Legitimationsstrategien von Betreuungsunternehmen im Home Care
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Legitimationsstrategien von Betreuungsunternehmen im Home Care
Legitimationsstrategien von Betreuungsunternehmen im Home Care Markt Linda Schilling linda.schilling@uzh.ch 03-204-773 GEO 511 Masterarbeit Geographisches Institut der Universität Zürich Betreuung Dr. Karin Schwiter Fakultätsvertretung Prof. Dr. Christian Berndt Zürich, 31. Oktober 2012 Dank Bei der Entstehung dieser Arbeit wurde ich von vielen Menschen unterstützt, dafür möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken. Als Erstes danke ich meinen Interviewpartnerinnen und Interviewpartner für ihre Zeit und ihre Bereitschaft, mir von ihrem Unternehmen und ihrer Tätigkeit zu erzählen. Ich danke Dr. Karin Schwiter für ihr grosses Engagement bei der Betreuung dieser Arbeit. Prof. Dr. Christian Berndt danke ich für sein spannendes Seminar, welches mein Interesse für das Gebiet der Wirtschaftsgeographie geweckt hat. M. Sc. Jasmine Truong danke ich für den Miteinbezug in ihr Projekt und den ersten Einblick in den Home Care Markt, den ich dadurch erhalten habe. Meinen Freundinnen und Freunden danke ich fürs Zuhören und Mitdenken im Entstehungsprozess dieser Arbeit. Für ihren grossen Einsatz bei der Durchsicht des Textes danke ich Christiane. Oli danke ich für seine Begleitung durch einen grossen Teil meiner Studienzeit, für seine Hilfsbereitschaft und Grosszügigkeit. Der wichtigste Dank geht an meine Familie für ihre Unterstützung und ihr Vertrauen in mich. I Inhalt 1 Einleitung ....................................................................................................................................... 1 1.1 Stand der Forschung ............................................................................................................... 2 1.2 Fragestellung .......................................................................................................................... 3 1.3 Aufbau der Arbeit ................................................................................................................... 4 Teil I 2 Wissenschaftliche Anknüpfungspunkte ........................................................................................ 6 2.1 Transnationale Hauswirtschaftsforschung ............................................................................. 7 2.2 Geographien der Arbeit .......................................................................................................... 9 Teil II 3 Methodologie und Forschungsdesign ......................................................................................... 17 3.1 Diskurstheoretischer Forschungszugang nach Michel Foucault .......................................... 17 3.2 Datenerhebung..................................................................................................................... 19 3.3 Datenauswertung ................................................................................................................. 25 Teil III 4 Themenfeld Arbeit....................................................................................................................... 27 4.1 Normalisierung im Vertrag, Spezialfall in der Praxis ............................................................ 28 4.2 Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Arbeitszeit ......................................................... 32 5 Themenfeld Arbeitnehmerin ....................................................................................................... 38 5.1 Nationalität ........................................................................................................................... 38 5.2 Geschlecht ............................................................................................................................ 45 6 Themenfeld Kundschaft .............................................................................................................. 47 6.1 Hilfsbedürftige Person .......................................................................................................... 47 6.2 Angehörige ........................................................................................................................... 51 II 7 Themenfeld Konkurrenz .............................................................................................................. 53 7.1 Abgrenzung gegenüber etablierten Institutionen................................................................ 53 7.2 Abgrenzung zu den „illegal Tätigen“ .................................................................................... 60 8 Diskussion .................................................................................................................................... 64 8.1 Typen der Legitimität ........................................................................................................... 64 8.2 Regulative Legitimität: Legalität als zentrales Thema .......................................................... 65 8.3 Moralische Legitimität: Individualität als zentrales Thema ................................................. 66 8.4 Kulturell-kognitive Legitimität: Stereotype als zentrale Themen ........................................ 67 8.5 Schlussbetrachtung .............................................................................................................. 68 Anhang 1: Interviewleitfaden ......................................................................................................... 71 Anhang 2: Codierblatt .................................................................................................................... 73 Anhang 3: Persönliche Erklärung.................................................................................................... 74 Literaturverzeichnis ........................................................................................................................ 75 III 1 Einleitung In der Schweiz wird sich die Zahl der Personen über 65 Jahren in den nächsten 50 Jahren gemäss dem Bundesamt für Statistik von 1’343’000 im Jahr 2010 auf 2’543'000 im Jahr 2060 fast verdoppeln (BfS 2010, 22 Mittleres Szenario). Es ist daher nicht erstaunlich, dass dem Pflege- und Betreuungsmarkt ein grosses Wachstumspotential zugesprochen wird. Besonders die starke Zunahme von hochbetagten Menschen über 80 Jahren (BfS 2010, 28) führt zu mehr Betreuungsbedarf, der immer seltener durch die Familie übernommen werden kann. Gründe dafür sind die gestiegene Mobilität und die Abnahme von Mehrgenerationenhaushalten. Auch die Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen, welche traditionellerweise diese unbezahlte Pflegearbeit geleistet haben, spiegelt sich in dieser Entwicklung. Altersheime entsprechen oft nur ungenügend dem Wunsch nach Selbstbestimmung der Betagten und sind finanziell eine Belastung für Familie und Staat. Dennoch gibt es wenig Alternativen, da innovative Formen des Zusammenlebens im Alter (noch immer) eher selten sind. Bestehende Non-Profit Organisationen wie die öffentliche Spitex, welche medizinische Pflegeleistungen und zum Teil auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten im Privathaushalt anbieten, stehen oft unter starkem finanziellem und zeitlichem Druck. Die Krankenkasse übernimmt nur die pflegerischen Leistungen. So müssen die Kosten für eine ambulante Betreuung von den hilfsbedürftigen Personen und ihren Angehörigen weitgehend selbst übernommen werden. Eine zeitintensive Betreuung in den eigenen vier Wänden durch hiesiges Personal ist für die meisten Familien in der Schweiz unbezahlbar. Die private Pflege und Betreuung durch Care Migrantinnen1 kommt hier als neue Option ins Spiel und scheint an Bedeutung zu gewinnen. Neben der informellen und unsichtbaren Tätigkeit von Migrantinnen, die sich privat organisieren, erscheinen zunehmend Unternehmen auf dem Markt, welche die Vermittlung von Betreuungspersonal und die Organisation von verschieden Dienstleistungen in Privathaushalten übernehmen. Die Angebote dieser neuen Dienstleistungsunternehmen siedeln sich hauptsächlich im nicht-medizinischen Bereich an und reichen von einer stundenweisen Betreuung bis zum 24-Stunden- Betreuungsarrangement, bei dem die Betreuerin im Haushalt der pflegebedürftigen Person wohnt. Die Palette der Tätigkeiten ist divers. Typischerweise beinhaltet sie sowohl hauswirtschaftliche Aufgaben wie Kochen, Putzen, Waschen als auch Betreuungsaufgaben 1 Da die grosse Mehrzahl der Betreuungs- und Pflegearbeit im Privathaushalt von Frauen ausgeführt wird, werde ich für deren Bezeichnung in diese Arbeit die weibliche Form benutzen. Einen Überblick über die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Männern als Betreuer im Privathaushalt geben Sarti und Scrinzi (2010). 1 wie beispielsweise Spiele spielen, zusammen fernsehen oder die Begleitung zu Arztterminen (Truong 2012, 11). 1.1 Stand der Forschung Die private Betreuungsform durch Migrantinnen sowie ihre Anbieter sind in den Schweizer Medien stark präsent. So titelte der Beobachter am 21. Juli 2011 „Pflegenotstand – Pflegen für einen Hungerlohn“ (Haefely 2011), die NZZ schrieb am 12. Januar 2012 „Heikles Betreuen rund um die Uhr“ (Ellner 2012) und der Tagesanzeiger berichtete am 6. Juni 2012 „Haushaltshilfen aus Osteuropa schuften zu Minimal-Löhnen“ (Minor 2012). Wissenschaftlich wird diese neue Form der Betagtenbetreuung in der Schweiz erst seit kurzem diskutiert. Aktuell sind zahlreiche Projekte aus verschiedenen Disziplinen in Arbeit, die sich mit Aspekten der Care Migration in der Schweiz beschäftigen. Zu erwähnen ist Schilligers laufende Dissertation am Institut für Soziologie der Universität Basel. Sie setzt sich zum einen mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen von osteuropäischen Care Migrantinnen in Schweizer Privathaushalten auseinander und untersucht zum anderen die Praxis der Vermittlungsagenturen (Schilliger i. E.). Weiter beschäftigen sich Wigger und ihr Team (i.E.) im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms „NFP 60: Gleichstellung der Geschlechter“ mit den Auswirkungen von bezahlten Care Arrangements auf die Gleichstellung. Die Zusammenarbeit zwischen Spitex-Mitarbeitenden und Care Migrantinnen wurde aus der Perspektive der Pflege vom Careum F+E im Auftrag der Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich untersucht (Jähnke et al. 2012). Ebenfalls mit pflegewissenschaftlichem Hintergrund führt die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) eine Langzeitstudie in Zusammenarbeit mit dem HausPflegeService2 durch. In diesem Projekt werden Familien begleitet, welche eine Care Migrantin angestellt haben (Petry et al. i.E.). Eine Übersicht über weitere aktuelle Forschungsarbeiten in der Schweiz zu Aspekten der Care Migration zeigen Jähnke et al. (2012, 39f.). Der wissenschaftliche Fokus war bisher stark auf die Betreuerinnen (Care Worker), meist Migrantinnen aus Osteuropa, gerichtet. So hat sich Karakayali (2010) in ihrer Dissertation mit osteuropäischen Pflegerinnen in deutschen Privathaushalten auseinandergesetzt. Ihren Fokus richtet sie auf die Auswirkungen von legalen und illegalen Settings auf die Arbeitsbedingungen der Betreuerinnen. In der Schweiz ist die Arbeit von Truong (2011) zu erwähnen. Sie zeigt Aspekte der Entgrenzung in der Arbeit von 24-Stunden-Betreuerinnen auf, die im gleichen Haushalt leben wie die zu betreuenden Personen. In Sermiers Arbeit 2 Der HausPflegeService ist ein Schweizer Home Care Unternehmen. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage http://www.hauspflegeservice.ch/. 2 (2010) wird untersucht, welche Belastungen solche live-in Betreuerinnen in Haushalten von älteren Menschen erleben und wie sie damit umgehen. Medici (2011) befasst sich mit den juristischen Rahmenbedingungen zu arbeits- und migrationsrechtlichen Aspekten der Bertreuung und Pflege im Privathaushalt. Die Perspektive der Unternehmerinnen und Unternehmer von Home Care Betrieben fehlt bisher in der Wissenschaft weitgehend. Meine Arbeit soll auf die Sicht dieser Marktakteure eingehen. Für diese Arbeit definiere ich Home Care Unternehmen als private, gewinnorientierte Unternehmen, welche Pflege- und/oder Betreuungsdienstleistungen für hilfsbedürftige Personen in Privathaushalten anbieten3. Ich knüpfe dabei an die Arbeit von Krawietz (2010) an, die sich mit der rechtlichen Legitimation von Pflegevermittlungsagenturen auseinandersetzt. Krawietz zeigt, dass je nach Einbettung in die unterschiedlichen institutionellen Umfelder in Polen und Deutschland die Identität und Akzeptanz der Vermittlungsagenturen unterschiedlich ausfällt (2010, 269). Weiter orientiere ich mich an der Marktanalyse zum Zürcher Betreuungs- und Pflegemarkt, welche vom geographischen Institut der Universität Zürich durchgeführt wurde und im April dieses Jahres erschienen ist. Sie ist Teil des Projektes „Arbeitsmarkt Privathaushalt“ der Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich und beschäftigt sich mit der Charakterisierung von Home Care Unternehmen in der Stadt Zürich, analysiert die formellen Arbeitsbedingungen und untersucht die Dynamik des profit-orientierten Pflege- und Betreuungsmarktes (Truong 2012). Ergänzend soll diese Arbeit dazu beitragen, das Selbstverständnis dieser neuen Akteure im Pflege- und Betreuungsmarkt herauszuarbeiten und aufzuzeigen. Die Sicht des Unternehmens auf die eigene Tätigkeit soll dabei im Zentrum stehen. 1.2 Fragestellung Home Care Unternehmen stehen in einem Spannungsfeld. Einerseits befinden sie sich, gerade was die Arbeitsbedingungen der Betreuerinnen in 24-Stunden-Arrangements betrifft, in einer rechtlichen Grauzone (Medici 2011). Die Arbeit der Betreuerinnen ist oft geprägt durch soziale Isolation und Entgrenzung der Arbeitszeiten (Truong 2011). Dies wird auch medial stark kritisiert. Andererseits stösst diese Form der Betreuung auf ein grosses Interesse und scheint dem Bedürfnis vieler betagter Menschen und ihrer Angehörigen zu entsprechen. Im Rahmen meiner Masterarbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie Home Care Unternehmen mit diesen Spannungen umgehen und welche Rolle sie sich im Betreuungsmarkt zusprechen. Daraus leite ich meine Forschungsfragen ab: 3 Für eine differenzierte Charakterisierung von Home Care Unternehmen siehe Kapitel 3.2 zur Datenerhebung im Abschnitt Zielgruppe, Seite 17. 3 Mit welchen Argumenten legitimieren profitorientierte Home Care Unternehmen ihre Arbeit? Anhand welcher Kriterien grenzen sich profitorientierte Home Care Unternehmen von anderen Akteuren auf dem Pflegemarkt ab? Wie sprechen profitorientierte Home Care Unternehmen von ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern? Wie sprechen profitorientierte Home Care Unternehmen von den zu betreuenden Personen und deren Angehörigen? 1.3 Aufbau der Arbeit Diese Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil zeigt die Anknüpfungspunkte meines Forschungsgegenstandes an die zwei Forschungsfelder transnationale Haushaltsforschung und Geographien der Arbeit. Im ersten Themengebiet wird aufgezeigt, wie sich der Forschungsgegenstand Hausarbeit in den letzten Jahren von der Frage nach gerechter Aufteilung zwischen den Geschlechtern zu einer Frage nach der gerechten Aufteilung zwischen Nationen entwickelt hat. In der aktuellen Debatte werden Aspekte der Kommerzialisierung von Hausarbeit diskutiert, wobei die zunehmende Auslagerung von Sorgetätigkeiten gegen Bezahlung an meist weibliche Migrantinnen im Zentrum steht. Welche Auswirkungen diese Auslagerung für die ArbeitnehmerInnen, für die ArbeitgeberInnen und auf die Gesellschaften der Entsende- und Empfängerländer hat, wird im Rahmen der transnationalen Haushaltsforschung diskutiert. Im zweiten Forschungsfeld, in den Geographien der Arbeit, greife ich Arbeiten zur Temporärarbeit und zum Arbeitsverleih auf. Im Zentrum meines Interesses stehen dabei sogenannte Arbeitsmarktvermittler und ihre vielfältige Rolle an der Schnittstelle zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden. Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit stelle ich den Forschungsprozess vor und lege dar, welche Überlegungen mich bei der Datenerhebung und Datenauswertung geleitet haben. Da die hier angewandte diskurstheoretische Forschungsperspektive nach dem französischen Historiker und Philosophen Michel Foucault keine explizite Anleitung beinhaltet, lege ich besonderen Wert auf das Sichtbarmachen meines methodischen Vorgehens. Im dritten Teil werden die Resultate vorgestellt. Die Sprechweisen der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer werden charakterisiert und beschrieben. Im ersten Kapitel zum Themenfeld Arbeit wird dargestellt, wie die Befragten die Arbeit im Privathaushalt ambivalent, das heisst zwischen Spezialfall und einem ganz normalen Job, positionieren. Weiter wird ausgeführt, wer aus Sicht der Unternehmen die Verantwortung für die Arbeitszeit übernimmt. Das darauf- 4 folgende Kapitel zum Themenfeld Arbeitnehmerin befasst sich mit den Eigenschaften, welche aus Sicht der Unternehmerinnen und Unternehmer eine ideale Arbeitnehmerin mitbringen sollte. Dabei bedienen sie sich nationaler Stereotype, während geschlechterspezifische Stereotype nicht explizit gemacht werden. Bei den Sprechweisen über die Kundinnen und Kunden sowie über deren Angehörige im Kapitel Kundschaft, konnte ich zwei Legitimationsstrategien ausmachen: Das Ideal im Alter zu Hause zu bleiben und die Bezahlbarkeit des Betreuungsangebotes für eine breite Bevölkerungsschicht. Im Kapitel zum Themenfeld Konkurrenz wird die ambivalente Beziehung zur öffentlichen Spitex diskutiert und die vehemente Abgrenzung der Betreuungsunternehmen von illegal tätigen Agenturen aufgezeigt. In der abschliessenden Diskussion werden die themenfelderübergreifenden Legitimationsstrategien der Unternehmen aufgegriffen und versucht, diese in Bezug zur transnationalen Haushaltsforschung und den Geographien der Arbeit zu setzen. Der Ausblick auf weiterführende Forschung im Bereich der Home Care Unternehmen bildet den Abschluss der Arbeit. 5 Teil I 2 Wissenschaftliche Anknüpfungspunkte Wie bereits aufgezeigt, fehlt in der wissenschaftlichen Debatte zur Care Migration die Perspektive der Home Care Unternehmen bisher weitgehend. Dennoch kann für das Thema meiner Arbeit an zwei Punkten wissenschaftlichen Arbeitens angeknüpft werden. Einerseits positioniere ich meinen Forschungsgegenstand in der Hauswirtschaftsforschung, die im Rahmen der Frauenbewegung in den 1970er Jahren wissenschaftlich thematisiert wurde. Nach wie vor wird der grösste Teil der Hausarbeit unbezahlt von Frauen geleistet. Ein zunehmender Anteil der Hausarbeit wird mittlerweile aber als Erwerbsarbeit ausgeführt, meist von ausländischen Frauen (vgl. Gather et al. 2008; Hess 2009; Hochschild 2000; Lutz 2008). Die Hausarbeitsdebatte ist heute stark transnational4 geprägt und befasst sich mit der Auslagerung verschiedener Sorgetätigkeiten entlang von Geschlechter- und Armutsgrenzen sowie deren Auswirkungen in einem internationalen Kontext (vgl. Apitzsch und Schmidbaur 2010). Das vermehrte Auftreten von Home Care Unternehmen kann als Ausdruck dieser Entwicklung interpretiert werden. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werde ich kurz einige Themen der Haushaltsforschung aufgreifen und die wissenschaftliche Diskussion zur bezahlten Care Arbeit skizzieren. Andererseits verstehe ich meine Studie als Teil der wirtschaftsgeographischen Forschung zum Themenbereich „Arbeit“. Die Geographien der Arbeit beschäftigen sich mit den vielfältigen Auswirkungen, welche mit einer internationalen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes einher gehen. Dabei gehe ich auf Arbeiten ein, die sich mit sogenannten Arbeitsmarktvermittlern5 (Labour Market Intermediaries) auseinandersetzen. Diese gewinnen in einem komplexer werdenden Arbeitsmarkt zunehmend an Bedeutung und übernehmen vielfältige Vermittlungstätigkeiten zwischen ArbeitnehmerIn und ArbeitgeberIn. Ich gehe davon 4 Gemäss Lutz (2008, 86) beschreibt der Begriff „Transnationalität“ die Auswirkungen einer globalisierten Wirtschaftsweise auf die soziale Ebene. In der Migrationsforschung hingegen bezeichnet der Begriff eine grenzüberschreitende Migrationsbewegung, die sich gegen die vereinfachte Vorstellung einer linearen Wanderung vom Herkunftsland ins Aufnahmeland stellt (ebd.). 5 Ich verwende den Begriff „Arbeitsmarktvermittler“ gemäss Benner (2003, 621) als Übersetzung des Begriffs labour market intermediaries. Benner verwendet „Arbeitsmarktvermittler“ als Oberbegriff sowohl für profitorientierte Unternehmen als auch für Non-Profit Organisationen, welche diverse Vermittlungstätigkeiten im Arbeitsmarkt übernehmen (ebd.). Gemäss Benner zählen zu den Arbeitsmarktvermittlern beispielsweise privatwirtschaftlich organisierte Arbeitsvermittler, sowie Gewerkschaften oder auch staatliche Arbeitsintegrationsprogramme (2003, 623f). 6 aus, dass Arbeitsmarktvermittler nicht nur als neutrale Vermittler fungieren, sondern eine aktive Rolle in der Gestaltung der Arbeitsmärkte einnehmen. Weiter lege ich dar, wie Labour Market Intermediaries in der geographischen Forschung thematisiert werden und warum ich Home Care Unternehmen als eine Form von Arbeitsmarktvermittler verstehe. 2.1 Transnationale Hauswirtschaftsforschung Hausarbeit ist ein zentrales Thema der internationalen feministischen Debatte und wird seit den 1970er Jahren auch wissenschaftlich diskutiert. Als zentrales Werk gilt der Aufsatz von Duden und Bock „Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit“ (1977). Rückblickend sagt Duden (2009), dass die zentrale Errungenschaft dieses Textes das Sichtbarmachen des Arbeitsbereichs „Hausarbeit“ ist, welcher bis dahin im Verborgenen stattfand und öffentlich nicht thematisiert wurde. Mit dem Ruf nach Lohn für Hausarbeit, was die Frauenbewegung der 1970er Jahre verlangte, wurde die Gleichstellung der Bereiche Produktion (Erwerbsarbeit) und Reproduktion (unbezahlte Sorgetätigkeit) eingefordert. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wird seit den 1990er Jahren zunehmend von Care anstelle von Reproduktion gesprochen, da dieser Begriff nicht mit einer spezifischen Wertung aufgeladen ist (Apitzsch und Schmidbaur 2010). Care beinhaltet sowohl Pflege-, Betreuungs- als auch Haushaltstätigkeiten, zudem enthält der Begriff eine emotionale Komponente (to care about). Mit dem Wandel des Begriffs geht eine Transnationalisierung der Hausarbeitsdebatte einher, wovon die aktuell diskutierten Begriffe „Global Care Work“ und „Care Migration“ zeugen. Zwar hat in den letzten Jahren die Erwerbstätigkeit der Frauen zugenommen, aber eine gleichmässige und gerechte Aufteilung der Hausarbeit zwischen den Geschlechtern ist weitgehend ausgeblieben. In der Schweiz betrug die von Männern durchschnittlich geleistete unbezahlte Haus- und Familienarbeit 16,2 Stunden pro Woche während Frauen mit 27,6 Stunden pro Woche fast das Doppelte leisteten (BfS 2011). Für den ganzen europäischen Raum liegen ähnliche Zahlen vor (Eurostat 2008, 111). Rerrich stellte 2008 ernüchtert fest: „Das Projekt der Gleichverteilung von Hausarbeit ist trotz vielfacher Bemühungen (…) bisher weitgehend gescheitert“ (2008, 19). Stattdessen zeigt sich ein konstanter Trend zur Auslagerung der Sorgetätigkeit an Care Worker aus dem Ausland. Hess (2009, 47) bezeichnet diese Kommerzialisierung der Hausarbeit und ihre Abgabe an ausländische Frauen als eine „Ethnisierung der Versorgungsarbeiten und der Etablierung einer neuen internationalen Teilung der Reproduktionsarbeit“. In diesem Zusammenhang wird vielfach das von Hochschild (2000) geprägte Konzept der Global Care Chains herbeigezogen. Die Autorin beschreibt diese globalen Betreuungsketten als „A series of personal links between people across the globe based on paid or unpaid work of 7 caring“ (Hochschild 2000, 131). Familien in wohlhabenden Ländern beschäftigen typischerweise eine Haushaltshilfe aus einem ärmeren Land, welche ihre Kinder oder andere betreuungsbedürftige Familienmitglieder Verwandten, Bekannten oder wiederum einer Haushaltshilfe aus einem Land mit tieferen Löhnen überlässt. Entlang eines internationalen Lohngefälles zeichnet sich so eine Betreuungskette ab. Die Frage drängt sich auf, wer sich um das letzte Glied der Kette kümmert. Hochschild spricht hier von „emotionalem Imperialismus“ (2002, 27) bezüglich der „unfair verteilten Ressource Liebe“ (2002, 22), die ärmeren Ländern entnommen und in reicheren Ländern angesammelt wird. Zusätzlich zum brain drain, der Abwanderung von gut gebildeten, meist jungen Menschen, vergrössert der weniger gut sichtbare care drain die Schere zwischen reichen und armen Ländern (Hochschild 2002, 17). Insgesamt zeigen die Forschungsarbeiten zur Arbeit im Privathaushalt diesen als widersprüchlichen Arbeitsplatz (Hess 2009, 207), worin die Grenzen von privater und öffentlicher Sphäre verschwimmen (Geissler 2008, 43). Bei der kommerzialisierten Hausarbeit vermischen sich die traditionellen Handlungslogiken der Erwerbsarbeit (Distanzierung und Monetarisierung) mit den Handlungslogiken der privaten Sphäre (Empathie und Unentgeltlichkeit) (Geissler 2008, 39). Madörin (2007) macht darauf aufmerksam, dass die Hausarbeit als personenbezogene Dienstleistung einige Besonderheiten aufweist. Im Gegensatz zur Güterproduktion und nicht-personenbezogenen Dienstleistungen ist der Produktionsund Konsumationsprozess bei der Hausarbeit nicht getrennt (Madörin 2007, 142). Eine weitere Besonderheit ist die emotionale Komponente: Die zwischenmenschliche Beziehung ist ein wichtiger Bestandteil der Care Tätigkeit (ebd.). Als drittes Charakteristikum ist die Care Arbeit durch verschiedene Machtgefälle geprägt, die durch eine Abhängigkeit zwischen Betreuerin und der zu betreuenden Person zustande kommt, was eine grosse Verantwortlichkeit mit sich bringt (Madörin 2007, 142). Besonders für live-in Angestellte, die im gleichen Haushalt leben und arbeiten, verschwimmt die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben oftmals. Die von ihnen erwartete Integration in die Familie führt zu einer Vermischung von Arbeitsbeziehung und Freundschaft (vgl. Schilliger 2012; Truong 2011). Weiter ist die Arbeit im Privathaushalt oft geprägt von niedrigen Löhnen und unregulierten Arbeitszeiten aufgrund der ständigen Anwesenheit von live-in Angestellten. Zusätzlich findet Hausarbeit weitgehend unsichtbar statt und die Arbeitsbedingungen in der privaten Sphäre sind dementsprechend schwer zu kontrollieren (Lutz 2011, 76). Die International Labour Organization (ILO 2011) bezeichnet Arbeitnehmende im Privathaushalt als im besonderen Masse gefährdet für Ausbeutung verschiedener Art. Trotz des dargelegten Wandels der Hausarbeitsforschung vom Konzept der Reproduktion hin zum Konzept der Global Care Work sind die zentralen Anliegen der feministischen De- 8 batte weitgehend die Gleichen geblieben: Die Arbeit im Privathaushalt soll zu einem „öffentlichen Thema der Gerechtigkeit“ (Brückner 2010, 43) gemacht werden (sowohl zwischen den Geschlechtern als auch zwischen den Nationen) und „die Anerkennung von `Care‘ als notwendige gesellschaftliche Aufgabe“ wird gefordert (ebd.). 2.2 Geographien der Arbeit Der Themenbereich „Arbeit“ ist ein zentraler Gegenstand wirtschaftsgeographischer Forschung. Coe (2012) greift in seinem Artikel „Making space for labour“ drei aktuelle Schwerpunkte dieses jungen Forschungsfeldes auf: Als ein Leitmotiv geographischer Arbeitsforschung bezeichnet er den Themenbereich „labor agency“. Castree et al. (2004, 159) verstehen unter diesem Begriff „the capacity to act, to change, to challenge and to resist“. Die Arbeitnehmenden werden in dieser Forschungsrichtung als gestaltende Akteure konzeptualisiert, die sich mit vielfältigen Strategien, kollektiv oder individuell, ihren Arbeitsraum gestalten (vgl. Herod 1997). Als einen weiteren aktuellen Schwerpunkt bezeichnet Coe (2012, 7) die Arbeiten rund um das Thema „new modes of organizing“. Dabei geht es um die Frage, wie eine (kollektive oder individuelle) Organisation von Arbeitnehmenden im heutigen, auf vielfältige Art und Weise fragmentierten Arbeitsmarkt möglich ist. Die Organisation in Gewerkschaften verliert in einem Arbeitsmarkt, der durch neue Informationstechnologien räumlich weiter verteilt ist, zunehmend an Bedeutung (Lier 2007, 828). Arbeitnehmende stehen einander in immer komplexer werdenden administrativen Verhältnissen gegenüber (durch Outsourcing und Subcontracting) (ebd.). Ebenso erschweren individualisierte Arbeitsverträge wie Teilzeit- und Schichtarbeit, eine kollektive Organisation der Arbeitnehmenden in Gewerkschaften (Lier 2007, 828). Welche neuen Formen der Organisation entstehen und wie Arbeitnehmende unter diesen veränderten Umständen ihre Arbeitsbedingungen mitgestalten, behandelt dieser Teilbereich der Geographien der Arbeit. Innerhalb Coes (2012, 4) drittem Schwerpunkt, „Precarity, new migrant division of labour, and intermediaries“, möchte ich meinen Forschungsgegenstand verorten. Coe greift darin drei Themen auf, die ich in meinem Forschungsgegenstand wiederfinde: die Abgabe von Care Arbeit an Migrantinnen (new migrant division of labour), das Auftauchen von Home Care Unternehmen als eine Art Vermittler zwischen der Kundschaft im Privathaushalt und den meist weiblichen Arbeitnehmerinnen (intermediaries) und die Einstufung der Arbeit im Privathaushalt als prekäres Arbeitsverhältnis (precarity) (vgl. Kapitel 2.1 Transnationale Hauswirtschaftsforschung). Beim diesem Forschungsschwerpunkt wird der Fokus beson- 9 ders auf die Zunahme von atypischen Arbeitsverhältnissen im Kontext eines globalisierten und flexibilisierten Arbeitsmarktes gelegt. Aus wirtschaftsgeographischer Perspektive werden dabei die Fragen aufgeworfen, welche Zusammenhänge zwischen Migration und atypischen, oft prekären Arbeitsformen bestehen und welche Rollen dabei neu entstehende Vermittler (Labour Market Intermediaries oder LMIs) auf dem Arbeitsmarkt spielen (Coe 2012). Labour Market Intermediaries als Folge eines flexibilisierten Arbeitsmarkts Zunehmender Konkurrenz- und Lohndruck im internationalen Wettbewerb sowie Arbeitsmarktderegulierungen auf nationaler Ebene wirken sich stark auf die Arbeitsmarktbedingungen aus. Dies zeigt sich unter anderem in der Zunahme von atypischen Arbeitsverhältnissen seit den 1970er Jahren. Der enorme technologische Wandel, besonders in der Informationstechnologie, ermöglicht neue Formen der Arbeitsorganisation und erweitert den geographischen Spielraum vieler Unternehmen massgeblich. Aus diesen Entwicklungen entsteht die Unternehmensstrategie, sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren und alle anderen Tätigkeiten kostengünstig auszulagern (Ostermann 2004, 157). Die lebenslange Tätigkeit beim gleichen Unternehmen wird immer seltener, dafür nehmen sogenannte atypische Arbeitsverhältnisse zu. Der Arbeitsmarkt ist insgesamt unbeständiger geworden. Als atypisch gelten alle Arbeitsformen, die keine unbefristete Vollzeitbeschäftigung darstellen. Birchmeier (2002, 8) zählt Teilzeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Temporärund Leiharbeit, Wochenend-, Abend-, Nacht- und Schichtarbeit sowie Arbeit auf Abruf, Heimarbeit und die abhängige Selbstständigkeit zu den atypischen Arbeitsformen. Auch atypische Stundenpläne und atypische Arbeitsorte zählen dazu (ebd.). Parallel zu dieser Entwicklung in Richtung eines komplexeren und unvorhersehbarer werdenden Arbeitsmarkts übernehmen sogenannte Arbeitsmarktvermittler (LMIs) eine zunehmend wichtige Rolle. Sie übernehmen verschiedenartige Vermittlungstätigkeiten zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn (Benner 2003, 623). Nach Benner erfüllen sie drei verschiedene Funktionen, dies sowohl auf Seiten der Arbeitnehmenden wie auch auf Seiten der Arbeitgebenden: LMIs reduzieren Transaktionskosten, die in der Kommunikation und im Informationsaustausch zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn anfallen (z.B. bei der Rekrutierung von Arbeitnehmenden oder bei der Bewerbung), sie konstruieren Netzwerke und sie sichern Risiken ab (Benner 2003, 621). Labour Market Intermediaries sind uneinheitlich definiert (vgl. Coe et al. 2010). Einen Überblick über die Begrifflichkeiten in der englisch- 10 sprachigen Literatur geben Benner (2003) und Kalleberg (2000). Benner (2003, 623f.) unterscheidet zwischen Private Sector Intermediaries (z.B. profitorientierte Personalverleiher), Membership-based Intermediaries (z.B. Gewerkschaften und Berufsverbände) und Public Sector Intermediaries (z.B. Non-Profit Programme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt). In dieser Arbeit behandle ich ausschliesslich die Private Sector Intermediaries. Die Personalverleihagentur (Staffing Agency) ist die wohl präsenteste Form eines privaten, gewinnorientierten Arbeitsmarktvermittlers, sowohl was die wissenschaftliche Diskussion als auch die politische und mediale Aufmerksamkeit betrifft. In der Schweiz ist dafür der Begriff „Temporärbüro“ gebräuchlich (vgl. Mandaglio 2008). Für die vorliegende Arbeit folge ich der Definition von Bianchi und Lampart (2007). Sie definieren Personalverleih als: „Oberbegriff für das Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitgeber (Verleiher), Einsatzbetrieb (Entleiher) und Arbeitnehmer. Dabei stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit einem Dritten zur Leistung von Arbeit zur Verfügung. Dem Einsatzbetrieb steht das Weisungsrecht aber auch die Fürsorgepflicht zu. Der Personalverleih umfasst die Temporärarbeit, die Leiharbeit und das gelegentliche Überlassen von Arbeitnehmenden an Einsatzbetriebe.“ Bianchi und Lampart 2007, 32f. Keine andere Beschäftigungsform hat in den letzten Jahren so stark an Bedeutung gewonnen wie die Leiharbeit, besonders auf den europäischen, den US-amerikanischen und den japanischen Märkten (vgl. CIETT 2011). Gleichzeitig wird ihr aber oft auch ein prekärer Charakter zugeschrieben. Die Leiharbeit gilt als im besonderen Masse anfällig für Lohndumping und Beschäftigungsunsicherheit (vgl. Deutscher Gewerkschaftsbund DGB 2011; Bianchi und Lampart 2007). Es wird kritisiert, dass Firmen mit Leiharbeitenden kurzfristige Personalbedarfsengpässe beseitigen können, ohne langfristig Mitarbeitende an sich binden und Verpflichtungen eingehen zu müssen (vgl. Mandaglio 2009). Vereinfacht gesagt steht die Leiharbeit in dieser Argumentation in einem Spannungsverhältnis zwischen einer Flexibilisierungsstrategie zur Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung auf Seiten der Einsatzfirmen und dem Bedürfnis nach Arbeitsplatzsicherheit der Arbeitnehmenden. Von Seiten des Verbandes der Personalverleiher in der Schweiz wird betont, dass nicht nur die Einsatzbetriebe profitieren, sondern das flexible Arbeiten mit befristeten Arbeitseinsätzen dem vermehrten Wunsch nach einem individuell gestalteten (Arbeits-)Leben entspricht (vgl. Fischer-Rosinger 2012). Die hier angeschnittene Diskussion ist äusserst komplex und vielschichtig. Die Statistik zeigt beispielsweise, dass in der Schweiz überdurchschnittlich viele Hochschulabgängerinnen und -abgänger in temporären Arbeitsverhältnissen angestellt sind und diese als Einstieg ins Berufsleben nutzen (Birchmeier 2002). Benner et al. (2007) werfen berechtigterweise die Frage auf, ob atypische Arbeitsverhältnisse wie die 11 Leiharbeit als „Staircases or Treadmills?“ zu verstehen seien, als Treppenstufen der Karriere oder gerade umgekehrt als Hamsterrad ohne Aufstiegschancen. Gemäss Coe et al. (2010) lassen sich in der bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung zum Thema „Leiharbeit“ zwei Forschungsschwerpunkte ausmachen. Einerseits besteht eine Vielzahl von Arbeiten, welche die Motivation von Einsatzfirmen zur Anstellung von Leiharbeitern thematisiert. Diese betriebswirtschaftliche Perspektive stellt Leiharbeit als Teil einer Kosten und Risiken auslagernden Unternehmenslogik dar (vgl. Atkinson und Meager 1986 zit. in Coe et al. 2010, 1058f.; Conell und Brugess 2002). Auf der anderen Seite zeigen Coe et al. (2010) die Auseinandersetzung mit der Thematik aus soziologischer Sicht, wobei der Fokus auf die Arbeitnehmenden gerichtet wird. Zahlreiche Forschungsarbeiten gehen dabei der Frage nach, warum und unter welchen Umständen Arbeitnehmende ein temporäres Arbeitsverhältnis wählen. Vor allem von Frauen mit Kindern und von Studierenden wird die Flexibilität als Grund für die Wahl dieser Arbeitsform angegeben (vgl. Druker und Stanworth 2004). Als weiterer Grund wird genannt, dass sich Arbeitnehmende erhoffen, über die temporäre Arbeit eine Festanstellung zu bekommen (vgl. Pedersen et al. 2007) und ihnen die Temporärarbeit einen Einblick in verschiedene Unternehmen ermöglicht (Van Breugel et al. 2005, 541). Eine Reihe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen jedoch, dass die Temporärarbeit von vielen Arbeitnehmenden nicht selbstbestimmt ist, sondern aufgrund mangelnder Qualifikationen und fehlendem Zugang zu permanenten Anstellungsmöglichkeiten ausgeführt wird (vgl. Connell und Burgess 2002; Kalleberg 2000; Perdersen et al. 2007). Eine weitere Gruppe mehrheitlich soziologischer Arbeiten befasst sich mit dem Selbstbild von Temporärarbeitnehmenden (vgl. Garsten 2008; Henson 1996 zit. in Coe et al. 2010, 1062). Weiter werden Machtmechanismen innerhalb des Arbeitsverleihs untersucht, wobei Arbeit als zentraler Faktor von Ungleichheit thematisiert wird (vgl. Smith 1998). Die aufgezeigten Forschungsarbeiten zur Leiharbeit befassen sich also entweder mit den Arbeitnehmenden oder mit den Einsatzbetrieben. Dem dritten Part dieser Dreiecksbeziehung, den Arbeitsvermittlern selbst, wurde in der Wissenschaft wenig Beachtung geschenkt. Sie wurden bisher weitgehend als neutrale Vermittler zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden thematisiert (Coe 2012, 1063). Peck und Theodore (2002) fassen für den Personalverleih zusammen, was für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit allen Formen von Labour Market Intermediaries gilt: „The Temporary Staffing Industry (TSI) is typically portrayed as a neutral facilitator of market forces, bringing enhanced efficiency, convenience and flexibility to both the workforce and the employers. The TSI likes to portray itself as a servant of the market, not a maker of markets, though in fact the latter characterization is much closer to the truth.“ Peck und Theodore 2002, 157 12 Ein Forschungsfeld ist am Entstehen, welches sich mit LMIs als marktgestaltenden Akteuren in geographisch unterschiedlichen Kontexten befasst. Das wachsende wissenschaftliche Interesse kann als Hinweis auf eine zunehmend wichtig werdende Rolle von LMIs in verschiedenen Branchen verstanden werden. Eine Auswahl an geographischen Studien, welche die Rolle von Arbeitsmarktvermittlern thematisieren, wird im folgenden Kapitel präsentiert. Mit den exemplarisch ausgewählten Forschungsarbeiten soll versucht werden, die Breite des Forschungsfeldes aufzuzeigen. Labour Market Intermediaries in der geographischen Forschung Eine wichtige Arbeit, die als Ausgangspunkt dieses Forschungsbereich verstanden werden kann, ist die Studie von Peck und Theodore (1998) zur Temporary Staffing Industry in Chicago, wobei die Autoren ein differenziertes Bild der verschiedenen Agenturen und ihren Einfluss auf den Arbeitsmarkt aufzeigen. Dabei können zwei widersprüchliche Trends ausgemacht werden. Auf der einen Seite gibt es Agenturen, die zur Vermittlung von enorm kurzfristigen und unsicheren Arbeitseinsätzen auf Tagesbasis tendieren und ungelernte Arbeitnehmende aus der untersten Lohnschicht beschäftigen (1998, 671). Auf der anderen Seite versuchen gewisse Staffing Agencies eine längerfristige Beziehung zwischen Agentur, Arbeitnehmenden und Einsatzbetrieb zu etablieren. Daraus resultiert eine grössere gegenseitige Abhängigkeit, welche die Gefahr für die Agentur, von der Einsatzfirma ausgewechselt zu werden, minimiert (ebd.). Peck und Theodore legen dar, dass die Staffing Industry mit „instability, expolitation, speed and price“ handelt und die Nachteile zum grossen Teil die Arbeitnehmenden zu tragen haben (1998, 672). Gemäss den Autoren fallen die Strategien der einzelnen Agenturen unterschiedlich aus und spiegeln sich in den Beziehungen zu den Arbeitnehmenden und den Einsatzfirmen (ebd). Somit zeigen Peck und Theodore (1998) auf, dass die Staffing Agencies über wesentliches Gestaltungspotential mittels der Arbeitsbeziehung verfügen und den Arbeitsmarkt durch ihre Handlungslogik aktiv mitgestalten. Eine umfassende Reihe von Arbeiten zur Temporary Staffing Industry in verschiedenen nationalen Kontexten stammt von Coe, Johns und Ward. Ihre Arbeiten enthalten Studien zur Temporary Staffing Industry unter anderem in Tschechien und Polen (2008), Schweden (2009a), Australien (2009b) und Japan (2011, 2012). Sie zeigen auf, dass die Entwicklung und Bedeutung der Leiharbeit stark von der Einbettung in das institutionelle Umfeld abhängig ist und von nationalstaatlichen Regulatorien geprägt ist. Die Charakteristika der Temporary Staffing Industry variieren national sehr stark und es sind komplexe Wechselwirkungen mit verschiedenen staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren eines Lan- 13 des festzustellen. In diesem Zusammenhang möchte ich erneut auf die Arbeit von Krawietz (2010) zurückzugreifen. Ähnlich wie Coe et al. zeigt sie auf, dass transnational arbeitende Vermittlungsagenturen im Pflegebereich durch die Einbettung in zwei verschiedene nationale Kontexte in Polen und Deutschland unterschiedliche Organisationsidentitäten aufweisen. In Polen verstehen sie sich als „private Arbeitsvermittler“, in Deutschland hingegen als „Vermittler von haushaltsnahen und betreuerischen Dienstleistungen für Ältere“ (Krawietz 2010, 269). Weiter gibt es zahlreiche Studien, welche ihren Fokus nicht direkt auf LMIs und deren Rolle richten, sondern diese im Zusammenhang mit der Arbeitsrealität in verschiedenen Branchen thematisieren. Eine Reihe von Arbeiten, die sich mit prekären Arbeitsformen in Londons Dienstleistungssektor beschäftigt, stammt von McDowell, Batnitzky und Dyer (2007; 2008; 2009). Sie zeigen am Fallbeispiel eines Londoner Hotels und eines Londoner Spitals das komplexe Zusammenspiel von Arbeitsmigration und der wachsenden Zahl an Migrantinnen und Migranten in prekären Arbeitsverhältnissen auf, wobei die Temporärarbeit hierbei eine wesentliche Rolle spielt (ebd.). Während McDowell und ihr Team die Rekrutierungspraxis von Staffing Agencies auf einem lokalen Markt in der Serviceindustrie in Londons Westen untersuchen (2008), legen Malecki und Ewers (2007) den Fokus auf den Zusammenhang zwischen LMIs und internationalen Migrationsbewegungen. In ihrer Arbeit beschreiben sie die grenzüberschreitende Tätigkeit von Personalrekrutierungsfirmen (Recruitment Offices) im Zusammenhang mit der Arbeitsmigration in die Golfstaaten (ebd.). James und Vira (2012) beschäftigen sich mit der „New Service Economy“ in Indien und thematisieren, wie Arbeitnehmende in der indischen Call Center-Industrie ihre Karriere planen. Die Autoren legen dar, dass aufgrund mangelnder Aufstiegschancen innerhalb desselben Call Centers die Karriere durch den Wechsel des Unternehmens vorangetrieben wird. Dabei spielen verschiedene Formen von LMIs eine wichtige Rolle, sowohl für die Arbeitgeber der Call Center-Industrie, als auch für die Arbeitnehmenden (James und Vira 2012). Für die Autoindustrie Südkoreas zeigt Lee (2011) auf, dass atypische Arbeitsformen zur Norm geworden sind und dieser Umbruch zahlreiche Veränderungen in der Organisation und der Arbeitsverhältnisse, besonders auch zwischen Festangestellten und Temporärarbeitnehmenden, mit sich brachte. Die Forschungsarbeit von Terry (2011) zur Cruise Industry zeigt, wie in der ausserordentlich international geprägten Schifffahrtsindustrie die Staffing Agencies aus Mangel an Arbeitnehmenden mit den erwünschten Qualifikationen selbst Trainingsprogramme zur Schulung neuer Arbeitskräfte anbieten. Auch wenn die aufgezeigten Arbeiten wichtige Erkenntnisse zur Rolle von Labour Market Intermediaries im heutigen Arbeitsmarkt liefern, sich mit den Unterschieden der Leiharbeit 14 und den Personalverleihagenturen in verschiedenen nationalen Kontexten auseinandersetzen und das Zusammenspiel zwischen LMIs und Migrationsprozessen zu erfassen versuchen, bleiben doch in allen Bereichen viele Fragen offen, die weiterer Forschung bedürfen. Home Care Unternehmen als Arbeitsmarktvermittler Im vorherigen Abschnitt wurde die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Labour Market Intermediaries in der geographischen Forschung aufgezeigt. Dabei erscheinen die Personalverleihagenturen wiederum als eine besonders stark beachtete Form von privaten, profitorientierten Arbeitsmarktvermittlern. Im diesem Abschnitt versuche ich nun Home Care Unternehmen als LMIs zu thematisieren. Ich zeige auf, welche Betriebsformen innerhalb des Schweizer Home Care Sektors existieren und warum die Zuordnung zum Personalverleih nicht eindeutig ist. Die bereits aufgegriffene Definition von Bianchi und Lampart (2007, 32) hat den Personalverleih als dreiecksförmiges Arbeitsverhältnis beschrieben, wobei dem Einsatzbetrieb sowohl Weisungsrecht als auch Fürsorgepflicht für den Arbeitnehmenden zusteht. Medici (2011, 24f.) verweist in ihrer Arbeit zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Hauswirtschaft und Betreuung im Privathaushalt in der Schweiz auf das zentrale Charakteristikum des Weisungsrechts für die Zuordnung zum Personalverleih. Es liegt dann ein Personalverleihverhältnis vor, wenn der Einsatzbetrieb (hier die zu betreuende Person oder ihre Angehörigen) einen wesentlichen Teil der Weisungen faktisch ausführt (ebd.). Die Festlegung, wem das Weisungsrecht zukommt, wird innerhalb der Unternehmen im Home Care Sektor sehr unterschiedlich ausgelegt (vgl. Schilliger 2012; Truong 2012). Einige der befragten Unternehmen geben an, das Weisungsrecht bleibe komplett beim Unternehmen, andere geben an, dass das Weisungsrecht zu einem Grossteil an die betreuungsbedürftige Person übergeht. Bei allen Spitexunternehmen (egal ob öffentlich oder privat) bleibt das gesamte Weisungsrecht bei der Organisation, was bedeutet, dass das Personal unter der Weisungsmacht der Spitexorganisation bleibt (Medici 2011, 7). Spitexorganisationen sind somit keine Personalverleiher. Allerdings führen einige private Spitexorganisationen in der Schweiz zusätzlich zu ihren Pflegedienstleistungen einen Personalverleih, wobei sie Fachpersonal im Gesundheitswesen, beispielsweise an Spitäler, vermitteln. Dies soll aber im Rahmen dieser Arbeit nicht thematisiert werden. 15 Sowohl für den Arbeitsverleih als auch für die Arbeitsvermittlung6 ist in der Schweiz eine Betriebsbewilligung nötig (Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih). Die für diese Arbeit befragten Betreuungsunternehmen verstehen sich teilweise als Personalverleiher oder als Personalvermittler mit entsprechender Bewilligung, teilweise aber auch als Unternehmen, die sich weder zur einen noch zur anderen Form zählen. Da sich die hier thematisierten Home Care Unternehmen nicht eindeutig einer Betriebsform zuordnen lassen, zähle ich sie vereinfacht zum Oberbegriff der Arbeitsmarktvermittler. Für diese Arbeit ist die exakte juristische Betriebsform nicht von zentraler Bedeutung, vielmehr möchte ich die für LMIs charakteristische Position zwischen Kundschaft und Arbeitnehmenden betonen. Es geht mir darum, die Position von Home Care Unternehmen im dreiecksförmigen Arbeitsverhältnis zu beschreiben und die Rolle der Unternehmen bei der Gestaltung dieser Arbeitsbeziehungen zu thematisieren. 6 Die Arbeitsvermittlungsagentur führt eine stellensuchende Person und einen Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin zum Vertragsabschluss zusammen und erhält dafür Geld (Medici 2011, 28). 16 Teil II 3 Methodologie und Forschungsdesign Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, wie im Privathaushalt tätige Dienstleistungsunternehmen über ihre Tätigkeit und ihr Umfeld sprechen. Mein Forschungsinteresse liegt dabei herauszuarbeiten, welche Logiken, welche Legitimationsstrategien und welches Selbstbild den Sprechweisen von Vertreterinnen und Vertretern dieser Home Care Unternehmen zugrunde liegen. Zur Beantwortung dieser Fragen eignet sich ein diskurstheoretischer Forschungsansatz, der sich an den Arbeiten des französischen Philosophen Michel Foucault orientiert. Für mein Forschungsvorhaben wurden qualitative Leitfadeninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Home Care Unternehmen geführt. Bei der Planung und Durchführung der Interviews orientierte ich mich an den Überlegungen von Cornelia Helfferich (2009). Die Auswertung der Daten erfolgte anhand des diskurstheoretischen Ansatzes von Gordon Waitt (2010). Das folgende Kapitel zeigt die Schritte der empirischen Arbeit auf und soll den Forschungsprozess von der Definition der Zielgruppe über die Kontaktaufnahme bis hin zur Auswertung der Daten methodisch transparent machen. 3.1 Diskurstheoretischer Forschungszugang nach Michel Foucault Die Diskursanalyse, welche sich an den Ideen des französischen Philosophen und Historikers Michel Foucault orientiert, ist nicht als eine konkrete Methode, sondern als Forschungsperspektive zu verstehen (Keller 2007, 8). Foucault selbst hat in seinen Werken weder eine explizite Anleitung zur Durchführung einer Diskursanalyse noch eine generalisierbare Theorie gegeben (Bublitz et al. 1999, 15f.). Vielmehr zeigt er „ein begriffliches Instrumentarium, das im Sinne einer Werkzeugkiste verwendet werden kann“ (Schwiter 2011, 48). Der hier geschilderten diskurstheoretischen Forschungsperspektive liegt ein Verständnis von Sprache zugrunde, die Realität nicht abbildet, sondern sie hervorbringt. In diesem Sinn geht die Diskursforschung davon aus, dass die Analyse der Sprache Aufschluss darüber geben kann, wie soziale Wirklichkeiten entstehen und welchen Regeln sie folgen. 17 Weiter fragt sie, welches Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt als Wahrheit anerkannt wird und warum. Analyseeinheit ist der Diskurs, der in der Wissenschaft uneinheitlich definiert und interpretiert wird. Foucault selbst bezeichnet in seiner „Archäologie des Wissen“ Diskurse „als Praktiken (…), die systematisch die Gegenstände bilden von denen sie sprechen. Zwar bestehen diese Diskurse aus Zeichen; aber sie benutzen diese Zeichen für mehr als nur zur Bezeichnung der Sachen. (…). Dieses mehr muss man ans Licht bringen und beschreiben“ (1981, 74). Anders ausgedrückt formieren sich Aussagenbündel, die der gleichen Logik folgen, zu Diskursen: „Diskurse sind in eine sprachliche Form gegossene gesellschaftliche Praktiken. Durch permanente Wiederholung verfestigen sich diese Praktiken zu Strukturen in Form von Diskursen, die so selbstverständlich werden können, dass von ihren gesellschaftlichen Ursprüngen abstrahiert wird, diese vergessen werden und als allgemeine Gesetze erscheinen.“ Belina und Dzudzek 2009, 131 Aus dieser Definition geht hervor, dass verfestigte Redeweisen sich verselbständigen und „sich für eine bestimmte Zeit als unhinterfragte Wahrheiten etablieren“ (Schwiter 2011, 15). Genau dieses Selbstverständliche zu hinterfragen wird von Sigfried Jäger und Margarete Jäger als Leitlinie des Schaffens von Michel Foucault bezeichnet (2007, 7). Welche Aussagen als wahr akzeptiert werden, so schreibt Waitt, ist nicht zufällig, sondern das Resultat von gesellschaftlicher Ungleichheit (2010, 217). Somit müssen Diskurse immer innerhalb eines gesellschaftlichen und historischen Kontextes untersucht werden (ebd.). In anderen Worten wird die Sprache als Ausdrucksform von in einer Gesellschaft vorhandenem Wissen verstanden (Jäger und Jäger 2007, 24). Für diese Arbeit verstehe ich den Begriff „Diskurs“ wie von Jean Carabine vorgeschlagen als Gruppe von verfestigten Aussagen zu einem bestimmten Thema, die im Rahmen einer Diskursanalyse beschrieben und zueinander in Kontext gesetzt werden (2001, 268). Dabei werden die Diskurse bezüglich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und ihrer Wirkung untersucht (ebd.). Die einzelnen Arbeitsschritte bei der Anwendung der diskurstheoretischen Forschungsperspektive auf mein Textmaterial werden auf den folgenden Seiten beschrieben. 18 3.2 Datenerhebung Zielgruppe Das Selbstverständnis, welches Vertreterinnen und Vertreter von Home Care Unternehmen von der eigenen Tätigkeit und ihrer Rolle im Pflege- und Betreuungsmark der Schweiz angeben, steht im Zentrum dieser Arbeit. Als Home Care Unternehmen definiere ich private, gewinnorientierte Unternehmen, welche Pflege- und/oder Betreuungsdienstleistungen für hilfsbedürftige Personen in Privathaushalten anbieten. Durch die Verwendung des Begriffs „Care“ folge ich einer Reihe von deutschsprachigen Wissenschaftlerinnen, die den englischen Begriff vorziehen, da er anders als das deutsche Wort „Pflege“, auch Betreuungsarbeiten mit einschliesst und zudem eine emotionale Komponente (to care about) enthält (vgl. Brückner 2010; Lutz 2010; Schilliger 2012). Im Deutschen gibt es keine Übersetzung des Begriffs „Care“, der die breite Palette von verschiedenen Tätigkeiten im Privathaushalt gut zusammenfasst. Der Begriff „Home“ steht dafür, dass die Dienstleistungen ambulant, also im Privathaushalt, angeboten und durchgeführt werden. Die für diese Arbeit zentralen Home Care Unternehmen sind einerseits private Spitexorganisationen und andererseits reine Betreuungsunternehmen. Private Spitexorganisationen sind bewilligungspflichtige7 Unternehmen, die unter anderem auch krankenkassenanerkannte Leistungen in der medizinischen Pflege erbringen. Die meisten privaten Spitexorganisation bieten zusätzlich auch Betreuungsdienstleistungen an, allerdings hauptsächlich in Kombination mit medizinischer Pflege. Die „öffentliche“ Spitex, also die Non-Profit Spitex, welche im Bereich der ambulanten Pflege und Betreuung in der Schweiz die weitaus wichtigste Rolle übernimmt (Höpfliger et al. 2011, 12), wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht befragt. Zwar wird ihre Rolle in den geführten Gesprächen oft diskutiert, für meine Forschungsfrage ist sie jedoch insofern nicht relevant, da die öffentliche Spitex einen Leistungsauftrag mit den Gemeinden hat und kantonal subventioniert8 wird. Dementsprechend ist sie nicht gleichermassen der Marktlogik unterworfen wie die hier zentralen privaten und gewinnorientierten Home Care Unternehmen. Gewinnorientierte Betreuungsunternehmen führen keine medizinische Pflege aus und unterliegen daher auch keiner Bewilligungspflicht. Die von ihnen angebotenen reinen Betreuungsdienstleistungen werden deshalb auch nicht von der Krankenkasse übernom7 Zur Ausübung von medizinischen Dienstleistungen ist in jedem Kanton eine Betriebsbewilligung der entsprechenden Behörde erforderlich. 8 Art 112c Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999: „Die Kantone sorgen für die Hilfe und Pflege von Betagten und Behinderten zu Hause.“ 19 men. Das Angebot dieser Unternehmen umfasst eine Reihe von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten wie Putzen, Kochen und Waschen, wie auch eine vielfältige Palette von Betreuungsdienstleistungen, die von Gesellschaft leisten über Gespräche führen bis zu Begleitung zu Arztterminen reichen können (Truong 2012, 11). Betreuungsunternehmen können nach ihrer Organisationsform in Personalvermittler oder Personalverleiher eingeteilt werden. Diese beiden Betriebsformen sind in der Schweiz bewilligungspflichtig. Einige der befragten Unternehmen geben an, keine solche Bewilligung zu benötigen und sich als Dienstleistungsbetrieb, ähnlich der Spitexorganisationen, zu bezeichnen. Vielfach wurde die Unternehmensform in den Gesprächen gar nicht thematisiert, da sie für meine Forschungsarbeit nicht zentral ist. Das Dienstleistungsangebot auf dem Home Care Markt ist divers und reicht von der stundenweisen bis hin zu einer rund-um-die-Uhr Pflege und/oder Betreuung. Die stundenweise Betreuung und/oder Pflege wird bei allen befragten Unternehmen (sowohl bei den privaten Spitexorganisationen als auch bei den reinen Betreuungsunternehmen) von Arbeitnehmenden ausgeführt, die nicht im gleichen Haushalt leben wie die zu betreuende Person. Diese Arbeitnehmenden werden im weiteren Verlauf der Arbeit als live-outs bezeichnet. Bei den 24-Stunden-Betreuungsmodellen werden zwei Formen unterschiedenen: Das Schichtmodell und das live-in Modell. Beim live-in Modell wird die Betreuung von einer Person ausgeführt, die im gleichen Haushalt lebt und arbeitet wie die hilfsbedürftige Person. Andere Unternehmen bieten eine rund-um-die-Uhr Betreuung im Schichtmodell an, bei dem sich täglich mehrere Personen im Zwei- oder Drei- Schichtbetrieb à 12 oder 8 Stunden ablösen. Beim Schichtmodell lebt das Betreuungspersonal nicht im gleichen Haushalt wie der oder die Betreute. Allerdings kostet dieses Schichtmodell mehrere 10‘000 Franken im Monat und ist für die meisten Schweizer Familien nicht bezahlbar. Auffällig ist, dass im 24-Stunden-Modell mit live-ins fast ausschliesslich9 mit Ausländerinnen, sogenannten Pendelmigrantinnen, gearbeitet wird. Der Begriff „Pendelmigration“ bedeutet, dass die Betreuerinnen in regelmässigen Abständen zwischen der Schweiz und dem Herkunftsland hin und her pendeln. Typischerweise arbeiten und wohnen diese Care Migrantinnen einige Wochen bis mehrere Monate bei einer hilfsbedürftigen Person in der Schweiz. Danach werden sie von einer zweiten Betreuerin abgelöst und kehren für eine bestimmte Zeit in ihr Herkunftsland zurück, bevor sie erneut in die Schweiz einreisen um wiederum im gleichen Haushalt zu arbeiten. 9 Schweizerinnen als Betreuerinnen in live-in Arrangements sind sehr selten, kommen aber vor und wurden in einem der geführten Interviews erwähnt (Interview 10). Allerdings hat keines der befragten Betreuungsunternehmen aktuell einheimische Arbeitnehmende in einem 24-Stunden-Einsatz beschäftigt. 20 Insgesamt zeigt sich ein vielfältiges Bild von Unternehmen mit verschieden Angeboten, Organisationsformen und Arbeitsverhältnissen. Für meine Arbeit unterscheide ich die Home Care Unternehmen hauptsächlich anhand ihres Dienstleistungsangebotes. Ich orientiere mich dabei an der Einteilung nach Truong, welche das Angebotes einerseits anhand des „Grades der Qualifikation“ (Betreuung vs. Pflege), andererseits anhand der „Einsatzdauer“ (stundenweise vs. rund-um-die Uhr) unterscheidet (2012, 11). Eine genauere Charakterisierung von Home Care Unternehmen in der Schweiz liefert die Arbeit von Truong (2012, 9ff). Ich konzentriere mich für meine Untersuchung auf die Unternehmen, welche 24-StundenBetreuungsmodelle mit live-in Angestellten anbieten, da diese bezüglich Arbeitsbedingungen und Qualität des Angebotes stark in der medialen Kritik stehen. Betreuungsdienstleistungen und Hausarbeit unterliegen im Besonderen einem Legitimationsdruck, denn Hausangestellte im Privathaushalt sind in der Schweiz vom öffentlichen Arbeitsschutzrecht ausgenommen10. Das heisst, dass es kaum gesetzliche Vorgaben zur nicht-pflegerischen Arbeit im Privathaushalt gibt. Zwar ist am 1. Januar 2011 der Normalarbeitsvertrag Hauswirtschaft in Kraft getreten, der erstmal verbindliche Mindestlöhne für Hausangestellte festlegt (NAV 2010). Allerdings gelten für die übrigen Arbeitsbedingungen in der Hauswirtschaft, wie beispielsweise Ruhe- und Arbeitszeit, nach wie vor keine zwingenden Regelungen (Seco 2010). Im Gegensatz dazu ist die Arbeit von privaten Spitexorganisationen – wie die professionelle Pflege im Allgemeinen – starker staatlicher Regulierung unterworfen (Jähnke et al. 2012, 22). Um medizinische Pflegetätigkeiten ausüben zu dürfen, braucht es in der Schweiz eine Bewilligung. Darin wird auch klar definiert, welche Qualifikationen die Angestellten haben müssen (Gesundheitsdirektion Kanton Zürich, 2012). Ergänzend zu den Unternehmen, welche 24-Stunden-Betreuungsmodelle mit live-in Angestellten anbieten, wurden im Rahmen dieser Arbeit auch einige private Spitexorganisationen befragt. Aus den eben geschilderten unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen resultieren teilweise sehr gegensätzliche Perspektiven auf den Pflege- und Betreuungsmarkt. Die unterschiedlichen Aussagen in den Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern dieser zwei Unternehmenstypen ermöglichen es, widersprüchliche Logiken wie auch Gemeinsamkeiten in diesem diversen Markt aufzuzeigen. 10 Art. 2 Abs. 1 g Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG). 21 Zugang zu den Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern Im Auftrag der Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich führte das Geographische Institut der Universität Zürich eine Marktanalyse zu den in der Stadt Zürich tätigen Home Care Unternehmen durch. Ziel dieser explorativen Studie war es, die Charakteristika dieser Unternehmen herauszuarbeiten sowie die Beschäftigungsstruktur und Arbeitsbedingungen des Arbeitsmarktes Privathaushalt aufzuzeigen. Truong führte im Rahmen dieses Projektes im Dezember 2011 und Januar 2012 acht Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Home Care Unternehmen durch. In einem ersten Schritt wurde im Oktober und November 2011 vom Geographischen Institut der Universität Zürich eine Onlinerecherche zu den bestehenden Unternehmen in diesem Markt durchgeführt. Für meine Arbeit konnte ich auf diese Liste mit etwa 25 Home Care Unternehmen zurückgreifen, die eine Form von 24-Stunden-Betreuung in Privathaushalten anbieten. Aufbauend auf diesen Daten habe ich die Onlinerecherche weitergeführt und die Liste laufend ergänzt. Ende Februar 2012 waren mir etwa 40 Unternehmen bekannt, welche im Internet mit einer Homepage vertreten sind und 24-Stunden-Betreuung in der Schweiz anbieten. Augenfällig bei der Internetrecherche war die rasche Dynamik dieses Sektors. Einige Unternehmen der Liste waren im Zeitraum von zwei Monaten vom Markt verschwunden und neue sind hinzugekommen. Ausser den acht InterviewpartnerInnen, die bereits durch Truong befragt wurden, habe ich alle Unternehmen der Liste erneut per Mail und kurz darauf telefonisch kontaktiert und sie um ein ExpertInneninterview gebeten. Nur wenige der Angefragten waren auf Anhieb bereit, einem Interview zuzustimmen. Zwei Vertreter von Betreuungsunternehmen teilten mir telefonisch mit, ihr Unternehmen sei im Moment in der Schweiz nicht aktiv. Zwei andere waren über die auf der Homepage angegebenen Telefonnummern nicht zu erreichen. Die meisten Anfragen wurden mit der Begründung Zeitmangel abgelehnt. Die ablehnende Haltung vieler Unternehmen erkläre ich mir durch die oft negative Berichterstattung in den Medien und den vielen Anfragen zur Teilnahme an Projekten. So lief beispielsweise zeitlich parallel zu meinem Aufruf das Projekt der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), welches ebenfalls die Zusammenarbeit mit Home Care Unternehmen gesucht hat (Petry et al. i. E.). Dieses Projekt ist als Langzeitstudie aufgebaut und begleitet Familien, die eine Care Migrantin angestellt haben. Von Seiten der privaten Spitexorganisationen war die Bereitschaft für die Teilnahme an meinem Projekt hingegen sehr gross. Im Zeitraum von Ende Februar bis Ende April 2012 konnte ich acht Interviews durchführen. Vier davon waren mit Vertreterinnen und Vertretern von privaten Spitexorganisationen, vier mit Vertreterinnen und Vertretern von reinen Betreuungsunternehmen. Die meisten 22 der befragten Personen waren die Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer der Unternehmen selbst. Sieben der acht Interviews fanden in den Räumlichkeiten der Unternehmen statt, ein Interview wurde in einem Restaurant durchgeführt. Die Gespräche dauerten alle zwischen einer Stunde und 90 Minuten. Qualitatives Leitfadeninterview Für die Organisation und Durchführung der Interviews habe ich mich an den Ausführungen von Cornelia Helfferich (2009) orientiert. Anhand ihrer Anleitung erarbeitete ich einen Interviewleitfaden, der eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Interviewsituationen ermöglichte und der gleichzeitig so flexibel gestaltet war, dass den Gesprächslogiken der einzelnen InterviewpartnerInnen gefolgt werden konnte (für eine sehr nützliche Anleitung zur Gestaltung eines Interviewleitfadens siehe Helfferich 2009, 178ff). Den Interviewleitfaden habe ich entlang von vier Themenblöcken aufgebaut, analog zu meinen Forschungsfragen Würden Sie mir ihr Unternehmen vorstellen? (Themenfeld: Darstellung des Unternehmens) Welche Rolle nimmt ihr Unternehmen im Schweizer Pflege- und Betreuungsmarkt ein? (Themenfeld: Betreuungsmarkt/ Konkurrenz) Was macht aus Sicht Ihres Unternehmens eine gute Betreuerin aus? (Themenfeld: Arbeitnehmende und ihre Arbeit) Wie sehen die Lebensumstände Ihrer Kundschaft typischerweise aus? (Themenfeld: Kundinnen, Kunden, Angehörige) In allen geführten Interviews wurden diese vier Fragen gestellt, wobei die Reihenfolge der jeweiligen Gesprächslogik angepasst wurde. Die eben erwähnten Einstiegsfragen dienten als Erzählstimuli mit dem Zweck, eine Erzählung zu generieren. Weiter wurden im Interviewleitfaden Stichworte vermerkt, welche Themen angesprochen werden sollten. Wenn diese Aspekte nicht vom Gesprächspartner oder der Gesprächspartnerin im Fluss der Erzählung aufgegriffen wurden, konnte das Gespräch durch gezieltes Nachfragen in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Dies ermöglichte mir, die für mein Forschungsvorhaben wichtigen Punkte anzusprechen, aber dennoch individuell auf das jeweilige Gegenüber einzugehen und dessen Redefluss zu folgen. Der Leitfaden ist im Anhang 1 beigelegt. 23 Transkription Sieben der acht Interviews wurden mit Zustimmung der Befragten mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und anschliessend transkribiert. Eines der Interviews wurde nicht aufgezeichnet, dafür während und nach dem Gespräch ein Protokoll angefertigt. Die aufgezeichneten Gespräche wurden in gesamter Länge wörtlich transkribiert. Alle Personen und Orte wurden anonymisiert. Mayring (2002) weist auf mehrere Formen der Glättung von Texten bei der Transkription hin. Um den Transkriptionsaufwand so klein wie möglich zu halten und aus Gründen der Verständlichkeit habe ich die Texte bei der Transkription stark geglättet und vom schweizerdeutschen Dialekt ins Schriftdeutsche übertragen (vgl. Mayring 2002, 91). Da meine Forschung nicht auf sprachliche Details wie zum Beispiel die Betonung wert legt, sollten durch diese Glättung keine massgeblichen Nachteile entstehen. Gewisse schweizerdeutsche Ausdrücke, die ich nicht übersetzen konnte, habe ich kursiv markiert im Text belassen. Weitere Transkriptionsregeln sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Transkriptionsregeln Zeichen Bedeutung . . , Punkt am Ende eines Satzes Alle anderen Punkte Komma () Gedankenstrich Runde Klammern [] Eckige Klammern (…) Runde Klammer mit drei Punkten Paragraph § Kursiv 24 Kursiv geschriebene Ausdrücke Ende eines Satzes Pausen, pro Punkt eine Sekunde Unterteilung eines Satzes zur besseren Verständlichkeit Abbruch eines Satzes Anmerkungen zur nonverbaler Kommunikation Anmerkungen der Autorin/Transkriptorin Auslassungen im Zitat Ausdruck der Zustimmung der nicht sprechenden Person (z.B. mhm, ja, ok) Schweizerdeutsche Ausdrücke ohne Äquivalent in der deutschen Schriftsprache 3.3 Datenauswertung Diskursanalyse nach Gordon Waitt Zur Auswertung konnten nur die Interviews, welche aufgezeichnet und anschliessend transkribiert wurden, verwendet werden. Da die Sprache und Wortwahl für eine Diskursanalyse von grosser Bedeutung ist, genügt ein stichwortartiges Protokoll eines Gesprächs nicht, um die inhaltlichen Feinheiten des Gesagten herauszulesen. Das protokollierte Interview wurde nur ergänzend eingesetzt. Das Ausgangsmaterial für meine Analyse sind sieben Interviewtranskripte, welche ich selbst durchgeführt habe. Von der bereits erwähnten Marktanalyse von Truong (2012) konnte ich weitere sieben Transkripte von Interviews übernehmen. Obwohl diese Interviews zur Beantwortung der Frage nach der Organisation, der Struktur und den formellen Arbeitsbedingungen der Unternehmen konzipiert wurden, liefern sie ebenfalls Auskunft über das Selbstbild der Unternehmen und enthalten Informationen, wie sie über ihre Tätigkeit und ihr Umfeld sprechen. Insgesamt lagen mir somit 14 Interviewtranskripte mit Vertreterinnen und Vertretern von Home Care Unternehmen vor, die ich für meine Auswertung analysieren konnte. Vier davon waren Gespräche mit Vertreterinnen und Vertreter von privaten Spitexorganisationen, welche eine Bewilligung zur Ausübung von medizinischer Pflege haben und eine 24-Stunden-Pflege und -Betreuung im Schichtsystem mit einheimischen live-outs anbieten. Eines der befragten Unternehmen hat ein Spitexbewilligung und parallel dazu eine reine 24-Stunden-Betreuung mit live-ins im Angebot. Neun Interviews wurden mit Vertreterinnen und Vertretern von reinen Betreuungsunternehmen geführt, wobei die meisten mit einem live-in Modell arbeiten. Wie bereits erwähnt beinhaltet Michel Foucaults Werk keine explizite Anleitung und Methode zur Durchführung einer Diskursanalyse. Verschiedene WissenschaftlerInnen haben in der Auseinandersetzung mit Foucaults Werk Vorschläge erarbeitet, wie dessen Ideen operationalisiert werden können (z.B. Jäger und Jäger 2007, 297ff ; Carabine 2001, 267ff). Für die Auswertung der Interviews orientierte ich mich an den Ausführungen von Gordon Waitt (2010). Waitt gibt eine verständliche Anleitung zur Durchführung einer Diskursanalyse nach den Ideen Michel Foucaults. Er schlägt ein zweistufiges Codierverfahren vor, wobei das zu analysierende Textmaterial in einem ersten Schritt mit deskriptiven und in einem zweiten mit analytischen Codes versehen wird (Waitt 2010, 231ff.). Das Codierverfahren ist als iterativer Prozess zu verstehen, wobei die beiden Codierungsdurchgänge nicht isoliert voneinander durchgeführt werden, sondern parallel geschehen und aufeinander Einfluss nehmen. Für die Vergabe der deskriptiven Codes fasste ich die Abschnitte jedes Interviews mit einem deskriptiven Code zusammen. Dieser Code kann als Titel verstanden 25 werden, worüber im betreffenden Sinnabschnitt gesprochen wird. Waitts Ausführungen folgend teilte ich alle 14 Interviewtranskripte in Sinnabschnitte ein und bildete insgesamt etwa 30 deskriptive Codes, welche darstellen, worüber geredet wird. Diese Codes sind auf dem Codierblatt im Anhang 2 aufgelistet. Anschliessend gruppierte ich thematisch ähnliche Codes zu Themenfeldern. Für die analytische Codierung habe ich mich in alle Textstellen zum gleichen Themenfeld vertieft. Bei der Zuweisung der analytischen Codes geht es darum, Aussagensysteme herauszukristallisieren und die Ideen und Logiken, die ihnen zu Grunde liegen, zu abstrahieren und zu interpretieren. Bei der Auseinandersetzung mit den Textstellen habe ich mich an den folgenden Fragen orientiert: Worüber wird gesprochen? Was wird gesagt? Was nicht? Wie wird über das Thema gesprochen? Welches sind gemeinsame Aussagemuster? Was gibt es für Unterschiede? Was gibt es für Widersprüche? Was wird als natürlich angeschaut? Was muss legitimiert werden? Wie wird legitimiert? Eine Kritik betreffend der Verwendung von Interviewtranskripten zur Durchführung einer Diskursanalyse ist, dass die angesprochenen Themen durch den Interviewer oder die Interviewerin vorgegeben werden. Insofern ist zu beachten, dass die ersten beiden Fragen „Worüber wird gesprochen?“ und „Was wird gesagt?/Was nicht?“ innerhalb der gegebenen Interviewsituation verstanden werden müssen. So sind auch die entstandenen Themenfelder in direktem Zusammenhang mit den Interviewfragen zu verstehen. Die Themenfelder, welche aus der Gruppierung der Codes entstanden sind, sind grösstenteils identisch mit den Themenblöcken der Interviewfragen. Zur Analyse des Datenmaterials nutzte ich die Software ATLAS.ti11. Dabei handelt es sich um ein computergestütztes Auswertungsprogramm zur Codierung von qualitativen Interviews. Auf Grund der grossen Datenmenge von mehreren hundert Textseiten aus fast 20 Stunden aufgezeichneten Gesprächen, war es sehr hilfreich die Dokumente mit ATLAS.ti zu bearbeiten. Im Randbereich wurden die Transkripte codiert und die einzelnen Dokumente untereinander vernetzt, was ein gezieltes Abfragen von bestimmten Textstellen ermöglichte und die Analyse stark vereinfachte. 11 http://www.atlasti.com/ 26 Teil III Im folgenden Teil meiner Arbeit beschäftige ich mich mit den vier Themenfeldern Arbeit (Kapitel 4), Arbeitnehmerin (Kapitel 5), Kundschaft12 (Kapitel 6) und Konkurrenz (Kapitel 7). Im Zentrum meines Forschungsinteresses steht die Frage, wie Vertreterinnen und Vertreter von Home Care Unternehmen über diese Themen sprechen und welche Wirkungen gemeinsame Aussagenmuster entfalten können. Meine Analysearbeit besteht darin, für jedes Themenfeld gemeinsame Aussagemuster herauszuarbeiten und zu beschreiben. Themenübergreifend bringen die Aussagen und Sprechweisen der Befragten verschiedene Selbstverständnisse und Legitimationsstrategie der Unternehmen zum Vorschein. Diese werden im abschliessenden Kapitel 8 nochmals aufgegriffen und zusammengefasst. Im Zentrum dieser Zusammenstellung stehen Unternehmen, welche reine Betreuungsdienstleistungen anbieten und keine Bewilligung als Spitexorganisation besitzen. Wie eingangs erwähnt, besteht bei solchen Dienstleistungsunternehmen im Besonderen ein Legitimationsbedarf, weil es kaum gesetzliche Vorgaben zur nicht-pflegerischen Arbeit im Privathaushalt gibt. Wenn nicht anders angegeben, spreche ich von reinen Betreuungsunternehmen. Zur Kontrastierung werden Aussagen von krankenkassenanerkannten privaten Spitexorganisation hinzugezogen. Diese folgen in den meisten Bereichen auf Grund unterschiedlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen ganz anderen Logiken. Im Text werden sie immer explizit als private Spitexorganisationen erwähnt. 4 Themenfeld Arbeit „Auch die Arbeitszeit, nur schon die Arbeitszeit. (…). Für jede Serviertochter ist das irgendwie geregelt, oder? Wer in der Nacht arbeitet- Auch für Pflegepersonal, das ist alles geregelt. Aber für eine betreuerische Tätigkeit so- Was heisst acht Stunden oder neun 13 Stunden arbeiten, wenn man 24 Stunden bei jemandem ist?“ Interview 10: 00:28:14-0 Ein zentraler Vorteil der rund-um-die-Uhr Betreuung ist für die Betreuten und deren Angehörige die Sicherheit, die entsteht, wenn eine Betreuungsperson 24 Stunden im Haus12 Mit dem Begriff „Kundschaft“ bezeichne ich sowohl die zu betreuende Person als auch ihre Angehörigen. Synonym verwende ich auch den Begriff „Kundenfamilie“. Beide Begriffe sind geschlechtsneutral und beinhalten somit alle weiblichen und männlichen Personen gleichermassen. 13 Die Zahlen sind Zeitangaben im Interview und bezeichnen Stunden:Minuten:SekundenHundertstelsekunden vor dem nächsten Sprechwechsel. 27 halt anwesend ist. Gleichzeitig bedeutet dies für die Betreuerinnen, dass durch das Zusammenleben im gleichen Haushalt und die daraus resultierende Abrufbereitschaft, die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmt. Auf die Entgrenzung der Arbeitszeit wird in verschiedenen Studien, die sich mit den Lebens- und Arbeitbedingungen von Betreuerinnen in 24-Stunden-Arrangements auseinandersetzen, hingewiesen (vgl. Karakayali 2010; Schilliger 2011; Truong 2011). Dieser Aspekt der Betreuung von betagten und kranken Menschen im Privathaushalt durch live-ins wird auch medial angeprangert (z.B. im Tagesanzeiger vom 06.06.12: „Private Pflegerinnen arbeiten unter widrigen Umständen“). Für die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, welche mit diesem Modell arbeiten, entsteht bezüglich Arbeitszeitregelung ein Legitimationsdruck, da für Hausangestellte weder zwingende rechtliche Regelungen bezüglich Nachtarbeit und Arbeitsbereitschaft bestehen, noch wie diese entlöhnt werden müssen (Medici 2011, 17). So wenden die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer verschiedene Legitimationsstrategien an, welche ich im folgenden Abschnitt darstellen möchte. 4.1 Normalisierung im Vertrag, Spezialfall in der Praxis Aus Sicht der Befragten besteht ein Klärungsbedarf, was unter einer 24-StundenBetreuung verstanden wird. Mehrfach wird von Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht um eine Arbeitszeit von 24 Stunden handle. „Die 24- Ja, die äh 24-Stunden- Äch 24-Stunden-Aufträge, ich hasse das Wort (lacht). Es heisst - es hört sich so an wie 24-Stunden arbeiten, oder?“ Interview 3: 00:12:08-8 „Gut, es ist 24-Stunden Anwesenheit. Das heisst aber nicht, dass die Leute 24 Stunden arbeiten.“ Interview 8: 00:24:27-7 „Rund-um-die-Uhr heisst einfach, dadurch dass der Mitarbeiter dort wohnt ist er halt mehr anwesend. Das heisst nicht, dass er verpflichtet wird 24 Stunden in der Ecke zu warten bis die andere Person ruft.“ Interview 2: 00:37:19-8 „(…) wobei das Wort 24-Stunden sofort zu grossem Aufschreien äh bewegt. Ich möchte das gleich mal klarstellen und reduzieren. Die effektive Arbeitszeit ist (…) für eine 24Stundenkraft ist bei einem normalen Hilfsbedürftigen (…) die reine Arbeitszeit ist normalerweise zwischen fünf und sechs Stunden. Den Rest sieht man als Bereitschaft. Und das Wort Bereitschaft ist zum Glück noch niemandem eingefallen gesetzlich zu definieren, wie das einzustufen ist, finanziell beziehungsweise rechtlich.“ Interview 14: 00:12:24-7 Beim letzten der vier Zitate kommt noch ein weiteres Element dazu, welches über eine reine Aufklärungsbotschaft geht. Die Arbeitszeiten werden klar festgelegt, in dem sie von der reinen Anwesenheit unterschieden werden. Im obigen Zitat sind es fünf bis sechs Ar- 28 beitsstunden täglich. Daraus folgt als wiederkehrende Legitimationsstrategie die vertragliche Regelung der Arbeitszeiten. „Also nach dem Vertrag, arbeiten sie um die, zwischen- Also ich leg, wir legen das- Das machen alle gleich mittlerweile. Das legen wir zwischen fünf und sieben Stunden fest.“ Interview 1: 00:50:07-6 „Und wir haben im Prinzip im Vertrag drin Blockzeit, oder?“ Interview 2: 01:26:51-0 „Also im Arbeitsvertrag haben wir die neun Stunden.“ Interview 3: 00:36:12-3 „Eigentlich haben sie eine ganz normale Arbeitswoche, eigentlich eine 40 Stunden Woche.“ Interview 7: 00:14:40-5. Durch die Festlegung von regulären Arbeitszeiten im Vertrag sichern sich die Unternehmen rechtlich ab und erwecken den Anschein, dass es sich bei der Betreuungsarbeit im Privathaushalt um eine Dienstleistung wie jede andere handelt, mit geregelten Arbeitzeiten und einem geregelten Einkommen. Wie den Zitaten zu entnehmen ist, ist die Normalisierung der Arbeitszeit mit einem ABER verbunden: „Eigentlich haben sie eine ganz normale Arbeitswoche“ (Interview 7: 00:14:40-5) und „Nach dem Vertrag arbeiten sie (…) zwischen fünf und sieben Stunden“ (Interview 1: 00:50:07-6), aber im Alltag gestaltet sich diese Trennung zwischen Arbeit und Freizeit als schwierig. So kann im Widerspruch zu dieser Normalisierungsstrategie ein weiteres Argumentationsmuster ausgemacht werden. Die Arbeit im Privathaushalt wird immer auch als Spezialfall dargestellt, bei dem die Arbeit eben nicht wie „in einer Fabrik [ist] oder so. Man kann nicht einfach das Zeug durchlassen und täg-täg-täg“ (Interview 2: 00:39:06-2). In der gleichen Logik schildert eine weitere Gesprächspartnerin, dass die Arbeit im Privathaushalt ihren eigenen Regeln folgt: „Weil das, was man sich wünscht, Arbeitszeiten zwischen 9 und 17 Uhr, einfach so nicht machbar ist. Das geht nicht. Man kann einen Menschen nicht in einen Schrank stellen wie ein Auto in eine Garage. Und das ist das Problem mit den Arbeitszeiten. Selbst wenn das geregelt ist und dasjenige frei hat, kann ich die Eventualität, dass was passiert nicht abstellen.“ Interview 1: 01:09:10-0 Begründet wird der Spezialfall Privathaushalt mit der Argumentation, dass jeder Mensch anders ist und jede Situation individuell zu regeln sei: „Das ist alles individuell. Also das muss man dann einfach schauen. Oftmals verändert das sich ja auch im Laufe der Zeit die Situation der Kunden.“ Interview 8: 00:25:21-5 „Dieses Management [des Haushaltes] übergebe ich dir [der Betreuerin]. Du tust, für dass du deinen Job erfüllen kannst, isst du dort, und duschst dich dort und schläfst dort. Und arrangierst dich mit der Familie. Kommt vielleicht eine Tochter und sagt: Ich bin Lehrer, ich habe am Mittwochnachmittag frei, dann gehe ich zu meinem Mami zum Kaffee trinken und zum Plaudern. Und dann hast du Ausgang. Ein Anderer sagt: Wir nehmen Sie mal an einem Samstag oder Sonntag. Das ist dann individuell.“ Interview 4: 00:57:05-6 29 Von der Arbeitnehmerin wird somit erwartet, dass sie sich flexibel der jeweiligen Kundschaft anpasst und sich in den Kontext des Haushaltes einfügt. Ihre eigenen Bedürfnisse werden in diesem Zusammenhang nicht zur Sprache gebracht. Wie die ideale Arbeitnehmerin aus Sicht der Unternehmen dargestellt wird und welche Eigenschaften von ihr erwünscht werden, wird im Kapitel 5 zum Themenfeld Arbeitnehmerin behandelt. Eng verknüpft mit der Frage, wie die Arbeitszeit geregelt wird, ist die Frage, was überhaupt als Arbeit gilt. Auch hier kommt dieselbe Logik zum Tragen, wie schon bei der Darstellung der Arbeitszeiten. Einerseits wird im Vertrag ein Pflichtenheft festgesetzt: „und [wir] machen dann eigentlich Leistungsnachweise, wo die Leistungen ungefähr beschrieben werden“ (Interview 1: 00:50:07-6). Allerdings bleibt daneben wiederum ein grosser Spielraum, was im Einzelfall als Arbeit angesehen wird. Auch in diesem Zusammenhang wird die Betreuungsarbeit als Spezialfall beschrieben, der individuell geregelt werden muss: „Ist zusammen fernsehen, ist das auch Arbeit? Das ist eine gute Frage. Ich glaube, ich denke dass es schon zu Situationen kommt, wo die Damen dann abends gemeinsam einen Film anschauen. Das gehört ja auch zum Gesellschaftlichen. Das ist ganz unterschiedlich, manche Kunden möchten dann auch alleine sein, und möchten ihre Intimsphäre haben. Also das ist dann ganz individuell.“ Interview 8: 00:33:18-7 „Es hat dann immer noch diesen Graubereich, man wohnt in einer WG zusammen, ein Teil ist auch geteilte Freizeit. Ich habe mal eine Mitarbeiterin gehabt, die hat das sehr gut geschildert. Die hat gesagt, ob ich jetzt in meinem Zimmer für mich alleine Tagesschau schaue, oder ob ich die zusammen mit meiner alten Lady schaue, und wir nachher noch ein bisschen diskutieren darüber, was wir gesehen haben und ich so den Feierabend geniesse, ist das Arbeit oder ist das frei? Ich weiss es nicht. (…) Aber das ist in jedem Fall anzuschauen und zu prüfen.“ Interview 9: 00:38:00-4 „Also nur schon mal die Tatsache, dass man in einem Haushalt ist, und der Betreute liest zwei Stunden lang Zeitung. Jetzt was macht der Betreuer? Er kann auch Zeitung lesen. Und dann ist das aber nicht mehr Arbeit, sondern das ist dann eigenes Vergnügen, sage ich jetzt mal. §. Aber das ist ja dann nicht mehr Arbeitzeit. Und was ist auch Arbeit? Ist es Arbeit, wenn jemand schnell die Küche aufräumt, was er zu Hause eh machen würde. Also da, wie soll ich sagen, wir können es nicht 100% abgrenzen.“ Interview 10: 00:46:56-5 „Das ist ganz individuell. Arbeit? Ja, das ist auch so eine Einstellungssache. Arbeit würde ich das jetzt nicht so nennen. Das ist einfach- Die Leute wissen, in den 14 Tagen sind sie für den Menschen da, und versuchen da das bestmöglichste zu machen.“ Interview 8: 00:33:18-7 Verschiedenen Graubereiche werden von Unternehmerinnen und Unternehmer bezüglich Arbeitszeit und Arbeitsbegriff zur Sprache gebracht und zum Teil auch als problematisch dargelegt. Zusammenfassend spricht das folgende Zitat nochmals die Einordnung der Arbeit im Privathaushalt an, die von den Befragten zwischen individueller Regelung und normalisierender Festsetzung in Vertragsform positioniert werden kann: „Also ich mache ja mit den Betreuerinnen einen Vertrag und da drin sind die Arbeitszeiten geregelt, die ich im Voraus mit den Angehörigen bespreche. (…). Aber ganz genau einhal- 30 ten kann man das nicht, weil das schwierig ist. Es kommt immer wieder irgendetwas. (…). Ich versuche das schon so zu fixieren, aber im Haushalt ist das schwierig, oder. Ich versuche das schon aufzuschreiben, aber ich- Ich weiss, dass man das nicht immer einhalten kann. §. Wenn sie natürlich dann in der Nacht noch aufstehen müssen, da frage ich dann nach, denn ich gehe regelmässig vorbei, dann muss ich das lösen. Dass sie ihre Nacht- Dass sie ihre Ruhezeiten einhalten können. Aber das ist eine Herausforderung, das so einzuhalten.“ Interview 6: 00:39:29-2 Weiter zeigt die obige Textstelle, dass die Regelung der Arbeitszeit als Aushandlungsprozess zwischen Unternehmen, der Kundschaft und der Arbeitnehmerin verstanden wird. Der Diskurs, wer dafür verantwortlich ist, dass die Betreuerinnen im Sinne der Befragten nicht ausgenutzt werden und entsprechende Arbeitsbedingungen vorfinden, wird im nächsten Kapitel dargestellt. In diesem Kapitel wurde aufgezeigt, dass die Betreuungsunternehmen die Arbeit im Privathaushalt einerseits normalisieren und sie auf Ebene des Vertrages als ganz normalen Job darstellen. Auf der anderen Seite, wenn es um die Praxis geht, stellen die Befragten die Betreuungsarbeit als Spezialfall dar. Ich denke, dieses Spannungsfeld zeigt sehr gut die widersprüchlichen Bedürfnisse, welche diese Unternehmen zu erfüllen versuchen. Sie positionieren sich alle in einem legalen Rahmen im Schweizer Betreuungsmarkt. Die Legalität ist ein wichtiges Verkaufsargument, wodurch sich die befragten Unternehmen auch vehement von den aus dem Ausland agierenden Agenturen abgrenzen (vgl. Kapitel 7 Themenfeld Konkurrenz). Mittels der Festlegung der Arbeitszeit in Vertragsform wird die Betreuungsarbeit als ganz normaler Job mit gesetzeskonformen Verträgen dargestellt. Gleichzeitig liegt der Hauptvorteil des live-in Betreuungsmodells aus Sicht der Kundschaft in der ständigen Anwesenheit einer Betreuungsperson. Die Besonderheiten der personenbezogenen Dienstleistung, wie die Abhängigkeit des pflegebedürftigen Menschen von der Betreuungsperson sowie die emotionale Komponente, die beim Zusammenleben entsteht (Madörin 2007), lassen die Trennung von Freizeit und Arbeit schwierig werden. Die Arbeitszeitenregelung bei live-in Angestellten ist ein Graubereich, der auch im NAV für Hauswirtschaft (2010) nicht verbindlich geregelt ist und leicht ausgenutzt werden kann. Der Graubereich der Arbeitszeitenregelung im live-in Arrangement steht somit im Widerspruch zur legalen Positionierung im Markt und wird mit einer Spezialfallrhetorik legitimiert. Ich vermute, dass die Unternehmen einer klareren gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit ambivalent gegenüberstehen. Solange nur die im Vertrag festgelegten Arbeitsstunden entlöhnt werden müssen und nicht die ganze Anwesenheit, bleibt das 24Stunden-Betreuungsmodell für eine breite(re) Bevölkerungsschicht erschwinglich. Der niedrige(re) Preis des Angebotes ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil der Betreuungsunternehmen gegenüber privaten Spitexorganisationen. Ich interpretiere die hier geschilderte Darstellung der Betreuungsarbeit zwischen Normalität und Spezialfall im Kontext der 31 widersprüchlichen Unternehmensstrategien „Bezahlbarkeit“ (vgl. Kapitel 6 Themenfeld Kundschaft) und „Legalität“ (vgl. Kapitel 7 Themenfeld Konkurrenz). 4.2 Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Arbeitszeit Wie im oberen Abschnitt aufgezeigt wurde, wird das Betreuungsarrangement mit live-ins als Spezialfall dargestellt. Als Folge dieser Individualisierungsstrategie überträgt das Unternehmen der Kundschaft und den Mitarbeitenden einen Teil der Verantwortung für die Arbeitsbedingungen im Privathaushalt. In dieser Logik heisst das, dass es für das Unternehmen, da jedes Betreuungsarrangement anders geartet ist und jeder Fall ein Spezialfall ist, nicht möglich ist, jede Eventualität abzudecken und die gesamte Verantwortung für die Arbeitsbedingungen, im Besonderen die Einhaltung der vertraglich festgesetzten Arbeitszeit, zu übernehmen. Die Verantwortung wird nicht nur vom Betreuungsunternehmen getragen, sondern auch an die Arbeitnehmenden und die Kundschaft abgegeben. Es scheint zwar ein Konsens darüber zu herrschen, dass die Arbeitszeit so zu gestalten sei, dass die Betreuerin genug Freizeit hat, nicht zuletzt auch, um die Qualität der Betreuung zu gewährleisten: „Das ist auch nicht mehr fair gegenüber dem Betreuten. Das muss man schon auch sehen. Man will ja sein Wohl und da kann es nachher nicht sein, dass dann alles schief läuft. Und am Ende ist er der Leidtragende von dieser ganzen Geschichte. Oder?“ (Interview 9: 00:52:31-0). In den Gesprächen wird ein Diskurs darüber geführt, wer für die Einhaltung der Arbeitszeit verantwortlich ist. Je nach Betreuungsunternehmen wird die Verantwortung unterschiedlich stark auf Unternehmen, Arbeitnehmerin und Kundschaft verteilt. Die Extremposition, dass die Verantwortlichkeit nur bei einer der drei Parteien liegt, ist in keinem der geführten Gespräche aufgetaucht. Verantwortung beim Home Care Unternehmen „Und darum habe ich das eben vorhin gesagt, das ist schon ein wichtiger Punkt, dass wir eben verantwortlich sind, dass der Mitarbeiter zu seiner Freizeit kommt. Weil wenn man das eben ausnützen will, dann könnte man den problemlos dazu zwingen, dass er mehr arbeitet, als in dem Vertrag steht. Das ist kein Problem, oder? Das ist auf jeden Fall.“ Interview 2: 01:31:38-2 Alle befragten Unternehmen geben im Gespräch an, eine Verantwortung gegenüber der Kundschaft und der Arbeitnehmerin wahrzunehmen. Sie ist ein zentrales Element des Selbstverständnisses der Home Care Unternehmen und auch eine Legitimation ihrer Existenz. 32 „Und da gibt es fast kein schwarz weiss, da ist es halt schnell mal hell- oder dunkelgrau. §. Und dort muss man sich einfach als Anbieter abgrenzen, und sagen: Es darf nicht mehr als eben x Stunden am Tag Arbeit bedeuten. Und diese Person muss dann eben auch Freizeit haben können. Also das ist schon noch wichtig, dass das nicht eine moderne Sklaverei wird dann. Also die Versuchung ist dann schnell mal von den Angehörigen, ja das ist dann noch eine billige Putzfrau. Und dort muss man natürlich schon den Finger draufhalten. Das ist wichtig.“ Interview 10: 00:28:52-0 Im obigen Zitat wird die Verantwortung des Unternehmens hervorgehoben und dem Unternehmen eine Beschützerrolle gegenüber der Mitarbeitenden zugeschrieben. Dass die Arbeit im Privathaushalt in besonderem Masse gefährdet ist für eine Ausnutzung durch die Kundenfamilie, wird auch in einem weiteren Gespräch erwähnt: „Wir stehen im Kontakt mit unseren Betreuerinnen. Die haben alle ein Handy. Und wenn sie nicht sicher sind ob sie was machen dürfen, dann rufen sie uns an. Wir schützen auch unsere Betreuerinnen vor Ausnützung durch den Kunden. Weil sie manchmal nicht wissen, ob das nun Bestandteil vom Job ist oder nicht.“ Interview 7: 00:27:38-4 Das Selbstverständnis der Unternehmen als Kontrollinstanz wird mit verschiedenen Elementen umgesetzt. Bevor ein Betreuungsarrangement zustande kommt, wird die Situation beim zukünftigen Kunden oder der zukünftigen Kundin genau geprüft. Je nach Unternehmen geschieht diese Analyse in einem persönlichen Gespräch vor Ort im Haushalt, per Telefon oder auch per Onlinefragebogen: „Wir haben einen Onlinefragebogen im Internet. Und in diesem Fragebogen wird nach allen relevanten Dingen gefragt. Das dient a) dazu, die Bedürfnisse vor Ort zu eruieren. Das dient b) dazu der Arbeitskraft klar zu machen, was auf sie zukommt.“ Interview 14: 0:43:03-9 Ein weiteres Element ist die laufende Überprüfung des Auftrages durch Vertreterinnen und Vertreter der Betreuungsunternehmen. Dies wird durch regelmässige Kontrollbesuche oder auch durch Telefonate umgesetzt. „Ich verlange von einer Betreuerin, äh, wöchentlich, dass sie mich kontaktiert. Wenn alles tiptop läuft, (…), dann kann man auch nur ein Sms machen. Ich will wissen, ob alles gut läuft. Nicht? Und ähm, dann frage ich natürlich: Ja, ist alles bestens? Und äh, es steht ja auch im Vertrag, wenn etwas Unzumutbares passiert- Was auch immer. Dazu gehört auch wenn jemand äh stundenmässig zu, zu stark beansprucht wird. Dann muss er sich, gerade sofort melden. Damit, damit ich’s abstellen kann.“ Interview 4: 01:15:35-9 „Und das Ganze wird betreut und gecoached durch Vertreter von uns, die einmal alle drei Wochen mindestens vor Ort sind. Die prüfen, stimmt das, was wir abgemacht haben? Geht das auch auf mit dem Arbeitsauftrag? Geht das auf mit den Arbeitszeiten?“ Interview 9: 00:11:59-7 Ein weitverbreitetes Element ist die Protokollführung, um die Geschehnisse im Privathaushalt zu dokumentieren: 33 „Vor Ort führen die Damen [Betreuerinnen] eine Dokumentation. Also da wird wirklich alles ganz genau aufgeschrieben, was gemacht wird. Wie die Veränderung eben ist und dann kann man genau erkennen, wie die Veränderungen sind. Und das sieht man ja, also man hat ja ständig Kontakt.“ Interview 8: 00:26:59-7 Die aufgeführten Elemente zur Kontrolle werden alle auch von den privaten Spitexorganisationen angewendet. Dennoch folgen die krankenkassenanerkannten Anbieter von Pflege- und Betreuungsdienstleistungen einer ganz anderen Logik bezüglich Arbeitsbegriff und Arbeitszeit. Da die privaten Spitexorganisationen ausschliesslich mit live-outs arbeiten, wird kein Unterschied zwischen Arbeitszeit und Präsenzzeit gemacht. Jede Stunde, in der die Arbeitnehmerin anwesend ist, wird entlöhnt. „Eine 24-Stunden-Betreuung ist bei uns in der Regel in einem Drei-Schicht-System abgedeckt. Es macht jemand einen Frühdienst, jemand einen Spätdienst und jemand eine Nachtwache. Und ja, [das] kann dann wirklich bis zu 24 Stunden pro Tag dauern oder sogar noch mehr, wenn die Pflegeleistungen zu gewissen Zeiten sehr intensiv sind, dass dort sogar zwei Personen vor Ort sein müssen, gleichzeitig, überschneidend. (…) wir machen keine Pauschalangebote, wo wir sagen, wir bieten Ihnen jemanden, der bei Ihnen wohnt für 24 Stunden und machen ein attraktives Angebot. Bei uns ist wirklich der Stundentarif.“ Interview 13: 00:23:08-7 Bei den Betreuungsunternehmen mit dem live-in Betreuungsmodell bleibt ein wesentlicher Teil der Anwesenheitszeit der Arbeitnehmerin für das Unternehmen selbst unkontrollierbar. Eine Strategie, mit dieser Besonderheit im Privathaushalt umzugehen, ist die Abgabe eines Teils der Verantwortung an die Kundschaft. Verantwortung bei der Kundschaft Aus Sicht der Vertreterinnen und Vertreter der Home Care Unternehmen birgt die live-in Situation Risiken zum Missbrauch durch die Kundenfamilie. Allerdings soll diese Gefahr durch die Kontrolle der Unternehmen stark eingeschränkt werden. Ausserdem gibt ein Gesprächspartner an: „Wir haben ja goldige Familien eigentlich in der Schweiz. Niemand will eine Betreuerin als Sklavin halten“ (Interview 4: 01:08:59-7). Dieser Logik folgend leistet die Kundenfamilie einen grossen Beitrag an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer Betreuerin. Als Konsequenz davon überträgt das Home Care Unternehmen einen Teil der Verantwortung zur Einhaltung des rechtlichen Rahmens an die zu betreuende Person und ihre Familie. „Im Leistungsauftrag [wird] ganz klar geregelt, wer von der Familie ablösen geht, damit unsere Leute gezielt wirklich frei machen können, wo sie dann wirklich frei sind.“ Interview 9: 00:38:00-4 34 „Äh bei uns steht im Vertrag: Sie [die Kundschaft] haben Kenntnis davon genommen, dass der Mitarbeiter zwei Tage frei hat in der Woche. Ich weiss nicht, ob das jeder in den Vertrag hinein schreibt. Das kann man auch äh- also offen lassen, oder? Nicht so sagen, oder so? Wir finden das wichtig und das sieht im Prinzip auch jeder Kunde grad ein, ist ja logisch. Der kann ja nicht sieben Tage am Stück parat sein. (…). Und darum steht nachher da der Satz: Von der Arbeitszeit- Freizeitregelung habe ich Kenntnis genommen. Zwei Tage pro Woche sowie zwei bis drei Stunden. Also selbst, wenn er acht Stunden arbeiten muss, muss er ja- einfach äh seine Freizeit haben, oder?“ Interview 2: 00:38:55-8 Aus den obigen Aussagen lässt sich ein bekanntes Muster herauslesen. Die Verantwortlichkeit zur Einhaltung der Arbeitszeit wird zur Absicherung des Unternehmens in schriftlicher Form festgesetzt und den Angehörigen übertragen. Die Betonung auf „bei uns steht im Vertrag“ lässt erneut eine Diskrepanz zwischen Vertrag und Praxis vermuten, wie sie im letzten Kapitel dargestellt wurde. Unter der Aufsicht der Unternehmen wird zwischen Betreuerin und Familie ausgehandelt, wann und wieviel Freizeit die Betreuerin erhält. Ein Gesprächspartner, dessen Unternehmen Betreuerinnen vermittelt, beschreibt diesen Aushandlungsprozess bezüglich Freizeit der Betreuerin folgendermassen: „Wir [die Angehörigen] wohnen neben dran oder wir wohnen zwei Kilometer entfernt äh die Kraft kann ruhig am Samstag und Sonntag fast den ganzen Tag frei haben, weil wir in der Nähe sind und unsere Mutter ja eh besuchen. Dann erübrigt sich das. Dann sage ich natürlich, umso besser. Wunderschön für die Kraft, wenn sie hier den Freitag und den Samstag oder den Samstag und den Sonntag komplett frei hat, dann ist das wunderbar. Allerdings erachten wir es als unsere Pflicht, die Familie nicht dazu zu zwingen eine zweite Kraft einzustellen, die dann für Samstag und Sonntag die Arbeit übernimmt. Wir hoffen und drängen darauf, dass die Kraft mindestens zwei halbe Tage frei bekommt in der Woche.“ Interview 14: 00:56:55-8 Während im eben erwähnten Fall das Unternehmen nur Empfehlungen abgibt, und die Familien nur „drängt“ und nicht „zwingt“, für genügend Freizeit zu sorgen, wird das bei anderen Unternehmen viel strikter kontrolliert. Wie stark die einzelnen Unternehmen die Kundschaft zur Verantwortung zieht, wird bei den befragten Unternehmen sehr unterschiedlich gehandhabt. Nach Aussage eines weiteren Betreuungsunternehmens werden die Angehörigen gar nicht eingebunden, stattdessen kommt eine vom Unternehmen angestellte Pflegefachfrau zur Ablösung der Betreuerin vorbei: „An zwei Tagen in der Woche kommt einfach noch eine Krankenschwester, die für uns arbeitet, und die macht dann auch Betreuung. (…). Die [Betreuerinnen] haben dann frei, die haben wirklich frei. Sie können machen was sie wollen.“ Interview 7: 00:43:52-3 Wie im letzten Abschnitt gezeigt wurde, werden die Angehörigen je nach Betreuungsunternehmen unterschiedlich stark eingebunden. Hingegen ist bei allen Home Care Unternehmen mit live-in Modell augenfällig, dass ein wesentlicher Teil der Verantwortung zur Einhaltung der festgelegten Arbeitszeit an die Arbeitnehmerin abgegeben wird. 35 Verantwortung bei der Arbeitnehmerin „Ich muss sagen, höchstens in x muss ich sagen, ist (…) der Abend halt lang, weil sie [die Kundin] schaut jeweils so lange Fernsehen. Oder? Wobei da muss ich auch sagen eben, ihr [die Betreuerinnen] müsst einfach schauen. Also du musst aufstehen und sagen: So ich bin müde, ich glaube ich gehe langsam schlafen. Weil dann würde die Dame auch gehen, oder? Das muss man wie so halt ein bisschen steuern. Und sonst würde sie bis um 23 Uhr fernsehen.“ Interview 3: 00:37:08-4 Die Arbeitnehmerin wird ganz selbstverständlich damit beauftragt, selbst für genügend Freizeit zu sorgen. Auch die Elemente, welche die Unternehmen zur Kontrolle im Privathaushalt einsetzen (Besuche, Anrufe, Protokolle), funktionieren nur dann, wenn die Betreuerin auftretende Probleme auch mitteilt und ein Vertrauensverhältnis zwischen der Betreuerin und den Vertretern des Unternehmens besteht. Das Unternehmen legt die Rahmenbedingungen fest und begründet dies folgendermassen: „Ja, wir können ja äh natürlich nicht minutiös jeden Handgriff kontrollieren. Wir können nur das Grosse erfassen“ (Interview 2: 00:58:15-1). Die Umsetzung im Alltag wird der Betreuerin überlassen: „Das teilt sich die Betreuerin so ein, wie das eben zeitlich für sie gut ist“ (Interview 8: 00:24:277). Von den Arbeitnehmerinnen wird somit ein hohes Mass an Selbstständigkeit und Selbstverantwortung erwartet. „Aber schlussendlich ist es, ist es für uns wichtig, dass die eben einfach auch äh, äh eine grosse Selbstverantwortung, eine grosse Selbstständigkeit an den Tag legen. Dass sie einfach wissen, das ist jetzt nötig, und das ist jetzt wichtig für den Kunden, für sie, für den Ablauf, oder dass sie auch mal sagen: Hey, nein! Um sich eben auch selber abgrenzen zu können, die müssen sich auch selber kennen. Wieviel sie machen können.“ Interview 2: 00:59:11-5 Die Unternehmen legitimieren sich damit, dass sie bei der Wahl der Betreuerinnen im besonderen Masse auf die Kriterien Selbstständigkeit und Selbstverantwortung achten, wobei dem Alter diesbezüglich gewisse erwünschte Charaktereigenschaften zugeschrieben werden: „Und unser Konzept ist wirklich Betreuung zu Hause (…) nicht [durch] junge Mädchen (…) sondern gestandene Frauen und Männer“ (Interview 9: 00:11:59-7). In der gleichen Logik fügt eine weitere Gesprächspartnerin an: „darum sind die Betreuerinnen auch etwas älter, weil ich weiss, die stehen mit beiden Beinen im Leben“ (Interview 6: 01:24:113) oder „das [Alter] ist ein ganz wichtiges Kriterium, weil das einfach erfahrene Leute sind“ (Interview 8: 00:12:21-0). In der Logik der Unternehmen werden ältere Frauen eingestellt, meistens ab etwa 40 Jahren, weil diese durch ihr Alter die erwünschte Selbstständigkeit mitbringen und die ihnen übertragene Verantwortung auf Grund ihrer Erfahrung tragen können. In diesem Zusammenhang wird das Erfahrungswissen als besonders erwünscht betrachtet. Auf die Frage 36 hin, ob die Betreuerinnen eine pflegerische Ausbildung mitbringen müssen, erfolgt die Antwort einer Unternehmerin: „Nein, nein. Aber äh sie müssen äh Erfahrungen haben“ (Interview 3: 00:08:29-1). Weiter gibt einer der Befragten an, dass die Erfahrung in der 24Stunden-Betreuung absolute Bedingung sei: „Also Arbeitskräfte ohne Erfahrung werden von uns keinesfalls vermittelt“ (Interview 14: 00:47:08-4). Die Frage nach der Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitszeit wurde in diesem Kapitel thematisiert. Insgesamt kann gesagt werden, dass ein grosser Teil der Verantwortung an die Arbeitnehmenden und die Kundschaft abgegeben wird. Ähnlich wie im vorherigen Kapitel 4.1 „Normalisierung im Vertrag, Spezialfall in der Praxis“ taucht wiederum die Festlegung in Vertragsform auf, hier bezüglich der Verantwortlichkeit für das Einhalten der Arbeitszeiten. Es wurde gezeigt, dass die (teilweise) Abgabe der Verantwortung der Unternehmen mittels einer Spezialfallrhetorik gerechtfertigt wird: Da jede Situation individuell sei und im Zusammenspiel aller Beteiligten gestaltet wird, müssen in dieser Logik auch alle Beteiligten einen Teil der Verantwortung übernehmen. Diese Strategie der Abgabe von Verantwortung kann als mangelnde Kontrollierbarkeit des Arbeitsortes Privathaushalt interpretiert werden. Diese Schwierigkeit steht wiederum im Widerspruch zum Streben nach einer legalen Positionierung im Markt. Einzuwenden ist hier, dass die drei Parteien, Unternehmen, Kundschaft und Arbeitnehmerin, unterschiedliche Machtpositionen bezüglich der Durchsetzung ihrer Rechte aufweisen. Es scheint mir für die Arbeitnehmerin besonders schwierig zu sein, die Verantwortung für Arbeitszeit- und Freizeitregelungen zu übernehmen und ihre Rechte durchzusetzen. Problematisch ist dies einerseits durch die emotionale Involvierung, welche die Betreuungstätigkeit und das Leben und Arbeiten am gleichen Ort mit sich bringt. Andererseits ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass viel mehr Care Migrantinnen nach Arbeit in der Schweiz suchen, als es Arbeitsplätze in Privathaushalten gibt. Die grosse Nachfrage nach solchen Arbeitsplätzen von Seiten ausländischer Betreuerinnen wird einstimmig von allen Betreuungsunternehmen bestätigt. Diese grosse Nachfrage lässt vermuten, dass von den Arbeitnehmerinnen tendenziell mehr ausgehalten wird, als vertraglich festgelegt wurde, aus der Angst heraus ersetzt zu werden. Gerade in diesem Kontext scheint es mir sowohl für die Arbeitnehmerin als auch für die zu betreuende Person umso wichtiger, dass die Unternehmen ihre Verantwortung zur Einhaltung der Arbeitszeit übernehmen und die Arbeitsbedingungen regelmässig überprüfen. Dies fördert sicherlich auch die Qualität der Betreuung. 37 5 Themenfeld Arbeitnehmerin „Grundsätzlich ist es ja so, rein von Gesetzes wegen gibt es ja keine Vorgaben [zur Qualifikation von Betreuerinnen]. Es kann einfach schlicht jeder.“ Interview 10: 01:01:15-2 Zur Ausübung von medizinischen Dienstleistungen ist für Spitexorganisationen in der Schweiz eine kantonale Bewilligung der entsprechenden Behörde nötig. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der medizinischen Pflege müssen über klar festgelegte Qualifikationen verfügen und diese belegen (Gesundheitsdirektion Kanton Zürich 2012). Bei den Betreuungsunternehmen im nicht-medizinischen Dienstleistungsbereich hingegen herrscht ein Legitimationsdruck bezüglich der Qualität des Angebotes und der Qualifikation der Arbeitnehmenden. Wie vom obigen Zitat angesprochen gibt es gesetzlich keine Vorgaben zur Qualifikation einer Betreuerin. Von den Home Care Unternehmen mit live-in Modell wird ein Diskurs darüber geführt, was eine gute Betreuerin ausmacht. Im folgenden Zitat wird nochmals aufgezeigt, wie die ideale Arbeitnehmerin aus Sicht eines Home Care Unternehmens aus Alter und der daraus resultierenden Lebenserfahrung sowie Erfahrung in der Betreuung zusammengesetzt wird: „Wir sehen einfach auch, dass [es] diese Lebenserfahrung (…) braucht. Es ist äh ein anspruchsvoller Job, oder? Also, die Arbeit, äh einfach äh die Präsenzzeit äh das Ganze. Ich denke psychisch ist das auf jeden Fall (…) sehr anspruchsvoll und, und da können wir besser auf Leute zählen, die einfach ein bisschen bödelet sind und gestandener sind und einfach genau wissen- Darum nehmen wir auch nur Leute, die das schon mal gemacht haben.“ Interview 2: 00:54:18-3 5.1 Nationalität Neben den Kriterien Alter und Erfahrung, ist die Nationalität ein weiteres Element, welches Betreuungsunternehmen bei der Konstruktion der idealen Arbeitnehmerin diskutieren. Die Nationalität wird einerseits als Begründung für die Zuschreibung von bestimmten Charaktereigenschaften angegeben, andererseits auch als Abgrenzungskriterium gegenüber anderen Anbietern auf dem Mark verwendet. Zudem wird die Nationalität auch als Legitimationsstrategie für die tieferen Löhne der ausländischen Arbeitnehmerinnen im Vergleich zu Schweizer Marktlöhnen diskutiert. 38 Nationalitätsstereotype „Man muss schon davon ausgehen, 7x24-Stunden-Betreuung ist eine Domäne, die eigentlich fast nur im Ausland liegt.“ Interview 10: 00:23:11-0 Die Betreuerinnen in live-in Arrangements sind ausschliesslich Ausländerinnen. Auf die Frage, warum nur mit ausländischem Personal gearbeitet wird, gibt ein Interviewpartner folgende Antwort: „Ich will Ihnen sagen warum. Wenn eine Schweizerin sich meldet, und es melden sich viele, dann hat die Schweizerin selber eine Wohnung hier, einen Haushalt hier, eine Familie hier (...). Und die will zu Recht- hat sie ihr Familienleben in der Schweiz. Und die will mal ins Kino und die will ausgehen und die will- Die, die, die will nicht vier Wochen wenn sie in Aarau wohnt, in St. Gallen arbeiten.“ Interview 4: 00:55:52-6 Bei einem anderen Anbieter von Betreuungsdienstleistungen wird folgendermassen argumentiert: „Aber es ist schon so, dass für eine 24-Stunden-Betreuung, die wenigsten, die hier leben und hier verwurzelt sind, sich zur Verfügung stellen. (…). Man hat kein soziales Leben mehr, oder?“ (Interview 10: 00:23:33-0). Dass kaum Schweizerinnen und Schweizer in dieser Arbeitsform tätig sind und sie deshalb an Care Migrantinnen abgegeben wird, wurde in den geführten Gesprächen nicht unter einem Gerechtigkeitsaspekt diskutiert. Die Arbeit mit ausländischen Betreuerinnen wird aber legitimiert, indem diese als besser geeignet für die Betreuungsarbeit dargestellt werden als einheimische Arbeitnehmerinnen. Viele der befragten Unternehmen bedienen sich in ihren Sprechweisen nationaler Stereotype. Die Nationalität wird als Begründung für bestimmte, erwünschte Charaktereigenschaften verwendet. In den folgenden Zitaten werden die gewünschten Eigenschaften auf ein kulturell verankertes Pflegeverständnis des Herkunftslandes zurückgeführt. „Weil die Qualität der polnischen Damen ist oftmals höher als die eines Deutschen oder eines Schweizers oder eines Franzosen. Weil die ein anderes Pflegeverständnis mitbringen. Von zu Hause aus. Die sind einfach, ja, die ist sehr liebevoll, sehr fleissig, nehmen sich ein bisschen stückweit mehr zurück, wissen nicht alles besser, achten mehr auf die ganze Situation.“ Interview 1: 00:28:31-2 „Und die Polin, die ist sehr pragmatisch (lacht). Ok, diese Person braucht meine Hilfe, also, also helfe ich. Und ähm, und von dem her, sagen unsere Kunden, sie wollen äh eine polnische Betreuerin. Personen welche eine gehabt haben wollen eine. (…). In Polen ist es einfach so, dass man sehr familienbezogen ist, und dass man zum Beispiel ältere Personen sehr respektvoll behandelt. §. Und das machen unsere Betreuerinnen auch. Und das gefällt unseren Kunden. Das ist nicht etwas, was wir ihnen einreden. Das ist, das ist, das ist einfach ein Teil dieser Kultur.“ Interview 7: 00:22:27-7 „Persönlich bevorzugen wir, hauptsächlich Leute aus Polen. (…) Einfach so Allgemein gesehen, oder? Im Einzelnen kann ja das auch Anders sein. Aber Allgemein gesehen haben die einfach so ein warmherziges Flair. Sie können auch sehr gut mit alten Leuten umge- 39 hen. Man merkt auch, dass dort die Familienstrukturen noch ganz anders sind als bei uns. Und von dem her äh passt das auf jede Fall besser zu Senioren.“ Interview 2: 01:13:19-8 Das letzte der obigen Zitate spricht zusätzlich noch die Familienstruktur an, welche in der Schweiz anders geartet sei als in Polen. Die Veränderung der Familienstruktur in der Schweiz und die Rolle, welche die Befragten den Angehörigen zuschreiben, wird in Kapitel 6 zum Themenfeld Kundschaft weiter ausgeführt. Die bisher dargstellten Zitate beziehen sich auf polnische Arbeitnehmerinnen. Sie werden besonders häufig im Kontext von nationalen Stereotypen erwähnt. Möglicherweise werden die polnischen Frauen charakterlich besonders positiv dargestellt, da bei ihnen die Sprachkenntnisse nicht immer klar gegeben sind. Gute Sprachkenntnisse werden immer wieder als zentrales Kriterium für die Qualität der Arbeitnehmerin und der Betreuung erwähnt. Gegenüber den deutschen Arbeitnehmerinnen sind sie, was die Sprache betrifft, im Nachteil. Allerdings werden auch deutschen Betreuerinnen Charaktereigenschaften qua Nationalität zugeschrieben: „Aber da muss ich auch noch sagen, die deutschen Frauen sind da einfach problemlos. Die können sich in jede Situation einfügen. Die gehen einfach hin und dann ist es so. Wissen Sie, manchmal sind die Leute auch ein wenig rassistisch, oder. Das merke ich wirklich. Und dann muss ich diese Frauen schon bewundern, die nehmen das einfach so- das geht da rein und da hinten wieder raus. Wirklich.“ Interview 6: 00:23:43-8 Welche Eigenschaften Frauen anderer als polnischer und deutscher Nationalität zugeschrieben wird, geht aus den geführten Gesprächen nicht hervor. Einige Unternehmen betonen auch, dass ihnen die Nationalität egal sei: „Das ist also Wurst von wo jemand kommt, ob der aus der Schweiz oder aus Südafrika kommen würde“ (Interview 2: 01:14:28-6). Ein anderer Gesprächspartner sagt zu diesem Thema: „Ich bin immer offen [gegenüber der Nationalität]. Die Kundin sagt einfach: Oh, und wegen der Sprache und so. Solange ich natürlich eine deutsche Frau habe, muss ich sie vorziehen wegen des Kunden. Die Ungarin ist nicht schlechter. (…). Vielleicht kocht sie etwas anders oder so. Aber wir haben äh ganz herzige Slowakinnen gehabt die mindestens so gut auch sind. Ich habe da keine Vorurteile. Aber ich mache, was der Kunde will natürlich.“ Interview 4: 00:53:26-7 Das obige Zitat zeigt, dass dieses Unternehmen gegenüber Menschen verschiedener Nationalität als Arbeitnehmerinnen offen ist, jedoch den Kundenwünschen folgt. Das Zitat impliziert aber auch, dass die Betreuerinnen je nach Nationalität unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten mitbringen (z.B. unterschiedlich kochen). Wiederum taucht hier das Thema der Sprachkenntnisse der Betreuerin auf. Diese bilden ein zentrales Kriterium für ihre Qualifikation als Betreuerin. 40 „Ich denke, einfach noch ein wichtiger Punkt ist die Sprache. (…) Gerade bei älteren Personen ist es schon- (…) dann meistens reden die ja nicht mehr ganz so deutlich, allenfalls und dann ist es für eine Ausländerin noch viel schwieriger das zu verstehen und umgekehrt eben auch. Und darum- Also wir haben jetzt wirklich das Glück, dass wir jetzt, also ich habe noch viele Frauen aus dem Deutschen.“ Interview 10: 01:07:05-6 Auf die Frage, nach welchen Kriterien die Betreuungskräfte ausgewählt werden, antwortet eine Gesprächspartnerin: „Also sicher mal, ob sie Deutsch können. Das ist erste Bedingung. Deutsch müssen sie können und zwar in Wort und Schrift“ (Interview 6: 00:22:01-8). Ein weiterer Gesprächspartner sagt in diesem Zusammenhang: „Also wir haben verschiedene Anforderungsprofile. (…). Mindestanforderung sind z.B. Pflegehilfeausbildung plus zwei Jahre Erfahrung, plus sie muss Schweizerdeutsch verstehen, §, äh können“ (Interview 5: 00:19:44-4). Je nach Betreuungsunternehmen werden unterschiedliche Qualifikationen von den Arbeitnehmerinnen verlangt. Gemeinsam ist, dass Sprachkenntnisse von allen Befragten als sehr wichtig eingestuft werden. Dieses Kriterium ist auch relativ klar fassund belegbar und daher besonders geeignet, um als Qualitätsnachweis herangezogen zu werden. Nationalität als Abgrenzung von der Konkurrenz Vereinzelt wird die Nationalität der Arbeitnehmerin als Qualitätsmerkmal verwendet, um sich gegenüber anderen Anbietern auf dem Mark abzugrenzen. Auf die Frage, ob das Unternehmen mit Schweizer Arbeitnehmenden arbeite, bekomme ich von einer privaten Spitexorganisation eine Antwort, die auf Betreuungsunternehmen mit Care Migrantinnen anspielt und sich klar von ihnen distanziert: „Wir machen etwas nicht, wir holen keine Rumänen, die kaum Deutsch können und zahlen denen 1000 Stutz im Monat und Kost und Logis, und können es dann für 6000 machen. Das machen wir nicht. Wir machen nur ein Angebot, mit ganz guten, ausgebildeten Leuten. (…). Aber wir machen es nur mit wirklich, ich sage jetzt nicht nur Schweizer Leuten, aber mit Leuten die Schweizerdeutsch verstehen und sauber Deutsch können, gut Deutsch reden können zumindest. §. Und wir holen keine Ausländer.“ Interview 11: 00:37:16-1 Allerdings kostet eine solche Betreuung mit live-outs als Arbeitnehmende, mit festem Wohnsitz in der Schweiz, ein Vielfaches. Diese Form der Pflege und Betreuung zu Hause wird zu einem Luxusangebot. „Das ist natürlich so. Ich meine, man kann nicht äh, 24 Stunden für eine Person anwesend sein, Marktlöhne bezahlen, alle Versicherungen korrekt abrechnen und dann kostet es nur 6000 Franken (lächelt). Das geht einfach nicht auf. Wenn man nur schon die Stellenprozente berechnet, nur schon von den Bruttolöhnen her berechnet, auch wenn man billiges Pflegepersonal hat, oder, dann kostet es dann um die 20‘000 Franken. Wenn man dann 41 noch eine Organisation dahinter hat, welche die Sicherheit gewährleistet, die, die in diesem Sinne auch noch das gesamte Case-Management macht. Dann, dann, kommt das einfach, ja.“ Interview 3:00:25:28-8 Interessanterweise bedienen sich nicht nur die befragten Spitexorganisationen dieser Abgrenzungsstrategie per Nationalität der Arbeitnehmenden. Auch Betreuungsunternehmen mit live-in Angestellten grenzen sich vereinzelt so ab. Auf die Frage, warum das Unternehmen nur deutsche Angestellt hat, antwortet eine Gesprächspartnerin: „Um das ein bisschen von den Anderen abzuheben, die halt von überall her äh, die kaum Deutsch können. Um es vielleicht eins seriöser zu machen. Um es vielleicht eins seriöser zu machen. Also die Kollegin hat gerade letzthin einen Arzttermin gehabt mit einer Kundin und dieser Arzt ist sehr interessiert gewesen für seine Mutter. Und er hat dann gerade, das erste ist gerade gewesen als er gefragt hat: Habt ihr auch die Leute von Polen, oder? Und das finde ich eben schön. Dann kann man gerade sagen: Nein! Eben, man, man wird einfach in einen Topf geworfen, oder?“ Interview 3: 00:30:27-9 Wie hier kurz skizziert wurde, wird die Nationalität nicht nur zur Zuschreibung erwünschter Charaktereigenschaften diskutiert, sondern sie wird teilweise auch als Qualitätsindikator hinzugezogen, besonders in Bezug auf die Sprache. Im nächsten Kapitel kommt noch eine dritte Sprechweise über Nationalität hinzu, nämlich im Zusammenhang mit der Rechtfertigung von tiefen Löhnen für ausländische Betreuerinnen im Vergleich mit dem Schweizer Lohnniveau. Nationalität als Legitimationsstrategie für Lohnunterschiede Ein weiterer Vorteil des live-in Betreuungsmodells beruht massgeblich darauf, dass dieses Angebot wesentlich günstiger ist, als jenes der live-out Betreuung durch Arbeitnehmende mit festem Wohnsitz in der Schweiz. Der niedrige(re) Preis des Angebotes kommt zustande, weil zum einen die Präsenzzeit nicht entlöhnt wird und zum anderen der Lohn für die Betreuerin typischerweise unter den Schweizer Marktlöhnen liegt. Aus dem nächsten Zitat lassen sich mehrere Elemente herauslesen, welche für die Legitimation der Lohnhöhe zentral sind. Sie sollen im folgenden Abschnitt genauer ausgeführt werden. „Aber der ganze Markt basiert ja eigentlich darauf, dass ausländisches Personal den Markt sättigen muss, weil ja, also erstens hat es zu wenig Leute, die das machen wollen in der Schweiz. Und es ist ein sehr anstrengender Job, also wirklich sehr anstrengend und eigentlich, wenn man in der Schweiz wohnt, auch sehr unterbezahlt. Aber eben wenn man im Ausland wohnt, ist er wiederum sehr hoch bezahlt. Weil es verdient niemand- Also in Polen verdient jemand, der 3000 Franken verdient in einem Niveau, wenn er zurückkehrt, wie ein Geschäftsführer einer gut laufenden Firma.“ Interview 7: 01:18:03-0 42 Das 24-Stunden-Betreuungsmodell ist üblicherweise als sogenannte Pendelmigration organisiert. Das heisst, dass ausländische Betreuerinnen in die Schweiz zum Arbeiten kommen und nach einer gewissen Phase (meist zwischen zwei Wochen und mehreren Monaten) wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren. In der Regel wechseln sich zwei oder mehrere Betreuungspersonen in regelmässigem Rhythmus ab. Die Betreuerinnen behalten ihren Wohnsitz im Herkunftsland. Sie kommen vorübergehend in einen Privathaushalt im Empfängerland, um zu arbeiten, bevor sie für eine bestimmte Zeit wieder zurückkehren. Von den Unternehmen wird dieses Betreuungsarrangement als sogenannte Win-Win-Win Situation dargestellt. Das bedeutet soviel wie, dass alle Beteiligten (Betreuerin, betreute Person und Angehörige) von diesem Arrangement profitieren. „Es sollte hier einfach das bestmöglich für beide Teile, oder für alle drei Teile sollte eine Win-win-win Situation da sein. Das heisst, die Kraft soll mit den Pflegeerfordernissen klar kommen, der zu-Pflegende sollte alle seine Wünsche äh bezüglich der Kraft erfüllt haben, auch altersmässig und so weiter. Und ähm die Familie sollte eben auch zufrieden sein mit der Haushaltsführung.“ Interview 14: 00:43:03-9 Der Begriff „Win-win-win Situation“ wurde in den Gesprächen nur sehr selten verwendet, das Thema aber ist zentral. In diesem Abschnitt wird auf die Vorteile fokussiert, welche die Betreuerinnen aus Sicht der Unternehmen, aus dem live-in Betreuungsarrangement ziehen. Der Gewinn für die Familie und die hilfsbedürftige Person wird im nächsten Kapitel diskutiert (vgl. Kapitel 6 Themenfeld Kundschaft). Der hier angesprochene Gewinn für die Betreuerin ist finanzieller Natur und basiert massgeblich auf der Pendelmigration. „Ein Schweizer hat nun mal mehr Ansprüche als ein Deutscher zum Beispiel. Weil er ja in der Schweiz lebt“ (Interview 8:00:16:22-0). Weil die Betreuerin ihr Lebenszentrum nicht in der Schweiz hat, wird legitimiert, dass nicht Schweizer Marktlöhne bezahlt werden müssen. Der Lohn der Betreuerin wird mit dem in ihrem Herkunftsland verglichen. „Unsere Kräfte sind froh, dass sie bei uns arbeiten können. Unsere Kräfte verdienen auf jeden Fall soviel, dass sie sehr gerne, liebend gerne kommen, weil sie ein Vielfaches von dem verdienen, was sie zu Hause verdienen.“ Interview 14: 00:29:51-7 „Aber wir haben extrem viele Bewerbungen. Das muss man schon sagen. Also durch unsere Löhne einfach in der Schweiz ist das so interessant für die Leute, dass wir da wirklich auswählen können.“ Interview 1: 00:50:14-4 Vereinzelt wird auch darauf hingewiesen, dass Schweizerinnen und Schweizer diese Arbeit nicht machen würden. „Das ist ganz klar äh eine Preisfrage in dem Sinn äh, also eine Preisfrage, so. Sie finden in der Schweiz keine gut ausgebildeten Leute, die sich bereit erklären, sagen wir drei Wochen oder vier Wochen an einem Ort zu wohnen wo sie arbeiten, oder?“ Interview 2: 00:14:10-0 43 Die Ungleichheit zwischen SchweizerInnen und Care Migrantinnen bezüglich Lohnhöhe und Form der Arbeit wird nicht als ungerecht thematisiert. Das Betreuungsmodell wird als finanzielle Gewinnsituation dargestellt, wobei sowohl die Kundschaft wie auch die Arbeitnehmenden profitieren. Die Kundinnen und Kunden zahlen weniger, als wenn sie von einheimischen Arbeitnehmenden betreut würden, gleichzeitig wird argumentiert, dass die Löhne für die ausländischen Betreuerinnen im Vergleich zum Lohnniveau in ihrem Herkunftsland sehr hoch sind. Die Zufriedenheit der Betreuerinnen mit ihren Löhnen scheint als Legitimation zu genügen. „Die Frauen haben die Chance wirklich viel Geld zu sparen. Sie ernähren zum Teil ganze Familien in Polen, nur mit ihrem Lohn. Und äh, sie wohnen meistens in einem grossen Einfamilienhaus, und haben ein westliches Auto. Ja. Also ich denke nicht, dass es Ausnützung ist. Es sind einfach zwei Lohnniveaus.“ Interview 7: 01:19:55-2 Ein Gerechtigkeitsdiskurs wird in diesem Zusammenhang nicht auf Arbeitnehmerinnenseite, sondern aus der Perspektive der Kundschaft geführt. Das Argument, welches die Unternehmen hier zur Legitimation ihres Angebotes anbringen ist: „es muss am Ende des Tages, ja doch alles immer noch bezahlbar sein“ (Interview 10: 00:23:03-8). In dieser Logik wird ein selbstbestimmtes Alter zu Hause erst durch die Betreuungsarrangements mit ausländischen Arbeitnehmerinnen für eine breitere Bevölkerungsschicht in der Schweiz bezahlbar. „Also wir verlangen jetzt ähm, wir haben drei Betreuungsstufen, das geht von sie-, sie-, es steht im Internet, 7400 bis 9000 und etwas, oder? Und da müssen wir natürlich schon klar sehen, wenn wir Personal aus der Schweiz nehmen, können wir das nicht gewährleisten.“ Interview 3: 00:06:29-5 Im Kapitel 6 zum Themenfeld Kundschaft wird die Thematik weiter ausgeführt und dargelegt, dass das Alter zu Hause als Ideal konstruiert wird. Ausserdem wird darin die Legitimationsstrategie „Bezahlbarkeit“ erneut aufgegriffen. Die Nationalität wird in den Aussagen der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer oft diskutiert und in verschiedenen Kontexten aufgegriffen. Es scheint ein Thema zu sein, das unter Legitimationsdruck steht. Es besteht offensichtlich ein Erklärungsbedarf, warum ausschliesslich mit ausländischen Arbeitnehmerinnen gearbeitet wird. Zusammenfassend wird die Nationalität einerseits im Zusammenhang mit der Qualität der Betreuung thematisiert und mit Sprachkenntnissen in Verbindung gebracht. Andererseits werden der Nationalität gewünschte Charaktereigenschaften zugeschrieben und somit nationale Stereotype reproduziert. Komplizierter gestalten sich die Argumentationsmuster zur Legitimation der vergleichsweise tiefen Löhne der Betreuerinnen. Argumentiert wird, dass Löhne unter dem Schweizer Lohnniveau gerechtfertigt sind, da Care Migrantinnen ihren festen Wohnsitz 44 nicht in der Schweiz haben. Eine Thematisierung der Ungerechtigkeit bezüglich der Auslagerung dieser Care Tätigkeiten an Menschen aus Ländern mit einem tieferen Lohn- und Preisniveau findet nicht statt. Hingegen wird auf die Vorteile für alle Beteiligten verwiesen. Die Betonung in den Gesprächen liegt auf den vergleichsweise hohen Löhnen für die Betreuerin in der Schweiz. Ausserdem wird der Blickwinkel gewechselt und auf die Bezahlbarkeit des Angebotes für die Kundschaft verwiesen. Dank der Betreuung durch Care Migrantinnen wird es für eine breitere Bevölkerungsschicht erst möglich, das Alter zu Hause zu verbringen. Je nach dem welcher Teilaspekt des Betreuungsarrangements angeschaut wird, sind andere Vor- und Nachteile, andere Gerechtigkeiten und Ungerechtigkeiten sichtbar. Die Sprechweisen der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer heben klar die Vorteile ihres eigenen Angebotes hervor. Diese Darstellung des live-in Betreuungsmodells als Gewinnsituation für alle Beteiligten kann als Marketingstrategie verstanden werden, wie sie wahrscheinlich bei allen profit-orientierten Unternehmen in ähnlicher Form zu finden ist. In diesem Punkt sind Betreuungsunternehmen nicht als Spezialfall zu betrachten, sondern folgen den Regeln des Marktes respektive der Werbung. 5.2 Geschlecht Während die Nationalität bei der Konstruktion der idealen Arbeitnehmerin eine wichtige Rolle zu spielen scheint, wird ein Geschlechterdiskurs in den Gesprächen kaum geführt. Die Tatsache, dass der Arbeitsmarkt Privathaushalt weitgehend weiblich dominiert ist, findet sich aber klar in den Aussagen der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner wieder. „Und das sind einfach auch meistens eben Frauen, meistens Frauen, 95 Prozent sind es Frauen. Auch Bewerbungen. Und einfach Frauen wirklich ab einem gewissen Alter.“ Interview 2: 00:55:15-5 „Weil eben, die Bewerbungen sind eigentlich zu 99,9% sind Frauen.“ Interview 10: 01:02:40-1 Es wird häufig betont, dass überwiegend Frauen die Arbeitnehmerinnen sind, aber es herrscht weitgehende Stille darüber, warum das der Fall ist. Die Rollenzuschreibung der Frau als geeignet für betreuende und pflegende Aufgaben wird von den Befragten scheinbar als natürlich angeschaut und braucht weder diskutiert noch legitimiert zu werden. Den Aussagen folgend wird es nicht als aktive Wahl der Unternehmen angesehen, hauptsächlich Frauen einzustellen. Wie die obigen Zitate zeigen, werden in der Logik der Befragten 45 automatisch Frauen eingestellt, weil sich fast ausschliesslich Frauen bewerben würden. Interessanterweise wird auf die Frage, ob auch Männer beim Unternehmen angestellt seien, diese Antwort jeweils legitimiert: „Nein, das ist eine gute Frage. Ich habe ein, zwei Interessenten. Und wenn Sie ins Spital müssen, haben Sie sehr viel männliches Personal, das ist ganz hervorragend. Sehr oft. (…) Interessanterweise, bei uns ist es nie verlangt worden. Und ich geniere mich wie fast ein bisschen, äh, quasi wie einen Mann zu offerieren. (…) Und ich habe sowieso wenig, äh, äh nur ein, zwei Männer. Und ich sage denen auch: Hört, wenn ihr einen Job wollt, meldet euch direkt in einem Pflegeheim, Altersheim, Spital. Die Chancen sind viel grösser, als bei mir.“ Interview 4: 00:24:41-1 „Wir haben auch Männer die sich bewerben. Wir haben auch Männer als Krankenpfleger. Äh, das wird meistens ähm- Es ist so, Männer haben es schwerer, weil viele Frauen, die Patientinnen sind, wollen nicht Männer als Pfleger. Männer als Patienten wollen wiederum (lacht) Frauen. Und äh darum haben es die eigentlich schwerer. Aber es gibt auch viele Männer, die gerne einen Mann als Betreuer wollen. Oder zum Beispiel Frauen, die sich nur sehr schwer bewegen können, die man viel schleppen muss. Wo man zum Beispiel immer den Wagen aufbauen muss. Die fragen dann vielleicht nach einem Mann, oder nach einer starken Frau (lacht).“ Interview 7: 00:37:58-8 „Das Normalbild wäre, dass eher Frauen zu betreuen sind und eher Frauen die Betreuen. Gerade bei den Frauen ist die Akzeptanz sehr gering, wenn sie ein Mann, wenn sie von einem Mann betreut werden. Das wissen wir von meiner Schwester aus dem Spital und das ist sehr ähnlich auch, also einfach ein Pfleger hat einen schwereren Zugang zu einer weiblichen Patientin als umgekehrt.“ Interview 10: 01:02:40-1 Den Aussagen folgend lässt sich zusammenfassen, dass die Tatsache eines weiblich dominierten Arbeitsmarktes im Privathaushalt ausserhalb des Entscheidungsbereichs der befragten Unternehmen liegt. Vielmehr ist sie, gemäss der Befragten, das Resultat gesellschaftlicher Normen, die sich wiederum in den Wünschen der Kundschaft spiegeln. Die Unternehmen geben hier an, der Marktlogik zu folgen. Was von den Befragten unerwähnt bleibt, ist ihre gestaltende Rolle in diesem Arbeitsmarkt durch die Wahl der Arbeitnehmenden. Durch die Annahme der Unternehmen, was von der Kundschaft gewünscht wird, resultieren Ausschlussmechanismen. So werden, wie gezeigt, erfahrene Frauen bevorzugt, was junge Frauen mehrheitlich ausschliesst. Ebenso werden Männer wegen geschlechterspezifischen Zuschreibungen weitgehend von der Betreuungsarbeit ausgeschlossen, obwohl sich auch Männer für diese Arbeit bewerben. Durch die implizite Annahme, dass die Kundschaft Frauen bevorzuge, bieten die befragten Unternehmen wenig oder gar keine Männer an. Die Wahl, wer für die Betreuung geeignet ist, wird somit hauptsächlich von den Unternehmen getroffen und nicht der Kundschaft überlassen. Durch die Rekrutierungspraxis und Auswahl der Arbeitnehmenden gestalten die Unternehmen diesen Arbeitsmarkt somit sehr stark mit. Im Zusammenhang mit dieser Thematik soll im nächsten Kapitel der Frage nachgegangen werden, was für ein Familienbild von den Befragten konstruiert wird und welche Rolle dabei die Angehörigen spielen. 46 6 Themenfeld Kundschaft Die Darstellung als Win-Win-Win Situation hat gezeigt, dass der vergleichsweise hohe Lohn in der Schweiz im Verhältnis zu den Löhnen im Herkunftsland als finanzielle GewinnSituation für die Betreuerin dargestellt wird. Die anderen beiden Wins beziehen sich auf die zu betreuende Person und deren Angehörige und werden im folgenden Kapitel aufgezeigt. In einem ersten Teil geht es auf der Seite der betreuungsbedürftigen Person um das Ideal, das Alter zu Hause verbringen zu dürfen. Im zweiten Abschnitt wird analysiert, welche Rolle die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner den Angehörigen zuschreiben und wie diese vom rund-um-die-Uhr Betreuungssetting profitieren. 6.1 Hilfsbedürftige Person Aus Sicht der Betreuungsunternehmen besteht der Gewinn der pflege- oder betreuungsbedürftigen Person darin, ein selbstbestimmtes Leben im Alter führen zu können. „Und alle Menschen sollen irgendwo in ein Heim? Und es gibt ganz viele Menschen, die nicht ins Heim wollen. Ich meine, es gibt hier in der Schweiz wunderschöne Heime, also wirklich Residenzen und ganz humane, schöne Heime. Aber es gibt Menschen, die wollen nicht ins Heim. Und ich finde, das sollte man einfach berücksichtigen.“ Interview 8: 00:35:34-0 Wie das obige Zitat aufzeigt, soll eine Alternative zum Altersheim geschaffen werden. Die betreuungsbedürftige Person soll frei entscheiden können, wie er oder sie das Leben im Alter verbringen möchte. Die Argumente der Betreuungsunternehmen für ihr Angebot bestehen aus zwei Teilen. Zum einen findet sich in ihren Aussagen eine Idealisierung, den letzten Lebensabschnitt zu Hause verbringen zu dürfen. Das andere Argument ist die Bezahlbarkeit des Angebotes. Dadurch, dass nicht Schweizer Marktlöhne gezahlt werden müssen, können sich bedeutend mehr Menschen eine Betreuung zu Hause leisten. Im Alter zu Hause als Ideal „Und es stellt sich die Frage, ob es nicht humaner ist, den Pflegebedürftigen in seiner gewohnten Umgebung zu belassen, solange irgendwie möglich. (…). In erster Linie steht uns natürlich das Bedürfnis des älteren Menschen im Vordergrund. Der ältere Mensch kann, muss also nicht, unserer Meinung nach, muss er eben nicht unbedingt ins Heim gehen, sondern er kann zu Hause bleiben.“ Interview 14: 00:16:44-2 47 Der oben zitierte Gesprächspartner bezeichnet es als „humaner“ einen alten Menschen in seiner gewohnten Umgebung zu belassen. Auffällig ist, dass die Wahlmöglichkeit stark betont wird. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass Home Care Unternehmen eine Alternative schaffen für Menschen, die nicht ins Altersheim wollen. Die Abgrenzung zum Alters- und Pflegeheim ist ein zentrales Argument im Selbstverständnis der Unternehmen. Es wird argumentiert, dass man im Altersheim „keine Zeit mehr hat für sie [die alten Menschen] vor allem. Und sie ihre ganze Individualität und einfach ihre Autonomie abgeben müssen, oder? Und äh bei uns können sie ja das nachher behalten. Sie sind der Chef, sie haben in dem Sinn äh eine Person an ihrer Seite, die sie wieder durchs Leben führt“ (Interview 2: 00:53:02-3). Die Individualität des alten Menschen und seine Entscheidungsfreiheit werden hervorgehoben: „Also der Vorteil bei dem neuen Betreuungsmodell, wo eben, wo es eine eins-zu-eins Betreuung ist, ist ja, dass nachher die Individualität und Selbstbestimmung von den Senioren aufrecht erhalten wird“ (Interview 2: 01:26:23-5). Die Vertreterinnen und Vertreter der befragten Home Care Unternehmen geben es als Motivation für ihre Geschäftstätigkeit an, alten und hilfsbedürftigen Menschen dieses Ideal, im Alter zu Hause bleiben zu können, zu ermöglichen. „Aber letztlich ist es auch, geht es auch darum eben diesen alten Leuten, etwas Gutes zu tun. Und wirklich noch ein bisschen Freude- Und dass man ihnen den Wunsch, eben noch längere Zeit zu Hause zu bleiben, auch irgendwo erfüllen kann.“ Interview 10: 01:12:25-9 „Und das, also ich fände das jetzt noch schön, wenn man wirklich möglichst vielen Leuten, das Zuhausewohnen eben ermöglichen kann. Es gibt nichts Schöneres.“ Interview 2: 02:05:34-7 „Etwas Gutes zu tun“ als Motivation für die Geschäftstätigkeit wird in den Vordergrund gerückt. Das profitorientierte Streben nach Gewinn wird in den Gesprächen nur nebenbei erwähnt: „Zufriedene Kunden und zufriedene Mitarbeiter. So wenn ich da im Büro nicht mehr weiss, für was ich arbeite, dann gehe ich auf Kundenbesuch. Und dann weiss ich wieder, für was ich arbeite. Weil wenn mich die Kunden anstrahlen und wenn die Mitarbeiter mir sagen: Äh läck, so ein gutes Unternehmen. (…). Dann denke ich, doch es ist gut. Und wenn dann zu all dem auch noch die Zahlen stimmen, dann ist das wunderbar (lacht).“ Interview 9: 00:57:04-8 „Und Motivation ist noch in einem Feld tätig zu sein, wo man auch noch etwas Gutes dazu beitragen kann. Wo man zwar auch in einer Form davon leben können soll, aber- Wir verkaufen nicht etwas Unnützes. Ich sage es jetzt, ja-.“ Interview 10: 01:11:21-4 „Aber eben entweder man ist mit Herzblut dabei, will es richtig machen. Und sich einsetzen. Sicher verdiene ich etwas daran. Sonst würde ich es ja nicht machen. Aber reich werden? So in dem Rahmen wie wir jetzt- (lacht). Dass wir da jetzt Millionen können- Ist ja auch nicht das Ziel.“ Interview 3: 00:49:59-4 48 Es gibt auch Interviewpartnerinnen und Interviewpartner, die angeben gut zu verdienen: „[Es] macht mir Freude, es macht mir Spass, ich verdiene gut“ (Interview 4: 02:00:39-9). Allerdings fällt insgesamt auf, dass die Darstellung des Betreuungsarrangements als WinWin-Win Situation (Gewinn für die zu betreuende Person, für Angehörige und für die Betreuerin), die Unternehmen als (finanzielle) Gewinner nicht mit einschliesst. Zwar wird Profit angestrebt und dies auch nicht verheimlicht: „Das ist auf jeden Fall wichtig. Der Gewinn soll irgendwie ein bisschen allen gleich zu Gute kommen, oder?“ (Interview 2: 02:05:19-2), somit also auch dem Unternehmen. Doch insgesamt wird „Gutes tun“ ins Zentrum gerückt. „Ich habe verschiedenes in meinem Leben schon gemacht, unter anderem 25 Jahre erfolgreich ein eigenes Unternehmen geleitet, aber das Sinnvollste in meinem Leben muss ich sagen, mache ich jetzt“ (Interview 4: 02:02:07-5). Dieses Aussagenmuster bezeichne ich als Non-Profit Rhetorik. Sie findet sich auch wieder, wenn es um die Bezahlbarkeit des Angebotes im nächsten Abschnitt geht. Bezahlbarkeit als Legitimationsstrategie Das 24-Stunden-Betreuungs- und Pflegemodell, wie es von privaten Spitexorganisationen angeboten wird, besteht aus einem Schichtsystem, bei dem sich mehrere Arbeitnehmende täglich ablösen. Eine solche professionelle Pflege und Betreuung kostet monatlich mehrere 10‘000 Franken. Zwei Gesprächspartner von privaten Spitexorganisation nehmen dazu folgendermassen Stellung: „Ich meine, eine 24-Stunden-Betreuung ist über 500 Stellenprozente, für eine Person. Ja, aber wenn man dann korrekt nach Gesetz abrechnet, dann ist es für den Normalbürger nicht finanzierbar. Das muss einem schon klar sein. Dass Personen, welche, sich das in diesem Sinne, das leisten wollen aber das entsprechende Geld nicht haben, gehen natürlich dann von ausländischem, ja Personal werden sie dann betreut und da sind es dann einfach die Lohnkosten die den Unterschied machen. Oder? Weil die dann für 1500 Franken einen Monat arbeiten kommen für 24 Stunden.“ Interview 5: 00:26:48-8 „Handkehrum muss man ganz klar auch abgrenzen, es ist klar in dieser Form wie wir die Dienstleistung anbieten kann sich ein Grossteil der Bevölkerung kann sich das gar nicht leisten, also muss man ein Alternativprodukt auch anbieten. Und ähm, kann so wahrscheinlich einen grösserer Teil der Bevölkerung auch erfassen.“ Interview 13: 00:39:26-7 Genau dieses Erfassen einer grösseren Bevölkerungsschicht wird als Legitimationsargument von den befragten Betreuungsunternehmen angeführt, welche mit ausländischen live-ins als Arbeitnehmende arbeiten. „Und unter der Bedingung, dass man halt mit ausländischem Personal arbeitet. In dem Modell ist das sicher nicht anders möglich, also ja in dem Preissegment. Ich habe mir auch schon überlegt, ob wir noch ein zusätzliches Angebot anbieten mit eben hiesigen Leuten, 49 und äh, mit 20 oder weiss doch nicht wieviel tausend Franken. Aber eigentlich finde ich das keine Lösung. Weil eine Lösung ist ja nie eine Lösung, wenn es nur für 3% von den Leuten ist, also so für 20 % oder so sollte das schon sein.“ Interview 2: 02:06:25-2 Das Betreuungsmodell mit ausländischem Personal wird von den befragten Unternehmen meist zu Preisen zwischen etwa 4‘000 und 12‘000 Franken angeboten (vgl. Truong 2012). Zwar ist das bedeutend günstiger als das erwähnte Angebot im Schichtbetrieb mit live-out Personal. Dennoch können sich auch dieses Angebot nicht alle leisten, da keine Gelder von der Krankenkasse fliessen. Dies wird von vielen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern bedauert, was wiederum an eine Non-Profit Rhetorik erinnert. „Darum ist eigentlich nur wer es sich leisten kann. Und das ist eigentlich das Einzige, wo ich Mühe habe. Das finde ich unfair. (…). Aber es sollte sich ja jeder irgendwie, das leisten können, der das will.“ Interview 3:00:24:34-0 „Aber es ist nicht für jedermann. Und es ist leider so. Wenn du kein, gar kein Geld hast, natürlich jeder hat AHV. Aber die Wohnung kostet ja auch Geld und das Essen kostet auch Geld. Wenn du nur die AHV hast, musst du ins Altersheim.“ Interview 4: 01:40:27-6 „Aber man muss natürlich auch sagen, dass es oftmals einfach am Finanziellen dann scheitert, weil wir eben die Leute vernünftig bezahlen. Und das kann sich natürlich nicht jeder leisten, aber ich wünsche mir einfach, dass mit der Zeit noch andere Projekte entstehen können, wo dann auch Menschen bedient werden können, die eben nicht soviel Kapital auf der Seite haben, um sich das leisten zu können.“ Interview 8: 00:05:35-5 „Die Nachfrage ist da. Man merkt halt auch, das ist schon so, wir können nicht, und das haben wir ursprünglich zum Ziel gehabt, das ist ein Teilziel, das wir nicht erfüllen können. Es ist nicht für alle bezahlbar. Also der normale Arbeiter, der sein Leben gut fristen konnte, der muss, weil keine Ergänzungsleistungen fliessen für uns, halt wirklich in ein Pflegeheim. Für den gibt es nur die Einbahnstrasse. Weil der vermag uns ganz einfach nicht. Anfänglich wäre das Ziel gewesen, wirklich für die ganze breite Palette. Und das ist ein Ziel, das wir mit diesen Kostenstrukturen, wie sie im Moment sind, nicht erreichen können.“ Interview 9: 00:59:16-7 Zusammenfassend argumentieren die befragten Betreuungsunternehmen, dass sie hilfsbedürftigen Personen durch die individuelle Begleitung ein selbstbestimmtes Alter ermöglichen wollen. Das Alter im Altersheim verbringen zu müssen wird zu einer Art Feindbild. Interessant ist, dass das Ideal, das Alter zu Hause zu verbringen, nichts Neues ist, sondern sich an der Tradition der Pflege und Betreuung innerhalb der Familie orientiert. Durch die Veränderungen in den Familienstrukturen (durch gestiegene Mobilität und die Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen) ist eine Betreuungslücke entstanden, in welcher sich die befragten Unternehmen positionieren. Dank der Betreuung durch ausländisches Personal kann das Ideal das Alter in den eigenen vier Wänden erschwinglich(er) gemacht werden. Dabei übernehmen die Betreuungsunternehmen eine familiäre Logik, welche sich auch in der Non-Profit Rhetorik zeigt. Gleichzeitig rücken sie damit die marktwirtschaftliche Orien- 50 tierung in den Hintergrund. Die Unternehmen sprechen davon „Gutes zu tun“, der Gewinn des Unternehmens wird sehr nebensächlich erwähnt. 6.2 Angehörige Für die Organisation des Pflege- und Betreuungsarrangements sind üblicherweise die Angehörigen zuständig. Das macht sich in den Aussagen der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner bemerkbar: „Die Tochter suchte für ihre Mutter jemanden für zu Hause“ (Interview 1: 00:08:12-1) oder „Meistens sind es die Kinder, die sich melden, nicht die Alten. Die Alten brauchen nie etwas“ (Interview 4: 00:32:40-8) oder „Also es läuft an und für sich so, wenn ein Neukunde sich interessiert, wenn es Interessenten sind, dann sind es meistens Söhne und Töchter. Selten die alten Menschen selber. Meistens sind es die Angehörigen“ (Interview 9: 00:30:11-4). Das familialistische Betreuungs- und Pflegemodell ist in der Schweiz fest verankert. In der Logik der Unternehmen sind die Angehörigen allerdings nicht (mehr) diejenigen, welche die Sorgetätigkeit ausüben, sondern ihre Verantwortlichkeit bezieht sich auf die Organisation und Planung der Betreuung für das hilfsbedürftige Familienmitglied. Von den Befragten wird ein Gesellschaftsbild gezeigt, in dem die Pflege- und Betreuungstätigkeit von älteren und hilfsbedürftigen Familienmitgliedern durch ihre Angehörigen keinen Platz mehr hat. „Du musst ins Altersheim (…) wenn dich die Tochter oder der Sohn nicht aufnehmen kann. Und wer kann das heute noch?“ Interview 4: 01:40:35-2 „Unsere Gesellschaft funktioniert so, dass man das gar nicht mehr machen kann. Wir sind so in, in der Berufs- und Verpflichtungswelt engagiert, dass wir uns nicht mal mehr um die nächsten Angehörigen [kümmern können]. Keiner hat Zeit. Oder was auch immer. Will es gar nicht mehr machen. Sind sich das nicht mehr gewohnt.“ Interview 2: 02:07:36-5 „Und natürlich auch der Wandel, dass die Leute halt ihre Eltern nicht mehr selber pflegen. Weil sie alle in einer Arbeit oder in einer Karriere sind, die sie nicht vernachlässigen wollen und dann können sie sich nicht aufopfern für ihre Eltern.“ Interview 7: 01:12:38-5 In diesen Aussagen wird der gesellschaftliche Wandel in der Familienstruktur angesprochen. „Keine Zeit haben“ wird als Ursache für die Abgabe der traditionellen Sorgetätigkeiten im Haushalt bezeichnet. Die Sprechweisen zu den Lebenssituationen der Angehörigen sind nicht geschlechterspezifisch geprägt. Gemäss den obigen Zitaten sind es in gleichem Masse die Söhne wie die Töchter, die sich um die Organisation des Betreuungsarrangements kümmern. Ebenso wird „Karriere machen“ und „keine Zeit haben“ generell als Be- 51 gründung für die Auslagerung der Sorgetätigkeiten an Angestellte angegeben, Frauen und Männer gleichermassen eingeschlossen. Die live-in Betreuerinnen übernehmen genau die Tätigkeiten, die früher die (meist weiblichen) Angehörigen übernommen haben: „Das machen ja unsere Betreuer, sie ersetzen [die Angehörigen]. (…). Man sagt ja, die Angehörigen haben keine Zeit, oder zuwenig Zeit, oder? Man sourced das quasi out, oder?“ (Interview 10: 00:34:15-8). Das Gesellschaftsbild, in dem die Angehörigen die Betreuung ihrer hilfsbedürftigen Familienmitglieder nicht selbst übernehmen, wird als normal betrachtet. Die Abgabe der Sorgetätigkeit an Angestellte wird nicht gewertet. Die Situation der Angehörigen wird so beschrieben, dass sie „sich nicht aufopfern wollen“, „ihre Berufstätigkeit nicht aufgeben wollen“. Diese Beschreibung betont die individuelle Lebensgestaltung jedes einzelnen. Die Betreuungstätigkeit wird abgewertet, indem sie in diesem Kontext als Einschränkung der individuellen Lebensgestaltung dargestellt wird. Durch die Betreuungsdienstleistung der Unternehmen kann die Individualität der Angehörigen gewahrt werden, womit die Win-Situation auf Seiten der Angehörigen erklärt wird. Das folgende Zitat zeigt allerdings, dass die Sorge um die Angehörigen nicht automatisch an Angestellte abgeben wird, sondern erst dann, wenn der Punkt erreicht ist, an dem die Betreuungsarbeit den eigenen Lebensweg (zu) stark beeinflusst: „Es ist oft so, dass sich mehrere, mehrere Familienmitglieder um den Hilfsbedürftigen kümmern, aber ab einem gewissen Stadium (…) dann kommen viele Familien in die Bedrängnis, dass sie es alleine nicht mehr schaffen können ohne dass man seinen Job, seinen Beruf aufgibt.“ Interview 14: 00:19:51-7 An das traditionelle familiäre Pflege- und Betreuungsmodell angelehnt füllen die Home Care Unternehmen die Lücke, die durch den Wandel der Familienstruktur entstanden ist. Die Unternehmen knüpfen an die Logik der Pflege und Betreuung innerhalb der Familie an, wobei das live-in Betreuungsmodell mit dem Zusammenleben im gleichen Haushalt an Mehrgenerationenhaushalte erinnert. Allerdings wird nicht die traditionelle Familienstruktur als Ideal dargestellt, da sie im Widerspruch zur Lebensführung der meist berufstätigen Angehörigen stehen würde. Vielmehr legitimieren die Betreuungsunternehmen ihre Tätigkeit mit einer Strategie der Individualitätswahrung. Durch die Betreuung zu Hause kann der hilfsbedürftige Mensch seine Individualität aufrechterhalten und seinen Lebensrhythmus im Alter beibehalten. Die Angehörigen wiederum können durch die Fremdbetreuung ihren (beruflichen) Lebensweg individuell und unabhängig von den hilfsbedürftigen Familienmitgliedern gestalten. 52 7 Themenfeld Konkurrenz In vielen Bereichen wirkt das Selbstbild der Betreuungsunternehmen eher wage. Dies ist einerseits bedingt durch die Darstellung der Arbeit im Privathaushalt als Spezialfall, bei dem jeder Einzelfall individuell angeschaut und geregelt werden muss (vgl. Kapitel 4 Themenfeld Arbeit), andererseits aber auch durch die weitgehende Absenz von arbeitsrechtlichen Bestimmungen im Privathaushalt. Die stärkste Art der Selbstdarstellung der Betreuungsunternehmen zeigte sich in den Gesprächen vielfach bei der Abgrenzung von Konkurrenten. Im Interviewleitfaden wurde die Frage nach der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex direkt gestellt. Ansonsten wurde offen nach den wichtigsten Konkurrenten auf dem Markt gefragt und welche Rolle das befragte Unternehmen darin spiele. Private Spitexorganisationen haben sich klar von reinen Betreuungsunternehmen distanziert. Dabei haben sie sehr stark die Unterschiede der gesetzlichen Rahmenbedingungen zwischen Pflege und Betreuung sowie die Unterschiede der beiden 24-Stunden-Modelle durch liveins und live-outs betont. Die Betreuungsunternehmen hingegen haben private Spitexorganisationen gar nicht erwähnt. Umso wichtiger erscheinen in ihren Aussagen die Positionierung zur öffentlichen Spitex sowie die Abgrenzung zu Alters- und Pflegeheimen wie auch zu den als illegal tätig bezeichneten Betreuungsunternehmen. Was bei allen Befragten auffällt, ist der Wunsch nach einer differenzierten Darstellung des Pflege- und Betreuungsmarktes. Darin schwingt auch vielfach die Kritik an der medialen Berichterstattung mit. Das folgende Kapitel zeigt den Abgrenzungsdiskurs der Home Care Unternehmen auf. Durch die Argumentation zur Abgrenzung von anderen Marktakteuren zeigen die Betreuungsunternehmen auch, welche Rolle im Markt sie sich selbst zuschreiben. 7.1 Abgrenzung gegenüber etablierten Institutionen Altersheim Die Konstruktion des Ideals, das Alter zu Hause verbringen zu können wurde im letzen Kapitel aufgezeigt. Sie ist gleichzeitig auch als Kritik an der Institution Alters- und Pflegeheim zu verstehen. „Wir sind einfach nicht Fan von Altersheimen. Wir wollen nicht sagen, die machen das schlecht oder das ist nicht gut. Aber wir finden einfach, das ist nicht eine gute Lösung. Wir haben das auch familiär gesehen, einfach wie auch die Leute abgeben, wenn sie plötzlich nur noch unter alten Leuten sind.“ Interview 2:00:52:42-9 53 Das Zitat zeigt exemplarisch eine klare Distanzierung zu dieser Institution. Argumentiert wird hauptsächlich mit dem Wunsch der Kundschaft nach Individualität und einem selbstbestimmten Alter. „Jugendliche, Kinder werden darauf getrimmt, dass sie Individuen sind. Wir leben unser Leben als Individuen. Jeder hat seinen individuellen Lebensstil. (…). Und ich denke, da müsste man wirklich vernünftige, andere Angebote auch haben, und es müsste eine wählbare Palette geben, neben der Einbahnstrasse Betreuungs- und Pflegeheim.“ Interview 9: 00:53:27-3 Betreuungsunternehmen stellen sich als die bessere und günstigere Lösung als das Altersund Pflegeheim dar. Die Abgrenzung findet sowohl ideell als auch finanziell statt. Ähnlich wie bei der Argumentation zur Bezahlbarkeit wird hier bemängelt, dass die Gemeinden für jemanden ohne finanzielle Mittel nur den Altersheimplatz bezahlen. Somit besteht keine Wahlmöglichkeit zu Hause zu bleiben, obwohl das günstiger wäre. „Ja, leisten das hat damit zu tun, das müssen Selbstzahler sein, das heisst Leute die das Altersheim- Also die es selber zahlen müssten, wenn sie ins Altersheim kommen. Das ist man noch schnell in der Schweiz. (…). Und äh, das wäre sicher unser Segment. Weil für diese Leute ist es nur noch eine Entscheidung und keine Preisfrage. (…) Wenn sie sowieso nichts selber zahlen können äh also wenn unser Angebot preislich also sogar billiger wäre als ein Altersheim, eine Privatperson darf sich nicht für unser Angebot entscheiden. Wenn die Gemeinde zahlt gibt es nur eine Lösung und das ist Altersheim.“ Interview 2: 00:47:30-4 In der Abgrenzung zum Alters- und Pflegeheim sind die Legitimationsstrategien der Bezahlbarkeit und des Ideals, im Alter zu Hause bleiben zu können, zentral. Diese beiden Aspekte wurden bereits im Kapitel 6 zum Themenbereich Kundschaft dargelegt. Daher fokussiert dieses Kapitel auf die Abgrenzung von weiteren Akteuren auf dem Pflege- und Betreuungsmarkt. Die öffentliche Spitex als Ergänzung „Es ist ja eigentlich normal und naheliegend, dass man zusammenarbeitet. Sie [die öffentliche Spitex] machen medizinische Sachen und wir nicht.“ Interview 2: 01:58:04-3 Die klare Verteilung der Aufgabenbereiche, Pflege auf der einen Seite, Betreuung auf der anderen, scheint eine Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Spitex und den Betreuungsunternehmen zu ermöglichen. Auffällig oft wird von den Betreuungsunternehmen betont, dass eine Zusammenarbeit angestrebt wird und Spitex und Betreuungsunternehmen eine ideale Ergänzung zueinander darstellen. „Aber man muss wirklich sagen, wir machen keine Pflege und da bin ich ziemlich strikt. Das muss klar abgetrennt sein. Daher 54 auch die Zusammenarbeit mit der Spitex, das funktioniert bei uns sehr gut“ (Interview 6: 00:27:17-3). „Wissen Sie, es gibt eine Spitex, die das Medizinische macht. Katheter wechseln bis Pillen abgeben, das hast du ja auch in der Krankenkasse drin, oder? Eine Betreuerin macht eigentlich alles andere.“ Interview 4: 00:09:46-0 Die Selbstdarstellung der Betreuungsunternehmen als Ergänzung zur öffentlichen NonProfit Spitex respektive das Bestreiten, in Konkurrenz zu dieser zu stehen, ist in allen Interviews mit Betreuungsunternehmen erwähnt worden. „Weil wenn man es wirklich, wenn man das Konzept versteht, dann weiss man genau, dass wir keine Konkurrenz sind und dass wir keine medizinischen Dienstleistungen erbringen. Und dann ist das eine optimale Ergänzung zur Spitex. Das ist eigentlich perfekt.“ Interview 8: 00:29:16-5 „Und wir schauen die Spitex wirklich als Ergänzung, als partnerschaftliche Ergänzung an und nicht primär als Konkurrenz.“ Interview 10: 00:40:13-9 In umgekehrter Perspektive geben einige Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner hingegen an, dass die öffentliche Spitex sie (die Betreuungsunternehmen) als Konkurrenten ansehe. „Die Erfahrung hat schon gezeigt, dass die Spitex natürlich diese Institutionen [Betreuungsunternehmen] immer so ein bisschen als Konkurrenz empfindet, oder. Die haben dann das Gefühl, die nehmen ihnen die Arbeit weg.“ Interview 6: 00:27:17-3 „Sobald die Spitex merkt, dass wir keine Konkurrenz sind von ihnen, dann geht es.“ Interview 9: 00:12:05-8 „Und ich bin überzeugt, wir können uns gegenseitig nützlich sein. (…) die grösste Sorge der Spitex, und ich glaube, das ist wahrscheinlich schweizweit so wie ich das mitbekomme, ist: Uh Konkurrenz! Man nimmt uns etwas weg.“ Interview 10: 00:38:18-5 „Aber in einigen Kantonen arbeitet die Spitex gegen die 24-Stunden-Pflege. Die Gründe sind mir effektiv schleierhaft, weil es eigentlich keinen Grund gibt.“ Interview 10: 00:34:32-9 Obwohl die Trennung der zwei Arbeitsbereiche Pflege und Betreuung in den Sprechweisen der Befragten klar erscheint, deuten einige Aussagen darauf hin, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Betreuerin und Spitex vielfach nicht ganz so einfach gestaltet und diese Aufteilung nicht eindeutig ist. „Es ist einfach- Wir dürfen der Spitex da nicht zu viel rein- Wir sind nur da eigentlich, jetzt in diesem Fall dort, für den Haushalt und für die Dame zu betreuen und das Pflegerische ist die Spitex.“ Interview 3: 00:46:11-9 „Das lustige ist ja nur, dass wir natürlich teilweise fantastisches Personal haben, die es besser können als die Spitex. Medizinische Erfahrung [haben]. Es sind sehr viele Krankenschwestern. Sie dürfen gar nicht. Das ist ja auch klar. Dafür gibt es eben die Spitex, oder 55 den Hausarzt, nicht? Aber sie wissen, wie man eine Patientin aufhebt, in die Dusche begleitet und so weiter.“ Interview 4: 00:10:24-2 Eine der Hauptschwierigkeiten in der Zusammenarbeit ist sicherlich die Grenzziehung zwischen Pflege und Betreuung. Eine Interviewpartnerin sagt dazu: „Ich meine, wenn man als Betreuer bei einem Kunden ist, und diese Person muss jetzt aufs WC, hm? Muss auf die Toilette und braucht Hilfe. Einfach gerade in diesem Moment. Ja, sollen wir jetzt schnell das Telefon nehmen und die Spitex anrufen: Kommt schnell, es muss jemand aufs WC. Das geht gar nicht. Ich bin einverstanden, wenn es darum geht, dass jemand wirklich sich selbst am Morgen nicht mehr waschen kann oder duschen. Dass man dann sagt, ok, zwei Mal die Woche lässt man jemanden von der Spitex kommen und lässt, ich sage jetzt mal die ganze Grundpflege machen. Aber das dazwischen, das kann man nicht abgrenzen.“ Interview 10: 00:30:32-5 Weiter deutet die folgende Aussage an, dass die Spitex durch die Anwesenheit einer Betreuerin doch teilweise substituiert wird, besonders was die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten betrifft: „Und bei gewissen kommt einmal, zweimal die Woche die Spitex und macht irgendein Verbändli oder cremt etwas ein oder so, was wir nicht dürfen. Aber das muss man schon sagen, dass geht eigentlich extrem zurück. Also wir haben im Moment niemanden, wo die Spitex jeden Tag kommt, oder so.“ Interview 2: 01:22:12-5 „Ähm, die Spitex wird einfach von der Krankenkasse bezahlt. So einfach ist es, oder? Und wenn jemand äh, äh den Stempel hat vom Arzt: Muss betreut werden, dann kannst du sogar das Putzen haben. Dass wenn dann jemand eine Betreuerin hat, muss du es, musst du das gar nicht haben, weil, weil die Betreuerin die tut ein bisschen Staubsaugen und ein bisschen putzen, nicht? Da brauchst du die ganze Spitex nicht.“ Interview 4: 01:56:23-7 Diplomatische Kritik an der öffentlichen Spitex Vereinzelt wird Kritik an der öffentlichen Spitex geäussert und ihre bürokratische Organisation kritisiert: „Die müssen ja mehr schreiben und Rapporte schreiben, als dass sie arbeiten“ (Interview 4: 01:55:01-0). Ein anderer Interviewpartner sagt dazu: „Wir können nicht, eben wie die Spitäler und Spitex uns den ganzen Tag aufhalten lassen nur noch mit so Sachen [Richtlinien befolgen]. Unsere Zeit wird nicht bezahlt durch das, oder?“ (Interview 2:01:00:32-3). Insgesamt läuft diese Kritik entlang des Abgrenzungskriteriums „Zeit haben“, das auch schon in Zusammenhang mit den Angehörigen, die eben „keine Zeit mehr haben“ um Familienmitglieder zu betreuen, thematisiert wurde (vgl. Kapitel 6 Themenfeld Kundschaft). Eine Interviewpartnerin fasst kurz und bündig zusammen: „Die Spitex hat keine Zeit und wir haben Zeit. So ein bisschen“ (Interview 3: 00:10:43-8). 56 Abgesehen von den eben genannten Abgrenzungskriterien (bürokratische Strukturen und Zeitdruck/Zeitmangel) fällt auf, dass die öffentliche Spitex im Vergleich zum Alters- und Pflegeheim kaum kritisiert wird. Die vereinzelten kritischen Äusserungen sind zudem sehr diplomatisch formuliert. „Ich habe sehr schlechte Erfahrung gemacht mit der Spitex. Aber das ist regional und auch jede- da gibt es, gibt es sicher ganz hervorragende.“ Interview 4:01:55:11-8 „Die Spitex in X zum Beispiel, die sind ja dermassen chaotisch, die haben ja dermassen selber Probleme mit Einstellungen, da kommt ja (…), das ist kein Witz, 1x im Monat kommt ne neue Schwester. Die haben ja so eine Fluktuation (…). In Y ist eine Spitex, die ist ziemlich gut aufgestellt. Da sind immer die gleichen Leute und die empfehlen uns dann auch.“ Interview 1: 01:11:38-9 „Also das ist ja die Idee. Ich denke einfach der Spitex fehlt irgendwo ein bisschen das, was wir mitbringen, die Orientierung im Dienstleistungsbereich, §, fehlt der Spitex gänzlich, behaupte ich jetzt mal. Also zumindest wenn ich das Beispiel X anschaue.“ Interview 10: 00:38:18-5 Kritik wird nicht pauschal geäussert, sondern sehr differenziert. Eine mögliche Erklärung für den diplomatischen Umgang ist die wichtige Rolle der öffentlichen Spitex im Schweizerischen Home Care Markt. Die angestrebte Zusammenarbeit mit der Spitex, respektive die explizite Erwähnung, dass sich Spitex und Betreuungsunternehmen sinnvoll ergänzen, können für Betreuungsunternehmen mehrere Vorteile mit sich bringen. Die Wichtigkeit einer guten Beziehung zur Spitex deute ich einerseits wirtschaftlich, weil durch sie Aufträge für die Betreuungsunternehmen zustande kommen. Das wird vereinzelt von InterviewpartnerInnen auch angesprochen: „Für uns ist es wichtig gewesen, dass sie [die öffentlich Spitex] uns nicht äh- (…) dass sie uns nicht schlecht gesinnt sind. §. Dass sie nicht irgendwelche Sachen plazieren, die uns schaden könnten, weil sie sind auch ein wichtiger Vermittler für uns (…). Ich meine, sie sind an der Quelle bereits.“ Interview 10: 00:38:18-5 „Also im Moment ist es nur so, dass sie [die Kunden] über die Spitex kommen, die mich kennen. Und über die Sozialberatungen der Spitäler. (…) Oder durch Empfehlungen von Leuten, wo wir schon gewesen sind, dass diese Leute uns weiterempfehlen.“ Interview 6: 00:17:00-6 „Die [Spitex] ist schon auf uns zugekommen und hat gesagt: Mensch, wir schaffen das nicht mehr alleine.“ Interview 8:00:29:16-5 Andererseits deuten gewisse Aussagen darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit der Spitex auch als Legitimationsstrategie angewendet wird. Die Zusammenarbeit mit einer gesellschaftlich anerkannten Organisation wie der öffentlichen Spitex, fördert sicherlich die Glaubwürdigkeit der Betreuungsunternehmen. Die Zusammenarbeit kann als eine Art Qualitätsmerkmal verstanden werden. Auf die Frage, weshalb sich Kundinnen und Kunden gerade für ihr Betreuungsunternehmen entscheiden, antwortet eine Geschäftsführerin: 57 „Weil man weiss, dass wir fair arbeiten, dass wir kundenorientiert, qualitativ gut und vor allen Dingen auch im Team mit der Spitex sehr gut zusammenarbeiten.“ Interview 8: 00:09:21-2 Eine weitere Gesprächspartnerin hebt ebenfalls die besondere Rolle der öffentlichen Spitex hervor: „Und was uns sehr freut ist, wenn die [Kunden] sagen, die Spitex hat gesagt, jetzt müsst ihr zum Betreuungsunternehmen X.“ Interview 9: 00:30:11-8 Nicht nur die öffentliche Spitex wird als Referenz angegeben, auch bei der Empfehlung durch Privatpersonen mit einem als renommiert angesehenen Beruf, findet sich dieses Muster wieder. „Ich habe genügend Referenzen zu bieten, von renommierten Leuten, von Firmeninhabern, von Ärzten, äh von Ärzten von Firmeninhabern, von Architekten und so weiter und so fort, die bestätigen, dass sie schon seit ein, zwei Jahren eine gedeihliche Zusammenarbeit pflegen.“ Interview 14: 01:32:42-6 „Die beste Qualifikation jetzt, wo man geben könnte ist, wenn man eben Arztbesuche macht, über den Arzt, so. Weil der lernt mich kennen und der findet, ok, moll ist seriös ist doch gut, wie die arbeitet, oder?“ Interview 3: 00:47:11-6 „Und das ist ein Riesenstolz, den wir haben, wenn uns Kunden, der ein Hausarzt ist zum Beispiel, oder wir haben Kunden, einen Apotheker in Zermatt im Moment gerade, oder von einer Bäuerin usw. Komplimente bekommst.“ Interview 4: 00:13:48-9 Die Betreuungsunternehmen streben nach Anerkennung im Schweizer Home Care Markt und ringen um ihre legale Rolle darin. Die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex kann als Strategie zur Normalisierung ihrer Position im Markt verstanden werden. Die Empfehlung von Organisationen oder Privatpersonen, welche als vertrauenswürdig eingestuft werden, können den Betreuungsunternehmen die angestrebte Glaubwürdigkeit verleihen. Interessant ist hier, dass sich die Aussagenmuster zur Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex in sehr ähnlicher Form auch bei den privaten Spitexorganisationen wieder finden. „Zum speziellen Fall Spitex betrachten wir uns klar als Ergänzung zu der öffentlichen Spitex. Die öffentliche Spitex hat einen Leistungsauftrag vom Staat, den sie erfüllen müssen. Und dort drin wird der Bedarf gedeckt. Und wir als Ergänzung decken dann die Bedürfnisse von unseren Kunden ab. Das heisst die Kunden, die klar mehr Dienstleistungen beanspruchen wollen, kommen zu uns. (…). Wir arbeiten mit der öffentlichen Spitex zusammen indem wir zum Beispiel auch Fälle übernehmen, wenn sie mal zu wenig Leute haben oder wenn sie mal Fälle haben, die sie gerne abgeben möchten. Aber nicht als Konkurrenz, das muss man klar sehen, sondern als Ergänzung. Das ist eigentlich das zum Sagen.“ Interview 12: 00:02:23-4 58 Es fällt auf, dass private Spitexorganisationen weniger unter Legitimationsdruck zu stehen scheinen als die befragten Betreuungsunternehmen. Die Legitimationsargumente der privaten Spitex stützen sich hauptsächlich auf klar belegbare und überprüfbare Kriterien. Von den Betreuungsunternehmen grenzen sie sich mit den Argumenten der Professionalität und Qualität ab. Auf die Frage an die Geschäftsführerin einer privaten Spitexorganisation, wie sie sich von anderen Unternehmen unterscheiden, antwortet sie: „Durch Qualität und, ja in diesem Sinne, das Personal, das ähm entsprechend ausgebildet ist und auch Erfahrung mitbringt, oder? Also, schon durch die professionelle Pflege und natürlich auch durch die Krankenkassenanerkennung, die wir haben.“ Interview 5: 00:35:48-0 Ein anderer Vertreter einer privaten Spitex bemängelt, dass Spitexorganisationen oft mit Betreuungsunternehmen gleichgesetzt werden und insgesamt nicht genug differenziert wird. „Man vergleicht Äpfel mit Birnen oder? Aber man geht davon aus, dass es das Gleiche ist. Oder? Der Kunde meint, es ist das Gleiche und er sieht die Preisdifferenz und er entscheidet sich für die anderen (…), die dann vielleicht nicht die gleiche Qualität anbieten können.“ Interview 13: 00:38:54-1 Ein weiterer Gesprächspartner der eben zitierten privaten Spitexorganisation präzisiert: „Also schwierig wird es eigentlich dort, wo dann vielleicht auf der arbeitsrechtlichen Situation man halt mit unterschiedlichen Ellen arbeitet, oder? Im Hausbereich gelten ja dann nicht überall schön die gleichen arbeitsrechtlichen Vorschriften, wie wenn wir jemanden schicken. Und dann ist es einfach ein Ungleichgewicht, oder? (…). Also müsste man einen Mindestlohn haben, dürfte man nur so und so viel Stunden am Tag arbeiten, müsste man die und die Ruhepausen wirklich haben, wie wir sie auch haben müssen, wenn wir jemanden festanstellen bei uns. Wenn das der Fall wäre, dann wäre das ohne Problem. Dann hätten wir da gar keine Angst. Aber das andere ist halt eben, ja, ist schwierig.“ Interview 13: 00:40:32-5 Die privaten Spitexorganisationen erwähnen, dass ein Aufklärungsbedarf besteht, die Unterschiede der Modelle „Spitex“ und „Betreuungsunternehmen“ hervorzuheben. „Wenn sie uns buchen, dann haben sie nicht einfach eine Mitarbeiterin vor Ort, sondern sie haben eine stetige Begleitung durch eine Einsatzleiterin, die den Auftrag organisiert, begleitet, Mitarbeiteranpassungen macht. Sie haben jederzeit die Sicherheit in einem Krankheitsausfall wird etwas ersetzt. Wir machen alle Abklärungen über die Krankenkasse, interdisziplinäre Gespräche und so weiter. Wir coachen die Mitarbeitenden im Hintergrund, organisieren Teamsitzungen und so weiter.“ Interview 13. 00:23:08-7 59 7.2 Abgrenzung zu den „illegal Tätigen“ Ähnlich vehement, wie sich die privaten Spitexorganisation von den Betreuungsunternehmen mit Care Migrantinnen abgrenzen, findet von Seiten der Betreuungsunternehmen eine Abgrenzung gegenüber illegal tätigen Betreuungsunternehmen statt. Dies geschieht über die Darstellung des eigenen Angebotes als seriös/legal. Auf die Frage wie sich das Angebot des Unternehmens von anderen unterschiedet, meint eine Befragte: „Sicher, hm, ich sage, sicher mal seriös“ (Interview 3: 00:14:52-1). Ein anderer Gesprächspartner erklärt sein Angebot und sagt dazu: „Das heisst, wir machen zuerst Mal wirklich eine ganz seriöse Beratung“ (Interview 9: 00:17:34-1). Die explizite Betonung der Seriosität verweist auf die Anwesenheit von sogenannt unseriösen Unternehmen. Bei der Charakterisierung des Pflege- und Betreuungsmarktes in der Schweiz wurde auf die Existenz dieser illegal tätigen Unternehmen immer aufmerksam gemacht: „Und dann gibt es natürlich äh den ganzen Bereich schwarz“ (Interview 4: 01:34:21-2). „Und es ist ja auch, sehr viel ja absolut im illegalen Bereich auch, oder? (…). Da geht es nur wirklich darum, die billigsten Arbeitskräfte für diese Aufgabe zu rekrutieren“ (Interview 10: 00:08:23-7). Diese Zitate zeigen exemplarisch, dass die Präsenz eines Schwarzmarktes als normal angeschaut wird. Die Befragten scheinen stark geprägt von dieser Thematik zu sein. „Der [Betreuungsmarkt] ist so überschwemmt, da laufen solche schlimmen Sachen. Es gibt andere Organisationen, die auch immer wieder in den Medien stehen, die Busweise die Leute von Osteuropa hier in die Haushalte bringen. Die verschwinden dann. Nicht kontrollierbar. Nix. So möchte ich nicht arbeiten.“ Interview 8: 00:43:53-3 „Das sind doch diese Vermittlungsagenturen, die diesen Menschen diesen Druck ins Hirn eintrichtern. Das sind doch nur diese Vermittlungsagenturen. Das sind doch nicht die Firmen, die in der Schweiz ansässig sind. Dieser Druck wird doch aufgebaut von denen, die sagen: Ok, wenn du nicht willst, dann macht‘s dein Kollege.“ Interview 1: 00:56:43-5 Aus den obigen Zitaten wird sichtbar, dass die Unternehmen, von welchen sich die Befragten distanzieren möchten, als „andere Organisationen“ oder „diese Vermittlungsagenturen“ bezeichnet werden. Eine Zweiteilung des Marktes der Betreuungsunternehmen wird in diesen Sprechweisen sichtbar: die Einteilung in die legalen und die illegale Unternehmen, in schwarz und weiss. Eine genauere Charakterisierung der „illegal Tätigen“ wird nicht gegeben. Vereinzelt werden die illegalen Agenturen mit den aus dem Ausland operierenden gleichgesetzt. So auch in den folgenden Zitaten: „Es ist auch schwierig, weil es gibt ganz viele Sachen, die wirklich im Grenzbereich von legal sind. Die aus dem Ausland operieren (…).“ Interview 9: 00:53:27-3 60 „Für uns ist einfach von Anfang klar gewesen, wenn wir in das- äh in diesem Bereich tätig werden wollen, dann, dann soll der Unterschied eben zu diesen Angeboten, die er jetzt gerade geschildert hat, soll sein, dass man dort auf einer sicheren rechtlichen Basis, als Verbraucher, oder als Angehörige, der das organisiert ist. Wir können uns ja mit ein paar wenigen Sachen unterscheiden zur Konkurrenz in dem Sinn, die aus dem Ausland kommt. Und der wichtigste Punkt ist wirklich, dass das rechtlich sauber ist.“ Interview 10: 00:07:55-0 Im letzen Zitat wird die Abgrenzung anhand der rechtlichen Situation geführt. Dies ist ein wiederkehrendes Argument zur Abgrenzung von der Konkurrenz auf dem Schwarzmarkt. Der Rechtfertigungsdrang dafür, legal tätig zu sein, wird hier durch den Abgrenzungsdiskurs wieder sichtbar (vgl. auch Kapitel 4 zum Themenbereich Arbeit). Neben der Abgrenzung von illegalen Agenturen durch die gesetzeskonforme Arbeitsweise des eigenen Unternehmens, geschieht die Abgrenzung auch anhand von Qualitätskriterien. „Ich kenne alle Angehörigen, ich kenne alle Mitarbeiterinnen, ich kenne immer die Spitex vor Ort, weil die laden wir ein für ein- Wie machen wie ein Case-Management, da denke ist vielleicht auch ein bisschen ein Unterschied zu einer Institution, bei der eine Betreuerin einfach anreist und dann da ist. Also das gibt‘s bei mir nicht.“ Interview 6: 00:14:07-6 „Die aus dem Ausland operieren, die sich nicht zu halten brauchen an unsere Lohnvorschriften, weil sie die Leute auch im Ausland entlöhnen und sich auch in Euro zahlen lassen. Die so unseren Arbeitmarkt und unsere klare Reglementierung mit dem Normarbeitsvertrag für Hauswirtschaft im häuslichen Bereich äh umgehen. Die so zu Dumpingpreisen arbeiten, §, die aber ihren Kunden nie sehen. §. Und ihre Leute einfach hinschicken. Und wenn es dann per Telefon nicht geht, dann gibt es dann vielleicht in einem Monat eine andere Lösung. Also dort ist schon auch eine riesige Schere an Qualität.“ Interview 9: 00:53:27-3 Allerdings können die legal positionierten Betreuungsunternehmen ihr Angebot preislich nicht so günstig halten wie die illegal tätigen Agenturen. Dies steht im Widerspruch zur Legitimationsstrategie der Bezahlbarkeit und wird als ungerecht empfunden. „Und das ist dann irgendwo die Schwierigkeit auch draussen im Markt. Man positioniert sich zwar in einem legalen Rahmen, oder? Und das kostet dann einfach mehr. (…) Und auf der anderen Seite, die Nachfrage, die sagt, ja ich will dieses Angebot, das rund um sorglos Angebot, aber es darf nichts kosten, oder?“ Interview 10: 00:25:08-9 „Und es gibt eben in der Schweiz zig Tausende an illegalen Arbeitskräften, die von ihren Agenturen oder die sich selbst übers Internet in die Schweiz vermitteln. Und die hier nicht angestellt werden und sich somit die Sozialabgaben ersparen und somit dann eben als billige, als noch billigere Arbeitskräfte zu bekommen sind, als wie wenn sie ganz normal angestellt werden. (…) Aber die Schweizer Gesetzgebung unternimmt nichts gegen irgendwelche solchen Machenschaften.“ Interview 14: 01:08:34-7 Im letzten Zitat schwingt zudem noch die Kritik an den Schweizer Behörden mit. Diese Kritik wurde mehrfach geäussert, meist als Antwort auf die Frage, was im Moment die gröss- 61 te Herausforderung in der Geschäftstätigkeit sei. Es wird kritisiert, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen zu wenig klar definiert seien. „Das [live-in Betreuungsmodell] ist für die Schweiz, für die Ämter, dermassen neu, dass sie selber noch nicht wissen, wo‘s lang gehen soll. Und da dran ist -. Also das ist ja die jetzige Schwierigkeit, dass keiner die Richtlinien -. Es gibt Hunderte von Richtlinien und keiner weiss wie eigentlich wirklich umzusetzen.“ Interview 1: 00:16:32-9 „Also wir haben noch keinen festen Platz hier in der Schweiz. Weil es bestimmte Gesetze einfach dafür noch nicht gibt. Also ich sehe uns wirklich zwischen der Spitex und dem Heim. Und dass man da einfach mehr anerkannt wird. Als private Firma.“ Interview 8: 00:45:24-1 “[Wir] haben die Erfahrung gemacht, dass wenn man ämtergemäss Arbeiten will, und so weiter, dass wir mit unserem Konzept überall anstossen, weil wir überall Fragen stellen, auf die sich noch nie jemand eine Antwort darauf überlegt hat. Das heisst, jedes Mal wenn ich mit Ämtern telefoniert habe, habe ich schlussendlich sagen müssen: Ich weiss, dass ich 7 Jahre zu früh bin, aber was mache ich jetzt in der Zwischenzeit damit es gut kommt?“ Interview 9: 00:05:56-2 „Wir haben auch durch die Klärungen mit Seco und so, haben wir auch herausgefunden, dass da eigentlich der gesetzliche Rahmen da, ist noch nicht wirklich, für diese Art von Tätigkeit, das ist ja alles so ein bisschen mal angedacht und andiskutiert, aber man ist irgendwie froh, wenn da niemand etwas macht. Oder es ist einfach irgendwie noch so ein Graubereich.“ Interview 10: 00:25:40-3 Aus den eben zitierten Interviewpassagen geht hervor, dass sich die Unternehmerinnen und Unternehmer über die vielfach unklaren und kantonal uneinheitlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen beschweren. Dies erschwert es den Betreuungsunternehmen, sich legal zu positionieren. Die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer zeigen eine aktive Haltung zur Abklärung der rechtlichen Situation. Besonders die uneinheitliche Handhabe Betreuungsunternehmen als Personalverleiher oder Personalvermittler zu qualifizieren, wird stark bemängelt: „Wir sind auch noch nicht ganz sicher, ob wir übers Ohr gehauen wurden (...), weil wir jetzt erfahren haben, dass nicht alle diese Betriebe Personalverleihbewilligungen haben“ (Interview 4: 00:17:25-4). Warum von staatlicher Seite der rechtliche Rahmen für die live-in Betreuung nicht klarer geregelt wird, erklären sich die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner auf unterschiedliche Weise: „Also ähm, das würde zwar rechtlich nicht verhebbe, was da oftmals gemacht wird, aber man getraut sich fast wie nicht, da den Finger wirklich darauf zu halten, weil sonst eben, ähm das wäre wie ein Bumerang, der zurückkäme. Also, ich kann mir schon vorstellen, alle die jetzt daheim betreut werden können, dann würden die nicht mehr daheim betreut werden können, sondern dann würden sie wieder in stationäre Abteilungen kommen. Und dann explodieren dann die Kosten. Und dann hätten wir wirklich ein volkswirtschaftliches Problem, oder? Und darum ist es wahrscheinlich fast wie ein bisschen, man akzeptiert halt die Situation.“ Interview 10: 00:27:22-5 62 „Und die Ämter haben keine Handhabe, egal welche Gesetz sie da machen. Weil‘s einfach in den Privathaushalt-. Braucht jeder nur zu sagen, ich bin hier auf Urlaub. Dann ist die Sache erledigt. Wenn er auf Urlaub ist, dann kann er machen, was er will.“ Interview 1: 01:20:09-4 Die erste Erklärung vermutet, dass eine staatliche Kontrolle absichtlich ausbleibt, da eine gesellschaftliche Notwendigkeit für solche Betreuungsunternehmen bestehe, auch wenn sie in einem rechtlichen Graubereich angesiedelt sind. Die zweite Begründung fokussiert auf die Unkontrollierbarkeit des Arbeitsplatzes Privathaushalt, wo Gesetze nicht durchsetzbar seien. Der Wunsch nach Klärung und Legitimation durch staatliche Regelung wird deutlich. Verschiedentlich werden auch Vorschläge geäussert, was der Branche helfen würde: „[Für] den Privathaushalt würde ich einfach sagen, sollte es doch einfach eine Stelle geben, (…) [die] dieser Branche hilft, vielleicht auch durch eine Zertifizierung. Jetzt speziell im Bereich Betreuung daheim. Weil das gibt es eigentlich nicht in der Schweiz. §. Es gibt das Spitexzertifikat, (…), aber es gibt keine Zertifizierung für die Betreuung zu Hause. Und wenn man das quasi schafft, dann ist man auf der sicheren Seite, was die gesetzlichen Richtlinien anbelangt und auch die qualitativen Richtlinien.“ Interview 7: 01:16:58-6 Neben einer Zertifizierung schlägt ein anderer Gesprächspartner vor: „Entweder eine ganz normale Legalisierung und Harmonisierung wie in Deutschland oder eine lückenlose Kontrolle. (…). Entweder eine Legalisierung, dass man sagt, wenn eine Kraft zu Hause in Polen sozialversichert ist, und die Schweiz kein Risiko eingeht mit den Sozialversicherungen, dann könnte man doch erlauben, dass diese Kraft einfach in der Schweiz arbeitet.“ Interview 14: 01:19:46-5 In diesem Kapitel zum Themenfeld Konkurrenz konnte gezeigt werden, dass eine Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex angestrebt wird. Durch ihre zentrale Rolle im Schweizer Home Care Markt wird die öffentliche Spitex von Betreuungsunternehmen als wichtige Vermittlerin von Aufträgen angesehen. Zudem wird die Zusammenarbeit als Qualitätskriterium angegeben und als Strategie zur Anerkennung im Markt verwendet. Die Glaubwürdigkeit des eigenen Unternehmens soll durch die Empfehlung und Zusammenarbeit von gesellschaftlich anerkannten Organisationen wie der öffentlichen Spitex oder Privatpersonen gesteigert werden. Darin zeigt sich erneut ein Legitimationsdruck, welcher das Selbstbild der Betreuungsunternehmen stark prägt. Auch in der vehementen Distanzierung von illegal tätigen Betreuungsunternehmen wird die Konformität mit bestehenden Regeln betont. Dieser Rechtfertigungsdrang zur legalen Positionierung ist nicht nur in diesem Kapitel zur Abgrenzung von den Konkurrenten sichtbar geworden, sondern zeigte sich bereits im Kapitel 4 zum Themenbereich Arbeit, wo die Arbeitszeitregelung durch die Festsetzung in Vertragsform betont wurde. 63 8 Diskussion Im folgenden Kapitel werde ich die Legitimationsstrategien, welche in den Themenbereichen Arbeitsbegriff, Arbeitnehmerin, Kundschaft und Konkurrenz herausgearbeitet wurden, nochmals aufgreifen und sie zusammenfassend darstellen. Ein besonderes Augenmerk möchte ich auf die Wirkungsmacht der dargelegten Legitimationsstrategien legen. Als Ausblick auf zukünftige Forschung soll der letzte Abschnitt dieses Kapitels dienen. Die herausgearbeiteten Aussagemuster in den verschiedenen Themenbereichen sind vielfältig, zum Teil auch widersprüchlich. Trotz der Heterogenität der Betreuungsunternehmen auf dem Schweizer Markt lassen sich drei gemeinsame, übergreifende Themenbereiche finden. In allen geführten Gesprächen ist ein Legalitätsdiskurs auszumachen, welcher das Thema Legalität auf verschiedene Weisen diskutiert. Die Aussagemuster der Spezialfallrhetorik, die Festlegung in Vertragsform, die Abgrenzung zu illegal tätigen Agenturen, die angestrebte Zusammenarbeit mit der öffentlichen Spitex und die Kritik an den Behörden bezüglich Absenz von klaren Regelungen für die Arbeit im Privathaushalt verflechten sich darin. Der zweite grosse Themenbereich findet sich in einem Individualitätsdiskurs. Dazu zähle ich die Themenbereiche des Ideals, das Alter zu Hause zu verbringen, die Entlastung der Angehörigen bei der Sorgetätigkeit, die Non-Profit Rhetorik und die Legitimationsstrategie der Bezahlbarkeit. Ein dritter Themenbereich, der wiederkehrend auftaucht, ist die Verwendung von Stereotypen. Dazu kann die implizite geschlechterspezifische Zuschreibung gezählt werden, welche Frauen für die Arbeit als Betreuungspersonen bevorzugt und Männer weitgehend ausschliesst. Ebenso gehört zu diesem Themenbereich die Zuschreibung von bestimmten Eigenschaften qua Nationalität. 8.1 Typen der Legitimität Richard W. Scott (2001, 51) unterscheidet drei Arten von Legitimität: die regulative, die moralische und die kulturell-kognitive. Krawietz übernimmt dieses Konzept für ihre Arbeit und befasst sich mit der regulativen Konformität von Vermittlungsagenturen im Home Care Bereich in Polen und Deutschland (2010, 253). Krawietz erklärt die Ausprägungen unterschiedlicher Selbstbilder der Agenturen in Deutschland und Polen durch die Einbettung in bestehende Gesetze und Verordnungen innerhalb eines nationalen Kontextes. Ich übernehme für die Diskussion meiner Forschungsergebnisse das dreiteilige Legitimitätskonzept von Scott (2001). Während die regulative Legitimität auf Konformität mit Geset- 64 zen beruht und das Handeln durch Zwang und Sanktionen begrenzt, wird die moralische Legitimität erreicht, wenn das Verhalten den vorherrschenden Moralvorstellungen und Werthaltungen einer Gesellschaft entspricht (Scott 2001 zit. in Krawietz 2010, 253). Die kulturell-kognitive Legitimität bezieht sich auf „unhinterfragt geteilte Selbstverständlichkeiten und Situationsdefinitionen“ (Krawietz 2010, 253). Die Auseinandersetzung mit den Sprechweisen von Vertreterinnen und Vertretern von Betreuungsunternehmen hat gezeigt, dass eines ihrer zentralen Anliegen die Anerkennung als juristisch legaler Dienstleistungsbetrieb ist. Die regulative Konformität der Unternehmen ist nicht selbstverständlich, da bei vielen Bereichen im Privathaushalt die Grenzen zwischen legal und illegal verschwimmen. Die Unternehmen stehen, was ihre legale Positionierung im Betreuungsmarkt betrifft, unter Legitimationsdruck. Ich behaupte, dass durch die in Frage gestellte regulative Konformität, andere Legitimitätsformen an Bedeutung gewinnen. 8.2 Regulative Legitimität: Legalität als zentrales Thema Obwohl seit dem 1. Januar 2011 der Normalarbeitsvertrag (NAV 2010) Hauswirtschaft in Kraft ist, bleiben viele Bereiche der Arbeit im Privathaushalt weiterhin ungeregelt. Zwar wurde im Rahmen des NAVs ein Mindestlohn festgesetzt, doch bleibt dieser weitgehend wirkungslos, da die Arbeitszeiten nicht verbindlich festgesetzt sind. Die komplexe arbeitsund migrationsrechtliche Situation bezüglich Arbeitsbedingungen von live-in Angestellten und die unterschiedlichen Auslegungen der Betriebsform (Personalverleih, Personalvermittlung oder Dienstleistungsunternehmen ohne Bewilligungspflicht), sowie das Fehlen von Qualitätskriterien in der Betreuung, wird von den befragten Betreuungsunternehmen als Belastung dargestellt, gerade weil sie sich in einem legalen Rahmen positionieren wollen. Legalität wird zum Abgrenzungskriterium von Betreuungsanbietern auf dem Schwarzmarkt. Sie ist vermutlich ein wichtiges Verkaufsargument, da die Betreuungstätigkeit im Privathaushalt auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Kundschaft und Unternehmen angewiesen ist. Allerdings ist die Legalität mit dem 24-Stunden-Modell in der jetzigen Rechtslage nicht zweifelsfrei erreichbar (vgl. Medici 2011). Daher stehen die Betreuungsunternehmen unter starkem Legitimationsdruck, was die gesetzliche Konformität betrifft. Das zeigt sich auch in den Bemühungen der Unternehmen in der Beziehung zur öffentlichen Spitex. Die von den Betreuungsunternehmen angestrebte Zusammenarbeit mit einer gesellschaftlich anerkannten Institution kann als Strategie an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, interpretiert werden. Aus den Aussagen der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern lassen sich zahlreiche weitere Strategien herauslesen, wie mit diesem rechtlichen 65 Legitimationsdruck umgegangen wird. Eine davon ist die Festsetzung der Arbeitszeiten in Vertragsform. Teilweise wird auch die Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitszeiten abgegeben und dies im Vertrag festgehalten. Damit schaffen sich die Unternehmen einen festgelegten Rahmen, ein überprüfbares Dokument, zur Absicherung ihrer rechtlichen Situation. In Bereichen, die arbeitsrechtlich kritisch sind, wie beispielsweise die Abrufbereitschaft rund-um-die-Uhr durch die ständige Anwesenheit der live-in Betreuerin, wird die bestehende Grauzone mit einer Spezialfallrhetorik legitimiert. Hier wird mit den Besonderheiten des Arbeitsortes Privathaushalt und der personenbezogenen Dienstleistungen argumentiert, wie sie in der Hauswirtschaftsforschung diskutiert werden. Die Notwendigkeit einer individuellen Regelung im Privathaushalt wird durch die Spezialfallrhetorik normalisiert. In dieser Logik ist es nicht möglich die Arbeit im Privathaushalt einheitlich zu regeln, weil dieser Arbeitsort als Spezialfall betrachtet wird und jede Situation individuell zu handhaben sei. Zusammenfassend zeigt sich im Legalitätsdiskurs ein Streben der Betreuungsunternehmen nach rechtlicher Konformität, gleichzeitig zeigt er einen im live-in Betreuungsmodell inhärenten Graubereich, den die Unternehmen mit einer Spezialfallrhetorik zu legitimieren versuchen. 8.3 Moralische Legitimität: Individualität als zentrales Thema In den Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von privaten Spitexorganisationen wurde primär Bezug auf die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben hergestellt. Sie legitimieren ihre Tätigkeit explizit mit den Argumenten der Qualität und der Professionalität, welche in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben im Gesundheitswesen ausgeführt werden. Die Betreuungsunternehmen hingegen stehen diesbezüglich unter einem Legitimationsdruck. Neben den aufgezeigten Strategien zur Rechtfertigung der regulativen Konformität, greifen sie vermehrt auf Strategien zurück, die der moralischen Legitimität zugeordnet werden können. Dabei wird die Übereinstimmung der Tätigkeit der Betreuungsunternehmen mit gesellschaftlich vorherrschenden Werten und Moralvorstellungen betont. Das Thema Individualität wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben. Sie wird auf der Seite der hilfsbedürftigen Person erwähnt, welche im Alter zu Hause bleiben und ihren individuellen Lebensrhythmus beibehalten kann. Auch die Angehörigen werden entlastet, indem sie die Pflege und Betreuung der alten und kranken Familienmitglieder abgeben können und so ihr eigenes Leben individuell gestalten können. Die Betreuungsunterneh- 66 men bedienen sich einer Non-Profit Rhetorik, angelehnt an das unbezahlte Betreuungsmodell innerhalb der Familie, und stellen die Profitorientierung in den Hintergrund. Dabei wird ein Selbstbild von Betreuungsunternehmen gezeichnet, bei dem „Gutes zu tun“ zu einer wichtigen Motivation der Unternehmenstätigkeit wird. Das „Gute“ für die Kundschaft besteht hauptsächlich in der Förderung und Erhaltung der Individualität. Auf Seiten der Betreuerinnen wird die Argumentation der hohen Löhne im Vergleich zum Lohnniveau in ihrem Herkunftsland als moralische Legitimationsstrategie ausgeführt. Die Legitimationsstrategie Bezahlbarkeit kann ebenfalls innerhalb des Individualitätsdiskurses verstanden werden, indem durch ein günstiges Angebot möglichst vielen Menschen ein individuell gestaltetes Leben ermöglicht wird. Von Seiten der Pflege wird diesbezüglich allerdings eingewendet, dass eine 24-Stunden Anwesenheit einer Betreuerin in den meisten Fällen gar nicht nötig sei und von den betreuungsbedürftigen Menschen auch als Bevormundung empfunden werden kann (Jähnke et al. 2012, 31). Inwiefern die live-in Betreuungsform hauptsächlich einem Sicherheitsbedürfnis der Angehörigen entspricht, kann hier nicht beantwortet werden. 8.4 Kulturell-kognitive Legitimität: Stereotype als zentrale Themen Die kulturell-kognitive Legitimität bezieht sich auf unhinterfragte Selbstverständlichkeiten, die nicht explizit gemacht werden. In den geführten Gesprächen werden Argumente dieser Legitimitätsform somit nicht erklärt, vielmehr zeigen sie sich in unausgesprochenen Annahmen, die nicht gerechtfertigt werden müssen. Waitt bezeichnet das Aufspüren solcher „silences“ als integralen Bestandteil einer Diskursanalyse (2010, 236). Die Selbstverständlichkeit, mit der die Unternehmen Frauen als Arbeitnehmende privilegieren und gleichzeitig Männer weitgehend von dieser Arbeit ausschliessen, kann als eine Form von kulturellkognitiver Legitimität identifiziert werden. Auch die selbstverständliche Verwendung von Nationalitätsstereotypen, welche zur Legitimation der ausschliesslich ausländischen Arbeitnehmenden im live-in Betreuungsmodell herangezogen werden, kann als ein weiteres Argument dieser Legitimitätsform betrachtet werden. Während die Ermöglichung eines selbstbestimmten Alters und die Individualitätserhaltung als moralische Legitimation der Tätigkeit von Betreuungsunternehmen aufgeführt werden, kann gleichzeitig die positive Darstellung des Alters zu Hause als eine selbstverständliche, unhinterfragte Wahrheit besprochen werden. Dass das Leben im eigenen Zuhause auch als Isolation empfunden werden könnte oder das kollektive Zusammenleben in einer Instituti- 67 on wie dem Alters- und Pflegeheim auch eine Bereicherung darstellen kann, wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt oder hinterfragt. Ebenso wird es als selbstverständlich betrachtet, dass die Betreuung innerhalb der Familie unvereinbar ist mit einer individuellen Lebensgestaltung der Angehörigen und die Betreuung der eigenen Angehörigen als Belastung empfunden wird. Die Zuweisung der Legitimitätstypen nach dem Modell von Scott (2001) ist in der Anwendung auf dieser Arbeit nicht immer eindeutig. So verschwimmen die Grenzen zwischen moralischen und kulturell-kognitiven Legitimitätsargumenten teilweise. Teilaspekte der moralischen Legitimität können auch als kulturell-kognitive Legitimitätsargumente betrachtet werden, wie am Beispiel der Individualität gezeigt werden konnte. Dennoch scheinen mir die drei unterschiedlichen Legitimitätstypen hilfreich zu sein, um die vielfältigen Strategien zusammenfassend darzustellen, welche Betreuungsunternehmen zur Legitimation ihrer Tätigkeit heranziehen. 8.5 Schlussbetrachtung Nach meinen Einschätzungen haben Legalitätsstatus und Preissegment, in welchem sich die befragten Betreuungsunternehmen positionieren, einen grossen Einfluss auf den Pflege- und Betreuungsmarkt in der Schweiz. Ebenso entfalten die Betreuungsunternehmen ein Gestaltungspotential durch die Annahmen, was eine gute Betreuerin ausmacht und welche Eigenschaften sich die Kundschaft wünscht. Die Betreuungsunternehmen üben einen grossen Einfluss auf den Arbeitsmarkt im Home Care Bereich aus, indem sie bestimmte Arbeitnehmende vorziehen und andere ausschliessen. Weiter gestalten sie den Markt, indem sie durch ein günstiges Angebot sicherlich ein breiteres Kundensegment bedienen und so an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig setzen sie mit tiefen Preisen möglicherweise andere Home Care Dienstleistungsbetriebe unter Druck. Was den Legalitätsstatus betriff, kann dieser sicherlich als Marketinginstrument eingesetzt werden, gerade im Zusammenhang mit dem Argument „gut und günstig“. Ob diese Annahme zutrifft und der Preis wirklich das zentrale Argument bei der Entscheidung der Kundschaft für ein spezifisches Betreuungsunternehmen darstellt, bedarf es weiterer Forschung. Spannend wäre hier zu untersuchen, aus welchen Gründen betreuungsbedürftige Personen und ihre Angehörigen sich für eine 24-Stunden-Betreuung entscheiden und wie Familienmitglieder die Abgabe der Care Tätigkeiten legitimieren. Weiter bleibt offen, anhand welcher Kriterien die Kundschaft ein spezifisches Betreuungsunternehmen auswählt. 68 Möglicherweise ist der Legalitätsstatus auch ein Argument für die Arbeitnehmenden, ob sie bei einem legal positionierten Unternehmen, bei einem auf dem Schwarzmarkt tätigen Unternehmen oder als selbstständige Betreuerin tätig sein möchte. Interessant wäre es, diese unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse aus Sicht der Arbeitnehmerin zu untersuchen und zu fragen, ob und wie sie sich ihre Arbeitsform im Care Bereich auswählt. Ich könnte mir vorstellen, falls Betreuungsunternehmen, wie die hier Befragten, die Arbeitsbedingungen im Haushalt regelmässig kontrollieren und als Ansprechpartner für Betreuerinnen engagiert sind, dies aus Sicht der Arbeitnehmerinnen ein Vorteil gegenüber der selbstständigen Tätigkeit im Privathaushalt sein könnte. Im Zusammenhang von Preis und Legalitätsstatus befürchte ich, dass eine zukünftige gesetzliche Festlegung der Arbeitszeit problematisch sein könnte. Falls die Präsenzzeit und nicht mehr nur die vertraglich festgesetzten Arbeitsstunden entlöhnt werden müsste, käme es zu einem starken Preisanstieg des live-in Betreuungsmodells, welcher den Schwarzmarkt weiter fördern würde. Die hier befragten Betreuungsunternehmen müssten dann ein ähnliches Kundensegment bedienen, wie heute die privaten Spitexorganisationen. Vermutlich könnten viele nicht bestehen, da sie den meisten Spitexorganisationen bezüglich Erfahrung und Dienstleistungsangebot (Pflege- und Betreuungsdienstleistungen) unterlegen wären. Diese Ansicht soll nicht darüber hinweg täuschen, dass ich die Arbeitszeiten im live-in Betreuungsmodell als sehr problematisch einstufe und meiner Meinung nach hier Handlungsbedarf besteht. Allerdings scheint es mir enorm schwierig, diesen Graubereich zu entschärfen. Ich sehe Handlungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Wochenendablösung zum Beispiel durch Familienmitglieder, Bekannte, eine zweite Betreuerin oder eine Pflegefachfrau. Eine Vernetzung der Betreuerinnen untereinander sollte angestrebt werden, um die Isolation im Privathaushalt zu vermindern. Im Idealfall würden ein Austausch zwischen den Betreuerinnen und der Vergleich von Arbeitssituationen und bedingungen untereinander, die Betreuerinnen zusätzlich ermutigen, ihre Rechte einzufordern. Der Staat sollte meiner Meinung nach die Praxis der Betreuungsunternehmen unter die Lupe nehmen und bezüglich der Betriebsform eine einheitliche Regelung durchsetzen. Es bleibt die Schwierigkeit der Kontrolle im Privathaushalt und hier denke ich, können Home Care Unternehmen ansetzen, wenn sie eine Vermittlungsposition zwischen Betreuerin und Kundschaft übernehmen und die Rechte der Arbeitnehmenden durchsetzen. Ich schreibe den Betreuungsunternehmen ein grosses Einflusspotential bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu. Sie können viel dazu beitragen, beispielsweise durch regelmässige Kontrollen, die Arbeitsbedingungen im Privathaushalt für die Arbeitnehmenden zu verbessern, was sicherlich auch die Qualität der Betreuung erhöht. 69 Ein weiteres wichtiges und politisches Thema ist das Gesundheitswesen in der Schweiz, welches massgeblich beeinflusst, welche Formen von Unternehmen auf diesem Markt tätig sind und welche Arten von Pflege- und Betreuungsmodellen angeboten werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde dieser Fokus nicht gewählt. Es wäre sicherlich interessant, die Betreuungsunternehmen im Kontext der Entwicklung des Schweizer Gesundheitswesens zu thematisieren. Der Vergleich mit Home Care Unternehmen in anderen nationalen Kontexten stellt eine weiter Forschungslücke dar. Die Praxis der Betreuungsunternehmen in der Rekrutierung der Arbeitnehmenden bleibt ebenso weitgehend unerforscht. Die Auseinandersetzung mit Unternehmen auf dem Home Care Markt zeigt ein enorm vielschichtiges Themenfeld, das zahlreiche juristische, gesellschaftspolitische und auch moralische Fragen aufwirft. Ich denke, weitere wissenschaftliche Forschungsarbeiten können dabei helfen, gesellschaftliche und individuelle Antworten darauf zu finden, welche Formen von Betagtenbetreuung anzustreben sind. 70 Anhang 1: Interviewleitfaden Erzählstimulus Themenfeld Darstellung des Unternehmens Stichworte Vertiefungsfragen Würden Sie mir das Unternehmen x vorstellen? Unternehmensgeschichte Wie ist das Unternehmen x entstanden? Organisation und Charakterisierung Wie sieht das Unternehmen x heute aus? Unternehmensphilosophie [Slogan von Homepage] Können Sie ausführen, was das für Sie bedeutet? Wie lautet Ihre Unternehmensphilosophie? Wie wird Ihre Unternehmensphilosophie im Alltag umgesetzt? Tätigkeitsbereich/Angebot Welche Dienstleistungen bieten Sie an? Ist Ihr Unternehmen auf ein Angebot spezialisiert? Worauf? Bieten Sie rund-um-die-Uhr Betreuung an? Bieten Sie stundenweise Betreuung an? Wie schätzen Sie Ihr Angebot preislich ein? Welche Qualitätsstandards haben Sie? Wie sichern Sie Ihre Qualität? Beschreibung Kundschaft Wie würden Sie das Profil ihrer Kunden und deren Angehörigen beschreiben? Motivation der Kundschaft Aus welchen Gründen entscheiden sich Ihre Kunden für Ihr Angebot? Beziehung Kunde – Unternehmen – Betreuerin- (CaseManagerin) Welche Beziehung haben Sie zu Ihren Kunden und zu deren Angehörigen? Was für eine Beziehung haben die Betreuerinnen zu den zu-betreuendenPersonen? Themenfeld Kundinnen, Kunden, Angehörige Wie sehen die Lebensumstände Ihrer Kundinnen und Kunden (und deren Angehörigen) typischerweise aus? 71 Themenfeld Arbeitnehmende und ihre Arbeit Was macht aus Sicht Ihres Unternehmens eine gute Betreuerin aus? Beschreibung Arbeitnehmende Wie würden Sie das typische Profil einer Betreuerin bei Unternehmen x beschreiben? Wie sehen die Lebensumstände Ihrer Betreuerinnen typischerweise aus? Wie ist es gekommen, dass Sie mit ausländischen Arbeitnehmenden arbeiten? Wie rekrutieren Sie ihre Beschäftigten? Welche Beziehung haben Sie zu den Betreuerinnen? Arbeitsbedingungen in 24-StundenArrangements Wie funktioniert eine 24-Stunden-Betreuung bei Ihnen? Was zählt zu den Aufgaben einer 24-Stunden-Betreuerin? Wie werden bei Ihnen Arbeitszeit und Freizeit geregelt? Eigene Rolle im Markt Was unterscheidet Ihr Unternehmen von der Konkurrenz? Charakterisierung des Betreuungsmarktes Wie würden Sie den Schweizer Betreuungsmarkt charakterisieren? Wie hat sich der Schweizer Betreuungsmarkt in den letzten Jahren verändert? Welche Veränderungen würden Sie sich für den Schweizer Betreuungsmarkt wünschen? Beschreibung der Konkurrenz Wer sind die Hauptkonkurrenten auf dem Markt? Wie gestalten sich aus Ihrer Sicht die Beziehungen zu anderen Marktakteuren? Herausforderung Was ist zurzeit die grösste Herausforderung in ihrer Geschäftstätigkeit? Motivation für Tätigkeit Was ist für Sie die grösste Motivation in dieser Geschäftstätigkeit? Vision Welche Vision hat Unternehmen x? Medien Wie erleben Sie die mediale Berichterstattung zur rund-um-die-Uhr Betreuung durch ausländische Arbeitskräfte? Themenfeld Betreuungsmarkt/ Konkurrenz Welche Rolle nimmt das Unternehmen x im Schweizer Betreuungsmarkt ein? Abschluss Gibt es von Ihrer Seite etwas, das Sie zum Schluss noch erwähnen möchten? 72 Anhang 2: Codierblatt Deskriptive Codes Definition 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Alternativen im Alter Altersheim Angebot Angehörige Arbeitnehmerin Arbeitsbedingungen Arbeitszeit Behörden Charakteristika der Arbeit Gender Konkurrenz Kosten Kunden Legalität Lohn Medien Nachbarländer Philosophie Qualität Regelungen 21 22 23 24 25 26 27 Schwierigkeiten Selbstbild Spitex Sprache Unternehmensgeschichte Vermittlung/Verleih Vorteile 28 29 Pflege Entsendung Optionen für Lebensformen im Alter (ohne Alters- und Pflegeheim, ohne Spitex) Aussagen zum Alters- und Pflegeheim Aussagen zum Angebot des Unternehmens, Betreuungsstufen Aussagen zu Angehörigen der betreuten Person Charakteristika der Arbeitnehmerin ( Ausbildung, Herkunft, Fähigkeiten) Rahmenbedingungen der Arbeit (ausgenommen Arbeitszeit-Freizeit Diskussion): 24h-Arrangements, Arbeitsrhythmus, Wohnsituation etc. Arbeitszeit-Freizeitregelung Aussagen zu offiziellen Stellen: Ämter, Seco, Migrationsamt etc. Inhalt, Beschrieb und Besonderheiten der Arbeit im Privathaushalt (Pflichtenheft und Erfahrungen) Aussagen zur Rollenverteilung Frau- Mann, Charakteristika der Geschlechter bei Arbeitnehmenden und Kundschaft Aussagen zu Konkurrenten innerhalb der Branche (ohne Altersheim und Spitex) Kosten für die Kunden als auch für die Home Care Unternehmen Charakteristika der Betreuten und Rekrutierung der Kunden Aussagen zu rechtlichen Grauzonen, Schwarzmarkt Aussagen zum Lohn der Betreuerin, Dumpinglöhne Aussagen zu Medien im Allgemeinen Aussagen zur Situation des Pflege- und Betreuungsmarktes in den Nachbarländern Aussagen zur Unternehmensphilosophie, Ziel und Zweck des Unternehmens, Vision Aussagen zur Qualität des eigenen Angebotes und Begründung, Elemente der Qualitätssicherung Gesetzliche Regelungen der Betreuung/Pflege im Privathaushalt und Aussagen zum Normalarbeitsvertrag, Personenfreizügigkeit, Aufenthaltsstatus, Arbeitsvertrag Aussagen zu Schwierigkeiten und Herausforderungen des Unternehmens auf dem Schweizer Home Care Markt (ausgenommen Legalität) Aussagen zur eigenen Tätigkeit, was ist die Aufgabe der Befragten? Welche Rolle im Markt nehmen sie ein Aussagen zur öffentlichen Spitex Aussagen zu Sprachkenntnissen der Arbeitnehmenden Aussagen zur Unternehmensgeschichte, Motivation und Gründe für die Entstehung Aussagen zur Unternehmensform (rechtlich: Verleih/Vermittlung oder anderes) Aussagen zu den Vorteilen eine 24-Stunden-Betreuung und Notwendigkeit des Unternehmens. Warum braucht es das? Motivation für Geschäftstätigkeit? Aussagen zu Pflegetätigkeiten in Abgrenzung zu Betreuungstätigkeiten Aussagen zur Entsendung 73 Anhang 3: Persönliche Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und die den verwendeten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Linda Schilling 74 Literaturverzeichnis Apitzsch U., Schmidbaur M. (2010): Care und Reproduktion. Einleitung. In: Apitzsch U., Schmidbaur M. (Hrsg.): Care und Migration. Die Ent-Sorgung menschlicher Reproduktionsarbeit entlang von Geschlechter- und Armutsgrenzen. 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