt, wie die Befragten die Arbeit im Privathaushalt ambivalent, das heisst zwischen Spezialfall und einem ganz normalen Job, positionieren. Weiter wird ausgeführt, wer
aus Sicht der Unternehmen die Verantwortung für die Arbeitszeit übernimmt. Das darauf-
4
folgende Kapitel zum Themenfeld Arbeitnehmerin befasst sich mit den Eigenschaften,
welche aus Sicht der Unternehmerinnen und Unternehmer eine ideale Arbeitnehmerin
mitbringen sollte. Dabei bedienen sie sich nationaler Stereotype, während geschlechterspezifische Stereotype nicht explizit gemacht werden. Bei den Sprechweisen über die Kundinnen und Kunden sowie über deren Angehörige im Kapitel Kundschaft, konnte ich zwei
Legitimationsstrategien ausmachen: Das Ideal im Alter zu Hause zu bleiben und die Bezahlbarkeit des Betreuungsangebotes für eine breite Bevölkerungsschicht. Im Kapitel zum
Themenfeld Konkurrenz wird die ambivalente Beziehung zur öffentlichen Spitex diskutiert
und die vehemente Abgrenzung der Betreuungsunternehmen von illegal tätigen Agenturen aufgezeigt. In der abschliessenden Diskussion werden die themenfelderübergreifenden Legitimationsstrategien der Unternehmen aufgegriffen und versucht, diese in Bezug
zur transnationalen Haushaltsforschung und den Geographien der Arbeit zu setzen. Der
Ausblick auf weiterführende Forschung im Bereich der Home Care Unternehmen bildet
den Abschluss der Arbeit.
5
Teil I
2 Wissenschaftliche Anknüpfungspunkte
Wie bereits aufgezeigt, fehlt in der wissenschaftlichen Debatte zur Care Migration die Perspektive der Home Care Unternehmen bisher weitgehend. Dennoch kann für das Thema
meiner Arbeit an zwei Punkten wissenschaftlichen Arbeitens angeknüpft werden. Einerseits positioniere ich meinen Forschungsgegenstand in der Hauswirtschaftsforschung, die
im Rahmen der Frauenbewegung in den 1970er Jahren wissenschaftlich thematisiert wurde. Nach wie vor wird der grösste Teil der Hausarbeit unbezahlt von Frauen geleistet. Ein
zunehmender Anteil der Hausarbeit wird mittlerweile aber als Erwerbsarbeit ausgeführt,
meist von ausländischen Frauen (vgl. Gather et al. 2008; Hess 2009; Hochschild 2000; Lutz
2008). Die Hausarbeitsdebatte ist heute stark transnational4 geprägt und befasst sich mit
der Auslagerung verschiedener Sorgetätigkeiten entlang von Geschlechter- und Armutsgrenzen sowie deren Auswirkungen in einem internationalen Kontext (vgl. Apitzsch und
Schmidbaur 2010). Das vermehrte Auftreten von Home Care Unternehmen kann als Ausdruck dieser Entwicklung interpretiert werden. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werde
ich kurz einige Themen der Haushaltsforschung aufgreifen und die wissenschaftliche Diskussion zur bezahlten Care Arbeit skizzieren.
Andererseits verstehe ich meine Studie als Teil der wirtschaftsgeographischen Forschung
zum Themenbereich „Arbeit“. Die Geographien der Arbeit beschäftigen sich mit den vielfältigen Auswirkungen, welche mit einer internationalen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes einher gehen. Dabei gehe ich auf Arbeiten ein, die sich mit sogenannten Arbeitsmarktvermittlern5 (Labour Market Intermediaries) auseinandersetzen. Diese gewinnen in einem
komplexer werdenden Arbeitsmarkt zunehmend an Bedeutung und übernehmen vielfältige Vermittlungstätigkeiten zwischen ArbeitnehmerIn und ArbeitgeberIn. Ich gehe davon
4
Gemäss Lutz (2008, 86) beschreibt der Begriff „Transnationalität“ die Auswirkungen einer globalisierten Wirtschaftsweise auf die soziale Ebene. In der Migrationsforschung hingegen bezeichnet der Begriff
eine grenzüberschreitende Migrationsbewegung, die sich gegen die vereinfachte Vorstellung einer linearen Wanderung vom Herkunftsland ins Aufnahmeland stellt (ebd.).
5
Ich verwende den Begriff „Arbeitsmarktvermittler“ gemäss Benner (2003, 621) als Übersetzung des
Begriffs labour market intermediaries. Benner verwendet „Arbeitsmarktvermittler“ als Oberbegriff sowohl für profitorientierte Unternehmen als auch für Non-Profit Organisationen, welche diverse Vermittlungstätigkeiten im Arbeitsmarkt übernehmen (ebd.). Gemäss Benner zählen zu den Arbeitsmarktvermittlern beispielsweise privatwirtschaftlich organisierte Arbeitsvermittler, sowie Gewerkschaften oder
auch staatliche Arbeitsintegrationsprogramme (2003, 623f).
6
aus, dass Arbeitsmarktvermittler nicht nur als neutrale Vermittler fungieren, sondern eine
aktive Rolle in der Gestaltung der Arbeitsmärkte einnehmen. Weiter lege ich dar, wie Labour Market Intermediaries in der geographischen Forschung thematisiert werden und
warum ich Home Care Unternehmen als eine Form von Arbeitsmarktvermittler verstehe.
2.1 Transnationale Hauswirtschaftsforschung
Hausarbeit ist ein zentrales Thema der internationalen feministischen Debatte und wird
seit den 1970er Jahren auch wissenschaftlich diskutiert. Als zentrales Werk gilt der Aufsatz
von Duden und Bock „Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit“ (1977). Rückblickend sagt Duden
(2009), dass die zentrale Errungenschaft dieses Textes das Sichtbarmachen des Arbeitsbereichs „Hausarbeit“ ist, welcher bis dahin im Verborgenen stattfand und öffentlich nicht
thematisiert wurde. Mit dem Ruf nach Lohn für Hausarbeit, was die Frauenbewegung der
1970er Jahre verlangte, wurde die Gleichstellung der Bereiche Produktion (Erwerbsarbeit)
und Reproduktion (unbezahlte Sorgetätigkeit) eingefordert.
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wird seit den 1990er Jahren zunehmend
von Care anstelle von Reproduktion gesprochen, da dieser Begriff nicht mit einer spezifischen Wertung aufgeladen ist (Apitzsch und Schmidbaur 2010). Care beinhaltet sowohl
Pflege-, Betreuungs- als auch Haushaltstätigkeiten, zudem enthält der Begriff eine emotionale Komponente (to care about). Mit dem Wandel des Begriffs geht eine Transnationalisierung der Hausarbeitsdebatte einher, wovon die aktuell diskutierten Begriffe „Global
Care Work“ und „Care Migration“ zeugen. Zwar hat in den letzten Jahren die Erwerbstätigkeit der Frauen zugenommen, aber eine gleichmässige und gerechte Aufteilung der Hausarbeit zwischen den Geschlechtern ist weitgehend ausgeblieben. In der Schweiz betrug die
von Männern durchschnittlich geleistete unbezahlte Haus- und Familienarbeit 16,2 Stunden pro Woche während Frauen mit 27,6 Stunden pro Woche fast das Doppelte leisteten
(BfS 2011). Für den ganzen europäischen Raum liegen ähnliche Zahlen vor (Eurostat 2008,
111). Rerrich stellte 2008 ernüchtert fest: „Das Projekt der Gleichverteilung von Hausarbeit
ist trotz vielfacher Bemühungen (…) bisher weitgehend gescheitert“ (2008, 19). Stattdessen zeigt sich ein konstanter Trend zur Auslagerung der Sorgetätigkeit an Care Worker aus
dem Ausland. Hess (2009, 47) bezeichnet diese Kommerzialisierung der Hausarbeit und
ihre Abgabe an ausländische Frauen als eine „Ethnisierung der Versorgungsarbeiten und
der Etablierung einer neuen internationalen Teilung der Reproduktionsarbeit“. In diesem
Zusammenhang wird vielfach das von Hochschild (2000) geprägte Konzept der Global Care
Chains herbeigezogen. Die Autorin beschreibt diese globalen Betreuungsketten als „A series of personal links between people across the globe based on paid or unpaid work of
7
caring“ (Hochschild 2000, 131). Familien in wohlhabenden Ländern beschäftigen typischerweise eine Haushaltshilfe aus einem ärmeren Land, welche ihre Kinder oder andere
betreuungsbedürftige Familienmitglieder Verwandten, Bekannten oder wiederum einer
Haushaltshilfe aus einem Land mit tieferen Löhnen überlässt. Entlang eines internationalen Lohngefälles zeichnet sich so eine Betreuungskette ab. Die Frage drängt sich auf, wer
sich um das letzte Glied der Kette kümmert. Hochschild spricht hier von „emotionalem
Imperialismus“ (2002, 27) bezüglich der „unfair verteilten Ressource Liebe“ (2002, 22), die
ärmeren Ländern entnommen und in reicheren Ländern angesammelt wird. Zusätzlich zum
brain drain, der Abwanderung von gut gebildeten, meist jungen Menschen, vergrössert
der weniger gut sichtbare care drain die Schere zwischen reichen und armen Ländern
(Hochschild 2002, 17).
Insgesamt zeigen die Forschungsarbeiten zur Arbeit im Privathaushalt diesen als widersprüchlichen Arbeitsplatz (Hess 2009, 207), worin die Grenzen von privater und öffentlicher Sphäre verschwimmen (Geissler 2008, 43). Bei der kommerzialisierten Hausarbeit
vermischen sich die traditionellen Handlungslogiken der Erwerbsarbeit (Distanzierung und
Monetarisierung) mit den Handlungslogiken der privaten Sphäre (Empathie und Unentgeltlichkeit) (Geissler 2008, 39). Madörin (2007) macht darauf aufmerksam, dass die Hausarbeit als personenbezogene Dienstleistung einige Besonderheiten aufweist. Im Gegensatz
zur Güterproduktion und nicht-personenbezogenen Dienstleistungen ist der Produktionsund Konsumationsprozess bei der Hausarbeit nicht getrennt (Madörin 2007, 142). Eine
weitere Besonderheit ist die emotionale Komponente: Die zwischenmenschliche Beziehung ist ein wichtiger Bestandteil der Care Tätigkeit (ebd.). Als drittes Charakteristikum ist
die Care Arbeit durch verschiedene Machtgefälle geprägt, die durch eine Abhängigkeit
zwischen Betreuerin und der zu betreuenden Person zustande kommt, was eine grosse
Verantwortlichkeit mit sich bringt (Madörin 2007, 142). Besonders für live-in Angestellte,
die im gleichen Haushalt leben und arbeiten, verschwimmt die Grenze zwischen Arbeit und
Privatleben oftmals. Die von ihnen erwartete Integration in die Familie führt zu einer Vermischung von Arbeitsbeziehung und Freundschaft (vgl. Schilliger 2012; Truong 2011). Weiter ist die Arbeit im Privathaushalt oft geprägt von niedrigen Löhnen und unregulierten
Arbeitszeiten aufgrund der ständigen Anwesenheit von live-in Angestellten. Zusätzlich findet Hausarbeit weitgehend unsichtbar statt und die Arbeitsbedingungen in der privaten
Sphäre sind dementsprechend schwer zu kontrollieren (Lutz 2011, 76). Die International
Labour Organization (ILO 2011) bezeichnet Arbeitnehmende im Privathaushalt als im besonderen Masse gefährdet für Ausbeutung verschiedener Art.
Trotz des dargelegten Wandels der Hausarbeitsforschung vom Konzept der Reproduktion
hin zum Konzept der Global Care Work sind die zentralen Anliegen der feministischen De-
8
batte weitgehend die Gleichen geblieben: Die Arbeit im Privathaushalt soll zu einem „öffentlichen Thema der Gerechtigkeit“ (Brückner 2010, 43) gemacht werden (sowohl zwischen den Geschlechtern als auch zwischen den Nationen) und „die Anerkennung von `Care‘ als notwendige gesellschaftliche Aufgabe“ wird gefordert (ebd.).
2.2 Geographien der Arbeit
Der Themenbereich „Arbeit“ ist ein zentraler Gegenstand wirtschaftsgeographischer Forschung. Coe (2012) greift in seinem Artikel „Making space for labour“ drei aktuelle
Schwerpunkte dieses jungen Forschungsfeldes auf: Als ein Leitmotiv geographischer Arbeitsforschung bezeichnet er den Themenbereich „labor agency“. Castree et al. (2004,
159) verstehen unter diesem Begriff „the capacity to act, to change, to challenge and to
resist“. Die Arbeitnehmenden werden in dieser Forschungsrichtung als gestaltende Akteure konzeptualisiert, die sich mit vielfältigen Strategien, kollektiv oder individuell, ihren Arbeitsraum gestalten (vgl. Herod 1997).
Als einen weiteren aktuellen Schwerpunkt bezeichnet Coe (2012, 7) die Arbeiten rund um
das Thema „new modes of organizing“. Dabei geht es um die Frage, wie eine (kollektive
oder individuelle) Organisation von Arbeitnehmenden im heutigen, auf vielfältige Art und
Weise fragmentierten Arbeitsmarkt möglich ist. Die Organisation in Gewerkschaften verliert in einem Arbeitsmarkt, der durch neue Informationstechnologien räumlich weiter
verteilt ist, zunehmend an Bedeutung (Lier 2007, 828). Arbeitnehmende stehen einander
in immer komplexer werdenden administrativen Verhältnissen gegenüber (durch Outsourcing und Subcontracting) (ebd.). Ebenso erschweren individualisierte Arbeitsverträge wie
Teilzeit- und Schichtarbeit, eine kollektive Organisation der Arbeitnehmenden in Gewerkschaften (Lier 2007, 828). Welche neuen Formen der Organisation entstehen und wie Arbeitnehmende unter diesen veränderten Umständen ihre Arbeitsbedingungen mitgestalten, behandelt dieser Teilbereich der Geographien der Arbeit.
Innerhalb Coes (2012, 4) drittem Schwerpunkt, „Precarity, new migrant division of labour,
and intermediaries“, möchte ich meinen Forschungsgegenstand verorten. Coe greift darin
drei Themen auf, die ich in meinem Forschungsgegenstand wiederfinde: die Abgabe von
Care Arbeit an Migrantinnen (new migrant division of labour), das Auftauchen von Home
Care Unternehmen als eine Art Vermittler zwischen der Kundschaft im Privathaushalt und
den meist weiblichen Arbeitnehmerinnen (intermediaries) und die Einstufung der Arbeit
im Privathaushalt als prekäres Arbeitsverhältnis (precarity) (vgl. Kapitel 2.1 Transnationale
Hauswirtschaftsforschung). Beim diesem Forschungsschwerpunkt wird der Fokus beson-
9
ders auf die Zunahme von atypischen Arbeitsverhältnissen im Kontext eines globalisierten
und flexibilisierten Arbeitsmarktes gelegt. Aus wirtschaftsgeographischer Perspektive werden dabei die Fragen aufgeworfen, welche Zusammenhänge zwischen Migration und atypischen, oft prekären Arbeitsformen bestehen und welche Rollen dabei neu entstehende
Vermittler (Labour Market Intermediaries oder LMIs) auf dem Arbeitsmarkt spielen (Coe
2012).
Labour Market Intermediaries
als Folge eines flexibilisierten Arbeitsmarkts
Zunehmender Konkurrenz- und Lohndruck im internationalen Wettbewerb sowie Arbeitsmarktderegulierungen auf nationaler Ebene wirken sich stark auf die Arbeitsmarktbedingungen aus. Dies zeigt sich unter anderem in der Zunahme von atypischen Arbeitsverhältnissen seit den 1970er Jahren. Der enorme technologische Wandel, besonders in der Informationstechnologie, ermöglicht neue Formen der Arbeitsorganisation und erweitert
den geographischen Spielraum vieler Unternehmen massgeblich. Aus diesen Entwicklungen entsteht die Unternehmensstrategie, sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren und alle anderen Tätigkeiten kostengünstig auszulagern (Ostermann 2004, 157).
Die lebenslange Tätigkeit beim gleichen Unternehmen wird immer seltener, dafür nehmen
sogenannte atypische Arbeitsverhältnisse zu. Der Arbeitsmarkt ist insgesamt unbeständiger geworden.
Als atypisch gelten alle Arbeitsformen, die keine unbefristete Vollzeitbeschäftigung darstellen. Birchmeier (2002, 8) zählt Teilzeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Temporärund Leiharbeit, Wochenend-, Abend-, Nacht- und Schichtarbeit sowie Arbeit auf Abruf,
Heimarbeit und die abhängige Selbstständigkeit zu den atypischen Arbeitsformen. Auch
atypische Stundenpläne und atypische Arbeitsorte zählen dazu (ebd.). Parallel zu dieser
Entwicklung in Richtung eines komplexeren und unvorhersehbarer werdenden Arbeitsmarkts übernehmen sogenannte Arbeitsmarktvermittler (LMIs) eine zunehmend wichtige
Rolle. Sie übernehmen verschiedenartige Vermittlungstätigkeiten zwischen ArbeitgeberIn
und ArbeitnehmerIn (Benner 2003, 623). Nach Benner erfüllen sie drei verschiedene Funktionen, dies sowohl auf Seiten der Arbeitnehmenden wie auch auf Seiten der Arbeitgebenden: LMIs reduzieren Transaktionskosten, die in der Kommunikation und im Informationsaustausch zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn anfallen (z.B. bei der Rekrutierung von Arbeitnehmenden oder bei der Bewerbung), sie konstruieren Netzwerke und sie
sichern Risiken ab (Benner 2003, 621). Labour Market Intermediaries sind uneinheitlich
definiert (vgl. Coe et al. 2010). Einen Überblick über die Begrifflichkeiten in der englisch-
10
sprachigen Literatur geben Benner (2003) und Kalleberg (2000). Benner (2003, 623f.) unterscheidet zwischen Private Sector Intermediaries (z.B. profitorientierte Personalverleiher), Membership-based Intermediaries (z.B. Gewerkschaften und Berufsverbände) und
Public Sector Intermediaries (z.B. Non-Profit Programme zur Wiedereingliederung in den
Arbeitsmarkt). In dieser Arbeit behandle ich ausschliesslich die Private Sector Intermediaries.
Die Personalverleihagentur (Staffing Agency) ist die wohl präsenteste Form eines privaten,
gewinnorientierten Arbeitsmarktvermittlers, sowohl was die wissenschaftliche Diskussion
als auch die politische und mediale Aufmerksamkeit betrifft. In der Schweiz ist dafür der
Begriff „Temporärbüro“ gebräuchlich (vgl. Mandaglio 2008). Für die vorliegende Arbeit
folge ich der Definition von Bianchi und Lampart (2007). Sie definieren Personalverleih als:
„Oberbegriff für das Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitgeber (Verleiher), Einsatzbetrieb
(Entleiher) und Arbeitnehmer. Dabei stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit einem Dritten zur Leistung von Arbeit zur Verfügung. Dem Einsatzbetrieb
steht das Weisungsrecht aber auch die Fürsorgepflicht zu. Der Personalverleih umfasst die
Temporärarbeit, die Leiharbeit und das gelegentliche Überlassen von Arbeitnehmenden
an Einsatzbetriebe.“ Bianchi und Lampart 2007, 32f.
Keine andere Beschäftigungsform hat in den letzten Jahren so stark an Bedeutung gewonnen wie die Leiharbeit, besonders auf den europäischen, den US-amerikanischen und den
japanischen Märkten (vgl. CIETT 2011). Gleichzeitig wird ihr aber oft auch ein prekärer
Charakter zugeschrieben. Die Leiharbeit gilt als im besonderen Masse anfällig für Lohndumping und Beschäftigungsunsicherheit (vgl. Deutscher Gewerkschaftsbund DGB 2011;
Bianchi und Lampart 2007). Es wird kritisiert, dass Firmen mit Leiharbeitenden kurzfristige
Personalbedarfsengpässe beseitigen können, ohne langfristig Mitarbeitende an sich binden und Verpflichtungen eingehen zu müssen (vgl. Mandaglio 2009). Vereinfacht gesagt
steht die Leiharbeit in dieser Argumentation in einem Spannungsverhältnis zwischen einer
Flexibilisierungsstrategie zur Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung auf Seiten der
Einsatzfirmen und dem Bedürfnis nach Arbeitsplatzsicherheit der Arbeitnehmenden. Von
Seiten des Verbandes der Personalverleiher in der Schweiz wird betont, dass nicht nur die
Einsatzbetriebe profitieren, sondern das flexible Arbeiten mit befristeten Arbeitseinsätzen
dem vermehrten Wunsch nach einem individuell gestalteten (Arbeits-)Leben entspricht
(vgl. Fischer-Rosinger 2012). Die hier angeschnittene Diskussion ist äusserst komplex und
vielschichtig. Die Statistik zeigt beispielsweise, dass in der Schweiz überdurchschnittlich
viele Hochschulabgängerinnen und -abgänger in temporären Arbeitsverhältnissen angestellt sind und diese als Einstieg ins Berufsleben nutzen (Birchmeier 2002). Benner et al.
(2007) werfen berechtigterweise die Frage auf, ob atypische Arbeitsverhältnisse wie die
11
Leiharbeit als „Staircases or Treadmills?“ zu verstehen seien, als Treppenstufen der Karriere oder gerade umgekehrt als Hamsterrad ohne Aufstiegschancen.
Gemäss Coe et al. (2010) lassen sich in der bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung zum Thema „Leiharbeit“ zwei Forschungsschwerpunkte ausmachen. Einerseits besteht eine Vielzahl von Arbeiten, welche die Motivation von Einsatzfirmen zur Anstellung
von Leiharbeitern thematisiert. Diese betriebswirtschaftliche Perspektive stellt Leiharbeit
als Teil einer Kosten und Risiken auslagernden Unternehmenslogik dar (vgl. Atkinson und
Meager 1986 zit. in Coe et al. 2010, 1058f.; Conell und Brugess 2002). Auf der anderen
Seite zeigen Coe et al. (2010) die Auseinandersetzung mit der Thematik aus soziologischer
Sicht, wobei der Fokus auf die Arbeitnehmenden gerichtet wird. Zahlreiche Forschungsarbeiten gehen dabei der Frage nach, warum und unter welchen Umständen Arbeitnehmende ein temporäres Arbeitsverhältnis wählen. Vor allem von Frauen mit Kindern und von
Studierenden wird die Flexibilität als Grund für die Wahl dieser Arbeitsform angegeben
(vgl. Druker und Stanworth 2004). Als weiterer Grund wird genannt, dass sich Arbeitnehmende erhoffen, über die temporäre Arbeit eine Festanstellung zu bekommen (vgl. Pedersen et al. 2007) und ihnen die Temporärarbeit einen Einblick in verschiedene Unternehmen ermöglicht (Van Breugel et al. 2005, 541). Eine Reihe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen jedoch, dass die Temporärarbeit von vielen Arbeitnehmenden nicht
selbstbestimmt ist, sondern aufgrund mangelnder Qualifikationen und fehlendem Zugang
zu permanenten Anstellungsmöglichkeiten ausgeführt wird (vgl. Connell und Burgess
2002; Kalleberg 2000; Perdersen et al. 2007). Eine weitere Gruppe mehrheitlich soziologischer Arbeiten befasst sich mit dem Selbstbild von Temporärarbeitnehmenden (vgl. Garsten 2008; Henson 1996 zit. in Coe et al. 2010, 1062). Weiter werden Machtmechanismen
innerhalb des Arbeitsverleihs untersucht, wobei Arbeit als zentraler Faktor von Ungleichheit thematisiert wird (vgl. Smith 1998).
Die aufgezeigten Forschungsarbeiten zur Leiharbeit befassen sich also entweder mit den
Arbeitnehmenden oder mit den Einsatzbetrieben. Dem dritten Part dieser Dreiecksbeziehung, den Arbeitsvermittlern selbst, wurde in der Wissenschaft wenig Beachtung geschenkt. Sie wurden bisher weitgehend als neutrale Vermittler zwischen Arbeitnehmenden
und Arbeitgebenden thematisiert (Coe 2012, 1063). Peck und Theodore (2002) fassen für
den Personalverleih zusammen, was für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
allen Formen von Labour Market Intermediaries gilt:
„The Temporary Staffing Industry (TSI) is typically portrayed as a neutral facilitator of market forces, bringing enhanced efficiency, convenience and flexibility to both the workforce
and the employers. The TSI likes to portray itself as a servant of the market, not a maker of
markets, though in fact the latter characterization is much closer to the truth.“ Peck und
Theodore 2002, 157
12
Ein Forschungsfeld ist am Entstehen, welches sich mit LMIs als marktgestaltenden Akteuren in geographisch unterschiedlichen Kontexten befasst. Das wachsende wissenschaftliche Interesse kann als Hinweis auf eine zunehmend wichtig werdende Rolle von LMIs in
verschiedenen Branchen verstanden werden. Eine Auswahl an geographischen Studien,
welche die Rolle von Arbeitsmarktvermittlern thematisieren, wird im folgenden Kapitel
präsentiert. Mit den exemplarisch ausgewählten Forschungsarbeiten soll versucht werden,
die Breite des Forschungsfeldes aufzuzeigen.
Labour Market Intermediaries in der geographischen Forschung
Eine wichtige Arbeit, die als Ausgangspunkt dieses Forschungsbereich verstanden werden
kann, ist die Studie von Peck und Theodore (1998) zur Temporary Staffing Industry in Chicago, wobei die Autoren ein differenziertes Bild der verschiedenen Agenturen und ihren
Einfluss auf den Arbeitsmarkt aufzeigen. Dabei können zwei widersprüchliche Trends ausgemacht werden. Auf der einen Seite gibt es Agenturen, die zur Vermittlung von enorm
kurzfristigen und unsicheren Arbeitseinsätzen auf Tagesbasis tendieren und ungelernte
Arbeitnehmende aus der untersten Lohnschicht beschäftigen (1998, 671). Auf der anderen
Seite versuchen gewisse Staffing Agencies eine längerfristige Beziehung zwischen Agentur,
Arbeitnehmenden und Einsatzbetrieb zu etablieren. Daraus resultiert eine grössere gegenseitige Abhängigkeit, welche die Gefahr für die Agentur, von der Einsatzfirma ausgewechselt zu werden, minimiert (ebd.). Peck und Theodore legen dar, dass die Staffing Industry
mit „instability, expolitation, speed and price“ handelt und die Nachteile zum grossen Teil
die Arbeitnehmenden zu tragen haben (1998, 672). Gemäss den Autoren fallen die Strategien der einzelnen Agenturen unterschiedlich aus und spiegeln sich in den Beziehungen zu
den Arbeitnehmenden und den Einsatzfirmen (ebd). Somit zeigen Peck und Theodore
(1998) auf, dass die Staffing Agencies über wesentliches Gestaltungspotential mittels der
Arbeitsbeziehung verfügen und den Arbeitsmarkt durch ihre Handlungslogik aktiv mitgestalten.
Eine umfassende Reihe von Arbeiten zur Temporary Staffing Industry in verschiedenen
nationalen Kontexten stammt von Coe, Johns und Ward. Ihre Arbeiten enthalten Studien
zur Temporary Staffing Industry unter anderem in Tschechien und Polen (2008), Schweden
(2009a), Australien (2009b) und Japan (2011, 2012). Sie zeigen auf, dass die Entwicklung
und Bedeutung der Leiharbeit stark von der Einbettung in das institutionelle Umfeld abhängig ist und von nationalstaatlichen Regulatorien geprägt ist. Die Charakteristika der
Temporary Staffing Industry variieren national sehr stark und es sind komplexe Wechselwirkungen mit verschiedenen staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren eines Lan-
13
des festzustellen. In diesem Zusammenhang möchte ich erneut auf die Arbeit von Krawietz
(2010) zurückzugreifen. Ähnlich wie Coe et al. zeigt sie auf, dass transnational arbeitende
Vermittlungsagenturen im Pflegebereich durch die Einbettung in zwei verschiedene nationale Kontexte in Polen und Deutschland unterschiedliche Organisationsidentitäten aufweisen. In Polen verstehen sie sich als „private Arbeitsvermittler“, in Deutschland hingegen als
„Vermittler von haushaltsnahen und betreuerischen Dienstleistungen für Ältere“ (Krawietz
2010, 269).
Weiter gibt es zahlreiche Studien, welche ihren Fokus nicht direkt auf LMIs und deren Rolle
richten, sondern diese im Zusammenhang mit der Arbeitsrealität in verschiedenen Branchen thematisieren. Eine Reihe von Arbeiten, die sich mit prekären Arbeitsformen in Londons Dienstleistungssektor beschäftigt, stammt von McDowell, Batnitzky und Dyer (2007;
2008; 2009). Sie zeigen am Fallbeispiel eines Londoner Hotels und eines Londoner Spitals
das komplexe Zusammenspiel von Arbeitsmigration und der wachsenden Zahl an Migrantinnen und Migranten in prekären Arbeitsverhältnissen auf, wobei die Temporärarbeit
hierbei eine wesentliche Rolle spielt (ebd.). Während McDowell und ihr Team die Rekrutierungspraxis von Staffing Agencies auf einem lokalen Markt in der Serviceindustrie in Londons Westen untersuchen (2008), legen Malecki und Ewers (2007) den Fokus auf den Zusammenhang zwischen LMIs und internationalen Migrationsbewegungen. In ihrer Arbeit
beschreiben sie die grenzüberschreitende Tätigkeit von Personalrekrutierungsfirmen (Recruitment Offices) im Zusammenhang mit der Arbeitsmigration in die Golfstaaten (ebd.).
James und Vira (2012) beschäftigen sich mit der „New Service Economy“ in Indien und
thematisieren, wie Arbeitnehmende in der indischen Call Center-Industrie ihre Karriere
planen. Die Autoren legen dar, dass aufgrund mangelnder Aufstiegschancen innerhalb
desselben Call Centers die Karriere durch den Wechsel des Unternehmens vorangetrieben
wird. Dabei spielen verschiedene Formen von LMIs eine wichtige Rolle, sowohl für die Arbeitgeber der Call Center-Industrie, als auch für die Arbeitnehmenden (James und Vira
2012). Für die Autoindustrie Südkoreas zeigt Lee (2011) auf, dass atypische Arbeitsformen
zur Norm geworden sind und dieser Umbruch zahlreiche Veränderungen in der Organisation und der Arbeitsverhältnisse, besonders auch zwischen Festangestellten und Temporärarbeitnehmenden, mit sich brachte. Die Forschungsarbeit von Terry (2011) zur Cruise
Industry zeigt, wie in der ausserordentlich international geprägten Schifffahrtsindustrie die
Staffing Agencies aus Mangel an Arbeitnehmenden mit den erwünschten Qualifikationen
selbst Trainingsprogramme zur Schulung neuer Arbeitskräfte anbieten.
Auch wenn die aufgezeigten Arbeiten wichtige Erkenntnisse zur Rolle von Labour Market
Intermediaries im heutigen Arbeitsmarkt liefern, sich mit den Unterschieden der Leiharbeit
14
und den Personalverleihagenturen in verschiedenen nationalen Kontexten auseinandersetzen und das Zusammenspiel zwischen LMIs und Migrationsprozessen zu erfassen versuchen, bleiben doch in allen Bereichen viele Fragen offen, die weiterer Forschung bedürfen.
Home Care Unternehmen als Arbeitsmarktvermittler
Im vorherigen Abschnitt wurde die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Labour Market Intermediaries in der geographischen Forschung aufgezeigt. Dabei erscheinen die Personalverleihagenturen wiederum als eine besonders stark beachtete Form von privaten,
profitorientierten Arbeitsmarktvermittlern. Im diesem Abschnitt versuche ich nun Home
Care Unternehmen als LMIs zu thematisieren. Ich zeige auf, welche Betriebsformen innerhalb des Schweizer Home Care Sektors existieren und warum die Zuordnung zum Personalverleih nicht eindeutig ist.
Die bereits aufgegriffene Definition von Bianchi und Lampart (2007, 32) hat den Personalverleih als dreiecksförmiges Arbeitsverhältnis beschrieben, wobei dem Einsatzbetrieb sowohl Weisungsrecht als auch Fürsorgepflicht für den Arbeitnehmenden zusteht. Medici
(2011, 24f.) verweist in ihrer Arbeit zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Hauswirtschaft und Betreuung im Privathaushalt in der Schweiz auf das zentrale Charakteristikum
des Weisungsrechts für die Zuordnung zum Personalverleih. Es liegt dann ein Personalverleihverhältnis vor, wenn der Einsatzbetrieb (hier die zu betreuende Person oder ihre Angehörigen) einen wesentlichen Teil der Weisungen faktisch ausführt (ebd.). Die Festlegung,
wem das Weisungsrecht zukommt, wird innerhalb der Unternehmen im Home Care Sektor
sehr unterschiedlich ausgelegt (vgl. Schilliger 2012; Truong 2012). Einige der befragten
Unternehmen geben an, das Weisungsrecht bleibe komplett beim Unternehmen, andere
geben an, dass das Weisungsrecht zu einem Grossteil an die betreuungsbedürftige Person
übergeht. Bei allen Spitexunternehmen (egal ob öffentlich oder privat) bleibt das gesamte
Weisungsrecht bei der Organisation, was bedeutet, dass das Personal unter der Weisungsmacht der Spitexorganisation bleibt (Medici 2011, 7). Spitexorganisationen sind somit keine Personalverleiher. Allerdings führen einige private Spitexorganisationen in der
Schweiz zusätzlich zu ihren Pflegedienstleistungen einen Personalverleih, wobei sie Fachpersonal im Gesundheitswesen, beispielsweise an Spitäler, vermitteln. Dies soll aber im
Rahmen dieser Arbeit nicht thematisiert werden.
15
Sowohl für den Arbeitsverleih als auch für die Arbeitsvermittlung6 ist in der Schweiz eine
Betriebsbewilligung nötig (Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung
und den Personalverleih). Die für diese Arbeit befragten Betreuungsunternehmen verstehen sich teilweise als Personalverleiher oder als Personalvermittler mit entsprechender
Bewilligung, teilweise aber auch als Unternehmen, die sich weder zur einen noch zur anderen Form zählen. Da sich die hier thematisierten Home Care Unternehmen nicht eindeutig
einer Betriebsform zuordnen lassen, zähle ich sie vereinfacht zum Oberbegriff der Arbeitsmarktvermittler. Für diese Arbeit ist die exakte juristische Betriebsform nicht von
zentraler Bedeutung, vielmehr möchte ich die für LMIs charakteristische Position zwischen
Kundschaft und Arbeitnehmenden betonen. Es geht mir darum, die Position von Home
Care Unternehmen im dreiecksförmigen Arbeitsverhältnis zu beschreiben und die Rolle
der Unternehmen bei der Gestaltung dieser Arbeitsbeziehungen zu thematisieren.
6
Die Arbeitsvermittlungsagentur führt eine stellensuchende Person und einen Arbeitgeber oder eine
Arbeitgeberin zum Vertragsabschluss zusammen und erhält dafür Geld (Medici 2011, 28).
16
Teil II
3 Methodologie und Forschungsdesign
Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, wie im Privathaushalt tätige Dienstleistungsunternehmen über ihre Tätigkeit und ihr Umfeld sprechen. Mein Forschungsinteresse liegt dabei
herauszuarbeiten, welche Logiken, welche Legitimationsstrategien und welches Selbstbild
den Sprechweisen von Vertreterinnen und Vertretern dieser Home Care Unternehmen
zugrunde liegen. Zur Beantwortung dieser Fragen eignet sich ein diskurstheoretischer Forschungsansatz, der sich an den Arbeiten des französischen Philosophen Michel Foucault
orientiert.
Für mein Forschungsvorhaben wurden qualitative Leitfadeninterviews mit Vertreterinnen
und Vertretern von Home Care Unternehmen geführt. Bei der Planung und Durchführung
der Interviews orientierte ich mich an den Überlegungen von Cornelia Helfferich (2009).
Die Auswertung der Daten erfolgte anhand des diskurstheoretischen Ansatzes von Gordon
Waitt (2010). Das folgende Kapitel zeigt die Schritte der empirischen Arbeit auf und soll
den Forschungsprozess von der Definition der Zielgruppe über die Kontaktaufnahme bis
hin zur Auswertung der Daten methodisch transparent machen.
3.1 Diskurstheoretischer Forschungszugang nach
Michel Foucault
Die Diskursanalyse, welche sich an den Ideen des französischen Philosophen und Historikers Michel Foucault orientiert, ist nicht als eine konkrete Methode, sondern als Forschungsperspektive zu verstehen (Keller 2007, 8). Foucault selbst hat in seinen Werken
weder eine explizite Anleitung zur Durchführung einer Diskursanalyse noch eine generalisierbare Theorie gegeben (Bublitz et al. 1999, 15f.). Vielmehr zeigt er „ein begriffliches
Instrumentarium, das im Sinne einer Werkzeugkiste verwendet werden kann“ (Schwiter
2011, 48). Der hier geschilderten diskurstheoretischen Forschungsperspektive liegt ein
Verständnis von Sprache zugrunde, die Realität nicht abbildet, sondern sie hervorbringt. In
diesem Sinn geht die Diskursforschung davon aus, dass die Analyse der Sprache Aufschluss
darüber geben kann, wie soziale Wirklichkeiten entstehen und welchen Regeln sie folgen.
17
Weiter fragt sie, welches Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt als Wahrheit anerkannt
wird und warum.
Analyseeinheit ist der Diskurs, der in der Wissenschaft uneinheitlich definiert und interpretiert wird. Foucault selbst bezeichnet in seiner „Archäologie des Wissen“ Diskurse „als
Praktiken (…), die systematisch die Gegenstände bilden von denen sie sprechen. Zwar bestehen diese Diskurse aus Zeichen; aber sie benutzen diese Zeichen für mehr als nur zur
Bezeichnung der Sachen. (…). Dieses mehr muss man ans Licht bringen und beschreiben“
(1981, 74). Anders ausgedrückt formieren sich Aussagenbündel, die der gleichen Logik
folgen, zu Diskursen:
„Diskurse sind in eine sprachliche Form gegossene gesellschaftliche Praktiken. Durch permanente Wiederholung verfestigen sich diese Praktiken zu Strukturen in Form von Diskursen, die so selbstverständlich werden können, dass von ihren gesellschaftlichen Ursprüngen abstrahiert wird, diese vergessen werden und als allgemeine Gesetze erscheinen.“ Belina und Dzudzek 2009, 131
Aus dieser Definition geht hervor, dass verfestigte Redeweisen sich verselbständigen und
„sich für eine bestimmte Zeit als unhinterfragte Wahrheiten etablieren“ (Schwiter 2011,
15). Genau dieses Selbstverständliche zu hinterfragen wird von Sigfried Jäger und Margarete Jäger als Leitlinie des Schaffens von Michel Foucault bezeichnet (2007, 7). Welche
Aussagen als wahr akzeptiert werden, so schreibt Waitt, ist nicht zufällig, sondern das Resultat von gesellschaftlicher Ungleichheit (2010, 217). Somit müssen Diskurse immer innerhalb eines gesellschaftlichen und historischen Kontextes untersucht werden (ebd.). In
anderen Worten wird die Sprache als Ausdrucksform von in einer Gesellschaft vorhandenem Wissen verstanden (Jäger und Jäger 2007, 24).
Für diese Arbeit verstehe ich den Begriff „Diskurs“ wie von Jean Carabine vorgeschlagen
als Gruppe von verfestigten Aussagen zu einem bestimmten Thema, die im Rahmen einer
Diskursanalyse beschrieben und zueinander in Kontext gesetzt werden (2001, 268). Dabei
werden die Diskurse bezüglich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und ihrer Wirkung untersucht (ebd.). Die einzelnen Arbeitsschritte bei der Anwendung der diskurstheoretischen
Forschungsperspektive auf mein Textmaterial werden auf den folgenden Seiten beschrieben.
18
3.2 Datenerhebung
Zielgruppe
Das Selbstverständnis, welches Vertreterinnen und Vertreter von Home Care Unternehmen von der eigenen Tätigkeit und ihrer Rolle im Pflege- und Betreuungsmark der Schweiz
angeben, steht im Zentrum dieser Arbeit. Als Home Care Unternehmen definiere ich private, gewinnorientierte Unternehmen, welche Pflege- und/oder Betreuungsdienstleistungen
für hilfsbedürftige Personen in Privathaushalten anbieten. Durch die Verwendung des Begriffs „Care“ folge ich einer Reihe von deutschsprachigen Wissenschaftlerinnen, die den
englischen Begriff vorziehen, da er anders als das deutsche Wort „Pflege“, auch Betreuungsarbeiten mit einschliesst und zudem eine emotionale Komponente (to care about)
enthält (vgl. Brückner 2010; Lutz 2010; Schilliger 2012). Im Deutschen gibt es keine Übersetzung des Begriffs „Care“, der die breite Palette von verschiedenen Tätigkeiten im Privathaushalt gut zusammenfasst. Der Begriff „Home“ steht dafür, dass die Dienstleistungen
ambulant, also im Privathaushalt, angeboten und durchgeführt werden. Die für diese Arbeit zentralen Home Care Unternehmen sind einerseits private Spitexorganisationen und
andererseits reine Betreuungsunternehmen. Private Spitexorganisationen sind bewilligungspflichtige7 Unternehmen, die unter anderem auch krankenkassenanerkannte Leistungen in der medizinischen Pflege erbringen. Die meisten privaten Spitexorganisation
bieten zusätzlich auch Betreuungsdienstleistungen an, allerdings hauptsächlich in Kombination mit medizinischer Pflege. Die „öffentliche“ Spitex, also die Non-Profit Spitex, welche
im Bereich der ambulanten Pflege und Betreuung in der Schweiz die weitaus wichtigste
Rolle übernimmt (Höpfliger et al. 2011, 12), wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht befragt.
Zwar wird ihre Rolle in den geführten Gesprächen oft diskutiert, für meine Forschungsfrage ist sie jedoch insofern nicht relevant, da die öffentliche Spitex einen Leistungsauftrag
mit den Gemeinden hat und kantonal subventioniert8 wird. Dementsprechend ist sie nicht
gleichermassen der Marktlogik unterworfen wie die hier zentralen privaten und gewinnorientierten Home Care Unternehmen.
Gewinnorientierte Betreuungsunternehmen führen keine medizinische Pflege aus und
unterliegen daher auch keiner Bewilligungspflicht. Die von ihnen angebotenen reinen
Betreuungsdienstleistungen werden deshalb auch nicht von der Krankenkasse übernom7
Zur Ausübung von medizinischen Dienstleistungen ist in jedem Kanton eine Betriebsbewilligung der
entsprechenden Behörde erforderlich.
8
Art 112c Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999: „Die Kantone
sorgen für die Hilfe und Pflege von Betagten und Behinderten zu Hause.“
19
men. Das Angebot dieser Unternehmen umfasst eine Reihe von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten wie Putzen, Kochen und Waschen, wie auch eine vielfältige Palette von Betreuungsdienstleistungen, die von Gesellschaft leisten über Gespräche führen bis zu Begleitung
zu Arztterminen reichen können (Truong 2012, 11). Betreuungsunternehmen können nach
ihrer Organisationsform in Personalvermittler oder Personalverleiher eingeteilt werden.
Diese beiden Betriebsformen sind in der Schweiz bewilligungspflichtig. Einige der befragten Unternehmen geben an, keine solche Bewilligung zu benötigen und sich als Dienstleistungsbetrieb, ähnlich der Spitexorganisationen, zu bezeichnen. Vielfach wurde die Unternehmensform in den Gesprächen gar nicht thematisiert, da sie für meine Forschungsarbeit
nicht zentral ist.
Das Dienstleistungsangebot auf dem Home Care Markt ist divers und reicht von der stundenweisen bis hin zu einer rund-um-die-Uhr Pflege und/oder Betreuung. Die stundenweise
Betreuung und/oder Pflege wird bei allen befragten Unternehmen (sowohl bei den privaten Spitexorganisationen als auch bei den reinen Betreuungsunternehmen) von Arbeitnehmenden ausgeführt, die nicht im gleichen Haushalt leben wie die zu betreuende Person. Diese Arbeitnehmenden werden im weiteren Verlauf der Arbeit als live-outs bezeichnet. Bei den 24-Stunden-Betreuungsmodellen werden zwei Formen unterschiedenen: Das
Schichtmodell und das live-in Modell. Beim live-in Modell wird die Betreuung von einer
Person ausgeführt, die im gleichen Haushalt lebt und arbeitet wie die hilfsbedürftige Person. Andere Unternehmen bieten eine rund-um-die-Uhr Betreuung im Schichtmodell an,
bei dem sich täglich mehrere Personen im Zwei- oder Drei- Schichtbetrieb à 12 oder 8
Stunden ablösen. Beim Schichtmodell lebt das Betreuungspersonal nicht im gleichen
Haushalt wie der oder die Betreute. Allerdings kostet dieses Schichtmodell mehrere
10‘000 Franken im Monat und ist für die meisten Schweizer Familien nicht bezahlbar. Auffällig ist, dass im 24-Stunden-Modell mit live-ins fast ausschliesslich9 mit Ausländerinnen,
sogenannten Pendelmigrantinnen, gearbeitet wird. Der Begriff „Pendelmigration“ bedeutet, dass die Betreuerinnen in regelmässigen Abständen zwischen der Schweiz und dem
Herkunftsland hin und her pendeln. Typischerweise arbeiten und wohnen diese Care
Migrantinnen einige Wochen bis mehrere Monate bei einer hilfsbedürftigen Person in der
Schweiz. Danach werden sie von einer zweiten Betreuerin abgelöst und kehren für eine
bestimmte Zeit in ihr Herkunftsland zurück, bevor sie erneut in die Schweiz einreisen um
wiederum im gleichen Haushalt zu arbeiten.
9
Schweizerinnen als Betreuerinnen in live-in Arrangements sind sehr selten, kommen aber vor und wurden in einem der geführten Interviews erwähnt (Interview 10). Allerdings hat keines der befragten
Betreuungsunternehmen aktuell einheimische Arbeitnehmende in einem 24-Stunden-Einsatz beschäftigt.
20
Insgesamt zeigt sich ein vielfältiges Bild von Unternehmen mit verschieden Angeboten,
Organisationsformen und Arbeitsverhältnissen. Für meine Arbeit unterscheide ich die Home Care Unternehmen hauptsächlich anhand ihres Dienstleistungsangebotes. Ich orientiere mich dabei an der Einteilung nach Truong, welche das Angebotes einerseits anhand des
„Grades der Qualifikation“ (Betreuung vs. Pflege), andererseits anhand der „Einsatzdauer“
(stundenweise vs. rund-um-die Uhr) unterscheidet (2012, 11). Eine genauere Charakterisierung von Home Care Unternehmen in der Schweiz liefert die Arbeit von Truong (2012,
9ff).
Ich konzentriere mich für meine Untersuchung auf die Unternehmen, welche 24-StundenBetreuungsmodelle mit live-in Angestellten anbieten, da diese bezüglich Arbeitsbedingungen und Qualität des Angebotes stark in der medialen Kritik stehen. Betreuungsdienstleistungen und Hausarbeit unterliegen im Besonderen einem Legitimationsdruck, denn Hausangestellte im Privathaushalt sind in der Schweiz vom öffentlichen Arbeitsschutzrecht ausgenommen10. Das heisst, dass es kaum gesetzliche Vorgaben zur nicht-pflegerischen Arbeit
im Privathaushalt gibt. Zwar ist am 1. Januar 2011 der Normalarbeitsvertrag Hauswirtschaft in Kraft getreten, der erstmal verbindliche Mindestlöhne für Hausangestellte festlegt (NAV 2010). Allerdings gelten für die übrigen Arbeitsbedingungen in der Hauswirtschaft, wie beispielsweise Ruhe- und Arbeitszeit, nach wie vor keine zwingenden Regelungen (Seco 2010). Im Gegensatz dazu ist die Arbeit von privaten Spitexorganisationen – wie
die professionelle Pflege im Allgemeinen – starker staatlicher Regulierung unterworfen
(Jähnke et al. 2012, 22). Um medizinische Pflegetätigkeiten ausüben zu dürfen, braucht es
in der Schweiz eine Bewilligung. Darin wird auch klar definiert, welche Qualifikationen die
Angestellten haben müssen (Gesundheitsdirektion Kanton Zürich, 2012). Ergänzend zu den
Unternehmen, welche 24-Stunden-Betreuungsmodelle mit live-in Angestellten anbieten,
wurden im Rahmen dieser Arbeit auch einige private Spitexorganisationen befragt. Aus
den eben geschilderten unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen resultieren
teilweise sehr gegensätzliche Perspektiven auf den Pflege- und Betreuungsmarkt. Die unterschiedlichen Aussagen in den Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern dieser
zwei Unternehmenstypen ermöglichen es, widersprüchliche Logiken wie auch Gemeinsamkeiten in diesem diversen Markt aufzuzeigen.
10
Art. 2 Abs. 1 g Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel
(Arbeitsgesetz, ArG).
21
Zugang zu den Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern
Im Auftrag der Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich führte das Geographische
Institut der Universität Zürich eine Marktanalyse zu den in der Stadt Zürich tätigen Home
Care Unternehmen durch. Ziel dieser explorativen Studie war es, die Charakteristika dieser
Unternehmen herauszuarbeiten sowie die Beschäftigungsstruktur und Arbeitsbedingungen des Arbeitsmarktes Privathaushalt aufzuzeigen. Truong führte im Rahmen dieses Projektes im Dezember 2011 und Januar 2012 acht Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Home Care Unternehmen durch.
In einem ersten Schritt wurde im Oktober und November 2011 vom Geographischen Institut der Universität Zürich eine Onlinerecherche zu den bestehenden Unternehmen in diesem Markt durchgeführt. Für meine Arbeit konnte ich auf diese Liste mit etwa 25 Home
Care Unternehmen zurückgreifen, die eine Form von 24-Stunden-Betreuung in Privathaushalten anbieten. Aufbauend auf diesen Daten habe ich die Onlinerecherche weitergeführt
und die Liste laufend ergänzt. Ende Februar 2012 waren mir etwa 40 Unternehmen bekannt, welche im Internet mit einer Homepage vertreten sind und 24-Stunden-Betreuung
in der Schweiz anbieten. Augenfällig bei der Internetrecherche war die rasche Dynamik
dieses Sektors. Einige Unternehmen der Liste waren im Zeitraum von zwei Monaten vom
Markt verschwunden und neue sind hinzugekommen. Ausser den acht InterviewpartnerInnen, die bereits durch Truong befragt wurden, habe ich alle Unternehmen der Liste erneut per Mail und kurz darauf telefonisch kontaktiert und sie um ein ExpertInneninterview
gebeten. Nur wenige der Angefragten waren auf Anhieb bereit, einem Interview zuzustimmen. Zwei Vertreter von Betreuungsunternehmen teilten mir telefonisch mit, ihr Unternehmen sei im Moment in der Schweiz nicht aktiv. Zwei andere waren über die auf der
Homepage angegebenen Telefonnummern nicht zu erreichen. Die meisten Anfragen wurden mit der Begründung Zeitmangel abgelehnt. Die ablehnende Haltung vieler Unternehmen erkläre ich mir durch die oft negative Berichterstattung in den Medien und den vielen
Anfragen zur Teilnahme an Projekten. So lief beispielsweise zeitlich parallel zu meinem
Aufruf das Projekt der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), welches ebenfalls die Zusammenarbeit mit Home Care Unternehmen gesucht hat (Petry et al.
i. E.). Dieses Projekt ist als Langzeitstudie aufgebaut und begleitet Familien, die eine Care
Migrantin angestellt haben. Von Seiten der privaten Spitexorganisationen war die Bereitschaft für die Teilnahme an meinem Projekt hingegen sehr gross.
Im Zeitraum von Ende Februar bis Ende April 2012 konnte ich acht Interviews durchführen.
Vier davon waren mit Vertreterinnen und Vertretern von privaten Spitexorganisationen,
vier mit Vertreterinnen und Vertretern von reinen Betreuungsunternehmen. Die meisten
22
der befragten Personen waren die Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer der Unternehmen selbst. Sieben der acht Interviews fanden in den Räumlichkeiten der Unternehmen statt, ein Interview wurde in einem Restaurant durchgeführt. Die Gespräche dauerten
alle zwischen einer Stunde und 90 Minuten.
Qualitatives Leitfadeninterview
Für die Organisation und Durchführung der Interviews habe ich mich an den Ausführungen
von Cornelia Helfferich (2009) orientiert. Anhand ihrer Anleitung erarbeitete ich einen
Interviewleitfaden, der eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Interviewsituationen ermöglichte und der gleichzeitig so flexibel gestaltet war, dass den Gesprächslogiken der einzelnen InterviewpartnerInnen gefolgt werden konnte (für eine sehr
nützliche Anleitung zur Gestaltung eines Interviewleitfadens siehe Helfferich 2009, 178ff).
Den Interviewleitfaden habe ich entlang von vier Themenblöcken aufgebaut, analog zu
meinen Forschungsfragen
Würden Sie mir ihr Unternehmen vorstellen?
(Themenfeld: Darstellung des Unternehmens)
Welche Rolle nimmt ihr Unternehmen im Schweizer Pflege- und Betreuungsmarkt ein?
(Themenfeld: Betreuungsmarkt/ Konkurrenz)
Was macht aus Sicht Ihres Unternehmens eine gute Betreuerin aus?
(Themenfeld: Arbeitnehmende und ihre Arbeit)
Wie sehen die Lebensumstände Ihrer Kundschaft typischerweise aus?
(Themenfeld: Kundinnen, Kunden, Angehörige)
In allen geführten Interviews wurden diese vier Fragen gestellt, wobei die Reihenfolge der
jeweiligen Gesprächslogik angepasst wurde. Die eben erwähnten Einstiegsfragen dienten
als Erzählstimuli mit dem Zweck, eine Erzählung zu generieren. Weiter wurden im Interviewleitfaden Stichworte vermerkt, welche Themen angesprochen werden sollten. Wenn
diese Aspekte nicht vom Gesprächspartner oder der Gesprächspartnerin im Fluss der Erzählung aufgegriffen wurden, konnte das Gespräch durch gezieltes Nachfragen in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Dies ermöglichte mir, die für mein Forschungsvorhaben wichtigen Punkte anzusprechen, aber dennoch individuell auf das jeweilige Gegenüber
einzugehen und dessen Redefluss zu folgen. Der Leitfaden ist im Anhang 1 beigelegt.
23
Transkription
Sieben der acht Interviews wurden mit Zustimmung der Befragten mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und anschliessend transkribiert. Eines der Interviews wurde nicht aufgezeichnet, dafür während und nach dem Gespräch ein Protokoll angefertigt. Die aufgezeichneten Gespräche wurden in gesamter Länge wörtlich transkribiert. Alle Personen und
Orte wurden anonymisiert. Mayring (2002) weist auf mehrere Formen der Glättung von
Texten bei der Transkription hin. Um den Transkriptionsaufwand so klein wie möglich zu
halten und aus Gründen der Verständlichkeit habe ich die Texte bei der Transkription stark
geglättet und vom schweizerdeutschen Dialekt ins Schriftdeutsche übertragen (vgl. Mayring 2002, 91). Da meine Forschung nicht auf sprachliche Details wie zum Beispiel die Betonung wert legt, sollten durch diese Glättung keine massgeblichen Nachteile entstehen.
Gewisse schweizerdeutsche Ausdrücke, die ich nicht übersetzen konnte, habe ich kursiv
markiert im Text belassen. Weitere Transkriptionsregeln sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
Transkriptionsregeln
Zeichen
Bedeutung
.
.
,
Punkt am Ende eines Satzes
Alle anderen Punkte
Komma
()
Gedankenstrich
Runde Klammern
[]
Eckige Klammern
(…)
Runde Klammer mit drei
Punkten
Paragraph
§
Kursiv
24
Kursiv geschriebene Ausdrücke
Ende eines Satzes
Pausen, pro Punkt eine Sekunde
Unterteilung eines Satzes zur
besseren Verständlichkeit
Abbruch eines Satzes
Anmerkungen zur nonverbaler
Kommunikation
Anmerkungen der Autorin/Transkriptorin
Auslassungen im Zitat
Ausdruck der Zustimmung der
nicht sprechenden Person (z.B.
mhm, ja, ok)
Schweizerdeutsche Ausdrücke
ohne Äquivalent in der deutschen Schriftsprache
3.3 Datenauswertung
Diskursanalyse nach Gordon Waitt
Zur Auswertung konnten nur die Interviews, welche aufgezeichnet und anschliessend
transkribiert wurden, verwendet werden. Da die Sprache und Wortwahl für eine Diskursanalyse von grosser Bedeutung ist, genügt ein stichwortartiges Protokoll eines Gesprächs
nicht, um die inhaltlichen Feinheiten des Gesagten herauszulesen. Das protokollierte Interview wurde nur ergänzend eingesetzt. Das Ausgangsmaterial für meine Analyse sind
sieben Interviewtranskripte, welche ich selbst durchgeführt habe. Von der bereits erwähnten Marktanalyse von Truong (2012) konnte ich weitere sieben Transkripte von Interviews
übernehmen. Obwohl diese Interviews zur Beantwortung der Frage nach der Organisation,
der Struktur und den formellen Arbeitsbedingungen der Unternehmen konzipiert wurden,
liefern sie ebenfalls Auskunft über das Selbstbild der Unternehmen und enthalten Informationen, wie sie über ihre Tätigkeit und ihr Umfeld sprechen. Insgesamt lagen mir somit
14 Interviewtranskripte mit Vertreterinnen und Vertretern von Home Care Unternehmen
vor, die ich für meine Auswertung analysieren konnte. Vier davon waren Gespräche mit
Vertreterinnen und Vertreter von privaten Spitexorganisationen, welche eine Bewilligung
zur Ausübung von medizinischer Pflege haben und eine 24-Stunden-Pflege und -Betreuung
im Schichtsystem mit einheimischen live-outs anbieten. Eines der befragten Unternehmen
hat ein Spitexbewilligung und parallel dazu eine reine 24-Stunden-Betreuung mit live-ins
im Angebot. Neun Interviews wurden mit Vertreterinnen und Vertretern von reinen
Betreuungsunternehmen geführt, wobei die meisten mit einem live-in Modell arbeiten.
Wie bereits erwähnt beinhaltet Michel Foucaults Werk keine explizite Anleitung und Methode zur Durchführung einer Diskursanalyse. Verschiedene WissenschaftlerInnen haben
in der Auseinandersetzung mit Foucaults Werk Vorschläge erarbeitet, wie dessen Ideen
operationalisiert werden können (z.B. Jäger und Jäger 2007, 297ff ; Carabine 2001, 267ff).
Für die Auswertung der Interviews orientierte ich mich an den Ausführungen von Gordon
Waitt (2010). Waitt gibt eine verständliche Anleitung zur Durchführung einer Diskursanalyse nach den Ideen Michel Foucaults. Er schlägt ein zweistufiges Codierverfahren vor, wobei
das zu analysierende Textmaterial in einem ersten Schritt mit deskriptiven und in einem
zweiten mit analytischen Codes versehen wird (Waitt 2010, 231ff.). Das Codierverfahren
ist als iterativer Prozess zu verstehen, wobei die beiden Codierungsdurchgänge nicht isoliert voneinander durchgeführt werden, sondern parallel geschehen und aufeinander Einfluss nehmen. Für die Vergabe der deskriptiven Codes fasste ich die Abschnitte jedes Interviews mit einem deskriptiven Code zusammen. Dieser Code kann als Titel verstanden
25
werden, worüber im betreffenden Sinnabschnitt gesprochen wird. Waitts Ausführungen
folgend teilte ich alle 14 Interviewtranskripte in Sinnabschnitte ein und bildete insgesamt
etwa 30 deskriptive Codes, welche darstellen, worüber geredet wird. Diese Codes sind auf
dem Codierblatt im Anhang 2 aufgelistet. Anschliessend gruppierte ich thematisch ähnliche Codes zu Themenfeldern.
Für die analytische Codierung habe ich mich in alle Textstellen zum gleichen Themenfeld
vertieft. Bei der Zuweisung der analytischen Codes geht es darum, Aussagensysteme herauszukristallisieren und die Ideen und Logiken, die ihnen zu Grunde liegen, zu abstrahieren
und zu interpretieren. Bei der Auseinandersetzung mit den Textstellen habe ich mich an
den folgenden Fragen orientiert:
Worüber wird gesprochen?
Was wird gesagt? Was nicht?
Wie wird über das Thema gesprochen?
Welches sind gemeinsame Aussagemuster?
Was gibt es für Unterschiede?
Was gibt es für Widersprüche?
Was wird als natürlich angeschaut?
Was muss legitimiert werden? Wie wird legitimiert?
Eine Kritik betreffend der Verwendung von Interviewtranskripten zur Durchführung einer
Diskursanalyse ist, dass die angesprochenen Themen durch den Interviewer oder die Interviewerin vorgegeben werden. Insofern ist zu beachten, dass die ersten beiden Fragen
„Worüber wird gesprochen?“ und „Was wird gesagt?/Was nicht?“ innerhalb der gegebenen Interviewsituation verstanden werden müssen. So sind auch die entstandenen Themenfelder in direktem Zusammenhang mit den Interviewfragen zu verstehen. Die Themenfelder, welche aus der Gruppierung der Codes entstanden sind, sind grösstenteils
identisch mit den Themenblöcken der Interviewfragen.
Zur Analyse des Datenmaterials nutzte ich die Software ATLAS.ti11. Dabei handelt es sich
um ein computergestütztes Auswertungsprogramm zur Codierung von qualitativen Interviews. Auf Grund der grossen Datenmenge von mehreren hundert Textseiten aus fast 20
Stunden aufgezeichneten Gesprächen, war es sehr hilfreich die Dokumente mit ATLAS.ti zu
bearbeiten. Im Randbereich wurden die Transkripte codiert und die einzelnen Dokumente
untereinander vernetzt, was ein gezieltes Abfragen von bestimmten Textstellen ermöglichte und die Analyse stark vereinfachte.
11
http://www.atlasti.com/
26
Teil III
Im folgenden Teil meiner Arbeit beschäftige ich mich mit den vier Themenfeldern Arbeit
(Kapitel 4), Arbeitnehmerin (Kapitel 5), Kundschaft12 (Kapitel 6) und Konkurrenz (Kapitel
7). Im Zentrum meines Forschungsinteresses steht die Frage, wie Vertreterinnen und Vertreter von Home Care Unternehmen über diese Themen sprechen und welche Wirkungen
gemeinsame Aussagenmuster entfalten können. Meine Analysearbeit besteht darin, für
jedes Themenfeld gemeinsame Aussagemuster herauszuarbeiten und zu beschreiben.
Themenübergreifend bringen die Aussagen und Sprechweisen der Befragten verschiedene
Selbstverständnisse und Legitimationsstrategie der Unternehmen zum Vorschein. Diese
werden im abschliessenden Kapitel 8 nochmals aufgegriffen und zusammengefasst.
Im Zentrum dieser Zusammenstellung stehen Unternehmen, welche reine Betreuungsdienstleistungen anbieten und keine Bewilligung als Spitexorganisation besitzen. Wie eingangs erwähnt, besteht bei solchen Dienstleistungsunternehmen im Besonderen ein Legitimationsbedarf, weil es kaum gesetzliche Vorgaben zur nicht-pflegerischen Arbeit im Privathaushalt gibt. Wenn nicht anders angegeben, spreche ich von reinen Betreuungsunternehmen. Zur Kontrastierung werden Aussagen von krankenkassenanerkannten privaten
Spitexorganisation hinzugezogen. Diese folgen in den meisten Bereichen auf Grund unterschiedlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen ganz anderen Logiken. Im Text werden sie
immer explizit als private Spitexorganisationen erwähnt.
4 Themenfeld Arbeit
„Auch die Arbeitszeit, nur schon die Arbeitszeit. (…). Für jede Serviertochter ist das irgendwie geregelt, oder? Wer in der Nacht arbeitet- Auch für Pflegepersonal, das ist alles
geregelt. Aber für eine betreuerische Tätigkeit so- Was heisst acht Stunden oder neun
13
Stunden arbeiten, wenn man 24 Stunden bei jemandem ist?“ Interview 10: 00:28:14-0
Ein zentraler Vorteil der rund-um-die-Uhr Betreuung ist für die Betreuten und deren Angehörige die Sicherheit, die entsteht, wenn eine Betreuungsperson 24 Stunden im Haus12
Mit dem Begriff „Kundschaft“ bezeichne ich sowohl die zu betreuende Person als auch ihre Angehörigen. Synonym verwende ich auch den Begriff „Kundenfamilie“. Beide Begriffe sind geschlechtsneutral
und beinhalten somit alle weiblichen und männlichen Personen gleichermassen.
13
Die Zahlen sind Zeitangaben im Interview und bezeichnen Stunden:Minuten:SekundenHundertstelsekunden vor dem nächsten Sprechwechsel.
27
halt anwesend ist. Gleichzeitig bedeutet dies für die Betreuerinnen, dass durch das Zusammenleben im gleichen Haushalt und die daraus resultierende Abrufbereitschaft, die
Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmt. Auf die Entgrenzung der Arbeitszeit wird in verschiedenen Studien, die sich mit den Lebens- und Arbeitbedingungen von
Betreuerinnen in 24-Stunden-Arrangements auseinandersetzen, hingewiesen (vgl. Karakayali 2010; Schilliger 2011; Truong 2011). Dieser Aspekt der Betreuung von betagten und
kranken Menschen im Privathaushalt durch live-ins wird auch medial angeprangert (z.B. im
Tagesanzeiger vom 06.06.12: „Private Pflegerinnen arbeiten unter widrigen Umständen“).
Für die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, welche mit diesem Modell arbeiten,
entsteht bezüglich Arbeitszeitregelung ein Legitimationsdruck, da für Hausangestellte weder zwingende rechtliche Regelungen bezüglich Nachtarbeit und Arbeitsbereitschaft bestehen, noch wie diese entlöhnt werden müssen (Medici 2011, 17). So wenden die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer verschiedene Legitimationsstrategien an, welche ich im folgenden Abschnitt darstellen möchte.
4.1 Normalisierung im Vertrag, Spezialfall in der Praxis
Aus Sicht der Befragten besteht ein Klärungsbedarf, was unter einer 24-StundenBetreuung verstanden wird. Mehrfach wird von Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht um eine Arbeitszeit von 24 Stunden
handle.
„Die 24- Ja, die äh 24-Stunden- Äch 24-Stunden-Aufträge, ich hasse das Wort (lacht). Es
heisst - es hört sich so an wie 24-Stunden arbeiten, oder?“ Interview 3: 00:12:08-8
„Gut, es ist 24-Stunden Anwesenheit. Das heisst aber nicht, dass die Leute 24 Stunden arbeiten.“ Interview 8: 00:24:27-7
„Rund-um-die-Uhr heisst einfach, dadurch dass der Mitarbeiter dort wohnt ist er halt
mehr anwesend. Das heisst nicht, dass er verpflichtet wird 24 Stunden in der Ecke zu warten bis die andere Person ruft.“ Interview 2: 00:37:19-8
„(…) wobei das Wort 24-Stunden sofort zu grossem Aufschreien äh bewegt. Ich möchte
das gleich mal klarstellen und reduzieren. Die effektive Arbeitszeit ist (…) für eine 24Stundenkraft ist bei einem normalen Hilfsbedürftigen (…) die reine Arbeitszeit ist normalerweise zwischen fünf und sechs Stunden. Den Rest sieht man als Bereitschaft. Und das
Wort Bereitschaft ist zum Glück noch niemandem eingefallen gesetzlich zu definieren, wie
das einzustufen ist, finanziell beziehungsweise rechtlich.“ Interview 14: 00:12:24-7
Beim letzten der vier Zitate kommt noch ein weiteres Element dazu, welches über eine
reine Aufklärungsbotschaft geht. Die Arbeitszeiten werden klar festgelegt, in dem sie von
der reinen Anwesenheit unterschieden werden. Im obigen Zitat sind es fünf bis sechs Ar-
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beitsstunden täglich. Daraus folgt als wiederkehrende Legitimationsstrategie die vertragliche Regelung der Arbeitszeiten.
„Also nach dem Vertrag, arbeiten sie um die, zwischen- Also ich leg, wir legen das- Das
machen alle gleich mittlerweile. Das legen wir zwischen fünf und sieben Stunden fest.“ Interview 1: 00:50:07-6
„Und wir haben im Prinzip im Vertrag drin Blockzeit, oder?“ Interview 2: 01:26:51-0
„Also im Arbeitsvertrag haben wir die neun Stunden.“ Interview 3: 00:36:12-3
„Eigentlich haben sie eine ganz normale Arbeitswoche, eigentlich eine 40 Stunden Woche.“ Interview 7: 00:14:40-5.
Durch die Festlegung von regulären Arbeitszeiten im Vertrag sichern sich die Unternehmen
rechtlich ab und erwecken den Anschein, dass es sich bei der Betreuungsarbeit im Privathaushalt um eine Dienstleistung wie jede andere handelt, mit geregelten Arbeitzeiten und
einem geregelten Einkommen. Wie den Zitaten zu entnehmen ist, ist die Normalisierung
der Arbeitszeit mit einem ABER verbunden: „Eigentlich haben sie eine ganz normale Arbeitswoche“ (Interview 7: 00:14:40-5) und „Nach dem Vertrag arbeiten sie (…) zwischen
fünf und sieben Stunden“ (Interview 1: 00:50:07-6), aber im Alltag gestaltet sich diese
Trennung zwischen Arbeit und Freizeit als schwierig. So kann im Widerspruch zu dieser
Normalisierungsstrategie ein weiteres Argumentationsmuster ausgemacht werden. Die
Arbeit im Privathaushalt wird immer auch als Spezialfall dargestellt, bei dem die Arbeit
eben nicht wie „in einer Fabrik [ist] oder so. Man kann nicht einfach das Zeug durchlassen
und täg-täg-täg“ (Interview 2: 00:39:06-2). In der gleichen Logik schildert eine weitere Gesprächspartnerin, dass die Arbeit im Privathaushalt ihren eigenen Regeln folgt:
„Weil das, was man sich wünscht, Arbeitszeiten zwischen 9 und 17 Uhr, einfach so nicht
machbar ist. Das geht nicht. Man kann einen Menschen nicht in einen Schrank stellen wie
ein Auto in eine Garage. Und das ist das Problem mit den Arbeitszeiten. Selbst wenn das
geregelt ist und dasjenige frei hat, kann ich die Eventualität, dass was passiert nicht abstellen.“ Interview 1: 01:09:10-0
Begründet wird der Spezialfall Privathaushalt mit der Argumentation, dass jeder Mensch
anders ist und jede Situation individuell zu regeln sei:
„Das ist alles individuell. Also das muss man dann einfach schauen. Oftmals verändert das
sich ja auch im Laufe der Zeit die Situation der Kunden.“ Interview 8: 00:25:21-5
„Dieses Management [des Haushaltes] übergebe ich dir [der Betreuerin]. Du tust, für dass
du deinen Job erfüllen kannst, isst du dort, und duschst dich dort und schläfst dort. Und
arrangierst dich mit der Familie. Kommt vielleicht eine Tochter und sagt: Ich bin Lehrer, ich
habe am Mittwochnachmittag frei, dann gehe ich zu meinem Mami zum Kaffee trinken
und zum Plaudern. Und dann hast du Ausgang. Ein Anderer sagt: Wir nehmen Sie mal an
einem Samstag oder Sonntag. Das ist dann individuell.“ Interview 4: 00:57:05-6
29
Von der Arbeitnehmerin wird somit erwartet, dass sie sich flexibel der jeweiligen Kundschaft anpasst und sich in den Kontext des Haushaltes einfügt. Ihre eigenen Bedürfnisse
werden in diesem Zusammenhang nicht zur Sprache gebracht. Wie die ideale Arbeitnehmerin aus Sicht der Unternehmen dargestellt wird und welche Eigenschaften von ihr erwünscht werden, wird im Kapitel 5 zum Themenfeld Arbeitnehmerin behandelt.
Eng verknüpft mit der Frage, wie die Arbeitszeit geregelt wird, ist die Frage, was überhaupt
als Arbeit gilt. Auch hier kommt dieselbe Logik zum Tragen, wie schon bei der Darstellung
der Arbeitszeiten. Einerseits wird im Vertrag ein Pflichtenheft festgesetzt: „und [wir] machen dann eigentlich Leistungsnachweise, wo die Leistungen ungefähr beschrieben werden“ (Interview 1: 00:50:07-6). Allerdings bleibt daneben wiederum ein grosser Spielraum,
was im Einzelfall als Arbeit angesehen wird. Auch in diesem Zusammenhang wird die
Betreuungsarbeit als Spezialfall beschrieben, der individuell geregelt werden muss:
„Ist zusammen fernsehen, ist das auch Arbeit? Das ist eine gute Frage. Ich glaube, ich denke dass es schon zu Situationen kommt, wo die Damen dann abends gemeinsam einen
Film anschauen. Das gehört ja auch zum Gesellschaftlichen. Das ist ganz unterschiedlich,
manche Kunden möchten dann auch alleine sein, und möchten ihre Intimsphäre haben.
Also das ist dann ganz individuell.“ Interview 8: 00:33:18-7
„Es hat dann immer noch diesen Graubereich, man wohnt in einer WG zusammen, ein Teil
ist auch geteilte Freizeit. Ich habe mal eine Mitarbeiterin gehabt, die hat das sehr gut geschildert. Die hat gesagt, ob ich jetzt in meinem Zimmer für mich alleine Tagesschau
schaue, oder ob ich die zusammen mit meiner alten Lady schaue, und wir nachher noch
ein bisschen diskutieren darüber, was wir gesehen haben und ich so den Feierabend geniesse, ist das Arbeit oder ist das frei? Ich weiss es nicht. (…) Aber das ist in jedem Fall anzuschauen und zu prüfen.“ Interview 9: 00:38:00-4
„Also nur schon mal die Tatsache, dass man in einem Haushalt ist, und der Betreute liest
zwei Stunden lang Zeitung. Jetzt was macht der Betreuer? Er kann auch Zeitung lesen. Und
dann ist das aber nicht mehr Arbeit, sondern das ist dann eigenes Vergnügen, sage ich
jetzt mal. §. Aber das ist ja dann nicht mehr Arbeitzeit. Und was ist auch Arbeit? Ist es Arbeit, wenn jemand schnell die Küche aufräumt, was er zu Hause eh machen würde. Also
da, wie soll ich sagen, wir können es nicht 100% abgrenzen.“ Interview 10: 00:46:56-5
„Das ist ganz individuell. Arbeit? Ja, das ist auch so eine Einstellungssache. Arbeit würde
ich das jetzt nicht so nennen. Das ist einfach- Die Leute wissen, in den 14 Tagen sind sie für
den Menschen da, und versuchen da das bestmöglichste zu machen.“ Interview 8:
00:33:18-7
Verschiedenen Graubereiche werden von Unternehmerinnen und Unternehmer bezüglich
Arbeitszeit und Arbeitsbegriff zur Sprache gebracht und zum Teil auch als problematisch
dargelegt. Zusammenfassend spricht das folgende Zitat nochmals die Einordnung der Arbeit im Privathaushalt an, die von den Befragten zwischen individueller Regelung und
normalisierender Festsetzung in Vertragsform positioniert werden kann:
„Also ich mache ja mit den Betreuerinnen einen Vertrag und da drin sind die Arbeitszeiten
geregelt, die ich im Voraus mit den Angehörigen bespreche. (…). Aber ganz genau einhal-
30
ten kann man das nicht, weil das schwierig ist. Es kommt immer wieder irgendetwas. (…).
Ich versuche das schon so zu fixieren, aber im Haushalt ist das schwierig, oder. Ich versuche das schon aufzuschreiben, aber ich- Ich weiss, dass man das nicht immer einhalten
kann. §. Wenn sie natürlich dann in der Nacht noch aufstehen müssen, da frage ich dann
nach, denn ich gehe regelmässig vorbei, dann muss ich das lösen. Dass sie ihre Nacht- Dass
sie ihre Ruhezeiten einhalten können. Aber das ist eine Herausforderung, das so einzuhalten.“ Interview 6: 00:39:29-2
Weiter zeigt die obige Textstelle, dass die Regelung der Arbeitszeit als Aushandlungsprozess zwischen Unternehmen, der Kundschaft und der Arbeitnehmerin verstanden wird.
Der Diskurs, wer dafür verantwortlich ist, dass die Betreuerinnen im Sinne der Befragten
nicht ausgenutzt werden und entsprechende Arbeitsbedingungen vorfinden, wird im
nächsten Kapitel dargestellt.
In diesem Kapitel wurde aufgezeigt, dass die Betreuungsunternehmen die Arbeit im Privathaushalt einerseits normalisieren und sie auf Ebene des Vertrages als ganz normalen
Job darstellen. Auf der anderen Seite, wenn es um die Praxis geht, stellen die Befragten die
Betreuungsarbeit als Spezialfall dar. Ich denke, dieses Spannungsfeld zeigt sehr gut die
widersprüchlichen Bedürfnisse, welche diese Unternehmen zu erfüllen versuchen. Sie positionieren sich alle in einem legalen Rahmen im Schweizer Betreuungsmarkt. Die Legalität
ist ein wichtiges Verkaufsargument, wodurch sich die befragten Unternehmen auch vehement von den aus dem Ausland agierenden Agenturen abgrenzen (vgl. Kapitel 7 Themenfeld Konkurrenz). Mittels der Festlegung der Arbeitszeit in Vertragsform wird die Betreuungsarbeit als ganz normaler Job mit gesetzeskonformen Verträgen dargestellt. Gleichzeitig liegt der Hauptvorteil des live-in Betreuungsmodells aus Sicht der Kundschaft in der
ständigen Anwesenheit einer Betreuungsperson. Die Besonderheiten der personenbezogenen Dienstleistung, wie die Abhängigkeit des pflegebedürftigen Menschen von der
Betreuungsperson sowie die emotionale Komponente, die beim Zusammenleben entsteht
(Madörin 2007), lassen die Trennung von Freizeit und Arbeit schwierig werden. Die Arbeitszeitenregelung bei live-in Angestellten ist ein Graubereich, der auch im NAV für
Hauswirtschaft (2010) nicht verbindlich geregelt ist und leicht ausgenutzt werden kann.
Der Graubereich der Arbeitszeitenregelung im live-in Arrangement steht somit im Widerspruch zur legalen Positionierung im Markt und wird mit einer Spezialfallrhetorik legitimiert. Ich vermute, dass die Unternehmen einer klareren gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit ambivalent gegenüberstehen. Solange nur die im Vertrag festgelegten Arbeitsstunden entlöhnt werden müssen und nicht die ganze Anwesenheit, bleibt das 24Stunden-Betreuungsmodell für eine breite(re) Bevölkerungsschicht erschwinglich. Der
niedrige(re) Preis des Angebotes ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil der Betreuungsunternehmen gegenüber privaten Spitexorganisationen. Ich interpretiere die hier geschilderte Darstellung der Betreuungsarbeit zwischen Normalität und Spezialfall im Kontext der
31
widersprüchlichen Unternehmensstrategien „Bezahlbarkeit“ (vgl. Kapitel 6 Themenfeld
Kundschaft) und „Legalität“ (vgl. Kapitel 7 Themenfeld Konkurrenz).
4.2 Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Arbeitszeit
Wie im oberen Abschnitt aufgezeigt wurde, wird das Betreuungsarrangement mit live-ins
als Spezialfall dargestellt. Als Folge dieser Individualisierungsstrategie überträgt das Unternehmen der Kundschaft und den Mitarbeitenden einen Teil der Verantwortung für die
Arbeitsbedingungen im Privathaushalt. In dieser Logik heisst das, dass es für das Unternehmen, da jedes Betreuungsarrangement anders geartet ist und jeder Fall ein Spezialfall
ist, nicht möglich ist, jede Eventualität abzudecken und die gesamte Verantwortung für die
Arbeitsbedingungen, im Besonderen die Einhaltung der vertraglich festgesetzten Arbeitszeit, zu übernehmen. Die Verantwortung wird nicht nur vom Betreuungsunternehmen
getragen, sondern auch an die Arbeitnehmenden und die Kundschaft abgegeben.
Es scheint zwar ein Konsens darüber zu herrschen, dass die Arbeitszeit so zu gestalten sei,
dass die Betreuerin genug Freizeit hat, nicht zuletzt auch, um die Qualität der Betreuung
zu gewährleisten: „Das ist auch nicht mehr fair gegenüber dem Betreuten. Das muss man
schon auch sehen. Man will ja sein Wohl und da kann es nachher nicht sein, dass dann
alles schief läuft. Und am Ende ist er der Leidtragende von dieser ganzen Geschichte.
Oder?“ (Interview 9: 00:52:31-0). In den Gesprächen wird ein Diskurs darüber geführt, wer
für die Einhaltung der Arbeitszeit verantwortlich ist. Je nach Betreuungsunternehmen wird
die Verantwortung unterschiedlich stark auf Unternehmen, Arbeitnehmerin und Kundschaft verteilt. Die Extremposition, dass die Verantwortlichkeit nur bei einer der drei Parteien liegt, ist in keinem der geführten Gespräche aufgetaucht.
Verantwortung beim Home Care Unternehmen
„Und darum habe ich das eben vorhin gesagt, das ist schon ein wichtiger Punkt, dass wir
eben verantwortlich sind, dass der Mitarbeiter zu seiner Freizeit kommt. Weil wenn man
das eben ausnützen will, dann könnte man den problemlos dazu zwingen, dass er mehr
arbeitet, als in dem Vertrag steht. Das ist kein Problem, oder? Das ist auf jeden Fall.“ Interview 2: 01:31:38-2
Alle befragten Unternehmen geben im Gespräch an, eine Verantwortung gegenüber der
Kundschaft und der Arbeitnehmerin wahrzunehmen. Sie ist ein zentrales Element des
Selbstverständnisses der Home Care Unternehmen und auch eine Legitimation ihrer Existenz.
32
„Und da gibt es fast kein schwarz weiss, da ist es halt schnell mal hell- oder dunkelgrau. §.
Und dort muss man sich einfach als Anbieter abgrenzen, und sagen: Es darf nicht mehr als
eben x Stunden am Tag Arbeit bedeuten. Und diese Person muss dann eben auch Freizeit
haben können. Also das ist schon noch wichtig, dass das nicht eine moderne Sklaverei wird
dann. Also die Versuchung ist dann schnell mal von den Angehörigen, ja das ist dann noch
eine billige Putzfrau. Und dort muss man natürlich schon den Finger draufhalten. Das ist
wichtig.“ Interview 10: 00:28:52-0
Im obigen Zitat wird die Verantwortung des Unternehmens hervorgehoben und dem Unternehmen eine Beschützerrolle gegenüber der Mitarbeitenden zugeschrieben. Dass die
Arbeit im Privathaushalt in besonderem Masse gefährdet ist für eine Ausnutzung durch die
Kundenfamilie, wird auch in einem weiteren Gespräch erwähnt:
„Wir stehen im Kontakt mit unseren Betreuerinnen. Die haben alle ein Handy. Und wenn
sie nicht sicher sind ob sie was machen dürfen, dann rufen sie uns an. Wir schützen auch
unsere Betreuerinnen vor Ausnützung durch den Kunden. Weil sie manchmal nicht wissen,
ob das nun Bestandteil vom Job ist oder nicht.“ Interview 7: 00:27:38-4
Das Selbstverständnis der Unternehmen als Kontrollinstanz wird mit verschiedenen Elementen umgesetzt. Bevor ein Betreuungsarrangement zustande kommt, wird die Situation
beim zukünftigen Kunden oder der zukünftigen Kundin genau geprüft. Je nach Unternehmen geschieht diese Analyse in einem persönlichen Gespräch vor Ort im Haushalt, per
Telefon oder auch per Onlinefragebogen:
„Wir haben einen Onlinefragebogen im Internet. Und in diesem Fragebogen wird nach allen relevanten Dingen gefragt. Das dient a) dazu, die Bedürfnisse vor Ort zu eruieren. Das
dient b) dazu der Arbeitskraft klar zu machen, was auf sie zukommt.“ Interview 14:
0:43:03-9
Ein weiteres Element ist die laufende Überprüfung des Auftrages durch Vertreterinnen
und Vertreter der Betreuungsunternehmen. Dies wird durch regelmässige Kontrollbesuche
oder auch durch Telefonate umgesetzt.
„Ich verlange von einer Betreuerin, äh, wöchentlich, dass sie mich kontaktiert. Wenn alles
tiptop läuft, (…), dann kann man auch nur ein Sms machen. Ich will wissen, ob alles gut
läuft. Nicht? Und ähm, dann frage ich natürlich: Ja, ist alles bestens? Und äh, es steht ja
auch im Vertrag, wenn etwas Unzumutbares passiert- Was auch immer. Dazu gehört auch
wenn jemand äh stundenmässig zu, zu stark beansprucht wird. Dann muss er sich, gerade
sofort melden. Damit, damit ich’s abstellen kann.“ Interview 4: 01:15:35-9
„Und das Ganze wird betreut und gecoached durch Vertreter von uns, die einmal alle drei
Wochen mindestens vor Ort sind. Die prüfen, stimmt das, was wir abgemacht haben?
Geht das auch auf mit dem Arbeitsauftrag? Geht das auf mit den Arbeitszeiten?“ Interview
9: 00:11:59-7
Ein weitverbreitetes Element ist die Protokollführung, um die Geschehnisse im Privathaushalt zu dokumentieren:
33
„Vor Ort führen die Damen [Betreuerinnen] eine Dokumentation. Also da wird wirklich alles ganz genau aufgeschrieben, was gemacht wird. Wie die Veränderung eben ist und
dann kann man genau erkennen, wie die Veränderungen sind. Und das sieht man ja, also
man hat ja ständig Kontakt.“ Interview 8: 00:26:59-7
Die aufgeführten Elemente zur Kontrolle werden alle auch von den privaten Spitexorganisationen angewendet. Dennoch folgen die krankenkassenanerkannten Anbieter von Pflege- und Betreuungsdienstleistungen einer ganz anderen Logik bezüglich Arbeitsbegriff und
Arbeitszeit. Da die privaten Spitexorganisationen ausschliesslich mit live-outs arbeiten,
wird kein Unterschied zwischen Arbeitszeit und Präsenzzeit gemacht. Jede Stunde, in der
die Arbeitnehmerin anwesend ist, wird entlöhnt.
„Eine 24-Stunden-Betreuung ist bei uns in der Regel in einem Drei-Schicht-System abgedeckt. Es macht jemand einen Frühdienst, jemand einen Spätdienst und jemand eine
Nachtwache. Und ja, [das] kann dann wirklich bis zu 24 Stunden pro Tag dauern oder sogar noch mehr, wenn die Pflegeleistungen zu gewissen Zeiten sehr intensiv sind, dass dort
sogar zwei Personen vor Ort sein müssen, gleichzeitig, überschneidend. (…) wir machen
keine Pauschalangebote, wo wir sagen, wir bieten Ihnen jemanden, der bei Ihnen wohnt
für 24 Stunden und machen ein attraktives Angebot. Bei uns ist wirklich der Stundentarif.“
Interview 13: 00:23:08-7
Bei den Betreuungsunternehmen mit dem live-in Betreuungsmodell bleibt ein wesentlicher Teil der Anwesenheitszeit der Arbeitnehmerin für das Unternehmen selbst unkontrollierbar. Eine Strategie, mit dieser Besonderheit im Privathaushalt umzugehen, ist die Abgabe eines Teils der Verantwortung an die Kundschaft.
Verantwortung bei der Kundschaft
Aus Sicht der Vertreterinnen und Vertreter der Home Care Unternehmen birgt die live-in
Situation Risiken zum Missbrauch durch die Kundenfamilie. Allerdings soll diese Gefahr
durch die Kontrolle der Unternehmen stark eingeschränkt werden. Ausserdem gibt ein
Gesprächspartner an: „Wir haben ja goldige Familien eigentlich in der Schweiz. Niemand
will eine Betreuerin als Sklavin halten“ (Interview 4: 01:08:59-7). Dieser Logik folgend leistet die Kundenfamilie einen grossen Beitrag an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen
einer Betreuerin. Als Konsequenz davon überträgt das Home Care Unternehmen einen Teil
der Verantwortung zur Einhaltung des rechtlichen Rahmens an die zu betreuende Person
und ihre Familie.
„Im Leistungsauftrag [wird] ganz klar geregelt, wer von der Familie ablösen geht, damit
unsere Leute gezielt wirklich frei machen können, wo sie dann wirklich frei sind.“ Interview 9: 00:38:00-4
34
„Äh bei uns steht im Vertrag: Sie [die Kundschaft] haben Kenntnis davon genommen, dass
der Mitarbeiter zwei Tage frei hat in der Woche. Ich weiss nicht, ob das jeder in den Vertrag hinein schreibt. Das kann man auch äh- also offen lassen, oder? Nicht so sagen, oder
so? Wir finden das wichtig und das sieht im Prinzip auch jeder Kunde grad ein, ist ja logisch. Der kann ja nicht sieben Tage am Stück parat sein. (…). Und darum steht nachher da
der Satz: Von der Arbeitszeit- Freizeitregelung habe ich Kenntnis genommen. Zwei Tage
pro Woche sowie zwei bis drei Stunden. Also selbst, wenn er acht Stunden arbeiten muss,
muss er ja- einfach äh seine Freizeit haben, oder?“ Interview 2: 00:38:55-8
Aus den obigen Aussagen lässt sich ein bekanntes Muster herauslesen. Die Verantwortlichkeit zur Einhaltung der Arbeitszeit wird zur Absicherung des Unternehmens in schriftlicher Form festgesetzt und den Angehörigen übertragen. Die Betonung auf „bei uns steht
im Vertrag“ lässt erneut eine Diskrepanz zwischen Vertrag und Praxis vermuten, wie sie im
letzten Kapitel dargestellt wurde. Unter der Aufsicht der Unternehmen wird zwischen
Betreuerin und Familie ausgehandelt, wann und wieviel Freizeit die Betreuerin erhält. Ein
Gesprächspartner, dessen Unternehmen Betreuerinnen vermittelt, beschreibt diesen Aushandlungsprozess bezüglich Freizeit der Betreuerin folgendermassen:
„Wir [die Angehörigen] wohnen neben dran oder wir wohnen zwei Kilometer entfernt äh
die Kraft kann ruhig am Samstag und Sonntag fast den ganzen Tag frei haben, weil wir in
der Nähe sind und unsere Mutter ja eh besuchen. Dann erübrigt sich das. Dann sage ich
natürlich, umso besser. Wunderschön für die Kraft, wenn sie hier den Freitag und den
Samstag oder den Samstag und den Sonntag komplett frei hat, dann ist das wunderbar. Allerdings erachten wir es als unsere Pflicht, die Familie nicht dazu zu zwingen eine zweite
Kraft einzustellen, die dann für Samstag und Sonntag die Arbeit übernimmt. Wir hoffen
und drängen darauf, dass die Kraft mindestens zwei halbe Tage frei bekommt in der Woche.“ Interview 14: 00:56:55-8
Während im eben erwähnten Fall das Unternehmen nur Empfehlungen abgibt, und die
Familien nur „drängt“ und nicht „zwingt“, für genügend Freizeit zu sorgen, wird das bei
anderen Unternehmen viel strikter kontrolliert. Wie stark die einzelnen Unternehmen die
Kundschaft zur Verantwortung zieht, wird bei den befragten Unternehmen sehr unterschiedlich gehandhabt. Nach Aussage eines weiteren Betreuungsunternehmens werden
die Angehörigen gar nicht eingebunden, stattdessen kommt eine vom Unternehmen angestellte Pflegefachfrau zur Ablösung der Betreuerin vorbei:
„An zwei Tagen in der Woche kommt einfach noch eine Krankenschwester, die für uns arbeitet, und die macht dann auch Betreuung. (…). Die [Betreuerinnen] haben dann frei, die
haben wirklich frei. Sie können machen was sie wollen.“ Interview 7: 00:43:52-3
Wie im letzten Abschnitt gezeigt wurde, werden die Angehörigen je nach Betreuungsunternehmen unterschiedlich stark eingebunden. Hingegen ist bei allen Home Care Unternehmen mit live-in Modell augenfällig, dass ein wesentlicher Teil der Verantwortung zur
Einhaltung der festgelegten Arbeitszeit an die Arbeitnehmerin abgegeben wird.
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Verantwortung bei der Arbeitnehmerin
„Ich muss sagen, höchstens in x muss ich sagen, ist (…) der Abend halt lang, weil sie [die
Kundin] schaut jeweils so lange Fernsehen. Oder? Wobei da muss ich auch sagen eben, ihr
[die Betreuerinnen] müsst einfach schauen. Also du musst aufstehen und sagen: So ich bin
müde, ich glaube ich gehe langsam schlafen. Weil dann würde die Dame auch gehen,
oder? Das muss man wie so halt ein bisschen steuern. Und sonst würde sie bis um 23 Uhr
fernsehen.“ Interview 3: 00:37:08-4
Die Arbeitnehmerin wird ganz selbstverständlich damit beauftragt, selbst für genügend
Freizeit zu sorgen. Auch die Elemente, welche die Unternehmen zur Kontrolle im Privathaushalt einsetzen (Besuche, Anrufe, Protokolle), funktionieren nur dann, wenn die
Betreuerin auftretende Probleme auch mitteilt und ein Vertrauensverhältnis zwischen der
Betreuerin und den Vertretern des Unternehmens besteht. Das Unternehmen legt die
Rahmenbedingungen fest und begründet dies folgendermassen: „Ja, wir können ja äh natürlich nicht minutiös jeden Handgriff kontrollieren. Wir können nur das Grosse erfassen“
(Interview 2: 00:58:15-1). Die Umsetzung im Alltag wird der Betreuerin überlassen: „Das
teilt sich die Betreuerin so ein, wie das eben zeitlich für sie gut ist“ (Interview 8: 00:24:277). Von den Arbeitnehmerinnen wird somit ein hohes Mass an Selbstständigkeit und
Selbstverantwortung erwartet.
„Aber schlussendlich ist es, ist es für uns wichtig, dass die eben einfach auch äh, äh eine
grosse Selbstverantwortung, eine grosse Selbstständigkeit an den Tag legen. Dass sie einfach wissen, das ist jetzt nötig, und das ist jetzt wichtig für den Kunden, für sie, für den Ablauf, oder dass sie auch mal sagen: Hey, nein! Um sich eben auch selber abgrenzen zu
können, die müssen sich auch selber kennen. Wieviel sie machen können.“ Interview 2:
00:59:11-5
Die Unternehmen legitimieren sich damit, dass sie bei der Wahl der Betreuerinnen im besonderen Masse auf die Kriterien Selbstständigkeit und Selbstverantwortung achten, wobei dem Alter diesbezüglich gewisse erwünschte Charaktereigenschaften zugeschrieben
werden: „Und unser Konzept ist wirklich Betreuung zu Hause (…) nicht [durch] junge Mädchen (…) sondern gestandene Frauen und Männer“ (Interview 9: 00:11:59-7). In der gleichen Logik fügt eine weitere Gesprächspartnerin an: „darum sind die Betreuerinnen auch
etwas älter, weil ich weiss, die stehen mit beiden Beinen im Leben“ (Interview 6: 01:24:113) oder „das [Alter] ist ein ganz wichtiges Kriterium, weil das einfach erfahrene Leute sind“
(Interview 8: 00:12:21-0).
In der Logik der Unternehmen werden ältere Frauen eingestellt, meistens ab etwa 40 Jahren, weil diese durch ihr Alter die erwünschte Selbstständigkeit mitbringen und die ihnen
übertragene Verantwortung auf Grund ihrer Erfahrung tragen können. In diesem Zusammenhang wird das Erfahrungswissen als besonders erwünscht betrachtet. Auf die Frage
36
hin, ob die Betreuerinnen eine pflegerische Ausbildung mitbringen müssen, erfolgt die
Antwort einer Unternehmerin: „Nein, nein. Aber äh sie müssen äh Erfahrungen haben“
(Interview 3: 00:08:29-1). Weiter gibt einer der Befragten an, dass die Erfahrung in der 24Stunden-Betreuung absolute Bedingung sei: „Also Arbeitskräfte ohne Erfahrung werden
von uns keinesfalls vermittelt“ (Interview 14: 00:47:08-4).
Die Frage nach der Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitszeit wurde in diesem Kapitel thematisiert. Insgesamt kann gesagt werden, dass ein grosser Teil der Verantwortung
an die Arbeitnehmenden und die Kundschaft abgegeben wird. Ähnlich wie im vorherigen
Kapitel 4.1 „Normalisierung im Vertrag, Spezialfall in der Praxis“ taucht wiederum die Festlegung in Vertragsform auf, hier bezüglich der Verantwortlichkeit für das Einhalten der
Arbeitszeiten. Es wurde gezeigt, dass die (teilweise) Abgabe der Verantwortung der Unternehmen mittels einer Spezialfallrhetorik gerechtfertigt wird: Da jede Situation individuell
sei und im Zusammenspiel aller Beteiligten gestaltet wird, müssen in dieser Logik auch alle
Beteiligten einen Teil der Verantwortung übernehmen. Diese Strategie der Abgabe von
Verantwortung kann als mangelnde Kontrollierbarkeit des Arbeitsortes Privathaushalt interpretiert werden. Diese Schwierigkeit steht wiederum im Widerspruch zum Streben nach
einer legalen Positionierung im Markt. Einzuwenden ist hier, dass die drei Parteien, Unternehmen, Kundschaft und Arbeitnehmerin, unterschiedliche Machtpositionen bezüglich der
Durchsetzung ihrer Rechte aufweisen. Es scheint mir für die Arbeitnehmerin besonders
schwierig zu sein, die Verantwortung für Arbeitszeit- und Freizeitregelungen zu übernehmen und ihre Rechte durchzusetzen. Problematisch ist dies einerseits durch die emotionale Involvierung, welche die Betreuungstätigkeit und das Leben und Arbeiten am gleichen
Ort mit sich bringt. Andererseits ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass viel mehr Care
Migrantinnen nach Arbeit in der Schweiz suchen, als es Arbeitsplätze in Privathaushalten
gibt. Die grosse Nachfrage nach solchen Arbeitsplätzen von Seiten ausländischer Betreuerinnen wird einstimmig von allen Betreuungsunternehmen bestätigt. Diese grosse Nachfrage lässt vermuten, dass von den Arbeitnehmerinnen tendenziell mehr ausgehalten wird,
als vertraglich festgelegt wurde, aus der Angst heraus ersetzt zu werden. Gerade in diesem
Kontext scheint es mir sowohl für die Arbeitnehmerin als auch für die zu betreuende Person umso wichtiger, dass die Unternehmen ihre Verantwortung zur Einhaltung der Arbeitszeit übernehmen und die Arbeitsbedingungen regelmässig überprüfen. Dies fördert
sicherlich auch die Qualität der Betreuung.
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5 Themenfeld Arbeitnehmerin
„Grundsätzlich ist es ja so, rein von Gesetzes wegen gibt es ja keine Vorgaben [zur Qualifikation von Betreuerinnen]. Es kann einfach schlicht jeder.“ Interview 10: 01:01:15-2
Zur Ausübung von medizinischen Dienstleistungen ist für Spitexorganisationen in der
Schweiz eine kantonale Bewilligung der entsprechenden Behörde nötig. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der medizinischen Pflege müssen über klar festgelegte Qualifikationen verfügen und diese belegen (Gesundheitsdirektion Kanton Zürich 2012). Bei den
Betreuungsunternehmen im nicht-medizinischen Dienstleistungsbereich hingegen herrscht
ein Legitimationsdruck bezüglich der Qualität des Angebotes und der Qualifikation der
Arbeitnehmenden. Wie vom obigen Zitat angesprochen gibt es gesetzlich keine Vorgaben
zur Qualifikation einer Betreuerin. Von den Home Care Unternehmen mit live-in Modell
wird ein Diskurs darüber geführt, was eine gute Betreuerin ausmacht. Im folgenden Zitat
wird nochmals aufgezeigt, wie die ideale Arbeitnehmerin aus Sicht eines Home Care Unternehmens aus Alter und der daraus resultierenden Lebenserfahrung sowie Erfahrung in
der Betreuung zusammengesetzt wird:
„Wir sehen einfach auch, dass [es] diese Lebenserfahrung (…) braucht. Es ist äh ein anspruchsvoller Job, oder? Also, die Arbeit, äh einfach äh die Präsenzzeit äh das Ganze. Ich
denke psychisch ist das auf jeden Fall (…) sehr anspruchsvoll und, und da können wir besser auf Leute zählen, die einfach ein bisschen bödelet sind und gestandener sind und einfach genau wissen- Darum nehmen wir auch nur Leute, die das schon mal gemacht haben.“ Interview 2: 00:54:18-3
5.1 Nationalität
Neben den Kriterien Alter und Erfahrung, ist die Nationalität ein weiteres Element, welches Betreuungsunternehmen bei der Konstruktion der idealen Arbeitnehmerin diskutieren. Die Nationalität wird einerseits als Begründung für die Zuschreibung von bestimmten
Charaktereigenschaften angegeben, andererseits auch als Abgrenzungskriterium gegenüber anderen Anbietern auf dem Mark verwendet. Zudem wird die Nationalität auch als
Legitimationsstrategie für die tieferen Löhne der ausländischen Arbeitnehmerinnen im
Vergleich zu Schweizer Marktlöhnen diskutiert.
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Nationalitätsstereotype
„Man muss schon davon ausgehen, 7x24-Stunden-Betreuung ist eine Domäne, die eigentlich fast nur im Ausland liegt.“ Interview 10: 00:23:11-0
Die Betreuerinnen in live-in Arrangements sind ausschliesslich Ausländerinnen. Auf die
Frage, warum nur mit ausländischem Personal gearbeitet wird, gibt ein Interviewpartner
folgende Antwort:
„Ich will Ihnen sagen warum. Wenn eine Schweizerin sich meldet, und es melden sich viele, dann hat die Schweizerin selber eine Wohnung hier, einen Haushalt hier, eine Familie
hier (...). Und die will zu Recht- hat sie ihr Familienleben in der Schweiz. Und die will mal
ins Kino und die will ausgehen und die will- Die, die, die will nicht vier Wochen wenn sie in
Aarau wohnt, in St. Gallen arbeiten.“ Interview 4: 00:55:52-6
Bei einem anderen Anbieter von Betreuungsdienstleistungen wird folgendermassen argumentiert: „Aber es ist schon so, dass für eine 24-Stunden-Betreuung, die wenigsten, die
hier leben und hier verwurzelt sind, sich zur Verfügung stellen. (…). Man hat kein soziales
Leben mehr, oder?“ (Interview 10: 00:23:33-0). Dass kaum Schweizerinnen und Schweizer
in dieser Arbeitsform tätig sind und sie deshalb an Care Migrantinnen abgegeben wird,
wurde in den geführten Gesprächen nicht unter einem Gerechtigkeitsaspekt diskutiert. Die
Arbeit mit ausländischen Betreuerinnen wird aber legitimiert, indem diese als besser geeignet für die Betreuungsarbeit dargestellt werden als einheimische Arbeitnehmerinnen.
Viele der befragten Unternehmen bedienen sich in ihren Sprechweisen nationaler Stereotype. Die Nationalität wird als Begründung für bestimmte, erwünschte Charaktereigenschaften verwendet. In den folgenden Zitaten werden die gewünschten Eigenschaften auf
ein kulturell verankertes Pflegeverständnis des Herkunftslandes zurückgeführt.
„Weil die Qualität der polnischen Damen ist oftmals höher als die eines Deutschen oder
eines Schweizers oder eines Franzosen. Weil die ein anderes Pflegeverständnis mitbringen. Von zu Hause aus. Die sind einfach, ja, die ist sehr liebevoll, sehr fleissig, nehmen sich
ein bisschen stückweit mehr zurück, wissen nicht alles besser, achten mehr auf die ganze
Situation.“ Interview 1: 00:28:31-2
„Und die Polin, die ist sehr pragmatisch (lacht). Ok, diese Person braucht meine Hilfe, also,
also helfe ich. Und ähm, und von dem her, sagen unsere Kunden, sie wollen äh eine polnische Betreuerin. Personen welche eine gehabt haben wollen eine. (…). In Polen ist es einfach so, dass man sehr familienbezogen ist, und dass man zum Beispiel ältere Personen
sehr respektvoll behandelt. §. Und das machen unsere Betreuerinnen auch. Und das gefällt unseren Kunden. Das ist nicht etwas, was wir ihnen einreden. Das ist, das ist, das ist
einfach ein Teil dieser Kultur.“ Interview 7: 00:22:27-7
„Persönlich bevorzugen wir, hauptsächlich Leute aus Polen. (…) Einfach so Allgemein gesehen, oder? Im Einzelnen kann ja das auch Anders sein. Aber Allgemein gesehen haben
die einfach so ein warmherziges Flair. Sie können auch sehr gut mit alten Leuten umge-
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hen. Man merkt auch, dass dort die Familienstrukturen noch ganz anders sind als bei uns.
Und von dem her äh passt das auf jede Fall besser zu Senioren.“ Interview 2: 01:13:19-8
Das letzte der obigen Zitate spricht zusätzlich noch die Familienstruktur an, welche in der
Schweiz anders geartet sei als in Polen. Die Veränderung der Familienstruktur in der
Schweiz und die Rolle, welche die Befragten den Angehörigen zuschreiben, wird in Kapitel
6 zum Themenfeld Kundschaft weiter ausgeführt.
Die bisher dargstellten Zitate beziehen sich auf polnische Arbeitnehmerinnen. Sie werden
besonders häufig im Kontext von nationalen Stereotypen erwähnt. Möglicherweise werden die polnischen Frauen charakterlich besonders positiv dargestellt, da bei ihnen die
Sprachkenntnisse nicht immer klar gegeben sind. Gute Sprachkenntnisse werden immer
wieder als zentrales Kriterium für die Qualität der Arbeitnehmerin und der Betreuung erwähnt. Gegenüber den deutschen Arbeitnehmerinnen sind sie, was die Sprache betrifft, im
Nachteil. Allerdings werden auch deutschen Betreuerinnen Charaktereigenschaften qua
Nationalität zugeschrieben:
„Aber da muss ich auch noch sagen, die deutschen Frauen sind da einfach problemlos. Die
können sich in jede Situation einfügen. Die gehen einfach hin und dann ist es so. Wissen
Sie, manchmal sind die Leute auch ein wenig rassistisch, oder. Das merke ich wirklich. Und
dann muss ich diese Frauen schon bewundern, die nehmen das einfach so- das geht da
rein und da hinten wieder raus. Wirklich.“ Interview 6: 00:23:43-8
Welche Eigenschaften Frauen anderer als polnischer und deutscher Nationalität zugeschrieben wird, geht aus den geführten Gesprächen nicht hervor. Einige Unternehmen
betonen auch, dass ihnen die Nationalität egal sei: „Das ist also Wurst von wo jemand
kommt, ob der aus der Schweiz oder aus Südafrika kommen würde“ (Interview 2:
01:14:28-6). Ein anderer Gesprächspartner sagt zu diesem Thema:
„Ich bin immer offen [gegenüber der Nationalität]. Die Kundin sagt einfach: Oh, und wegen der Sprache und so. Solange ich natürlich eine deutsche Frau habe, muss ich sie vorziehen wegen des Kunden. Die Ungarin ist nicht schlechter. (…). Vielleicht kocht sie etwas
anders oder so. Aber wir haben äh ganz herzige Slowakinnen gehabt die mindestens so
gut auch sind. Ich habe da keine Vorurteile. Aber ich mache, was der Kunde will natürlich.“
Interview 4: 00:53:26-7
Das obige Zitat zeigt, dass dieses Unternehmen gegenüber Menschen verschiedener Nationalität als Arbeitnehmerinnen offen ist, jedoch den Kundenwünschen folgt. Das Zitat impliziert aber auch, dass die Betreuerinnen je nach Nationalität unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten mitbringen (z.B. unterschiedlich kochen). Wiederum taucht hier das
Thema der Sprachkenntnisse der Betreuerin auf. Diese bilden ein zentrales Kriterium für
ihre Qualifikation als Betreuerin.
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„Ich denke, einfach noch ein wichtiger Punkt ist die Sprache. (…) Gerade bei älteren Personen ist es schon- (…) dann meistens reden die ja nicht mehr ganz so deutlich, allenfalls
und dann ist es für eine Ausländerin noch viel schwieriger das zu verstehen und umgekehrt eben auch. Und darum- Also wir haben jetzt wirklich das Glück, dass wir jetzt, also
ich habe noch viele Frauen aus dem Deutschen.“ Interview 10: 01:07:05-6
Auf die Frage, nach welchen Kriterien die Betreuungskräfte ausgewählt werden, antwortet
eine Gesprächspartnerin: „Also sicher mal, ob sie Deutsch können. Das ist erste Bedingung.
Deutsch müssen sie können und zwar in Wort und Schrift“ (Interview 6: 00:22:01-8). Ein
weiterer Gesprächspartner sagt in diesem Zusammenhang: „Also wir haben verschiedene
Anforderungsprofile. (…). Mindestanforderung sind z.B. Pflegehilfeausbildung plus zwei
Jahre Erfahrung, plus sie muss Schweizerdeutsch verstehen, §, äh können“ (Interview 5:
00:19:44-4). Je nach Betreuungsunternehmen werden unterschiedliche Qualifikationen
von den Arbeitnehmerinnen verlangt. Gemeinsam ist, dass Sprachkenntnisse von allen
Befragten als sehr wichtig eingestuft werden. Dieses Kriterium ist auch relativ klar fassund belegbar und daher besonders geeignet, um als Qualitätsnachweis herangezogen zu
werden.
Nationalität als Abgrenzung von der Konkurrenz
Vereinzelt wird die Nationalität der Arbeitnehmerin als Qualitätsmerkmal verwendet, um
sich gegenüber anderen Anbietern auf dem Mark abzugrenzen. Auf die Frage, ob das Unternehmen mit Schweizer Arbeitnehmenden arbeite, bekomme ich von einer privaten
Spitexorganisation eine Antwort, die auf Betreuungsunternehmen mit Care Migrantinnen
anspielt und sich klar von ihnen distanziert:
„Wir machen etwas nicht, wir holen keine Rumänen, die kaum Deutsch können und zahlen
denen 1000 Stutz im Monat und Kost und Logis, und können es dann für 6000 machen.
Das machen wir nicht. Wir machen nur ein Angebot, mit ganz guten, ausgebildeten Leuten. (…). Aber wir machen es nur mit wirklich, ich sage jetzt nicht nur Schweizer Leuten,
aber mit Leuten die Schweizerdeutsch verstehen und sauber Deutsch können, gut Deutsch
reden können zumindest. §. Und wir holen keine Ausländer.“ Interview 11: 00:37:16-1
Allerdings kostet eine solche Betreuung mit live-outs als Arbeitnehmende, mit festem
Wohnsitz in der Schweiz, ein Vielfaches. Diese Form der Pflege und Betreuung zu Hause
wird zu einem Luxusangebot.
„Das ist natürlich so. Ich meine, man kann nicht äh, 24 Stunden für eine Person anwesend
sein, Marktlöhne bezahlen, alle Versicherungen korrekt abrechnen und dann kostet es nur
6000 Franken (lächelt). Das geht einfach nicht auf. Wenn man nur schon die Stellenprozente berechnet, nur schon von den Bruttolöhnen her berechnet, auch wenn man billiges
Pflegepersonal hat, oder, dann kostet es dann um die 20‘000 Franken. Wenn man dann
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noch eine Organisation dahinter hat, welche die Sicherheit gewährleistet, die, die in diesem Sinne auch noch das gesamte Case-Management macht. Dann, dann, kommt das einfach, ja.“ Interview 3:00:25:28-8
Interessanterweise bedienen sich nicht nur die befragten Spitexorganisationen dieser Abgrenzungsstrategie per Nationalität der Arbeitnehmenden. Auch Betreuungsunternehmen
mit live-in Angestellten grenzen sich vereinzelt so ab. Auf die Frage, warum das Unternehmen nur deutsche Angestellt hat, antwortet eine Gesprächspartnerin:
„Um das ein bisschen von den Anderen abzuheben, die halt von überall her äh, die kaum
Deutsch können. Um es vielleicht eins seriöser zu machen. Um es vielleicht eins seriöser zu
machen. Also die Kollegin hat gerade letzthin einen Arzttermin gehabt mit einer Kundin
und dieser Arzt ist sehr interessiert gewesen für seine Mutter. Und er hat dann gerade,
das erste ist gerade gewesen als er gefragt hat: Habt ihr auch die Leute von Polen, oder?
Und das finde ich eben schön. Dann kann man gerade sagen: Nein! Eben, man, man wird
einfach in einen Topf geworfen, oder?“ Interview 3: 00:30:27-9
Wie hier kurz skizziert wurde, wird die Nationalität nicht nur zur Zuschreibung erwünschter Charaktereigenschaften diskutiert, sondern sie wird teilweise auch als Qualitätsindikator hinzugezogen, besonders in Bezug auf die Sprache. Im nächsten Kapitel kommt noch
eine dritte Sprechweise über Nationalität hinzu, nämlich im Zusammenhang mit der Rechtfertigung von tiefen Löhnen für ausländische Betreuerinnen im Vergleich mit dem Schweizer Lohnniveau.
Nationalität als Legitimationsstrategie für Lohnunterschiede
Ein weiterer Vorteil des live-in Betreuungsmodells beruht massgeblich darauf, dass dieses
Angebot wesentlich günstiger ist, als jenes der live-out Betreuung durch Arbeitnehmende
mit festem Wohnsitz in der Schweiz. Der niedrige(re) Preis des Angebotes kommt zustande, weil zum einen die Präsenzzeit nicht entlöhnt wird und zum anderen der Lohn für die
Betreuerin typischerweise unter den Schweizer Marktlöhnen liegt. Aus dem nächsten Zitat
lassen sich mehrere Elemente herauslesen, welche für die Legitimation der Lohnhöhe
zentral sind. Sie sollen im folgenden Abschnitt genauer ausgeführt werden.
„Aber der ganze Markt basiert ja eigentlich darauf, dass ausländisches Personal den Markt
sättigen muss, weil ja, also erstens hat es zu wenig Leute, die das machen wollen in der
Schweiz. Und es ist ein sehr anstrengender Job, also wirklich sehr anstrengend und eigentlich, wenn man in der Schweiz wohnt, auch sehr unterbezahlt. Aber eben wenn man im
Ausland wohnt, ist er wiederum sehr hoch bezahlt. Weil es verdient niemand- Also in Polen verdient jemand, der 3000 Franken verdient in einem Niveau, wenn er zurückkehrt,
wie ein Geschäftsführer einer gut laufenden Firma.“ Interview 7: 01:18:03-0
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Das 24-Stunden-Betreuungsmodell ist üblicherweise als sogenannte Pendelmigration organisiert. Das heisst, dass ausländische Betreuerinnen in die Schweiz zum Arbeiten kommen und nach einer gewissen Phase (meist zwischen zwei Wochen und mehreren Monaten) wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren. In der Regel wechseln sich zwei oder mehrere Betreuungspersonen in regelmässigem Rhythmus ab. Die Betreuerinnen behalten
ihren Wohnsitz im Herkunftsland. Sie kommen vorübergehend in einen Privathaushalt im
Empfängerland, um zu arbeiten, bevor sie für eine bestimmte Zeit wieder zurückkehren.
Von den Unternehmen wird dieses Betreuungsarrangement als sogenannte Win-Win-Win
Situation dargestellt. Das bedeutet soviel wie, dass alle Beteiligten (Betreuerin, betreute
Person und Angehörige) von diesem Arrangement profitieren.
„Es sollte hier einfach das bestmöglich für beide Teile, oder für alle drei Teile sollte eine
Win-win-win Situation da sein. Das heisst, die Kraft soll mit den Pflegeerfordernissen klar
kommen, der zu-Pflegende sollte alle seine Wünsche äh bezüglich der Kraft erfüllt haben,
auch altersmässig und so weiter. Und ähm die Familie sollte eben auch zufrieden sein mit
der Haushaltsführung.“ Interview 14: 00:43:03-9
Der Begriff „Win-win-win Situation“ wurde in den Gesprächen nur sehr selten verwendet,
das Thema aber ist zentral. In diesem Abschnitt wird auf die Vorteile fokussiert, welche die
Betreuerinnen aus Sicht der Unternehmen, aus dem live-in Betreuungsarrangement ziehen. Der Gewinn für die Familie und die hilfsbedürftige Person wird im nächsten Kapitel
diskutiert (vgl. Kapitel 6 Themenfeld Kundschaft). Der hier angesprochene Gewinn für die
Betreuerin ist finanzieller Natur und basiert massgeblich auf der Pendelmigration. „Ein
Schweizer hat nun mal mehr Ansprüche als ein Deutscher zum Beispiel. Weil er ja in der
Schweiz lebt“ (Interview 8:00:16:22-0). Weil die Betreuerin ihr Lebenszentrum nicht in der
Schweiz hat, wird legitimiert, dass nicht Schweizer Marktlöhne bezahlt werden müssen.
Der Lohn der Betreuerin wird mit dem in ihrem Herkunftsland verglichen.
„Unsere Kräfte sind froh, dass sie bei uns arbeiten können. Unsere Kräfte verdienen auf
jeden Fall soviel, dass sie sehr gerne, liebend gerne kommen, weil sie ein Vielfaches von
dem verdienen, was sie zu Hause verdienen.“ Interview 14: 00:29:51-7
„Aber wir haben extrem viele Bewerbungen. Das muss man schon sagen. Also durch unsere Löhne einfach in der Schweiz ist das so interessant für die Leute, dass wir da wirklich
auswählen können.“ Interview 1: 00:50:14-4
Vereinzelt wird auch darauf hingewiesen, dass Schweizerinnen und Schweizer diese Arbeit
nicht machen würden.
„Das ist ganz klar äh eine Preisfrage in dem Sinn äh, also eine Preisfrage, so. Sie finden in
der Schweiz keine gut ausgebildeten Leute, die sich bereit erklären, sagen wir drei Wochen oder vier Wochen an einem Ort zu wohnen wo sie arbeiten, oder?“ Interview 2:
00:14:10-0
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Die Ungleichheit zwischen SchweizerInnen und Care Migrantinnen bezüglich Lohnhöhe
und Form der Arbeit wird nicht als ungerecht thematisiert. Das Betreuungsmodell wird als
finanzielle Gewinnsituation dargestellt, wobei sowohl die Kundschaft wie auch die Arbeitnehmenden profitieren. Die Kundinnen und Kunden zahlen weniger, als wenn sie von einheimischen Arbeitnehmenden betreut würden, gleichzeitig wird argumentiert, dass die
Löhne für die ausländischen Betreuerinnen im Vergleich zum Lohnniveau in ihrem Herkunftsland sehr hoch sind. Die Zufriedenheit der Betreuerinnen mit ihren Löhnen scheint
als Legitimation zu genügen.
„Die Frauen haben die Chance wirklich viel Geld zu sparen. Sie ernähren zum Teil ganze
Familien in Polen, nur mit ihrem Lohn. Und äh, sie wohnen meistens in einem grossen Einfamilienhaus, und haben ein westliches Auto. Ja. Also ich denke nicht, dass es Ausnützung
ist. Es sind einfach zwei Lohnniveaus.“ Interview 7: 01:19:55-2
Ein Gerechtigkeitsdiskurs wird in diesem Zusammenhang nicht auf Arbeitnehmerinnenseite, sondern aus der Perspektive der Kundschaft geführt. Das Argument, welches die Unternehmen hier zur Legitimation ihres Angebotes anbringen ist: „es muss am Ende des
Tages, ja doch alles immer noch bezahlbar sein“ (Interview 10: 00:23:03-8). In dieser Logik
wird ein selbstbestimmtes Alter zu Hause erst durch die Betreuungsarrangements mit ausländischen Arbeitnehmerinnen für eine breitere Bevölkerungsschicht in der Schweiz bezahlbar.
„Also wir verlangen jetzt ähm, wir haben drei Betreuungsstufen, das geht von sie-, sie-, es
steht im Internet, 7400 bis 9000 und etwas, oder? Und da müssen wir natürlich schon klar
sehen, wenn wir Personal aus der Schweiz nehmen, können wir das nicht gewährleisten.“
Interview 3: 00:06:29-5
Im Kapitel 6 zum Themenfeld Kundschaft wird die Thematik weiter ausgeführt und dargelegt, dass das Alter zu Hause als Ideal konstruiert wird. Ausserdem wird darin die Legitimationsstrategie „Bezahlbarkeit“ erneut aufgegriffen.
Die Nationalität wird in den Aussagen der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer oft
diskutiert und in verschiedenen Kontexten aufgegriffen. Es scheint ein Thema zu sein, das
unter Legitimationsdruck steht. Es besteht offensichtlich ein Erklärungsbedarf, warum ausschliesslich mit ausländischen Arbeitnehmerinnen gearbeitet wird. Zusammenfassend wird
die Nationalität einerseits im Zusammenhang mit der Qualität der Betreuung thematisiert
und mit Sprachkenntnissen in Verbindung gebracht. Andererseits werden der Nationalität
gewünschte Charaktereigenschaften zugeschrieben und somit nationale Stereotype reproduziert. Komplizierter gestalten sich die Argumentationsmuster zur Legitimation der
vergleichsweise tiefen Löhne der Betreuerinnen. Argumentiert wird, dass Löhne unter dem
Schweizer Lohnniveau gerechtfertigt sind, da Care Migrantinnen ihren festen Wohnsitz
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nicht in der Schweiz haben. Eine Thematisierung der Ungerechtigkeit bezüglich der Auslagerung dieser Care Tätigkeiten an Menschen aus Ländern mit einem tieferen Lohn- und
Preisniveau findet nicht statt. Hingegen wird auf die Vorteile für alle Beteiligten verwiesen.
Die Betonung in den Gesprächen liegt auf den vergleichsweise hohen Löhnen für die
Betreuerin in der Schweiz. Ausserdem wird der Blickwinkel gewechselt und auf die Bezahlbarkeit des Angebotes für die Kundschaft verwiesen. Dank der Betreuung durch Care
Migrantinnen wird es für eine breitere Bevölkerungsschicht erst möglich, das Alter zu Hause zu verbringen.
Je nach dem welcher Teilaspekt des Betreuungsarrangements angeschaut wird, sind andere Vor- und Nachteile, andere Gerechtigkeiten und Ungerechtigkeiten sichtbar. Die
Sprechweisen der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer heben klar die Vorteile ihres
eigenen Angebotes hervor. Diese Darstellung des live-in Betreuungsmodells als Gewinnsituation für alle Beteiligten kann als Marketingstrategie verstanden werden, wie sie wahrscheinlich bei allen profit-orientierten Unternehmen in ähnlicher Form zu finden ist. In
diesem Punkt sind Betreuungsunternehmen nicht als Spezialfall zu betrachten, sondern
folgen den Regeln des Marktes respektive der Werbung.
5.2 Geschlecht
Während die Nationalität bei der Konstruktion der idealen Arbeitnehmerin eine wichtige
Rolle zu spielen scheint, wird ein Geschlechterdiskurs in den Gesprächen kaum geführt.
Die Tatsache, dass der Arbeitsmarkt Privathaushalt weitgehend weiblich dominiert ist,
findet sich aber klar in den Aussagen der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner
wieder.
„Und das sind einfach auch meistens eben Frauen, meistens Frauen, 95 Prozent sind es
Frauen. Auch Bewerbungen. Und einfach Frauen wirklich ab einem gewissen Alter.“ Interview 2: 00:55:15-5
„Weil eben, die Bewerbungen sind eigentlich zu 99,9% sind Frauen.“ Interview 10:
01:02:40-1
Es wird häufig betont, dass überwiegend Frauen die Arbeitnehmerinnen sind, aber es
herrscht weitgehende Stille darüber, warum das der Fall ist. Die Rollenzuschreibung der
Frau als geeignet für betreuende und pflegende Aufgaben wird von den Befragten scheinbar als natürlich angeschaut und braucht weder diskutiert noch legitimiert zu werden. Den
Aussagen folgend wird es nicht als aktive Wahl der Unternehmen angesehen, hauptsächlich Frauen einzustellen. Wie die obigen Zitate zeigen, werden in der Logik der Befragten
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automatisch Frauen eingestellt, weil sich fast ausschliesslich Frauen bewerben würden.
Interessanterweise wird auf die Frage, ob auch Männer beim Unternehmen angestellt seien, diese Antwort jeweils legitimiert:
„Nein, das ist eine gute Frage. Ich habe ein, zwei Interessenten. Und wenn Sie ins Spital
müssen, haben Sie sehr viel männliches Personal, das ist ganz hervorragend. Sehr oft. (…)
Interessanterweise, bei uns ist es nie verlangt worden. Und ich geniere mich wie fast ein
bisschen, äh, quasi wie einen Mann zu offerieren. (…) Und ich habe sowieso wenig, äh, äh
nur ein, zwei Männer. Und ich sage denen auch: Hört, wenn ihr einen Job wollt, meldet
euch direkt in einem Pflegeheim, Altersheim, Spital. Die Chancen sind viel grösser, als bei
mir.“ Interview 4: 00:24:41-1
„Wir haben auch Männer die sich bewerben. Wir haben auch Männer als Krankenpfleger.
Äh, das wird meistens ähm- Es ist so, Männer haben es schwerer, weil viele Frauen, die
Patientinnen sind, wollen nicht Männer als Pfleger. Männer als Patienten wollen wiederum (lacht) Frauen. Und äh darum haben es die eigentlich schwerer. Aber es gibt auch viele
Männer, die gerne einen Mann als Betreuer wollen. Oder zum Beispiel Frauen, die sich nur
sehr schwer bewegen können, die man viel schleppen muss. Wo man zum Beispiel immer
den Wagen aufbauen muss. Die fragen dann vielleicht nach einem Mann, oder nach einer
starken Frau (lacht).“ Interview 7: 00:37:58-8
„Das Normalbild wäre, dass eher Frauen zu betreuen sind und eher Frauen die Betreuen.
Gerade bei den Frauen ist die Akzeptanz sehr gering, wenn sie ein Mann, wenn sie von einem Mann betreut werden. Das wissen wir von meiner Schwester aus dem Spital und das
ist sehr ähnlich auch, also einfach ein Pfleger hat einen schwereren Zugang zu einer weiblichen Patientin als umgekehrt.“ Interview 10: 01:02:40-1
Den Aussagen folgend lässt sich zusammenfassen, dass die Tatsache eines weiblich dominierten Arbeitsmarktes im Privathaushalt ausserhalb des Entscheidungsbereichs der befragten Unternehmen liegt. Vielmehr ist sie, gemäss der Befragten, das Resultat gesellschaftlicher Normen, die sich wiederum in den Wünschen der Kundschaft spiegeln. Die
Unternehmen geben hier an, der Marktlogik zu folgen. Was von den Befragten unerwähnt
bleibt, ist ihre gestaltende Rolle in diesem Arbeitsmarkt durch die Wahl der Arbeitnehmenden. Durch die Annahme der Unternehmen, was von der Kundschaft gewünscht wird,
resultieren Ausschlussmechanismen. So werden, wie gezeigt, erfahrene Frauen bevorzugt,
was junge Frauen mehrheitlich ausschliesst. Ebenso werden Männer wegen geschlechterspezifischen Zuschreibungen weitgehend von der Betreuungsarbeit ausgeschlossen, obwohl sich auch Männer für diese Arbeit bewerben. Durch die implizite Annahme, dass die
Kundschaft Frauen bevorzuge, bieten die befragten Unternehmen wenig oder gar keine
Männer an. Die Wahl, wer für die Betreuung geeignet ist, wird somit hauptsächlich von
den Unternehmen getroffen und nicht der Kundschaft überlassen. Durch die Rekrutierungspraxis und Auswahl der Arbeitnehmenden gestalten die Unternehmen diesen Arbeitsmarkt somit sehr stark mit. Im Zusammenhang mit dieser Thematik soll im nächsten
Kapitel der Frage nachgegangen werden, was für ein Familienbild von den Befragten konstruiert wird und welche Rolle dabei die Angehörigen spielen.
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6 Themenfeld Kundschaft
Die Darstellung als Win-Win-Win Situation hat gezeigt, dass der vergleichsweise hohe Lohn
in der Schweiz im Verhältnis zu den Löhnen im Herkunftsland als finanzielle GewinnSituation für die Betreuerin dargestellt wird. Die anderen beiden Wins beziehen sich auf
die zu betreuende Person und deren Angehörige und werden im folgenden Kapitel aufgezeigt. In einem ersten Teil geht es auf der Seite der betreuungsbedürftigen Person um das
Ideal, das Alter zu Hause verbringen zu dürfen. Im zweiten Abschnitt wird analysiert, welche Rolle die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner den Angehörigen zuschreiben
und wie diese vom rund-um-die-Uhr Betreuungssetting profitieren.
6.1 Hilfsbedürftige Person
Aus Sicht der Betreuungsunternehmen besteht der Gewinn der pflege- oder betreuungsbedürftigen Person darin, ein selbstbestimmtes Leben im Alter führen zu können.
„Und alle Menschen sollen irgendwo in ein Heim? Und es gibt ganz viele Menschen, die
nicht ins Heim wollen. Ich meine, es gibt hier in der Schweiz wunderschöne Heime, also
wirklich Residenzen und ganz humane, schöne Heime. Aber es gibt Menschen, die wollen
nicht ins Heim. Und ich finde, das sollte man einfach berücksichtigen.“ Interview 8:
00:35:34-0
Wie das obige Zitat aufzeigt, soll eine Alternative zum Altersheim geschaffen werden. Die
betreuungsbedürftige Person soll frei entscheiden können, wie er oder sie das Leben im
Alter verbringen möchte. Die Argumente der Betreuungsunternehmen für ihr Angebot
bestehen aus zwei Teilen. Zum einen findet sich in ihren Aussagen eine Idealisierung, den
letzten Lebensabschnitt zu Hause verbringen zu dürfen. Das andere Argument ist die Bezahlbarkeit des Angebotes. Dadurch, dass nicht Schweizer Marktlöhne gezahlt werden
müssen, können sich bedeutend mehr Menschen eine Betreuung zu Hause leisten.
Im Alter zu Hause als Ideal
„Und es stellt sich die Frage, ob es nicht humaner ist, den Pflegebedürftigen in seiner gewohnten Umgebung zu belassen, solange irgendwie möglich. (…). In erster Linie steht uns
natürlich das Bedürfnis des älteren Menschen im Vordergrund. Der ältere Mensch kann,
muss also nicht, unserer Meinung nach, muss er eben nicht unbedingt ins Heim gehen,
sondern er kann zu Hause bleiben.“ Interview 14: 00:16:44-2
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Der oben zitierte Gesprächspartner bezeichnet es als „humaner“ einen alten Menschen in
seiner gewohnten Umgebung zu belassen. Auffällig ist, dass die Wahlmöglichkeit stark
betont wird. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass Home Care Unternehmen eine
Alternative schaffen für Menschen, die nicht ins Altersheim wollen. Die Abgrenzung zum
Alters- und Pflegeheim ist ein zentrales Argument im Selbstverständnis der Unternehmen.
Es wird argumentiert, dass man im Altersheim „keine Zeit mehr hat für sie [die alten Menschen] vor allem. Und sie ihre ganze Individualität und einfach ihre Autonomie abgeben
müssen, oder? Und äh bei uns können sie ja das nachher behalten. Sie sind der Chef, sie
haben in dem Sinn äh eine Person an ihrer Seite, die sie wieder durchs Leben führt“ (Interview 2: 00:53:02-3). Die Individualität des alten Menschen und seine Entscheidungsfreiheit
werden hervorgehoben: „Also der Vorteil bei dem neuen Betreuungsmodell, wo eben, wo
es eine eins-zu-eins Betreuung ist, ist ja, dass nachher die Individualität und Selbstbestimmung von den Senioren aufrecht erhalten wird“ (Interview 2: 01:26:23-5).
Die Vertreterinnen und Vertreter der befragten Home Care Unternehmen geben es als
Motivation für ihre Geschäftstätigkeit an, alten und hilfsbedürftigen Menschen dieses Ideal, im Alter zu Hause bleiben zu können, zu ermöglichen.
„Aber letztlich ist es auch, geht es auch darum eben diesen alten Leuten, etwas Gutes zu
tun. Und wirklich noch ein bisschen Freude- Und dass man ihnen den Wunsch, eben noch
längere Zeit zu Hause zu bleiben, auch irgendwo erfüllen kann.“ Interview 10: 01:12:25-9
„Und das, also ich fände das jetzt noch schön, wenn man wirklich möglichst vielen Leuten,
das Zuhausewohnen eben ermöglichen kann. Es gibt nichts Schöneres.“ Interview 2:
02:05:34-7
„Etwas Gutes zu tun“ als Motivation für die Geschäftstätigkeit wird in den Vordergrund
gerückt. Das profitorientierte Streben nach Gewinn wird in den Gesprächen nur nebenbei
erwähnt:
„Zufriedene Kunden und zufriedene Mitarbeiter. So wenn ich da im Büro nicht mehr weiss,
für was ich arbeite, dann gehe ich auf Kundenbesuch. Und dann weiss ich wieder, für was
ich arbeite. Weil wenn mich die Kunden anstrahlen und wenn die Mitarbeiter mir sagen:
Äh läck, so ein gutes Unternehmen. (…). Dann denke ich, doch es ist gut. Und wenn dann
zu all dem auch noch die Zahlen stimmen, dann ist das wunderbar (lacht).“ Interview 9:
00:57:04-8
„Und Motivation ist noch in einem Feld tätig zu sein, wo man auch noch etwas Gutes dazu
beitragen kann. Wo man zwar auch in einer Form davon leben können soll, aber- Wir verkaufen nicht etwas Unnützes. Ich sage es jetzt, ja-.“ Interview 10: 01:11:21-4
„Aber eben entweder man ist mit Herzblut dabei, will es richtig machen. Und sich einsetzen. Sicher verdiene ich etwas daran. Sonst würde ich es ja nicht machen. Aber reich werden? So in dem Rahmen wie wir jetzt- (lacht). Dass wir da jetzt Millionen können- Ist ja
auch nicht das Ziel.“ Interview 3: 00:49:59-4
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Es gibt auch Interviewpartnerinnen und Interviewpartner, die angeben gut zu verdienen:
„[Es] macht mir Freude, es macht mir Spass, ich verdiene gut“ (Interview 4: 02:00:39-9).
Allerdings fällt insgesamt auf, dass die Darstellung des Betreuungsarrangements als WinWin-Win Situation (Gewinn für die zu betreuende Person, für Angehörige und für die
Betreuerin), die Unternehmen als (finanzielle) Gewinner nicht mit einschliesst. Zwar wird
Profit angestrebt und dies auch nicht verheimlicht: „Das ist auf jeden Fall wichtig. Der Gewinn soll irgendwie ein bisschen allen gleich zu Gute kommen, oder?“ (Interview 2:
02:05:19-2), somit also auch dem Unternehmen. Doch insgesamt wird „Gutes tun“ ins
Zentrum gerückt. „Ich habe verschiedenes in meinem Leben schon gemacht, unter anderem 25 Jahre erfolgreich ein eigenes Unternehmen geleitet, aber das Sinnvollste in meinem Leben muss ich sagen, mache ich jetzt“ (Interview 4: 02:02:07-5). Dieses Aussagenmuster bezeichne ich als Non-Profit Rhetorik. Sie findet sich auch wieder, wenn es um die
Bezahlbarkeit des Angebotes im nächsten Abschnitt geht.
Bezahlbarkeit als Legitimationsstrategie
Das 24-Stunden-Betreuungs- und Pflegemodell, wie es von privaten Spitexorganisationen
angeboten wird, besteht aus einem Schichtsystem, bei dem sich mehrere Arbeitnehmende
täglich ablösen. Eine solche professionelle Pflege und Betreuung kostet monatlich mehrere
10‘000 Franken. Zwei Gesprächspartner von privaten Spitexorganisation nehmen dazu
folgendermassen Stellung:
„Ich meine, eine 24-Stunden-Betreuung ist über 500 Stellenprozente, für eine Person. Ja,
aber wenn man dann korrekt nach Gesetz abrechnet, dann ist es für den Normalbürger
nicht finanzierbar. Das muss einem schon klar sein. Dass Personen, welche, sich das in diesem Sinne, das leisten wollen aber das entsprechende Geld nicht haben, gehen natürlich
dann von ausländischem, ja Personal werden sie dann betreut und da sind es dann einfach
die Lohnkosten die den Unterschied machen. Oder? Weil die dann für 1500 Franken einen
Monat arbeiten kommen für 24 Stunden.“ Interview 5: 00:26:48-8
„Handkehrum muss man ganz klar auch abgrenzen, es ist klar in dieser Form wie wir die
Dienstleistung anbieten kann sich ein Grossteil der Bevölkerung kann sich das gar nicht
leisten, also muss man ein Alternativprodukt auch anbieten. Und ähm, kann so wahrscheinlich einen grösserer Teil der Bevölkerung auch erfassen.“ Interview 13: 00:39:26-7
Genau dieses Erfassen einer grösseren Bevölkerungsschicht wird als Legitimationsargument von den befragten Betreuungsunternehmen angeführt, welche mit ausländischen
live-ins als Arbeitnehmende arbeiten.
„Und unter der Bedingung, dass man halt mit ausländischem Personal arbeitet. In dem
Modell ist das sicher nicht anders möglich, also ja in dem Preissegment. Ich habe mir auch
schon überlegt, ob wir noch ein zusätzliches Angebot anbieten mit eben hiesigen Leuten,
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und äh, mit 20 oder weiss doch nicht wieviel tausend Franken. Aber eigentlich finde ich
das keine Lösung. Weil eine Lösung ist ja nie eine Lösung, wenn es nur für 3% von den Leuten ist, also so für 20 % oder so sollte das schon sein.“ Interview 2: 02:06:25-2
Das Betreuungsmodell mit ausländischem Personal wird von den befragten Unternehmen
meist zu Preisen zwischen etwa 4‘000 und 12‘000 Franken angeboten (vgl. Truong 2012).
Zwar ist das bedeutend günstiger als das erwähnte Angebot im Schichtbetrieb mit live-out
Personal. Dennoch können sich auch dieses Angebot nicht alle leisten, da keine Gelder von
der Krankenkasse fliessen. Dies wird von vielen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern bedauert, was wiederum an eine Non-Profit Rhetorik erinnert.
„Darum ist eigentlich nur wer es sich leisten kann. Und das ist eigentlich das Einzige, wo
ich Mühe habe. Das finde ich unfair. (…). Aber es sollte sich ja jeder irgendwie, das leisten
können, der das will.“ Interview 3:00:24:34-0
„Aber es ist nicht für jedermann. Und es ist leider so. Wenn du kein, gar kein Geld hast,
natürlich jeder hat AHV. Aber die Wohnung kostet ja auch Geld und das Essen kostet auch
Geld. Wenn du nur die AHV hast, musst du ins Altersheim.“ Interview 4: 01:40:27-6
„Aber man muss natürlich auch sagen, dass es oftmals einfach am Finanziellen dann scheitert, weil wir eben die Leute vernünftig bezahlen. Und das kann sich natürlich nicht jeder
leisten, aber ich wünsche mir einfach, dass mit der Zeit noch andere Projekte entstehen
können, wo dann auch Menschen bedient werden können, die eben nicht soviel Kapital
auf der Seite haben, um sich das leisten zu können.“ Interview 8: 00:05:35-5
„Die Nachfrage ist da. Man merkt halt auch, das ist schon so, wir können nicht, und das
haben wir ursprünglich zum Ziel gehabt, das ist ein Teilziel, das wir nicht erfüllen können.
Es ist nicht für alle bezahlbar. Also der normale Arbeiter, der sein Leben gut fristen konnte,
der muss, weil keine Ergänzungsleistungen fliessen für uns, halt wirklich in ein Pflegeheim.
Für den gibt es nur die Einbahnstrasse. Weil der vermag uns ganz einfach nicht. Anfänglich
wäre das Ziel gewesen, wirklich für die ganze breite Palette. Und das ist ein Ziel, das wir
mit diesen Kostenstrukturen, wie sie im Moment sind, nicht erreichen können.“ Interview
9: 00:59:16-7
Zusammenfassend argumentieren die befragten Betreuungsunternehmen, dass sie hilfsbedürftigen Personen durch die individuelle Begleitung ein selbstbestimmtes Alter ermöglichen wollen. Das Alter im Altersheim verbringen zu müssen wird zu einer Art Feindbild.
Interessant ist, dass das Ideal, das Alter zu Hause zu verbringen, nichts Neues ist, sondern
sich an der Tradition der Pflege und Betreuung innerhalb der Familie orientiert. Durch die
Veränderungen in den Familienstrukturen (durch gestiegene Mobilität und die Zunahme
der Erwerbstätigkeit von Frauen) ist eine Betreuungslücke entstanden, in welcher sich die
befragten Unternehmen positionieren. Dank der Betreuung durch ausländisches Personal
kann das Ideal das Alter in den eigenen vier Wänden erschwinglich(er) gemacht werden.
Dabei übernehmen die Betreuungsunternehmen eine familiäre Logik, welche sich auch in
der Non-Profit Rhetorik zeigt. Gleichzeitig rücken sie damit die marktwirtschaftliche Orien-
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tierung in den Hintergrund. Die Unternehmen sprechen davon „Gutes zu tun“, der Gewinn
des Unternehmens wird sehr nebensächlich erwähnt.
6.2 Angehörige
Für die Organisation des Pflege- und Betreuungsarrangements sind üblicherweise die Angehörigen zuständig. Das macht sich in den Aussagen der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner bemerkbar: „Die Tochter suchte für ihre Mutter jemanden für zu Hause“
(Interview 1: 00:08:12-1) oder „Meistens sind es die Kinder, die sich melden, nicht die Alten. Die Alten brauchen nie etwas“ (Interview 4: 00:32:40-8) oder „Also es läuft an und für
sich so, wenn ein Neukunde sich interessiert, wenn es Interessenten sind, dann sind es
meistens Söhne und Töchter. Selten die alten Menschen selber. Meistens sind es die Angehörigen“ (Interview 9: 00:30:11-4). Das familialistische Betreuungs- und Pflegemodell ist
in der Schweiz fest verankert. In der Logik der Unternehmen sind die Angehörigen allerdings nicht (mehr) diejenigen, welche die Sorgetätigkeit ausüben, sondern ihre Verantwortlichkeit bezieht sich auf die Organisation und Planung der Betreuung für das hilfsbedürftige Familienmitglied.
Von den Befragten wird ein Gesellschaftsbild gezeigt, in dem die Pflege- und Betreuungstätigkeit von älteren und hilfsbedürftigen Familienmitgliedern durch ihre Angehörigen
keinen Platz mehr hat.
„Du musst ins Altersheim (…) wenn dich die Tochter oder der Sohn nicht aufnehmen kann.
Und wer kann das heute noch?“ Interview 4: 01:40:35-2
„Unsere Gesellschaft funktioniert so, dass man das gar nicht mehr machen kann. Wir sind
so in, in der Berufs- und Verpflichtungswelt engagiert, dass wir uns nicht mal mehr um die
nächsten Angehörigen [kümmern können]. Keiner hat Zeit. Oder was auch immer. Will es
gar nicht mehr machen. Sind sich das nicht mehr gewohnt.“ Interview 2: 02:07:36-5
„Und natürlich auch der Wandel, dass die Leute halt ihre Eltern nicht mehr selber pflegen.
Weil sie alle in einer Arbeit oder in einer Karriere sind, die sie nicht vernachlässigen wollen
und dann können sie sich nicht aufopfern für ihre Eltern.“ Interview 7: 01:12:38-5
In diesen Aussagen wird der gesellschaftliche Wandel in der Familienstruktur angesprochen. „Keine Zeit haben“ wird als Ursache für die Abgabe der traditionellen Sorgetätigkeiten im Haushalt bezeichnet. Die Sprechweisen zu den Lebenssituationen der Angehörigen
sind nicht geschlechterspezifisch geprägt. Gemäss den obigen Zitaten sind es in gleichem
Masse die Söhne wie die Töchter, die sich um die Organisation des Betreuungsarrangements kümmern. Ebenso wird „Karriere machen“ und „keine Zeit haben“ generell als Be-
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gründung für die Auslagerung der Sorgetätigkeiten an Angestellte angegeben, Frauen und
Männer gleichermassen eingeschlossen.
Die live-in Betreuerinnen übernehmen genau die Tätigkeiten, die früher die (meist weiblichen) Angehörigen übernommen haben: „Das machen ja unsere Betreuer, sie ersetzen
[die Angehörigen]. (…). Man sagt ja, die Angehörigen haben keine Zeit, oder zuwenig Zeit,
oder? Man sourced das quasi out, oder?“ (Interview 10: 00:34:15-8). Das Gesellschaftsbild,
in dem die Angehörigen die Betreuung ihrer hilfsbedürftigen Familienmitglieder nicht
selbst übernehmen, wird als normal betrachtet. Die Abgabe der Sorgetätigkeit an Angestellte wird nicht gewertet. Die Situation der Angehörigen wird so beschrieben, dass sie
„sich nicht aufopfern wollen“, „ihre Berufstätigkeit nicht aufgeben wollen“. Diese Beschreibung betont die individuelle Lebensgestaltung jedes einzelnen. Die Betreuungstätigkeit wird abgewertet, indem sie in diesem Kontext als Einschränkung der individuellen
Lebensgestaltung dargestellt wird. Durch die Betreuungsdienstleistung der Unternehmen
kann die Individualität der Angehörigen gewahrt werden, womit die Win-Situation auf Seiten der Angehörigen erklärt wird. Das folgende Zitat zeigt allerdings, dass die Sorge um die
Angehörigen nicht automatisch an Angestellte abgeben wird, sondern erst dann, wenn der
Punkt erreicht ist, an dem die Betreuungsarbeit den eigenen Lebensweg (zu) stark beeinflusst:
„Es ist oft so, dass sich mehrere, mehrere Familienmitglieder um den Hilfsbedürftigen
kümmern, aber ab einem gewissen Stadium (…) dann kommen viele Familien in die Bedrängnis, dass sie es alleine nicht mehr schaffen können ohne dass man seinen Job, seinen
Beruf aufgibt.“ Interview 14: 00:19:51-7
An das traditionelle familiäre Pflege- und Betreuungsmodell angelehnt füllen die Home
Care Unternehmen die Lücke, die durch den Wandel der Familienstruktur entstanden ist.
Die Unternehmen knüpfen an die Logik der Pflege und Betreuung innerhalb der Familie an,
wobei das live-in Betreuungsmodell mit dem Zusammenleben im gleichen Haushalt an
Mehrgenerationenhaushalte erinnert. Allerdings wird nicht die traditionelle Familienstruktur als Ideal dargestellt, da sie im Widerspruch zur Lebensführung der meist berufstätigen
Angehörigen stehen würde. Vielmehr legitimieren die Betreuungsunternehmen ihre Tätigkeit mit einer Strategie der Individualitätswahrung. Durch die Betreuung zu Hause kann
der hilfsbedürftige Mensch seine Individualität aufrechterhalten und seinen Lebensrhythmus im Alter beibehalten. Die Angehörigen wiederum können durch die Fremdbetreuung
ihren (beruflichen) Lebensweg individuell und unabhängig von den hilfsbedürftigen Familienmitgliedern gestalten.
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7 Themenfeld Konkurrenz
In vielen Bereichen wirkt das Selbstbild der Betreuungsunternehmen eher wage. Dies ist
einerseits bedingt durch die Darstellung der Arbeit im Privathaushalt als Spezialfall, bei
dem jeder Einzelfall individuell angeschaut und geregelt werden muss (vgl. Kapitel 4 Themenfeld Arbeit), andererseits aber auch durch die weitgehende Absenz von arbeitsrechtlichen Bestimmungen im Privathaushalt. Die stärkste Art der Selbstdarstellung der Betreuungsunternehmen zeigte sich in den Gesprächen vielfach bei der Abgrenzung von Konkurrenten. Im Interviewleitfaden wurde die Frage nach der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex direkt gestellt. Ansonsten wurde offen nach den wichtigsten Konkurrenten auf
dem Markt gefragt und welche Rolle das befragte Unternehmen darin spiele. Private Spitexorganisationen haben sich klar von reinen Betreuungsunternehmen distanziert. Dabei
haben sie sehr stark die Unterschiede der gesetzlichen Rahmenbedingungen zwischen
Pflege und Betreuung sowie die Unterschiede der beiden 24-Stunden-Modelle durch liveins und live-outs betont. Die Betreuungsunternehmen hingegen haben private Spitexorganisationen gar nicht erwähnt. Umso wichtiger erscheinen in ihren Aussagen die Positionierung zur öffentlichen Spitex sowie die Abgrenzung zu Alters- und Pflegeheimen wie auch
zu den als illegal tätig bezeichneten Betreuungsunternehmen. Was bei allen Befragten
auffällt, ist der Wunsch nach einer differenzierten Darstellung des Pflege- und Betreuungsmarktes. Darin schwingt auch vielfach die Kritik an der medialen Berichterstattung
mit. Das folgende Kapitel zeigt den Abgrenzungsdiskurs der Home Care Unternehmen auf.
Durch die Argumentation zur Abgrenzung von anderen Marktakteuren zeigen die Betreuungsunternehmen auch, welche Rolle im Markt sie sich selbst zuschreiben.
7.1 Abgrenzung gegenüber etablierten Institutionen
Altersheim
Die Konstruktion des Ideals, das Alter zu Hause verbringen zu können wurde im letzen
Kapitel aufgezeigt. Sie ist gleichzeitig auch als Kritik an der Institution Alters- und Pflegeheim zu verstehen.
„Wir sind einfach nicht Fan von Altersheimen. Wir wollen nicht sagen, die machen das
schlecht oder das ist nicht gut. Aber wir finden einfach, das ist nicht eine gute Lösung. Wir
haben das auch familiär gesehen, einfach wie auch die Leute abgeben, wenn sie plötzlich
nur noch unter alten Leuten sind.“ Interview 2:00:52:42-9
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Das Zitat zeigt exemplarisch eine klare Distanzierung zu dieser Institution. Argumentiert
wird hauptsächlich mit dem Wunsch der Kundschaft nach Individualität und einem selbstbestimmten Alter.
„Jugendliche, Kinder werden darauf getrimmt, dass sie Individuen sind. Wir leben unser
Leben als Individuen. Jeder hat seinen individuellen Lebensstil. (…). Und ich denke, da
müsste man wirklich vernünftige, andere Angebote auch haben, und es müsste eine wählbare Palette geben, neben der Einbahnstrasse Betreuungs- und Pflegeheim.“ Interview 9:
00:53:27-3
Betreuungsunternehmen stellen sich als die bessere und günstigere Lösung als das Altersund Pflegeheim dar. Die Abgrenzung findet sowohl ideell als auch finanziell statt. Ähnlich
wie bei der Argumentation zur Bezahlbarkeit wird hier bemängelt, dass die Gemeinden für
jemanden ohne finanzielle Mittel nur den Altersheimplatz bezahlen. Somit besteht keine
Wahlmöglichkeit zu Hause zu bleiben, obwohl das günstiger wäre.
„Ja, leisten das hat damit zu tun, das müssen Selbstzahler sein, das heisst Leute die das Altersheim- Also die es selber zahlen müssten, wenn sie ins Altersheim kommen. Das ist man
noch schnell in der Schweiz. (…). Und äh, das wäre sicher unser Segment. Weil für diese
Leute ist es nur noch eine Entscheidung und keine Preisfrage. (…) Wenn sie sowieso nichts
selber zahlen können äh also wenn unser Angebot preislich also sogar billiger wäre als ein
Altersheim, eine Privatperson darf sich nicht für unser Angebot entscheiden. Wenn die
Gemeinde zahlt gibt es nur eine Lösung und das ist Altersheim.“ Interview 2: 00:47:30-4
In der Abgrenzung zum Alters- und Pflegeheim sind die Legitimationsstrategien der Bezahlbarkeit und des Ideals, im Alter zu Hause bleiben zu können, zentral. Diese beiden Aspekte wurden bereits im Kapitel 6 zum Themenbereich Kundschaft dargelegt. Daher fokussiert dieses Kapitel auf die Abgrenzung von weiteren Akteuren auf dem Pflege- und
Betreuungsmarkt.
Die öffentliche Spitex als Ergänzung
„Es ist ja eigentlich normal und naheliegend, dass man zusammenarbeitet. Sie [die öffentliche Spitex] machen medizinische Sachen und wir nicht.“ Interview 2: 01:58:04-3
Die klare Verteilung der Aufgabenbereiche, Pflege auf der einen Seite, Betreuung auf der
anderen, scheint eine Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Spitex und den Betreuungsunternehmen zu ermöglichen. Auffällig oft wird von den Betreuungsunternehmen
betont, dass eine Zusammenarbeit angestrebt wird und Spitex und Betreuungsunternehmen eine ideale Ergänzung zueinander darstellen. „Aber man muss wirklich sagen, wir
machen keine Pflege und da bin ich ziemlich strikt. Das muss klar abgetrennt sein. Daher
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auch die Zusammenarbeit mit der Spitex, das funktioniert bei uns sehr gut“ (Interview 6:
00:27:17-3).
„Wissen Sie, es gibt eine Spitex, die das Medizinische macht. Katheter wechseln bis Pillen
abgeben, das hast du ja auch in der Krankenkasse drin, oder? Eine Betreuerin macht eigentlich alles andere.“ Interview 4: 00:09:46-0
Die Selbstdarstellung der Betreuungsunternehmen als Ergänzung zur öffentlichen NonProfit Spitex respektive das Bestreiten, in Konkurrenz zu dieser zu stehen, ist in allen Interviews mit Betreuungsunternehmen erwähnt worden.
„Weil wenn man es wirklich, wenn man das Konzept versteht, dann weiss man genau, dass
wir keine Konkurrenz sind und dass wir keine medizinischen Dienstleistungen erbringen.
Und dann ist das eine optimale Ergänzung zur Spitex. Das ist eigentlich perfekt.“ Interview
8: 00:29:16-5
„Und wir schauen die Spitex wirklich als Ergänzung, als partnerschaftliche Ergänzung an
und nicht primär als Konkurrenz.“ Interview 10: 00:40:13-9
In umgekehrter Perspektive geben einige Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner
hingegen an, dass die öffentliche Spitex sie (die Betreuungsunternehmen) als Konkurrenten ansehe.
„Die Erfahrung hat schon gezeigt, dass die Spitex natürlich diese Institutionen [Betreuungsunternehmen] immer so ein bisschen als Konkurrenz empfindet, oder. Die haben
dann das Gefühl, die nehmen ihnen die Arbeit weg.“ Interview 6: 00:27:17-3
„Sobald die Spitex merkt, dass wir keine Konkurrenz sind von ihnen, dann geht es.“ Interview 9: 00:12:05-8
„Und ich bin überzeugt, wir können uns gegenseitig nützlich sein. (…) die grösste Sorge der
Spitex, und ich glaube, das ist wahrscheinlich schweizweit so wie ich das mitbekomme, ist:
Uh Konkurrenz! Man nimmt uns etwas weg.“ Interview 10: 00:38:18-5
„Aber in einigen Kantonen arbeitet die Spitex gegen die 24-Stunden-Pflege. Die Gründe
sind mir effektiv schleierhaft, weil es eigentlich keinen Grund gibt.“ Interview 10:
00:34:32-9
Obwohl die Trennung der zwei Arbeitsbereiche Pflege und Betreuung in den Sprechweisen
der Befragten klar erscheint, deuten einige Aussagen darauf hin, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Betreuerin und Spitex vielfach nicht ganz so einfach gestaltet und diese
Aufteilung nicht eindeutig ist.
„Es ist einfach- Wir dürfen der Spitex da nicht zu viel rein- Wir sind nur da eigentlich, jetzt
in diesem Fall dort, für den Haushalt und für die Dame zu betreuen und das Pflegerische
ist die Spitex.“ Interview 3: 00:46:11-9
„Das lustige ist ja nur, dass wir natürlich teilweise fantastisches Personal haben, die es
besser können als die Spitex. Medizinische Erfahrung [haben]. Es sind sehr viele Krankenschwestern. Sie dürfen gar nicht. Das ist ja auch klar. Dafür gibt es eben die Spitex, oder
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den Hausarzt, nicht? Aber sie wissen, wie man eine Patientin aufhebt, in die Dusche begleitet und so weiter.“ Interview 4: 00:10:24-2
Eine der Hauptschwierigkeiten in der Zusammenarbeit ist sicherlich die Grenzziehung zwischen Pflege und Betreuung. Eine Interviewpartnerin sagt dazu:
„Ich meine, wenn man als Betreuer bei einem Kunden ist, und diese Person muss jetzt aufs
WC, hm? Muss auf die Toilette und braucht Hilfe. Einfach gerade in diesem Moment. Ja,
sollen wir jetzt schnell das Telefon nehmen und die Spitex anrufen: Kommt schnell, es
muss jemand aufs WC. Das geht gar nicht. Ich bin einverstanden, wenn es darum geht,
dass jemand wirklich sich selbst am Morgen nicht mehr waschen kann oder duschen. Dass
man dann sagt, ok, zwei Mal die Woche lässt man jemanden von der Spitex kommen und
lässt, ich sage jetzt mal die ganze Grundpflege machen. Aber das dazwischen, das kann
man nicht abgrenzen.“ Interview 10: 00:30:32-5
Weiter deutet die folgende Aussage an, dass die Spitex durch die Anwesenheit einer
Betreuerin doch teilweise substituiert wird, besonders was die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten betrifft:
„Und bei gewissen kommt einmal, zweimal die Woche die Spitex und macht irgendein
Verbändli oder cremt etwas ein oder so, was wir nicht dürfen. Aber das muss man schon
sagen, dass geht eigentlich extrem zurück. Also wir haben im Moment niemanden, wo die
Spitex jeden Tag kommt, oder so.“ Interview 2: 01:22:12-5
„Ähm, die Spitex wird einfach von der Krankenkasse bezahlt. So einfach ist es, oder? Und
wenn jemand äh, äh den Stempel hat vom Arzt: Muss betreut werden, dann kannst du sogar das Putzen haben. Dass wenn dann jemand eine Betreuerin hat, muss du es, musst du
das gar nicht haben, weil, weil die Betreuerin die tut ein bisschen Staubsaugen und ein
bisschen putzen, nicht? Da brauchst du die ganze Spitex nicht.“ Interview 4: 01:56:23-7
Diplomatische Kritik an der öffentlichen Spitex
Vereinzelt wird Kritik an der öffentlichen Spitex geäussert und ihre bürokratische Organisation kritisiert: „Die müssen ja mehr schreiben und Rapporte schreiben, als dass sie arbeiten“ (Interview 4: 01:55:01-0). Ein anderer Interviewpartner sagt dazu: „Wir können nicht,
eben wie die Spitäler und Spitex uns den ganzen Tag aufhalten lassen nur noch mit so Sachen [Richtlinien befolgen]. Unsere Zeit wird nicht bezahlt durch das, oder?“ (Interview
2:01:00:32-3). Insgesamt läuft diese Kritik entlang des Abgrenzungskriteriums „Zeit haben“, das auch schon in Zusammenhang mit den Angehörigen, die eben „keine Zeit mehr
haben“ um Familienmitglieder zu betreuen, thematisiert wurde (vgl. Kapitel 6 Themenfeld
Kundschaft). Eine Interviewpartnerin fasst kurz und bündig zusammen: „Die Spitex hat
keine Zeit und wir haben Zeit. So ein bisschen“ (Interview 3: 00:10:43-8).
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Abgesehen von den eben genannten Abgrenzungskriterien (bürokratische Strukturen und
Zeitdruck/Zeitmangel) fällt auf, dass die öffentliche Spitex im Vergleich zum Alters- und
Pflegeheim kaum kritisiert wird. Die vereinzelten kritischen Äusserungen sind zudem sehr
diplomatisch formuliert.
„Ich habe sehr schlechte Erfahrung gemacht mit der Spitex. Aber das ist regional und auch
jede- da gibt es, gibt es sicher ganz hervorragende.“ Interview 4:01:55:11-8
„Die Spitex in X zum Beispiel, die sind ja dermassen chaotisch, die haben ja dermassen selber Probleme mit Einstellungen, da kommt ja (…), das ist kein Witz, 1x im Monat kommt
ne neue Schwester. Die haben ja so eine Fluktuation (…). In Y ist eine Spitex, die ist ziemlich gut aufgestellt. Da sind immer die gleichen Leute und die empfehlen uns dann auch.“
Interview 1: 01:11:38-9
„Also das ist ja die Idee. Ich denke einfach der Spitex fehlt irgendwo ein bisschen das, was
wir mitbringen, die Orientierung im Dienstleistungsbereich, §, fehlt der Spitex gänzlich,
behaupte ich jetzt mal. Also zumindest wenn ich das Beispiel X anschaue.“ Interview 10:
00:38:18-5
Kritik wird nicht pauschal geäussert, sondern sehr differenziert. Eine mögliche Erklärung
für den diplomatischen Umgang ist die wichtige Rolle der öffentlichen Spitex im Schweizerischen Home Care Markt. Die angestrebte Zusammenarbeit mit der Spitex, respektive die
explizite Erwähnung, dass sich Spitex und Betreuungsunternehmen sinnvoll ergänzen,
können für Betreuungsunternehmen mehrere Vorteile mit sich bringen. Die Wichtigkeit
einer guten Beziehung zur Spitex deute ich einerseits wirtschaftlich, weil durch sie Aufträge für die Betreuungsunternehmen zustande kommen. Das wird vereinzelt von InterviewpartnerInnen auch angesprochen:
„Für uns ist es wichtig gewesen, dass sie [die öffentlich Spitex] uns nicht äh- (…) dass sie
uns nicht schlecht gesinnt sind. §. Dass sie nicht irgendwelche Sachen plazieren, die uns
schaden könnten, weil sie sind auch ein wichtiger Vermittler für uns (…). Ich meine, sie
sind an der Quelle bereits.“ Interview 10: 00:38:18-5
„Also im Moment ist es nur so, dass sie [die Kunden] über die Spitex kommen, die mich
kennen. Und über die Sozialberatungen der Spitäler. (…) Oder durch Empfehlungen von
Leuten, wo wir schon gewesen sind, dass diese Leute uns weiterempfehlen.“ Interview 6:
00:17:00-6
„Die [Spitex] ist schon auf uns zugekommen und hat gesagt: Mensch, wir schaffen das
nicht mehr alleine.“ Interview 8:00:29:16-5
Andererseits deuten gewisse Aussagen darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit der Spitex
auch als Legitimationsstrategie angewendet wird. Die Zusammenarbeit mit einer gesellschaftlich anerkannten Organisation wie der öffentlichen Spitex, fördert sicherlich die
Glaubwürdigkeit der Betreuungsunternehmen. Die Zusammenarbeit kann als eine Art Qualitätsmerkmal verstanden werden. Auf die Frage, weshalb sich Kundinnen und Kunden
gerade für ihr Betreuungsunternehmen entscheiden, antwortet eine Geschäftsführerin:
57
„Weil man weiss, dass wir fair arbeiten, dass wir kundenorientiert, qualitativ gut und vor
allen Dingen auch im Team mit der Spitex sehr gut zusammenarbeiten.“ Interview 8:
00:09:21-2
Eine weitere Gesprächspartnerin hebt ebenfalls die besondere Rolle der öffentlichen Spitex hervor:
„Und was uns sehr freut ist, wenn die [Kunden] sagen, die Spitex hat gesagt, jetzt müsst
ihr zum Betreuungsunternehmen X.“ Interview 9: 00:30:11-8
Nicht nur die öffentliche Spitex wird als Referenz angegeben, auch bei der Empfehlung
durch Privatpersonen mit einem als renommiert angesehenen Beruf, findet sich dieses
Muster wieder.
„Ich habe genügend Referenzen zu bieten, von renommierten Leuten, von Firmeninhabern, von Ärzten, äh von Ärzten von Firmeninhabern, von Architekten und so weiter und
so fort, die bestätigen, dass sie schon seit ein, zwei Jahren eine gedeihliche Zusammenarbeit pflegen.“ Interview 14: 01:32:42-6
„Die beste Qualifikation jetzt, wo man geben könnte ist, wenn man eben Arztbesuche
macht, über den Arzt, so. Weil der lernt mich kennen und der findet, ok, moll ist seriös ist
doch gut, wie die arbeitet, oder?“ Interview 3: 00:47:11-6
„Und das ist ein Riesenstolz, den wir haben, wenn uns Kunden, der ein Hausarzt ist zum
Beispiel, oder wir haben Kunden, einen Apotheker in Zermatt im Moment gerade, oder
von einer Bäuerin usw. Komplimente bekommst.“ Interview 4: 00:13:48-9
Die Betreuungsunternehmen streben nach Anerkennung im Schweizer Home Care Markt
und ringen um ihre legale Rolle darin. Die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex
kann als Strategie zur Normalisierung ihrer Position im Markt verstanden werden. Die
Empfehlung von Organisationen oder Privatpersonen, welche als vertrauenswürdig eingestuft werden, können den Betreuungsunternehmen die angestrebte Glaubwürdigkeit verleihen. Interessant ist hier, dass sich die Aussagenmuster zur Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex in sehr ähnlicher Form auch bei den privaten Spitexorganisationen wieder finden.
„Zum speziellen Fall Spitex betrachten wir uns klar als Ergänzung zu der öffentlichen Spitex. Die öffentliche Spitex hat einen Leistungsauftrag vom Staat, den sie erfüllen müssen.
Und dort drin wird der Bedarf gedeckt. Und wir als Ergänzung decken dann die Bedürfnisse von unseren Kunden ab. Das heisst die Kunden, die klar mehr Dienstleistungen beanspruchen wollen, kommen zu uns. (…). Wir arbeiten mit der öffentlichen Spitex zusammen
indem wir zum Beispiel auch Fälle übernehmen, wenn sie mal zu wenig Leute haben oder
wenn sie mal Fälle haben, die sie gerne abgeben möchten. Aber nicht als Konkurrenz, das
muss man klar sehen, sondern als Ergänzung. Das ist eigentlich das zum Sagen.“ Interview
12: 00:02:23-4
58
Es fällt auf, dass private Spitexorganisationen weniger unter Legitimationsdruck zu stehen
scheinen als die befragten Betreuungsunternehmen. Die Legitimationsargumente der privaten Spitex stützen sich hauptsächlich auf klar belegbare und überprüfbare Kriterien. Von
den Betreuungsunternehmen grenzen sie sich mit den Argumenten der Professionalität
und Qualität ab. Auf die Frage an die Geschäftsführerin einer privaten Spitexorganisation,
wie sie sich von anderen Unternehmen unterscheiden, antwortet sie:
„Durch Qualität und, ja in diesem Sinne, das Personal, das ähm entsprechend ausgebildet
ist und auch Erfahrung mitbringt, oder? Also, schon durch die professionelle Pflege und
natürlich auch durch die Krankenkassenanerkennung, die wir haben.“ Interview 5:
00:35:48-0
Ein anderer Vertreter einer privaten Spitex bemängelt, dass Spitexorganisationen oft mit
Betreuungsunternehmen gleichgesetzt werden und insgesamt nicht genug differenziert
wird.
„Man vergleicht Äpfel mit Birnen oder? Aber man geht davon aus, dass es das Gleiche ist.
Oder? Der Kunde meint, es ist das Gleiche und er sieht die Preisdifferenz und er entscheidet sich für die anderen (…), die dann vielleicht nicht die gleiche Qualität anbieten können.“ Interview 13: 00:38:54-1
Ein weiterer Gesprächspartner der eben zitierten privaten Spitexorganisation präzisiert:
„Also schwierig wird es eigentlich dort, wo dann vielleicht auf der arbeitsrechtlichen Situation man halt mit unterschiedlichen Ellen arbeitet, oder? Im Hausbereich gelten ja dann
nicht überall schön die gleichen arbeitsrechtlichen Vorschriften, wie wenn wir jemanden
schicken. Und dann ist es einfach ein Ungleichgewicht, oder? (…). Also müsste man einen
Mindestlohn haben, dürfte man nur so und so viel Stunden am Tag arbeiten, müsste man
die und die Ruhepausen wirklich haben, wie wir sie auch haben müssen, wenn wir jemanden festanstellen bei uns. Wenn das der Fall wäre, dann wäre das ohne Problem. Dann
hätten wir da gar keine Angst. Aber das andere ist halt eben, ja, ist schwierig.“ Interview
13: 00:40:32-5
Die privaten Spitexorganisationen erwähnen, dass ein Aufklärungsbedarf besteht, die Unterschiede der Modelle „Spitex“ und „Betreuungsunternehmen“ hervorzuheben.
„Wenn sie uns buchen, dann haben sie nicht einfach eine Mitarbeiterin vor Ort, sondern
sie haben eine stetige Begleitung durch eine Einsatzleiterin, die den Auftrag organisiert,
begleitet, Mitarbeiteranpassungen macht. Sie haben jederzeit die Sicherheit in einem
Krankheitsausfall wird etwas ersetzt. Wir machen alle Abklärungen über die Krankenkasse,
interdisziplinäre Gespräche und so weiter. Wir coachen die Mitarbeitenden im Hintergrund, organisieren Teamsitzungen und so weiter.“ Interview 13. 00:23:08-7
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7.2 Abgrenzung zu den „illegal Tätigen“
Ähnlich vehement, wie sich die privaten Spitexorganisation von den Betreuungsunternehmen mit Care Migrantinnen abgrenzen, findet von Seiten der Betreuungsunternehmen
eine Abgrenzung gegenüber illegal tätigen Betreuungsunternehmen statt. Dies geschieht
über die Darstellung des eigenen Angebotes als seriös/legal. Auf die Frage wie sich das
Angebot des Unternehmens von anderen unterschiedet, meint eine Befragte: „Sicher, hm,
ich sage, sicher mal seriös“ (Interview 3: 00:14:52-1). Ein anderer Gesprächspartner erklärt
sein Angebot und sagt dazu: „Das heisst, wir machen zuerst Mal wirklich eine ganz seriöse
Beratung“ (Interview 9: 00:17:34-1).
Die explizite Betonung der Seriosität verweist auf die Anwesenheit von sogenannt unseriösen Unternehmen. Bei der Charakterisierung des Pflege- und Betreuungsmarktes in der
Schweiz wurde auf die Existenz dieser illegal tätigen Unternehmen immer aufmerksam
gemacht: „Und dann gibt es natürlich äh den ganzen Bereich schwarz“ (Interview 4:
01:34:21-2). „Und es ist ja auch, sehr viel ja absolut im illegalen Bereich auch, oder? (…).
Da geht es nur wirklich darum, die billigsten Arbeitskräfte für diese Aufgabe zu rekrutieren“ (Interview 10: 00:08:23-7). Diese Zitate zeigen exemplarisch, dass die Präsenz eines
Schwarzmarktes als normal angeschaut wird. Die Befragten scheinen stark geprägt von
dieser Thematik zu sein.
„Der [Betreuungsmarkt] ist so überschwemmt, da laufen solche schlimmen Sachen. Es gibt
andere Organisationen, die auch immer wieder in den Medien stehen, die Busweise die
Leute von Osteuropa hier in die Haushalte bringen. Die verschwinden dann. Nicht kontrollierbar. Nix. So möchte ich nicht arbeiten.“ Interview 8: 00:43:53-3
„Das sind doch diese Vermittlungsagenturen, die diesen Menschen diesen Druck ins Hirn
eintrichtern. Das sind doch nur diese Vermittlungsagenturen. Das sind doch nicht die Firmen, die in der Schweiz ansässig sind. Dieser Druck wird doch aufgebaut von denen, die
sagen: Ok, wenn du nicht willst, dann macht‘s dein Kollege.“ Interview 1: 00:56:43-5
Aus den obigen Zitaten wird sichtbar, dass die Unternehmen, von welchen sich die Befragten distanzieren möchten, als „andere Organisationen“ oder „diese Vermittlungsagenturen“ bezeichnet werden. Eine Zweiteilung des Marktes der Betreuungsunternehmen wird
in diesen Sprechweisen sichtbar: die Einteilung in die legalen und die illegale Unternehmen, in schwarz und weiss. Eine genauere Charakterisierung der „illegal Tätigen“ wird
nicht gegeben. Vereinzelt werden die illegalen Agenturen mit den aus dem Ausland operierenden gleichgesetzt. So auch in den folgenden Zitaten:
„Es ist auch schwierig, weil es gibt ganz viele Sachen, die wirklich im Grenzbereich von legal sind. Die aus dem Ausland operieren (…).“ Interview 9: 00:53:27-3
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„Für uns ist einfach von Anfang klar gewesen, wenn wir in das- äh in diesem Bereich tätig
werden wollen, dann, dann soll der Unterschied eben zu diesen Angeboten, die er jetzt
gerade geschildert hat, soll sein, dass man dort auf einer sicheren rechtlichen Basis, als
Verbraucher, oder als Angehörige, der das organisiert ist. Wir können uns ja mit ein paar
wenigen Sachen unterscheiden zur Konkurrenz in dem Sinn, die aus dem Ausland kommt.
Und der wichtigste Punkt ist wirklich, dass das rechtlich sauber ist.“ Interview 10:
00:07:55-0
Im letzen Zitat wird die Abgrenzung anhand der rechtlichen Situation geführt. Dies ist ein
wiederkehrendes Argument zur Abgrenzung von der Konkurrenz auf dem Schwarzmarkt.
Der Rechtfertigungsdrang dafür, legal tätig zu sein, wird hier durch den Abgrenzungsdiskurs wieder sichtbar (vgl. auch Kapitel 4 zum Themenbereich Arbeit). Neben der Abgrenzung von illegalen Agenturen durch die gesetzeskonforme Arbeitsweise des eigenen Unternehmens, geschieht die Abgrenzung auch anhand von Qualitätskriterien.
„Ich kenne alle Angehörigen, ich kenne alle Mitarbeiterinnen, ich kenne immer die Spitex
vor Ort, weil die laden wir ein für ein- Wie machen wie ein Case-Management, da denke
ist vielleicht auch ein bisschen ein Unterschied zu einer Institution, bei der eine Betreuerin
einfach anreist und dann da ist. Also das gibt‘s bei mir nicht.“ Interview 6: 00:14:07-6
„Die aus dem Ausland operieren, die sich nicht zu halten brauchen an unsere Lohnvorschriften, weil sie die Leute auch im Ausland entlöhnen und sich auch in Euro zahlen lassen. Die so unseren Arbeitmarkt und unsere klare Reglementierung mit dem Normarbeitsvertrag für Hauswirtschaft im häuslichen Bereich äh umgehen. Die so zu Dumpingpreisen
arbeiten, §, die aber ihren Kunden nie sehen. §. Und ihre Leute einfach hinschicken. Und
wenn es dann per Telefon nicht geht, dann gibt es dann vielleicht in einem Monat eine
andere Lösung. Also dort ist schon auch eine riesige Schere an Qualität.“ Interview 9:
00:53:27-3
Allerdings können die legal positionierten Betreuungsunternehmen ihr Angebot preislich
nicht so günstig halten wie die illegal tätigen Agenturen. Dies steht im Widerspruch zur
Legitimationsstrategie der Bezahlbarkeit und wird als ungerecht empfunden.
„Und das ist dann irgendwo die Schwierigkeit auch draussen im Markt. Man positioniert
sich zwar in einem legalen Rahmen, oder? Und das kostet dann einfach mehr. (…) Und auf
der anderen Seite, die Nachfrage, die sagt, ja ich will dieses Angebot, das rund um sorglos
Angebot, aber es darf nichts kosten, oder?“ Interview 10: 00:25:08-9
„Und es gibt eben in der Schweiz zig Tausende an illegalen Arbeitskräften, die von ihren
Agenturen oder die sich selbst übers Internet in die Schweiz vermitteln. Und die hier nicht
angestellt werden und sich somit die Sozialabgaben ersparen und somit dann eben als billige, als noch billigere Arbeitskräfte zu bekommen sind, als wie wenn sie ganz normal angestellt werden. (…) Aber die Schweizer Gesetzgebung unternimmt nichts gegen irgendwelche solchen Machenschaften.“ Interview 14: 01:08:34-7
Im letzten Zitat schwingt zudem noch die Kritik an den Schweizer Behörden mit. Diese Kritik wurde mehrfach geäussert, meist als Antwort auf die Frage, was im Moment die gröss-
61
te Herausforderung in der Geschäftstätigkeit sei. Es wird kritisiert, dass die rechtlichen
Rahmenbedingungen zu wenig klar definiert seien.
„Das [live-in Betreuungsmodell] ist für die Schweiz, für die Ämter, dermassen neu, dass sie
selber noch nicht wissen, wo‘s lang gehen soll. Und da dran ist -. Also das ist ja die jetzige
Schwierigkeit, dass keiner die Richtlinien -. Es gibt Hunderte von Richtlinien und keiner
weiss wie eigentlich wirklich umzusetzen.“ Interview 1: 00:16:32-9
„Also wir haben noch keinen festen Platz hier in der Schweiz. Weil es bestimmte Gesetze
einfach dafür noch nicht gibt. Also ich sehe uns wirklich zwischen der Spitex und dem
Heim. Und dass man da einfach mehr anerkannt wird. Als private Firma.“ Interview 8:
00:45:24-1
“[Wir] haben die Erfahrung gemacht, dass wenn man ämtergemäss Arbeiten will, und so
weiter, dass wir mit unserem Konzept überall anstossen, weil wir überall Fragen stellen,
auf die sich noch nie jemand eine Antwort darauf überlegt hat. Das heisst, jedes Mal wenn
ich mit Ämtern telefoniert habe, habe ich schlussendlich sagen müssen: Ich weiss, dass ich
7 Jahre zu früh bin, aber was mache ich jetzt in der Zwischenzeit damit es gut kommt?“ Interview 9: 00:05:56-2
„Wir haben auch durch die Klärungen mit Seco und so, haben wir auch herausgefunden,
dass da eigentlich der gesetzliche Rahmen da, ist noch nicht wirklich, für diese Art von Tätigkeit, das ist ja alles so ein bisschen mal angedacht und andiskutiert, aber man ist irgendwie froh, wenn da niemand etwas macht. Oder es ist einfach irgendwie noch so ein
Graubereich.“ Interview 10: 00:25:40-3
Aus den eben zitierten Interviewpassagen geht hervor, dass sich die Unternehmerinnen
und Unternehmer über die vielfach unklaren und kantonal uneinheitlichen gesetzlichen
Rahmenbedingungen beschweren. Dies erschwert es den Betreuungsunternehmen, sich
legal zu positionieren. Die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer zeigen eine aktive
Haltung zur Abklärung der rechtlichen Situation. Besonders die uneinheitliche Handhabe
Betreuungsunternehmen als Personalverleiher oder Personalvermittler zu qualifizieren,
wird stark bemängelt: „Wir sind auch noch nicht ganz sicher, ob wir übers Ohr gehauen
wurden (...), weil wir jetzt erfahren haben, dass nicht alle diese Betriebe Personalverleihbewilligungen haben“ (Interview 4: 00:17:25-4).
Warum von staatlicher Seite der rechtliche Rahmen für die live-in Betreuung nicht klarer
geregelt wird, erklären sich die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner auf unterschiedliche Weise:
„Also ähm, das würde zwar rechtlich nicht verhebbe, was da oftmals gemacht wird, aber
man getraut sich fast wie nicht, da den Finger wirklich darauf zu halten, weil sonst eben,
ähm das wäre wie ein Bumerang, der zurückkäme. Also, ich kann mir schon vorstellen, alle
die jetzt daheim betreut werden können, dann würden die nicht mehr daheim betreut
werden können, sondern dann würden sie wieder in stationäre Abteilungen kommen. Und
dann explodieren dann die Kosten. Und dann hätten wir wirklich ein volkswirtschaftliches
Problem, oder? Und darum ist es wahrscheinlich fast wie ein bisschen, man akzeptiert halt
die Situation.“ Interview 10: 00:27:22-5
62
„Und die Ämter haben keine Handhabe, egal welche Gesetz sie da machen. Weil‘s einfach
in den Privathaushalt-. Braucht jeder nur zu sagen, ich bin hier auf Urlaub. Dann ist die Sache erledigt. Wenn er auf Urlaub ist, dann kann er machen, was er will.“ Interview 1:
01:20:09-4
Die erste Erklärung vermutet, dass eine staatliche Kontrolle absichtlich ausbleibt, da eine
gesellschaftliche Notwendigkeit für solche Betreuungsunternehmen bestehe, auch wenn
sie in einem rechtlichen Graubereich angesiedelt sind. Die zweite Begründung fokussiert
auf die Unkontrollierbarkeit des Arbeitsplatzes Privathaushalt, wo Gesetze nicht durchsetzbar seien. Der Wunsch nach Klärung und Legitimation durch staatliche Regelung wird
deutlich. Verschiedentlich werden auch Vorschläge geäussert, was der Branche helfen
würde:
„[Für] den Privathaushalt würde ich einfach sagen, sollte es doch einfach eine Stelle geben, (…) [die] dieser Branche hilft, vielleicht auch durch eine Zertifizierung. Jetzt speziell
im Bereich Betreuung daheim. Weil das gibt es eigentlich nicht in der Schweiz. §. Es gibt
das Spitexzertifikat, (…), aber es gibt keine Zertifizierung für die Betreuung zu Hause. Und
wenn man das quasi schafft, dann ist man auf der sicheren Seite, was die gesetzlichen
Richtlinien anbelangt und auch die qualitativen Richtlinien.“ Interview 7: 01:16:58-6
Neben einer Zertifizierung schlägt ein anderer Gesprächspartner vor:
„Entweder eine ganz normale Legalisierung und Harmonisierung wie in Deutschland oder
eine lückenlose Kontrolle. (…). Entweder eine Legalisierung, dass man sagt, wenn eine
Kraft zu Hause in Polen sozialversichert ist, und die Schweiz kein Risiko eingeht mit den
Sozialversicherungen, dann könnte man doch erlauben, dass diese Kraft einfach in der
Schweiz arbeitet.“ Interview 14: 01:19:46-5
In diesem Kapitel zum Themenfeld Konkurrenz konnte gezeigt werden, dass eine Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex angestrebt wird. Durch ihre zentrale Rolle im
Schweizer Home Care Markt wird die öffentliche Spitex von Betreuungsunternehmen als
wichtige Vermittlerin von Aufträgen angesehen. Zudem wird die Zusammenarbeit als Qualitätskriterium angegeben und als Strategie zur Anerkennung im Markt verwendet. Die
Glaubwürdigkeit des eigenen Unternehmens soll durch die Empfehlung und Zusammenarbeit von gesellschaftlich anerkannten Organisationen wie der öffentlichen Spitex oder Privatpersonen gesteigert werden. Darin zeigt sich erneut ein Legitimationsdruck, welcher
das Selbstbild der Betreuungsunternehmen stark prägt. Auch in der vehementen Distanzierung von illegal tätigen Betreuungsunternehmen wird die Konformität mit bestehenden
Regeln betont. Dieser Rechtfertigungsdrang zur legalen Positionierung ist nicht nur in diesem Kapitel zur Abgrenzung von den Konkurrenten sichtbar geworden, sondern zeigte sich
bereits im Kapitel 4 zum Themenbereich Arbeit, wo die Arbeitszeitregelung durch die Festsetzung in Vertragsform betont wurde.
63
8 Diskussion
Im folgenden Kapitel werde ich die Legitimationsstrategien, welche in den Themenbereichen Arbeitsbegriff, Arbeitnehmerin, Kundschaft und Konkurrenz herausgearbeitet wurden, nochmals aufgreifen und sie zusammenfassend darstellen. Ein besonderes Augenmerk möchte ich auf die Wirkungsmacht der dargelegten Legitimationsstrategien legen.
Als Ausblick auf zukünftige Forschung soll der letzte Abschnitt dieses Kapitels dienen.
Die herausgearbeiteten Aussagemuster in den verschiedenen Themenbereichen sind vielfältig, zum Teil auch widersprüchlich. Trotz der Heterogenität der Betreuungsunternehmen
auf dem Schweizer Markt lassen sich drei gemeinsame, übergreifende Themenbereiche
finden. In allen geführten Gesprächen ist ein Legalitätsdiskurs auszumachen, welcher das
Thema Legalität auf verschiedene Weisen diskutiert. Die Aussagemuster der Spezialfallrhetorik, die Festlegung in Vertragsform, die Abgrenzung zu illegal tätigen Agenturen, die angestrebte Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex und die Kritik an den Behörden
bezüglich Absenz von klaren Regelungen für die Arbeit im Privathaushalt verflechten sich
darin. Der zweite grosse Themenbereich findet sich in einem Individualitätsdiskurs. Dazu
zähle ich die Themenbereiche des Ideals, das Alter zu Hause zu verbringen, die Entlastung
der Angehörigen bei der Sorgetätigkeit, die Non-Profit Rhetorik und die Legitimationsstrategie der Bezahlbarkeit. Ein dritter Themenbereich, der wiederkehrend auftaucht, ist die
Verwendung von Stereotypen. Dazu kann die implizite geschlechterspezifische Zuschreibung gezählt werden, welche Frauen für die Arbeit als Betreuungspersonen bevorzugt und
Männer weitgehend ausschliesst. Ebenso gehört zu diesem Themenbereich die Zuschreibung von bestimmten Eigenschaften qua Nationalität.
8.1 Typen der Legitimität
Richard W. Scott (2001, 51) unterscheidet drei Arten von Legitimität: die regulative, die
moralische und die kulturell-kognitive. Krawietz übernimmt dieses Konzept für ihre Arbeit
und befasst sich mit der regulativen Konformität von Vermittlungsagenturen im Home
Care Bereich in Polen und Deutschland (2010, 253). Krawietz erklärt die Ausprägungen
unterschiedlicher Selbstbilder der Agenturen in Deutschland und Polen durch die Einbettung in bestehende Gesetze und Verordnungen innerhalb eines nationalen Kontextes. Ich
übernehme für die Diskussion meiner Forschungsergebnisse das dreiteilige Legitimitätskonzept von Scott (2001). Während die regulative Legitimität auf Konformität mit Geset-
64
zen beruht und das Handeln durch Zwang und Sanktionen begrenzt, wird die moralische
Legitimität erreicht, wenn das Verhalten den vorherrschenden Moralvorstellungen und
Werthaltungen einer Gesellschaft entspricht (Scott 2001 zit. in Krawietz 2010, 253). Die
kulturell-kognitive Legitimität bezieht sich auf „unhinterfragt geteilte Selbstverständlichkeiten und Situationsdefinitionen“ (Krawietz 2010, 253). Die Auseinandersetzung mit den
Sprechweisen von Vertreterinnen und Vertretern von Betreuungsunternehmen hat gezeigt, dass eines ihrer zentralen Anliegen die Anerkennung als juristisch legaler Dienstleistungsbetrieb ist. Die regulative Konformität der Unternehmen ist nicht selbstverständlich,
da bei vielen Bereichen im Privathaushalt die Grenzen zwischen legal und illegal verschwimmen. Die Unternehmen stehen, was ihre legale Positionierung im Betreuungsmarkt
betrifft, unter Legitimationsdruck. Ich behaupte, dass durch die in Frage gestellte regulative Konformität, andere Legitimitätsformen an Bedeutung gewinnen.
8.2 Regulative Legitimität:
Legalität als zentrales Thema
Obwohl seit dem 1. Januar 2011 der Normalarbeitsvertrag (NAV 2010) Hauswirtschaft in
Kraft ist, bleiben viele Bereiche der Arbeit im Privathaushalt weiterhin ungeregelt. Zwar
wurde im Rahmen des NAVs ein Mindestlohn festgesetzt, doch bleibt dieser weitgehend
wirkungslos, da die Arbeitszeiten nicht verbindlich festgesetzt sind. Die komplexe arbeitsund migrationsrechtliche Situation bezüglich Arbeitsbedingungen von live-in Angestellten
und die unterschiedlichen Auslegungen der Betriebsform (Personalverleih, Personalvermittlung oder Dienstleistungsunternehmen ohne Bewilligungspflicht), sowie das Fehlen
von Qualitätskriterien in der Betreuung, wird von den befragten Betreuungsunternehmen
als Belastung dargestellt, gerade weil sie sich in einem legalen Rahmen positionieren wollen. Legalität wird zum Abgrenzungskriterium von Betreuungsanbietern auf dem
Schwarzmarkt. Sie ist vermutlich ein wichtiges Verkaufsargument, da die Betreuungstätigkeit im Privathaushalt auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Kundschaft und Unternehmen angewiesen ist. Allerdings ist die Legalität mit dem 24-Stunden-Modell in der jetzigen
Rechtslage nicht zweifelsfrei erreichbar (vgl. Medici 2011). Daher stehen die Betreuungsunternehmen unter starkem Legitimationsdruck, was die gesetzliche Konformität betrifft.
Das zeigt sich auch in den Bemühungen der Unternehmen in der Beziehung zur öffentlichen Spitex. Die von den Betreuungsunternehmen angestrebte Zusammenarbeit mit einer
gesellschaftlich anerkannten Institution kann als Strategie an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, interpretiert werden. Aus den Aussagen der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern lassen sich zahlreiche weitere Strategien herauslesen, wie mit diesem rechtlichen
65
Legitimationsdruck umgegangen wird. Eine davon ist die Festsetzung der Arbeitszeiten in
Vertragsform. Teilweise wird auch die Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitszeiten
abgegeben und dies im Vertrag festgehalten. Damit schaffen sich die Unternehmen einen
festgelegten Rahmen, ein überprüfbares Dokument, zur Absicherung ihrer rechtlichen
Situation. In Bereichen, die arbeitsrechtlich kritisch sind, wie beispielsweise die Abrufbereitschaft rund-um-die-Uhr durch die ständige Anwesenheit der live-in Betreuerin, wird die
bestehende Grauzone mit einer Spezialfallrhetorik legitimiert. Hier wird mit den Besonderheiten des Arbeitsortes Privathaushalt und der personenbezogenen Dienstleistungen
argumentiert, wie sie in der Hauswirtschaftsforschung diskutiert werden. Die Notwendigkeit einer individuellen Regelung im Privathaushalt wird durch die Spezialfallrhetorik normalisiert. In dieser Logik ist es nicht möglich die Arbeit im Privathaushalt einheitlich zu
regeln, weil dieser Arbeitsort als Spezialfall betrachtet wird und jede Situation individuell
zu handhaben sei.
Zusammenfassend zeigt sich im Legalitätsdiskurs ein Streben der Betreuungsunternehmen
nach rechtlicher Konformität, gleichzeitig zeigt er einen im live-in Betreuungsmodell inhärenten Graubereich, den die Unternehmen mit einer Spezialfallrhetorik zu legitimieren
versuchen.
8.3 Moralische Legitimität:
Individualität als zentrales Thema
In den Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von privaten Spitexorganisationen
wurde primär Bezug auf die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben hergestellt. Sie legitimieren
ihre Tätigkeit explizit mit den Argumenten der Qualität und der Professionalität, welche in
Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben im Gesundheitswesen ausgeführt werden. Die Betreuungsunternehmen hingegen stehen diesbezüglich unter einem Legitimationsdruck. Neben den aufgezeigten Strategien zur Rechtfertigung der regulativen Konformität, greifen sie vermehrt auf Strategien zurück, die der moralischen Legitimität zugeordnet werden können. Dabei wird die Übereinstimmung der Tätigkeit der Betreuungsunternehmen mit gesellschaftlich vorherrschenden Werten und Moralvorstellungen betont. Das
Thema Individualität wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben. Sie wird auf der Seite der hilfsbedürftigen Person erwähnt, welche im Alter zu Hause bleiben und ihren individuellen Lebensrhythmus beibehalten kann. Auch die Angehörigen werden entlastet,
indem sie die Pflege und Betreuung der alten und kranken Familienmitglieder abgeben
können und so ihr eigenes Leben individuell gestalten können. Die Betreuungsunterneh-
66
men bedienen sich einer Non-Profit Rhetorik, angelehnt an das unbezahlte Betreuungsmodell innerhalb der Familie, und stellen die Profitorientierung in den Hintergrund. Dabei
wird ein Selbstbild von Betreuungsunternehmen gezeichnet, bei dem „Gutes zu tun“ zu
einer wichtigen Motivation der Unternehmenstätigkeit wird. Das „Gute“ für die Kundschaft besteht hauptsächlich in der Förderung und Erhaltung der Individualität. Auf Seiten
der Betreuerinnen wird die Argumentation der hohen Löhne im Vergleich zum Lohnniveau
in ihrem Herkunftsland als moralische Legitimationsstrategie ausgeführt. Die Legitimationsstrategie Bezahlbarkeit kann ebenfalls innerhalb des Individualitätsdiskurses verstanden werden, indem durch ein günstiges Angebot möglichst vielen Menschen ein individuell
gestaltetes Leben ermöglicht wird. Von Seiten der Pflege wird diesbezüglich allerdings
eingewendet, dass eine 24-Stunden Anwesenheit einer Betreuerin in den meisten Fällen
gar nicht nötig sei und von den betreuungsbedürftigen Menschen auch als Bevormundung
empfunden werden kann (Jähnke et al. 2012, 31). Inwiefern die live-in Betreuungsform
hauptsächlich einem Sicherheitsbedürfnis der Angehörigen entspricht, kann hier nicht beantwortet werden.
8.4 Kulturell-kognitive Legitimität:
Stereotype als zentrale Themen
Die kulturell-kognitive Legitimität bezieht sich auf unhinterfragte Selbstverständlichkeiten,
die nicht explizit gemacht werden. In den geführten Gesprächen werden Argumente dieser
Legitimitätsform somit nicht erklärt, vielmehr zeigen sie sich in unausgesprochenen Annahmen, die nicht gerechtfertigt werden müssen. Waitt bezeichnet das Aufspüren solcher
„silences“ als integralen Bestandteil einer Diskursanalyse (2010, 236). Die Selbstverständlichkeit, mit der die Unternehmen Frauen als Arbeitnehmende privilegieren und gleichzeitig Männer weitgehend von dieser Arbeit ausschliessen, kann als eine Form von kulturellkognitiver Legitimität identifiziert werden. Auch die selbstverständliche Verwendung von
Nationalitätsstereotypen, welche zur Legitimation der ausschliesslich ausländischen Arbeitnehmenden im live-in Betreuungsmodell herangezogen werden, kann als ein weiteres
Argument dieser Legitimitätsform betrachtet werden.
Während die Ermöglichung eines selbstbestimmten Alters und die Individualitätserhaltung
als moralische Legitimation der Tätigkeit von Betreuungsunternehmen aufgeführt werden,
kann gleichzeitig die positive Darstellung des Alters zu Hause als eine selbstverständliche,
unhinterfragte Wahrheit besprochen werden. Dass das Leben im eigenen Zuhause auch als
Isolation empfunden werden könnte oder das kollektive Zusammenleben in einer Instituti-
67
on wie dem Alters- und Pflegeheim auch eine Bereicherung darstellen kann, wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt oder hinterfragt. Ebenso wird es als selbstverständlich
betrachtet, dass die Betreuung innerhalb der Familie unvereinbar ist mit einer individuellen Lebensgestaltung der Angehörigen und die Betreuung der eigenen Angehörigen als
Belastung empfunden wird.
Die Zuweisung der Legitimitätstypen nach dem Modell von Scott (2001) ist in der Anwendung auf dieser Arbeit nicht immer eindeutig. So verschwimmen die Grenzen zwischen
moralischen und kulturell-kognitiven Legitimitätsargumenten teilweise. Teilaspekte der
moralischen Legitimität können auch als kulturell-kognitive Legitimitätsargumente betrachtet werden, wie am Beispiel der Individualität gezeigt werden konnte. Dennoch
scheinen mir die drei unterschiedlichen Legitimitätstypen hilfreich zu sein, um die vielfältigen Strategien zusammenfassend darzustellen, welche Betreuungsunternehmen zur Legitimation ihrer Tätigkeit heranziehen.
8.5 Schlussbetrachtung
Nach meinen Einschätzungen haben Legalitätsstatus und Preissegment, in welchem sich
die befragten Betreuungsunternehmen positionieren, einen grossen Einfluss auf den Pflege- und Betreuungsmarkt in der Schweiz. Ebenso entfalten die Betreuungsunternehmen
ein Gestaltungspotential durch die Annahmen, was eine gute Betreuerin ausmacht und
welche Eigenschaften sich die Kundschaft wünscht. Die Betreuungsunternehmen üben
einen grossen Einfluss auf den Arbeitsmarkt im Home Care Bereich aus, indem sie bestimmte Arbeitnehmende vorziehen und andere ausschliessen. Weiter gestalten sie den
Markt, indem sie durch ein günstiges Angebot sicherlich ein breiteres Kundensegment
bedienen und so an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig setzen sie mit tiefen Preisen möglicherweise andere Home Care Dienstleistungsbetriebe unter Druck. Was den Legalitätsstatus betriff, kann dieser sicherlich als Marketinginstrument eingesetzt werden, gerade im
Zusammenhang mit dem Argument „gut und günstig“. Ob diese Annahme zutrifft und der
Preis wirklich das zentrale Argument bei der Entscheidung der Kundschaft für ein spezifisches Betreuungsunternehmen darstellt, bedarf es weiterer Forschung. Spannend wäre
hier zu untersuchen, aus welchen Gründen betreuungsbedürftige Personen und ihre Angehörigen sich für eine 24-Stunden-Betreuung entscheiden und wie Familienmitglieder die
Abgabe der Care Tätigkeiten legitimieren. Weiter bleibt offen, anhand welcher Kriterien
die Kundschaft ein spezifisches Betreuungsunternehmen auswählt.
68
Möglicherweise ist der Legalitätsstatus auch ein Argument für die Arbeitnehmenden, ob
sie bei einem legal positionierten Unternehmen, bei einem auf dem Schwarzmarkt tätigen
Unternehmen oder als selbstständige Betreuerin tätig sein möchte. Interessant wäre es,
diese unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse aus Sicht der Arbeitnehmerin zu untersuchen
und zu fragen, ob und wie sie sich ihre Arbeitsform im Care Bereich auswählt. Ich könnte
mir vorstellen, falls Betreuungsunternehmen, wie die hier Befragten, die Arbeitsbedingungen im Haushalt regelmässig kontrollieren und als Ansprechpartner für Betreuerinnen engagiert sind, dies aus Sicht der Arbeitnehmerinnen ein Vorteil gegenüber der selbstständigen Tätigkeit im Privathaushalt sein könnte.
Im Zusammenhang von Preis und Legalitätsstatus befürchte ich, dass eine zukünftige gesetzliche Festlegung der Arbeitszeit problematisch sein könnte. Falls die Präsenzzeit und
nicht mehr nur die vertraglich festgesetzten Arbeitsstunden entlöhnt werden müsste, käme es zu einem starken Preisanstieg des live-in Betreuungsmodells, welcher den Schwarzmarkt weiter fördern würde. Die hier befragten Betreuungsunternehmen müssten dann
ein ähnliches Kundensegment bedienen, wie heute die privaten Spitexorganisationen.
Vermutlich könnten viele nicht bestehen, da sie den meisten Spitexorganisationen bezüglich Erfahrung und Dienstleistungsangebot (Pflege- und Betreuungsdienstleistungen) unterlegen wären. Diese Ansicht soll nicht darüber hinweg täuschen, dass ich die Arbeitszeiten im live-in Betreuungsmodell als sehr problematisch einstufe und meiner Meinung nach
hier Handlungsbedarf besteht. Allerdings scheint es mir enorm schwierig, diesen Graubereich zu entschärfen. Ich sehe Handlungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Wochenendablösung zum Beispiel durch Familienmitglieder, Bekannte, eine zweite Betreuerin
oder eine Pflegefachfrau. Eine Vernetzung der Betreuerinnen untereinander sollte angestrebt werden, um die Isolation im Privathaushalt zu vermindern. Im Idealfall würden ein
Austausch zwischen den Betreuerinnen und der Vergleich von Arbeitssituationen und bedingungen untereinander, die Betreuerinnen zusätzlich ermutigen, ihre Rechte einzufordern. Der Staat sollte meiner Meinung nach die Praxis der Betreuungsunternehmen
unter die Lupe nehmen und bezüglich der Betriebsform eine einheitliche Regelung durchsetzen. Es bleibt die Schwierigkeit der Kontrolle im Privathaushalt und hier denke ich, können Home Care Unternehmen ansetzen, wenn sie eine Vermittlungsposition zwischen
Betreuerin und Kundschaft übernehmen und die Rechte der Arbeitnehmenden durchsetzen. Ich schreibe den Betreuungsunternehmen ein grosses Einflusspotential bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu. Sie können viel dazu beitragen, beispielsweise durch regelmässige Kontrollen, die Arbeitsbedingungen im Privathaushalt für die Arbeitnehmenden zu verbessern, was sicherlich auch die Qualität der Betreuung erhöht.
69
Ein weiteres wichtiges und politisches Thema ist das Gesundheitswesen in der Schweiz,
welches massgeblich beeinflusst, welche Formen von Unternehmen auf diesem Markt
tätig sind und welche Arten von Pflege- und Betreuungsmodellen angeboten werden. Im
Rahmen dieser Arbeit wurde dieser Fokus nicht gewählt. Es wäre sicherlich interessant, die
Betreuungsunternehmen im Kontext der Entwicklung des Schweizer Gesundheitswesens
zu thematisieren. Der Vergleich mit Home Care Unternehmen in anderen nationalen Kontexten stellt eine weiter Forschungslücke dar. Die Praxis der Betreuungsunternehmen in
der Rekrutierung der Arbeitnehmenden bleibt ebenso weitgehend unerforscht.
Die Auseinandersetzung mit Unternehmen auf dem Home Care Markt zeigt ein enorm
vielschichtiges Themenfeld, das zahlreiche juristische, gesellschaftspolitische und auch
moralische Fragen aufwirft. Ich denke, weitere wissenschaftliche Forschungsarbeiten können dabei helfen, gesellschaftliche und individuelle Antworten darauf zu finden, welche
Formen von Betagtenbetreuung anzustreben sind.
70
Anhang 1: Interviewleitfaden
Erzählstimulus
Themenfeld
Darstellung des Unternehmens
Stichworte
Vertiefungsfragen
Würden Sie mir das Unternehmen x
vorstellen?
Unternehmensgeschichte
Wie ist das Unternehmen x entstanden?
Organisation und Charakterisierung
Wie sieht das Unternehmen x heute aus?
Unternehmensphilosophie
[Slogan von Homepage] Können Sie ausführen, was das für Sie bedeutet?
Wie lautet Ihre Unternehmensphilosophie?
Wie wird Ihre Unternehmensphilosophie im Alltag umgesetzt?
Tätigkeitsbereich/Angebot
Welche Dienstleistungen bieten Sie an?
Ist Ihr Unternehmen auf ein Angebot spezialisiert? Worauf?
Bieten Sie rund-um-die-Uhr Betreuung an?
Bieten Sie stundenweise Betreuung an?
Wie schätzen Sie Ihr Angebot preislich ein?
Welche Qualitätsstandards haben Sie?
Wie sichern Sie Ihre Qualität?
Beschreibung Kundschaft
Wie würden Sie das Profil ihrer Kunden und deren Angehörigen beschreiben?
Motivation der Kundschaft
Aus welchen Gründen entscheiden sich Ihre Kunden für Ihr Angebot?
Beziehung
Kunde – Unternehmen – Betreuerin- (CaseManagerin)
Welche Beziehung haben Sie zu Ihren Kunden und zu deren Angehörigen?
Was für eine Beziehung haben die Betreuerinnen zu den zu-betreuendenPersonen?
Themenfeld
Kundinnen, Kunden, Angehörige
Wie sehen die Lebensumstände Ihrer
Kundinnen und Kunden (und deren
Angehörigen) typischerweise aus?
71
Themenfeld
Arbeitnehmende und ihre Arbeit
Was macht aus Sicht Ihres Unternehmens eine gute Betreuerin aus?
Beschreibung Arbeitnehmende
Wie würden Sie das typische Profil einer Betreuerin bei Unternehmen x beschreiben?
Wie sehen die Lebensumstände Ihrer Betreuerinnen typischerweise aus?
Wie ist es gekommen, dass Sie mit ausländischen Arbeitnehmenden arbeiten?
Wie rekrutieren Sie ihre Beschäftigten?
Welche Beziehung haben Sie zu den Betreuerinnen?
Arbeitsbedingungen in 24-StundenArrangements
Wie funktioniert eine 24-Stunden-Betreuung bei Ihnen?
Was zählt zu den Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuerin?
Wie werden bei Ihnen Arbeitszeit und Freizeit geregelt?
Eigene Rolle im Markt
Was unterscheidet Ihr Unternehmen von der Konkurrenz?
Charakterisierung des Betreuungsmarktes
Wie würden Sie den Schweizer Betreuungsmarkt charakterisieren?
Wie hat sich der Schweizer Betreuungsmarkt in den letzten Jahren verändert?
Welche Veränderungen würden Sie sich für den Schweizer Betreuungsmarkt wünschen?
Beschreibung der Konkurrenz
Wer sind die Hauptkonkurrenten auf dem Markt?
Wie gestalten sich aus Ihrer Sicht die Beziehungen zu anderen Marktakteuren?
Herausforderung
Was ist zurzeit die grösste Herausforderung in ihrer Geschäftstätigkeit?
Motivation für Tätigkeit
Was ist für Sie die grösste Motivation in dieser Geschäftstätigkeit?
Vision
Welche Vision hat Unternehmen x?
Medien
Wie erleben Sie die mediale Berichterstattung zur rund-um-die-Uhr Betreuung
durch ausländische Arbeitskräfte?
Themenfeld
Betreuungsmarkt/ Konkurrenz
Welche Rolle nimmt das Unternehmen x
im Schweizer Betreuungsmarkt ein?
Abschluss
Gibt es von Ihrer Seite etwas, das Sie zum Schluss noch erwähnen möchten?
72
Anhang 2: Codierblatt
Deskriptive Codes
Definition
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Alternativen im Alter
Altersheim
Angebot
Angehörige
Arbeitnehmerin
Arbeitsbedingungen
Arbeitszeit
Behörden
Charakteristika der Arbeit
Gender
Konkurrenz
Kosten
Kunden
Legalität
Lohn
Medien
Nachbarländer
Philosophie
Qualität
Regelungen
21
22
23
24
25
26
27
Schwierigkeiten
Selbstbild
Spitex
Sprache
Unternehmensgeschichte
Vermittlung/Verleih
Vorteile
28
29
Pflege
Entsendung
Optionen für Lebensformen im Alter (ohne Alters- und Pflegeheim, ohne Spitex)
Aussagen zum Alters- und Pflegeheim
Aussagen zum Angebot des Unternehmens, Betreuungsstufen
Aussagen zu Angehörigen der betreuten Person
Charakteristika der Arbeitnehmerin ( Ausbildung, Herkunft, Fähigkeiten)
Rahmenbedingungen der Arbeit (ausgenommen Arbeitszeit-Freizeit Diskussion): 24h-Arrangements, Arbeitsrhythmus, Wohnsituation etc.
Arbeitszeit-Freizeitregelung
Aussagen zu offiziellen Stellen: Ämter, Seco, Migrationsamt etc.
Inhalt, Beschrieb und Besonderheiten der Arbeit im Privathaushalt (Pflichtenheft und Erfahrungen)
Aussagen zur Rollenverteilung Frau- Mann, Charakteristika der Geschlechter bei Arbeitnehmenden und Kundschaft
Aussagen zu Konkurrenten innerhalb der Branche (ohne Altersheim und Spitex)
Kosten für die Kunden als auch für die Home Care Unternehmen
Charakteristika der Betreuten und Rekrutierung der Kunden
Aussagen zu rechtlichen Grauzonen, Schwarzmarkt
Aussagen zum Lohn der Betreuerin, Dumpinglöhne
Aussagen zu Medien im Allgemeinen
Aussagen zur Situation des Pflege- und Betreuungsmarktes in den Nachbarländern
Aussagen zur Unternehmensphilosophie, Ziel und Zweck des Unternehmens, Vision
Aussagen zur Qualität des eigenen Angebotes und Begründung, Elemente der Qualitätssicherung
Gesetzliche Regelungen der Betreuung/Pflege im Privathaushalt und Aussagen zum Normalarbeitsvertrag, Personenfreizügigkeit, Aufenthaltsstatus, Arbeitsvertrag
Aussagen zu Schwierigkeiten und Herausforderungen des Unternehmens auf dem Schweizer Home Care Markt (ausgenommen Legalität)
Aussagen zur eigenen Tätigkeit, was ist die Aufgabe der Befragten? Welche Rolle im Markt nehmen sie ein
Aussagen zur öffentlichen Spitex
Aussagen zu Sprachkenntnissen der Arbeitnehmenden
Aussagen zur Unternehmensgeschichte, Motivation und Gründe für die Entstehung
Aussagen zur Unternehmensform (rechtlich: Verleih/Vermittlung oder anderes)
Aussagen zu den Vorteilen eine 24-Stunden-Betreuung und Notwendigkeit des Unternehmens. Warum braucht es das? Motivation für Geschäftstätigkeit?
Aussagen zu Pflegetätigkeiten in Abgrenzung zu Betreuungstätigkeiten
Aussagen zur Entsendung
73
Anhang 3: Persönliche Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und die den verwendeten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Linda Schilling
74
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