kommunikationsmanagement und marketingstrategien im social web
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kommunikationsmanagement und marketingstrategien im social web
KOMMUNIKATIONSMANAGEMENT UND MARKETINGSTRATEGIEN IM SOCIAL WEB Monika Schulze Gregor Daschmann Sascha Himmelreich Impressum ISBN: 978-3-9816332-1-4 1. Auflage 2014 © 2014 EIMO, Europäisches Institut für Medienoptimierung Holger Schmidt (Hrsg.) Joachim Schmidt (Hrsg.) Redaktion: Jessica Ast Mitarbeit: Jan Engelke Kiliansweg 30 55283 Nierstein Tel. 06133 57090 info@eimo.org Satz: workformedia, Frankfurt Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Monika Schulze Gregor Daschmann Sascha Himmelreich Oktober 2014 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Kommunikationsmanagement im Social Web . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 1.2 1.3 Veränderte Nutzungsprinzipien und e rweiterte Öffentlichkeit . . 13 Strategische Unternehmenskommunikation im Social Web . . . . . 15 Spezifische Anforderungen an die Kommunikation im Social Web . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.4 Status quo und zentrale Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.5 Kritische Teilöffentlichkeiten im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.6 Krisenprävention im Social Web . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.7Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.8Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Social Media als Teil der Markenstrategie der Zurich Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1 2.2 2.3 2.4 Die Ausgangslage bei V ersicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Das Phänomen Facebook & Co. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 „Zurich Sports“ als Resultat langjährigen Sport-Engagements . . 31 Olympia-Athleten und Social Media . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web 6 2.5 2.6 2.7 2.8 Die Social Media-Plattform „Zurich Sports“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Emotionaler Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Finanzieller Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Fans sorgen für Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Zurich Vermittler als lokale Multiplikatoren der Kampagne . . . . . 37 Nachhaltiger Erfolg als Grundbaustein der Social Media-Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.9 Marketing und Geschäfts-Erfolg der Kampagne . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.10Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Schneller, Höher, Weiter – Twitter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.1Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.2 Einführung und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.3Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Messinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Pretest und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.4Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Beschreibung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Prüfung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3.5 Zusammenfassung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.6Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Vorwort D ie Kommunikation von Unternehmen und Verbänden mit ihren Kunden und Mitarbeitern hat sich durch die Digitalisierung und die zunehmende Verbreitung von Social Media-Angeboten im Internet stark verändert. Über die Hälfte der deutschen Unternehmen nutzen Social Media und die Nutzung ist bei Großunternehmen und Mittelständlern gleich weit verbreitet. Sehr hohe Relevanz haben Netzwerke wie Facebook, Xing, LinkedIn und Google+, Micro-Blog-Dienste wie Twitter und Videoplattformen wie YouTube. Meist nutzen die Unternehmen die Plattformen zur Unterstützung ihrer Werbe- und Imagekampagnen. Die sozialen Medien unterstützen in zunehmendem Maße die herkömmlichen Kommunikationskanäle und sie ermöglichen es, den Dialog mit Stakeholdern zu führen. Doch eine Social Media-Strategie muss sich in die gesamte Kommunikationsstrategie einpassen, es muss zu einer Vernetzung und zu einer „transmedialen“ Unternehmenskommunikation kommen, will man die Zielgruppen in der heutigen Zeit erreichen. Längst kommt es zu einer starken Segmentierung der Medien und die gewünschten Zielgruppen nutzen unterschiedliche Medien. Neben diesem Aspekt ist die Frage nach den Inhalten, dem Content, der Kommunikation entscheidend für deren Erfolg. Versucht man lediglich seine Leistungen und Produkte zu bewerben, wird man sehr schnell feststellen, dass 8 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web dies beim Rezipienten nicht ankommt. Längst werden Inhalte benötigt, die unterhalten und bestimmte Interessenscluster bedienen. Die tradierte Einteilung der relevanten Zielgruppen nach Alter ist schon lange überholt. Doch wie sehen erfolgreiche Content Strategien aus, wie kann ich meine Unternehmenswerte und Philosophie in wirksame Content Strategien umsetzen und wie kann ich diese überprüfen? Diese Publikation des Europäischen Institutes für Medienoptimierung will eine wissenschaftliche Einordnung der Kommunikation in sozialen Medien geben und ein Beispiel aufzeigen, wie ein großes deutsches Unternehmen, die Zurich Versicherung, eine erfolgreiche Kampagne initiiert und ausgewertet hat. Das Europäische Institut für Medienoptimierung und deren angeschlossene gemeinnützige Stiftung möchte den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis im Bereich der Kommunikation fördern. Holger Schmidt, EIMO Joachim Schmidt, EIMO Für mich war es immer wichtig, viele Impulse von außen zu bekommen und mit einem Team von Leuten zusammen zu arbeiten, die auf ein gemeinsames Ziel hin arbeiten und mit viel positiver Energie nach vorne blicken. Als wir vor der Herausforderung standen, unsere Kampagne für die Olympischen Spiele in London zu entwickeln, haben wir unser Netzwerk im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) aktiviert, unsere langjährigen Medien- und Agenturpartner eng eingebunden und viele Gespräche mit Experten geführt, die uns Tipps gegeben haben. Außerdem haben wir unsere Überlegungen mit einer Studie und der Zusammenarbeit mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angereichert. Die Social Media-Strategie und die hervorragende Umsetzung ist vor allem durch ein starkes Zurich Team zustande gekommen. Daher besonderen Dank an Hans-Peter Ganz, Barbara Kaltz, Frauke Heckmann, Michael Holzapfel, Manuel Woelki, Myriam Renner, Paul Zitzke, Frank Usner und alle anderen Kollegen, die uns geholfen haben. Monika Schulze, Zurich Versicherung 9 1. Kommunikations management im Social Web Chancen und Risiken digitaler Teilöffentlichkeiten für die Unternehmenskommunikation Sascha Himmelreich V iele Unternehmen haben die Potenziale des Social Webs erkannt. Die niederländische Fluggesellschaft KLM beschäftigt rund 450 Mitarbeiter, die rund um die Uhr einen netzbasierten Kundenservice auf Facebook und Twitter betreiben. Gleichzeitig nutzt KLM diese Kanälen auch für das Informationsmanagement, indem sie ihre Kunden dort anregen, Verbesserungsvorschläge einzureichen. Der Computerhersteller DELL betreibt im Social Web ein eingehendes strategisches Issues Management, um Service-relevante Anliegen von Kunden zu identifizieren. DELL analysiert dafür täglich über 22.000 relevante Kommentare. Werden kritische Themen identifiziert, so lässt DELL den betroffenen Kunden auf digitalem Weg umgehend Unterstützung zukommen, beispielsweise über die Twitter-Adresse @DellCares. Die beiden Unternehmen werden für ihr Engagement im Netz als Best Practice-Beispiele angeführt (vgl. t3n.de). 12 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Immer mehr Unternehmen nutzen das Social Web, um zielgruppenspezifisch an unterschiedliche Anspruchsgruppen heranzutreten. Die Anwendungsfelder reichen dabei von klassischer Werbung, über Marketingkommunikation bis hin zu strategischer PR im Sinne eines Beziehungsaufbaus und einer entsprechenden Kontaktpflege mit den unterschiedlichsten Anspruchsgruppen (vgl. BITKOM 2012: 11). Die dynamischen Entwicklungen stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Bedingt wurden diese Möglichkeiten durch einen Paradigmenwechsel öffentlicher Kommunikation. Durch den Wegfall von Publikationsschranken bestehen für Internetnutzer zahlreiche Partizipationsmöglichkeiten. Der Internetnutzer kann dabei eine aktive Rolle bei der Herstellung digitaler Teilöffentlichkeiten einnehmen (vgl. Pleil 2012: 21). Zahlreiche Anwendungen im Internet begünstigen die aktive Partizipation von Internetnutzern, weisen hohe Reichweiten auf und spielen daher insbesondere im Konsumkontext eine zunehmend wichtige Rolle. So bieten beispielsweise Bewertungsplattformen wie yelp.com Konsumenten die Möglichkeit, ihre Erfahrungen auszutauschen und Informationen über Unternehmen zu sammeln. Solche Plattformen können so auch einen Einfluss auf die Konsumentscheidung von Internetnutzern besitzen. Technologische Entwicklungen führen zu einer dauerhaften Verfügbarkeit von Informationen und zu immer neuen Möglichkeiten der Partizipation. Nicht zuletzt stellen auch gesellschaftspolitische Veränderungen, wie etwa die Forderung nach mehr Transparenz oder die Fragmentierung von Interessen und Bedürfnissen im Stakeholder-Umfeld, im digitalen Zeitalter neue Anforderungen an das Kommunikationsmanagement von Unternehmen (vgl. Zerfaß, Pleil 2012: 48ff.). Gerade bei Unternehmen in sensiblen Kundenbereichen wie Finanzen oder Versicherungen stellt eine gute Social Web-Strategie eine große Herausforderung dar. Veränderte Nutzungsprinzipien und e rweiterte Öffentlichkeit 1.1 Veränderte Nutzungsprinzipien und erweiterte Öffentlichkeit Die Internetverbreitung in Deutschland bewegt sich in den vergangenen Jahren auf einem anhaltend hohen Niveau. Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 waren im Frühjahr 2014 rund 79 Prozent der deutschsprechenden Erwachsenen online. Die steigenden Nutzerzahlen gehen dabei mit einer ebenfalls zunehmenden Nutzungsdauer einher. Demnach verbrachte 2014 jeder Onliner täglich im Durchschnitt 166 Minuten im Netz (vgl. van Eimeren, Frees 2014: 378). Eine bedeutende Rolle nehmen dabei die Kommunikationsformen des Social Webs ein, welche die Möglichkeit zur aktiven Partizipation und Interaktion der Nutzer bieten. Das Social Web besteht aus webbasierten Anwendungen, die „den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und die Zusammenarbeit“ (Ebersbach, Glaser, Heigl 2008: 31) zwischen den Nutzern erleichtern und unterstützen. Verschiedene Anwendungen wie Wikipedia, Video-Portale wie YouTube oder Online-Communities wie Facebook weisen nach wie vor steigende Nutzerzahlen auf. So nutzen 2014 46 Prozent der deutschen Onliner eine private Community wie beispielsweise Facebook (vgl. Busemann, Tippelt 2014: 412). Sowohl im B2C als auch im B2B Bereich erschließen sich für Unternehmen riesige Kommunikationspotenziale. Mit den steigenden Nutzungszahlen geht ein Bedeutungsgewinn des aktiven Nutzers einher. Er ist gleichermaßen Rezipient wie Produzent von Daten, Informationen und Inhalten und wird somit zum „Produser“. Der Terminus ist eine Wortschöpfung, die sich aus den beiden Begriffen „producer“ und „user“ zusammensetzt (Bruns 2007). Zentral sind dabei drei grundlegende Nutzungsprinzipien: Das Identitätsmanagement umfasst das Zugänglich-Machen persönlicher Aspekte des Individuums. Unter Beziehungsmanagement versteht man das Pflegen bestehender Kontakte bzw. deren Erweiterung durch das Knüpfen neuer Kontakte. Das Informationsmanagement umfasst Prozesse der Auswahl, Bewertung, Kommentierung und Verwaltung von Informationen (vgl. Schmidt 2008: 23f.). Eine besondere Bedeutung kommt dabei mittlerweile auch 13 14 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web der mobilen Internetnutzung über Endgeräte wie Laptops, Smartphones und Tablet-PCs zu. 2014 nutzten rund 50 Prozent der deutschen Onliner das Internet über mobile Endgeräte (vgl. van Eimeren, Frees 2014: 385). Die Kommunikationsstrukturen im Internet unterscheiden sich dabei von anderen Kommunikationssituationen, insbesondere der face-to-face-Kommunikation. Die dort publizierten Informationen sind persistent, weil sie dauerhaft gespeichert und nicht flüchtig sind. Darüber hinaus sind sie duplizierbar und können ohne Qualitätsverlust kopiert werden. Des Weiteren sind sie skalierbar und ihre Reichweite ist prinzipiell nicht eingeschränkt. Die dabei entstehenden Daten sind durchsuchbar und von Suchmaschinen auffindbar (vgl. Schmidt 2009: 106ff). Zentrale Nutzungsoptionen sind dabei das Publizieren (Authoring) und Teilen (Sharing) von Informationen, die Zusammenarbeit (Collaboration), das Vernetzen von Individuen und Organisationen (Networking) sowie das Bewerten und Filtern (Scoring and Filtering) durch Nutzer (vgl. Pleil 2012: 27). Die veränderten Nutzungsprinzipien im Internet haben zu einem „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ geführt (Neuberger 2006: 113), der in alle gesellschaftlichen Bereiche dringt. Neben den Auswirkungen auf der ökonomischen Ebene zeigt sich der angesprochene Strukturwandel sogar in der politischen Sphäre. So spielten die digitalen Anwendungen des Social Webs eine entscheidende Rolle für die revolutionären Bewegungen des arabischen Frühlings 2011 in Ägypten und dienten dabei unter anderem der Informationsverbreitung und Koordination der demokratischen Strömungen (vgl. Baringhorst 2014: 91ff.). Während der Zugang zur Ebene der öffentlichen Kommunikation ehemals den Massenmedien vorbehalten war, hat sich dies durch die offenen Zugangs- und Partizipationsmöglichkeiten des Social Webs grundlegend geändert (vgl. Köhler 2008: 235). „Neben die klassische Medienöffentlichkeit sind netzwerkartige Mikroöffentlichkeiten getreten, die in Minutenschnelle entstehen können und auch wieder verschwinden“ (Pleil 2012: 20). Das Social Web bietet dem Internetnutzer neue Dimensionen der Vernetzung. Durch die vernetzten Kommunikationsstrukturen kommt es zu einer „Beschleunigung öffentlicher Kommunikation“ (Schenk et al. 2008: 248). Strategische Unternehmenskommunikation im Social Web Unternehmen müssen den beschriebenen Veränderungen öffentlicher Kommunikation begegnen. In den Netzwerken aus gleichberechtigten Kommunikationspartnern ist ein Unternehmen nur noch „ein Kommunikator unter vielen möglichen“ (Meckel 2008: 479). Dies erfordert eine entsprechende Berücksichtigung in der strategischen Ausrichtung der Kommunikationsaktivitäten in den verschiedenen Online-Kanälen. 1.2 Strategische Unternehmens kommunikation im Social Web Unternehmen sehen sich in ihrem Handeln einem ständigen Legitimierungsdruck ausgesetzt. Sie sind folglich auf gesellschaftliche Akzeptanz angewiesen (vgl. Sandhu 2012). Die Rechtfertigung unternehmerischen Handelns erfolgt dabei nicht mehr nur über die Beziehungspflege zu massenmedialen Kommunikatoren, sondern zunehmend auch gegenüber der digitalen Öffentlichkeit. Aus den skizzierten Veränderungen öffentlicher Kommunikation durch die digitalen Kanäle resultieren neue Wege für eine zielgruppengerechte StakeholderAnsprache in der Unternehmenskommunikation. Das Internet und insbesondere das Social Web bieten zahlreiche Möglichkeiten zu einer zweiseitigen, symmetrischen Kommunikation, welche als effektivste Form der Public Relations angesehen wird (vgl. Grunig, Hunt 1984: 22). Unter strategischer Online-Kommunikation versteht man „alle gesteuerten Kommunikationsaktivitäten von Unternehmen, Non-Profit-Organisationen, Behörden und anderen Organisationen im Internet und Social Web, die der internen und externen Handlungskoordination mit Stakeholdern und der Interessenklärung dienen und die damit einen Beitrag zur Realisierung der übergeordneten Organisationsziele (Erreichung inhaltlicher und ökonomischer Ziele, Sicherung von Handlungsspielräumen und Legitimität) leisten sollen“ (Zerfaß, Pleil 2012: 47). 15 16 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Pleil unterscheidet drei verschiedene Formen der Online-PR. Während in Zeiten der digitalisierten PR das Internet zunächst nur als weiterer Distributionskanal betrachtet wurde, bot Internet-PR bereits erste Formen indirekter Rückkanäle von den Anspruchsgruppen an die Organisation. Dennoch erfolgte bei diesen beiden Formen die Kommunikation primär monologisch (vgl. Pleil 2007: 16ff.). Cluetrain-PR hingegen erfolgt dialog- bzw. netzwerkorientiert. Es geht dabei primär um eine Verständigung zwischen Bezugsgruppen durch eine argumentative Kommunikation. Der Rezipient wird dabei als Kommunikationspartner verstanden, der sich in sozialen Netzwerken organisiert. Zentrales Ziel ist der Aufbau und die Sicherung einer digitalen Reputation (vgl. Zerfaß, Pleil 2012: 54). Unter Reputation ist eine kollektive Wahrnehmung und Bewertung eines Objekts zu verstehen. Sie entsteht durch den öffentlichen und persönlichen Austausch individueller Images (vgl. Einwiller 2014: 376). Die digitale Reputation wird mittlerweile als Wertschöpfungsfaktor betrachtet, der einen immateriellen und schwer ersetzbaren Wert darstellt und von dem ein Unternehmen langfristig zehren kann (vgl. Pleil, Zerfaß 2014: 737). 1.3 Spezifische Anforderungen an die Kommunikation im Social Web Das Social Web bietet zahlreiche Möglichkeiten einer zielgerechten Stakeholder-Ansprache, die dem Aufbau einer digitalen Reputation dienen können. Die Kommunikation mit den digitalen Teilöffentlichkeiten erfordert dabei einen besonderen Kommunikationsstil. Führende Leitbegriffe sind dabei Schlagworte wie der Dialog, Vertrauen, Transparenz und Authentizität (vgl. Pleil 2012: 31ff.). Zentrales Element der Cluetrain-PR ist der Dialog mit den verschiedenen Anspruchsgruppen. Kent und Taylor nennen fünf zentrale Prinzipien der OnlineKommunikation, die zwar zu Anfangszeiten des Internets aufgestellt wurden, jedoch nach wie vor Gültigkeit besitzen. Sie umfassen neben dem Nutzwert von Spezifische Anforderungen an die Kommunikation im Social Web Informationen eine einfache Navigation, einen vorsichtigen Gebrauch externer Links und Banner, Anreize zur Rückkehr auf die eigenen Web-Angebote und verschiedene Feedback-Möglichkeiten, wie beispielsweise die Möglichkeit, Kommentare oder andere Rückkopplungs-Kanäle einzusetzen (vgl. Kent, Taylor 1998: 326ff.). Dialogische Kommunikationsformen im Social Web erfordern dabei eine genaue Analyse der Stakeholder-Wünsche und daraus entsprechend abgeleitete Kommunikationsmaßnahmen. Ein systematisches Zuhören, eine klare Positionierung und die personelle Ressourcen-Ausstattung sollen dabei zur Dialogfähigkeit beitragen (vgl. Pleil 2012: 34). Neben dialogischen Kommunikationsformen spielt für Unternehmen im Social Web insbesondere auch der Aufbau institutionellen Vertrauens eine große Rolle. Vertrauen fungiert für Stakeholder dabei als Konstrukt zur Risikoreduktion und basiert auf Erfahrungen, die in die Zukunft projiziert werden (vgl. Bentele, Seidenglanz 2008: 56). Als Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen wird Transparenz angesehen. Zwar schafft Online-Kommunikation per se schon eine Form von Transparenz. Dennoch besteht im Online-Kontext darüber hinaus ein besonders hoher Anspruch an Transparenz für Unternehmen. So gilt beispielsweise das Prinzip der Absenderklarheit, wonach Unternehmen in ihrer Onlinekommunikation offenlegen sollten, wer als Kommunikator hinter den Botschaften steckt (vgl. Pleil 2012: 32f.). Die Unternehmenskommunikation im Social Web erfordert gleichzeitig ein hohes Maß an Authentizität. Zentrale Prämissen sind dabei Ehrlichkeit, Echtheit und ein persönlich gehaltener Kommunikationsstil. Dies kann in der Wahrnehmung der Bezugsgruppen als Qualitätskriterium dienen (vgl. Pleil, Rehn 2012: 217ff.). Dabei sollte der Mitarbeiter als Repräsentant des Unternehmens im Vordergrund stehen (vgl. Wehmeier, Winkler 2012: 387ff.). Neben der Kommunikation mit externen Stakeholdern birgt das Social Web jedoch auch Möglichkeiten zum Einsatz in der internen Kommunikation. So können Anwendungen wie Wikis oder Weblogs dem Informationsmanagement dienen, indem relevante Informationen jederzeit zur Verfügung gestellt und ausgetauscht werden können. Gleichzeitig unterstützen sie das Beziehungsmanagement zwischen Mitarbeitern, da sie die Pflege bestehender und das Knüpfen neuer Kontakte fördern. Instrumente wie beispielsweise ein CEO-Blog 17 18 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web können darüber hinaus dazu beitragen, die Unternehmenskultur zu stärken und so dem Identitätsmanagement im Unternehmen zu dienen. Des Weiteren kann der partizipative Austausch von Informationen auch einen Beitrag zur Erhöhung der Mitarbeitermotivation leisten (vgl. Einwiller, Landmeier 2012: 208ff.). So nutzt der Automobilzulieferer Continental seit 2012 das Business-Netzwerk „Connext“. Es dient dem Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern und dem Aufbau und der Pflege von Gemeinschaften. Mitarbeiter haben dabei die Möglichkeit, sich ein eigenes Profil anzulegen, virtuelle Gemeinschaften zu beliebigen Fachgebieten zu gründen und in Blogs, Foren und weiteren Social SoftwareAnwendungen Wissen und Arbeitsergebnisse zu veröffentlichen und diese ihren Kollegen verfügbar zu machen (vgl. continental-corporation.com 2014). Nicht zuletzt bietet der Einsatz von Social Web-Kanäle auch Möglichkeiten zur Unterstützung von Managementprozessen. Die hohe Informations-Geschwindigkeit und die geringen Kosten von Internet- und Social Web-Anwendungen können bei der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle von Managementaufgaben behilflich sein und so zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung beitragen. So können beispielsweise Online-Communities aktiv zur Problemlösungssuche und Aufgabenerfüllung (Crowdsourcing) oder für Innovationsprozesse (Open Innovation) eingesetzt werden (Zerfaß, Pleil 2012: 48ff.). 1.4 Status quo und zentrale Heraus forderungen Die seit 2007 jährlich durchgeführte Studie European Communication Monitor gibt Aufschluss über die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen des Kommunikationsmanagements. 2013 wurden dazu in einer europaweit angelegten Studie 2.710 PR-Praktiker aus 43 Ländern zu Trends in der strategischen Unternehmenskommunikation befragt (vgl. Zerfaß et al. 2013). Status quo und zentrale Herausforderungen Die Bewältigung der digitalen Entwicklungen im Internet und im Social Web ist dabei aus Sicht der PR-Praktiker das zweitwichtigste Thema der kommenden drei Jahre, hinter der Verknüpfung der Geschäftsstrategie mit der Kommunikation (vgl. Zerfaß et al. 2013: 84). Ein Großteil der Befragten ist der Meinung, dass Social Media die Wahrnehmung der externen Stakeholder über die eigene Organisation beeinflusst. Mehr als die Hälfte sagen darüber hinaus, dass Social Media auch die Wahrnehmung der eigenen Mitarbeiter über die eigene Organisation beeinflusst (vgl. Zerfaß et al. 2013: 26). Als relevante Gatekeeper im digitalen Zeitalter werden von einem Großteil der Befragten primär die eigenen Mitarbeiter, Konsumenten, Blogger und die Manager von Online-Gemeinschaften betrachtet. Gleichzeitig zeigt die Befragung, dass es hinsichtlich der Kommunikation mit digitalen Teilöffentlichkeiten nach wie vor an einer strategischen Anbindung mangelt. Nur rund 38 Prozent der Befragten sagen aus, dass ihre Organisation adäquate Kommunikationsstrategien und geeignete Instrumente zur Kommunikation mit digitalen Gatekeepern entwickelt hat (vgl. Zerfaß et al. 2013: 27). Auch in deutschen Unternehmen wurde die Bedeutung des Social Webs für den Einsatz in der Unternehmenskommunikation erkannt. Laut einer BITKOM-Studie (n=723 Unternehmen) nutzt fast die Hälfte der Unternehmen in Deutschland Social Media. Dabei sind Unternehmenspräsenzen in sozialen Netzwerken am stärksten verbreitet, gefolgt von Videoplattformen. Der Einsatz erfolgt dabei primär in der externen Unternehmenskommunikation (klassische Werbung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit). Zentrale Ziele sind eine Bekanntheitssteigerung von Marken und Unternehmen (82 Prozent) sowie die Neukundenakquise (72 Prozent). 62 Prozent der Unternehmen, die Social Media nutzen, gehen davon aus, dass die Bedeutung sozialer Medien weiter steigen wird (vgl. BITKOM 2012: 6ff.). 19 20 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web 1.5 Kritische Teilöffentlichkeiten im Internet Neben den zahlreichen Chancen zum Aufbau einer digitalen Reputation und zur Ansprache unterschiedlicher Stakeholder-Gruppen bestehen für Unternehmen jedoch auch Risiken für Unternehmen im Social Web. Unternehmerisches Handeln unterliegt im digitalen Zeitalter einer verstärkten Beobachtung und wird zunehmend in den verschiedenen Kanälen des Internets unter Beteiligung einer kritischen Öffentlichkeit diskutiert (vgl. Köhler 2008: 235). Die zahlreichen Zugangs- und Partizipationsmöglichkeiten fördern dabei die Formierung kritischer Gegenöffentlichkeiten (vgl. Wimmer 2007: 215ff.). Die Krisenanfälligkeit für Unternehmen hat sich angesichts des Internets erhöht, denn Unternehmen unterliegen einer verstärkten Beobachtung. Ehemals passive Rezipienten werden im Internet selbst zum Sender von Informationen, weshalb es für potenziell jedermann ohne viel Aufwand möglich ist, sich kritisch über Unternehmen zu äußern (vgl. Becker 2012: 367). So bieten Bewertungsplattformen im Internet enttäuschten Kunden die Möglichkeit, sich über ihre negativen Konsumerfahrungen auszutauschen und ihrem Ärger freien Lauf zu lassen (vgl. Hennig-Thurau et al. 2004: 39). Fehlende Gatekeeper, globale Kommunikationsstrukturen und eine hohe Informationsgeschwindigkeit sind weitere Faktoren des Internets, welche die Krisenanfälligkeit für Unternehmen erhöhen. Negative Informationen können sich rasend schnell verbreiten und beeinflussen so die Reaktions- und Handlungszeit von Unternehmen (vgl. Becker 2012: 367). Unternehmen droht im schlimmsten Fall ein so genannter Shitstorm. Darunter versteht man den Prozess, „wenn in kurzem Zeitraum eine subjektiv große Anzahl von kritischen Äußerungen getätigt wird, von denen sich zumindest ein Teil vom ursprünglichen Thema ablöst und stattdessen aggressiv, beleidigend, bedrohend oder anders attackierend geführt wird“ (Lobo 2010: o.S.). Da das Internet mittlerweile auch verstärkt zur Recherche durch professionelle Journalisten genutzt wird (vgl. Neuberger et al. 2009: 296ff.), können negativ-kritische Äußerungen aus dem Netz von den Massenmedien aufgegriffen werden. Kritische Teilöffentlichkeiten im Internet Es kommt zu einem digitalen Spillover. Er liegt vor, wenn „negativ kritische Inhalte über eine Organisation oder eine Person, die im Internet von nicht-professionellen Kommunikatoren geäußert werden, in die Berichterstattung etablierter Massenmedien diffundieren und dort eine Folgeberichterstattung auslösen“ (Himmelreich, Einwiller 2014: 191). Die Kritik erreicht so einen noch höheren Rezipientenkreis und stellt somit eine Gefahr für die Reputation der betroffenen Unternehmen dar (vgl. Schultz, Wehmeier 2010: 423). Der italienische Nudel-Hersteller Barilla provozierte 2013 einen Shitstorm, als der Firmen-Chef Guido Barilla in einem Radio-Interview sagte, dass der Konzern die traditionelle Familie unterstütze und Barilla aufgrund dessen keine Werbung mit Homosexuellen schalte. Wenn den Homosexuellen das nicht gefallen würde, sollten sie die Nudeln anderer Hersteller essen. Der darauf folgende Aufschrei in den sozialen Medien war immens. Zahlreiche Internetnutzer kritisierten die Äußerung des Konzernchefs scharf. Unter dem Hashtag #boycottbarilla wurde dazu aufgerufen, die Produkte des Unternehmens zu boykottieren. Barilla erkannte den dadurch entstandenen Schaden und entschuldigte sich im Nachgang öffentlich auf der Firmenhomepage und auf Facebook (vgl. Rentz 2013). Eine Inhaltsanalyse deutscher Print- und Onlinemedien im Zeitraum April 2010 bis Oktober 2012 hat gezeigt, dass der Begriff „Shitstorm“ einen großen Nutzungszuwachs in der Verwendung durch deutsche Journalisten erfahren hat. In der Studie konnten insgesamt 564 Artikel in überregionalen Qualitätszeitungen, Wochenzeitungen und Nachrichtenmagazinen oder deren OnlineAbleger identifiziert werden, welche den Begriff „Shitstorm“ enthielten, wobei ein Großteil davon auf das Jahr 2012 entfiel. In 223 Artikeln ging es dabei um einen konkreten Shitstorm-Fall, also ein Ereignis, bei der sich eine Person oder eine Organisation mit negativ-kritischen Äußerungen aus digitalen Kanälen konfrontiert sah (vgl. Himmelreich, Einwiller 2014: 194). Es existieren zahlreiche Beispiele aus der massenmedialen Berichterstattung, in denen Unternehmen einer geballten Kritik digitaler Öffentlichkeiten ausgesetzt waren: „Shitstorm aus Milchschaum“ (Salavati 2013: o.S.), „Explosive Grüße aus dem Netz“ (Bialek, Koenen 2012: o.S.), „Sturm auf die Pinnwand“ 21 22 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web (taz.de 2012: o.S.). Inhaltlich weist digitale Kritik an Unternehmen eine große Vielfalt auf. Häufig betrifft sie ethisch-moralische Aspekte, beispielsweise wenn Arbeits- oder Produktionsbedingungen von Unternehmen angeprangert werden (vgl. Zühlsdorf 2002: 23). Darüber hinaus kann es sich jedoch auch um klassische Online-Beschwerden und entsprechende kritische Kommentare unzufriedener Kunden handeln (vgl. Ward, Ostrom 2006: 220). Unternehmen müssen einen Weg finden, mit kritischen Teilöffentlichkeiten im Internet umzugehen. 1.6 Krisenprävention im Social Web Eine zentrale Rolle kommt beim Umgang mit kritischen Öffentlichkeiten im Internet durch Unternehmen der Prävention zu, um kritische Issues frühzeitig und proaktiv zu identifizieren und geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln. Unter Issues versteht man kontrovers diskutierte Themen, die von öffentlichem Interesse sind und die ein Konfliktpotenzial aufweisen (vgl. Röttger 2001: 16). Das Issues Management besitzt im digitalen Zeitalter eine hohe Relevanz. Es stellt dabei ein Verfahren dar, welches interne und externe Sachverhalten, die eine Begrenzung strategischer Handlungsspielräume darstellen, proaktiv identifiziert und gleichzeitig versucht, diesen Sachverhalten strategisch im Sinne der eigenen Organisation zu begegnen (vgl. Ingenhoff, Röttger 2008: 323). Aus Sicht des Kommunikationsmanagements muss die Onlinekommunikation in die strategische Umweltbeobachtung von Unternehmen mit einbezogen werden. Issues können in verschiedenen Arenen virtueller Öffentlichkeit entstehen. Die dabei eingesetzten Anwendungen, wie beispielsweise Blogs oder soziale Online-Netzwerke, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe oder des Grades ihrer Vernetzung. Eine eingehende Analyse des Publikationsortes und des Vernetzungsgrades kann dabei helfen, die Verbreitungswahrscheinlichkeit von Issues einzuschätzen. Weitere Faktoren, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, sind klassische Nachrichtenfaktoren oder aber auch das persönliche Involvement der beteiligten Internetnutzer (vgl. Pleil 2010: 13ff.). Fazit Im Social Web kann ein fundiertes Social Media-Monitoring als strategisches Frühwarnsystem dazu dienen, kritische Themen zu identifizieren, ihren Wirkungsgrad einzuschätzen und das damit verbundene Krisenpotenzial zu bewerten (vgl. Becker 2012: 369). „Online-Monitoring ist organisationales Zuhören. Und Zuhören ist Voraussetzung für die Teilnahme an einem Gespräch“ (Pleil 2010: 18). Die einzelnen Schritte des Social Media-Monitorings bestehen dabei in der Datenerhebung und –aufbereitung, der Datenanalyse und der Ergebnisinterpretation (vgl. Plum 2010: 22). Im Zuge dessen können verschiedene Handlungsoptionen und Prozesse zum Umgang mit identifizierten Issues abgeleitet werden (vgl. Aßmann, Pleil 2014: 599ff.). Eine proaktive Vorgehensweise hilft Unternehmen so, kritischen Issues in digitalen Kanälen zu begegnen und erweitert damit den kommunikativen Handlungsspielraum. 1.7 Fazit Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass die dynamischen Entwicklungen im digitalen Zeitalter zu grundlegenden Veränderungen öffentlicher Kommunikation geführt haben. Vernetzte Kommunikationsstrukturen gehen mit einer erhöhten Informationsgeschwindigkeit einher. Ehemals bestehende Publikationsschranken sind weggefallen, so dass potenziell jedermann seine Meinung im Internet kundtun kann. Steigende Nutzerzahlen verschiedener Social Web-Anwendungen tragen dazu bei, dass Unternehmen neuen vernetzten Mikroöffentlichkeiten begegnen, in denen der Nutzer eine zentrale Rolle bei der Kanalisierung der Aufmerksamkeit besitzt. Diese Entwicklungen bringen gleichzeitig Chancen wie auch Risiken für die Unternehmenskommunikation mit sich. Die Krisenanfälligkeit von Unternehmen hat sich durch das Social Web deutlich erhöht. Kritische Themen können sich durch die vernetzten Kommunikationsstrukturen rasend schnell verbreiten und so zu einer Gefahr für die Reputation entwickeln. Dies erfordert einen proaktiven Umgang mit kritischen Themen in den digitalen Kanälen. Eine Integration der Online-Kommunikation 23 24 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web in das strategische Kommunikationsmanagement ist daher unabdingbar, um die Chancen der digitalen Welt zu nutzen und die Risiken zu vermeiden. Eine im gesamten Unternehmen verankerte Social Media-Strategie kann für Unternehmen – auch in sensiblen Bereichen – gute Möglichkeiten erschließen, neue Kunden anzusprechen und alte Kunden zu binden. Die zahlreichen Möglichkeiten einer zielgruppengerechten StakeholderAnsprache erfordern ein neues Verständnis der Unternehmenskommunikation in den digitalen Kanälen. Maßgeblich sind dabei authentische und dialogische Kommunikationsformen, die dem Nutzer auf Augenhöhe begegnen und so zum Aufbau einer positiven digitalen Reputation beitragen. Eine zentrale Rolle bei aktiver Kommunikation durch Unternehmen im Social Web kommt dabei dem Content zu. Ziel sollte es sein, den Zielgruppen einen Mehrwert zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist das Engagement der Zurich-Gruppe. Der Partner der Deutschen Olympiamannschaft hat die Chance erkannt, eine neue Art des Beziehungsmanagements mit Kunden und Vermittlern über das Social Web aufzubauen. Als Plattform nutzte die Versicherung die Olympischen Spiele 2012 in London. Über eine umfangreiche Social Media-Strategie wurde unter Einbindung von beteiligten Sportlern Content produziert, der einerseits das Informationsbedürfnis der anvisierten Zielgruppen bedient und andererseits auch deren Einbindung in den Kommunikationsprozess aktiv gefördert hat. Die Zurich hat über das Social Web und andere Kommunikationskanäle wie TV den Athleten eine Plattform gegeben und über sie berichtet. Damit hat das Unternehmen den produzierten Content „spreadable“, also durch die User/ Athleten selbst teilbar, gemacht und somit eine große Öffentlichkeit erreicht. In Sachen Imagebildung und positiver öffentlicher Wahrnehmung war die Kampagne durchaus erfolgreich (vgl. Daschmann 2014, in diesem Band). 25 1.8 Literatur Aßmann, S. & Pleil, T. (2014). Social Media Monitoring: Grundlagen und Zielsetzungen. In: M. Piwinger & A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation (S. 585-604). Wiesbaden: Gabler, 2. Auflage. Baringhorst, S. (2014). Internet und Protest. Zum Wandel von Organisationsformen und Handlungsrepertoires – ein Überblick. In: K. Voss (Hrsg.), Internet & Partizipation. Bottom-up oder Top-down? Politische Beteiligungsmöglichkeiten im Internet (S. 91-114). Wiesbaden: Springer VS. Becker, C. (2012). Krisenkommunikation unter den Bedingungen von Internet und Social Web. In A. Zerfaß & T. Pleil (Hrsg.), Handbuch Online-PR. Strategische Kommunikation in Internet und Social Web (S. 365–381). Konstanz: UVK. Bentele, G. & Seidenglanz, R. (2008). Trust and Credibility. Prerequisites for Communication Management. In: A. Zerfaß, Ansgar, B. van Ruler & K. Sriramesh (Hrsg.), Public Relations Research. 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Social Media als Teil der Markenstrategie der Z urich Versicherung Monika Schulze 2.1 Die Ausgangslage bei V ersicherungen D as Wachstum der sozialen Medien hat einen großen Einfluss auf die Marketingstrategien und Kommunikationsweise der Unternehmen mit ihren Zielgruppen. Da es die sozialen Medien erlauben, nicht nur Botschaften mitzuteilen, sondern auch zu interagieren, ist es möglich, mit den jeweiligen Zielgruppen direkter und dauerhafter in Verbindung zu treten. Social Media-Marketing bietet Unternehmen sowohl Chancen als auch Risiken. So attraktiv das Medium sein kann, birgt es allerdings auch die Gefahr, außer Kontrolle zu geraten, da die Meinungen im Internet nicht denen des Unternehmens entsprechen müssen, sich zudem unkontrollierbar verselbständigen können. Leicht können negative Einstellungen im Web entstehen und dem Image eines Unternehmens schaden. 30 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Da sich Versicherungen eher risikoavers verhalten und Kunden sich eher ungern mit dem Thema Versicherungen beschäftigen, stellt die Kommunikation im Netz hohe Anforderungen hinsichtlich Strategie und Umsetzung an die Verantwortlichen dieser Branche. 2.2 Das Phänomen Facebook & Co. Tatsächlich jedoch führt an Facebook auch für die eher konservativ geprägte Versicherungswirtschaft kein Weg vorbei. Gab es im Januar 2010 noch ca. 5 Millionen aktive Facebook Nutzer in Deutschland, waren es im Januar 2014 schon 27,4 Millionen (Quelle: Statista 2014). Die größte Altersgruppe bilden Nutzer im Alter zwischen 25 und 34 Jahren (Quelle: Statista 2014), eine ideale Zielgruppe für Versicherer. Facebook als Plattform stellt daher nicht nur eine Herausforderung, sondern vor allem eine riesige Chance dar. Denn wenn man Facebook genau betrachtet, wird klar, dass es eine Art der Kommunikation bietet, die dem eigentlichen Charakter des Versicherungswesens sehr nahe kommt: es sind ja gerade jene Versicherungsvermittler am erfolgreichsten, die nicht einfach nur versuchen ihr Produkt zu verkaufen, sondern die mit ihren Kunden in einen Dialog treten. Es geht darum, eine Beziehung und Vertrauen aufzubauen, Expertise anzubieten, bei Fragen oder Problemen da zu sein. Wichtig ist eine relevante, einnehmende Kommunikation – eben nicht einfach nur Verkaufsgespräche. Der potenzielle Kunde muss bereits profitieren, bevor er auch nur bewusst an eine Versicherung denkt. Dieses langfristig angelegte Verhältnis ist es, das einen Berater erfolgreich macht und für künftige Abschlüsse empfiehlt. Als Zurich 2012 begann das Social Web zu nutzen, war Facebook die größte Plattform und ist es auch heute noch. Für die Zukunft ist es aber wichtig, auch die Entwicklung anderer Kanäle im Auge zu behalten. Bewegtbilder und damit YouTube spielen bereits eine wichtige Rolle bei der Vermarktung bei Zurich. Die Bilder-App Instagram gehört ebenfalls zu den Instrumenten im Marketing-Mix. Sie verzeichnet nach Informationen mehrerer Publikationen starke Zuwächse. „Zurich Sports“ als Resultat langjährigen Sport-Engagements Wie viele Menschen die Facebook-Tochter in Deutschland genau nutzen, gibt Instagram nicht bekannt. 2.3 „Zurich Sports“ als Resultat lang jährigen Sport-Engagements Wie also schafft man es, auf Facebook & Co. in einen vom Publikum als authentisch und relevant wahrgenommenen Dialog zu treten? Zurich ist hier in der privilegierten Position, bereits seit 14 Jahren der Deutschen Olympiamannschaft als Partner, Sponsor und Versicherer zur Seite zu stehen. Zurich sieht sich mit den olympischen Werten besonders verbunden. Das Unternehmen steht für den olympischen Gedanken und für die Werte, die der Sport verkörpert. Engagement, Verantwortung und da zu sein, wenn es darauf ankommt sind Grundsätze, nach denen Zurich sich richtet. Als Versicherungsunternehmen sorgt sie dafür, dass die Sportler abgesichert sind, falls während der Spiele etwas passiert. Dieses langfristige Engagement bietet einen idealen Ausgangspunkt, um die Marke Zurich mit interessantem und unterhaltsamem Content zu verbinden und sie so positiv aufzuladen. Das Thema Olympia im engeren und Sport im weiteren Sinne eignet sich in besonderer Weise, um die Marke Zurich, Kunden, Vermittler, Mitarbeiter und auch Athleten miteinander zu verbinden. Dabei hilft es, dass bereits viele Vermittler in Sportvereinen engagiert sind, viele Zurich Mitarbeiter eine hohe Affinität zum Sport haben und Zurich eine gute Beziehung zu vielen Athleten und Verbänden aufgebaut hat. Für das Thema Sport sind Social Media-Kanäle eine ideale Plattform. Etwa die Hälfte der Deutschen, also rund 40 Millionen Menschen, treibt in irgendeiner Form Sport. Ein Viertel der Deutschen, rund 17,8 Millionen, erklärte in Umfragen, sich für die Olympischen Spiele zu interessieren. (Quelle: DOSB) 31 32 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Fast jeder Zweite nutzt das Internet für Sportinformationen (45 % aller Bundesbürger über 14 Jahren, laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von BITKOM, veröffentlicht im Jahr 2014). 2.4 Olympia-Athleten und Social Media Je aktiver ein Sportler auf Social Media-Plattformen ist, desto mehr Motivation kann er durch den Kontakt mit seinen Fans gewinnen. Das ist das Ergebnis einer Studie, zu der 89 Olympia-Athleten nach den Olympischen Spielen in London befragt wurden. Die Ergebnisse sind in ihrer Eindeutigkeit besonders auffällig und zeigen, in welchem Maße Kommunikation über Social Media-Kanäle den Spitzensport beeinflussen können. Die ausführliche Darstellung der Studie und ihrer Ergebnisse finden Sie im nachfolgenden Kapitel in diesem Band. Finanziert durch Zurich, wurde die Untersuchung durch das European Institute for Media Optimization (Berlin) beauftragt und unter Leitung von Prof. Dr. Gregor Daschmann (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) in Zusammenarbeit mit forum! Marktforschung, Mainz, durchgeführt. Unterstützt wurde das Projekt vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). „Social Media bietet Sportlern ein unglaublich großes Potenzial“, bestätigt Weitspringer Christian Reif, der insbesondere Facebook aktiv nutzt. „Ich verbringe sehr viel Zeit damit, weil ich sehr viel Kraft aus den Reaktionen der Fans schöpfe.“ Die Erkenntnis daraus: Durch Social Media ändert sich die Sportkommunikation sowohl für den Sportler als auch für den Sponsor – sie wird direkter und emotionaler. Ein wichtiger Aspekt für die Kommunikationsstrategie von Zurich. Die Social Media-Plattform „Zurich Sports“ 2.5 Die Social Media-Plattform „Zurich Sports“ Nach mehr als einem Jahrzehnt intensiver Zusammenarbeit mit der deutschen Olympiamannschaft und dem Deutschen Olympischen Sportbund rief Zurich zu den Olympischen Spielen 2012 in London die digitale Plattform „Zurich Sports“ ins Leben. Ihre wichtigsten Elemente waren: • • • • • • die Microsite zurich.de/sports „Zurich Sports“ auf Facebook Youtube.com/zurichsport die Twitter-Seite twitter.com/ZurichSports Facebook-Seiten für Zurich-Vermittler eine Verlinkung zur DOSB Seite Abb. 1 Beispiel der Gewinnaktion u.a. auf der Microsite 33 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web 34 Mit einer umfangreichen Werbe- und Social Media-Kampagne rückte die Plattform „Zurich Sports“ vor allem die großartigen Leistungen der deutschen Olympiateilnehmer in den Mittelpunkt und stellte dabei die auffällige Parallele zwischen Sportlern und Unternehmen heraus – nämlich dann alles zu geben, wenn es darauf ankommt. „Gesichter“ der Kampagne waren die Olympiasportler Robert Harting (Diskus), Patrick Hausding (Wasserspringen), Jennifer Oeser (Zehnkampf) und Lena Schöneborn (Moderner Fünfkampf), die zum „Top Team“ des DOSB für London gehörten. Für die Konzeptionierung der „Zurich Sports“-Plattform ging Zurich von folgenden Grundannahmen aus: Emotionaler Ausgangspunkt • Für die meisten teilnehmenden Sportler geht bereits mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen ein Traum in Erfüllung • Sieger oder nicht, für alle Teilnehmer bedeutet die Mitwirkung an den Olympischen Spielen eine unvergessliche persönliche Erfahrung • Diese Erfahrung möchten sie gerne teilen Finanzieller Ausgangspunkt • Die meisten der Athleten sind trotz ihrer Olympia-Teilnahme nicht sehr bekannt • • Ihre finanzielle Ausstattung ist daher sehr beschränkt Aus diesem Grund ist es für sie besonders wichtig, eine Plattform zu haben, auf der sie sich vermarkten und ihre Bekanntheit steigern können Fans sorgen für Content „Zurich Sports“, so die Kernidee der Kampagne, hilft und verbindet Athleten und Fans zum beidseitigen Nutzen. Flankiert von klassischen Werbeanzeigen, TV-Spots und online geschalteten Werbe-Bannern liegt das Hauptgewicht auf dem umfangreichen Internet- und Social Media-Konzept. Auf der Microsite www.zurich.de/sports erhalten Fans und Interessierte eine Vielzahl wertvoller Informationen rund um den Sport. Hier tritt Zurich also nicht als zentraler Akteur, sondern vielmehr als Vermittler zwischen Fans und Sportlern auf. Wichtig dabei ist die Kontinuität der Aktion auch über die sportlichen Großereignisse hinaus. Die Seite wird kontinuierlich gepflegt und mit neuem Content gefüllt, so dass sie auch nach den Olympischen Spielen als ständige Wissens-Ressource zur Verfügung steht. 2.6 Fans sorgen für Content Um das Publikum weiter in die Kampagne einzubinden, verlässt sich Zurich dabei nicht nur auf professionell produziertes Material, sondern motiviert die Fans, eigene Inhalte hochzuladen und sich aktiv zu beteiligen. Im Fall der Olympischen Spiele 2012 geschah dies im Wesentlichen über zwei Anker: • User wurden durch Werbe-Spots, Facebook, Twitter, YouTube und über Web-Banner aufgefordert, ihre „olympischen Momente” als Foto oder Video einzureichen. Aus diesen Beiträgen wurde wiederum neuer Content für die Social Media-Plattformen generiert. Die User stimmten unter allen Einsendungen für eine Gewinnerin, die gemeinsam mit den „Champion des Jahres 2012“ einige Tage im Robinson-Club auf Kreta verbringen durfte. • Zweiter zentraler Anker, um User und Athleten auf die Landingpage zu bekommen, war das Voting. Fans wurden aufgefordert, für „ihren“ Lieblingsathleten zu stimmen. Aus diesen Teilnehmern wurden schließlich zwei Gewinner gezogen, die eine Reise zu den Olympischen Spielen in London und zum Champion des Jahres 2012 gewannen. 35 36 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Abb. 2 Gewinnspiel auf zurich.de/sports von März bis Juni 2012 An den zweiten Hauptanker schloss sich noch ein weiterer Effekt an. Denn bei dem Athleten-Voting konnten nicht nur die Fans Preise gewinnen, auch für die Sportler selbst waren wertvolle Prämien ausgelobt: drei Reisen zu den Winterspielen in Sotschi und Sponsoringpakete für den Heimatverein. Dementsprechend stark waren die Sportler motiviert, ihre Fans über die sozialen Netzwerke aufzurufen, sich an der Aktion zu beteiligen und selber abzustimmen. Dies führte nicht nur zu neuen Besuchern der „Zurich Sports“Microsite, sondern es schuf auch Bild- und Videomaterial für die Social MediaAktion und die Medienkooperationen in TV, Online und Print. Diese recht aufwändigen Aktionen blieben nicht auf die Zeit um die Olympischen Spiele beschränkt. So konnten Fans ein Snowboard-Wochenende mit dem Snowboardprofi und zweifachen Weltcup-Sieger Konstantin Schad gewinnen. Zum 24-Stunden-Rennen am Nürburg-Ring entsandt „Zurich Sports“ einen Fanbotschafter. Und als Olympiasieger Robert Harting im August 2013 in Zurich Vermittler als lokale Multiplikatoren der Kampagne Moskau seinen Diskus zum WM-Titel warf, ließ er sich nach seinem Sieg von seinen Fans im Google Hangout, befragen (einem Videochat, zu dem der Benutzer beliebig viele andere Personen einladen kann, die per Computer, Mobiltelefon oder Tablet an der Unterhaltung teilnehmen können). „Coole Aktion von Zurich“, schrieb Harting danach auf seiner Facebook-Seite. Abb. 3 Fan-Hangout mit Robert Harting 2.7 Zurich Vermittler als lokale Multiplikatoren der Kampagne Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass nicht nur die Unternehmenszentrale, sondern vor allem auch die Zurich Vermittler wichtiger Teil der Kampagne sind. Denn sie sind es, die vor Ort eng in sportliche Aktivitäten eingebunden sind: • • • die meisten Vermittler unterstützen lokale Sport-Clubs und Athleten Sport ist ein Thema, das die Vermittler auch persönlich emotional bindet die Vermittler bringen sich mit sehr innovativen Ideen ein 37 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web 38 • soziales Engagement ist ein wichtiges Element für ihre Kundenbindung und Kundengenerierung • die „Zurich-Sports“-Kampagne unterstützt die Vermittler bei ihren Aktivitäten Schon seit langem arbeitet der Vertrieb der Zurich bundesweit mit Sportverbänden zusammen – geschätzt werden derzeit mehr als 1000 Sportvereine, Verbände und individuelle Sportler gefördert und unterstützt. Gerade deshalb bezieht Zurich ihre Vermittler so eng in die Kampagne ein. Zurich stellt seit 2012 ihren Vermittlern eigene Facebook-Seiten zur Verfügung, die Sport- und Servicethemen sowie lokale Gewinnspiele miteinander verbinden. Die Facebook-Fanpage des einzelnen Vermittlers bietet damit einen echten Mehrwert. Knüpft er lokal neue Kontakte und vernetzt sich mit diesen über Facebook, kann er auf dem Weg über Sportthemen auf seine Produkte und Services zu sprechen kommen. Vor allem wenn die Fanpages, wie von einigen Vermittlern verfolgt, ihrerseits von eigenen Aktivitäten begleitet werden. So ließ sich zum Jahresende 2012 nachweisen, dass gerade jene Vermittler wachsende Fanzahlen auf ihren Profilen vermelden konnten, die Facebook Apps für Gewinnspiele nutzen: „Fußballschuhe für Südafrika“ sammelten die Bezirksdirektionen Mario Kuhn und Günther Mommerskamp sowie die Filialdirektion Roth & Pietzsch. Die Idee: Fans geben ihre gebrauchten Sportschuhe ab und werden für die FacebookPlattform abgelichtet. Für jedes abgegebene Paar Schuhe gibt es eine Spende für einen wohltätigen Zweck am jeweiligen Agenturstandort. Für die Weiterleitung der Schuhe sorgten Kollegen bei Zurich South Africa in Zusammenarbeit mit der Organisation „Afrika Tikkun“, zu der Zeit unter der Schirmherrschaft von Nelson Mandela. Zurich Vermittler als lokale Multiplikatoren der Kampagne Abb. 4 Facebook Beispiel der Zurich Vermittler • Ein „Christkindl für mein‘ Verein“ veranstaltete die Gabler Allfinanz im bayrischen Hohenschambach. Teilnehmer erzählten hier in lustigen, teilweise aber auch drastischen Beiträgen, wann ihnen ihre Versicherung sehr gelegen kam. Für jeden Beitrag leisteten Josef und Thomas Gabler eine Spende an einen örtlichen Verein. • 50 Plätze in einem persönlichen Sicherheits- und Deeskalationstraining verloste die Bezirksdirektion Roland Wolters. Im Anschluss daran gab es ein Quiz, bei dem es Karten für die Deutschen Mannschaftsmeisterschaften der Vielseitigkeitsreiter zu gewinnen gab. 39 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web 40 • Ein „sportlicher“ Adventskalender ließ im Dezember 2013 die Fanzahlen auf den Vermittlerseiten – gestützt durch gezielte Facebook-Werbung – auf das Doppelte hochschnellen. Abb. 5 Facebook Aktion auf den Vermittler Seiten Weitere Aktionen sind in Planung und werden sukzessive online gehen. Die bisherigen Ergebnisse zeigen jedoch, dass Vermittler auf diese Weise nicht nur Fans generieren, sondern vor allem ein positives Image gewinnen und regionale Aktivitäten unterstützen können. Nachhaltiger Erfolg als Grundbaustein der Social Media-Plattform 2.8 Nachhaltiger Erfolg als Grundbaustein der Social Media-Plattform Das Ziel der Zurich war es schon 2012 eine Plattform ins Leben zu rufen, die längerfristig erfolgreich ist und auch nach London messbaren Erfolg liefert. Hierfür ist es wichtig Content zu generieren, der das Engagement aller Zielgruppen – der (potenziellen) Kunden, Vertriebler, Mitarbeiter und Athleten – ständig am Leben erhält. Dazu wurde eine Content Strategie entwickelt, die unterschiedliche Ausrichtungen für „Zurich Sports“ und Vermittler vorsieht: • Auf „Zurich Sports“ sucht Zurich vor allem Gespräche über das Thema Sport. Ziel ist es, Markenbewusstsein zu schaffen, das Marken-Image positiv zu beeinflussen, Kontaktanlässe zu schaffen und Werte wie Vertrauen, Stärke, Gemeinschaft und Zuverlässigkeit zu transportieren. Die Kommunikation erfolgt dabei stets auf Augenhöhe mit den Fans. • Auf den Vermittler-Seiten stehen regionale Themen im Vordergrund. Sie werden durch Informationen zu den Versicherungsprodukten und Serviceleistungen ergänzt. Die Vermittler suchen hier vor allem den Kontakt mit ihren bestehenden und potenziellen neuen Kunden, um Bekanntheit zu schaffen und Vertrauen aufzubauen. Abb. 6 Screenshot der Vermittlerseite Bantle 41 42 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web 2.9 Marketing und Geschäfts-Erfolg der Kampagne Bei allem Engagement für das Gemeinwohl muss unter dem Strich auch der wirtschaftliche Erfolg stimmen. In diesem Fall stellt sich also die Frage, in wie weit die Facebook Plattform der Zurich Versicherung und ihren Vermittlern hilft, mit ihren Kunden in Kontakt zu treten und einen auch ökonomisch relevanten Dialog zu führen. Laut einer Studie der Zeitschrift AssCompact im Jahr 2013 schätzen mehr als 20% der Vermittler, die mit Social Media Erfahrung gesammelt haben, den beruflichen Nutzen als sehr hoch ein. Ganz offenbar rentiert sich also die nicht unerhebliche Investition von Zeit und Geld. Hier einige Meinungen von Zurich Vermittlern: „Ich benutze Facebook, um Kontakte zu knüpfen, und habe auch etwas Geschäft dadurch generiert. Daher weiß ich die Kampagne zu schätzen.“ Detlef Knoll Vermittler „Zurichs Aktivitäten auf Facebook kann ich nur befürworten. Eine richtig tolle Geschichte, um täglich mit meinen Kunden in Kontakt zu bleiben.“ Martin Bantle Vermittler „Einer unserer lokalen Olympiaathleten aus Würzburg hat uns heute besucht und mir erzählt, dass ihm die Olympiakampagne sehr gefällt. Er hat sogar gefragt, wie er die Kampagne unterstützen kann.“ Alexander Weber Vermittler Marketing und Geschäfts-Erfolg der Kampagne „Die Initiative hier auf Facebook zum professionellen Promoten von Zurichs Olympia-Engagement ist super und wird von mir voll unterstützt.“ Günter Mommerskamp Vermittler Die positive Einschätzung der Vermittler wird auch von der Geschäftsleitung geteilt, da sich bereits Ende 2012 ein deutlicher Erfolg einstellte und dies auch nachhaltig weiter entwickelt wird: • Die öffentliche Wahrnehmung der Marke Zurich hat sich seit den Olympischen Spielen in London signifikant verbessert. Eine Studie des internationalen Marktforschungsunternehmens Milward Brown nach London kommt zu dem Ergebnis: Kunden, die das Olympia-Engagement kennen, beurteilen das Image von Zurich signifikant besser (Quelle: Milward Brown September 2012) • Das Aufzeigen der Korrelation von Kommunikation und Geschäftserfolg ist durch einen Online-lead-Prozess gelungen und zeigt mit einer Conversion Rate von bis zu 10 % weit über dem Markt liegende Umwandlungsquoten zu Verträgen. • Das YouGov Servicebarometer Assekuranz von Mai 2013 beurteilt das Werberating von Zurich als „deutlich besser als das der Wettbewerber“ (Quelle: YouGov Servicebarometer Assekuranz, Mai 2013) Abb. 7 YouGov Servicebarometer Assekuranz, Mai 2013 43 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web 44 2.10 Fazit Das Konzept von Zurich, Social Media als Teil der Markenstrategie des Unternehmens zu implementieren, hat sich als Erfolg erwiesen. Es kann eine Verbindung von Social Media-Aktivitäten zu Geschäftserfolgen beobachtet werden. Zusammenfassend kann man die „Zurich Sports“-Kampagne am besten folgendermaßen charakterisieren: • Nachhaltig: Seit Olympia in Athen im Jahr 2000 steht Zurich den deutschen Athleten zur Seite. Dieses Engagement wurde bei den Olympischen Spielen 2012 in London durch die neuen Social Media-Aktivitäten noch einmal deutlich intensiviert. • Zielorientiert: Imagebildung, Informationstransport, Anlässe für den Dialog zu schaffen – das ist sowohl auf „Zurich Sports“, als auch auf den Vermittler-Fanpages gelungen. Der Erfolg der Kampagne ist zudem durch einen Online-lead Prozess und durch Vertragszahlen ausgewählter Vermittler bestätigt worden. • Vertriebseinbindung: Auch die Vermittler der Zurich nutzen die Chancen dieses sportlichen Einsatzes intensiv, kreativ und auf langfristige Erfolge ausgelegt. Facebook und ähnliche Plattformen bieten dem Vertrieb ungeahnte Möglichkeiten mit ihren Kunden in Kontakt zu treten. • Innovativ: Modernes Sport-Sponsoring erschöpft sich nicht mehr mit der reinen Präsenz des Unternehmens-Logos. Es geht vielmehr darum, das Thema und das Netzwerk des Sports aktiv zu nutzen. • Netzwerke: „Zurich Sports“ ist eine Bühne für den Olympiasport und nutzt die bestehenden Offline Netzwerke mit dem DOSB, Sportverbänden, Sportlern, die eng mit Zurich verbunden sind, das Vertriebsnetz, Mitarbeiter und involviert alle Fans. Die Erfahrung mit diesem positiv besetzen Thema zeigt, dass die Gefahr von Krisen bisher nicht gegeben war. Zurich war – unter Einbindung aller Fazit Unternehmensbereiche – vorbereitet und in der Lage, mit den wenigen kritischen Bemerkungen professionell um zu gehen. Deutschland gilt innerhalb der Zurich Gruppe weltweit als „Best Practice“Beispiel, was die Umsetzung der „Zurich Sports“-Kampagne in Social Media und in einer 360°-Kommunikation betrifft. Andere Länder sind ebenfalls dabei, Social Media-Plattformen zu etablieren und nutzen hierfür die Expertise des deutschen Teams. 45 3. Schneller, Höher, Weiter – Twitter? Der Einfluss des Social Media-Kontakts zu Fans auf die Motivation von Spitzensportlern 1 Gregor Daschmann 3.1 Abstract D ie neuen internetbasierten Medien geben Sportlern neue Möglichkeiten, mit ihren Fans zu kommunizieren. Die vorliegende Studie untersucht, ob und wie sich diese Möglichkeiten auf die Motivation bei Leistungssportlern auswirken. Hierzu wurde eine repräsentative Befragung der Deutschen Mannschaft der Olympischen Spiele von London 2012 durchgeführt. In einer Online-Befragung wurde erhoben, welche web-basierten Kommunikationsmöglichkeiten die Athleten nutzen, wie sie mit ihren Fans kommunizieren und welche Motivation sie aus der Kommunikation mit den Fans ziehen. Die Befragung 1 Diese Untersuchung wurde durch das European Institute for Media Optimization (Berlin) beauftragt, von der Zurich Versicherung finanziert und in Zusammenarbeit mit forum! Marktforschung, Mainz, durchgeführt. Wir danken dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) für seine Unterstützung bei der Kontaktierung der Athleten. 48 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web erfolgte kurz nach den Olympischen Sommerspielen. Die Ergebnisse zeigen einen starken Einfluss des Kommunikationsverhaltens der Sportler auf die erlebte Motivation: Je häufiger und umfangreicher sie Web- Plattformen für die FanKommunikation nutzen, desto stärker empfinden sie dies als motivierend für ihre eigenen sportlichen Wettkämpfe. Die Konsequenzen dieses Befunds für die Public Relations von Sportlern und für den Sportjournalismus werden abschließend diskutiert. 3.2 Einführung und Fragestellung Dass die Leistung von Athleten im Spitzensport nicht nur von zahlreichen physischen Variablen und äußeren Bedingungsfaktoren, sondern ebenso von sensiblen mentalen und psychischen Voraussetzungen abhängt, gilt als selbstverständlich (vgl. z.B. für einen Überblick Baumann 2009; Janssen 1995; Schlicht & Strauß 2009). Ebenso unbestritten ist, dass Athleten absolute Spitzenleistungen nur dann erbringen können, wenn eine überdurchschnittlich hohe Motivation vorhanden ist, die es erst ermöglicht, an den Rand der eigenen physischen Leistungsfähigkeit zu gehen (vgl. Baumann 2011, 28-45; Beckmann et al. 2009; Gabler 2000c, 2002; Tietjens 2006, 225-268; Stoll et al. 2010, 63-98). Als Beleg hierfür mag schon gelten, dass viele Athleten nicht im Training, sondern nur im Wettkampf in der Lage sind, tatsächlich Leistungen im Bereich internationaler Rekorde zu erbringen. Ebenso scheitern viele Weltrekordversuche z.B. bei Sprungwettbewerben in der Leichtathletik, wenn der Spitzenreiter erst nach Ausscheiden der Konkurrenz die Bestmarke angeht – weil eben die motivierende Anspannung des Wettkampfs plötzlich fehlt. Motivation ist also ein zentraler Baustein sportlicher Leistungsfähigkeit. Eine nicht ganz unwichtige Einflussgröße auf diese Motivation kann der Ansporn durch das Publikum sein: Anfeuernde Fans, so vermeinen viele Sportler es zu spüren, können zusätzliche Kräfte und Motivation freisetzen (vgl. Alfermann 2000, S.90ff.; Schlicht & Strauß 2003; 160ff.) – seien es die Gesänge der Heimkurve beim Fußball oder das Einführung und Fragestellung rhythmische Klatschen der Fans vor dem dritten und letzten Hochsprungversuch, sei es das frenetische Toben im Stadion bei der Ankunft des Marathonläufers oder sei es gar die schreiende Menschentraube auf Alpe d’Huez, durch die sich der Spitzenreiter der Tour de France quält. Doch auch wenn sowohl den Zuschauern wie den Sportlern diese Zusammenhänge intuitiv plausibel zu sein scheinen – die wissenschaftliche Befundlage zum Zuschauereinfluss auf die sportliche Leistung ist uneinheitlich, da für die Präsenz von Zuschauern nicht nur leistungssteigernde, sondern auch leistungshemmende Einflüsse nachgewiesen werden konnten (vgl. Alfermann & Würth 2009). Zudem ist immer noch unklar, über welche psychologischen Mechanismen diese Einflüsse, so sie auftreten, exakt funktionieren. Fest scheint nur zu stehen, dass es empirisch zwar nachweisbar den Heimvorteil z.B. beim Fußball gibt (Heimmannschaften haben eine statistisch erhöhte Siegeswahrscheinlichkeit), dass es aber wohl eine Vielzahl von intervenierenden Bedingungen hierfür zu geben scheint – wie etwa die Schwierigkeit der sportlichen Aufgabe, die Erwartungen und Kenntnisse des Publikums oder die psychologischen Wahrnehmungs- und Zuschreibungsprozesse beim Athleten selbst (bis hin zur self-fulfilling prophecy). Festhalten muss man somit: Der Zuspruch von Fans kann unter bestimmten Bedingungen für Spitzensportler eine motivationsfördernde Komponente sein (vgl. Alfermann & Würth 2009, 769). Diese mögliche Wirkung von Fans auf die sportliche Leistungsfähigkeit stand lange Jahre in krassem Gegensatz zu den faktisch verfügbaren kommunikativen Wegen, auf denen sich dieser Support der Fans tatsächlich Bahn zu den Sportlern brechen konnte. Letztlich war es für den Fan immer nur in der Live-Situation des Wettkampfs vor Ort möglich, sein „Fandom“ und seine Unterstützung für den Sportler sichtbar und spürbar zu machen. Außerhalb des Wettkampfs regierte lange die Einbahnstraße der klassischen Medienlandschaft: Die Fans konnten zwar etwas über ihren Sport-Star erfahren, der Sportler jedoch kaum etwas über seine Fans. Der Kontakt zu ihnen außerhalb der Wettkampfarena war in der Regel minimiert. Sportler, die in den großen Publikumssportarten zu Hause waren wie z.B. dem Fußball, konnten wenigstens noch Woche für Woche Reaktion, Feedback und Anfeuerung ihrer Fans erleben – für Sportler, die in eher randständigen Sportarten auftraten, reduzierte sich dieses Fanerlebnis hingegen 49 50 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web meist auf einen oder zwei publikumsträchtige Wettkämpfe im Jahr – etwa Europaund Weltmeisterschaften oder die Olympischen Spiele. Die Kommunikationskanäle, auf denen Fans ihre motivationssteigernde Unterstützung hätten übermitteln können, fehlten also im klassischen Mediensystem. Dies hat sich jedoch aufgrund der Möglichkeiten des Web 2.0 dramatisch gewandelt. Denn durch die mittlerweile allgegenwärtige Präsenz des Internets – und darunter insbesondere das Angebot der Social Media – haben sich für Akteure, die in der Öffentlichkeit stehen, die Bedingungen, Voraussetzungen und strategischen Notwendigkeiten ihrer Kommunikation entscheidend verändert (vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen Himmelreich 2014, in diesem Band). Wo früher Einbahnstraßen dominierten, wird jetzt interagiert; wo früher Botschaften massenmedial breit und mit hohen Streuverlusten platziert wurden, wird jetzt zielgruppenspezifisch angesprochen; wo es früher „one-to-many“ hieß und starre Gruppenkommunikation regierte, ist jetzt die fallweise individualisierte Kommunikation möglich. Obwohl die traditionellen Massenmedien wie Fernsehen, Zeitung und Radio noch immer eine große Reichweite und starkes Wirkpotenzial haben, neigen immer mehr Rezipienten dazu, individuelle Kontakte über Social Media zu einem wichtigen Teil ihres eigenen persönlichen Medienportfolios zu machen. Diese Veränderungen und ihre Folgen sind auf der Rezipientenseite in der Kommunikationswissenschaft schon eingehend untersucht – die Auswirkungen auf der Seite der Kommunikatoren wurden hingegen in der Forschung häufig vernachlässigt. Dies ist umso erstaunlicher, da diese Veränderungen eben längst nicht nur Auswirkungen auf die Medienmärkte und ihre Rezipienten haben – sie betreffen ebenso gravierend sämtliche öffentlichen Akteure im Mediensystem. Politiker, Künstler, Prominente oder Sportler – all diese öffentlichen Akteure sind nun in der Lage, zielgruppenspezifisch konzentriert über Twitter, Facebook oder YouTube-Channels mit der Öffentlichkeit oder Teilen davon zu kommunizieren, ohne auf die Anforderungen klassischer Massenmedien und die Selektionsmechanismen der dort arbeitenden Journalisten Rücksicht nehmen zu müssen. Diese voranschreitende Nutzung von Social Media durch öffentliche Akteure hat zwei gravierende Konsequenzen: Sie führt einerseits zu einer Einführung und Fragestellung erhöhten Responsivität öffentlicher Akteure und bewirkt andererseits einen Machtverlust der traditionellen Massenmedien. Der Begriff der Responsivität findet vor allem in der Politikwissenschaft Verwendung (vgl. Geißel 2004) und bezeichnet die Publikumsorientierung eines öffentlichen Akteurs. Erhöhte Responsivität bedeutet, dass zum einen die Erwartungen der Öffentlichkeit treffender wahrgenommen und besser verstanden werden, sowie zum anderen, dass das eigene Handeln und die eigenen kommunikativen Strategien stärker an diesen Erwartungen ausgerichtet werden. Fehlende Responsivität wird öffentlichen Akteuren oft vorgeworfen: Sie gelten dann als abgehoben und ohne Basisbezug. Zu hohe Responsivität führt jedoch ebenfalls zu Kritik, da solchen Akteuren z.B. auf dem Feld der Politik dann ein zu populistisches oder z.B. in der Kunst ein zu marktorientiertes Verhalten vorgeworfen wird. Öffentliche Akteure sollten also stets nur zu einem gewissen Maß responsiv handeln. Neben der Steigerung der Responsivität haben die neuen web-basierten Kommunikationskanäle gleichzeitig die klassischen Massenmedien um einen Teil ihres Einflusses beraubt. Für den öffentlichen Akteur ist es unter den neuen Gegebenheiten nicht mehr zwingend notwendig, den Kontakt zur Öffentlichkeit über beispielsweise die Zeitung oder das Fernsehen zu suchen. Die eigenen Anhänger sind über Twitter oder Facebook genauso gut, mit weniger Aufwand, schneller und selbstbestimmter zu erreichen. Damit sinkt auch die Notwendigkeit, die eigene Außendarstellung auf die Selektionsmechanismen der klassischen Medien abzustimmen. Ein Durchdringen zu den eigenen Anhängern ist nun auch ohne diese Voraussetzung möglich – und je mehr die Stars in diese direkten Möglichkeiten der direkten Kommunikation investieren, umso geringer wird ihre Abhängigkeit vom klassischen Medienbetrieb. Und umgekehrt bieten Social Media dem Fan eine ideale Plattform, sein „Fandom“ auszuleben (vgl. Becker & Daschmann 2015). Beide Vorgänge lassen sich im Bereich der Sportkommunikation besonders gut beobachten: Einerseits sind Athleten durch Werkzeuge wie eigene FacebookSeiten, Twitter-Accounts, eigene Homepages oder Blogs und Foren nun in der Lage, über das Internet direkt mir ihren Fans Kontakt aufzunehmen. Sie sind in 51 52 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web der Lage, sich mit den Fans zu unterhalten, sie können nachvollziehen, wie sie beim Publikum wahrgenommen werden und können sich mit unterstützenden wie auch kritischen Stimmen aus der Fangemeinde auseinandersetzen. Andererseits versetzen die web-basierten Kommunikationsmöglichkeiten den Sportler in die Lage, seinen Fans zu erläutern, welche Ziele er sich setzt, wie seine aktuellen Leistungen zustande kommen und welche Trainingsschritte er plant. Die Bedeutsamkeit dieser Kommunikation für den Athleten dürfte – wie oben bereits angerissen – von der öffentlichen Prominenz der spezifischen Sportart abhängig sein. In den großen Publikumssportarten werden diese Plattformen weniger von Bedeutung sein – hier sind die Sportler jedes Wochenende durch Erlebnisse vor Ort wie auch intensive Medienberichterstattung über die Erwartungen und den Zuspruch ihrer Fans bestens informiert – sogar das Training wird von hunderten von Fans besucht. In randständigen Sportarten dürften diese Kommunikationsmöglichkeiten hingegen völlig neue Perspektiven eröffnen. Denn mit Ausnahme weniger sportlicher Großereignisse besteht hier der Alltag der Athleten aus harten Trainings- und Vorbereitungszeiten, die nahezu unter Ausschluss des Publikums stattfinden. Für diese Athleten bedeutet der Kontaktweg via Internet also eine völlig neue Zugangsmöglichkeit zu den eigenen Fans und den Botschaften, die diese transportieren. Wenn diese Annahmen stimmen, dann müsste für Athleten, die nicht in den absolut dominanten Publikumssportarten aktiv sind, die Kommunikation mit den eigenen Fans über das Internet positive Effekte haben. Denn im Gegensatz zu der früheren durch die klassischen Massenmedien bedingten Trennung von seinen Fans hat der Sportler nun täglich Gelegenheit, die Ansichten, Kritiken und Anfeuerungen seiner Fans im Netz authentisch und ungefiltert zu erleben. Es scheint plausibel, anzunehmen, dass – besonders während der langen Trainingsphasen – diese tägliche Fankommunikation einen Einfluss auf die Motivation des Sportlers haben kann: Tägliche kurze unterstützende Fankommentare, beispielsweise über Facebook oder auf dem Gästebuch der eigenen Homepage, setzen vermutlich täglich kleine motivierende Stimuli frei – es sind quasi kleine psychologische Leistungskörner, die dem Athleten möglicherweise das disziplinierte Durchhalten der harten Trainingsphase erleichtern. Aus diesen Überlegungen leitet sich somit die Grundthese der vorliegenden Studie ab: Es wird Methode davon ausgegangenen, dass Sportler in weniger populären Sportarten aus der internetbasierten direkten Kommunikation mit ihren Fans vermehrt motivierende Impulse mitnehmen. Falls diese Grundannahme stimmt, müssten Sportler, die einen aktiveren und fanbezogenen Umgang mit den Instrumenten des Web 2.0 zeigen, auch eine stärkere Motivation durch diese Fankommunikation verspüren. Um diese Annahme zu überprüfen, wurde eine repräsentative Online-Befragungsstudie mit der gesamten Deutschen Mannschaft2 der Olympischen Sommerspiele von London 2012 durchgeführt. Das spezielle Fragebogendesign ermöglichte es, folgende Forschungsfragen zu untersuchen: Führt die direkte Interaktion mit Fans über Web-2.0-Kanäle … 1. … zu einem messbaren Einfluss auf die subjektiv wahrgenommene Motivation des Athleten? 2. … zu konkreten Vorstellungen des Athleten von seinen Fans und ihren Erwartungen? 3. … zu einer zu großen Belastung und zu hohem Zeitaufwand und überfordert daher den Athleten? 3.3 Methode Untersuchungsdesign Die obigen Forschungsfragen postulieren einen Kausalzusammenhang zwischen dem interaktiven Fankontakt des Sportlers über Social Media und der hieraus 2 Der Begriff „Mannschaft“ ist ein feststehender Terminus des DOSB. Er schließt auch die weiblichen Olympia-Teilnehmer mit ein. 53 54 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web wahrgenommenen Motivation des Athleten. Aus dieser Logik heraus wäre somit eigentlich ein experimentelles Design notwendig, um die Annahmen zu testen. Beispielsweise, in dem man eine Gruppe von Alltagspersonen in zwei Versuchsgruppen randomisieren und für beide Gruppen die empfangene Fankommunikation systematisch manipulieren und somit variieren würde. Ein solcher Ansatz ist allerdings mit Blick auf die spezielle Charakteristik der zu untersuchenden Zielgruppe kaum möglich. Denn die Studie soll etwas über Spitzensportler aussagen, und diese dürften sich nicht nur in ihren sportlichen Leistungen, sondern in vielerlei weiteren Aspekten von einer Durchschnittsstichprobe der Bevölkerung unterscheiden. Spitzensportler sind in einer hervorragenden physischen Verfassung, sie weisen eine überdurchschnittlich starke Zielfokussierung in ihrem Handeln auf, sie sind disziplinierter und willensstärker, wenn es darum geht Widerstände zu überwinden, und zumindest einige von ihnen sind Prominente mit einem hohen Einkommen. Aus diesem Grunde scheint es wenig sinnvoll, Verhaltensweisen dieser Gruppe mit einer Stichprobe von Alltagspersonen zu vergleichen. Eine valide Aussage über die postulierten Zusammenhänge kann somit nur anhand der Untersuchung einer tatsächlichen Stichprobe von Athleten erfolgen. Greift man auf eine solche Stichprobe echter Spitzensportler zurück, handelt es sich damit jedoch zwangsläufig auch um Versuchspersonen, deren Nutzung interaktiver Web-Angebote und deren Fankommunikation bereits nach eigenen Vorstellungen entwickelt und gegeben ist, so dass eine für die Probanden glaubwürdige experimentelle Variation dieser Variablen schlichtweg nicht möglich erscheint. Aus diesem Grund wurde ein quasi-experimentelles Befragungsdesign gewählt: Eine Stichprobe aktiver Spitzensportler wurde in einer quantitativen Befragung nach ihrer aktiven Internet-Nutzung (Kanäle und kommunikatives Verhalten) und ihren Fankontakten im Netz gefragt. Zusätzlich wurden die Wahrnehmung der eigenen Fans, die durch Fankommunikation empfundene Belastung sowie die verspürte Motivation durch Fankontakt erhoben. Sollte der in Forschungsfrage 1 postulierte Zusammenhang zutreffen, so müsste sich eine Korrelation zwischen aktiver Netznutzung und wahrgenommener Motivation zeigen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass es das Design der Studie nicht erlaubt, die Kausalität des Zusammenhangs zu prüfen. Ob Methode Fankontakt die Motivation steigert, oder ob motivierte Sportler eher den Fankontakt suchen, lässt sich mit dieser Studie nicht zweifelsfrei beantworten. Hierfür wäre ein Panel-Design über mehrere Jahre nötig, das den Wandel der untersuchten Variablen über die Zeit in einem Cross-lagged-Correlation-Design untersucht. Ein solcher Ansatz ist wünschenswert, lag aber außerhalb der finanziellen Möglichkeiten dieser Studie. Die Befragung wurde beauftragt vom „European Institute of Media Optimization“ (EIMO) und finanziert von der Zurich Versicherung, die als Sponsor und Partner-Versicherung der Deutschen Olympia-Mannschaft fungiert. Die Durchführung erfolgte durch die forum! Marktforschung GmbH, Mainz. Unterstützung leistete zudem der DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund), der bei der Kontaktaufnahme und dem E-Mail-Versand der Befragungslinks hilfreich zur Seite stand. Messinstrument Der Fragebogen bestand aus drei Teilen: Der erste Teil erhob, welche Web2.0-Werkzeuge (z.B. Facebook-Profil, Twitter-Account, eigene Homepage usw.) die Sportler in ihrer Alltagskommunikation wie häufig für welchen kommunikativen Zweck verwenden und welche Rolle hierbei die Fankommunikation spielt. Der zweite Teil sollte erstens die Motivation messen, die die Sportler aufgrund von Fankommunikation erleben, zweitens die Vorstellungen, die die Sportler von ihren Fans haben sowie drittens, ob die Kommunikation mit den eigenen Fans als anstrengend erlebt wird. Die Umsetzung dieser drei Dimensionen war eine der zentralen methodischen Herausforderungen der vorliegenden Studie. Zwar existieren in der Sportpsychologie zahlreiche anerkannte Instrumentarien zur Messung von Leistungsmotivation, aber diese Inventare wären einerseits für die vorliegende Untersuchung zu umfangreich gewesen (vgl. für einen Überblick Beckmann et al. 2009, 538), und andererseits erfassen sie in der Regel nicht den Aspekt der motivationsfördernden Wahrnehmung des Publikums durch den Athleten. 55 56 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Um dieses Problem zu lösen, wurden den Befragten eigens konstruierte Aussagen zum Verhalten von Fans, zur Beziehung eines Sportlers zu seinen Fans sowie zur Motivation durch Fans vorgelegt, zu denen sie ihre Zustimmung anhand von fünfstufigen Likert-Skalen angeben sollten; der genaue Wortlaut der Items ist den Schaubildern im Ergebnisteil zu entnehmen. Für jede der drei genannten Dimensionen wurden so Indikatoren entwickelt, die aus mehreren dieser LikertSkalen bestanden. Der dritte Teil des Fragebogens erhob soziodemographische Eigenschaften (Alter, Geschlecht, Bildung) und die jeweils ausgeübte Sportart. Pretest und Durchführung Vier Wochen vor den Londoner Olympischen Spielen im Sommer 2012 wurde der Fragebogen einem Pretest unterzogen. Hierfür wurde eine Stichprobe von knapp 50 deutschen Athleten befragt, die nicht für die Spiele qualifiziert waren. Den Athleten wurde von einer Absende-Adresse der Johannes Gutenberg-Universität Mainz per E-Mail der Link zum Online-Fragebogen zugesandt. Die Ergebnisse des Pretests zeigten in der Tat eine starke Korrelation zwischen interaktivem Fankontakt und der wahrgenommenen Motivation. Einige wenige Items zur Messung der Mediennutzung bzw. der Motivation zeigten nach Cronbach’s Alpha eine zu geringe Reliabilität zum jeweiligen Zielkonstrukt und wurden daher für die Hauptstudie durch neue Items ersetzt. Zwei Monate nach den Olympischen Spielen versandte der DOSB per E-Mail einen Teilnahmeaufruf an alle Athleten, die an den Londoner Spielen teilgenommen hatten (n= 386). Wie der Pretest konnte auch der Fragebogen der Hauptstudie direkt durch einen Link im Teilnahmeaufruf angeklickt werden. Anfang 2013 wurde ein Reminder für die Teilnahme versandt. Jeder Athlet konnte nur einmal teilnehmen, alle Daten wurden vollständig anonym erhoben und abgespeichert. Diese Befragung ist somit die erste Studie, in der eine komplette Olympische Mannschaft über ihr Kommunikationsverhalten, ihre Fanwahrnehmung und ihre empfundene Motivation befragt wurde. Ergebnisse 57 3.4 Ergebnisse Beschreibung der Stichprobe Insgesamt nahmen 89 von 386 (23%) angeschriebenen Athleten an der Befragung teil. 45 (51%) davon sind männlich, das Durchschnittsalter lag bei 26 Jahren. Die Teilnehmer sind überdurchschnittlich hoch gebildet: 83% haben das Abitur und 31% verfügen zusätzlich über einen akademischen Abschluss. Alle Befragten haben aktiv an den Spielen in London teilgenommen, und 41% waren schon bei den vorausgegangenen Olympischen Spielen angetreten. Die Sportarten der Athleten sind innerhalb der Stichprobe sehr vielfältig: Verschiedene Spezialdisziplinen der Leichtathletik, Turnen, Schwimmen, Sportschützen und Ballsportarten waren am häufigsten vertreten. Da einige Disziplinen nur sehr gering besetzt sind, werden die Sportarten mit Rücksicht auf die Wahrung der Anonymität der Befragten hier nicht in einer separaten Tabelle ausgewiesen. Alle befragten Sportler geben an, das Internet mindestens zwei- bis dreimal Abb. 1: Soziale Netzwerke werden für Sportler immer wichtiger „Welche Medien sind für Sie persönlich im Kontakt zur Öffentlichkeit die drei wichtigsten?“ 87% Fernsehen 71% Tageszeitungen (überregional / regional) 42% Soziale Netzwerke wie Facebook etc. 25% Nachrichtenagenturen 23% Hörfunk 19% Offizielle Webseiten meines Sportverbands 14% Publikumszeitschriften 10% Spezielle Zeitschriften meiner Sportart Sportzeitschriften (Kicker etc.) Basis: Alle Befragten; Mehrfachantworten möglich 5% 58 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web in der Woche zu benutzen; 98% geben sogar an, dies täglich zu tun. Hier zeigt sich deutlich, dass die Sportler als relativ junge Stichprobe eindeutig ein Teil der digitalen Generation sind. Dies drückt sich auch in der Bewertung der einzelnen Mediengattungen aus: Nach Ansicht der Athleten sind Social Media – nach Fernsehen und Zeitungen – der drittwichtigste Weg (42%) für sie, um den Kontakt zur Öffentlichkeit aufzunehmen (vgl. Abb. 1). Nachrichtenagenturen, Radio und Magazine bleiben weit abgeschlagen dahinter zurück. Prüfung der Forschungsfragen Auch wenn die Sportler also eine klare Online-Affinität zeigen, muss dies nicht notwendigerweise bedeuten, dass sie das Internet auch aktiv nutzen. Schließlich ist auch eine rein passive, lesende Nutzung denkbar, ohne eigene Botschaften abzusenden oder eigene Inhalte hochzuladen. Zur Prüfung der Forschungsfragen ist es allerdings notwendig, zwischen aktiver und eher passiver Online-Nutzung zu unterscheiden. Hierfür wurden zwei Indikatoren herangezogen: Es wurde erhoben, über wie viele und welche interaktiven Web-Plattformen die Sportler kommunizieren. Es wurde erhoben, welche aktiven und passiven Verhaltensweisen sie auf diesen Plattformen regelmäßig praktizieren. Die Ergebnisse zeigen, dass nahezu alle Athleten (89%) ein eigenes Social Media-Profil besitzen, und dass die Mehrheit (56%) ebenso über eine eigene Website verfügt (vgl. Abb. 2). Twitter-Accounts und eigene YouTube-Channels nennt hingegen nur eine Minderheit ihr Eigen. Die Tatsache, dass nahezu alle Athleten über ein eigenes Social MediaProfil verfügen, scheint den Schluss nahezulegen, dass sie die Möglichkeiten der Online-Kommunikation besonders aktiv nutzen. Betrachtet man allerdings die Kommunikationsaktivitäten der Sportler näher, stellt man fest, dass dies ein Ergebnisse 59 Abb. 2: Soziale Netzwerke sind das wichtigste Tool im Web „Welche Kanäle setzen Sie ein, um im Internet aktiv Informationen für andere anzubieten?“ 89% Profil in Facebook o. anderem soz. Netzwerk 56% Eine eigene Website 31% Einen eigenen Twitter-Account Einen eigenen YouTube-Kanal 15% Ein eigenes Weblog 14% Eigene Seite auf Foto-Hosts wie z.B. FlickR 5% Basis: Alle Befragten (5-stufige Likert Skalen – sehr oft, häufig, hin und wieder, selten, nie) Trugschluss ist. Die vier häufigsten Web-Aktivitäten, die die Athleten nach eigener Auskunft regelmäßig zeigen, sind alle passiver Natur: Der Besuch offizieller Verbands-Websites, das Checken der eingegangenen Nachrichten sowie der Besuch der Profile anderer User oder anderer Athleten sind die dominanten Verhaltensweisen (vgl. Abb. 3). Nur gut die Hälfte der Sportler gibt an, von Zeit zu Zeit Informationen im eigenen Social Media-Profil zu posten oder Bilder von sich selbst im Netz hochzuladen. Weniger als die Hälfte kümmert sich regelmäßig um ein Update der eigenen Website und nur ein Drittel chattet mit anderen Usern auf Social Media-Plattformen. Und nur jeder Fünfte versorgt seine Follower regelmäßig mit „Tweets“. Die befragten Sportler nutzen also sehr viele unterschiedliche digitale Kommunikationsplattformen, die auch ein hohes interaktives Potenzial besitzen. Doch nur knapp die Hälfte der Athleten schöpft dieses interaktive Potenzial tatsächlich aus. Die andere Hälfte hingegen verkehrt auf diesen Plattformen mehr oder weniger passiv – d.h. Informationen suchend und aufnehmend, jedoch ohne selbst aktiv Informationen hochzuladen oder zur Verfügung zu stellen und ohne mit anderen Personen dauerhaft zu interagieren. Diese Unterschiede der befragten Sportler in ihrem Kommunikationsverhalten ermöglichen es, 60 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Abb. 3: Nicht alle Kanäle werden regelmäßig aktiv genutzt „Welche der folgenden Kommunikationsmöglichkeiten im Web nutzen Sie selbst aktiv?“ 83% 76% Ich besuche regelmäßig die Website meines Verbands/Vereins Ich schaue nach neuen Nachrichten auf meiner Website/meinem Profil Ich besuche Profile von anderen Usern in sozialen Netzwerken Ich besuche Webseiten anderer Sportler Ich poste Informationen in meinem eigenen Social-Media-Profil Ich stelle neue Bilder von mir ins Netz Ich aktualisiere oder pflege meine Website und lade neue Inhalte hoch Ich chatte mit anderen Usern in meinem eigenen Social-Media-Profil Ich lese regelmäßig eingehende Tweets Ich chatte mit anderen Usern in deren eigenen Social-Media-Profilen Ich verschicke Tweets an meine Follower Ich stelle Videos von mir ins Netz Ich schreibe Beiträge in Diskussionsforen meines Verbands Ich schreibe Beiträge in meinem eigenen Weblog Ich nehme an Diskussionen in Internet-Foren und Weblogs teil 66% 58% 57% 54% 49% 37% 35% 27% 21% 18% Anteil der Befragten, der die 12% angegebene Möglichkeit 11% zumindest hin und wieder 7% aktiv nutzt Basis: Alle Befragten (5-stufige Likert Skalen – sehr oft, häufig, hin und wieder, selten, nie) innerhalb der Stichprobe trennscharf und sinnvoll zwischen eher aktiven und eher passiven Netznutzern abzugrenzen, um in der weiteren Analyse dann zu prüfen, ob und wie sich diese eher aktive oder passive Nutzung auf die Fankommunikation dieser Sportler auswirkt. Um eine solche Abgrenzung zu ermöglichen, wurde ein Index der Social Media-Aktivität gebildet (im Folgenden: Social Media-Score). Der Social MediaScore basiert auf der Anzahl der interaktiven Webplattformen, die vom jeweiligen Sportler genutzt werden, jede sowohl gewichtet mit der Dauer, mit der diese bislang vom Sportler genutzt wird (auf einer Skala von weniger als sechs Monaten bis mehr als zwei Jahre); als auch gewichtet mit der Häufigkeit, mit der diese Kanäle tatsächlich für aktives Kommunikationsverhalten genutzt werden. Der daraus resultierende Index reicht von 0 bis 20, mit einem Mittelwert von 4,5 (SD = 3,64) und ist offensichtlich gut geeignet, um trennscharfe Kontrastgruppen zu bilden: Teilt man die Gesamtheit der Befragten am Median (3,0) des Social Media-Score in zwei Kontrastgruppen mit niedriger bzw. hoher Social Media-Aktivität auf (Median Split), zeigen die beiden so gebildeten Gruppen klare Unterschiede in der Nutzung der Kommunikationskanäle und in ihrem Kommunikationsverhalten. So haben alle aktiven Social Media-Nutzer ein Ergebnisse 61 Profil in einem sozialen Netzwerk, während nur drei Viertel der passiven Nutzer darüber verfügen (vgl. Abb. 4). Ebenso verfügt mehr als die Hälfte der „Aktiven“ über weitere Tools wie Twitter-Accounts, Weblogs oder YouTube-Kanäle, während von den „Passiven“ keiner der Sportler solche Tools verwendet. Ebenso geben mehr als drei Viertel der „Aktiven“ an, selbst Informationen oder Bilder von sich im Web hochzuladen oder zu präsentieren (vgl. Abb. 5), während unter den „Passiven“ nur eine kleine Minderheit solche Aktivitäten zeigt. Abb. 4: Aktive und weniger aktive Nutzung von Social Media-Kanälen Vergleich von Sportlern, die Social Media-Plattformen eher aktiv bzw. eher passiv nutzen* Profil in Facebook o. anderem soz. Netzwerk 77% 100% 50% 46% Eine eigene Website Einen eigenen Twitter-Account 0% Einen eigenen YouTube-Kanal 0% ein eigenes Weblog 0% Eigene Seite auf Foto-Hosts wie z.B. FlickR 0% 29% 14% 7% 7% Sportler mit hoher Social-Media-Aktivität Sportler mit geringer Social-Media-Aktivität Basis: Alle Befragten; 5-stufige Likert-Skalen (sehr oft, häufig, hin und wieder, selten, nie); *Median-Split anhand eines Index aus der Häufigkeit der verschiedenen Social Media-Aktivitäten, gewichtet nach deren Interaktionspotenzial Bevor geprüft wird, ob die mittels des dargestellten Index erhobene Social Media-Aktivität tatsächlich einen Einfluss darauf hat, ob aus der Konversation mit Fans ein Motivationserlebnis gezogen wird, ist es zunächst hilfreich, die neu verwendeten Skalen zur Bewertung der Fankommunikation und zur Messung daraus resultierender Motivation für die Gesamtheit der befragten Athleten zu betrachten. Der erste Befund, der sich hierbei ergibt: Die Sportler erleben Fankommunikation über das Web als äußerst positiv. In der internetgestützten Interaktion mit ihren Fans schauen die meisten Athleten kaum auf schlechte Erfahrungen zurück: Drei Viertel der Sportler geben an, dass der Großteil dessen, was in Social Media über sie gepostet werde, positiv und motivierend sei. 62 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Abb. 5: Sportler als aktive und weniger aktive Social Media-Nutzer Vergleich von Sportlern, die Social Media-Plattformen eher aktiv bzw. eher passiv nutzen* Ich besuche regelmäßig die Website meines Verbands/Vereins Ich schaue nach neuen Nachrichten auf meiner Website/meinem Profil Ich besuche Profile von anderen Usern in sozialen Netzwerken Ich besuche Webseiten anderer Sportler Ich poste Informationen in meinem eigenen Social-Media-Profil Ich stelle neue Bilder von mir ins Netz Ich aktualisiere oder pflege meine Website und lade neue Inhalte hoch Ich chatte mit anderen Usern in meinem eigenen Social-Media-Profil Ich lese regelmäßig eingehende Tweets Ich chatte mit anderen Usern in deren eigenen Social-Media-Profilen Ich verschicke Tweets an meine Follower Ich stelle Videos von mir ins Netz Ich schreibe Beiträge in Diskussionsforen meines Verbands Ich schreibe Beiträge in meinem eigenen Weblog Ich nehme an Diskussionen in Internet-Foren und Weblogs teil Sportler mit hoher Social-Media-Aktivität 93% 77% 100% 70% 54% 86% 15% 79% 23% 31% 43% 86% 23% 64% 0% 57% 15% 0% 7% 29% 0% 0% 0% 0% 100% 77% 79% 8% 7% 36% Anteil der Befragten, der die angegebene Möglichkeit zumindest hin und wieder aktiv nutzt Sportler mit geringer Social-Media-Aktivität Basis: Alle Befragten; 5-stufige Likert-Skalen (sehr oft, häufig, hin und wieder, selten, nie); * Median-Split anhand eines Index aus der Häufigkeit der verschiedenen Social Media-Aktivitäten, gewichtet nach deren Interaktionspotenzial Und nur weniger als 16 Prozent können davon berichten, es sei auch schon Verletzendes über sie geschrieben worden. Der „Shitstorm“, der immer wieder gerne durch Social Media-Plattformen befürchtet wird, ist also die Ausnahme: Die Kommunikation mit den Fans im Netz wird in erster Linie extrem positiv erlebt. Auch den Items, die die Motivation durch Fankontakt messen sollten, stimmt die Mehrheit der Athleten einhellig zu: Sie alle finden es „unglaublich bewegend, jubelnden Fans gegenüber zu stehen“, sie alle geben an, mehr Selbstsicherheit zu verspüren, wenn „die Fans hinter mir stehen“, und zumindest die Hälfte von ihnen gibt an, Bestleistungen nur „mit Anfeuerungen der Fans“ erbringen zu können (vgl. Abb. 6). Dabei ist es für die weiteren Ausführungen unerheblich, ob diese von den Sportlern wahrgenommenen Einflüsse auf die Leistung tatsächlich vorhanden sind oder ob sie nur auf subjektiven Attributionen der Athleten beruhen – denn beides kann faktisch positive Leistungseffekte auslösen. Aber obwohl die Fans einerseits als leistungsfördernd wahrgenommen werden, scheinen andererseits die Sportler nicht sehr viel über diese Fans zu wissen: Die Mehrheit gibt an, dass sie sich nicht vorstellen könne, „wie meine Fans so sind“; und nahezu die Hälfte der Athleten nimmt sie nur als eine „anonyme Masse“ Ergebnisse 63 wahr. Und etwa ein Drittel konstatiert schließlich, die Kommunikation mit den Fans sei „furchtbar anstrengend“. Abb. 6: Fans sind für Sportler motivierend, aber auch Belastung „Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zum Verhältnis von Fans und Sportlern zu?“ 99% Jubelnden Fans gegenüberzustehen, ist unglaublich bewegend 92% Wenn meine Fans hinter mir stehen, macht mir das gleich mehr Mut 78% Man bringt seine Leistung nicht fürs Publikum, sondern für die eigene Karriere 62% Ich kann mir nicht vorstellen, wie meine Fans so sind Ich habe eine sehr große Fan-Gemeinde 56% Ich weiß genau, wie meine Fans über mich denken 56% 56% Meine Fans haben mich so motiviert, dass ich mir mehr vorgenommen habe 51% Ohne Anfeuerung der Fans kann ich keine Höchstleistungen bringen Fans sind für mich nur eine anonyme Masse 47% Die Reaktionen meiner Fans sind für mich zusätzliche Motivation 47% Im Grunde ist die Kommunikation mit Fans furchtbar anstrengend 33% Wenn es schlecht läuft, haben die Fans zu wenig Verständnis 32% Anteil der Befragten, der der jeweiligen Aussage zumindest teilweise zustimmt Basis: Alle Befragten; 5-stufige Likert-Zustimmungs-Skalen Die in Abbildung 6 illustrierten Aussagen über die Athleten-Fan-Beziehung waren nach theoretischen Überlegungen entwickelt worden. Insgesamt sollten diese Aussagen drei verschiedene inhaltliche Dimensionen dieser Beziehung messen: a) die durch Fankontakt entstehende Motivation, b) die Konkretheit der Vorstellungen, die der Sportler von seinen Fans hat, und c) die durch diese Beziehung entstehende wahrgenommene Belastung. Folgerichtig wurden die Items theoriegeleitet zu Indices für diese drei Dimensionen zusammengefasst, die Skalenreliabilitäten (Cronbach’s Alpha) lagen hierfür zwischen .68 und .79. Die drei resultierenden Indices heißen „Motivation durch Fans”, „Kenntnis der Fans” und „Belastung durch Fans”. Schaubild 7 verdeutlicht durch farbliche Markierungen, welche der verschiedenen Likert-Skalen welchem der drei Indikatoren zugeordnet wurde. 64 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Abb. 7: Drei Dimensionen der Fanwahrnehmung durch Sportler „Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zum Verhältnis von Fans und Sportlern zu?“ 99% Jubelnden Fans gegenüberzustehen, ist unglaublich bewegend 92% Wenn meine Fans hinter mir stehen, macht mir das gleich mehr Mut 78% Man bringt seine Leistung nicht fürs Publikum, sondern für die eigene Karriere 62% Ich kann mir nicht vorstellen, wie meine Fans so sind Ich habe eine sehr große Fan-Gemeinde 56% Ich weiß genau, wie meine Fans über mich denken 56% 56% Meine Fans haben mich so motiviert, dass ich mir mehr vorgenommen habe 51% Ohne Anfeuerung der Fans kann ich keine Höchstleistungen bringen Fans sind für mich nur eine anonyme Masse 47% Die Reaktionen meiner Fans sind für mich zusätzliche Motivation 47% Im Grunde ist die Kommunikation mit Fans furchtbar anstrengend 33% Wenn es schlecht läuft, haben die Fans zu wenig Verständnis 32% Basis: Alle Befragten; 5-stufige Likert-ZustimmungsSkalen Motivation durch Fans Kenntnis der Fans Anteil der Befragten, der der jeweiligen Aussage zumindest teilweise zustimmt Belastung durch Fans Aufgrund dieser Verdichtung der Variablen lässt sich nun ein möglicher Zusammenhang zwischen der Aktivität der Social Media-Nutzung und der „Motivation durch Fans“, der „Kenntnis der Fans“ sowie der „Belastung durch Fans“ durch einfache Korrelationen zwischen dem Social Media-Score und den soeben gebildeten Indices prüfen. Für den Index „Belastung durch Fans” ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen von Social Media-Nutzern. Sportler mit hoher Social Media-Aktivität nehmen also ihre Fans und die Kommunikation mit ihnen als nicht belastender und anstrengender wahr als diejenigen Athleten, die diese Social Media-Aktivitäten nicht zeigen. Dies ist insofern bemerkenswert, da die Social Media-„Aktiven“, wie bereits gezeigt, sich im Rahmen ihrer Web-Kommunikation durchaus mit anderen Usern, also auch vermutlich mit Fans, austauschen und auf Social Media-Profilen mit ihnen kommunizieren – während die „Passiven“ all dies nicht tun. Diese Kommunikation wird also offensichtlich – auch wenn sie Zeit kosten mag – nicht als Belastung empfunden. Die anderen beiden Indices zeigen signifikante Korrelationen zur Social Media-Nutzung: Je aktiver die Sportler in den Social Media unterwegs sind, 65 umso eher glauben sie, einschätzen zu können, wie ihre Fans wirklich sind („Kenntnis der Fans“/Social Media-Score r(87) = .253, p < .05), und umso eher fühlen sie sich durch den Kontakt zu diesen Fans motiviert („Motivation durch Fans“/ Social Media-Score r(87) = .363, p < .001). Beide Korrelationen sind signifikant bzw. hochsignifikant. Während die Korrelationskoeffizienten nur den Zusammenhang beschreiben, lässt sich die Stärke des Einflusses der Social MediaNutzung auf die beiden Indices durch einfache lineare Regressionen abbilden. Wie Abbildung 8 verdeutlicht, lässt sich sowohl die durch Fankontakt wahrgenommene Motivation (β = .363, t(87) = 3.52, p < .01.) als auch die erhöhte Kenntnis der Fans (β = .253, t(87) = 2.37, p < .05.) aufgrund der Social MediaNutzung vorhersagen. Der Anteil der erklärten Varianz bei unterstellten linearen Zusammenhängen beträgt 12 bzw. 5 Prozent (korrR2 Motivation = .12, F(1, 88) = 12.4, p < .01 beziehungsweise korrR2 Fankenntnis = .05, F(1, 88) = 5.6, p < .05). Abb. 8: Aktive Social Media-Nutzer erleben mehr Fanmotivation Motivation und Fankenntnis von Sportlern nach deren aktiver Social Media-Nutzung* Index der Motivation durch Fans Index der Social Media-Aktivität Index der Fankenntnis Index der Social Media-Aktivität Basis: Alle Befragten; Mittelwerte der gebildeten Indizes; Motivation/Fankenntnis: Mittelwerte aus aggregierten fünfstufigen Likert-Zustimmungs-Skalen; *Social Media-Nutzung: Index aus der Häufigkeit der verschiedenen Social Media-Aktivitäten, gewichtet nach deren Interaktionspotenzial Der in Abbildung 8 statistisch aufgeführte Zusammenhang zwischen Social Media-Nutzung und Fanbeziehung wird greifbarer, wenn man die Fanwahrnehmung der aktiven und passiven Social Media-Nutzer miteinander vergleicht. 66 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Dies ist in Abbildung 9 aufgeführt. Deutlich ist hier abzulesen, dass die „Aktiven“ einen stärkeren Fanbezug haben: Sie stimmen allen positiven Aussagen über Fans stärker zu als die „Passiven“. Nur zwei Items erhielten von den „Passiven“ stärkere Zustimmung: „Die Fans sind für mich nur eine anonyme Masse“ sowie „Man bringt seine Leistung nicht fürs Publikum, sondern für die eigene Karriere“. Die „Passiven“ stimmen also genau den publikumsfernen und fankritischen Aussagen zu. Abb. 9: Social Media-Nutzung steigert die Motivation durch Fans „Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zum Verhältnis von Fans und Sportlern zu?“ Jubelnden Fans gegenüberzustehen, ist unglaublich bewegend 85% Wenn meine Fans hinter mir stehen, macht mir das gleich mehr Mut Ich habe eine sehr große Fan-Gemeinde 39% Ich weiß genau, wie meine Fans über mich denken 39% 15% 79% 54% 29% Fans sind für mich nur eine anonyme Masse Die Reaktionen meiner Fans sind für mich zusätzliche Motivation 64% 39% 64% 23% 36% 31% Im Grunde ist die Kommunikation mit Fans furchtbar anstrengend Wenn es schlecht läuft, haben die Fans zu wenig Verständnis 57% 50% Ohne Anfeuerung der Fans kann ich keine Höchstleistungen bringen Sportler mit hoher Social-Media-Aktivität 85% 50% 46% Ich kann mir nicht vorstellen, wie meine Fans so sind Meine Fans haben mich so motiviert, dass ich mir mehr vorgenommen habe 93% 69% 64% Man bringt seine Leistung nicht fürs Publikum, sondern für die eigene Karriere 93% 15% Anteil der Befragten, der der jeweiligen Aussage zumindest teilweise zustimmt 29% Sportler mit geringer Social-Media-Aktivität Basis: Alle Befragten; 5-stufige Likert-Zustimmungs-Skalen; *Median-Split anhand eines Index aus der Häufigkeit der verschiedenen Social Media-Aktivitäten, gewichtet nach deren Interaktionspotenzial Die bisher dargelegten Unterschiede der aktiven und passiven Social MediaNutzer bezüglich ihrer Fankommunikation spiegeln sich auch in einer weiteren Analyse wider: Beide Gruppen nutzen das Internet zu ganz unterschiedlichen Zwecken (vgl. Abb. 10). Während die passiven das Netz hauptsächlich zu internen Zwecken nutzen, also um ihre Team-Kommunikation zu organisieren, geben die Hälfte der Aktiven zusätzlich an, auch die Kommunikation mit den Fans dort zu suchen. Fankommunikation spielt hingegen bei den „Passiven“ überhaupt keine Rolle: Sie findet schlichtweg nicht statt. Zusammenfassung und Diskussion 67 Abb. 10: Aktive Social Media-Nutzer haben andere Motive „Zu welchem Zweck nutzen Sie wie häufig das Internet?“ 43% Um den Kontakt zu meinen Betreuern, Trainern oder Beratern zu halten 69% Um regelmäßig die neuesten Informationen über meine Sportart zu finden 62% Um mich mit anderen Sportlern meines Teams auszutauschen 86% 46% Um zu erfahren, was über mich in den Medien zu finden ist 31% Um zu sehen, welchen Leistungsstand meine Konkurrenten haben 43% 8% Um aktiv mit meinen Fans zu kommunizieren 0% Um zu sehen, was meine Fans von mir denken und über mich schreiben 0% 43% 43% 15% Um zu sehen, was die Medien über meine Konkurrenten berichten Sportler mit hoher Social-Media-Aktivität 71% Anteil der Befragten, der den jeweiligen Zweck „sehr oft“ oder „häufig“ verfolgt 50% 28% Sportler mit geringer Social-Media-Aktivität Basis: Alle Befragten (5-stufige Likert Skalen – sehr oft, häufig, hin und wieder, selten, nie) 3.5 Zusammenfassung und Diskussion Die zentralen Befunde der vorliegenden Studie lauten: 1. Für die befragten Athleten sind Social Media bereits das drittwichtigste Medium für den Kontakt zur Öffentlichkeit – nach dem Fernsehen und der Zeitung. 2. Soziale Netzwerke sind bei den befragten Sportlern das meistgenutzte interaktive Web-Tool. 3. Allerdings nutzt nur ein Teil der Athleten Social Media, um aktiv mit seinen Fans zu kommunizieren. 68 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web 4. Nahezu alle Sportler erleben Fankontakt als einen wichtigen motivierenden Antrieb. 5. Die Mehrzahl der Athleten erhält nach eigenen Angaben fast nur positive und unterstützende Fan-Kommentare aus dem Internet. 6. Sportler mit höherer Social Media-Aktivität nehmen hierdurch in ihren Beziehungen zu ihren Fans keine steigende Belastung wahr. 7. Es gibt eine starke Korrelation zwischen aktiver Social Media-Nutzung und der wahrgenommenen Motivation durch Fankontakt. Athleten, die das Internet aktiver nutzen, erleben auch Fankontakt positiver, so das zentrale Ergebnis der vorliegenden Studie. Sie ziehen somit, so kann man weiter folgern, aus der Fankommunikation über das Netz vermutlich auch ein kleines Plus an Leistungsmotivation. Allerdings wird die Gültigkeit dieser Folgerung gravierend eingeschränkt durch den im methodischen Zugriff begründeten mangelnden Kausalnachweis: Führt Fankommunikation über das Internet tatsächlich zu mehr Motivation? Oder suchen, so die Alternativerklärung, Athleten, die Fankontakt als besonders motivierend empfinden, diesen aktiv über das Internet? Beide Erklärungen sind denkbar, und nur ein Panel-Design mit mehreren wiederholten Messungen über mehrere Jahre könnte schlüssig nachweisen, welche Interpretation die treffendere ist. Allerdings scheint die erste Erklärung plausibler: Denn, wie die Daten zeigen, steigt mit der Social Media-Aktivität der Sportler auch das Wissen um ihre Fans. In der umgekehrten Kausalstruktur erscheint dies eher unlogisch: Warum sollten nur diejenigen Sportler im Netz aktiv sein, die konkrete Vorstellungen von ihren Fans haben? Ein noch bedeutenderer Hinweis ist die Tatsache, dass die wahrgenommene Belastung durch Fankommunikation nicht mit der Social Media-Aktivität der Sportler korreliert. Wäre die oben skizzierte Alternativerklärung richtig, wonach „motivationsempfängliche“ Athleten aktiv Fankontakte suchen, dann müssten Sportler, die Fankommunikation als Belastung empfinden, Social Media-Aktivität umgekehrt vermeiden. Die Nullkorrelation der Daten gibt aber darauf keinen Hinweis. Und schließlich: Auch unter den Social MediaAktiven gibt nur die Hälfte an, aktiv mit den Fans zu kommunizieren. Der Wunsch Zusammenfassung und Diskussion nach Fankommunikation ist also kein ausreichender Prädiktor für Social MediaAktivität. Dies sind Hinweise darauf, dass die Social Media-Aktivität eher die unabhängige Variable in diesem Geflecht zu sein scheint. Doch selbst, wenn die Richtung der Kausalität noch nicht eindeutig geklärt erscheint, können schon jetzt einige Folgerungen aus den Befunden gezogen werden: Denn Fankontakt über das Internet, soviel scheint festzustehen, hat zumindest das Potenzial, motivierend auf Spitzensportler zu wirken. Es scheint plausibel anzunehmen, dass es nicht allein die reine Anzahl an positiven FanAussagen ist, die dieses Motivationspotenzial bedingt, sondern vor allem die weite und regelmäßige Streuung über die Zeit. Ein paar kleine psychologische „Körner“, um in der Athletensprache zu bleiben, die jeden zweiten oder dritten Tag auftauchen und es ein wenig leichter machen können, den harten Trainingsalltag zu überwinden. Sportler, die Social Media verstärkt nutzen, könnten sich also somit einen kleinen motivationalen Vorteil verschaffen – zumindest, solange die Konkurrenten nicht gleichziehen. Diese werden aber genau hierzu gezwungen sein, damit sich für sie keine Nachteile ergeben – das heißt, die Social MediaAktivität der Web-Affinen wird auf lange Sicht auch die nicht web-affinen Sportler in die Nutzung dieser interaktiven Kommunikationsmöglichkeiten zwingen. Und je mehr die Athleten in Zukunft hierdurch positive Erfahrungen machen, umso regelmäßiger werden sie auf diese Kanäle zur Fankommunikation zurückgreifen. Man kann daher davon ausgehen, dass Social Media in der SportlerFan-Kommunikation mehr und mehr eine bedeutende und auch selbstverständliche Rolle spielen werden – und damit auch teilweise in Konkurrenz zum klassischen Sportjournalismus treten. Denn durch diese Entwicklung wird die Autonomie der Sportler-Fan-Kommunikation weiter ansteigen: Der Athlet kann aktiv die Themen im Kontakt zu seinen Fans setzen, seine Leistungen und Strategien erläutern oder sich gegen Kritik zur Wehr setzen. Er muss weder Nachrichtenwert schaffen, um Journalisten auf sich aufmerksam zu machen, damit seine Fan-Botschaften transportiert werden. Noch muss er um eine Verzerrung seiner Botschaften durch die Selektionsmechanismen der Journalisten fürchten. Und auch andere Mittelsleute in der Kommunikationskette, wie z.B. Pressesprecher von Vereinen und Verbänden etc., sind in dieser Art der Fankommunikation außen vor. Die 69 70 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web klassischen Massenmedien und die Verbände verlieren also einen Teil ihrer Monopolstellung in der Vermittlung zwischen Sportlern und Fans. Es ist vielmehr die Einbeziehung der Social Media in die Berichterstattung zu erwarten, wie man sie in anderen Bereichen des Showbiz und bei Celebrities bereits beobachten kann: Dass die Medien sich der Botschaften aus den Social Media bedienen, um über die prominenten Sportler zu berichten. Nicht nur die Rolle der klassischen Medien, auch das KommunikationsManagement der Sportler selbst wird sich ändern. Die Web-Kommunikation wird mehr Zeit und Aufwand benötigen – und sie wird ein strategisches Konzept verlangen. Eben weil die größere Kommunikationsautonomie des Sportlers auch Risiken birgt, wird sie mehr Planung und Professionalität in der Darstellung benötigen, was vom Athleten selbst nicht leistbar ist. Die Betreuung dieser Bereiche durch eigene PR-Manager oder zumindest Webmaster wird also mehr und mehr selbstverständlich werden – was vermutlich irgendwann dazu führen wird, das auch der ursprünglich gesuchte Kontakt des Fans zu seinem Star via Web doch nur wieder eine Illusion bleibt. Mit den skizzierten Änderungen werden sich, so ist anzunehmen, auch die Kriterien für das Sportsponsoring ändern. Sponsoren werden mehr und mehr realisieren, wie wichtig die Fankommunikation im Netz ist, um einen Sportler zu vermarkten. Sein kommunikativer Marktwert wird sich – neben seiner sportlichen Leistung – dann nicht mehr nur durch die Präsenz in den klassischen Medien, sondern verstärkt auch durch die Qualität seiner Webpräsenz und den Traffic seines Social Media-Profil bestimmen – was den Sportler wiederum zum Handeln zwingt, in dem er seine Social Media-Kommunikation optimiert. Womit dann wieder ein sich selbst verstärkender Kreislauf entstünde, wie er auch derzeit bei den klassischen Massenmedien schon gegeben ist – Schneller, Höher, Weiter: Twitter. 71 3.6 Literatur Alfermann, Dorothee (2000): Soziale Prozesse im Sport. In: Gabler, Hartmut, Nitsch, Jürgen R., & Singer, Roland (2000b): Einführung in die Sportpsychologie. Teil 2: Anwendungsfelder. Schondorf: Verlag Karl Hofmann, S. 65-109. Alfermann, Dorothee, & Würth, Sabine (2009): Gruppenprozesse und Intergruppenbeziehungen. In: Schlicht, Wolfgang, & Strauß, Bernd (Hrsg.) (2009): Grundlagen der Sportpsychologie. (Enzyklopädie der Psychologie, Bereich D, Serie V, Band 1). Göttingen: Hogrefe, S. 719 778. Baumann, Sigurd (2009): Psychologie im Sport. Psychische Belastungen meistern – Mental trainieren – Konzentration und Motivation. Aachen: Meyer & Meyer Verlag. Baumann, Sigurd (2011): Psyche in Form. Sportpsychologie auf einen Blick. Aachen: Meyer & Meyer. Becker, Roman, & Daschmann, Gregor (2015, in Vorb.): Das Fan-Prinzip. Mit emotionaler Kundenbindung Unternehmen erfolgreich steuern. Wiesbaden: Springer/Gabler. Beckmann, Jürgen, Fröhlich, Stephanie M., & Elbe, Anne-Marie (2009): Motivation und Volition. In: Schlicht, Wolfgang, & Strauß, Bernd (Hrsg.) (2009): Grundlagen der Sportpsychologie. (Enzyklopädie der Psychologie, Bereich D, Serie V, Band 1). Göttingen: Hogrefe, S. 511 562. Gabler, Hartmut (2000c): Motivationale Aspekte sportlicher Handlungen. In: Gabler, Hartmut, Nitsch, Jürgen R. & Singer, Roland (2000a): Einführung in die Sportpsychologie. Teil 1: Grundthemen. Schondorf: Verlag Karl Hofmann, S. 197-246. Gabler, Hartmut (2002): Motive im Sport. Motivationspsychologische Analysen und empirische Studien. Schondorf: Verlag Karl Hofmann. Geißel, Brigitte (2004): Responsivität und Responsivitätswahrnehmung – Thesen zu einem undurchsichtigen Verhältnis. Zeitschrift für Politikwissenschaft 14/ 4, 1239-1259. 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Sie treibt u.a. die Entwicklung digitaler Inhalte voran und war für die Einführung der erfolgreichen Social Media-Plattform „Zurich Sports“ in Deutschland verantwortlich. Monika Schulze studierte Betriebswirtschaftslehre in Hamburg und Köln. Ihre Karriere begann sie bei Unilever, wo sie Führungspositionen in verschiedenen Ländern innehatte. U.a. war sie für die Marke Knorr in den Märkten Nordamerika, Kanada, Japan und Europa verantwortlich. Sascha Himmelreich M.A. ist seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik mit Schwerpunkt Unternehmenskommunikation/PR an der Johannes GutenbergUniversität in Mainz. Zuvor hat er dort Publizistik und Betriebswirtschaftslehre studiert. Anschließend war er als Projektleiter in einer Agentur für Medientraining, Krisenkommunikation und strategische Kommunikationsberatung tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Nutzung und Wirkung digitaler Medien, strategisches Kommunikationsmanagement und die Krisenkommunikation. 74 Kommunikationsmanagement und Markenstrategien im Social Web Gregor Daschmann, Prof. Dr., ist seit 2006 Professor für Kommunikationswissenschaft am Instit ut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Nach dem Studium der Publizistikwissenschaft, Politikwissenschaft und Psychologie war er zunächst von 1987 bis 1994 journalistisch für SWR und ZDF tätig. Seine Promotion (2000) über den Einfluss von Beispielen in journalistischen Produkten wurde mehrfach ausgezeichnet. Von 2002 bis 2006 lehrte er als Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung Hannover. Nach dem Wechsel von Hannover nach Mainz war er von 2008 bis 2011 Geschäftsführender Leiter des Instituts für Publizistik, von 2011 bis 2014 Studiendekan. Seit 2014 ist er Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften, Medien und Sport. Seine Forschungsgebiete sind u.a. Medienrezeption, Medienwirkung, Medienpsychologie sowie emotionale Kundenbindung.