- Johanneskirche
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273 Evensong 16.März 2012 Die Zehn Gebote 2.Mose 20 / MkEvg 10 : 17-19 Johanneskantorei / Wolfgang Abendroth Sermonette Dr.Uwe Vetter „Zehnmal nein!“ Die hohe Kunst des Versagens Erste Lesung 2.Mose 20 (gekürzt) (1) ICH bin der HERR, dein Gott, der Ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine andren Götter haben neben Mir. (2) Du sollst dir kein (Gottes)Bild noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! … (3) Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen. Denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der Seinen Namen missbraucht. (4) Gedenke des Sabbathtages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebten Tag ist der Sabbath des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun; auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh; auch nicht der Fremdling, der in deiner Stadt lebt. … (5) Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebst im Lande, das die der HERR, dein Gott, geben wird. (6) Du sollst nicht töten. (7) Du sollst nicht ehebrechen. (8) Du sollst nicht stehlen. (9) Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. (10)Du sollst nicht begehren – (nicht) deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren – deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel, noch alles, was dein Nächster besitzt. Magnificat Zweite Lesung MarkusEvg 10: 17-21a. 17. Und es …eilte einer heran und kniete vor Jesus nieder und fragte ihn : „Guter Meister, was soll ich tun, dass ich Anteil an der kommenden Welt habe / das ewige Leben erbe?“ (18) Da sprach Jesus zu ihm: „Was nennst du mich gut ? Niemand ist gut als Gott allein. (19) Ansonsten kennst du doch Seine Gebote : >Du sollst nicht töten. Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden. Du sollst niemanden berauben / nicht begehren, was deinem Nächsten gehört. Und : Ehre Vater und Mutter< * Passionszeit. Zehn-Gebote-Saison. Jetzt ist die Zeit, wenn Christenmenschen passioniert, also mit Leidenschaft nach all dem fahnden, was Leiden schafft. Da trennen wir die Kreuze, die man tragen muss, von solchen, die vermeidbar sind. Bei dieser Sortieraktion hilft der Himmel. ER gibt uns, passend zur Zahl unserer Finger, zehn Gebote an die Hand und fragt: Hast du unterlassen, was Unheil anrichtet? Hast du nein gesagt zu dem, was vermeidbares Leiden erzeugt? So gefragt nehmen Christenmenschen die Zehn Gebote zur Hand und zählen sie durch, Finger für Finger : Mal sehen… 1. Das erste Gebot ist eine kurze Klarstellung: Gott sagt: ICH bin der HERR, dein Gott. ICH bin Gott. – Nicht du! Du bist ein Mensch, begnüge dich damit! Das ist das alte STOPSchild für Paschas, Despoten und Egomanen, die erwarten, dass man ihnen mit Glaube, Hingabe und Anbetung begegnet. Es bremst all jene, die sich allmächtig vorkommen und unsterblich und sich aufführen, als gäbe es über ihnen nichts mehr. Versage dir das, sag nein! gebietet der Himmel. Du bist kein Gott. Leb in menschlichen Grenzen. 2. Mach dir kein Gottesbild, wörtlich heißt es: mach dir kein Schnitzbild, um es anzubeten. Das gilt allen, die nicht mehr zwischen dem Lebendigen und den toten Dingen unterscheiden, die Sachen anbeten, die wichtig, aber nicht anbetungswürdig sind. Opfere nicht alles für einen Erfolg. Verkauf nicht deine Seele für ein profitables Geschäft. Bete nicht den Erfolg um jeden Preis an. Lass dich nicht vom Besitz 1 besitzen. Schnitz dir keinen Gott, der dich nicht wieder aufstehen lässt. 3. Missbrauche den Namen Gottes nicht. Gott ist größer als alles, was wir wissen und wollen. Für mich ist das (vor allem) das Verbot blinder ´Scharia-Frömmigkeit` in allen Religionen. Gib Acht, dass ihr Gottesgebote von Menschensatzungen unterscheidet. Wenn Menschen von Gott erzählen, tun sie das immer gefiltert von ihrem Verstand, getaucht ins Tauchbad ihrer Kultur und ihrer Interessen. Fälscht keine Unterschrift: Unterzeichnet frommes Brauchtum nicht einfach mit dem Namen Gottes. 4. Gedenke des Sabbathtages, dass du ihn heiligst. Da sollst du keine Arbeit tun; auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, … Shabbat! Hör auf, sagt das Gebot, hör auf, aus allem das Letzte raus zu pressen. Sag nein zur Allverfügbarkeit. Sei kein Sklave und mach niemand andren dazu. 5. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren … Versorge die Alten, wenn sie nicht mehr können, stiehl dich nicht aus der Generationenverantwortung! Zu biblischen Zeiten gab es Leute, die haben ihr Vermögen im Ausland versteuert, die gingen buchstäblich „über den Jordan“, verließen sich auf das dortige Bankgeheimnis1 und überließen ihre Eltern den Almosen der Kommune. Sag nein! Sag nicht : Liebe Eltern, ihr ward all die Jahre für mich da, jetzt wo ihr alt seid, solltet ihr mal an euch denken und für euch selbst sorgen… versag dir so etwas! gebietet der Himmel. 6. Du sollst nicht töten – So etwas mach ich selten! werden Sie sagen. – Nur beachten Sie, wie offen das Gebot formuliert ist. Man kann Menschen in vielen Graden ´töten`; man kann Kinder um ihr Leben bringen durch eine lausige Elterperformance, man kann andren den letzten Nerv töten, man kann Leute zu Tode langweilen… denk nach! gebietet der Himmel. Wo nagst, wo frisst du am Leben andrer? 1 Eine andre beliebte Form der Rentenversicherungsvermeidung war das „Korban“, das Jesus (MarkusEvg 7) verärgert anprangerte. ´Korbán` bedeutet Spende : wer sein vermögen für sich behalten wollte, gab eine Spende an den Tempel, und wie in der Opferpraxis üblich steht die Spende als Symbol für das Ganze. Im Gegenüber zu Gott ist das völlig in Ordnung, denn Gott braucht keine Sachwerte oder Lebensmittel, die in Rauch aufgehen. Die alten Eltern hingegen waren völlig abhängig von der Familienkasse und dem Elend preisgegeben, wenn sie mit diesem Korban-Spendentrick ausgesteuert wurden. 8. Du sollst nicht stehlen – Kidnapping, das Menschenstehlen ist so ein Beispiel für das Töten in kleinen Dosen. Menschen ihrer Freiheit berauben, Menschen als Geiseln nehmen – wo passiert so etwas?! Zum Beispiel immer dann, wenn du andern die Zeit stiehlst, wenn du sie in Termine schickst, und in Sitzungen durch langes Palavern festhältst, wenn du nicht fragst: Passt es Ihnen jetzt? Schenken Sie mir die Zeit? sondern dich einfach bedienst am Kostbarsten, was Gott dem andern geschenkt hat: Lebenszeit. Versag es dir! Tu es nicht! 9. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Ich höre das heute als Gebot gegen die ´political correctness`. Dann nämlich, wenn politisch korrekt sein heißt: Halte dich an unsere Sprachregelungen! Wehe, du sagst, was du siehst und denkst! Sag, was man hören will, sag nichts, was die allgemeine Meinung stört! Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten, selbst wenn er dir unsympathisch ist. >Wer etwas Entlastendes weiß über Menschen, die im Kreuzfeuer stehen, und sagt es nicht, aus Angst, selber in Ungnade zu fallen, der leistet einen Meineid!< lehrten die alten Rabbiner. Sag nein, wo immer man es sich zu einfach macht. 10. Du sollst nicht begehren – (nicht) deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren – deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel, noch alles, was dein Nächster besitzt. – Irgendwann sollte der Mensch die frühkindliche Oralphase hinter sich lassen und aufhören, sich alles, was er sieht, einzuverleiben. 7. Ein Finger fehlt noch. Du sollst nicht ehebrechen. … Du sollst nicht die Ehe brechen : °deine eigene Ehe nicht; °und die deines Nachbarn nicht (´gut nachbarliche Beziehungen` meinen etwas andres); °und auch nicht die deiner Kollegin, weil es bei ihr kriselt und man sich als verständnisvoller Tröster anbieten kann; °brich nicht die Ehe deiner Mitarbeiter, indem du sie rund um die Uhr auf Trab hältst und sie zwingst, Familienurlaube kurzfristig zu verschieben; °zerbrich nicht die Ehe deiner Kinder, weil du dich in alles einmischst und der Schwiegertochter mal das Kochen beibringen und den ´Vater der Braut` mimen musst; 2 °du sollst nicht ehebrechen durch Eifersucht. Das ist überhaupt die älteste belegte Form der Ehebruchs: die Eifersucht! Schon von Eva, Adams Frau im Paradies, wird erzählt, sie habe, wenn Adam erst in den frühen Morgenstunden nach Hause kam und in voller Montur eingeschlafen ist, heimlich seine Rippen nachgezählt, ob er nicht eine andre hätte! Manchmal bewirkt Eifersucht erst das, was sie unterstellt : dass der andre das Weite sucht. Natürlich ist Eifersucht nicht immer unbegründet. Und dann kann es zugehen wie bei der Frau, die mit drei kleinen Kindern, das jüngste erst wenige Monate alt, beim Anwalt erscheint und sagt: Ich will mich scheiden lassen. Der Anwalt ist bestürzt: Sie haben drei kleine Kinder, warum wollen Sie sich von ihrem Mann trennen? - Ich habe einen Verdacht ! sagt die Frau. Ich habe den Verdacht, unser letztes Kind ist nicht von ihm ! Du sollst nicht ehebrechen ist ein wichtiges Gebot zum Rückbau von Kreuzen. Und es ist nicht leicht zu befolgen. Als der Rabbi ein Schild aufhängt: Bitte in der Synagoge Kippa tragen! Ein Verstoß gegen dieses Gebot ist so schlimm wie Ehebruch! klebt eine Woche später der Zettel eines Gemeindeglieds dran: „Habe beides ausprobiert – kein Vergleich!“ Passionszeit ist Hochsaison für die Zehn Gebote. Passionsfasten ist die hohe Kunst des Versagens. Sag zehnmal nein zu den überflüssigen Kreuzen, die wir selber aufrichten und die das Leid vermehren. Versag es dir! Lass sein, was alles noch schlimmer macht. Ich wünsche Ihnen heuer einen kleinen, aber nachhaltigen Erfolg. Amén Chor : Nunc Dimittis Fürbitten Und nun, Herr unseres Lebens, Vater des Gekreuzigten und Lebenswecker aus dem Nichts, nun bitten wir Dich, hilf uns über die Schwelle in dieses Wochenende. Nimm uns für eine Weile die Kreuze ab, die wir durch diese Woche getragen haben, und lass es, wenn die nächste Woche beginnt, auf wundersame Weise ein paar weniger sein. Wir bitten Dich für alle Menschen, die ihr Kreuz auf sich nehmen und es nicht loswerden können, für alle, die keine Wahl haben und tapfer tragen, was das Leben ihnen aufbürdet. Wir bitten Dich für alle, die einstecken und den unteren Weg gehen, die sich herum kommandieren lassen von Leuten, die selbst keine großen Leuchten sind, die sich ihren Teil denken und schweigen. HERR, kein Wort auf unserer Zunge, das Du nicht schon wüsstest. Halte Deine Hand über sie. Wir bitten Dich für alle, die Kreuze – wie es scheint – magisch anziehen, die sich alles ans Bein binden lassen, und an allem Anteil nehmen, die sich alles anhören und alles zu Herzen nehmen und jedes Problem zu ihrem eigenen machen. Wir bitten Dich für alle, die nachts wach liegen und an Lösungen für andre tüfteln, während die selber den Schlaf der Unbekümmerten schlummern. HERR, sag es selbst und sag es laut: Jeder nur ein Kreuz! Wir bitten Dich für alle, die den Wald der Kreuze mutwillig vermehren, die andern gedankenlos das Leben schwer machen, die austeilen und anraunzen und ihre schlechte Laune eins zu eins ausleben. Wir bitten Dich für alle, die sich wie die Erdachse vorkommen, um die sich die ganze Welt zu drehen hat. HERR, untersage es ihnen und beende diesen Tanz. Sag: Nimm Abschied, Herz, und gesunde. Und wir bitten Dich alle, die Kreuze lieben, die es irgendwie zu genießen scheinen, die Welt finster zu sehen. Wir bitten Dich für die Leidensmystiker und die Negativisten, die morgens dafür sind, dass sie dagegen sind, und am Abend dagegen sind, dass sie dafür sind, die jede denkbare Komplikation vorsorglich durchleben und schwelgen in Vorfreude auf den Untergang. Wir bitten Dich für Menschen, die sterben seit dem Tag, an dem sie geboren sind: HERR, verordne ihnen einen kräftigen Schluck aus dem Kelch des Lebens. Das bitten wir, durch Jesus Christus, im Heiligen Geiste. Es werde wahr, Amén 3