Fall 5: Aus- und Einbaukosten, § 439 BGB A kaufte bei dem
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Fall 5: Aus- und Einbaukosten, § 439 BGB A kaufte bei dem
Aufbau und Vertiefungskurs Vertragliche Schuldverhältnisse Prof. Dr. Florian Jacoby Übungsfall Nr. 5 Fall 5: Aus- und Einbaukosten, § 439 BGB A kaufte bei dem Fliesenhändler B polierte Bodenfliesen des Fliesenherstellers H für 1.400 €. Nachdem B die Bodenfliesen bei A angeliefert hatte, ließ der A diese von einem Fachmann in seinem Privathaus verlegen (Kosten hierfür: 2.000 €). Nachdem die Fliesen verlegt wurden, zeigte sich im in das Haus scheinenden Tageslicht, dass die Oberfläche der Bodenfliesen feine Schleifspuren aufweisen. Diese Schleifspuren sind bei den verlegten Fliesen mit dem bloßen Auge zu erkennen und erwecken den Eindruck, es handele sich um Schmutzflecke. Vor dem Verlegen der Bodenfliesen waren die Schleifspuren nicht erkennbar. Ein Gutachter bestätigte, es handele sich um einen irreparablen Schaden der Fliesen in Form von Mikroschleifspuren, welche auf einen Herstellungsfehler zurückzuführen sind. Eine Beseitigung des Mangels – z.B. durch nachpolieren – ist technisch unmöglich. Abhilfe kann hier nur durch einen kompletten Austausch der Bodenfliesen geschaffen werden (Kosten hierfür: 2.800 € für den Ausbau + 2.000 € für den erneuten Einbau). 1.) Kann A von B die Lieferung neuer Fliesen, den Ausbau der alten Fliesen und den Einbau der neuen Fliesen verlangen? 2.) Hat A gegen B einen Anspruch auf Zahlung der Aus- und Einbaukosten? 3.) Hat A gegen B einen Anspruch auf Lieferung neuer Fliesen, den Ausbau der alten Fliesen und den Einbau der neuen Fliesen, wenn B einwendet, dass die Aus- und Einbaukosten i.H.v. 4.800 € ihn unverhältnismäßig hoch belasten würden. 4.) Was ist mit dem Nacherfüllungsanspruch aus § 439 I BGB, wenn A Unternehmer ist und er die Fliesen in seinem Geschäftshaus hat verlegen lassen? Übungsfall Nr. 5 -2- Fragen zur Lernkontrolle und Vertiefung: 1. Wer hat die Transportkosten für eine etwaige Nachlieferung zu tragen? 2. Wie ist das Verhältnis von § 275 II und III BGB zu § 439 III BGB bei unverhältnismäßig hohen Kosten bei der Nacherfüllung? 3. Was versteht man bei § 439 III BGB unter „relativer Unverhältnismäßigkeit“? 4. Was versteht sich unter „absoluter Unverhältnismäßigkeit“? 5. Umfasst der Art. 3 III VerbrGKRL auch die absolute Unverhältnismäßigkeit? 6. Was ist die Grenze der Auslegung? 7. Hat der Käufer einen unmittelbaren Anspruch auf Ersatz der Ausbaukosten einer mangelhaften Sache? Übungsfall Nr. 5 -3- Lösungsvorschlag (Fall gebildet nach BGH Urt. v. 15.7.2008, VIII ZR 211/07 = NJW 2008, 2837; EuGH Urt. v. 16.6.2011, Rs. C65/09, C87/09 = NJW 2011, 2269, dazu Lorenz NJW 2011, 2241; mit einigen Auszügen: BGH Urt. v. 21.12.2011, VIII ZR 70/08 = NJW 2012, 1073): Anmerkung: vgl. zu den Schwerpunkten des Falles m.w.N.: StuKo, § 439, Rn. 8 ff. zu Frage 1.) A könnte gegen B einen Anspruch auf Lieferung neuer Fliesen, den Ausbau der alten Fliesen und den Einbau der neuen Fliesen aus §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB haben. I. Wirksamer Kaufvertrag Ein wirksamer Kaufvertrag zwischen A und B besteht. II. Mangelhaftigkeit der Bodenfliesen Die Bodenfliesen müssten im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 BGB) mangelhaft gewesen sein. Vorliegend könnte es sich um einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2, Nr. 2 BGB handeln. Demnach ist eine Sache dann frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Die von A gekauften Bodenfliesen eigneten sich zwar grundsätzlich für ihre Verwendung als Bodenbelag, allerdings wiesen sie durch die Mikroschleifspuren eine Beschaffenheit auf, welche bei Fliesen gleicher Art nicht üblich ist. Eine derartige Abweichung war von A auch nicht zu erwarten. Somit sind die gelieferten Bodenfliesen sachmängelbehaftet. III. Rechtsfolge A kann von B Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB verlangen. Demnach kann A nach seiner Wahl entweder die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Nachlieferung) verlangen. Hier hat A die Nachlieferung gewählt. Fraglich ist jedoch, ob der Nacherfüllungsanspruch auch den Aus- und Einbau der Fliesen umfasst. Übungsfall Nr. 5 -4- 1. Enger Nacherfüllungsbegriff Nach ursprünglicher Auffassung des BGH und der h.L. ist die Nacherfüllung die „vollständige Wiederholung der Leistung“ (BGH NJW 2008, 2837 Tz. 18). Dieser enge Nacherfüllungsbegriff hilft, die Nacherfüllung vom Schadensersatz abzugrenzen. Der Inhalt des Nacherfüllungsanspruchs als modifizierter Erfüllungsanspruch kann nicht über die Pflicht des Verkäufers aus § 433 Abs. 1 hinausgehen und ergibt sich nach dieser Auffassung aus dem Inhalt des Vertrags, hier des Kaufvertrags. Die Leistungspflicht des B aus § 433 Abs. 1 BGB war die Übergabe und Übereignung der mangelfreien Bodenfliesen. Diese Pflicht würde B mit einer Nachlieferung der neuen Bodenfliesen erfüllen. 2. Weiter Nacherfüllungsbegriff Indessen geht § 439 BGB auf Art. 3 Richtlinie 1999/44/EG des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (VerbrGKRL) zurück. Dessen Absatz 3 bestimmt, dass die Nacherfüllung für den Verbraucher in einem Verbrauchsgüterkaufvertrag (vgl. § 474 Abs. 1 BGB) „unentgeltlich“ und „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten“ sein muss. Auf Vorlage des BGH entschied der EuGH, dass die von Art. 3 Abs. 3 VerbrGKRL verlangte Unentgeltlichkeit sich auf die gesamte Nacherfüllung beziehen muss, also auch auf den Aus- und (Wieder-) Einbau (EuGH NJW 2011, 2269 Rn. 46 ff.). So trägt die Richtlinie dem Umstand Rechnung, dass bei Kaufsachen, die gewöhnlich einzubauen sind, die reine Nachlieferung für den Verbraucher u.U. sinnlos wäre, wenn er sich Ausbau und erneuten Einbau nicht mehr leisten könnte. Ihm stünde zwar die neue, mangelfreie Kaufsache zur Verfügung, er könnte diese aber nicht gebrauchen. Streitig ist, wie die Entscheidung des EuGH in das deutsche Recht einzuflechten ist. Der BGH ist der Ansicht, dass § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante ‚Lieferung einer mangelfreien Sache’ auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache erfasst (BGH NJW 2012, 1073). Durch eine solche erweiternde Auslegung des § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB bleibt das gesetzgeberische Ziel gewahrt, dem Verkäufer die Möglichkeit zu geben, die Nacherfüllung selbst vorzunehmen. Ein bloßer Kostenerstattungsanspruch wird diesem Ziel nicht gerecht, da dies regelmäßig auf eine Selbstvornahme durch den Käufer hinauslaufen würde. Vor diesem Hintergrund bedarf es der erweiternden Auslegung des § 439 Abs. 1 Übungsfall Nr. 5 -5- Fall 2 BGB, wie der BGH (NJW 2012, 1073) zutreffend ausführt: „[26] Diese Auslegung ist noch vom Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB gedeckt [...]. Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird ‚liefern’ zwar verstanden als ‚bringen’ oder ‚übergeben’ einer (bestellten) Sache [...]. Auch im nationalen Kaufrecht ist unter ‚Lieferung’ grundsätzlich nur die Handlung zu verstehen, die der Verkäufer vorzunehmen hat, um seine Übergabe- und Übereignungspflicht aus § 433 Abs. 1 BGB zu erfüllen [...]. Dies schließt jedoch nicht aus, den in § 439 Abs. 1 Alt. 2 verwendeten Begriff der Lieferung einer mangelfreien Sache weiter zu fassen. Denn dieser Begriff ist ausfüllungsfähig und eröffnet einen gewissen Wertungsspielraum [...]. Der Gesetzgeber hat die Bestimmung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB zur Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie geschaffen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 230). Dabei hat er nicht nur in der Gesetzesbegründung mehrfach den Begriff der Lieferung einer mangelfreien Sache mit der in der deutschen Fassung der Richtlinie verwendeten Wortwahl ‚Ersatzlieferung’ gleichgesetzt (BT-Drucks. 14/6040, S. 232), die - wie vom Gerichtshof ausgeführt (EuGH, aaO Rn. 54) - auch die Deutung zulässt, dass das vertragswidrige Verbrauchsgut durch die als Ersatz gelieferte Sache auszutauschen ist. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch den in § 439 Abs. 4 BGB enthaltenen Verweis auf § 346 Abs. 1 Alt. 1 BGB, wonach der Verkäufer seinerseits die Rückgewähr der mangelhaften Sache verlangen kann, zum Ausdruck gebracht, dass dem Begriff der ‚Lieferung einer mangelfreien Sache’ in § 439 Abs. 1 BGB ein gewisses (Aus-)Tauschelement innewohnt [...].“ 3. Stellungnahme Gegen erstere Ansicht spricht, dass § 439 Abs. 2 BGB seinem Wortlaut nach für die Kosten der Nacherfüllung eine Ersatzpflicht aufstellt. Jedoch sind die Aus- und Einbaukosten nach dieser Ansicht kein Teil der Nacherfüllung. Daher verdient vielmehr die Ansicht des BGH seit 2011, den § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB erweiternd auszulegen, Vorzug. Somit gehört auch der Aus- und (Wieder-) Einbau der Kaufsache zum Inhalt der Nacherfüllung (so auch Lorenz NJW 2011, 2241, 2243). IV. Ergebnis A hat somit gegen B einen Anspruch auf Lieferung neuer Fliesen, den Ausbau der alten Fliesen und den Einbau der neuen Fliesen aus §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB. Übungsfall Nr. 5 -6- zu Frage 2.). Fraglich ist, ob A gegen B einen (direkten) Anspruch auf Zahlung der Aus- und Einbaukosten hat. I. Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB Da § 439 Abs. 2 BGB ungeachtet seines nicht eindeutigen Wortlauts eine Anspruchsgrundlage darstellt (BGH NJW 2011, 2278 Tz. 37, NJW 2014, 2351 Tz. 11), könnte A gegen B einen Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB auf Zahlung der Aus- und Einbaukosten zustehen. Nach Ansicht des EuGH ist Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 der VerbrGKRL derart auszulegen, dass der Verkäufer verpflichtet ist, den Ausbau einer mangelhaften Sache selbst vorzunehmen oder die Kosten für den Ausbau zu tragen. Damit ist dem Gesetzgeber ein Wahlrecht bei der Umsetzung der Richtlinie und den Gerichten bei der richtlinienkonformen Anwendung eröffnet. Es wird aber kein Wahlrecht des Käufers begründet. Hierzu führt der BGH (NJW 2012, 1073) aus: „[27] Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB führt [...] nicht dazu, dass dem Käufer im Rahmen des Nacherfüllungsverlangens ein Wahlrecht dahin zusteht, ob er dem Verkäufer den Aus- und Einbau gestattet oder diese Arbeiten selbst durchführt und den Verkäufer nur auf Kostenerstattung in Anspruch nimmt. [...]“. Somit entsteht für A kein Anspruch gegen B auf Zahlung der Ein- und Ausbaukosten aus § 439 Abs. 2 BGB. II. Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 BGB Allerdings könnte A gegen B einen Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 BGB (Schadensersatz statt der Leistung) haben. Jedoch hat A dem B noch keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Da eine Fristsetzung hier auch nicht entbehrlich ist, besteht kein Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 BGB. [Zu §§ 280 I und III, 281 BGB als mögliche Anspruchsgrundlage siehe auch: zu Frage 3.) II. 2. a) cc) (2).] Übungsfall Nr. 5 -7- III. Ergebnis A hat gegen B keinen (direkten) Anspruch auf Zahlung der Ein- und Ausbaukosten. zu Frage 3.) Fraglich ist, ob der zu Frage 1 bejahte Anspruch auf Ein- und Ausbau dem A auch zusteht, wenn B die Nachlieferung gemäß § 439 Abs. 3 S. 1 BGB verweigert. Ein Ausschluss der Leistungspflicht könnte sich dann aus § 439 Abs. 3 S. 1 BGB ergeben. Problematisch ist jedoch, ob die Voraussetzungen dieses Verweigerungsrechts überhaupt gegeben sind. [Grenzen der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers ergeben sich zum einen aus dem allgemeinen Unmöglichkeitstatbestand des § 275 Abs. 1 BGB, zum anderen bei unverhältnismäßigen Kosten aus der speziellen Regelung des § 439 Abs. 3 BGB; StuKo, § 439 Rn. 11.] I. Wortlautgetreue Anwendung des § 439 Abs. 3 S. 1 BGB (absolute Unverhältnismäßigkeit) Der Wortlaut knüpft den Ausschluss allein an die Unverhältnismäßigkeit der gewählten Nacherfüllungsalternative an (sog. absolute Unverhältnismäßigkeit). Zu beachten ist allerdings, dass die Regelung im Zusammenhang mit der Wahl über die Art der Nacherfüllung steht. Daher könnte eine Berufung auf § 439 Abs. 3 S. 1 BGB auf die Fälle beschränkt sein, in denen sich die Unverhältnismäßigkeit aus dem Vergleich mit der anderen Nacherfüllungsalternative ergibt (sog. relative Unverhältnismäßigkeit). Wenn wie hier nur eine Form der Nacherfüllung in Betracht kommt, wäre eine Berufung auf § 439 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Jedoch führt der BGH (NJW 2012, 1073) dazu aus: „[29] § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB erlaubt dem Verkäufer, die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung zu verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Die genannte Regelung enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich auf die Fälle beschränkt, in denen beide Formen der Nacherfüllung möglich sind und lediglich eine Abhilfevariante im Verhältnis zu der anderen unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht (relative Unverhältnismäßigkeit). Vielmehr ergibt sich aus den Bestimmungen des § 439 Abs. 3 Satz 3 Übungsfall Nr. 5 -8- Halbsatz 2 BGB und des § 440 Satz 1 BGB eindeutig, dass nach der Konzeption des Gesetzes beide Formen der Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit verweigert werden können und damit der Begriff der Unverhältnismäßigkeit absolut zu verstehen ist. § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB beschränkt den Anspruch des Käufers für den Fall, dass der Verkäufer die eine Form der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigert, zunächst auf die andere Art der Nacherfüllung, sieht aber weiter vor, dass das ‚Recht des Verkäufers, auch dies unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern’, unberührt bleibt. Auf diese Regelung nimmt § 440 Satz 1 BGB Bezug, der den Käufer unter anderem dann vom Erfordernis einer Fristsetzung vor der Geltendmachung von Rücktritt oder Schadensersatz befreit, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 [BGB] verweigert’.“ Dem Wortlaut des § 439 Abs. 3 S. 1 BGB nach entfällt somit ein Nacherfüllungsanspruch des A, sofern ein solcher B tatsächlich unverhältnismäßig hoch belastet und dieser sich darauf beruft. II. Reduktion des § 439 Abs. 3 S. 1 BGB Nach Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 der VerbrGKRL ist der Verkäufer verpflichtet, den Ausbau einer mangelhaften Sache selbst vorzunehmen oder die Kosten für den Ausbau zu tragen. Für den Fall, dass nur eine Form der Nacherfüllung möglich ist und diese unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht, hat der EuGH entschieden, dass auch eine reduzierte, verhältnismäßige Kostenbeteiligung des Verkäufers den Vorgaben der Richtlinie entspreche (NJW 2011, 2269). Der BGH ist bei Verbrauchsgüterkäufen i.S.v. § 474 Abs. 1 S. 1 BGB nunmehr der Auffassung, dass diese europarechtlichen Erfordernisse nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung erfüllt werden können, da einer solchen die Wortlautgrenze des § 439 Abs. 3 BGB entgegenstehe (BGH NJW 2012, 1073). Daher sei § 439 Abs. 3 BGB teleologisch zu reduzieren: 1. Planwidrige Regelungslücke „[31] Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (Senatsurteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, aaO [BGHZ 179, 27] Rn. 22 mwN). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Übungsfall Nr. 5 -9- a) [32] Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Einrede der Unverhältnismäßigkeit zwar so ausgestalten wollte, dass sie mit der Richtlinie vereinbar ist, er hierbei jedoch Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie so verstanden hat, dass dieser auch die absolute Unverhältnismäßigkeit erfasse (vgl. auch Staudinger, aaO [DAR 2011, 502, 503]). b) [33] Das der Fassung des § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB zugrunde liegende Verständnis, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie auch die absolute Unverhältnismäßigkeit erfasse, ist jedoch fehlerhaft, wie der Gerichtshof nunmehr mit Bindungswirkung festgestellt hat. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie erlaubt es nur, den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts auf einen angemessenen Betrag zu beschränken, nicht jedoch, den Anspruch des Verbrauchers auf Ersatzlieferung als einzig mögliche Art der Abhilfe wegen Unverhältnismäßigkeit der Ein- und Ausbaukosten völlig auszuschließen. Die gesetzliche Regelung in § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB steht folglich in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts verfolgten Grundanliegen, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bis zum Ablauf des 31. Dezember 2001 ordnungsgemäß umzusetzen (vgl. hierzu auch BT-Drucks. 14/6040, S. 1). c) [34] Damit erweist sich das Gesetz als planwidrig unvollständig [...]. Es liegt eine verdeckte Regelungslücke vor, weil der Wortlaut des § 439 Abs. 3 BGB, der ein Verweigerungsrecht bei absoluter Unverhältnismäßigkeit einschließt, keine Einschränkung für den Anwendungsbereich der Richtlinie enthält und deshalb mit dieser nicht im Einklang steht. Diese Unvollständigkeit des Gesetzes ist deswegen planwidrig, weil hinsichtlich der Einrede der Unverhältnismäßigkeit ein Widerspruch zur konkret geäußerten, von der Annahme der Richtlinienkonformität getragenen Umsetzungsabsicht des Gesetzgebers besteht [...].“ 2. Teleologische Reduktion Diese Regelungslücke ist durch eine teleologische Reduktion zu schließen. a) Verschiedene Lösungsansätze Hierzu sind im Anschluss an das Urteil des EuGH verschiedene Lösungen vertreten worden, da der EuGH es grundsätzlich dem nationalen Recht überlässt, ob der Verkäufer die Ein- und Ausbauarbeiten selbst vornehmen muss oder nur zur Übernahme der hiermit verbundenen Übungsfall Nr. 5 - 10 - Kosten verpflichtet ist. aa) „[38] Nach dem Vorschlag von Faust (JuS 2011, 744, 747 f.), dem sich die Revision inhaltlich anschließt, soll der Verkäufer den Aus- und Einbau nach § 439 Abs. 3 BGB verweigern dürfen, sofern sich nicht der Verbraucher zur Beteiligung an den Kosten bereit erklärt. Dieser Ansatz erscheint jedoch insofern problematisch, als er dem Verkäufer die Möglichkeit einer völligen Verweigerung des im Rahmen der Ersatzlieferung nach § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB geschuldeten Aus- und Einbaus bis zur Abgabe einer Erklärung des Verbrauchers eröffnet. Dies ist unvereinbar mit der Vorgabe des Gerichtshofs, die Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers dürfe nicht dazu führen, dass die dem Verbraucher zustehenden Rechte in der Praxis ausgehöhlt werden (vgl. EuGH, aaO Rn. 76). bb) [39] Förster (aaO [ZIP 2011, 1493] S. 1500) schlägt vor, § 439 Abs. 3 BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Verkäufer die Ersatzlieferung als einzig mögliche Art der Nacherfüllung nicht verweigern, sondern nur unter Berücksichtigung von § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB der Höhe nach angemessen herabsetzen darf. Diese Einschränkung des § 439 Abs. 3 BGB ist zur Erfüllung der europarechtlichen Vorgaben ebenfalls nicht ausreichend. Zum einen setzt sie nur die Aussagen des Gerichtshofs zum fehlenden Verweigerungsrecht bei der Ersatzlieferung um, während der Gerichtshof seine Ausführungen auf beide Arten der Nacherfüllung bezogen hat, also dem Verkäufer ein Verweigerungsrecht wegen unverhältnismäßiger Kosten auch dann abspricht, wenn die einzig mögliche Form der Abhilfe nicht in einer Ersatzlieferung, sondern in einer Nachbesserung besteht (EuGH, aaO Rn. 71). Zum anderen berücksichtigt die vorgeschlagene Fassung des § 439 Abs. 3 BGB nicht, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers hinsichtlich einer Art der Abhilfe auch in den Fällen nicht gegeben ist, in denen die andere Art der Nacherfüllung zwar möglich ist, aber ihrerseits vom Verkäufer wegen relativer Unverhältnismäßigkeit verweigert wird. Problematisch an dem Vorschlag ist letztlich auch, dass er eine Beschränkung hinsichtlich der Ersatzlieferung insgesamt und nicht nur bezüglich der Erstattung der dabei entstehenden Aus- und Einbaukosten vorsieht. Es ist jedoch praktisch nicht durchführbar, die tatsächliche Vornahme des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Sache auf einen angemessen Umfang zu begrenzen (vgl. auch Ayad/Schnell, BB 2011, 1938, 1939). cc) [40] Ein anderer Lösungsansatz besteht darin, die Anwendung des § 439 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BGB für die Fälle des Verbrauchsgüterkaufs ganz auszuschließen (Purnhagen, Übungsfall Nr. 5 - 11 - aaO [EuzW 2011, 626] S. 629 f.; Staudinger, aaO S. 506; Lorenz, NJW 2011, 2241, 2244). Hierbei fehlt es jedoch an einer überzeugenden rechtlichen Konstruktion, die es dem Verkäufer gleichwohl ermöglicht, den Ersatz der Ein- und Ausbaukosten auf einen angemessenen Betrag zu begrenzen. Eine solche ist jedoch erforderlich, um dem vom deutschen Gesetzgeber mit der Schaffung des § 439 Abs. 3 BGB verfolgten Ziel einer Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers (vgl. BT-Drucks. 16/6040, S. 232) in dem europarechtlich (noch) zulässigen Umfang Rechnung zu tragen. (1) [41] Teilweise wird versucht, eine Begrenzung der Kostentragungspflicht des Verkäufers dadurch zu erreichen, dass dieser im Hinblick auf den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der als Ersatz gelieferten Kaufsache von vornherein nicht zu deren Vornahme, sondern nur zur Erstattung der dafür erforderlichen Kosten verpflichtet sein soll und diese angemessen reduziert werden können (vgl. Pfeiffer, LMK 2011, 321439 sowie den Alternativvorschlag von Faust, aaO). Dieser Ansatz übersieht jedoch, dass die Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers auch dazu dienen soll, dem Verkäufer die "Möglichkeit zur zweiten Andienung" einzuräumen (BT-Drucks. 16/6040, S. 220; vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219, 227 f.). Mit dem hierdurch zum Ausdruck kommenden Ziel, bereits im Rahmen des § 439 Abs. 1 BGB auch den Interessen des Verkäufers Rechnung zu tragen, wäre es nur schwer zu vereinbaren, wenn der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache nicht selbst vornehmen dürfte, sondern von vornherein dem Käufer die hierfür erforderlichen Kosten schuldete. Denn der Verkäufer wird in vielen Fällen den Aus- und Einbau günstiger bewerkstelligen können als der Käufer (vgl. Lorenz, NJW 2011, 2241, 2243). (2) [42] Ein anderer Vorschlag geht davon aus, dass der Verkäufer zur Vornahme des Aus- und Einbaus verpflichtet sei; komme er dem nicht nach, habe der Käufer einen verschuldensunabhängigen Anspruch aus § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB auf Erstattung der hierfür erforderlichen Kosten, wobei die Höhe auf einen angemessenen Betrag reduziert werden könne (Purnhagen, aaO S. 629). Diese Konstruktion trägt jedoch dem gesetzgeberischen Ziel, auch die Verkäuferinteressen zu schützen, in der Praxis ebenfalls nicht hinreichend Rechnung. Es wurde bereits ausgeführt, dass eine Beschränkung der Pflicht des Verkäufers, den Aus- und Einbau tatsächlich vorzunehmen, auf einen angemessenen Umfang faktisch nicht durchführbar ist. Da der Verkäufer den Käufer rechtlich aber nicht Übungsfall Nr. 5 - 12 - zwingen kann, anstelle der Vornahme der Nacherfüllung (inklusive Aus- und Einbau) Schadensersatz wegen deren Nichterfüllung zu verlangen, bliebe die allein mögliche Begrenzung des Kostenerstattungsanspruchs auf einen angemessenen Betrag für ihn praktisch wertlos. Denn ein wirtschaftlich denkender Käufer würde in den Fällen, in denen der Ausbau der mangelhaften und der Einbau der als Ersatz gelieferten Kaufsache unverhältnismäßige Kosten verursacht, nicht - den bezüglich der Aus- und Einbaukosten auf eine angemessene Höhe begrenzten - Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Nacherfüllung verlangen, sondern den Verkäufer stets auf Erfüllung seiner Ersatzlieferungspflicht (inklusive uneingeschränktem Aus- und Einbau) in Anspruch nehmen. dd) [43] Einen anderen Weg gehen Kaiser und Greiner/Benedix, die sich in diesem Zusammenhang für eine europarechtskonforme Auslegung der Kostentragungsregelung des § 439 Abs. 2 BGB dahin aussprechen, dass den Käufer gegen Kostenerstattung eine Mitwirkungsobliegenheit zum Ausbau der mangelhaften und Einbau der neuen Sache trifft (Kaiser, aaO [JZ 2011, 978] S. 985 ff.; Greiner/Benedix, aaO [ZGS 2011, 489] S. 493). Die Rechte des Käufers sollen sich von vornherein auf einen auf die angemessenen Kosten begrenzten Erstattungsanspruch beschränken (Kaiser, aaO S. 987). Damit wird aber - zumindest faktisch - die dem Verkäufer vom deutschen Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumte "Möglichkeit zur zweiten Andienung" (vgl. BT-Drucks. 16/6040, S. 220) beschnitten. Dies wird vermieden, wenn man die Kostenerstattungspflicht als Folge einer Einrede aus dem teleologisch reduzierten § 439 Abs. 3 BGB ausgestaltet.“ b) Entscheidung des BGH Der BGH hat nunmehr entschieden, dass auch bei unverhältnismäßig hohen Ausbaukosten der Verkäufer im Verbrauchsgüterkaufvertrag zunächst tatsächlich zum Ein- und Ausbau verpflichtet und auch berechtigt ist. Erst die Verweigerung der Nacherfüllung wegen einer unverhältnismäßig hohen Belastung gemäß § 439 Abs. 3 BGB des Verkäufers führt zum Entstehen eines Kostenerstattungsanspruchs in Höhe eines angemessenen Betrags. „[35] Die bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bestehende verdeckte Regelungslücke ist durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB für die Fälle des Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu schließen. Die Vorschrift ist in solchen Fällen einschränkend dahingehend anzuwenden, dass ein Verweigerungsrecht nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Übungsfall Nr. 5 - 13 - Nacherfüllung zu Recht verweigert. In den zuletzt genannten Fällen beschränkt sich das Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung in Gestalt der Ersatzlieferung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, auf das Recht, den Käufer bezüglich des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Kaufsache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrags zu verweisen. Bei der Bemessung dieses Betrags sind der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Zugleich ist zu gewährleisten, dass durch die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten nicht ausgehöhlt wird (EuGH, aaO Rn. 76).“ c) Stellungnahme Der BGH ist der Ansicht, dass die anders lautenden Vorschläge zur Herstellung der Richtlinienkonformität, die in der Literatur gemacht worden sind, entweder die Vorgaben des Gerichtshofs nicht hinreichend umsetzen oder die Grenzen des Gestaltungsspielraums, der den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zusteht, überschreiten. So muss die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte durch eine möglichst enge Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (vgl. BVerfGE 37, 67, 81). Dieser Auffassung wird hier gefolgt. III. Ergebnis Für den Fall, dass B gegen den Anspruch des A auf Lieferung neuer Fliesen, den Ausbau der alten Fliesen und den Einbau der neuen Fliesen einwendet, dass die Aus- und Einbaukosten i.H.v. 4.800 € ihn unverhältnismäßig hoch belasten würden, kann A - der Auffassung des BGH folgend - bezüglich der Aus- und Einbaukosten auf einen Kostenerstattungsanspruch in angemessener Höhe verwiesen werden (hier wohl rund 700 €). Nach der Konzeption des BGH ergibt sich der Kostenerstattungsanspruch aus dem Nacherfüllungsanspruch und nicht aus einem Schadensersatzanspruch aus z.B. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 BGB. Die konkrete Anspruchsgrundlage - ob nun aus § 439 Abs. 1 oder § 439 Abs. 2 BGB - bleibt nach den Ausführungen des BGH aber unklar. Anmerkung: Mittlerweile ist eine gesetzliche Regelung zum Ausschluss des Einwands der absoluten Unverhältnismäßigkeit bei Verbrauchsgüterkaufverträgen und zur einer Beschränkung auf einen angemessenen Betrag geplant. So sieht § 475 Abs. 4 RegE-BGB folgende Übungsfall Nr. 5 - 14 - Regelung vor: (4) Ist die eine Art der Nacherfüllung nach § 275 Absatz 1 ausgeschlossen oder kann der Unternehmer diese nach § 275 Absatz 2 oder 3 oder § 439 Absatz 4 Satz 1 verweigern, kann er die andere Art der Nacherfüllung nicht wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten nach § 439 Absatz 4 Satz 1 verweigern. Ist die andere Art der Nacherfüllung wegen der Höhe der Aufwendungen nach § 439 Absatz 2 oder Absatz 3 Satz 1 Alternative 2 unverhältnismäßig, kann der Unternehmer den Aufwendungsersatz auf einen angemessenen Betrag beschränken. Bei der Bemessung dieses Betrages sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. zu Frage 4.) Fraglich ist, ob die vorangegangenen Überlegungen zur Auslegung von § 439 Abs. 1 BGB auch im Verhältnis Unternehmer zu Unternehmer anzuwenden sind. Dazu müsste auch in Verträgen zwischen zwei Unternehmern i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB eine richtlinienkonforme Auslegung von § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB vom Gesetzgeber gewollt sein. Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 439 BGB die VerbrGKRL außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs (§§ 474 ff. BGB) im Wege der sog. „überschießenden Umsetzung“ (der nationale Gesetzgeber hat mehr umgesetzt, als die Richtlinie gefordert hat) in das allgemeine Kaufrecht und nicht in die Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) integriert. Somit gilt die Richtlinienumsetzung grundsätzlich für alle Käufer, auch Unternehmer. Grundsätzlich soll die Auslegung überschießend umgesetzter Normen nicht „gespalten“ (für den Anwendungsbereich der Richtlinie einerseits und außerhalb der Richtlinie andererseits) erfolgen. Notwendig für eine richtlinienkonforme Auslegung einer Norm ist zudem ein entsprechender Wille des nationalen Gesetzgebers. An einem solchen Willen fehlt es jedoch, wenn der deutsche Gesetzgeber von einem anderen Verständnis der Norm ausgegangen ist, als der EuGH (NJW 2011, 2269). Hierzu führt der BGH (BGHZ 195, 135) aus: Übungsfall Nr. 5 - 15 - [24] (1) Bei dem Nacherfüllungsanspruch aus § 439 I BGB handelt es sich nach der gesetzgeberischen Konzeption der Schuldrechtsreform um eine Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs aus § 433 I BGB (BT-Dr 14/6040, S. 221). Bei der in § 439 I BGB als eine der beiden Alternativen der Nacherfüllung vorgesehenen Lieferung einer mangelfreien Sache decken sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers, wie schon aus der gesetzlichen Formulierung hervorgeht, der Nacherfüllungsanspruch und der ursprüngliche Erfüllungsanspruch hinsichtlich der vom Verkäufer geschuldeten Leistungen; es ist lediglich an Stelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie – im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige – Sache zu liefern. Die Ersatzlieferung erfordert daher eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer nach § 433 I 1 und 2 BGB verpflichtet ist; der Verkäufer schuldet nochmals die Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums einer mangelfreien Sache – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Denn mit der Nacherfüllung soll nach der gesetzgeberischen Konzeption der Schuldrechtsreform lediglich eine nachträgliche Erfüllung der Verkäuferpflichten aus § 433 I 2 BGB durchgesetzt werden; der Käufer soll mit der Nacherfüllung das erhalten, was er vertraglich zu beanspruchen hat (BT-Dr 14/6040, S. 221; Senat, BGHZ 177, 224 = NJW 2008, 2837 Rdnr. 18 m. w. Nachw.; BGHZ 189, 196 = NJW 2011, 2278 Rdnr. 49). [25] Ist demnach die Nacherfüllung darauf beschränkt, die nach § 433 I 2 BGB vom Verkäufer geschuldete Erfüllung im zweiten Anlauf zu bewerkstelligen, bewahrt sie den Käufer einer mangelhaften Sache nicht ohne Weiteres vor jedweden Vermögensnachteilen. Denn nach dem kaufrechtlichen Gewährleistungssystem der §§ 434 ff. BGB sind über das Erfüllungsinteresse hinausgehende Vermögensnachteile, die beim Käufer dadurch entstehen, dass dem Verkäufer die Erfüllung nicht schon beim ersten, sondern erst beim zweiten Versuch gelingt, nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers – soweit nicht die besondere Kostenregelung des § 439 II BGB eingreift – nur nach den allgemeinen Regeln über den Schadens- oder Aufwendungsersatz auszugleichen (BT-Dr 14/6040, S. 224 f.; Senat, BGHZ 177, 224 = NJW 2008, 2837 Rdnr. 22; vgl. auch Senat, Beschl. v. 21. 10. 2008 – VIII ZR 304/07, BeckRS 2009, 01768 und Beschl. v. 21. 10. 2008 – VIII ZR 65/08, BeckRS 2009, 01769). Insofern gehören der Ausbau der mangelhaften Kaufsache und der Einbau der als Ersatz gelieferten Sache nach nationalem deutschem Recht grundsätzlich nicht zu der vom Verkäufer geschuldeten Nacherfüllung (Senat, BGHZ 177, 224 = NJW 2008, 2837 Rdnr. 19, zu den Einbaukosten; NJW 2009, 1660 = EuZW 2009, 270 Rdnrn. 19 ff., zu den Aus- und Einbaukosten), Übungsfall Nr. 5 - 16 - sondern 20 nur insoweit, als sich aus Art. 3 II und III der Richtlinie etwas anderes ergibt und dies im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung des § 439 I Alt. 2 BGB zu berücksichtigen ist (Senat, NJW 2009, 1660 = EuZW 2009, 270 Rdnr. 22). [26] (2) Diese Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers über Inhalt und Umfang der Nachlieferungspflicht gem. § 439 I Alt. 2 BGB stimmen nicht mit dem Verständnis des Gerichtshofs über den Umfang der Nachlieferungspflicht gem. Art. 3 II, III der Richtlinie überein. Es kann daher nicht angenommen werden, dass es dem Willen des deutschen Gesetzgebers entspräche, eine so weitgehende Ausdehnung der Nachlieferungspflicht, wie sie der Gerichtshof für den Verbrauchsgüterkauf verbindlich vorgenommen hat, im Wege richtlinienkonformer Auslegung über den Verbrauchsgüterkauf hinaus auch auf andere Kaufverträge zu erstrecken. [27] Zwar hat der Gesetzgeber mit der Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie für die Nacherfüllung in § 439 BGB eine einheitliche Regelung für alle Kaufverträge angestrebt. Dies beruhte jedoch auf dem dargelegten Fehlverständnis über den von der Richtlinie für den Verbrauchsgüterkauf vorgegebenen Umfang der Nacherfüllungspflicht bei der Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache. Deshalb spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber die Nachlieferungspflicht gem. § 439 I Alt. 2 BGB einheitlich für alle Kaufverträge geregelt hätte, wenn ihm die spätere Auslegung der Richtlinie durch den Gerichtshof bekannt gewesen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie für die Nachlieferungspflicht auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt hätte, wenn ihm damals bereits bekannt gewesen wäre, dass der Gerichtshof der Nachlieferung einen über die Wiederholung der Verkäuferpflichten hinausgehenden, in den Werkvertrag hineinreichenden Inhalt zuweist (vgl. Senat, BGHZ177, 224 = NJW 2008, 2837 Rdnr. 25; NJW 2009, 1660 = EuZW 2009, 270). Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 I Alt. 2 BGB über den Verbrauchsgüterkauf hinaus auf den großen Bereich der Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern ist daher abzulehnen. Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 439 Abs. 1 Fall 2 BGB auch für Kaufverträge zwischen Unternehmern entspricht daher nicht dem Willen des Gesetzgebers und ist damit abzulehnen Übungsfall Nr. 5 - 17 - B schuldet den Aus- und Einbau nicht gegenüber Unternehmer A. Er ist lediglich zur Nachlieferung mangelfreier Fliesen verpflichtet. Anmerkung: Mittlerweile ist eine gesetzliche Normierung der Problematik der Ein- und Ausbaukosten als Teil der Nacherfüllung geplant. So enthält der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung vom 01.03.2016 den Entwurf für einen neuen § 439 Abs. 3 RegE-BGB: „ (3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, nach seiner Wahl entweder selbst den erforderlichen Ausbau der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache vorzunehmen oder dem Käufer die hierfür erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Der Verkäufer ist auf den Aufwendungsersatz beschränkt, wenn 1. dem Ausbau der mangelhaften und dem Einbau der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache durch den Verkäufer ein berechtigtes Interesse des Käufers entgegensteht oder 2. der Verkäufer nicht innerhalb einer vom Käufer bestimmten angemessenen Frist erklärt hat, dass er den Aus- und Einbau selbst vornehmen werde. § 442 Absatz 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die Kenntnis des Käufers an die Stelle des Vertragsschlusses der Einbau der mangelhaften Sache durch den Käufer tritt.“ Nach dem Entwurf trägt der Verkäufer demnach stets die Ein- und Ausbaukosten unabhängig von der gewählten Art der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1 BGB. Die Rechtsprechung des EuGH wird somit für sämtliche Kaufverträge, also auch für solche, die zwischen zwei Unternehmern oder zwei Verbrauchern geschlossen wurden, in Gesetzesform umgesetzt. Hierdurch soll die unterschiedliche Behandlung dieser Verträge ggü. dem Verbrauchsgüterkaufvertrag (§ 474 Abs. 1 BGB) beseitigt werden. Übungsfall Nr. 5 - 18 - Fragen zur Lernkontrolle und Vertiefung: 1. Wer hat die Transportkosten für eine etwaige Nachlieferung zu tragen? – Der Verkäufer, vgl. § 439 II BGB. 2. Wie ist das Verhältnis von § 275 II und III BGB zu § 439 III BGB bei unverhältnismäßig hohen Kosten bei der Nacherfüllung? – Die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit des § 439 III BGB ist niedriger als die des Missverhältnisses in § 275 II BGB, näher StuKo, 15. Aufl. 2015, § 439 Rn. 12. 3. Was versteht man bei § 439 III BGB unter „relativer Unverhältnismäßigkeit“? – Die Unverhältnismäßigkeit der vom Käufer gewählten Nacherfüllungsart beruht dann auf dem Vergleich zur anderen Nacherfüllungsalternative. 4. Was versteht sich unter „absoluter Unverhältnismäßigkeit“? – Der Verkäufer kann die (nicht schon relativ unverhältnismäßige Art der) Nacherfüllung ferner verweigern, wenn deren Kosten im Vergleich mit dem Interesse des Käufers an der Nacherfüllung unverhältnismäßig sind. 5. Umfasst der Art. 3 III VerbrGKRL auch die absolute Unverhältnismäßigkeit? – Nach Ansicht von EuGH/BGH erlaubt Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie es nur, den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts auf einen angemessenen Betrag zu beschränken, nicht jedoch, den Anspruch des Verbrauchers auf Ersatzlieferung als einzig mögliche Art der Abhilfe wegen Unverhältnismäßigkeit der Ein- und Ausbaukosten völlig auszuschließen. 6. Was ist die Grenze der Auslegung? – Der auszulegende Wortlaut selbst. 7. Hat der Käufer einen unmittelbaren Anspruch auf Ersatz der Ausbaukosten einer mangelhaften Sache? – Nein, ein Anspruch auf Ersatz der Ausbaukosten aus § 439 II BGB besteht nicht. Der Käufer kann aus § 439 I BGB nur den Ausbau der mangelhaften und Einbau der mangelfreien Sache vom Verkäufer verlangen. In diesem Fall regelt § 439 II BGB die Kostentragung zulasten des Verkäufers. Baut der Käufer die Sache hingegen selbst aus und wieder ein, kann er Ersatz seiner Kosten nur nach Setzung einer Nachfrist als Teil eines Schadens statt der Leistung erstattet verlangen; ohne Nachfrist liegt eine eigenmächtige Selbstvornahme vor. Übungsfall Nr. 5 - 19 - Anmerkung: Ein direkter Anspruch des Käufers ist jedoch durch den RegE des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung vom 01.03.2016 in § 439 III RegE-BGB geplant. Vgl. dazu den abgedruckten Wortlaut des Entwurfs auf S. 17 dieser Lösung.