Die Konzentration des europäischen Kinomarktes
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Die Konzentration des europäischen Kinomarktes
Die Konzentration des europäischen Kinomarktes Wenn man von der Konzentration des Kinomarktes spricht, umfaßt dies sowohl die Konzentration auf der Abspielseite wie auch die der Unternehmen. Folgender Beitrag vergleicht die Verhältnisse in Deutschland mit denen des benachbarten Auslands. Konzentration auf dem Kinomarkt Mitte der 80er Jahre begann die Multiplexära in Europa. Damals schickte sich das angloamerikanische Unternehmen UCI an, mit einem völlig neuen Konzept aus den USA zunächst in England und später in Deutschland die Kinolandschaft zu verändern. Etwa gleichzeitig beschritt auch ein europäischer Innovator, die Familie Bert in Belgien, den gleichen Weg. Verändert hat sich in der Tat eine Menge. Multiplexing hieß: man baue möglichst viele Säle in eine Spielstätte, um die Kostenvorteile der Massenabfertigung nutzen zu können - ein Wettrüsten, das Belgien neben Großbritannien (zumindest am Multiplex-Anteil gemessen) gewonnen hat. Bei der Steigerung der Anzahl der Leinwände pro Spielstätte hat in den vergangenen 10 Jahren neben Spanien Deutschland am stärksten zugelegt: mit einem Anstieg der Leinwände von etwa 25% ging ein Rückgang der Kinos (Spielstätten) um rund 15% einher, was 1999 gegenüber 1991 zu einem Zuwachs der Leinwände pro Spielstätte von knapp 50% führte. In vielen europäischen Ländern sieht es ähnlich aus. Unangefochten an der Spitze zeigt sich aber Spanien mit einem regelrechten Multiplexboom, der zu einer Verdoppelung der Leinwände führte, obwohl im selben Zeitraum der Bestand an Filmtheatern mit nahezu gleich geblieben ist. 1991 Land Kinos 1999 Leinwände LW/Kino Kinos Zuwachs 99/91 Leinwände LW/Kino LW/Kino Belgien 176 429 2,4 140 492 3,5 44% Großbritannien 650 1.750 2,7 751 2.826 3,8 40% Deutschland 2.055 3.706 1,8 1.750 4.651 2,7 47% Frankreich 2.271 4.490 2,0 2.163 4.971 2,3 16% Spanien 1.314 1.741 1,3 1.334 3.354 2,5 90% Italien 2.151 2.241 1,0 2.259 2.839 1,3 21% Abbildung 1: Kinos, Leinwände, Kinos pro Leinwand und Veränderung 1999/1991 Quelle: Media Salles, RMC Während es in den schlecht versorgten Ländern England und Italien zu einem Zuwachs an Spielstellen und Leinwänden kam, sorgte die Konzentration in den vorher bereits gut ausgestatteten Ländern für eine stagnierende oder geringer werdende Kinoanzahl bei gleichzeitigem starken Leinwandwachstum. Doch der Schwund an Spielstellen blieb überschaubar. Allein in Belgien und Deutschland ist mit 20% und beinahe 15% merklich zu erkennen. Noch deutlicher wird das Phänomen der Konzentration, wenn man die Zahlen der Leinwände nach ihrer Zugehörigkeit zu Einzelkinos und Häusern mit über acht Leinwänden analysiert. Während die RMC medien consult 1 Zahl der Einzelkinos ausnahmslos rückläufig ist, ist eine immer größer werdende Zahl an Leinwänden in Häusern mit mehr als acht Sälen untergebracht. Leinwände in Häusern mit... 1 LW > 8 LW 1991 1999 1991 1999 Belgien 96 49 8 214 Großbritannien 400 256 38 1.420 Deutschland 1.300 850 149 841 Frankreich 1.430 1.256 25 1.072 Spanien 1.122 856 0 1.068 Italien 2.000 1.925 1 125 Abbildung 2: Kinos, Leinwände, Kinos pro Leinwand und Veränderung 1999/1991 Quelle: Media Salles, RMC Konzentration auf dem Betreibermarkt Mit der Konzentration auf dem Abspielmarkt geht die Konzentration auf dem Betreibermarkt einher. Dabei gibt es unterschiedliche Motive und Wege des Wachstums. Die Übernahme von Konkurrenten (UGC übernimmt Virgin in England, Kinowelt übernimmt Theile Hoyts und CinemaxX übernimmt UFA in Deutschland etc.) geht am schnellsten, kann aber auch erhebliche Risiken in sich bergen, weil die Strukturen zur Führung der Häuser nicht so schnell geändert werden können. Das Wachsen über internationale Bündnisse und gemeinsame Investitionen (Kinepolis und CinemaxX, Kieft und Mediaport S.R.L.) oder allein (Pathe in Holland oder Deutschland (geplant)) sind weitere Wege des Wachstums und damit der Konzentration. Der enorme Kapitalbedarf dieses Kinotyps erforderte auch einen neuen Betreibertyp, nämlich große Ketten, strategische Joint-Ventures und Aktiengesellschaften. In Europa sind sie häufig auch aus kleinen Unternehmen entstanden und national gewachsen. Viele dieser nationalen Marktführer suchen – die Grenzen des Wachstums in den eigenen Ländern erkennend – Partnerschaften und Aktivitäten im benachbarten Ausland. Gleichzeitig hat insbesondere die stabile Währung dafür gesorgt, daß amerikanische und besonders australische Unternehmen Europa ins Visier nahmen – wie sich zeigen sollte, jedoch teilweise mit katastrophalen Fehleinschätzungen. In keinem der betrachteten Länder ist demnach eine Vormachtstellung eines eindeutig internationalen Players zu beobachten. Noch vor wenigen Jahren, konnte bei internationalen Kinokongressen den Global Playern dabei zugehört werden, wie sie den europäischen Markt - neben allen anderen Weltmärkten untereinander aufteilten. Von der Zielerreichung ist, dies gilt zumindest für die wichtigen europäischen Märkte, wenig zu spüren. Lediglich UCI, als Tochter amerikanischer Eltern ohne Kinobesitz, ist es gelungen, in nennenswertem Umfang und international aufzutreten. Warner ist nach seinem Rückzug in Deutschland zumindest noch in Italien und England aktiv. Und auch andere Unternehmen wie AMC, Hoyts, Cineplex oder Sony sind auffallend zurückhaltend auf dem europäischen Kinomarkt. Für Deutschland speziell zeigen sich somit einzig die Bemühungen der Greater Union, die sich dem Sachverstand eines deutschen Familienunternehmens unterordnete, erfolgsversprechend. Nachdem RMC medien consult 2 häufig ohne Sinn und Verstand bzw. in der irrigen Vorstellung einer deutschen Kinolandschaft, die ähnliche Reserven wie der australische oder der US-amerikanische Markt entfalten könnte, agiert wurde, lassen diese Unternehmen nun eine vielerorts desaströse Situation zurück. Nach dem Rückzug von Hoyts, Warner und Village in Deutschland erwarten viele Branchenkenner eine ähnliche Entscheidung aus dem Hause UCI. Die Stornierung einzelner Verträge, das Nichtantreten von Mietverhältnissen und die schwierige wirtschaftliche Situation in der überwiegenden Zahl der Häuser lassen nichts Gutes vermuten. Die Kaltschnäuzigkeit, mit der ein Raymond Smith die von ihm geführten Unternehmen UCI und Hoyts mit extrem problematischen Standorten belastete, macht es allen Nachfolgern schwer, dieses Erbe zu schultern. Eine Hinterlassenschaft davon ist Herne. Dieser Flecken Erde im Ruhrgebiet ist nach Ansicht von Tim Warner, Chef der amerikanischen Kette Cinemark, ein Vorort von Düsseldorf und damit nicht nur ein exzellenter Standort für 3.500 Plätze und 12 Leinwände sondern auch ideal, um seine Europa-Aktivitäten hier beginnen zu lassen. Im Moment ist der englische Investor THI jedoch zahlungsunfähig. Somit trägt auch die Fehleinschätzung von Märkten und die sich anschließende Versteigerung des Scherbenhaufens zur Konzentration bei: denn ist der Preis nur niedrig genug, wird sich auch ein Käufer finden. Überraschend kommt diese Konzentration gleichwohl nicht. Man mußte nicht nur nach Amerika sehen, um den Trend voraussagen zu können. Auf allen Gebieten der Wirtschaft führt eine gewisse Marktlogik dazu, sämtliche Möglichkeiten der Ertragssteigerung voll auszuschöpfen. So suchte die CinemaxX AG, der größte nationale Kinobetrieb, bereits vor über einem Jahr den Kontakt ins Ausland, den sie in Form der Kinepolis in Belgien auch fand. Dort ist die Kinepolis mit etwa 43% der Leinwände der mit weitem Abstand größte Betreiber. Seitdem in diesem Jahr die Senator AG hinzukam, halten beide Unternehmen zusammen 50% und eine Aktie an der CinemaxX AG. Die wiederum stellt seit der Kooperationsvereinbarung mit der UFA zusammen rund 720 Leinwände, was einen Marktanteil an Leinwänden von etwa 15,50% ausmacht. Damit ist das Unternehmen von H.J. Flebbe und der Familie Bert, die noch Kinos in neun weiteren Ländern betreiben, auf dem Weg zum größten europäischen Kinokonzern mit rund 1.000 Leinwänden. Nicht nur die vielen Bauprojekte, auch die Firmenphilosophie untermauern den Anspruch auf europäische Marktführerschaft vehement, obgleich die Kooperation mit der Senator AG zunächst als nur ein kleiner Schritt in Richtung vertikale Integration anzusehen ist. Auch der zweitgrößte deutsche Filmtheaterbetreiber, die Kieft-Gruppe, die in Deutschland 346 Säle meist unter der Marke Cinestar kontrolliert und durch eine Beteiligung dem australischen Kinobetreiber Greater Union eine Tür zum deutschen Markt aufgemacht hat, stellt die Weichen auf Expansion. Zusammen mit der Mediaport S.R.L. wurde unlängst in Italien ein weiteres Auslandsprojekt angepackt, nachdem bereits einzelne Häuser in den Niederlanden und Österreich eröffnet worden waren. Weitere Projekte insbesondere in Osteuropa sollen folgen. Nach dem völligen Rückzug von Hoyts und Warner aus dem deutschen Markt hat auch jüngst Village den Rückwärtsgang eingelegt. Dafür ist mit der Kinowelt Medien AG nun der drittgrößte deutsche Filmtheaterbetreiber entstanden, der neben den eigenen Arthauskinos nun mit 50,1% bei Theile und 25,2% bei Village Roadshow beteiligt und an ausgewählten Standorten für das operative Geschäft zuständig ist. Einige besonders delikate Häuser wie das in Ludwigshafen oder das fertig eingerichtete, aber nicht bespielte in Frankfurt, wurden aus dem Deal ausgespart. RMC medien consult 3 Betreibergesellschaften Leinwände Marktanteil nach Leinwänden CinemaxX AG 15,42% 717 CinemaxX 297 6,39% UFA 420 9,03% Kieft & Kieft 346 7,44% Kinowelt Medien AG 236 5,07% Theile 144 3,10% Village 59 1,27% Kinowelt (Arthaus) 33 0,71% UCI 164 3,53% Summe aus 4 1.463 31,46% Summe total 4.651 100,00% Abbildung 3: Betreiber, Leinwände und Marktanteile in Deutschland Quelle: Internet, verschiedene Veröffentlichungen, Aussagen der Unternehmen, RMC Die großen Übernahmen, Fusionen und Managementverträge, die die Selbständigkeit der Unternehmen beenden, haben somit also im Jahr 2000 zu einer starken Konzentration in Deutschland geführt. Dies ist bei unseren europäischen Nachbarn noch nicht der Fall. Zwar hat der französische Big Player UGC die englischen Virgin-Kinos übernommen, aber ansonsten haben sich die großen Kinobetreiber in Europa noch ihre Eigenständigkeit bewahrt und sind ohne größere Übernahmen aus eigener Kraft expandiert. Auch vertikale Integration ist bei allen drei französischen Playern Gaumont, UGC und Pathé zu erkennen. Dabei hat Pathé zwar den kleinsten Kinopark, offenbart aber die stärksten Wachstumsambitionen. Insgesamt sieht die Konzentration in den wichtigsten europäischen Ländern unterschiedlich aus. In Belgien, dem Land mit der zweithöchsten Anzahl an Leinwänden pro Kino, liegen also 2/3 aller Leinwände in den Händen der fünf großen Kinobetreiber. Daß insgesamt 43% oder 212 aller Leinwände allein auf die Kinepolis entfallen, paßt ins Bild. Kaum anders ist die Situation in Großbritannien, wo mit 3,8 Leinwänden pro Spielstelle der höchste Wert erreicht wird. Zwar verteilen sich hier die Leinwände auf die einzelnen Big Player etwas gerechter, doch der größte ist ebenso stark wie die beiden Nachfolger: Odeon stellt nach der Übernahme von ABC 633 Leinwände und erreicht damit einen Marktanteil von rund 22%. Aufgrund der Übernahme von Virgin durch UGC, können die Franzosen einen zweiten Platz mit 12% oder 338 Leinwänden belegen, während UCI nur Platz drei mit 317 Sälen oder 11% Marktanteil vorweisen kann. In allen anderen Ländern sind die Marktanteile der Marktführer weniger imposant. Mit etwa 7,% kommt Frankreichs größter Kinobetreiber Gaumont gerade einmal auf 358 Leinwände, gefolgt von UGC (6,6% der 328 Leinwände) und Pathé (5% oder 224 Leinwände). In Spanien sind ein Viertel aller Leinwände in den RMC medien consult 4 Händern der Top 5. Mit Ausnahme der Beteiligung von Cineplex Loews/Sony an Yelmo, handelt es sich um spanische Unternehmen. Bemerkenswert ist jedoch, daß einige der größten Multiplexe in Spanien von der Kinpolis-Gruppe betrieben werden. Noch weniger von der Konzentrationswelle erfaßt zeigt sich der italienische Markt, in dem es die vier großen Anbieter De Pedys, Cinema 5 Gestione, Cecchi Gori und Warner Village S.p.A. auf nicht einmal ganze 12% bringen. Frankreich Leinwände Marktanteil Gaumont 358 7,20% UGC 328 6,60% Pathé 224 4,51% Soredic 180 3,62% Glozel 169 3,40% Summe aus 5 1.259 25,33% Summe total 4.971 100,00% Leinwände Marktanteil Odeon [inkl. ABC] 633 22,40% UGC (ehem. Virgin) 338 11,96% UCI 317 11,22% Warner Village 266 9,41% Summe aus 4 1.554 54,99% Summe total 2.826 100,00% Großbritannien Spanien Leinwände Marktanteil Unión Cine Ciudad 225 6,71% Cinesa 167 4,98% Acec 157 4,68% Yelmo Films /Cineplex Odeon/Sony 140 4,17% Lauren 123 3,67% Summe aus 5 812 24,21% Summe total 3.354 100,00% Italien De Pedys Cinema 5 Gestione Cecchi Gori Warner Village S.p.A. Summe aus 4 Summe total Leinwände 116 88 73 60 337 2.839 Marktanteil 4,09% 3,10% 2,57% 2,11% 11,87% 100,00% Belgien Leinwände Marktanteil Kinepolis Group 212 43,09% UGC Belgique 43 8,74% RMC medien consult 5 Groupe Carpentier 28 5,69% Groupe Hanne 24 4,88% Gaumont 20 4,07% Summe aus 5 327 66,46% Summe total 492 100,00% Abbildung 4: Betreiber, Leinwände und Marktanteile in anderen europäischen Ländern Quelle: Internet, verschiedene Veröffentlichungen, Aussagen der Unternehmen, RMC Land Top 4/5 Kinobetreiber Marktanteil 327 66,5% Großbritannien 1.554 55,0% Deutschland 1.463 31,5% Frankreich 1.259 25,3% Spanien 812 24,2% Italien 337 11,9% Belgien Abbildung 5: Konzentrationsgrad in Europa Quelle: Internet, verschiedene Veröffentlichungen, Aussagen der Unternehmen, RMC Als echte Größe im europäischen Geschehen sind derzeit nur CinemaxX/Kinepolis und als Halbeuropäer noch UCI anzusehen. Während die transkontinentalen Player zwischen 1.500 und 3.000 Leinwände weltweit verwalten, stecken die Europäer noch in den Kinderschuhen. Gleichwohl kann weiteres Wachstum nur noch durch Übernahmen und Neubauaktivitäten in Osteuropa erzielt werden. Unternehmen LW (ca.) Kinos in folgenden Ländern (geplant) vertikale Integration CinemaxX / Kinepolis 1.000 B, D, CH, DK, F, E, L, TR, S, CS, HU ja UCI 1.000 UK, A, D, E, I, IRL,BR, JP, PL, Taiwan ja UGC 700 F, GB, B ja Kieft & Kieft/Greater Union 400 D, AU, I, NL, CS nein Pathé 250 F, NL, D, I ja Abbildung 6: europäische Marktführer mit Gesamtzahl an Leinwänden Quelle: Internet, verschiedene Veröffentlichungen, Aussagen der Unternehmen, RMC Die Auswertung läßt erkennen, daß Konzentrationstendenzen in allen wichtigen europäischen Kinomärkten anzutreffen sind, wenngleich diese auch unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Interessant ist aber die Tatsache, daß es die großen Betreiber aus Übersee nicht geschafft haben, die Dominanz, die sie in Amerika oder Australien entfaltet haben, auch hier zu erreichen. Erst jetzt, nachdem langsam klar wird, daß der europäische Markt mit seinen höchst eigenen Tücken aufwartet und jedes Land seine Eigenheiten hat, tritt bei den amerikanischen und australischen Kinobetreibern RMC medien consult 6 so etwas wie Ernüchterung ein. Viele verlassen Europa bereits wieder oder frieren ihre Aktivitäten ein. Dabei scheint es jedenfalls fast so, als ob das europäische Publikum zwar amerikanische Filme bevorzuge, bei der Wahl der Kinos aber den heimischen Betreibern zugeneigt bleibt. Zumindest zeigt dies der Erfolg an, und der gibt ja bekanntlich Recht. Dieser Text ist eine überarbeitete Version des Vortrages von Kim Ludolf Koch, der anläßlich der Jahrestagung von Europa Cinemas in Paris am 30. November gehalten wurde. RMC medien consult RMC medien consult 7