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2 8. April 2014 67. Jahrgang BAYERISCHE SCHULE Zeitschrift des BAYERISCHEN LEHRER- UND LEHRERINNENVERBANDS e.V., BLLV im VBE Thema Integration Sorun nerede* Fachlehrer: Klima der Angst Grenzgänger: In Bethlehem/Palästina Editorial Liebe Leserinnen und Leser, im Jahr 2013 sind fast doppelt so viele Asylbewerber nach Bayern gekommen wie im Vorjahr. Und der Trend hält an. Viele der asylsuchenden Menschen kommen mit ihren Kindern, schulpflichtigen Kindern. Die müssen oft mitten im Schuljahr aufgenommen werden. Teils sind sie traumatisiert, oft sprechen sie kein Wort Deutsch. Auch wenn sich viele von ihnen schnell und unkompliziert einfinden, bedarf es qualifizierter Begleitung. Wie an der Grund- und Mittelschule Augsburg Centerville-Süd, einer von vier Schulen im Projekt WERTvoll MITeinander (s. S. 20). Gleichzeitig aber werden viele Schulen mit der Aufgabe allein gelassen, immer mehr Kinder aus Asylbewerberunterkünften aufnehmen zu müssen. Es braucht also nicht nur Integrationscoaching sondern schlicht mehr Lehrerinnen und Lehrer, damit die Migrantenkinder in Übergangsklassen, Migrationsklassen oder auch in zusätzlichen Förderstunden optimal unterrichtet und betreut werden können. Stattdessen sollten es weniger werden: Anfang des Jahres verkündete der Kultusminister 832 Lehrerstellen streichen zu wollen – trotz des erhöhten Bedarfs durch die Großprojekte Integration, Inklusion, Ausbau von Ganztagesschulen und individueller Förderung. Der BLLV und seine Mitglieder (siehe S. 6) gaben den ersten Impuls, die Staatsregierung dazu zu bewegen, ihre Beschlüsse zu überdenken. Nun heißt es: Im kommenden Schuljahr sollen keine Stellen wegfallen. Die Debatte um Lehrerstellen und alle anderen Baustellen im Schulsystem ist damit nicht zu Ende. Wir bleiben dran. Bereichernde Lektüre wünscht Ihnen Tomi Neckov redaktion@bayerische-schule.de * Wo ist das Problem? Bayerische Schule 2 2014 Inhalt 2 2014 Revin, 15, Irak Ich würde schon gerne auch Kurdisch sprechen, aber verschiedene Freunde zu haben, ist doch was Besonderes. 04 Bildungsticker Politik 06 Lehrerstellen Das seltsame Einmaleins des KM 08 Aktuelle Datenbankrecherche Zahlreiche Grundschulen gefährdet 10 Pädagogik-Preis Uni Regensburg ausgezeichnet für NWT-Modell 12 Gespräche 14 Akzente Begriffliche Klarheit 15 Aus dem Landtag Thema 16 Integration (I): Reportage Wie man in Augsburg Vielfalt lebt 22 Integration (II): Interview Hofer Rektor über prekäre Verhältnisse 23 Leitartikel Lehrer als Integrationshelfer Service 24 Recht Leitfaden zum Umgang mit Migrantenkindern 26 Recht Der Aufschrei der Fachlehrer 29 Dienstrecht Unrealistisches Sparprogramm 34 Akademie Programm Mai/Juni 2014 37 Verband Ernährungsführerschein und SchmExpertise 38 Serie „Grenzgänger” (Folge 14) Realschullehrerin in Bethlehem/Palästina 47 Impressum Bildungsticker Pisa-Koordinator: Sitzenbleiben verbessert nichts Düsseldorf (dpa) - Klassenwiederholungen bringen aus Sicht des Bildungsforschers Andreas Schleicher nichts für den Lernerfolg eines Schülers. Dafür koste jeder Sitzenbleiber die Gesellschaft 40.000 Euro. „Es wird viel für Reparaturarbeit ausgegeben, statt zu investieren”, erläuterte Schleicher, der für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die internationalen Pisa-Schulvergleichsstudien koordiniert. Die Betroffenen würden häufig als Sitzenbleiber abgestempelt, ihre Probleme aber einfach in die nächste Klasse verschoben. Über den gesamten Zeitraum zwischen 2003 und 2012 sei in Deutschland jeder fünfte Schüler mindestens einmal sitzengeblieben, berichtete der Forscher. In Japan liege die Quote bei Null. Dort würde ein Lehrer sein Gesicht verlieren, wenn der Schüler nicht weiterkomme, sagte Schleicher. Jeder Zweite scheitert an der Regelzeit Wiesbaden (dpa) - Weniger als 40 Prozent der Hochschulabsolventen schaffen ihren Abschluss innerhalb der Regelstudienzeit. Im Prüfungsjahr 2012 erwarben nur 138.700 (39,3 Prozent) der Studierenden einen Abschluss in der vorgeschriebenen Semesterzahl, berichtete das Statistische Bundesamt. Zählt man zur Regelstudienzeit noch zwei weitere Semester dazu, liegt der Anteil der erfolgreich abgelegten Abschlussprüfungen immerhin bei 77 Prozent. Am schnellsten waren die Verwaltungswissenschaftler. Bei ihnen kamen 98,7 Prozent der Absolventen mit der Regelstudienzeit plus zwei Semester aus. Auch in Humanmedizin (88,4 Prozent) und Sozialwesen (85,3 Prozent) schafften es viele. Am seltensten wurde dieser Wert von Germanisten (68,5 Prozent) und Juristen (67,3 Prozent) erreicht. 4 Sieben Prozent mehr Studierende in Bayern München (dpa/lby) - Bayerns Hochschulen erfreuen sich weiter großer Beliebtheit. Die Zahl der Studierenden stieg im Wintersemester 2013/14 um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Insgesamt waren 355.914 Studenten immatrikuliert. Dabei entwickelten sich Universitäten und Fachhochschulen sehr unterschiedlich. Während an den Unis die Zahl der Studienanfänger um 6,9 Prozent auf 45.037 stieg, ging sie an den Fachhochschulen um 1,7 Prozent auf 26.848 zurück. Beliebter als im Vorjahr waren bei den Erstimmatrikulierten die Ingenieurwissenschaften, Mathematik und Naturwissenschaften. Spaenle: Homosexualität im Lehrplan eingebettet München (dpa/lby) - Die bayerische Staatsregierung hat keine Pläne, das Thema Homosexualität in der Schule anders zu behandeln als bislang. Das Thema sei bereits laut bisherigem Lehrplan „eingebettet in die Werteerziehung”, sagte Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle. „Es ist Bayern ein wichtiges Anliegen, die Vielfalt an Lebenswirklichkeiten der Menschen auch im Unterricht und in Schulbüchern abzubilden”, hieß es in einer Mitteilung. Das sei auch in den Lehrplänen aller Schularten verankert. Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg will das Thema Homosexualität im Unterricht ausführlicher behandelt wissen. Leichtathletenchef: Pisatest auch im Fach Sport Regensburg (dpa) - Pisa-Tests soll es nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Leichtathletikverbandes, Clemens Prokop, künftig auch im Fach Sport geben. Bisher werden Schüler beim Pisa-Vergleichstest nur in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften geprüft. Das sei aber „nur die halbe Miete”, sagte er. „Wenn man die Kompetenzen junger Menschen erfassen möchte, dann sollte das wirklich umfassend geschehen. Und da gehören eben auch die motorischen Fähigkeiten dazu.” Gericht verbietet Schule der „Zwölf Stämme” Augsburg/Deiningen (dpa) - Die umstrittene Sekte „Zwölf Stämme” darf keine eigene Schule mehr betreiben. Mehrere Jahre hatte die Glaubensgemeinschaft eine eigene Schule gehabt. Später wurden mehrere Dutzend Kinder in Schwaben und Mittelfranken von den Behörden wegen Prügelvorwürfen aus der Gemeinschaft geholt. Bayerische Schule 2 2014 Bildungsticker Das Verwaltungsgericht begründete nun das Schulverbot ebenfalls teilweise mit körperlichen Züchtigungen der Kinder. Da sich die Glaubensgemeinschaft darauf berufe, die Bibel gebiete ihnen, die Kinder mit Ruten zu züchtigen, sei davon auszugehen, dass dieses „Gebot” vor den Türen der Unterrichtsräume nicht haltmache, erklärte ein Gerichtssprecher. Handwerk wirbt um Studienabbrecher Berlin (dpa) - Das Handwerk wirbt verstärkt um Studienabbrecher und Gymnasiasten. Über die Hälfte der Kammern unterstützt laut einer Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) Kooperationsprojekte mit Hochschulen, um Aussteiger aus dem Studium als Berufsnachwuchs für Handwerksbetriebe zu gewinnen. Erbrachte Leistungen im Studium können durch verkürzte Lehrzeit bei der Gesellenprüfung oder der späteren Meisterprüfung angerechnet werden. Deutschland und Türkei starten Wissenschaftsjahr Berlin (dpa) - Deutschland und die Türkei wollen ihre Zusammenarbeit in der Wissenschaft, Industrie- und Technologieforschung weiter ausbauen. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) und ihr türkischer Amtskollege Fikri Isik eröffneten das „Deutsch-Türkische Jahr der Forschung, Bildung und Innovation 2014”. Wanka verwies den Angaben zufolge auf die lange Tradition einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Türkei. Zwischen deutschen und türkischen Hochschulen gebe es derzeit fast 850 Kooperationsprojekte. Besonders eng arbeiteten deutsche und türkische Wissenschaftler in der Gesundheitsforschung, der Biotechnologie und der Ernährungs- und Agrarforschung zusammen. Bayerische Schule 2 2014 Mehr Geld von der EU für Obst an Schulen Berlin (dpa) - Für regelmäßige Portionen Obst an deutschen Schulen steht im kommenden Schuljahr mehr Geld der EU zur Verfügung. Die Mittel werden von 12,3 Millionen auf voraussichtlich 19,7 Millionen Euro aufgestockt, wie das Bundesernährungsministerium mitteilte. Die Wertschätzung für eine gesunde Ernährung beginne in jungen Jahren. Die Länder müssen künftig noch 25 statt 50 Prozent der Kosten als Eigenanteil übernehmen. Rekord-Pensionswelle bei Lehrern Wiesbaden (dpa) - Noch nie sind so viele Lehrer aus dem Schuldienst ausgeschieden wie 2012. Rund 24.400 verbeamtete Pädagogen wurden in den Ruhestand versetzt, wie das Statistische Bundesamt berichtete. Im Vergleich zu 2011 erhöhte sich die Zahl um 17 Prozent. Gleichzeitig wurden 2012 so wenige Lehrkräfte wie nie zuvor wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt (15 Prozent). In den 1990er Jahren war es über die Hälfte der Lehrkräfte. Grund für den Rückgang sei die Einführung von Versorgungsabschlägen bei vorzeitiger Pensionierung. Im Durchschnitt waren die 2012 pensionierten Lehrkräfte 63,1 Jahre alt, bei Dienstunfähigkeit 58,4 Jahre. Pressefreiheit: Schülerzeitungen unter Druck Berlin (dpa) - Schülerzeitungen in Deutschland fühlen sich zunehmend in ihrer Pressefreiheit beschnitten. Die Fälle, die dem Jugendpresse-Bundesverband zugetragen werden, hätten sich im vergangenen Jahr deutlich erhöht, klagte Kai Mungenast, der Vorstandssprecher der Jugendpresse Deutschland. Zunehmend versuchten Schulleitungen und Lehrer Druck zu machen. Der Jugendpresse-Vertreter forderte: „Kinder und Jugendliche müssen schon als Schüler eine freie Schülerpresse erleben, um zu überzeugten Demokraten heranwachsen zu können. Pressefreiheit ist keine Frage des Alters und des Berufes.” Mit seiner eigenwilligen Arithmetik in Sachen Lehrerstellen machte sich Kultusminister Spaenle keine Freunde Aus Eins mach Zehn ... ... und Zwei lass geh'n. – Das LehrerEinmaleins des Kultusministers ergab, dass mal eben ein paar hundert Stellen weg können, 832 exakt. Nach massivem Protest aus der Schulwelt setzte es eine Abreibung von Ministerpräsident und Regierungskollegen. Ergebnis: Die Stellen bleiben. Das eigentliche Problem auch. Von Tomi Neckov und Florian Fischer 6 Im CSU-Regierungsprogramm „Bayernplan“ hieß es vor der Landtagswahl: „Vorfahrt für Bildung: Wir gehen nicht den Weg anderer Länder, die den Personalstand im Bildungswesen zurückfahren“, die CSU garantiere den bayerischen Schulen, dass „auch bei sinkenden Schülerzahlen“ die frei werdenden Lehrerstellen „vollständig im Bildungssystem belassen werden.“ Diese Aussage galt bis zum 25. Januar 2014: Da verkündete Kultusminister Ludwig Spaenle in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, dass 832 Lehrerstellen gestrichen werden. Die Zahl ergab sich aus einem Papier aus seinem eigenen Haus: Die statistische Übersicht „Schule und Bildung in Bayern“ vom Dezember 2013 weist für das betreffende Jahr 86.910 Lehrerstellen aus, für das Jahr 2014 nur noch 86.078. Differenz: 832 Stellen. Bayerische Schule 2 2014 Politik_Lehrerstellen Seehofer seinen Superminister öffentlich. Er sprach von einem „Kommunikationsproblem“ in Spaenles Haus und giftete: „Das müssen die lösen – sonst löse ich es." In einer Kabinettssitzung machte Seehofer klar, dass durch die Kommunikation des Ministeriums ein „unvollständiges und falsches Bild" der Bildungspolitik gezeichnet worden sei. Das war eine Art von Selbstverteidigung, denn unversehens war Seehofer in Verdacht geraten, ein zentrales Wahlversprechen gebrochen zu haben. Erstmals überhaupt wurden – nach dem Interview des Kultusministers – Pläne für Stellenstreichungen offiziell bestätigt. Nur die genannten Zahlen wichen ab: Finanzminister Markus Söder sprach von 196 Lehrerstellen. Wie auch immer, nun sicherte der CSU-Chef rundweg zu, auch in den kommenden Jahren auf Stellenkürzungen an Schulen und Hochschulen zu verzichten. Es gebe mehr Planstellen in der Bildung und Wissenschaft als je zuvor. Etwa zwei Wochen lang hatte die CSU eine ganz andere Argumentationslinie aufgebaut: Stellenstreichungen an den Schulen seien gar keine Stellenstreichungen, wenn diese Stellen an die Hochschulen verlagert werden. Dann blieben sie ja „im Bildungsbereich“ – und damit wäre die Aussage aus dem Bayernplan formal eingehalten. Der öffentliche Druck und der Druck der Opposition im Landtag machte deutlich, dass der Wähler diese Auslegung gleichwohl als Wahlbetrug auffassen würde. Nach mehrtägiger Dauerkritik stoppte Seehofer die geplanten Stellenkürzungen an den bayerischen Schulen komplett. In einer internen Runde kündigte er den Erhalt sämtlicher Lehrerstellen nicht nur für dieses Jahr an, sondern sogar bis 2018, also bis zum Ende der Legislaturperiode. Dies soll in den nächsten Verhandlungen zum Nachtragshaushalt 2014 festgezurrt werden. Die Kosten für diesen Schritt taxieren jährlich rund 50 Millionen Euro. Der Ministerpräsident erweckte den Eindruck, das alles sei vollkommen normal: „Die bisherige Diskussion bezog sich auf Dinge, die vor zwei Jahren beschlossen worden sind. Deshalb mache man ja einen Nachtragshaushalt, um die Dinge an die Aktualität anzupassen“. Es handle sich um keinen „Schwenk“. Was er in seiner Rechtfertigung unterschlug: Änderungen im Stellenplan bei Beratungen zum Nachtragshaushalt sind traditionell tabu. Der BLLV-Landesvorstand reagierte umgehend und schrieb einen Offenen Brief an Ministerpräsident Seehofer. Innerhalb von nur fünf Tagen unterschrieben mehr als 11.000 Menschen online. Seit den Beratungen zum Doppelhaushalt 2011/12, also seit Ende 2010, hat der BLLV immer wieder auf das drohende Debakel hingewiesen. Schon damals und erst recht beim Doppelhaushalt 2013/14 war klar, dass Stellen direkt oder auf Umwegen gestrichen werden sollen. Auch gab es eine Online-Petition des BLLV, das Thema Haushaltsplan kam in die öffentliche Diskussion, die parlamentarische Beratung wurde sensibilisiert. Ergebnis: Ein Landtagsbeschluss rettete in letzter Minute 215 Stellen über eine Nachschubliste im aktuellen Doppelhaushalt. Anfang 2014 zeigte der Druck, der von den Lehrerinnen und Lehrern ausging, erneut Wirkung. Kurz nach Spaenles Auftritt rüffelte Ministerpräsident Bayerische Schule 2 2014 Finanzminister Söder trat derweil nach: Er warf Spaenle schlechte Personalplanung vor. „Wir können vorhersagen, welcher Komet 2028 in welchem Abstand an der Erde vorbeifliegt“, sagte Söder, „aber wir tun uns wahnsinnig schwer, im Januar zu ermitteln, welche Lehrer wir im September für welche Fächer brauchen“. Es müsse auf Dauer eine transparentere Personalplanung für die Schulen geben. Die Debatte um Lehrerstellen ist nach diesem Kabinettstückchen keineswegs zu Ende. Erreicht wurde bislang nur, dass 832 Stellen nicht gestrichen werden. Das ist ein Erfolg. Aber dadurch gibt es noch keinen einzigen Lehrer mehr. Mehr Lehrer braucht es aber, um die Megaprojekte im Bildungsbereich – Inklusion, Ganztagsschule und individuelle Förderung – zu verwirklichen. 7 Wenn Grundschulen schließen, sind vor allem im ländlichen Raum kreative Beförderungsideen gefragt BLLV-Studie: Hunderte Grundschulen gefährdet Aktuelle Recherchen des BLLV ergeben: Jeder fünfte Gundschulstandort mit nur einer Grundschule hat weniger als vier Klassen – und ist gefährdet. Wer sich auf die Bestandsgarantie der Regierung beruft, übersieht, Eine Studie und eine zusätzliche Datenbankrecherche des BLLV haben ergeben, dass es in Bayern 339 mehrhäusige Grundschulen gibt. Die Stichprobe des BLLV umfasst 178 dieser Schulen mit 385 Standorten. 3 Prozent dieser Standorte bestehen nur noch aus einer Klasse, 21 Prozent aus zwei Klassen, 12 Prozent aus drei Klassen, 35 Prozent aus vier Klassen, und nur 30 Prozent verfügen über mehr als vier Klassen. 129 Standorte (34 Prozent) mehrhäusiger Grundschulen können demnach nicht mehr in allen Jahrgangsstufen eine Klasse bilden. Sie alle sind mehr oder weniger stark in ihrem Bestand gefährdet. dass sie nur für rechtlich eigenständige Grundschulen gilt, nicht für Außenstellen (siehe BS 1/2014). Sie können ohne Weiteres geschlossen werden. 8 Rechnet man die Ergebnisse dieser Befragung auf ganz Bayern hoch, verteilen sich die insgesamt 339 mehrhäusigen Grundschulen in Gemeinden mit einer Grundschule auf rund 690 Standorte. Die Zusammenschau von einhäusigen und mehrhäusigen Grundschulen ergibt insgesamt 1.666 Standorte in Bayern. Die Hälfte Bayerische Schule 2 2014 Politik_Grundschulstandorte davon hat mehr als vier Klassen, knapp ein Drittel hat exakt vier Klassen und ist vollständig einzügig, 8 Prozent haben drei Klassen, 11 Prozent zwei Klassen und 1 Prozent (21 Standorte) hat nur eine Klasse, das heißt 342 Standorte insgesamt sind gefährdet. Die Bestandsgarantie der Staatsregierung sieht eine Untergrenze von zwei Klassen mit mindestens 26 Schülern vor – sie gilt aber nur für rechtlich eigenständige Schulen. Damit gilt sie für 242 Standorte nicht. In den vergangenen Jahren wurden bereits 72 Grundschulstandorte geschlossen, von den Standorten im ländlichen Raum waren das etwa 4 Prozent. Dabei hatten 27 der 34 vom Kultusministerium dokumentierten Grundschulen vor ihrer rechtlichen Auflösung drei und mehr Klassen. Sie lagen damit weit über dem Kriterium der Bestandsgarantie. Nur in zwei Fällen handelte es sich mit 15 beziehungsweise 17 Schülern um Grundschulstandorte, die das Kriterium nicht mehr erfüllten. Daher muss trotz der vorgeblichen Standortgarantie mit weiteren Schließungen von Grundschulstandorten gerechnet werden. Bayerische Schule 2 2014 Diese erfolgt in der Regel als Prozess in drei Stufen: Stufe 1: Mitführung der eigenständigen Schule durch die Leitung einer anderen Schule. Stufe 2: Auflösung der rechtlich selbstständigen Grundschule und Überführung in eine Außenstelle einer anderen Grundschule. 255 rechtlich selbstständige Grundschulen wurden seit 2008 aufgelöst und in Außenstellen einer benachbarten Grundschule überführt. Stufe 3: Komplette Schließung des Bildungsangebots der Grundschule am Standort. Eine ausführliche Darstellung der Studie durch den wissenschaftlichen Mitarbeiter des BLLV, Dr. Gerd Hüfner, finden Sie unter www.bllv.de/bs/2014/02 Fritz Schäffer Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV 9 Uni Regensburg bahnt neue Wege Prof. Dr. Göhring über die Notwendigkeit, die Lehrerbildung grundlegend zu ändern In diesem Jahr geht der „Bayerische Pädagogikpreis – Pädagogik innovativ“ des BLLV an den „Modellversuch Naturwissenschaft und Technik“ (NWT) der Universität Regensburg. Die Leiterin des Projekts, Prof. Dr. Anja Göhring, hat mit Kolleginnen und Kollegen ein Konzept entwickelt und umgesetzt, das Lehramtsstudierende darauf vorbereitet, naturwissenschaftlich integrierte Unterrichtsfächer wie PCB (Physik-Chemie-Biologie) in der Mittelschule und HSU (Heimat- und Sachunterricht) in der Grundschule zu unterrichten. Preis für Modellversuch Naturwissenschaft und Technik Der BLLV verleiht den „Bayerischen Pädagogikpreis – Pädagogik innovativ“ an Projekte, die durch innovative Lehrmethoden und -inhalte neue Wege in der universitären Lehrerbildung gehen. Durch den Förderpreis will der BLLV Unis unterstützen, die ein Lehramtsstudium bieten, das sich sowohl am aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand wie auch an der Praxis im Lehreralltag orientiert. Das Problem im Fall der Naturwissenschaften: Bislang werden – außer in Regensburg – Lehrkräfte dieser beiden Schularten, wenn überhaupt, nur in einer einzigen Naturwissenschaft ausgebildet, sollen aber alle drei unterrichten. Eine Herausforderung, vor der einst auch Prof. Göhring stand. 10 Bayerische Schule 2 2014 Politik_Pädagogikpreis – Pädagogik innovativ Frau Prof. Dr. Göhring, Sie haben Physik für das Grund- und Hauptschullehramt studiert. Hatten Sie schon damals das Gefühl, dass sich in diesem Studiengang etwas ändern muss? Ich habe an einer Pädagogischen Hochschule in Baden-Württemberg studiert. Dort war schon immer die Verknüpfung von Theorie und Praxis sehr wichtig. Die Koppelung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik ist nun auch in NWT umgesetzt. Als Lehrerin hatte ich von den Naturwissenschaften zuerst nur Physik unterrichtet, dann wurden die Lehrpläne umgestellt und ich musste zusätzlich biologische und chemische Themen innerhalb eines Fächerverbunds unterrichten. Da wurde mir deutlich, dass sich bereits in der ersten Phase der Lehrerausbildung etwas ändern muss. Ich finde ganz wichtig, dass die naturwissenschaftlich integrierten Fächer wie Physik-Chemie-Biologie schon in der ersten Phase der Lehrerausbildung so gelernt werden, wie sie später gelehrt werden sollen. Der BLLV-Präsident Klaus Wenzel hat Ihr Projekt als „stark handlungs- und studierendenorientiert“ gelobt. Was ist das Besondere an NWT? Das Besondere an NWT ist, dass es keine Vorlesungen, sondern ausschließlich Seminare mit etwa 20 Teilnehmern gibt. Die Studierenden sollen und müssen aktiv sein, beispielsweise bei der Durchführung von Experimenten oder bei kooperativen Lernformen. Ganz wichtig ist, die Praxis mit der Theorie zu verbinden. Zu Beginn der Studienzeit in den Modulen eins und zwei werden Fachwissenschaft und -didaktik verzahnt, in den Modulen drei und vier finden die Kurse fächerübergreifend statt. Um förderdiagnostische Kompetenzen aufbauen und Lernschwierigkeiten adäquat begegnen zu können, arbeiten Studierende mit Schulklassen im NWT-Lernlabor und erproben dabei selbst entwickelte Lernarrangements. Eine Nacherhebung sowie der Vergleich der Ergebnisse mit der Vorerhebung bietet den Studierenden Einblick, inwieweit bei den Kindern oder Jugendlichen naturwissenschaftliche Konzepte angebahnt oder etabliert werden konnten. Immer mehr Studierende entscheiden sich für das von Ihnen konzipierte Studienfach an der Universität Regensburg. Eine bayernweite Einführung des Faches NWT brächte bestimmt mehr Lehrkräfte für Naturwissenschaften hervor. Würde man das Fach bayernweit einführen, würden wohl noch mehr Studierende NWT wählen – und das, wo deutschlandweit Lehrkräfte für Naturwissenschaften händeringend gesucht werden und für die Kompetenz- und Interessensentwicklung der Schülerinnen und Schüler eine wesentliche Rolle spielen. Wenn man das Studienfach bayernweit umsetzen möchte, muss man allerdings für räumliche Ausstattungen und Personal Geld in die Hand nehmen. Bildungspolitisch wäre zudem wünschenswert, dass NWT-Absolventen, die ja in allen drei Naturwissenschaften ausgebildet wurden, bevorzugt bei der Einstellung berücksichtigt werden. Gibt es vergleichbare Studienfächer auch in anderen Bundesländern? In der Schweiz werden an einigen Pädagogischen Hochschulen verschiedene Modelle zur integrierten Lehrerausbildung praktiziert. In Deutschland gab es 2009, zu Beginn des Modellversuchs NWT, nirgendwo ein solches Studienfach. Inzwischen bietet die Freie Universität Berlin für das Grundschullehramt ein integriertes Studienmodell an. Die ersten NWT-Studierenden sind inzwischen als Referendare an den Schulen. Fühlen die sich gut auf das Lehrerleben vorbereitet? Ja, wir bekommen auch von Lehrkräften, die beispielsweise mit ihren Klassen das NWT-Lernlabor besuchen, immer wieder die Rückmeldung: Genau so etwas hätte es zur eigenen Ausbildungszeit auch schon gebraucht, um auf die Fächerverbünde HSU oder PCB vorbereitet zu sein. Und sogar das Kultusministerium zeigte sich von den NWT-Studierenden begeistert. Interview: Thomas Klotz Welche Ausstattung benötigt man für NWT-Studierende an den Universitäten? Wir haben uns bewusst an einer naturwissenschaftlichen IdealAusstattung einer Schule der Sekundarstufe I orientiert. Wir haben an der Universität in Schullaboreinrichtungen und -möbel investiert, damit die Studierenden die Ausstattung erleben können und sich gegebenenfalls später als Lehrerin oder Lehrer für eine solche Ausstattung an ihren Schulen einsetzen werden. Außerdem wurde viel Wert auf die Anschaffung von vielfältigen Schülerexperimentiermaterialien gelegt. Sind die Dozenten dieselben, die in einem normalen Studiengang unterrichten? An der Universität Regensburg sind die Dozierenden extra für das Fach NWT angestellt worden. Wir sind alle ursprünglich Lehrerinnen oder Lehrer unterschiedlichster Schularten, haben eine oder zwei Naturwissenschaften studiert und mehrere Jahre Schulpraxis. Bayerische Schule 2 2014 Tag der innovativen Lehrerbildung am 15. Mai 2014 Die Auszeichnung, zu der auch ein Preisgeld von 7.500 Euro gehört, verleiht eine Jury, bestehend aus drei Studierenden der Landesstudentengruppe (LSG), zwei Dozenten, dem BLLV-Präsidenten und einem Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Junglehrer (ABJ), am „Tag der innovativen Lehrerbildung“ am 15. Mai, 10 Uhr, im Senatssaal der Ludwig-Maximilians-Universität München. An diesem Tag wird jedoch nicht nur „NWT“ vorgestellt. Auf dem „Marktplatz“ werden auch einige der anderen eingereichten Projekte präsentiert. tk 11 Politik_Gespräche MdL Isabell Zacharias (SPD), Petja Meidlinger (li.) u. Sabine Doering-Manteuffel (Uni Augsburg), Familienministerin Emilia Müller ... SPD: Schulen und Unis nicht gegeneinander ausspielen lassen Universität Bayern: Stärkerer Einsatz für Lehrerbildung Familienministerin Müller: Frühkindliche Erziehung ernst nehmen Die von Kultusminister Ludwig Spaenle beabsichtigte Streichung von 832 Lehrerstellen an Schulen zugunsten der Hochschulen war Gegenstand eines Gesprächs des BLLV mit zahlreichen SPDLandtagsabgeordneten. „Wir brauchen mehr Geld für Bildung – angefangen beim Elementarbereich bis hin zu den Hochschulen“ sagte BLLV-Präsident Klaus Wenzel. Isabell Zacharias, Hochschulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, unterstrich, dass Schulen und Hochschulen nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften. Beide Seiten waren sich einig, dass die Stellen, die den Hochschulen von der Staatsregierung versprochen wurden, nun anderweitig finanziert werden müssten. Tamara Thum, Vorsitzende der Studierenden im BLLV, bat um Unterstützung für arbeitslose Lehrer. Sie befürchtete, dass im Sommer eine dramatisch schlechte Einstellungssituation zu erwarten sei. Weiteres Thema war der LehrplanPLUS, der auch auf die weiterführenden Schularten ausgedehnt werden soll. Simone Fleischmann, Leiterin der Abteilung Berufswissenschaft, erläuterte, dass der BLLV den neuen Lernbegriff begrüßt. Dieser lasse sich aber ohne einen geänderten Leistungsbegriff nicht umsetzen. Martin Güll erklärte als bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, er werde sich für eine Evaluation des Lehrplans stark machen. BS Das Positionspapier der Universität Bayern e. V., dem Zusammenschluss von elf bayerischen Hochschulen, war Anlass für ein Gespräch zwischen der Vorsitzenden Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel, der Geschäftsführerin Dr. Ines Jung sowie BLLV-Präsident Klaus Wenzel und BLLV-Hochschulreferentin Petja Meidlinger. Thema war die Lehrerbildung. Doering-Manteuffel weiß, dass exzellente Bildung an den Schulen „äußerst kompetente Lehrerinnen und Lehrer“ benötigt, daher will sie die Lehrerbildung stärken. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn sich die Universitäten für eine herausragende Lehrerbildung einsetzen. Übereinstimmung bestand in der Einschätzung, dass die Lehrerbildung an den Universitäten eine besondere Stellung einnehmen muss. Die Forderung nach mehr Wertschätzung sowie guter personeller wie finanzieller Ausstattung wurde gemeinsam gestellt. In gemeinsamen politischen Gesprächen wird die Verbesserung der Lehrerbildung prioritäres Thema sein – nicht nur in diesem Punkt waren sich Frau DoeringManteuffel und Klaus Wenzel einig, sie wollen demnächst auch ein Fachgespräch zum Thema Lehrerbildung organisieren. Frau Doering-Manteuffel möchte den BLLV als kompetenten Partner an ihrer Seite haben und bot tatkräftige Kooperation an. pm „Die frühkindliche Erziehung bildet das Fundament für die Persönlichkeitsentwicklung und muss daher sehr ernst genommen werden“ – auf diese grundlegende Position konnten sich Staatsministerin Emilia Müller und BLLV-Präsident Klaus Wenzel schnell einigen. Zustimmung kam auch von Vizepräsidentin Waltraud Lučić und von Fabian Geyer, der die Fachgruppe Erzieher/innen im BLLV leitet. Geyer machte deutlich, dass sich aus dieser Positionierung konkrete Konsequenzen ergeben müssen: „Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung lässt sich auch daran ablesen, wieviel in sie investiert wird. Dies gilt sowohl für die Ausbildung von Kinderpflegern und Erziehern als auch für die Lern- und Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen. Und selbstverständlich auch für die Bezahlung dieser Berufsgruppen.“ Des Weiteren sprach Fabian Geyer die BLLV-Forderung an, die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Zudem einigte man sich, bei der Gestaltung des Amtes des bayerischen Kinderbeauftragten im Gespräch zu bleiben. Waltraud Lučić merkte an, dass die gesellschaftliche Anerkennung einer Berufsgruppe in engem Zusammenhang mit Ausbildung, Status und finanzieller Attraktivität stehe. Die Staatsministerin stimmte grundsätzlich zu, es seien bereits kleine Schritte in die richtige Richtung unternommen worden. BS 12 Bayerische Schule 2 2014 Politik_Gespräche ... Fraktionsvorsitzende Margarete Bause und Thomas Gehring (Grüne), Kultusminister Ludwig Spaenle Bayerische Schule 2 2014 Grüne: Gymnasium umfassend inhaltlich reformieren Spaenle: Drei Phasen der Lehrerbildung enger verzahnen „Der BLLV kümmert sich um Bildung – unabhängig, aber nicht neutral. Deshalb suchen wir auch den Kontakt zu allen Fraktionen des Landtags“, stellte BLLVPräsident Klaus Wenzel zu Beginn des ersten Gesprächs mit der deutlich veränderten Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen nach den Wahlen fest. Ein Schwerpunkt des Gesprächs war die Zukunft des bayerischen Gymnasiums. Beide Seiten waren sich einig, dass eine Öffnung der CSU zum G9 absehbar ist. Eine bloße Rückkehr zum alten neunjährigen Gymnasium löse die Probleme dieser Schulart aber keineswegs. Nötig sei eine umfassende inhaltliche Reform der Schulart. Roland Kirschner, Leiter der zuständigen BLLVFachgruppe, bedauerte, dass die Schüler am Gymnasium wenig Gelegenheit hätten, „den Dingen auf den Grund“ zu gehen. Allein die Zersplitterung in 16 Unterrichtsfächer behindere das. Er forderte eine altersgemäße Differenzierung der Unterrichtsformen in den einzelnen Stufen. Außerdem sprach er sich für eine Lösung des Leistungsbegriffs von Noten- und Ausleseentscheidungen aus. Thomas Gehring, Bildungspolitischer Sprecher der Grünen, forderte wie der BLLV die Bündelung von Fächern und zudem mehr Projektlernen. Die Qualität des Gymnasiums hänge von den Inhalten ab, weniger von der Dauer. ff „Lehrerbildung hat eine eigene Würde und einen besonderen Wert und ist daher von zentraler Bedeutung, sowohl in der Bildungspolitik als auch an den Universitäten“ – auf diese gemeinsame Feststellung einigten sich Staatsminister Ludwig Spaenle und BLLV-Präsident Klaus Wenzel am Ende eines ausführlichen Gesprächs. Übereinstimmung bestand auch darin, dass eine engere Verzahnung der drei Lehrerbildungsphasen (Studium, Vorbereitungsdienst, Fortbildung) zahlreiche Vorteile mit sich bringen würde. So könnte zum Beispiel viel für eine professionelle Berufsfeldorientierung getan werden, wenn der Austausch zwischen Experten aus der Schulpraxis und den Universitäten intensiv und institutionalisiert stattfinden würde. Außerdem könnte durch eine inhaltliche und organisatorische Zusammenarbeit der ersten und zweiten Phase die Vergabe von ECTS-Punkten anders geregelt werden. Spaenle, der seit vergangenem Herbst sowohl für die Schulen als auch für die bayerischen Universitäten zuständig ist, sieht angesichts der Bündelung der Kompetenzen in einem Haus gute Chancen, die Lehrerbildung weiter zu verbessern. Weitere Themen des Gesprächs waren der LehrplanPLUS, die Inklusion und die Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums. BS 13 Politik_Akzente D ass in der Politik mit griffigen Formeln und kantigen Formulierungen gearbeitet wird, ist bekannt. Es ist auch verständlich und legitim. Problematisch wird es, wenn in Wahl- und Parteiprogrammen Begriffe verwendet werden, die nicht klar definiert sind. Dies kann zu Missverständnissen führen – und zu politischen Entscheidungen, die sich als falsch und gefährlich erweisen. Aktuelles Beispiel sind die in Landtag und Lehrerzimmern gleichermaßen diskutierten Fragen: Können wir Lehrerstellen streichen? Genügt es, die sogenannte demografische Rendite im Schulsystem zu belassen? Oder brauchen wir nicht deutlich mehr pädagogisches Personal, als wir im Moment haben? Kommt drauf an, was wir zum Beispiel unter dem oft bemühten Begriff der „individuellen Förderung“ verstehen. Ist damit die begabungsgerechte Verteilung am Ende der vierten Grundschulklasse gemeint? Oder das Flexijahr? Oder bedeutet „individuelle Förderung“, dass wir als Lehrerinnen und Lehrer mehr Zeit für jedes einzelne Kind bekommen? Also nicht nur für die drei sehr langsamen Lerner oder für die zwei besonders Begabten. Sondern Zeit für jedes Individuum, für alle Schülerinnen und Schüler. Schulsysteme, die sich an diesem anspruchsvollen Förderbegriff orientieren, stellen pro Klasse mindestens zwei pädagogische Fachkräfte zur Verfügung. Sollte auch Bayern dieses ambitionierte Ziel anstreben (Ansätze sind ja bereits vorhanden), dann bräuchten wir nicht weniger Lehrpersonen sondern deutlich mehr. Begriffliche Klarheit Von Klaus Wenzel Ein zweiter Begriff, der eher diffus verwendet wird, ist die Inklusion. Die Billigvariante besteht darin, dass, wie in Berlin, alle Förderschulen aufgelöst werden und sich die Regelschulen ohne nennenswerte Unterstützung um Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung kümmern sollen. Die anspruchsvolle Variante orientiert sich an der Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention: „Jeder Mensch erhält die Möglichkeit, sich vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen – und zwar von Anfang an und unabhängig von individuellen Fähigkeiten, ethnischer wie sozialer Herkunft, Geschlecht oder Alter.“ Wenn ich dieser Definition folge, ist Inklusion nicht mehr überwiegend die Sache einiger Grundschulen. Sie betrifft alle Bildungsstätten, alle Schulen, alle Einrichtungen unserer Gesellschaft. Und wie steht es mit „pädagogischer Leitungszeit“? Und sie benötigt Unterstützungssysteme, denn schulische Inklusion kann nur dort gelingen, wo der jeweilige Lehrer kompetente Hilfe von anderen pädagogischen und psychologischen Fachkräften bekommt. Bayern stellt dafür im Moment pro Jahr 100 zusätzliche Planstellen zur Verfügung. Das ist mehr als in vielen anderen Bundesländern. Wollen wir einen professionellen Inklusionsprozess konsequent ausgestalten, dann brauchen wir deutlich mehr Fachpersonal. Der Ausbau des Ganztags ist ein weiteres Ziel der Staatsregierung. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine schillernde Vielfalt, von der „betreuten Suppenausgabe“ bis zur gebundenen, rhythmisierten Ganztagsklasse. Vor über zehn Jahren wurde an neun bayerischen Hauptschulen die gebundene Variante erprobt. Es gab ein professionelles Konzept und 19 zusätzliche Lehrerstunden. Inzwischen ist dieser Zuschlag deutlich reduziert worden, der Versuch einer finanziellen Kompensation brachte mehr Probleme als Lösungen. Andere Schularten müssen sich ohnehin mit noch weniger Zusatzstunden begnügen. Unabhängig davon wird der weitere Ausbau an gebundenen Ganztagsklassen zu einem Mehrbedarf an Lehrerstunden führen. Und wie steht es mit der „pädagogischen Leitungszeit“ für unsere Schulleitungen? Nur ein Begriff, der einer gründlichen Klärung bedarf? In diesem Fall geht es nicht um eine Begriffsklärung. Es geht darum, dass Schulleiterinnen und Schulleiter gute Arbeitsbedingungen bekommen. Und zwar schnell. 14 Bayerische Schule 2 2014 Politik_Landtag Streichkonzert Ob Planstellen wegfallen, ist auch eine Frage der Deutung D ie aktuelle bildungspolitische Debatte im Landtag wird bestimmt durch die Frage, wie viele Lehrerplanstellen in Bayern gestrichen werden. Das Parlament debattiert über die richtige Auslegung des Haushalts. Der ist so undurchsichtig, dass selbst Regierungsmitglieder unterschiedliche Zahlen nennen. Der BLLV hat bereits beim Doppelhaushalt 2011/2012 in Zweifel gezogen, dass die demografische Rendite tatsächlich an den Schulen bleibt und sich damit Vorwürfen ausgesetzt, etwa er verbreite die „falschen und unvollständigen Zahlen“ (CSU-Abgeordneter Georg Eisenreich). Beim Doppelhaushalt 2013/2014 wiederholte sich die Situation in verschärfter Form. Kultusminister Ludwig Spaenle bestätigte schließlich gegenüber dem BLLV: „371 Stellen werden (…) im Jahr 2014 eingezogen.“ Direkt nach den Landtagswahlen forderten die Freien Wähler eine Garantie, dass „auch bei sinkenden Schülerzahlen die Lehrerstellen im Schulsystem bleiben“ (Drs. 17/20, vgl. BS 1/2014). Die CSUMehrheit lehnte im Bildunsgsausschuss ab. Günther Felbinger (FW) kommentierte: „Bayerns Schulen (…) werden zusätzliche und dringend benötigte Stellen nicht erhalten, sondern sogar bestehende Stellen verlieren.“ Ende Januar erklärte Spaenle persönlich, 832 Lehrerplanstellen werden zum kommenden Schuljahr gestrichen. SPD, FW und Grüne forderten einen Bericht der Staatsregierung zur Entwicklung der Schülerzahlen bis 2018 zu den benötigten Lehrerstellen und zur demografischen Rendite (Drs. 17/455). Der Bildungsausschuss stimmte einstimmig zu. Die CSU folgte damit der parlamentarischen Ge- pflogenheit, Berichtsanträge nicht zu blockieren. Gleichwohl argumentierten CSU-Politiker, wie ihr Bildungspolitischer Sprecher Gerhard Waschler, Lehrerstellen an Hochschulen zu verlagern, sei kein Bruch des Wahlversprechens, da die Hochschulen zum Bildungsbereich gehörten. Wenig später beschloss die CSU-Fraktion die 832 Lehrer nicht zu streichen und auch bis 2018 keine Lehrerstelle einzuziehen. Ruhe hat der Beschluss aber keineswegs gebracht. Der SPD-Abgeordnete Volkmar Halbleib berechnete, dass bereits 773 Lehrerstellen gestrichen wurden. Das Kultusministerium bestreitet das. Die Debatte geht also weiter. Ein Ende scheint nur möglich, wenn die Staatsregierung umfassende Transparenz herstellt. Florian Fischer Islamischer Unterricht Ganztagsschulen Dritte Phase Im Jahr 2009 hat die Staatsregierung, nicht zuletzt auf langjährige Initiativen des BLLV, den Modellversuch „Islamischer Unterricht“ in deutscher Sprache eingerichtet. Dieser Modellversuch läuft Ende des Schuljahres 2013/14 nach fünf Jahren aus. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun einen Antrag vorgelegt (Drs. 17/887), ein „flächendeckendes und dauerhaftes Angebot eines gebundenen und konfessionellen islamischen Unterrichts“ sicherzustellen. Dieser müsse den Vorgaben des Grundgesetzes (Art. 7) entsprechen. Die Fraktion greift damit wesentliche Punkte auf, die der BLLV im Januar 2014 durch einstimmigen Beschluss seines Landesvorstands formuliert hatte. Außerdem fordern die Grünen zu einem umfassenden Fragenkatalog einen Bericht der Staatsregierung im Landtag. ff Der Ausbau der Ganztagsschule sei in Bayern ein „Trauerspiel“, sagte die SPDAbgeordnete Simone Strohmayr im Plenum. Gerade 4,6 Prozent der Schüler an Grundschulen und 2,9 Prozent an Gymnasien besuchten eine gebundene Ganztagsschule. Die SPD fordert deshalb neben multiprofessionellen Teams und regelmäßigen Evaluationen einen Rechtsanspruch auf einen gebundenen Ganztagsplatz (Drs. 16/50). Dies lehnte Ute EilingHütig (CSU) rundweg ab. Es brauche keinen Rechtsanspruch, weil alle vorliegenden Anträge genehmigt werden. Nur 354 Grundschulen wollten Ganztagsschule werden, obwohl Geld für 540 Standorte bereit liege. Am Gymnasium seien es lediglich 58 von 309 möglichen Schulen. Strohmayr konterte, dies liege an den erheblichen Kosten, die die Kommunen zu übernehmen hätten. ff 40 Lehrer wären rechnerisch nötig, um den Unterricht von Realschul-Referendaren im zweiten Ausbildungsabschnitt um eine Stunde abzusenken, am Gymnasium rund 90. Würde am Gymnasium der Eigenverantwortliche Unterricht im dritten Ausbildungsabschnitt abgeschafft, würde dies 140 Lehrerstellen ausmachen. Dies geht aus einer Anfrage des Abgeordneten Thomas Gehring (Grüne) an die Staatsregierung hervor, die er angesichts der dramatischen Einstellungssituation am Gymnasium zum Schulhalbjahr stellte. Das Kultusministerium argumentierte, dass ein Absenken nicht automatisch zu mehr Einstellungschancen führe. Vielmehr sei es durch „Teilzeiterhöhungen“ an den einzelnen Schulen aufzufangen. Außerdem solle einem „Praxisschock“ bei späterer Einstellung der Referendare vorgebeugt werden. ff Bayerische Schule 2 2014 15 Thema_Integration Ruth, 14, Angola Dass sonst niemand aus meinem Land kommt, macht mir nichts. Es ist schön, dass jeder jeden akzeptiert. 16 Bayerische Schule 2 2014 Thema_Integration Damit ihr einander kennenlernt In vielen Klassenzimmern sitzen nur noch wenige rein deutschsprachige Kinder. Was in der Öffentlichkeit mit Sorge wahrgenommen wird, ist auch eine Chance. An der Grund- und Mittelschule Augsburg Centerville-Süd haben sich alle eingeschworen auf die positive Sicht – von der Rektorin bis zum Hausmeister. Text: Chris Bleher; Fotos: Jan Roeder Die Klänge waren unwiderstehlich. Von irgendwoher hallten sie durchs Schulhaus, wehten in die Ohren der türkischen Lehrerin und einer türkischen Mutter, wärmten ihre Herzen. „Üs-kü-dar'a-gider-iken ...“ – „Auf dem Weg nach Üsküdar ...“ Von unterschiedlichen Orten aus folgten beide dem drängenden Rhythmus des Liebesliedes – und begegneten einander vor dem Musikzimmer. Sie öffneten die Tür, in den Augen Tränen der Rührung. Wann hat man je dieses Volkslied in einem deutschen Schulgebäude singen hören? Musiklehrer Uwe Rachuth übte gerade mit den Schüleinnen und Schülern einer 7. Klasse für einen großen Auftritt. Alle – egal ob aus der Türkei aus Deutschland oder sonst woher – sangen mit. Auf Türkisch. Im Lehrerzimmer der Augsburger Grund- und Mittelschule Centerville-Süd erinnern sich Rachuth und Hülya Okutan, die türkische Lehrerin, gerne an diese Begegnung. Doch Rachuth schüttelt den Kopf und räsoniert: „Da sollte niemand Tränen in den Augen haben müssen.“ Ganz normal sollte es sein, so ein Lied hier zu singen. Aber das ist es noch lange nicht. Selbst hier nicht, wo 545 Schülerinnen und Schüler aus 30 Nationen zusammenleben, wo gut drei Viertel von ihnen aus Migrantenfamilien kommen, wo man sich schon lange Gedanken macht, wie man mit diesen Unterschiedlichkeiten am Besten umgeht. Bayerische Schule 2 2014 Die 60 Lehrerinnen und Lehrer, fast alle ohne sogenannten Migrationshintergrund, haben sich auf den Weg gemacht, den Traum von einer neuen Normalität in eine Vision zu verwandeln und das gesamte Schulleben danach auszurichten. Dafür hat sich das Kollegium im vergangenen Jahr für das Integrationsprojekt „WERTvoll MITeinander“ beworben (s. Kasten S. 20). Augsburg Centerville-Süd wird nun als eine von vier Schulen in Bayern durch einen professionellen Coach für interkulturelle Arbeit begleitet. Und worauf Rektorin Carmen Jaud besonders stolz ist: Im interkulturellen Entwicklungsteam machen alle mit, Schulleiter und Konrektoren, Lehrkräfte, die Sozialpädagogin, Elternvertreter und externe Partner, sogar der Hausmeister. Was bei „Miteinander, Füreinander“ gefehlt hat Er, der freundliche Herr Danho, ein Assyrer christlichen Glaubens, ist nah dran an den Eltern, wenn er sie morgens an der Pforte empfängt und wenn er sie beim Einkaufen im Viertel wiedertrifft. Und dementsprechend viel hat er zu erzählen, wenn er an den ganztägigen interkulturellen Coachings teilnimmt. Es ist nie schlecht zu wissen, wie welche Eltern leben und denken, um zu verstehen, warum ein Kind sich so oder so verhält. 17 Thema_Integration Maxi, 9, Augsburg Zu Hause sprechen wir deutsch und polnisch. Hier finde ich neue Freunde aus anderen Ländern. Viele Schulen in Bayern tun viel für die Integration ihrer vielen Migrantenkinder. Auch die Schule auf dem ehemaligen Militärgelände der US-Armee hatte schon seit langem viel gemacht. „Miteinander, Füreinander“ hieß das Motto bisher, doch irgendwie hatten sie das Gefühl, da fehlt was. Jetzt sind sie stolz, gleich beim ersten Treffen mit Projekt-Coach Stephan Schack ein treffenderes Motto gefunden zu haben: „Schule in Vielfalt miteinander leben.“ Das klingt gut gemeint aber abstrakt. Doch hier in Centerville-Süd kennt man die konkrete Bedeutung. Der Begriff „Vielfalt“ macht den Unterschied, sagt die Rektorin. Viele Schulen sähen Vielfalt eher als Problem, nicht als Chance. Für Carmen Jaud bedeutet Vielfalt „einen Zugewinn an unterschiedlichen Sichtweisen“. Warum Gott uns verschieden gemacht hat Jetzt lernen sie also unter Anleitung des Coaches vom „VIA Bayern – Verband für Interkulturelle Arbeit“, was Vielfalt bedeutet, wenn man sie als Chance begreift. Oder umgekehrt: Was Vielfalt nicht heißt. Da fordert eine Lehrerin etwa einen Schüler auf, sie anzusehen, wenn sie mit ihm spricht. Als Ausdruck von Respekt und Wertschätzung. Der „kultursensible Ansatz“, den das Team sich nun erarbeitet, verdeutlicht, dass diese Aufforderung Kinder aus manchen Kulturkreisen verwirrt. Dieses In-die-Augen- 18 Schauen gilt in ihren Kreisen als Respektlosigkeit. Ein Kollege wiederum versteht nicht, warum einigen Schülern selbst einfaches Zählen anhand der eigenen fünf Finger nicht gelingen will. Bis er erfährt, dass in bestimmten Kulturen nicht der Finger gezählt wird, sondern die Fingerglieder. Sich der Differenzen bewusst werden, das gelingt nicht, wenn eine Schule ganz für sich versucht, die Vielfalt in den Griff zu kriegen. Insgeheim denken wohl viele, „wir sind Lehrer, wir können das doch“, mutmaßt Schack. Im Coaching merken sie dann aber schnell, wie wertvoll so ein Impuls von außen ist. So forderte der Trainer die Centerville-Süd-Lehrerinnen und -Lehrer auf, ihre eigenen Werte hierarchisch aufzuschreiben. Als einer der Beteiligten die Übung dann auch seine 5. Klasse machen ließ, war er verdutzt über einen offensichtlichen Unterschied: Werte, die bei ihm und den Kollegen unten kamen oder gar nicht, rangierten in der Klasse ganz oben. Das waren vor allem: Familie und Religion. Daraus ergab sich eine wichtige Erkenntnis: Wer interkulturelle Arbeit nicht als Last begreift oder als Freizeitbeschäftigung, muss die familiären Hintergründe der Kinder kennenlernen, muss die Eltern einbeziehen, muss stärker mit ihrem Glauben rechnen. Eine Hülya Okutan ist da Gold wert. Die türkische Islam-Lehrerin versteht sich als Botschafterin eines friedvollen Miteinanders. Und weil sie perfekt Türkisch und Deutsch spricht und beide Kulturen Bayerische Schule 2 2014 Thema_Integration in sich trägt, kann sie helfen, Brücken zu bauen. Heute klingt sanfte orientalische Musik aus dem CD-Spieler, als sie die Kinder einer dritten Klasse zu Beginn der Stunde selbstständig in Gruppen die fünf Säulen des Islam erarbeiten lässt. Gleich sollen sie ihre Ergebnisse an der Tafel vorstellen. Auf Deutsch, so wie es der „Islamische Unterricht“ vorsieht. Okutan lehrt nicht das einzig gottgefällige Leben. Sie macht die Kinder mit den unterschiedlichen Weisen vertraut, an Gott zu glauben. So lässt sie die Kinder in der heutigen Stunde erklären, wie Muslime fasten oder beten oder pilgern – im Vergleich zu der Art, wie Christen fasten oder beten oder pilgern. „Die Christen gehen zu Fuß in die Kirche“, referiert ein Junge, „es ist ihnen wichtig, weil auch der Prophet Jesus zu Fuß in die Kirche gegangen ist.“ Ohne auf jedes Detail einzugehen, sagt Okutan: „Stellt euch vor, wir Muslime können nach Mekka fliegen, die Christen gehen zu Fuß auf ihre Pilgerreise. Das ist eine Leistung, Hut ab!“ Zum Ende des Unterrichts hören die Kinder den 13. Vers aus der Sure 49. Okutan rezitiert sanft aber bestimmt: „Oh, ihr Menschen, Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt.“ Gott, erklärt sie, spreche von sich auch gerne in der Mehrzahl, und formuliert den Gedanken der Sure mit eigenen Worten: „Gott hat uns also verschieden gemacht, damit wir uns kennenlernen können.“ Außerdem habe er gesagt: „Hierauf wird eure Rückkehr zu Mir sein, und dann werde Ich zwischen euch richten über das, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet.“, Sure 3 Vers 55. Dieser Gott hat offensichtlich Humor. Frei übersetzt heiße das ja: „Wenn ihr Streit untereinander habt, dann wartet, bis ihr bei mir seid, ich werde den Streit schlichten.“ Das leuchtet dem Jungen aus der Pilgergruppe schon ein. Das also sei gemeint mit „al qantara“, der Gewölbebrücke, über die man irgendwann geht und auf der man sich dann versöhnt. Auch Okutan hat Humor: Sie sagt lächelnd: „Ich hoffe, dass du es schaffst, dich zu versöhnen, bevor du über die Brücke gehst.“ Warum „Elternschule“ nicht funktioniert hat Allzu oft sieht sich die 45-Jährige der hartleibigen Seite der islamischen Welt gegenüber. Einmal musste sie aufgebrachte Eltern davon überzeugen, dass es keine Schande sei, mit einer 3. Klasse eine Synagoge zu besuchen, um den Unterrichtsinhalt „Judentum“ zu veranschaulichen. Mühsam konnte sie den Leuten begreiflich machen, dass es nicht verkehrt ist, zu vergleichen. Auch, um sich selbst kennenzulernen. Unbeliebt macht sie sich bei manchen Eltern, indem sie Symbole verwendet, den Halbmond zum Beispiel für den Islam. Das ist gegen die religiösen Grundregeln. Da wiederum spricht die Pädagogin aus der gottesfürchtigen Frau: „Für die Kinder sind Symbole didaktisch wertvoll, sie helfen ihnen, sich die Dinge vorstellen zu können.“ Ihr Credo lautet: „Der Weg zu Gott, ist wie der Weg zu einer Insel. Es sollte jedem selbst überlassen bleiben, wie er da hinkommt.“ Yasemin, 12, Türkei Dass hier verschiedene Religionen unterrichtet werden, finde ich gut. Da lerne ich auch was von den anderen. Bayerische Schule 2 2014 19 Thema_Wohnortnahe Schule Thommy, 14, Vietnam An meiner Schule finde ich toll, dass es jedes Jahr Fußballturniere gibt. Das ist WERTvoll MITeinander Das Projekt „WERTvoll MITeinander – Interkulturelle Bildung für ein gelingendes Zusammenleben“ wurde 2010 im Rahmen des „Wertebündnis Bayern“ vom BLLV und VIA Bayern – Verband für Interkulturelle Arbeit e. V. initiiert. Es wird finanziell gefördert von der bayerischen Staatskanzlei, dem Sparkassenverband Bayern und Sternstunden e. V. Das Projekt unterstützt Schulen dabei, eine langfristige, stabile Verankerung von interkultureller Bildung und Wertebildung sowie der Förderung von interkultureller Kompetenz zu gewährleisten. In der ersten Projektphase von September 2011 bis März 2013 wurden die Grundschule in Ay/Senden, das SFZ in Pfaffenhofen, die Mittelschule an der Simmernstraße (München) und die Geschwister-Scholl-Realschule (Nürnberg) begleitet. Projektschulen der 2. Phase bis Dezember 2014 sind die Grund- und Mittelschule Centerville-Augsburg das Elly-Heuss-Gymnasium (Weiden), die Staatliche Berufsschule II (Passau) und die Brentano-Grundschule (Aschaffenburg). Seit November 2013 werden Lehrkräfte zu „Beratern und Beraterinnen für interkulturelle Schulentwicklungsprozesse“ in Kooperation mit der ALP Dillingen ausgebildet. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus den Coachings an den Schulen fließen in die Ausbildung ein und so soll landesweit ein Netzwerk an gut qualifizierten Ansprechpartnern/-partnerinnen entstehen. Mehr unter: www.via-bayern.de/wertvoll-miteinander/ und www.bllv.de/bs/2014/02 BS 20 Dass die Zusammenarbeit mit den Eltern lange Zeit nicht so richtig funktioniert hat, lag auch am Begriff, mit dem die Eltern dafür erwärmt werden sollten: „Elternschule“. Seit es „Elternseminar“ heißt, ist der Raum gut gefüllt. Dort tauschen sie sich dann zum Beispiel über das Subtraktionsverfahren aus, denn jede Kultur hat ihre eigene Art zu rechnen, wie es der Coach an den Fingern seiner Hand demonstriert hat. Der Unterschied des WERTvoll MITeinander-Projekts zur alltäglichen Art mit Vielfalt umzugehen: Sie wird gesucht, gepflegt – und reflektiert. In Augsburg besucht man den jüdischen Friedhof und macht sich Gedanken darüber, auf welche Weisen man mit Tod umgehen kann. Man geht in eine Moschee und bespricht unterschiedliche Arten zu glauben und zu bauen. Man besucht den botanischen Garten und bewundert die Eigenheiten von Pflanzen aus aller Welt. Man lässt Eltern Essen für’s Schulfest organisieren und die Schüler verkaufen. So lernte einmal Klassleiter Ross „Sigar Börek“ kennen, das frittierte türkische Teigröllchen mit Käsefüllung, der kleine Verkäufer war stolz, mit etwas ganz eigenem zur Klassenkasse beigetragen zu haben. Und mit ihm die Eltern. Eine heile Welt ist das noch lange nicht. Klassleiter Ross macht kein Hehl daraus, dass „nicht die Wissensvermittlung“ der schwierigste Punkt ist, sondern „Konfliktbewältigung“. Das bestätigt auch Uwe Rachuth. Er studiert heute mit einer 9. Klasse ein Balkanpopstück ein. Er war offizieller Volksmusikpfleger des Regierungsbezirks Schwaben, spielt aber auch Jazz. Schon seit vielen Jahren baut er mit Projekten musikalisch Brücken zwischen Bayerische Schule 2 2014 Thema_Integration den Menschen unterschiedlicher Nationen. Doch selbst der gestandene Multikulti-Profi staunt: „Die Kinder wissen genau, wie sie einander wehtun können. Über die Herkunft nämlich.“ Und zwar so, dass es der Lehrer nicht einmal merkt. Wenn das Balkanfeuer lodert Da hänselt ein Junge einen anderen, indem er ihn „Kartoffel“ nennt. Rachuth versteht nicht, warum das den Jungen so aufbringt. Im Stuhlkreis erfährt er, dass der Kasache durch das Wort „Kartoffel“ zum Russen erklärt wird, einem Vertreter der unbeliebten Nachbarn also, die in der Grenzgegend vor allem Kartoffeln anbauen. Ein Grieche wiederum weigert sich, beim „BavaturkaProjekt“ mitzumachen, die Türken seien seine Feinde. 140 Schulen aus ganz Bayern beteiligen sich an diesem völkerverbindenden Projekt von Franz Himpsl („Unterbiberger Hofmusik“) und Rachuth macht ihm klar, dass er sich irrt. Beim Abschlussfest schmettert der Junge auch die türkischen Lieder inbrünstig mit. In der Stunde vor Mittag verteilt Rachuth an seine Neuntklässler – Kosovaren, Serben, Türken, Deutsche und Jugendliche aus ande- ren Ländern – Trommeln und Percussion-Instrumente, Xylophone, setzt eine Schülerin ans Piano, einen anderen an die Keyboards, hängt sich selbst das Saxophon um und tänzelt im Kreis zum anschwellenden Balkanpop. Sie üben Shantels „Mahalageasca“, ein Brass-Lied des Bucovina-Orchestra: Noch geht alles zu schleppend und die a-moll- und d-moll-Sequenzen klingen ein bisschen nach Trauermarsch. „Doppelt so schnell!“, ruft Rachuth in die Runde, stampft den Puls und klatscht den Offbeat und als alles stampft und klatscht, bläst er balkaneske Läufe auf dem Sax. Der Rhythmus hüpft und drängt, das Balkanfeuer lodert. Musikunterricht, das heißt in Centerville-Süd: Musik machen statt Musik hören oder Vorträge über Musik hören. Das gemeinsame Erlebnis macht die musischen Fächer so wichtig für die interkulturelle Bildung. Als „Mittelschule mit Schwerpunkt Musik“ bekommen sie in Augsburg sechs Stunden über das reguläre Maß hinaus. Was das bringt, konnte der Kultusminister höchstselbst bei einem Empfang in der Salvatorstraße wahrnehmen. Dort spielten Rachuths Schüler aus den vierten bis siebten Jahrgangsstufen einen Crossover aus bayerischen und türkischen Stücken. Komplizierte Sachen im 7/8-Takt waren dabei. Und die türkischen Lieder sangen sie alle auf Türkisch. Auch „Auf dem Weg nach Üsküdar“. Bunte Vielfalt: In Augsburg Centerville-Süd kommen die Kinder und Jugendlichen aus 30 Nationen Bayerische Schule 2 2014 21 Thema_Integration „Manche Familien sitzen abends im Dunklen“ Rektor Schödel über die Arbeit an einer Hofer Grundschule im Bahnhofsviertel BS: Herr Schödel, was bedeutet die Lage im Bahnhofviertel von Hof für die Zusammensetzung Ihrer Schülerschaft? Henrik Schödel: In diesem Viertel findet man 120-QuadratmeterWohnungen für eine Monatsmiete von 400 Euro. Das ist sehr attraktiv für Großfamilien aus Rumänien oder anderen südosteuropäischen EU-Ländern. Von unseren 242 Kindern kommen 70 Prozent aus Migrantenfamilien. 30 Prozent haben sonderpädagogischen Förderbedarf, die Hälfte stammt aus Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind. Eine etwas unausgewogene Mischung. Wir haben tatsächlich eine Ganztagsklasse mit nur zwei deutschen Kindern. Aber wir bekommen auch viel Förderung. Wir haben Ganztagsklassen und das Profil Inklusion und bieten Projekte wie Deutsch als Zweitsprache, Akzent Elternarbeit, Gruppen für Kinder mit sozio-emotionalen Schwierigkeiten. Wir können 22 externe Kräfte wie Erzieherinnen oder pädagogische Hilfskräfte einsetzen. Und wir können Klassen auch mal teilen und Gruppen mit acht bis zehn Schülern unterrichten. Da kann man gut individuell fördern. Und die Eltern ziehen mit? Nicht immer. Um sie besser einzubeziehen, bieten wir ein morgendliches Elterncafe, da escheinen regelmäßig rund 20 Menschen. Auch Computerkurse und Deutschkurse werden besucht. Und wir veranstalten ein interkulturelles Osterfrühstück. Das ist ganz wichtig gerade für die Eltern, die selbst nie eine Schule besucht haben. Die können ihre große Stärke einbringen: Essen und Getränke zubereiten. Vor allem Asylsuchende und Sinti und Roma haben oftmals keinerlei Bildung. Gerade deren Kinder werden Übergangsklassen brauchen. Seit November haben wir eine, aber die Zahl der Kinder schwankt enorm: Am Anfang waren es 17, jetzt sind es nur noch 11. Eine rumänische Familie zum Beispiel ist im April gekommen und Anfang Juli gegangen, nach den Sommerferien standen sie wieder vor der Tür, zu den Herbstferien waren sie wieder weg, kurz vor Weihnachten sind sie wieder aufgetaucht. Manche haben immer 22 im Wohnwagen gelebt. Kinder aus solchen Familien werden hinund hergerissen. Und diese Familien werden mehr. Ist das nicht auch für Ihr Kollegium frustrierend? Das Hin und Her ist frustrierend, klar. Andererseits trägt der Schulentwicklungsprozess Früchte. Mittlerweile wollen mehr Kolleginnen und Kollegen zu uns kommen als von uns weg gehen. Man fühlt sich verantwortlich für die Kinder. Und die sind sehr dankbar. Sie dürfen ins Schwimmbad, ins Theater, sie bekommen ein warmes Mittagessen. Gratis, oder? Ein Mittagessen kostet drei Euro, davon übernimmt der Staat aber nur noch zwei Euro. Selbst den einen Euro können sich viele Eltern nicht leisten. Aufs Jahr gesehen, muss eine Familie pro Kind rund 450 Euro selbst zuschießen. Dabei können manche nicht mal ihren Strom zahlen, die sitzen abends im Dunklen. Wer zahlt dann fürs Schulessen? Ich treibe Spenden von Privatleuten oder Stiftungen ein, aber das wird immer schwieriger. Bis zum Schuljahresende bleiben wir wohl auf ein paar tausend Euro sitzen. Und die deutschen Eltern fliehen aus dem Sprengel. Das war früher so. Heute schicken sogar Akademikereltern ihre Kinder her. Auch wegen der Fördermöglichkeiten. Manche Kinder überspringen Klassen. Und von denen, die aufs Gymnasium wechseln, hören wir oft, welch hohe soziale Kompetenz sie haben. Was wünschen Sie sich für Ihre Schule? Mehr Kontinuität. Dass nicht alles an der Schülerzahl festgemacht wird. Wenn ich nur drei Schüler mehr habe als zurzeit, bekomme ich zwei Leitungsstunden mehr. Wenn ich Pech habe, wird gerade zum 1. Juli die Übergangsklasse mit weniger als 13 Kindern nicht voll – und im September stehen dann auf einen Schlag 20 vor der Tür. Damit darf ich dann erstmal allein fertig werden. Interview: Chris Bleher Bayerische Schule 2 2014 Thema_Leitartikel Wir Integrationshelfer Von Waltraud Lučić* I m Jahr 2012 hatte jeder fünfte Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund, der Anteil der Ausländer lag bei 8,2 Prozent – so hoch wie nie zuvor. Integration bedeutet, all diesen Menschen Chancengerechtigkeit zukommen zu lassen. Dafür braucht es die Bereitschaft der Menschen aufeinander zuzugehen und das eigene Verhalten zu reflektieren. Mit der Chancengerechtigkeit steht es aber nicht zum Besten: Unverhältnismäßig wenige Kinder mit Migrationshintergrund wechseln aufs Gymnasium, unverhältnismäßig viele bleiben ohne Abschluss. Kostenlose Deutschlernkurse wären da das Mindeste. Lehrkräfte sind von der Situation aber über die Maßen gefordert: 13 Nationen in einer Klasse – das ist keine Seltenheit. Wenn die Probleme der Kinder mehr Zeit beanspruchen als das Erarbeiten des Stoffs, übersteigt dies den herkömmlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Wir Lehrkräfte leisten Integrationsarbeit, ohne dafür ausgebildet worden zu sein. Es darf nicht vom Geschick Einzelner abhängen, wie die Aufgabe erfüllt wird. Der BLLV fordert daher eine veränderte Lehrerbildung mit Verzahnung von Theorie und Praxis und einer Schwerpunktsetzung im Erwerb von Methoden-, Beziehungs-, Reflexions- und interkultureller Kompetenz. Deutsch als Zweitsprache sollte verpflichtend in die allgemeine Ausbildung aufgenommen werden. Die Klassen werden schon bei 25 Kindern geteilt, wenn mehr als die Hälfte der Klassengemeinschaft aus Migrantenfamilien stammen – ein Fortschritt. Ausweitung des Deutschvorkurses und der Förderstunden – auch das ein Fortschritt. Und doch ist weit mehr fachliche und finanzielle Unterstützung nötig. Der BLLV fordert ein großzügiges Budget für jede Einzelschule, mehr Lehrkräfte für Teamteaching, Kooperationsstunden und Verfügungsstunden, und mehr schulpsychologische, sozialpädagogische und sonderpädagogische Betreuung. Ungleiche Bildungschancen können auch durch ein bedarfsgerechtes Angebot an ganztägiger Betreuung oder an Ganztagsschulen ausgeglichen werden. Auch dazu bedarf es ausreichender Ressourcen. Eine Schule sollte ihr Angebot nicht von Sponsoren abhängig machen müssen. Und gerade mal vier Schulen kommen in den Genuss des interkulturellen Coachings durch das vom BLLV mitinitiierte Projekt WERTvoll MITeinander. Zu den knapp acht Millionen Menschen mit ausschließlich nicht-deutscher Staatsangehörigkeit gehören viele Kinder ohne Deutschkenntnisse. In den Übergangsklassen treffen sie als Analphabeten mit gymnasial beschulten, kriegsgeschädigten, traumatisierten oder elternlosen Kindern aufeinander. Wöchentlich kann sich die Klassenstärke verändern. In kleinen Städten werden sie den Regelklassen zugewiesen. Ohne Ausbildung Bayerische Schule 2 2014 und zusätzliche Ressourcen können Lehrkräfte die Ballung unterschiedlichster Biographien nicht bewältigen. Der BLLV hat eine entsprechende Petition eingereicht. Um die Integration der Flüchtlingskinder zu gewährleisten, müssen über Schulungen des Lehrpersonals hinaus folgende Punkte erfüllt werden: Bevor die Kinder in Übergangsklassen aufgenommen werden, müssen sie ein Screening mit schulärztlicher Untersuchung durchlaufen; nicht-alphabetisierte Kinder müssen ABCKlassen besuchen; in Übergangs- und Regelklassen braucht es eine zweite Lehrkraft; ein pädagogisch sinnvoller Übergang in die Regelklasse vor Ort muss möglich sein. Und die Klassen müssen mit bestem interkulturellen Material und Medien ausgestattet sein. Jeder Mensch braucht das Gefühl, beheimatet zu sein, um sich wohlfühlen und Verantwortung übernehmen zu können. Lehrerinnen und Lehrer können dabei helfen. Sie dürfen mit ihrer Bereitschaft dazu nicht allein gelassen werden. * Vizepräsidentin des BLLV Cheyenne, 10, Türkei Es gibt nichts, was ich an unserer Schule nicht mag. Service_Recht Keanu, 14, USA Mir gefällt, dass man hier musikalisch gefördert wird, zum Beispiel in der Schulband und im Chor. Von Vorkurs bis Zeugnis Viele Migrantenkinder sprechen kaum oder gar nicht Deutsch. Dass sie menschlich korrekt behandelt werden müssen, versteht sich von selbst. Wie sie schulrechtlich zu behandeln sind, ist nicht immer klar. Ein Leitfaden. Von Markus Rinner Leiter der Rechtsabteilung im Bezirk Oberbayern 24 Schulpflicht Kinder nicht-deutscher Herkunft mit Wohnsitz in Deutschland unterliegen der hiesigen Schulpflicht. Eine Ausnahme gilt für Kinder von Bürgerkriegsflüchtlingen. Ebenso ausgenommen sind Kinder von Asylbewerbern, solange sie in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind, wenn der Asylantrag abgelehnt wurde oder eine bestandskräftige Verpflichtung zur Ausreise besteht. Wird aber die Aufnahmeeinrichtung verlassen und eine Gemeinde zur Wohnsitznahme zugewiesen, dann lebt die Schulpflicht innerhalb des Sprengels der Gemeinde auf. Äußere Formen Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache haben Anspruch auf verschiedene Fördermaßnahmen. Hierunter fallen die sogenannten Vorkurse, die Deutschförderklasse, die Deutschförderkurse und die Übergangsklassen. Die Vorkurse sind dafür gedacht, den Schülern mit nicht-deutscher Muttersprache in Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule einen guten Start in die Grundschule zu ermöglichen, die anderen Maßnahmen betreffen die Schüler der Grund- und Mittelschule. Bayerische Schule 2 2014 Service_Recht Um eine möglichst frühzeitige und intensive Förderung in der deutschen Sprache zu erfahren, nehmen die betroffenen Schüler auf der Grundlage der Entscheidung der staatlichen Schulamtes gemäß § 29 GrSO, § 38 MSO an diesen Förderkursen teil. In den Übergangsklassen mit einer Größe von 13 bis 20 Schülern der Grund- und Mittelschulen sollen diese auf den Unterricht in der deutschsprachigen Klasse und auf einen möglichst frühzeitigen Übertritt in die Regelklasse vorbereitet werden. Als Zielgruppe kommen schulpflichtige Seiteneinsteiger ohne ausreichende Deutschkenntnisse in Frage. Sind die beiden erstgenannten Fördermöglichkeiten nicht gegeben, bietet die Deutschförderklasse eine Alternative. Darin werden bis zu zwölf Schüler mit keinen oder sehr geringen Deutschkenntnissen getrennt von der Stammklasse in ausgewählten Fächern separat unterrichtet. Die hier aufgeführten Maßnahmen kommen allen Schülern mit nicht-deutscher Muttersprache zugute, sie betreffen aber praktisch vor allem diejenigen in den Übergangsklassen. Übertritt Der Übertritt an Gymnasium oder Realschule aus der Grundschule oder Mittelschule unterliegt anderen Voraussetzungen. So können gemäß § 25 Abs. 5 GrSO und § 32 Abs. 3 MSO Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache, die nicht schon ab der 1. Jahrgangsstufe eine deutsche Grundschule besucht haben, dann übertreten, wenn die Gesamtdurchschnittsnote aus den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht beziehungsweise Englisch (Mittelschule) 3,33 beträgt und der Schnitt auf Schwächen in der deutschen Sprache zurückzuführen ist, die noch behebbar erscheinen. Selbstverständlich müssen die Schüler dem deutschsprachigen Unterricht folgen können. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 MSO gilt für sie bei der Aufnahme in die M-Klassen 7 bis 9 der Mittelschule generell der Schnitt von 3,33. Die Aufnahmeprüfung in die M 10 ist hiervon ausgenommen. Für die Aufnahmeprüfung in die M 9 und M 10 gilt für Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache, die im Fach Englisch unverschuldet nicht den erforderlichen Leistungsstand vorweisen können, dass sie die Prüfung auch in der Muttersprache ablegen können. Probearbeiten Grundsätzlich nehmen die Schüler auch an den Leistungsfeststellungen teil, damit später etwa der erfolgreiche Hauptschulabschluss oder der qualifizierenden Hauptschulabschluss erworben werden kann. Die nach den § 38 Abs. 1 GrSO und § 47 Abs. 1 MSO notwendige Kennzeichnung von Sprachunrichtigkeiten und schwereren Ausdrucksmängeln kann aus pädagogischen Gründen unterbleiben. Haben Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache in der 9. oder 10. Jahrgangsstufe im Fach Englisch unverschuldet nicht den erforderlichen Leistungsstand, dann können sie auf Antrag gemäß §§ 33 Abs. 3, 58 Abs. 2, 64 Abs. 2 MSO in der Abschlussprüfung in ihrer Muttersprache statt im Fach Englisch eine Prüfung ablegen. Während des Jahres werden zwei Leistungsprüfungen in der Muttersprache durchgeführt. Bayerische Schule 2 2014 Yasemin, 14, Türkei Gut, dass die Schule für Muslime Schweinefleisch weggestrichen hat. Zeugnis Erhalten Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache Unterricht in Deutsch als Zweitsprache, dann tritt im Zeugnis dieses Fach an die Stelle des Fachs Deutsch. Besuchen sie teilweise den Unterricht im Fach Deutsch und erhalten Fördermaßnahmen auf der Grundlage des Faches Deutsch als Zweitsprache, dann erhalten sie auf Antrag der Erziehungsberechtigten gemäß § 43 Abs. 3 GrSO und § 53 Abs. 6 MSO eine Note im Fach Deutsch. Erhalten sie keinen Unterricht im Fach Deutsch als Zweitsprache, sind in den ersten beiden Jahren des Schulbesuchs in Deutschland unzureichende Leistungen im Fach Deutsch bei der Entscheidung über das Vorrücken gemäß § 40 Abs. 4 GrSO und § 49 Abs. 3 MSO nicht zu berücksichtigen. Quabi Die geforderten Englischkenntnisse für den Quabi können durch entsprechende Kenntnisse in der Muttersprache nachgewiesen werden. Dies erfolgt in der Regel dadurch, dass in der Prüfung zum Qualifizierenden Abschluss der Mittelschule die Muttersprache anstelle des Faches Englisch als Prüfungsfach gewählt wird. 25 Witz mit Bart: „Können Sie nicht mal eben diese Stunde übernehmen?“ Ganz im Ernst: Die Antwort muss lauten: „Unmöglich!“ Passt schon Fachlehrer werden massiv unter Druck gesetzt, fachfremd zu unterrichten. Wie groß die Not ist, zeigen die vielen Reaktionen auf den Artikel „Das Ding mit den Fachlehrern“ in der BS 1/2014. In einem Klima der Angst trauen sich die Betroffenen nicht, offen darüber zu sprechen. Binnen weniger Tage erreichten BLLV-Präsident Klaus Wenzel, weitere Mandatsträger, den Autor des Beitrags, Hans-Peter Etter, sowie die Redaktion der Bayerischen Schule eine Vielzahl von Briefen, Mails und Anrufen. Sie alle bestätigten den Inhalt des Artikels über den fachfremden Einsatz von Fachlehrern in der Februarausgabe 2014 der BS. Er wird durch die Bank als erheblich belastend empfunden, in einer Zuschrift war sogar von gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Rede, die die erzwungene Tätigkeit nach sich ziehe. Die Rückmeldungen zeugen von einem Klima der Angst: Niemand will seine Zuschrift namentlich gezeichnet veröffentlichen. Es 26 ist die Angst vor Repressalien. Dies wird deutlich, wenn eine Betroffene schildert, wie man an ihrer Schule Fachlehrer für fachfremden Unterricht gewinnt: „Gut, wenn Sie nicht einverstanden sind, dann hat das leider Konsequenzen für Sie.“ Man brauche da noch dringend Fachlehrer am äußersten Rand des Regierungsbezirkes. Selbst regional wird Druck ausgeübt, indem man den Einsatz an ein oder zwei zusätzlichen Standorten und vermehrten Nachmittagsunterricht in Aussicht stellt, oder gar eine „der Situation angepasste Beurteilung“. Manche Fachlehrer/innen berichten, dass auch die jeweilige Fachberatung auf solche Weise Druck ausübt. Bayerische Schule 2 2014 Service_Recht_Fachlehrer Opfer sind aber nicht nur die Fachlehrerinnen und Fachlehrer, sondern auch die Schulleiter, die ihren Kopf für Planungsfehler von oben hinhalten müssen. Zum Teil zeugt allerdings auch die Art, wie Schulleiter den Fachlehrern ihre Stundeneinteilung vermitteln, von wenig Einsicht in die Fürsorgepflicht, also auch von wenig ausgeprägter Leitungsfähigkeit. An dieser Misere wird sich solange nichts ändern, wie einem Schulamtsbezirk und dann den Schulen ein bestimmtes Stundenkontingent zugewiesen wird und dabei die Fachlehrerstunden genauso berechnet werden, wie die der Grund- und Mittelschullehrer. Mache Schulleiter gewinnen ja grundsätzlich Stunden, indem sie die Gruppen für den Fachunterricht hoch ansetzen: Nur so können sie Stunden für Arbeitsgemeinschaften, Förderunterricht und anderes zusätzlich anbieten. Das Kultusministerium hat im vergangenen Jahr Position für den – ordnungsgemäßen – Einsatz von Fachlehrern bezogen. Dabei hat es die Fächer, für die eine akademische Lehrerbildung Voraussetzung ist, abgegrenzt von den Fächern der Fachlehrer. In einem entsprechenden Schreiben wird betont, dass die akademisch ausgebildeten Lehrkräfte nach dem Neuen Dienstrecht der 4. Qualifikationsebene angehören, Fachlehrkräfte dagegen aufgrund ihrer Eingangsvoraussetzung und Ausbildung nur der 3. Sollten Fachlehrer in Fächern der höheren Ebene eingesetzt wer- den, könnte man möglicherweise auch die Besoldung und Arbeitszeit dieser Ebene rechtlich einfordern. Von daher dürfen Fachlehrer nach dem Wortlaut des Kultusministeriums „nur in einer ihrer Laufbahn und ihrem Ausbildungsstand entsprechenden Weise beschäftigt werden“. Die Wirklichkeit spricht dieser Richtlinie Hohn: Die vielen Zuschriften bestätigen, dass Fachlehrer in allen Fächern eingesetzt werden – in einem Fall passierte das sogar in Mathematik in der M 10. So manche Fachlehrerin, mancher Fachlehrer berichtet, ausschließlich fachfremd eingesetzt zu werden. Bei Fachlehrern als Mobile Reserve erscheint das als der Regelfall. Offensichtlich gibt es zahlreiche Fachlehrkräfte, die sich in den akademischen Fächern bestens bewähren und die durchaus bereit sind, sie zu unterrichten. Wenn sie das tun, dann müssten sie es dem Gesetz zufolge jedoch unter den Bedingungen tun, die für Grund-, Haupt- und Realschullehrer gelten. Art. 24 Abs. 2 des bayerischen Lehrerbildungsgesetzes nämlich fordert das Kultusministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium auf, für Fachlehrer die Möglichkeit zum Erwerb von Qualifikationen zu schaffen und damit den Zugang zu anderen Lehrämtern zu eröffnen. Wie weitsichtig der Gesetzgeber war, zeigt die aktuelle Entwicklung: Es gibt einen massiven Bedarf an Lehrerstunden und nicht an Fachlehrerstunden. BS „Gesundheitlich nicht zu schaffen“ Würden wir die Zuschriften auf den Text „Das Ding mit den Fachlehrern“ in voller Länge abdrucken, wäre das Heft mindestens zur Hälfte voll. Doch schon ein paar Auszüge machen das Ausmaß der Misere klar. Lesen Sie hier – anonyme – Schlaglichter sowie eine nicht-anonyme Stellungnahme des BLLV-Fachgruppenleiters. Den Verfasser des Beitrags in BS 1/2014, Hans-Peter Etter, erreichen Sie unter etter@kabelmail.de „ ... fast schon perfide“ „Als ich vor 25 Jahren meinen Dienst angetreten habe, lag die Schülerhöchststärke in der Grundschule bei 33 Schülern. Unsere WTG-Gruppen wurden halbiert, folglich hatten wir höchstens 17 Schüler/innen in einer Gruppe. Heute werden in manchen Grundschulen bis zu 27 Kinder in einer Gruppe unterrichtet. Fakt ist, dass die Stundenbudgetierung massiv auf dem Rücken der Fachlehrerinnen E/G ausgetragen wird. Weitere Aspekte hat Hans-Peter Etter in der jüngsten Ausgabe der BS ausführlich dargelegt. Ich finde es fast schon perfide, dass eine Fachlehrerin die Stunden, die durch Mammutgruppen freige- Bayerische Schule 2 2014 worden sind, dann noch rechtswidrig und mit großem Zeitaufwand fachfremd unterrichten muss. Ich schätze, dass gut über die Hälfte meiner Fachkolleginnen inzwischen nicht mehr in Vollzeit arbeiten kann, weil dies so gesundheitlich bis 67 nicht zu schaffen ist!“ „ ... nicht die geringste Ausbildung“ „Ich habe vor zehn Jahren unter völlig anderen Bedingungen angefangen – aber der fachfremde Einsatz ist der Gipfel der vergangenen Jahre. Dieser Einsatz trägt nicht zu einem besseren Stand unserer Berufsgruppe bei. Es ist und bleibt eine halbe 27 Service_Recht_Fachlehrer Sache, wir wurden nicht für diese Fächer ausgebildet – auch nicht für Kunst. Ohne die Hilfe eines pensionierten Kollegen könnte ich dieses Fach nicht unterrichten, da ich nicht die geringste Ausbildung in Kunst habe.“ te ich selbstverständlich Probearbeiten erstellen und korrigieren und natürlich Noten geben, übrigens auch in 4. Klassen (Übertritt!). Die enorme Belastung, der ich ausgesetzt war, hat mich krank gemacht.“ „Mit Entsetzen ...“ „Mit Entsetzen habe ich den Artikel ,Das Ding mit den Fachlehrern' gelesen. Mir ging es genau wie in dem Artikel beschrieben!“ „Schulleitung akzeptiert ... Ablehnung nicht“ „Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel in der BS gelesen. In diesem Schuljahr muss ich gegen meinen Willen vier Stunden AWT unterrichten. Vom Schulamt habe ich die Auskunft erhalten, wenn mich der Schulleiter so einsetzt, muss ich das unterrichten. Die Schulleitung akzeptiert einfach meine Ablehnung nicht. „ ... wäre überall so üblich“ „Die Kolleginnen E/G in unserem Schulamtsbezirk halten alle mehr als zwei Stunden fachfremden Unterricht. Mir wurde unter der Hand durch unsere Fachberaterin gesagt, das gehe hier nicht anders, das wäre überall so üblich. Wenn ich dem widerspreche, könnte ich im Landkreis nicht mehr eingesetzt werden und müsste damit rechnen, in einen Randbereich des Regierungsbezirkes versetzt zu werden.“ „ ... Mobil Reserve ... und ... fachfremd“ „Als Fachlehrerin E/G betrifft es mich am eigenen Leib, was in dem Artikel ,das Ding mit den Fachlehren' geschrieben stand. Auch ich war als Mobile Reserve eingesetzt und in fast allen Fällen fachfremd.“ „ ... Sicherheit nicht mehr gewährleistet“ „Zuerst ein dickes Dankeschön für Ihren großartigen und in Verhandlungen mit den Schulleitern sicher höchst hilfreichen Artikel in der BS! Die Gruppenstärken WTG richten sich gemäß dem altbekannten KMS eigentlich nach den Arbeitsplätzen. Diese werden jedoch oftmals überschritten und ich kann die arbeitenden Schülerinnen und Schüler in so großen Gruppen nicht mehr überblicken und insofern die Sicherheit nicht mehr gewährleisten.“ „... Sport ... keine Ahnung“ „Ich sollte als Fachlehrerin E/G mit 57 Jahren sogar das Fach Sport unterrichten. Da ich keine Ahnung von diesem Fach hatte und mir das Unfallrisiko zu groß erschien, weigerte ich mich, es zu unterrichten.“ „Noten geben ... auch in 4. Klassen” „Im ersten Jahr nach meinem Referendariat wurde ich als Fachlehrerin als ,Mobile Lehrkraft' eingesetzt und musste dabei permanent andere Fächer unterrichten wie PCB, GSE, Mathematik, Deutsch, Technik, Englisch und AWT. Dabei muss- 28 „ ... Unsicherheiten und Ängste... “ „Ich bin t/m Fachlehrerin und war im letzten Schuljahr als ,Mobile Reserve' eingesetzt. Mein Problem war, dass ich zwar ständig im Einsatz war, aber nie für meine Fächer. Zusammengefasst: Es war ein sehr anstrengendes Jahr mit vielen Unsicherheiten und Ängsten. Vielen Dank für Ihren Artikel, der die Probleme sehr gut anspricht!“ „Das Ding mit den Förderlehrern?“ „Sehr gerne lese ich die Artikel von Hans-Peter Etter – unter anderem den jüngsten unter dem Titel ,Das Ding mit den Fachlehrern'. Könnte ein zweiter Teil folgen: Das Ding mit den Förderlehrern???“ „ ... 178 Überhangstunden“ „Nach Aussage unserer Fachberaterin haben wir im Landkreis 178 Überhangstunden von Fachlehrerinnen.“ „ ... vermehrt ... Crashkurse“ „Ein jahrzehntelang schwelendes Thema bewegt die Fachlehrer wie kaum ein anderes – der fachfremde Unterrichtseinsatz. Wie wichtig der Artikel zu dieser Problematik in der BS 1/2014 für die Fachlehrer ist, zeigen die vielen Reaktionen und Bestätigungen von Kolleginnen und Kollegen, die bei mir als Fachgruppenleiter eingegangen sind. Auch als Personalratsvorsitzender werde ich zunehmend mit Beschwerden und Anfragen von Fachlehrern zu ihrem fachfremden Unterrichtseinsatz konfrontiert. Gelöst werden diese problematischen Einsätze meist mit dem errungenen Einverständnis der betroffenen Fachlehrkräfte. Auf der Ebene der Fachberatung wurden in den letzten Jahren vermehrt auch sogenannte Crashkurse im Bereich Technik für Fachlehrerinnen E/G eingefordert, um den fehlenden Bedarf an m/t Fachlehrkräften zu kompensieren. Heinz Freymann, Landesfachgruppenleiter FL m/t Bayerische Schule 2 2014 Schwamm drüber? Der BBB warnt vor Stellenabbau im öffentlichen Dienst Sparen bei Stellen und Paragraphen – wie soll das gehen? Zwei grundlegende Vorgaben der Bayerischen Staatsregierung für die kommende Zeit haben bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu erheblicher Verunsicherung geführt: Neue Stellen soll es nur noch bei entsprechender anderweitiger Einsparung geben, ebenso will man auf zusätzliche gesetzliche Vorschriften verzichten. Der BBB hat diesbezüglich bereits das Gespräch mit Ministerpräsident Horst Seehofer gesucht. Bereits in der Regierungserklärung hat Seehofer eine strikte Ausgabenpolitik für die kommende Legislaturperiode ausgerufen und unter anderem einen Stellenstopp im öffentlichen Dienst angekündigt. Im Rahmen der Kabinettsklausur in St. Quirin im Dezember 2013 hat die Bayerische Staatsregierung dieses Vorhaben weiter konkretisiert. Trotz Rekordeinnahmen plant sie einen Abbau von 4.000 Stellen bis 2019 im öffentlichen Dienst. Der Staatsregierung muss klar sein, dass vor jedem Stellenabbau zunächst eine eingehende Prüfung der Aufgaben steht. Wie soll die Funktionsfähigkeit der Verwaltung sichergestellt werden? Welche Leistungen des öffentlichen Dienstes fallen künftig weg, um dann teurer bei privatisierten Anbietern eingekauft zu werden? Wie soll die sogenannte demografische Rendite im Schulbereich aussehen? Antworten darauf hat die Regierung noch nicht gegeben. Will sie die Erfolge der vergangenen Jahre nicht gefährden, muss die Regierung sich diesen Schritt daher gut überlegen. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Tatsache, dass sich Nachwuchs immer schwieriger finden lässt, sind das die falschen Signale. Im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft muss sich der öffentliche Dienst als attraktiver Arbeitge- Bayerische Schule 2 2014 ber positionieren. Mit den im Jahr 2013 ausgegangenen Maßnahmen wie Besoldungserhöhung, Arbeitszeitreduzierung, Schaffung neuer Stellen beziehungsweise Wiederaufleben der Leistungselemente ist man auf dem richtigen Weg. Dieser Weg muss konsequent weiterverfolgt werden. Zu weiterer Verunsicherung hat die unter dem Stichwort „Paragraphenbremse“ getätigte Aussage des Ministerpräsidenten in seiner Regierungserklärung geführt: „Neue Gesetze und Verwaltungsvorschriften soll es grundsätzlich in dieser Legislaturperiode nicht geben ...“. Wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll, ist unklar. Die Anpassung von Gesetzen und Verwaltungsvorschriften ist für einen zukunftsfähigen Staat unverzichtbar. Gerade das Neue Dienstrecht in Bayern bedarf einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, wenn es in der Bundesrepublik weiterhin Vorreiter sein soll. Ein weiteres bedeutendes Projekt, das von diesem Vorhaben betroffen wäre, ist das auf Veranlassung des Ministerpräsidenten hin zwischen dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat und dem Bayerischen Beamtenbund entwickelte Papier zur Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst (s. S. 30 Artikel „Ergebnisse der Arbeitsgruppe zum öffentlichen Dienst in Bayern“). Es greift die derzeit besonders aktuelle Thematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf detailliert auf und enthält zukunftsweisende Vorschläge. Diese Neuerungen lassen sich aber nicht ohne Änderungen der rechtlichen Parameter erreichen. Der Bayerische Beamtenbund wird sich daher dafür einsetzen, dass die gefundenen Ergebnisse auch in die Tat umgesetzt werden. BBB/ds 29 Service_Dienstrecht Bessere Arbeitsbedingungen und mehr Flexibilität Ergebnisse der Arbeitsgruppe zum öffentlichen Dienst in Bayern liegen vor A uf Initiative des Bayerischen Ministerpräsidenten und des Bayerischen Staatsministers der Finanzen wurde im Jahre 2012 eine Arbeitsgruppe zum öffentlichen Dienst in Bayern ins Leben gerufen. Sie bestand aus Vertretern des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und des Bayerischen Beamtenbundes (BBB), dem Dachverband des BLLV. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen stehen. In intensiven Arbeiten haben Finanzministerium und BBB zahlreiche Ansätze entwickelt. Mit dem Ziel der bestmöglichen Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben in jeder Lebensphase schaffen sie neue zusätzliche Möglichkeiten, die dazu beitragen werden, dass Bayern mit seinem modernen öffentlichen Dienst seiner Spitzenstellung im Bundesvergleich ebenso wie seiner Vorbildfunktion für die freie Wirtschaft gerecht wird. Ziel der Arbeitsgruppe war es, die Attraktivität des öffentlichen Dienstes in Bayern weiter zu steigern. Der öffentliche Dienst in Bayern ist geprägt von einem effektiven Miteinander von Tarif- und Beamtenbereich. Es verbietet sich daher, den Arbeitnehmer- und den Beamtenstatus gegeneinander auszuspielen. Die Entscheidung, welche Aufgaben durch Beamtinnen und Beamte zu erfüllen sind, hat verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. So schreibt in Bayern die Bayerische Verfassung in Art. 133 Abs. 2 ausdrücklich die grundsätzliche Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern vor. Eng damit zusammen hängt das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte. Wenn angestellte Lehrerinnen und Lehrer streiken, sind Leidtragende vor allem Schüler und Schülerinnen und ihre Eltern. Streikfreie Schulen sind – auch familienpolitisch – elementar wichtig. Berufstätige, denen keine anderen Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, sind auf die lückenlose Schulversorgung angewiesen. 30 Daneben ergaben sich bei einem Kostenvergleich, der sich auf Lehrerinnen und Lehrer als einer der Hauptgruppe der Beamtinnen und Beamten bezog, finanzielle Vorteile für den Staat. Dabei wurde eine typische Lehrerin an einer Volksschule und ein Rektor an einer Volksschule jeweils im Beamten- und im Arbeitnehmerverhältnis verglichen. Auch unter Einbeziehung der Versorgungsausgaben sind die Aufwendungen des Staates in beiden Fällen im Angestelltenverhältnis höher als im Beamtenverhältnis (Lehrerin: + 6,7 Prozent, Rektor: + 5,5 Prozent). Besonderes Augenmerk legte die Arbeitsgruppe auf die Flexibilisierung des Dienstrechts insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen. Daher wird das Finanzministerium unter anderem zu folgenden Punkten entsprechende Gesetzesinitiativen starten: Bayerische Schule 2 2014 Service_Dienstrecht ist, wenn besonders schwerwiegende Gründe vorliegen. Aus diesem Grunde soll die generelle Kombinierbarkeit von Altersteilzeit im Blockmodell und Antragsruhestand eingeführt werden. • Weitere Flexibilisierung des Freistellungsjahres (umgangssprachlich auch Sabbatmodell genannt): Während bisher beim Freistellungsjahr der gesamte Bewilligungszeitraum höchstens 7 Jahre betragen darf, soll der Gesamtbewilligungszeitraum auf 10 Jahre erhöht und die Kann- zu einer Soll-Regelung umgestaltet werden. Somit wäre es zum Beispiel bei einer Teilzeitquote von 50 Prozent und Ausschöpfung des Höchstbewilligungszeitraums unmittelbar vor der Altersgrenze möglich, schon fünf Jahre früher aus dem Dienst auszuscheiden. • Generelle Kombinierbarkeit von Altersteilzeit im Blockmodell und Antragsruhestand: Der Wunsch eines Teils der Beamtinnen und Beamten, durch eine Kombination von Altersteilzeit im Blockmodell und Antragsruhestand früher aus dem Dienst auszuscheiden, scheitert bisher daran, dass dies derzeit nur im Ausnahmefall möglich Bayerische Schule 2 2014 Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewinnt wegen der sich ändernden gesellschaftlichen Strukturen und Rollen im Hinblick auf die Betreuung und Erziehung von Kindern immer größere Bedeutung. Daher sollen unter anderem aus Sicht der Arbeitsgruppe auch Großeltern eine familienpolitische Teilzeit oder Beurlaubung in Anspruch nehmen können. Das Finanzministerium wird prüfen, ob eine klarstellende Gesetzesänderung sinnvoll ist. Der Erleichterung des Wiedereinstiegs nach längerer familienbedingter Abwesenheit wird ein besonderes Augenmerk gewidmet. Die Rückkehr soll durch den Dienstherrn so einfach wie möglich gemacht werden. An erster Stelle stehen insoweit entsprechende Fortbildungsangebote, die den Wiedereinstieg erleichtern sollen. Auch im Sinne einer „Vorab-Hospitation“ können beurlaubte Beschäftigte die Möglichkeit erhalten, vor der Wiederaufnahme des aktiven Dienstes tageweise „am Dienstbetrieb“ teilzunehmen. Nun ist es Sache von Finanzministerium und Landtag möglichst bald die zugesagten Gesetzesinitiativen zu starten und in die Tat umzusetzen. Wir werden weiter berichten. ds 31 Service_Dienstrecht Gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern In zwei Parallelentscheidungen vom 25. Juli 2013 befasste sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit der Frage der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern. Das Gericht stellte dabei in seinen Leitsätzen unter anderem fest, dass dem Dienstherrn bei der Feststellung der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern kein Beurteilungsspielraum zusteht. Die gesundheitliche Eignung sei dann zu verneinen, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit ,überwiegender Wahrscheinlichkeit’ vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist“. Damit wurde der bisher für die gesundheitliche Eignung nicht schwerbehinderter Beamtenbewerber zugrunde gelegte generelle Prognosemaßstab zugunsten der Bewerber abgesenkt. Nach der bisherigen Rechtsprechung musste der Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze „mit hoher“ beziehungsweise „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ausgeschlossen sein. Nunmehr bedarf es für eine negative Prognose aktuell leistungsfähiger Bewerber tatsächlicher Anknüpfungspunkte, die eine vorzeitige Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. BBB/ds Steuereinnahmen verschaffen Handlungsspielraum Im März wurde das Nachtragshaushaltsgesetz 2014 in den Landtag eingebracht. Ministerpräsident Horst Seehofer will damit eine strikte Ausgabendisziplin wahren. Dies ist ein anerkennenswertes Vorhaben. Auf der anderen Seite bestehen berechtigte Forderungen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die der BBB und der BLLV im Rahmen von Landtagseingaben geltend machen werden. Angesichts der glänzenden finanziellen Verfassung des Freistaats sollte es möglich sein, diese Forderungen zu erfüllen, ohne damit den Pfad der Haushaltsdisziplin und Sparsamkeit zu verlassen. Die Steuereinnahmen bewegen sich weiter auf Rekordniveau. Im vergangenen Jahr verbuchten die Finanzämter in Bayern im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 7,8 Prozent auf knapp 97,7 Milliarden Euro. Die Gemeinschaftssteuern von Bund und Ländern legten um 8,5 Prozent auf 78,8 Milliarden Euro zu, die reinen Bundessteuern um 4,4 Prozent auf 15,8 Milliarden Euro. Die reinen 32 Landessteuern stiegen um 7,6 Prozent auf etwa drei Milliarden Euro. Nimmt man die Einnahmen aus der Spielbankenabgabe und die Gewerbesteuerumlage dazu, verfehlten die bayerischen Finanzämter 2013 die 100-MilliardenSchwelle nur um 800 Millionen Euro. Wichtigster Steuermonat ist der Dezember, der 2013 üppige Zuwächse brachte. Auch wenn der Großteil der Steuern zum Bund und in den Länderfinanzausgleich fließt, verbleibt Bayern ein erheblicher zusätzlicher finanzieller Handlungsspielraum. Auch die weiteren Zukunftsaussichten sind sehr positiv: Das Mitte November 2013 erschienene Gutachten des Sachverständigenrates zur wirtschaftlichen Entwicklung geht von einem positiven Verlauf des Jahres 2014 aus. Die erwartete Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts beträgt demnach 1,6 Prozent in 2014 nach 0,4 Prozent im Vorjahr. BBB/ds Bayerische Schule 2 2014 Ungesetzlicher Vorteil für ältere Beamtinnen und Beamte? Bis 2010 wurde auch in Bayern nach Lebensalter eingestuft Besoldung nach Dienstalter diskriminierend? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) klärt derzeit, ob Besoldungsregelungen europarechtswidrig sind, wenn sie an das Lebensalter des Beamten statt an dessen Dienstzeit anknüpfen. Der Generalanwalt beim EuGH sieht in dieser Praxis eine Diskriminierung von Menschen wegen ihres Alters. Anlass der Prüfung ist eine Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts Berlin zur Beamtenbesoldung. Unmittelbar betroffen sind die Beamten des Bundes und des Landes Berlin. Mit einer Entscheidung des EuGH ist bis Ende Juni 2014 zu rechnen. Die Rechtsprechung könnte sich auch auf Bayern auswirken. Im Freistaat bemisst sich die Besoldung seit Inkrafttreten des Neuen Dienstrechts zum 1. Januar 2011 zwar nach „Erfahrungsstufen“, die unabhängig vom Lebensalter ausgestaltet sind. Grundsätzlich wird bei der Verbeamtung altersunabhängig in die 1. Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe eingestuft. Eine Diskriminierung im Sinne der hier erörterten Rechtsprechung kommt daher bei den ab diesem Zeitpunkt erfolgten Verbeamtungen nicht mehr in Betracht. In Bayern lagen der Bemessung der Besoldung bis zum 31. Dezember 2010 jedoch die Dienstaltersstufen des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zugrunde. Lebensältere kamen also allein wegen ihres Alters bei ihrer Verbeamtung in eine höhere Altersstufe. Darüber hinaus kamen auch in Bayern bei der Überleitung von zu diesem Stichtag vorhandenen Beamten in das Neue Dienstrecht besitzstandswahrende Regelungen zur Anwendung. Bayerische Schule 2 2014 Nach Ansicht des Generalanwalts beim EuGH verfestigen solche Übergangsregeln den Nachteil für Früheinsteiger. Das bisher erreichte Besoldungsniveau der Beamten sei einfach ins neue System übertragen worden. Die Benachteiligung ist ihm zufolge nicht beseitigt, sondern fortgeschrieben worden, da das diskriminierende Überleitungssystem somit zeitlich unbegrenzt fortbesteht. Vereinfachtes Verfahren vereinbart Bereits 2012 hatte sich der Bayerische Beamtenbund beim Finanzministerium dafür eingesetzt, dass betroffene Beamte in Bayern die Möglichkeit erhalten, ihre Ansprüche rechtswahrend geltend zu machen, ohne direkt in ein Klageverfahren eintreten zu müssen. Das Ministerium erklärte sich bereit, zunächst bis zur weiteren Klärung der Rechtslage in Bayern eingehende Anträge beziehungsweise Widersprüche nicht ablehnend zu verbescheiden, sondern vorerst ruhen zu lassen und in diesen Fällen nicht die Einrede der Verjährung zu erheben (es sei denn, dass der Anspruch bereits bei der Geltendmachung verjährt war). Sollte sich der EuGH der Rechtsmeinung in Verhandlungen mit dem Generalanwalt anschließen, wird sich der BBB unverzüglich an das Finanzministerium wenden, um dafür zu sorgen, dass für alle davon Betroffenen eine europarechtskonforme Besoldung gewährleistet ist. BBB/ds 33 T Service_Akademie AKADE M I E p R O g R a mmv O R S C H a U Was können Lehrer/innen tun, AKADEMIE MAI UND JUNI 2014 damit Kinder gut lernen? Stress- und Zeitmanagement für Studierende und Referendare (In Kooperation mit dem BLLV Oberpfalz) (In Kooperation mit dem ULLV) Tragfähige Beziehungen als Grundlage Grundlage für gutes und erfolgreiches Lernen ist die Person des/r Lehrers/in – und die Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler/in. Strategien und Tipps zum Aufbau von tragfähigen Beziehungen. 09.05.2014, REGENSBURG Mit Spaß und Energie erfolgreich arbeiten und die Freizeit genießen Leistung ist im Beruf ständig gefordert. Prüfungssituationen sind Höhepunkte, für die sich das Lernen und die Anstrengung lohnen! Dennoch gilt es, auf sich selbst zu achten, Stresssituationen zu erkennen und Ausgleich ohne schlechtes Gewissen zu schaffen. 24.05.2014, WÜRZBURG 2014 23 2014 27 AKADEMIE 2014 24 Zeitmanagement für Berufseinsteiger an Gymnasien und Realschulen (In Kooperation mit den Fachgruppen Gymnasium u. Realschule) 2014 30 Dem chronischen Zeitmangel gekonnt entkommen Grundlagen des Zeitmanagements und der effizienten Arbeitsorganisation sowie praktische Tipps und Hinweise zum Zeitsparen im Alltag von Lehrern/innen – insbesondere bei Unterrichtsvorbereitung und Korrektur. 10.05.2014, MÜNCHEN Stimme und Körpersprache Akademie Heraus aus den Schulstuben! Anregungen für Umweltbildung in der Grund- und Mittelschule Anregungen, wie Sie Umweltbildung in Ihrer Klasse praktisch und konkret umsetzen können, z.B. Umweltspiele im Freien, Hecke im Jahreslauf, Bau von Insektennisthotels, Schullandheimaufenthalte motivierend planen. 27.06.2014, MÜNCHEN 2014 25 (In Kooperation mit der ABJ Schwaben) Sprecherziehung für Lehrkräfte und Erzieher/innen Ihr meist genutztes Arbeitsmittel ist Ihre Stimme. Das Seminar beschäftigt sich mit dem zielgerichteten und schonenden Einsatz von Stimme und Körpersprache, damit der Inhalt richtig ankommt. 17.05.2014, LEIPHEIM 2014 26 Politik und Sprache: Reden und dabei überzeugen (In Kooperation mit der Georg-von-Vollmar-Akademie) Jede politische Arbeit lebt von der Wirkung des Arguments. Wir wollen uns folgenden Fragen widmen: Mit Konzept zur freien Rede – effektiv werden bei Vortrag, Diskussion & Diskussionsleitung. Mit praktischen Redeübungen. 27.-28.06.2014, KOCHEL A. SEE Verwaltungsakte im Schulbereich Recht für Schulleiter/innen In diesem Seminar geht es u. a. um Folgendes: Was ist ein Verwaltungsakt? Das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz – Die Schule als Behörde – Der Schulleiter als Behördenleiter. 22.05.2014, MÜNCHEN 34 2014 31 Detaillierte Seminarausschreibungen und Anmeldung unter: www.akademie.bllv.de Für die Anerkennung als eine die staatliche Lehrerbildung ergänzende Maßnahme ist der Dienstvorgesetzte verantwortlich. Dienstbefreiung kann beantragt werden. Bayerische Schule 2 2014 Thema_Verband Ehrungen Der BLLV lebt von der Stärke und Solidarität seiner Mitglieder. Er kann dabei auf eine langjährige Tradition verweisen. Zu besonderem Dank ist er seinen langjährigen Mitgliedern verpflichtet. Wir gratulieren: Für 65-jährige Mitgliedschaft: KV Simbach am Inn: Karl Farnhammer Edith Schnappinger, Irmgard Schoder, KV Neustadt an der Waldnaab: Kurt Giesa KV Berchtesgadener Land: Volker Erben, Helma Werner KV Karlstadt: Helmut Kuchenmeister, Margit Ilona Höhn, Manfred Huber, Hubert Meier KV Miltenberg-Land: Rosa Beer, Pawlitschek KV Weismain: Jutta Ankenbrand-Thiem, Engelbert Schmid KV Simbach am Inn: Marianne Panowsky Roswitha Franz, Ulrike Kuhn, Werner Rehe, KV Illertissen-Babenhausen: Rosi Hutzler, KV Scheßlitz: Arnold Dengler Jutta Rohde, Siglinde Stark, Christa Stössel Josef Hutzler, Wiltrud Ruess, Hermann Schiller KV Berchtesgadener Land: Walter Nußstern, KV Freising: Michael Ball, Jutta Baue, Reinhild KV Bad Kissingen: Elke Barthel, Otto Granich, Herbert Ott Kindlein, Gertrud Orth, Sibylle Pfadler, Ernestine Hildegard Karl KV Schweinfurt-Stadt: Luise Türk, Herta Zänglein Scholbeck KV Traunstein: Hans Eder, Susanne Eder, Anni KV Kronach: Joachim Bienert, Johann Brückner, Hangl, Ingeborg Hasslberger, Franz Für 60-jährige Mitgliedschaft: Ingeburg Eichhorn, Margarete Götz, Wilfried Heindlmeier, Gertraud Höflinger, Doris Huber, KV Berchtesgadener Land: Berta Mattusch Holzmann, Ingo Köstner, Gregor Lorsbach, Gertraud Kellner, Elisabeth Leugner, Rudolf KV Schweinfurt-Stadt: Elisabeth Bauer Gottfried Müller, Monika Pflaum, Emilie Raab, Leugner, Gerhard Poremba, Helmut Rehrl, Josef Rebhan, Dieter Rohr, Hildegard Sax, Pauline Rittmeister-Gassner, Helena Rumpel- Für 55-jährige Mitgliedschaft: Gisela Wegner, Gabriele Zimmermann Skumin, Monika Schlund, Barbara Schmandra, KV Neustadt an der Waldnaab: Fritz Aumer KV Gefrees: Irmgard Fischer Barbara Stuffer KV Karlstadt: Hans Hintermaier, Walter Sticha KV Münchberg: Reiner Schneider KV Hammelburg: Rose-Marie Herrler, KV Simbach am Inn: Gertrud Pfauser KV Coburg-Land: Norbert Lang, Gudrun Reuter, Helmut Schäfer KV Berchtesgadener Land: Charlotte Böhm, Gertrud Schrievers, Joachim Stammberger KV Viechtach: Johann Kasparbauer Günther Scholz, Armgard von Monteton Digeon, KV Hof-Stadt: Georg Bloss, Christa Eckardt, KV Ochsenfurt: Gertrud Gramlich, Therese Wimmer Sabine Eichmayr, Monika Gemeinhardt, Annette Maria Hehlein, Johanna Karl, Norbert Tripps, Hohenberger, Uta Pötzl, Wilhelmine Saffert, Erika Waltraud Wirths Für 50-jährige Mitgliedschaft: Schmalfuß, Karlheinz Schrenk, Margit Türbl KV Weilheim-Schongau: Marlies Albrecht, KV Neustadt an der Waldnaab: Sabine Hoffmann, KV Lichtenfels-Bad Staffelstein: Brigitte Herold, Hubert Assum, Josef Bierling, Guntram Dopfer, Wilhelm Knopp, Annemarie Scholz Werner Keller, Willi Scherbel Johann Gattinger, Regina Gattung, Doris Graf, KV Karlstadt: Emanuel Jungschaffer, KV Bad Königshofen: Rudolf Dümpert, Heidemarie Grunert, Christa Limmer, Margit Elisabeth Schütz Magdalena Joha, Günther Lamprecht, Morsbach, Gabriele Papenfuß, Rudi Pech, KV Simbach am Inn: Ludwig Rogl, Manfred Volke Maria Magdalena Rudloff, Josef Weigand Gerburg Reis, Gabriele Siebert, Gertraud Spar, KV Traunstein: Ulrike Boesmiller, Gabi Gnad, KV Landshut: Brigitte Bachmann, Hans Dillis, Ottmar Zeilinger KV Schweinfurt-Stadt: Detlev Kraus Dietlind Hager, Horst Hahn, Horst Himmelstoß, Gertrud Farkas, Fridoline Friedrich, Ulrike Fuchs, Rudolf Kink, Günther Kneis, Siegfried Ostler, Erwin Hausladen, Luisa Kiermeier, Eva-Maria Laske, Annemarie Schinzel, Walter Zimmermann Sebastian Mieslinger, Günther Neoral, Dorothee KV Hammelburg: Walter Koch, Sophie Rauschmann Schütz, Angela Wittmann, Fritz Wittmann KV Viechtach: Christa Radlbeck, Freia Richwien KV Aichach-Friedberg: Gabriele Bauer, Karl KV Ochsenfurt: Wolfgang Burgard, Anton Grimm Lassonczyk, Rudolf Neuberger KV Weilheim-Schongau: Günter Jullien, Elisabeth KV Kitzingen: Renate Bansemir, Wolfgang Borst, Kuban, Elisabeth Scherer, Robert Schroth, Hilar Burkard, Irmgard Franz, Klaus Lauter, Barbara Ingeborg Stör, Margot Wehner Lazarek, Klaus Maag, Helene Popp, Herbert KV Scheßlitz: Wilfried Niederle, Erwin Weyer Schnabel KV Berchtesgadener Land: Alexander Mainusch, KV Wasserburg: Maria Ametsbichler, Eugenie Herbert Meigel, Franz Schreiner, Karl Willer Dieplinger, Inge Weber KV Schweinfurt-Stadt: Monika Fuhrmann, KV Schwabach: Helga Bock-Landsmann, Stefan Rainer Krug Fingerhut, Klaus-Dieter Gentner, Liselotte Rauscher, Hildegard Roeder, Monika Semlinger, Jürgen Für 40-jährige Mitgliedschaft: Stromberger KV Neustadt an der Waldnaab: Margarete Dob- KV Schnaittach: Gertrud Kalb, Reinhold Singer, meier, Johann Hero, Wolfgang Krauß, Angela Röger, Ingrid Stammler Gerhard Zwack KV München-Land: Karin Berentz, Christina KV Karlstadt: Reinhold Aberler, Brigitte Huber, Karin Buchner, Erhard Dresel, Gertraud May, Franz und Christoph Kropp, Kurt Schiller, Elke Vorherr Niehuber, Christa Radke, Elisabeth Schirenbeck, 36 Gedenken Der BLLV trauert um treue und verdiente Mitglieder. Er wird ihnen ein ehrendes Gedenken bewahren. KV Landshut: Josef Wimbürger, 88 Jahre KV Weilheim-Schongau: Herbert Werner, 87 Jahre, Erika Kugler, 88 Jahre, Gotthard Leuchtenmüller, 91 Jahre KV Ingolstadt: Erwin Reicherl, 68 Jahre KV Nabburg: Erich Schambeck, 82 Jahre Weitere Ehrungen und Gedenken finden Sie in der nächsten Ausgabe. Bayerische Schule 2 2014 Ernährungsführerschein und SchmExpertise Die Fachgruppe Ernährung und Gestaltung im BLLV hat bei einer bundesweiten Evaluationsveranstaltung dazu beigetragen, das bundesweite Grundschul-Unterrichtsprojekt „aid-Ernährungsführerschein“ zu überarbeiten. 580.000 Kinder haben den Kurs des gemeinnützigen Vereins „aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz“ bereits absolviert und gelernt, Lebensmittel „sinnlich wahrzunehmen, zuzubereiten und zu genießen“, wie es im aid-Programm heißt. Das Unterrichtsprojekt will Kinder für das eigenverantwortliche Arbeiten in der Küche begeistern und endet mit einer schriftlichen und praktischen Prüfung (Unterrichtsmaterial unter Europawahl Bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2014 kandidieren drei Mitglieder des BLLV: Maria Noichl (Rosenheim), Alexandra Schuster-Grill (Hengersberg) und Stephan Wilhelm (Passau). Unter www.bllv.de/bs/2014/02 finden Sie ausführliche Informationen zu diesen Kandidaten und ihren Ziele. BS Schulleiter bei Eisenreich Ein offenes und informatives Gespräch ergab sich beim ersten Treffen zwischen den Leitern der BLLV-Fachgruppe Schulleitung Franz Josef Bruckbauer und Margit Nothhaft-Buchner mit dem neuen Staatssekretär für Bildung und Kultus, Georg Eisenreich. Besprochen wurden neben dem Dauerbrenner Leitungszeit die Themen Inklusion (Gestaltung bei nicht ausreichenden MSD-Stunden), Ganztagsschule (Ballung von Problemschülern), Umgang mit Schülern mit Migrationshintergrund, dort wo keine Übergangsklassen gebildet werden können, und der dringend notwendige Ausbau der Schulsozialarbeit. Bayerische Schule 2 2014 Knackiges Projekt: „SchmExperten“ fördert den Appetit auf gesunde Ernährung www.aid-ernaehrungsfuehrerschein.de). Darüber hinaus hat die Fachgruppe unter der Leitung von Gertrud Nigg-Klee eigene Mitglieder sowie aid-Multiplikatoren im Programm „SchmExperten“ trainiert. Bei diesem Projekt werden Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe angeleitet, selbstständig einfache, schmackhafte und variierbare Speisen zuzubereiten. Neben der Praxis werden auch Küchenfertigkeiten und gesundheitsorientierte Lebensmittelkunde vermittelt. BS Beim Thema Mittelschulverbünde wiesen die Vertreter der Fachgruppe darauf hin, dass eine faire Gestaltung kaum möglich sei, wenn mehrere Kommunen oder gar Landkreise involviert seien, und wenn es gelte, Schülern, Eltern, Bürgermeistern und Beförderungsunternehmern gerecht zu werden. Schließlich seien auch die Schülerströme nicht beliebig steuerbar. Es gelte also ganz besonders, regionale Aspekte zu berücksichtigen und eine weitere Entwicklung der Mittelschule zuzulassen. Einig waren sich Fachgruppe und Staatssekretär darüber, dass keine Maßnahme zu Qualitätsminderung bei den Abschlüssen oder gar beim Unterricht führen darf. fjb Mannschaftswertung und damit den Wanderpokal gewann das Team mit Wolfgang Resch, Eberhard Kelz, Günther Siekierski und Norbert Hilger vor den Mannschaften aus Cham und München. Lehrer aus Bayern und Österreich waren auch in diesem Jahr der Einladung des Organisators Anton Angerer gefolgt. Auch im nächsten Jahr werden die Kufen wieder neu geschliffen. ta Wettstreit im Eiskanal Bei der 40. offenen BLLV-Lehrermeisterschaft im Rennrodeln am Königssee gewann Günther Siekierski aus München vor Wolfgang Resch aus Fürstenfeldbruck. Den dritten Platz belegte Hans Fritz aus München. Bei den Damen siegte Susanne Weininger aus Cham vor Kristina Ries von der Mittelschule Gauting und Veronika Sirch von der Mittelschule Türkenfeld. Die Wettstreit am Ball Bei den 24. bayerischen Fußballmeisterschaften des BLLV in Freising belegte die Mannschaft des Kreisverbandes Schweinfurt, die von zwei Spielern aus den Haßbergen unterstützt wurde, den ersten Platz und verteidigte damit ihren Titel erfolgreich. Das Team mit Hannes Keller, Jörn Betz, Florian Riegel, André Krauß, Marco Forner, Thorsten Selzam, Wolfgang Lachmann, Florian Heimerl, Tomi Neckov, Matthias Naumann und Daniel Kamm besiegten die Kicker aus dem Kreisverband Kronach im Finale 3:0. Dritter wurde der Kreisverband Scheßlitz vor Coburg. Im nächsten Jahr finden die 25. Bayerischen Fußballmeisterschaften in Weilheim/Schongau statt. BS 37 G R E N Z G Ä N G E Als Deutschlehrerin in Bethlehem/Palästina Im Schatten der Mauer Julia Kirch, Realschullehrerin für Deutsch und Englisch, arbeitete im Heiligen Land an einer arabischen Schule für Christen und Moslems, für Reiche und Arme. Die Kinder hoffen, durch Bildung ihr Land Palästina in eine blühende Zukunft zu führen. Von Julia Kirch, Protokoll: Chris Bleher 38 Bayerische Schule 2 2014 Bethlehem gehört zu den palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland und grenzt im Norden an Jerusalem. Getrennt sind die beiden Städte durch eine stellenweise acht Meter hohe Mauer. Die palästinensischen Einwohner Bethlehems sind durch die israelische Sperranlage in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Ihre Meinung dazu tun sie unter anderem durch Graffitis kund. N ovember 2012. Meine erste Stunde an der Dar Al-Kalima Schule (DAK) in Bethlehem. Ich war sehr aufgeregt, da ich nicht wusste, was mich erwarten würde. Ich betrat das Klassenzimmer am Ende des Gangs. Wieviel Deutsch würden die Kinder wohl schon sprechen können? Die siebte Klasse saß vor mir und sah mich gespannt an. Ein palästinensischer Schüler meldete sich. Ich nickte ihm als Aufforderung zum Sprechen zu. „Warst du in Tel Aviv? Haben die Raketen eingeschlagen? Wie war es? Hattest du Angst?“, fragte er aufgeregt und gespannt darauf, was ich wohl zu berichten hätte. In seinen Augen sah ich, dass er sich über die Raketen freute. Erschrocken, dass schon Dreizehnjährige Gewalt gut heißen, wusste ich zunächst nicht, was ich antworten sollte. Israel war von Gaza aus das vorherige Wochenende beschossen worden. Mein erstes Wochenende im Heiligen Land war überschattet gewesen von militärischer Gewalt. Ja, ich war in Tel Aviv gewesen; ja, eine Rakete ist eingeschlagen, trotz Iron-Dome, dem Raketenabwehrsystem, nur fünf Minuten zu Bayerische Schule 2 2014 Fuß von meiner Wohnung entfernt – glücklicherweise jedoch im Meer; und, ja, ich hatte Angst. So cool, wie die meisten Israelis konnte ich nicht damit umgehen. In meiner Heimatstadt Würzburg haben die Kriegssirenen zuletzt 1945 geheult, rund 40 Jahre vor meiner Geburt. Ich sah im israelischen Fernsehen, wie Luftangriffe die Raketenabschussanlagen in Gaza beschossen, im palästinensischen Fernsehen verbrannten Kinder und Frauen. Nach der Waffenruhe feierten sich beide Seiten als Sieger, Israel und die Hamas. Nach den ersten Tagen in Tel Aviv war ich über Jerusalem nach Bethlehem ins Westjordanland gekommen. Fünf Kilometer trennen die beiden Städte – und eine Grenze und eine Mauer, höher als die, die Berlin teilte. Die Schüler haben sie zwar nicht jeden Tag vor Augen, aber in ihren Köpfen ist sie dauernd anwesend. Einfach mal ans Meer fahren, shoppen in Jerusalem, Verwandte auf der anderen Seite besuchen, das ist ihnen nicht erlaubt. Was für Israel angeblich Schutz bedeutet, ist für die Palästinenser Eingesperrtsein. 39 Die Autorin unterwegs auf einer der Hauptstraßen von Bethlehem in Richtung Checkpoint „Rachels Grab“. Als Deutsche kann sie ungehindert nach Israel fahren, Palästinenser brauchen „Permissions“. Fußgänger müssen die berüchtigten „Käfige“ passieren. Für alle: Im Auto ein Wimpel mit einem arabischen Gebet. Natürlich kann man nachvollziehen, dass die Israelis sich nach den vielen Selbstmordanschlägen der letzten Intifada schützen wollten und deshalb eine Mauer bauten. Das Paradoxe dabei ist jedoch: Auf der jeweils anderen Seite der Mauer finden sich arabische und jüdische Siedlungen. Und doch lehnt jede Seite die andere ab. Nur in einem Punkt sind sie sich einig: Die andern wollen keinen Frieden. Die wollen das Land für sich. „Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu ändern“, sagte einst Nelson Mandela. Inspiriert durch diese Worte, hatte ich beschlossen, an einer arabischen Schule in Palästina im Großraum Bethlehem zu unterrichten. Ich kam als Bundesprogrammlehrkraft, Vermittelt von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), an jene evangelische Gesamtschule, offen für Schüler jeglicher Religion. De facto unterrichtet man dort Christen und Moslems, die aus sehr reichen Familien, aus der Mittelschicht aber auch aus den Flüchtlingslagern stammen. Wann ist jemand arm? Schüler aus Deutschland fühlen sich arm, wenn sie nicht Trendklamotten tragen können und zu Hause kein 40 Flatscreenfernseher hängt. Was Armut in Palästina bedeutet, erfuhr ich bei einem Besuch der Familie von Amal. Sie ist Putzfrau an der Dar Al-Kalima und lebt am Rand von Dheisha, einem der Flüchtlingslager Bethlehems. Mit ihren zwei Söhnen und ihrem Mann teilt sie sich auf 25 m2 zwei Räume. Die Toilette ist ein Loch im Boden. Gespült wird mit aufgefangenem Abwasser, das am anderen Ende der Wohnung aus dem einzigen Wasserhahn kommt. Ihr Mann ist krank und kann nicht mehr arbeiten. Er verbringt die Tage in Bethlehem – was er genau da macht, weiß Amal nicht. Nach der Schule fuhr ich mit meinem Auto zu ihrem Haus. Amal öffnete mir freudestrahlend die Tür und hieß mich auf Arabisch willkommen. Nachdem die Tür geschlossen war, sah ich Amal das erste Mal ohne Kopftuch. Es duftete nach Reis und Hähnchen. Extra für mich hatte Amal Fleisch gekocht. Was für eine Geste der Gastfreundschaft. Die Lebensmittelpreise entsprechen etwa den deutschen, sie verdient nicht einmal 300 Euro, mit dem Geld muss sie ihre ganze Familie durchbringen. Und dann ist da noch das immens hohe Schulgeld. Ich saß auf einer der dünnen Matratzen, die auf dünnen Teppichen liegen. Bayerische Schule 2 2014 Serie_Grenzgänger (Folge 14) Mohammed, einer der Söhne, stellt stolz den übervollen Teller vor mich auf den Teppich. Es schmeckt wunderbar und während wir essen, erzählt mir der Erstklässler auf Englisch, dass er einmal studieren möchte. Er ist so motiviert und will ein paar Sätze Deutsch von mir lernen. „Hallo! Wie geht es dir? Mein Name ist Mohammed. Ich komme aus Palästina“ – wie ein Mantra spricht er die Sätze immer wieder vor sich hin. Amal schickt ihn zum Nachbarn, Zucker holen für den Tee. Heute soll er süß sein, wegen mir. Dass ich keinen Zucker im Tee mag, verschweige ich. Die Freude, mir diesen Luxus zu ermöglichen, möchte ich ihnen nicht nehmen. Im Unterricht fielen mir diese armen Kinder immer wieder auf. Sie alle haben diesen unermüdlichen Willen zu lernen, vor allem: Deutsch zu lernen. Ein Kapitel des Lehrbuchs behandelt die Gründe, warum man Deutsch lernen sollte. Man könne mit 100 Millionen Europäern reden, Deutsche seien die wichtigste und größte Touristengruppe, es gebe viele deutsche Firmen und Deutschland sei ein schönes Urlaubsland. Für die Schüler kommt hinzu: Einige wollen in Deutschland studieren, um später einmal ihr Land Palästina aufzubauen und eine gute Zukunft in ihrer Heimat zu haben. Ermöglichen soll ihnen dies das Deutsche Sprachdiplom (DSD), eine Prüfung in Deutsch als Fremdsprache, die von Schülerinnen und Schülern Deutscher Auslandsschulen und Sprachdiplomschulen kostenlos abgelegt werden kann. Viele der Schüler sind sehr fleißig, und doch tun sie sich schwer mit dem Erlernen dieser so komplizierten Sprache. Ab der 5. Klasse wird sie unterrichtet, nach Hocharabisch und Englisch. Meine palästinensischen Kolleginnen und ich haben versucht, die Klassen nach Leistung zu differenzieren, um die Kinder individuell fördern zu können. In der sechsten Jahrgangsstufe hatte ich die Gruppe der langsamen Deutschlerner. Immer wieder stieß ich an meine Grenzen. Sie waren nicht nur die langsamen, sondern auch die verhaltensauffälligen Schüler. Einige sprangen immer wieder auf, rannten im Klassenzimmer umher, versteckten sich unter den Tischen oder auf den Fensterbänken und ärgerten die anderen Schüler. Schon das arabische Temperament zu zähmen, ist eine Herausforderung. Nach der Stunde kamen sie jedoch zu mir ans Pult und sagten „Danke, Miss Julia!“. Eine weitere Schwierigkeit: Ich war gezwungen, einsprachig auf Deutsch zu unterrichten, da mein Arabisch noch in den Kinderschuhen steckt. Muttersprachliche Erklärungen waren also im Unterricht nicht möglich. In den Augen meiner Seminarlehrer im Am Autocheckpoint „Rachels Grab“ warten die Fahrer darauf, kontrolliert und durchsucht zu werden. Ein Mann versucht, Kaffee, Tee oder Kaugummis zu verkaufen, auch Kinder versuchen auf diese Weise ein paar Münzen zu verdienen. Bayerische Schule 2 2014 41 Die Autorin auf dem Dach des österreichischen Hospizes, eines Gästehauses bzw. Cafés. Die Gäste schätzen Gerichte wie Wiener Schnitzel oder Apfelstrudel und trinken Melange. Im Hintergrund die goldene Kuppel des Felsendoms, davor die Kuppel der Kapelle des Hospizes. Vom Dach aus hat man einen der besten Ausblicke auf die Altstadt von Jerusalem. bayerischen Referendariat läuft so der ideale Fremdsprachenunterricht. Mit Händen und Füßen, bunten Bildern, viel Gestik und Vorspielerei ist es gelungen, diese Kinder zu unterrichten und ihnen Deutsch nahe zu bringen. Verschiedene Veranstaltungen sollen die Schülerinnen und Schüler immer wieder motivieren, Deutsch mit Freude zu lernen. So hörte man beim Lesewettbewerb Janoschs Geschichte „Oh, wie schön ist Panama“ oder an Weihnachten deutsches Liedgut. Damit sich die Vorbereitung der DSD-Prüfung für die Schüler angenehmer gestaltet, dürfen sie an verschiedenen Workshops teilnehmen. Im Jahr 2012 wurde ein Theaterprojekt in Beit Sahour realisiert. Eine Woche lang durften 26 Schüler ein Theaterstück proben und vor Zuschauern aufführen. Sie adaptierten eine Erzählung Kafkas: „Beim Bau der chinesischen Mauer“ (Youtube: „Szenexpress – Workshop Beit Sahour“). Bemerkenswert ist auch die Arbeit der palästinensischen Kollegen. In Palästina gibt es keine Lehrerausbildung wie bei uns. Sie studieren Fächer und unterrichten dann an den Gesamtschulen. Kein Referendariat bereitet sie auf den harten Job vor. Und doch meistern sie ihn wundervoll. Sie gestalten Arbeitsblätter, arbeiten differenziert und trotz des niedrigen Gehalts, ungefähr 3.000 NIS, 42 also rund 600 Euro, mit Leidenschaft. Beim Tag der offenen Tür präsentierten die Klassen zusammen mit ihren Lehrern, was sie erarbeitet hatten. Man konnte sich anhand echten Materials den Aufbau eines Tierherzens erklären, die Blutgruppe bestimmen lassen oder Präsentationen auf Englisch oder Deutsch lauschen. Ein bewegendes Referat hielt Aida, eine Schülerin der neunten Klasse. Sie sprach über touristische Orte in Palästina und in Deutschland. Und sie äußerte einen Wunsch: Dass die Mauer in Palästina eines Tages, so wie die in Deutschland, verschwände. Die ZfA und die Auslandsschulen Die Dar Al-Kalima Schule gehört zu den von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) des Bundesverwaltungsamtes betreuten Sprachdiplomschulen. Die ZfA fördert im Auftrag des Auswärtigen Amtes unter Mitwirkung der Länder derzeit weltweit mehr als 140 Deutsche Auslandsschulen und mehr als 1.000 Sprachdiplomschulen in finanzieller, personeller und pädagogischer Hinsicht. BS Bayerische Schule 2 2014 Anzeigen Die Stiftung Seraphisches Liebeswerk sucht für ihre staatlich anerkannte private Grund- und Mittelschule Liebfrauenhaus Herzogenaurach ab sofort als Krankheitsvertretung (befristet) eine(n) Grundschullehrer/in (TZ) Private Grund- und Mittelschule - staatlich anerkannt Wir wünschen uns von Ihnen das Interesse, die Motivation und die Kompetenz, handlungsorientiert, projektorientiert und differenziert zu unterrichten und ein überzeugtes Eintreten für die Bildungs- und Erziehungsziele einer christlichen Schule. sowie für das Schuljahr 2014/15 Grundschullehrer/in Mittelschullehrer/in Fachlehrer/in (m/t) Fachlehrer/in (E/G) Die Stelle kann durch eine Abordnung mit beamteten Lehrkräften besetzt werden, die ihre Planstelle im Schulamtsbezirk haben. Bewerben können Sie sich aber auch um eine Anstellung beim Schulträger. Die Bezahlung erfolgt dann nach AVR, angelehnt an die staatliche Beamtenbesoldung. Vorraussetzung ist die Lehrbefähigung für das Lehramt an Grund- oder Hauptschule. Sie sind auf der Suche nach einer Anstellung bei einer privaten Schule und hätten Spaß daran, das Profil unserer Schule mit uns zusammen weiter zu entwickeln? Information/Anfragen/Bewerbungen: www.liebfrauenhaus.de eine(n) eine(n) eine(n) eine(n) Wir bieten die Tätigkeit an einer in einem aktiven Schulund Unterrichtsentwicklungsprozess befindlichen christlichen Schule mit einem motivierten Team. Private Grund- und Mittelschule Liebfrauenhaus Erlanger Straße 35 - 91074 Herzogenaurach Herr Michael Richter Tel.: 09132 / 83 66 - 20 Mail: schulleitung@liebfrauenhaus.de EINE EINRICHTUNG DER STIFTUNG SLW ALTÖTTING Das Kinderhilfswerk der Kapuziner in Bayern Bayerische Schule 2 2014 43 Rubrik Krankenhaus & Sanatorium Dr. Barner Psychosomatische Akut- und Rehaklinik Wir behandeln das gesamte Spektrum psychosomatischer Erkrankungen, insbesondere: • Depressionen, Lebenskrisen • Burnout-Syndrome, Stresserkrankungen • Angst-, Panik-, Die individuell konzipierte Behandlung wird als Einzeltherapie in enger Zusammenarbeit von Ärzten und Psychotherapeuten durchgeführt. Bestandteil der Behandlung ist die intensive Betreuung und Begleitung der Patienten in geborgener und persönlicher Atmosphäre. Traumafolge-Störungen • Chronische Schmerzen www.Krankenhaus-barner.de Stress, schlechter Schlaf, Nervosität? 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Telefon 089 7210 01-0, Fax 089 721001-90 Fotostudio Roeder, Sie wird allen BLLV-Mitgliedern geliefert; der Mitglieds- bllv@bllv.de, www.bllv.de Justus-von-Liebig-Ring 11 b Redaktionsanschrift: 82152 Krailling, Telefon 089 850 17 06, Bayerische Schule Redaktion foto@janroeder.de Heidwiesen 43, 97520 Heidenfeld außer: S. 10 Uni Regensburg, S. 22 Henrik Telefon 09723 937 00 41, Fax 09723 937 00 42 Schödel privat, S. 38-42 Julia Kirch privat Postanschrift: redaktion@bayerische-schule.de beitrag enthält den Bezugspreis. Nichtmitglieder können die Bayerische Schule direkt bei der BLLV Landesgeschäftsstelle (s. oben) bestellen. Der Bezugspreis beträgt für Privatpersonen 50,00 Euro, für Institutionen (gegen Nachweis) 10,00 Euro jährlich; Einzelhefte inkl. Anzeigen: Versand 5,00 Euro. Leser zuschriften senden Sie bitte Chefredakteur: A.V.I. Allgemeine Verlags- und direkt an die Redaktion. 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Mai 2014 Telefon 08191 98 54 147, c.bleher@t-online.de ta für Anton Angerer, tk für Thomas Klotz Titel: Schule leiten Die Bayerische Schule 3 Der Anzeigenschluss für die Ausgabe der Bayerischen Schule 3/2014 ist am 17. April 2014 Bayerische Schule 2 2014 47 Die kostenlosen pädagogischen Programme des LEGOLAND® Deutschland bieten: Förderung der Kreativität und Teamfähigkeit Selbstgesteuertes Erkunden, Entdecken und Experimentieren Aktive Integration der Kinder in den Workshops Aktives Lernen und Handeln am neuen LEGO® Mindstorms EV3 Roboter Besuchen Sie uns kostenlos zur Vorbereitung Ihres Ausflugs! Mehr Informationen unter: Telefon: 0800 66 49 063** / E-Mail: gruppen@LEGOLAND.de * Bitte Konditionen, Preise und Gültigkeitszeiträume des Schulgruppenangebots beachten auf: LEGOLAND.de/schulen Pädagogische Programme nur nach Vereinbarung und Verfügbarkeit. Angebot nicht mit anderen Aktionen oder Rabattvorteilen kombinierbar. 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