Neue Zürcher Zeitung Cool Britannia?

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Neue Zürcher Zeitung Cool Britannia?
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River and Rowing Museum
Mill Meadows
Henley-on Thames RG9 1BF,
Großbritannien
© Margherita Spiluttini
Cool Britannia?
Der Architekt David Chipperfield in Henley-on-Thames
SAMMLUNG
Neue Zürcher Zeitung
ARCHITEKTIN
Dank Mode, Design und Kunst steht London gegenwärtig im Rampenlicht. Im
Bereich der Architektur hingegen macht Cool Britannia fast nur mit schrägen Barund Restaurantumbauten Schlagzeilen. Die beiden wohl wegweisendsten neuen
Gebäude aber sind das Medienzentrum von Future Systems in London und David
Chipperfields River and Rowing Museum in Henley.
David Chipperfield
von Roman Hollenstein
LANDSCHAFTSPLANUNG
BAUHERRIN
River and Rowing Museum Foundation
STATIK
Whitebybird
Whitelaw Turkington
London rüstet sich auf das Jahr 2000, und allenthalben entstehen neue Bauten. Doch
Begeisterungsstürme können sie kaum entfesseln. So wurde etwa das Royal Opera House FUNKTION
Museen und Ausstellungsgebäude
in Covent Garden durch den postmodern anbiedernden Umbau von Jeremy Dixon und
BAUENDE
Edward Jones in eine gigantische Banalität verwandelt. Das mehr als eine halbe Milliarde
1998
Franken teure Machwerk veranschaulicht, dass die thatcheristische Theorie von der
Architektur als überflüssigem und teurem Beiwerk zum Bauen grundlegend falsch ist.
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Dennoch konnte oder wollte bisher auch New Labour nicht für eine Besserung sorgen,
sehr zum Leidwesen der jungen Architekten, die sich - anders als die YBAs - mehr
schlecht als recht mit Kleinstaufträgen über Wasser halten. Von ihnen stammen einige der
schrägen Laden-, Bar- und Restaurantumbauten, die der gegenwärtigen Londoner
Architekturszene einen Hauch von Cool Britannia verleihen. Sonst jedoch dominiert fast
allenthalben Phantasielosigkeit, selbst wenn der dank James Bond nun auch ausserhalb
Englands bekannt gewordene, nachts mit seiner silbrig schimmernden Kuppel und den rot
glühenden «Landestegen» zum Ufo mutierende Millennium Dome von Grossmeister
Richard Rogers durchaus Emotionen wachrufen kann.
Frostiges Architekturklima
Doch vermag auch der Dome, für den sich sogar Stars wie Zaha Hadid als
Innendekorateure zur Verfügung stellen, nicht dem Vergleich mit der am Südufer der
Themse ihrer baldigen Eröffnung entgegenstrahlenden Tate Modern von Herzog & de
Meuron standzuhalten. In der gegenwärtigen Krise der etablierten britischen Architektur
sucht selbst die einst durch die exzentrischen High-Tech-Visionen von Archigram geprägte
Architectural Association (AA), immerhin eine der führenden Architekturschulen weltweit,
vermehrt bei Kontinentaleuropäern Inspiration: Nachdem sie bereits 1996 Peter Zumthors
Thermalbad in Vals als Meilenstein zelebriert hatte, lässt sie zurzeit das wohl
interessanteste Berliner Büro, Sauerbruch & Hutton, im hauseigenen Ausstellungssaal zu
Wort kommen. In einer mitunter geradezu an Lohse gemahnenden Installation
präsentieren die einstigen AA-Absolventen neben ihren bisherigen Hauptwerken, dem
© Margherita Spiluttini
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River and Rowing Museum
Berliner GSW-Hochhaus und dem Photonik-Zentrum, auch ihre neusten Projekte in Form
von Plänen, Zeichnungen und etwas bizarren 3-D-Darstellungen: das
Bundesumweltministerium in Dessau, eine Polizeiwache in Berlin, eine Fabrik in
Magdeburg sowie zwei Londoner Wohnhäuser.
Die von Koryphäen wie Foster oder Rogers und einigen Grossunternehmern dominierte
britische Architektur ist gegenwärtig derart ausgelaugt, dass für die Jury, die vor wenigen
Tagen den begehrten Stirling Prize des Royal Institute of British Architects zu vergeben
hatte, nur zwei Bauten ernsthaft zur Debatte standen: das modisch spektakuläre Retro
Piece des über dem Lord's Cricket Stadium schwebenden Medienzentrums von Future
Systems (NZZ 25. 11. 99) sowie das einem komplexen Minimalismus verpflichtete, John
Soanes Raumgefühl mit der Materialsinnlichkeit der Neuen Einfachheit verbindende River
and Rowing Museum in Henley-on- Thames von David Chipperfield - beides
vergleichsweise preisgünstige Bauten, die für sogenannt konservative Auftraggeber
realisiert wurden. Schliesslich fiel die Wahl auf Future Systems. Das hat wohl auch damit
zu tun, dass man sich in Grossbritannien selbst dann noch an die HighTech-Heilsbotschaft klammert, wenn sie - wie im Fall des preisgekrönten Medienzentrums
- längst ironisch gebrochen wird.
Von seinen architektonischen und urbanistischen Qualitäten her kann das harmonisch in
die Flussauen der Themse eingebettete River and Rowing Museum in Henley aber
durchaus mit dem Medienzentrum rivalisieren, auch wenn es mit seinen steilen
Giebeldächern und der das Obergeschoss umhüllenden Holzverkleidung zunächst eher
etwas traditionell wirkt. Chipperfield hat das aus zwei parallel angeordneten Baukörpern
bestehende Museum, seinen ersten Grossauftrag in England, sorgsam aus den
Gegebenheiten des Ortes entwickelt. Doch anders als Terry Farrells etwas flussabwärts im
Zentrum von Henley gelegenes postmodernes Hauptquartier der Royal Regatta von 1985,
das auf die alten Landsitze am Fluss Bezug nimmt, ist Chipperfields neues Museum
ebenso zeitgenössisch wie seine Bauten in Kyoto oder sein gigantisches Projekt für die
Berliner Museumsinsel.
Ein Meisterwerk an der Themse
Indem das River and Rowing Museum sich auf massiven Pfeilern über der sumpfigen
Flussaue erhebt, verweist es gleichermassen auf die Idee der Urhütte als auch auf die
Häuser der Pfahlbauer, womit die Vergangenheit dieser alten Kulturlandschaft schon im
Gebäude selbst angedeutet ist. Das in der Art eines Zentempels von einer hölzernen
Plattform gerahmte Eingangsgeschoss im Hochparterre ist verglast. Darüber schweben
wie umgekehrte Schiffe die an Louis Kahns Kimbell Art Museum erinnernden Galerien, die
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River and Rowing Museum
der Geschichte des Flusses und des Städtchens Henley, vor allem aber dem Rudersport Henley ist jeweils im Juli Austragungsort der legendären Royal Regatta - gewidmet sind.
Das Museum besitzt auch eine Galerie für temporäre Veranstaltungen, in der zurzeit eine
Ausstellung über Chipperfields jüngste Bauten und Projekte zu sehen ist. Der 46jährige
Londoner Architekt beschränkte die für ein breites Publikum gedachte Schau weitgehend
auf seine überaus attraktiven Holzmodelle. Sie repräsentieren realisierte Arbeiten wie die
vieldiskutierte Villa in Berlin-Schöneberg oder das elegante Bürohaus am Düsseldorfer
Hafen, aber auch die Entwürfe für ein Theaterzentrum in Bristol, die Friedhoferweiterung in
Venedig, den Justizpalast und die Altstadtsanierung von Salerno, das Museum der
Weltkultur in Göteborg sowie das Kunstmuseum in Davenport, Iowa. Die Modelle können
zwar eine Vorstellung von Chipperfields formalem Erfindungsgeist, nicht aber von seinen
Raumerfindungen vermitteln. Hier kommt nun das gleich mit zwei Modellen vorgestellte
River and Rowing Museum, Chipperfields bisheriges Chef d'œuvre, als direkt erlebbares
Originalexponat zum Zuge. Wer nach einem Rundgang durch das Haus Chipperfields
atmosphärische Raumsequenzen auch noch auf einem alltäglicheren, aber nicht weniger
gelungenen Niveau kennenlernen möchte, dem sei anschliessend zu einer Besichtigung
des japanischen Nudelrestaurants Wagamama an der Lexington Street in London geraten.
[ Die Chipperfield-Ausstellung im River and Rowing Museum in Henley-on-Thames dauert
bis zum 12. März; Begleitpublikation £ 18.50. - Die Ausstellung Sauerbruch & Hutton in der
AA am Bedford Square dauert bis zum 22. Januar; kein Katalog. ]
Neue Zürcher Zeitung, 11.12.1999
WEITERE TEXTE
Pfahlbauten am Themseufer, Roman Hollenstein, NZZ-Folio, 01.02.2000
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