arbeitsrecht news

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arbeitsrecht news
4. QUARTAL 2012
ARBEITSRECHT NEWS
FORTBILDUNGSKOSTEN - VORSICHT BEI
RÜCKZAHLUNGSKLAUSELN
von Friederike Göbbels
München
Rechtsanwältin/Fachanwältin f. Arbeitsrecht
fgoebbels@jonesday.com
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Arbeitgeber sind häufig bereit, die Weiterbildung eines Mitarbeiters zu unterstützen. Dieses finanzielle Engagement ist typischerweise von der Erwartung getragen, dass die auf Seiten des Arbeitnehmers erworbenen Kenntnisse und/oder
INHALT
Fortbildungskosten - Vorsicht
bei Rückzahlungsklauseln
Fähigkeiten auch dem Unternehmen in Zukunft zu Gute kommen werden. Wenn
der Mitarbeiter jedoch kurz nach Abschluss der Fortbildung oder ggfs. sogar wäh1
rend deren Verlauf aus dem Unternehmen ausscheidet, besteht verständlicherweise beim Arbeitgeber der Wunsch, die investierten Fortbildungskosten von dem
Betriebsübergang und
Insolvenz
3
Mitarbeiter erstattet zu bekommen. Nachfolgend wird dargestellt, in welch engen
Grenzen eine solche Rückzahlungs- bzw. Erstattungsforderung geltend gemacht
Transfergesellschaften als
Instrument bei
Betriebsänderungen
werden kann:
5
■
Leiharbeitskräfte auf
Dauerarbeitsplätzen Zustimmungsverweigerungsrecht
des Betriebsrats?
8
Background-Checks von
Bewerbern - was ist erlaubt
NOTWENDIGKEIT EINER VEREINBARUNG
Voraussetzung ist, dass überhaupt eine Rückzahlungspflicht mit dem Mitarbeiter
vereinbart wird. Es gibt insoweit nämlich keinerlei gesetzliche Vermutungswirkungen, die unter bestimmten Bedingungen dazu führen könnten, dass sich die
Zahlungspflicht des ausgeschiedenen Arbeitnehmers automatisch ergibt. Aus
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Gründen der Beweisbarkeit einer solchen Vereinbarung, sollte diese unbedingt
schriftlich fixiert und von Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterzeichnet werden.
Ob die vereinbarte Rückzahlungspflicht wirksam und damit
hierzu ergangener Rechtsprechung (z. B. BAG Urteil
durchsetzbar ist, beurteilt sich auf der Grundlage der von
vom 19. Januar 201 1, 3 AZR 621/08) kann von folgenden
dem BAG entwickelten Grundsätze. Hier kann man viel
Orientierungsgrößen ausgegangen werden, die aber
falsch machen. Die Folge eines Fehlers führt häufig dazu,
immer anhand der individuellen Umstände auf die konkrete
dass ein Zahlungsanspruch gegenüber dem ausgeschie-
Angemessenheit zu überprüfen sind:
denen Mitarbeiter nicht gerichtlich durchgesetzt werden
kann.
•
Dauert die Fortbildung bei Fortzahlung der Vergütung
bis zu einem Monat, darf der Bindungszeitraum in der
■
Regel sechs Monate nicht überschreiten.
BERECHTIGTES ARBEITGEBERINTERESSE
Wichtig ist, dass der Arbeitgeber selbst ein erkennbares
•
Dauert die Fortbildung bis zu zwei Monaten, kann eine
•
Dauert die Fortbildung drei bis vier Monate, kann der
Interesse an den durch die Fortbildungsveranstaltung ver-
Bindung bis zu einem Jahr gerechtfertigt sein.
mittelten Erkenntnissen hat. Dies ist in der Regel der Fall,
wenn neue Qualifikationen oder Kenntnisse erworben wer-
Bindungszeitraum bis zu zwei Jahren betragen.
den, die für den Betrieb nützlich sein können. Dagegen wird
•
Dauert eine Fortbildungsmaßnahme sechs Monate
ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse wohl eher verneint
bis zu einem Jahr, kann eine Bindung von bis zu drei
werden, wenn es um bloße Auffrischungskurse geht.
Jahren gerechtfertigt sein.
•
■
Dauert die Fortbildung zwei Jahre, kann ausnahmsweise sogar eine Bindungsdauer von bis zu fünf Jahren
ANGEMESSENER UMFANG DER BINDUNGSDAUER
Jede Rückzahlungsklausel wird auf ihre individuelle
zulässig sein. Fünf Jahre sind allerdings die absolute
Angemessenheit überprüft. Dabei geht es vor allem darum,
Höchstgrenze.
ob der Bindungszeitraum, während dessen im Falle eines
■
Ausscheidenens die Rückzahlungspflicht aktiviert werden
soll, in einem angemessenen Verhältnis zu den investier-
DIFFERENZIERTE BETRACHTUNG VON
AUSSCHEIDENSGRÜNDEN
ten Kosten und dem Umfang der Fortbildungsmaßnahme
Eine Differenzierung nach Beendigungstatbeständen ist
steht. In der Regel steigt die zulässige Bindungsdauer
notwendig, da nicht jedes Ausscheiden des Arbeitneh-
mit dem Umfang der Fortbildungsmaßnahme. Gemäß
mers im Bindungszeitraum dazu führen darf, dass die
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Rückzahlungspflicht einschlägig ist. Vielmehr muss eine
pauschalen Betrages oder einer Höchstsumme wird zur
Differenzierung nach Verantwortungs- und Risikobereich
Unwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung führen.
geregelt werden, die vermeidet, dass die Rückzahlungspflicht den Arbeitnehmer auch dann trifft, wenn er die
■
Kündigung letztlich nicht zu verantworten hat. Nicht ausrei-
Der Rückzahlungsbetrag muss zumutbar sein. Wenn es um
chend ist es, nach Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkündi-
einen hohen Betrag geht, kann es geboten sein, dass zur
gung zu differenzieren, da auch die Kündigung durch den
Erhaltung der Zumutbarkeit die Rückzahlungsverpflichtung
Mitarbeiter letztlich auf einem Grund beruhen kann, der im
so ausgestaltet wird, dass sie sich nach bestimmten
Verantwortungsbereich des Unternehmens liegt (z. B. BAG,
Zeitabschnitten innerhalb des Bindungszeitraums anteilig
Urteil v. 13. Dezember 2011 – 3 AZR 791/09). Gemäß den
mindert. Je kleiner die Zeitabschnitte gewählt werden, desto
aktuellen Tendenzen in der Rechtsprechung empfiehlt es
sicherer ist die Ausgestaltung im Falle einer Rechtskontrolle.
sich, die Rückzahlungspflicht nur dann als einschlägig zu
Es empfiehlt sich daher, eine monatliche, zeitanteilige
regeln, wenn
Reduzierung des Rückzahlungsbetrags zu regeln.
•
der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis innerhalb
■
des definierten Zeitrahmens nach Abschluss der
Die Vereinbarung einer Rückzahlungsverpflichtung des
Fortbildung kündigt, ohne dass dafür ein Grund vor-
Arbeitnehmers bezüglich gewährter Fortbildungskosten
liegt, der der Sphäre des Arbeitgebers zuzuordnen ist
unterliegt vielen Anforderungen. Fehler führen häufig dazu,
(z. B. fristlose Kündigung wegen eines wichtigen, vom
dass die Rückzahlungspflicht unwirksam und daher gegen-
Arbeitgeber zu vertretenden Kündigungsgrundes),
über dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nicht durchsetz-
oder wenn der Arbeitgeber fristlos aus einem wichtigen,
bar ist. Eine möglichst sichere Ausgestaltung ist nur unter
vom Arbeitnehmer zu vertretenden Grund oder ordent-
detaillierter Berücksichtigung der einschlägigen Fakten im
lich aus einem verhaltensbedingten Grund kündigt.
Einzelfall und unter Wahrung der von der Rechtsprechung
•
ANGEMESSENER RÜCKZAHLUNGSBETRAG
FAZIT
aufgestellten Leitlinien möglich.
Diese oder eine vergleichbare Differenzierung sollte in der
Rückzahlungsvereinbarung klar beschrieben werden.
BETRIEBSÜBERGANG UND INSOLVENZ
■
TRANSPARENTER RÜCKZAHLUNGSBETRAG
von Georg Mikes
Gemäß der neuesten Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 21.
Frankfurt
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht
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August 2012 – 3 AZR 698/10) ist eine Rückzahlungsklausel
unwirksam, wenn darin die entstehenden und daher potentiell zu erstattenden Kosten nicht dem Grunde und der
■
Höhe nach angegeben sind. Eine exakte Festlegung ist
DER ZIELKONFLIKT ZWISCHEN SCHUTZ VON
je nach Kostenfaktoren zwar unter Umständen nicht mög-
ARBEITNEHMERN UND BETRIEBSFORTFÜHRUNG
lich. Die Angaben sollen aber zumindest so beschaf-
DURCH VERKAUF
fen sein, dass der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko
Die Bestimmung des § 613 a BGB hat den Zweck, Arbeits-
abschätzen kann. Deswegen müssen wenigstens die
verhältnisse zu schützen, wenn der zugehörige Be trieb
Art und Berechnungsgrundlage der ggf. zu erstatten-
oder Betriebsteil vom bisherigen Inhaber auf einen neuen
den Kosten in der Fortbildungsvereinbarung beschrie-
Inhaber – den Erwerber – übertragen wird. Seit Langem
ben werden. Es ist daher notwendig, eine genaue und
ist hierbei durch die Rechtsprechung klargestellt, dass
abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen
dies auch für Fälle gilt, in denen der Erwerber den Betrieb
(z. B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und
aus der Insolvenz heraus kauft. Einen Käufer wird der
Verpflegungskosten) vorzunehmen und anzugeben, nach
Insolvenzverwalter suchen, wenn er zu dem Schluss kommt,
welchen Parametern die einzelnen Positionen berech-
dass der Betrieb nicht fortgeführt werden kann. Mögliche
net werden (z. B. Kilometerpauschale für Fahrtkosten,
Käufer werden jedoch umso weniger zur Verfügung stehen,
Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten).
als die Einschätzung besteht, dass die dem Betrieb zuge-
Eine fehlende Konkretisierung, die Nennung nur eines
hörigen Arbeitnehmer mit „zu vorteilhaften“ Arbeitsverträgen
3
ausgestattet sind und dies womöglich zur Insolvenz des
einem kürzlich entschiedenen Fall (BAG, Urteil vom 18.
Betriebes beigetragen hat. So verwundert es nicht, dass
August 201 1, 8 AZR 312/10, Pressemitteilung 67/1 1) hatte
Insolvenzverwalter zusammen mit den möglichen Käufern
der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmern dreisei-
oft nach Wegen suchen, den Betrieb ohne Anwendung des
tige Verträge angeboten. Diese sahen ein Ausscheiden
§ 613 a BGB zu verkaufen. Manchmal ist nur so wenigstens
beim insolventen Unternehmen sowie einen Eintritt
ein Teil des Betriebes und der zugehörigen Arbeitsplätze zu
bei der Beschäftigungsgesellschaft vor. Dabei wurden
retten.
pro Arbeitnehmer im Herbst 2005 mehrere dreiseitige
Vertragsformulare unterzeichnet, die jeweils unterschiedliche Übertrittsdaten in die Beschäftigungsgesellschaft
innerhalb des Jahres 2006 vorsahen. Es sollte aber dasjenige Datum gelten, das die Beschäftigungsgesellschaft
erst später durch Gegenzeichnung eines der Verträge
bestimmte. Weitere zwei dreiseitige Verträge dieses
Musters folgten im Mai 2006; diesmal im Hinblick auf ein
Arbeitsverhältnis mit der vorgesehenen Betriebserwerberin.
Diese hatte nämlich vor, den Betrieb mit einer Mehrzahl
der Arbeitnehmer weiter zu betreiben. Am 29. Mai 2006
kam es zu einer Unterzeichnung desjenigen Vertrages
durch die Beschäftigungsgesellschaft, der ein Ausscheiden
■
DIE GRAUZONE DER UMGEHUNG DES § 613 a BGB
des später klagenden Arbeitnehmers bei der insolven-
Aus heutiger Sicht eher plump muten jegliche Versuche
ten Gesellschaft zum 31. Mai 2006 sowie einen Eintritt
an, den betreffenden Arbeitnehmern einfach nur Aufhe-
bei der Beschäftigungsgesellschaft zum 1. Juni 2006
bungsverträge im bisherigen Unternehmen anzubieten
vorsah. Am 1. Juni war dieser Kläger auch auf einer
im Gegenzug gegen neue, jedoch weniger vorteilhafte
Betriebsversammlung, auf der im Losverfahren diejeni-
Arbeitsverträge beim möglichen Erwerber. Die Logik die-
gen 352 der weiter zu beschäftigenden 452 Arbeitnehmer
ser Gestaltung liegt zwar auf der Hand – aufgrund des
ermittelt wurden, die zur Erwerberin wechseln sollten;
Aufhebungsvertrages läge kein übergangsfähiges Arbeits-
darunter war auch der Kläger. Diese Fortführung des
verhältnis vor, und beim Erwerber würde der Arbeitnehmer
Betriebes sollte ab dem 2. Juni 2006 erfolgen. Im Anschluss
auf der Grundlage des abgeschlossenen Arbeitsvertrages
daran wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der
gewissermaßen „neu“ anfangen. In derartigen Gestaltun-
Beschäftigungsgesellschaft mit Wirkung zum Ablauf des 1.
gen hat das BAG jedoch schon vor Jahrzehnten eine unzu-
Juni 2006 rückwirkend aufgehoben.
lässige Gesetzesumgehung gesehen – und § 613 a BGB
trotz der Vertragsschlüsse angewandt. Ergebnis war, dass
Es kann kaum verwundern, dass das BAG auch in die-
die Arbeitnehmer doch als übergegangen galten und ihre
ser Gestaltung eine Umgehung des § 613 a BGB sah. Die
vormaligen günstigen Arbeitsbedingungen sowie die Dauer
Beteiligten hatten zwar eine ganz ausdrückliche Zusage der
der bisherigen Betriebszugehörigkeit als sozialen Besitz-
Weiterbeschäftigung bei der Erwerberin als Gegenleistung
stand behielten. Ergebnis war aber auch, dass in weiteren
für das Ausscheiden bei der insolventen Gesellschaft
Fällen mögliche Erwerber abgeschreckt wurden und es gar
vermieden und eine Beschäftigungsgesellschaft einge-
nicht erst zu einer Betriebsfortführung zu schlechteren Kon-
schaltet. Letztlich hatte aber trotz des erheblichen vertrags-
ditionen kam; stattdessen wurden alle von der Insolvenz
konstruktiven Aufwands die formale Beschäftigung bei der
betroffenen Arbeitnehmer arbeitslos.
Beschäftigungsgesellschaft nur einen Tag betragen, und
dies war geplant. Das BAG wertete diesen Sachverhalt
■
dahingehend, dass sich die Erwerberin nicht auf die ein-
NEUERE GESTALTUNGSVERSUCHE
Wesentlich „raffinier tere“ Gestaltungsvarianten mit
tägige Unterbrechung der Beschäftigung berufen kann.
demselben Ziel sind in der Vergangenheit unternom-
Eine auf endgültiges Ausscheiden aus dem insolven-
men worden, beispielsweise unter Einschaltung einer
ten und durch die Erwerberin fortzuführenden Betrieb lag
Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. In
nach BAG nicht vor, hingegen – trotz Losverfahren – das
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verbindliche Inaussichtstellen einer Weiterbeschäftigung
Zug kommt – auch Arbeitnehmer, die lieber zu schlech-
bei der Erwerberin.
teren Konditionen arbeiten als sich dem Risiko des völligen Arbeitsplatzverlusts aussetzen wollten, können sich
Ähnlich urteilte das BAG in einem anderen Fall (Urteil vom
auf Unwirksamkeit der selbst unterschriebenen Verträge
25. Oktober 2012, 8 AZR 572/1 1; Pressemitteilung 76/12).
berufen. Mögliche Erwerber werden dies aber bedenken
Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die spätere
und vielleicht von Übernahmen absehen, die Arbeitsplätze
Erwerberin im März 2008 mit der IG Metall einen Tarifvertrag
gerettet hätten.
geschlossen. Von den rund 1.600 Arbeitnehmern des
insolventen Unternehmens sollten 1.100 weitere unbefri-
TRANSFERGESELLSCHAFTEN ALS INSTRUMENT
BEI BETRIEBSÄNDERUNGEN
stete Beschäftigung erhalten, weitere 400 eine immerhin
noch befristete Beschäftigung. Anschließend kaufte die
Erwerberin die sächlichen Betriebsmittel. Im April 2008
vereinbarte der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat
von Dr. Markus Kappenhagen
und der Gewerkschaft einen Interessenausgleich und
Düsseldorf
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Sozialplan für eine übertragende Sanierung. Anfang Mai
schließlich unterzeichnete der spätere Kläger einen dreiseitigen Vertrag, mit dem er das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Unternehmen mit Wirkung zum 31. Mai 2008 beendet
Bei größeren Restrukturierungen, die mit Personalabbau
und unmittelbar danach, also ab 1. Juni 2008, 0 Uhr, zu
einhergehen, ist die Einschaltung einer Transfergesellschaft
einer Beschäftigungsgesellschaft wechselt. Zeitgleich
inzwischen ein etabliertes Gestaltungsmittel. Sie bie-
unterzeichnete er mehrere ihm vorgelegte Verträge, die
tet Vorteile für den Arbeitgeber, Betriebsräte und die
teils befristete, teils unbefristete Beschäftigung bei der
Belegschaft. Sie führt auch nicht notwendigerweise zu
späteren Erwerberin ab 1. Juni 2008, 0.30 Uhr, vorsahen.
höheren Kosten für das Unternehmen.
Welcher Vertrag gelten sollte, wäre der Erwerberin überlassen. Diese entschied sich am 30. Mai 2008 für einen auf 20
Zwar sind in jüngerer Zeit Konstellationen bekannt gewor-
Monate befristeten Vertrag. Der Arbeitnehmer klagte spä-
den, in denen eine Transfergesellschaft in einer Weise
ter auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung. Darin
eingesetzt wurde, die von den Arbeitsgerichten als
obsiegte er.
rechtsmissbräuchlich gewertet wurden. So ist es nicht
zulässig, Mitarbeiter nur für wenige Stunden in eine
Auch hier kam das BAG zu dem Ergebnis, dass eine unzu-
Transfergesellschaft wechseln zu lassen, um sie sodann
lässige Umgehung des § 613 a BGB vorlag. Es wertete den
wieder neu im Ursprungsbetrieb anzustellen (siehe
Komplex der diversen Vereinbarungen mit dem Arbeit-
Beitrag von Georg Mikes in diesem Newsletter). Wenn
nehmer so, dass für den Arbeitnehmer klar erschien, dass
die Beteiligten jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen
es alsbald zu einer Neueinstellung durch den Betriebs-
beachten, kann eine Einigungsstelle eine sinnvolle Kompo-
erwerber kommen würde.
nente eines Sozialplans sein.
■
■
FOLGERUNGEN
SINN UND ZWECK
Man mag es begrüßen oder bedauern, aber die Ent-
Durch die Einschaltung einer Transfergesellschaft erhal-
scheidungen sind konsequent. Das BAG ist seinen bisher
ten die Mitarbeiter die Möglichkeit, durch einen dreiseiti-
eingeschlagenen Weg zu Umgehungen weitergegangen
gen Vertrag in eine Transfergesellschaft überzuwechseln
und hat aufgezeigt, dass letztlich nur auf „echtes“ Aus-
und dort für maximal ein Jahr zu verbleiben. In dieser Zeit
scheiden aus dem zu übertragenden Betrieb gerich-
sind sie nicht arbeitslos, sie erhalten Gehalt und sind sozi-
tete Maßnahmen keinen Fall des § 613 a BGB darstellen.
alversichert. Die Transfergesellschaft soll bewirken, dass
Die Einschaltung von Beschäftigungsgesellschaften, bei
die von einem Personalabbau betroffenen Arbeitnehmer
denen der Arbeitnehmer für 30 Minuten oder einen Tag for-
im Rahmen einer maximal einjährigen, befristeten
mal „geparkt“ werden soll, bringt keinen Vorteil. Als Nach-
Beschäftigung qualifiziert und unterstützt werden. Ziel ist
teil wird hingenommen, dass die Vertragsfreiheit nicht zum
5
es, sie möglichst schnell wieder in eine Beschäftigung im
Die Mitarbeiter erhalten das Angebot, einen dreiseitigen
„Ersten Arbeitsmarkt“ zu vermitteln.
Vertrag abzuschließen. Durch diese Vereinbarung wird das
Arbeitsverhältnis mit dem früheren Arbeitgeber aufgeho-
■
ben und ein neues, befristetes Beschäftigungsverhältnis
VORAUSSETZUNGEN
Grundlage der Transfergesellschaft ist ein zwischen
mit der Transfergesellschaft begründet. Der Wechsel in
Arbeitgeber und Betriebsrat anlässlich einer Betriebs-
eine Transfergesellschaft ist für die Mitarbeiter freiwil-
änderung abgeschlossener Sozialplan. Seit 2001 sieht
lig. Da die Alternative jedoch häufig die betriebsbedingte
das BetrVG vor, dass Sozialpläne sich nicht mehr auf
Kündigung ist, ist die Zahl derjenigen Mitarbeiter, die das
schlichte Abfindungsregelungen beschränken müs-
Wechselangebot annehmen, in der Regel recht hoch.
sen. Vielmehr sollen die Parteien auch die Möglichkeit
eines direkten Beschäftigungstransfers mit Unterstützung
■
der Agentur für Arbeit prüfen. Nach der (seit 201 1 obli-
Entscheidendes finanzielles Element einer Transfer-
gatorischen) Beratung durch die Arbeitsagentur schlie-
gesellschaft ist die öffentliche Förderung durch Trans-
ßen Betriebsrat und Arbeitgeber einen Sozialplan, in dem
ferkurzarbeitergeld nach dem SGB III („Transfer-KuG“).
die Errichtung einer Transfergesellschaft vorgesehen ist.
Diese staatliche Leistung wird vom Arbeitgeber aufge-
Parallel wird in der Regel eine Betriebsvereinbarung über
stockt, so dass der Mitarbeiter während des Verbleibs
die Einzelheiten der Transfergesellschaft abgeschlossen.
in der Transfergesellschaft fast die volle Höhe der zuletzt
Die von der Arbeitslosigkeit betroffenen Arbeitnehmer wer-
bezogenen Nettovergütung beziehen kann.
FINANZIERUNG DER TRANSFERGESELLSCHAFT
den in einer sog. „betriebsorganisatorisch eigenständigen
Einheit“ zusammengefasst. Hierfür wechseln sie entwe-
Anspruchsberechtigt gegenüber der Agentur für Arbeit
der in eine der inzwischen schon zahlreich bestehenden
ist der Arbeitnehmer. Aus Gründen der Praktikabilität
Transfergesellschaften oder der Arbeitgeber richtet selbst
übernimmt jedoch der Arbeitgeber die Formalitäten der
eine separate Organisation ein, die vom bisherigen Betrieb
Anspruchsstellung und erhält auch unmittelbar die Zah-
abgegrenzt ist und nur Arbeitsvermittlung, Qualifizierung,
lung durch die Arbeitsagentur. Das Transferkurzarbeitergeld
etc. betreibt. Diese selbständige Durchführung einer
wird für maximal zwölf Monate gezahlt. Die Höhe beträgt
Transfergesellschaft durch den bisherigen Arbeitgeber
60 % des letzten Nettoentgelts bzw. 67 % bei Arbeitneh-
lohnt sich jedoch nur bei einem Personalabbau in erhebli-
mern mit Kind. Voraussetzung für die Gewährung von
cher Größenordnung.
Transfer-KuG ist ferner, dass der Arbeitnehmer vor Eintritt
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in die Transfergesellschaft an einem sog. „Profiling“ teil-
man die sog. „Verweildauer“ in der Transfergesellschaft
nimmt. Hierbei werden die Eingliederungsaussichten
nach Alter oder Betriebszugehörigkeit staffeln. So ist es z.
des Arbeitnehmers im Rahmen eines zweitägigen Evalu-
B. üblich, dass die Mitarbeiter jeweils die doppelte Zeit ihrer
ierungsverfahrens festgestellt. Die (vom Arbeitgeber zu tra-
Kündigungsfrist (immer begrenzt auf maximal 12 Monate) in
genden) Kosten des Profiling betragen derzeit in der Regel
der Transfergesellschaft verbleiben können.
zwischen € 300,-- und € 450,--, wovon in der Regel die
Schließlich hat der Arbeitgeber die Verwaltungskosten der
Agentur für Arbeit 50 % übernimmt.
Transfergesellschaft zu tragen (in der Regel um die € 200,-pro Mitarbeiter und Monat in der Transfergesellschaft).
Eine Förderung durch die Arbeitsagentur scheidet aus,
wenn beabsichtigt ist, den Arbeitnehmer im gleichen Betrieb
oder in einem Konzernunternehmen weiter zu beschäftigen
■
(„Drehtür-Effekt“, siehe Beitrag von Georg Mikes in diesem
Entscheidender Vorteil der Transfergesellschaft ist aus
Newsletter).
Sicht der Arbeitnehmer, dass sie nicht arbeitslos, son-
VORTEILE DER TRANSFERGESELLSCHAFT
dern in einem Beschäftigungsverhältnis sind. Sie erhalSoweit eine Kostenerstattung bzw. Förderung durch die
ten Weiterbildung, Qualifizierung und Unterstützung bei
Agenturen für Arbeit nicht erfolgt, hat der Arbeitgeber die
der Vermittlung an einen neuen Arbeitsplatz. Die Beiträge
Kosten der Transfermaßnahmen vollständig zu tragen. Dies
zur Sozialversicherung werden fortgezahlt. Wenn sie
sind insbesondere die sog. Remanenzkosten für die Arbeit-
nach Ausscheiden aus der Transfergesellschaft noch
nehmervergütung: Sozialversicherungsbeiträge gerechnet
keine neue Stelle gefunden haben, schließt sich (dann
auf 80 % des Bruttoeinkommens, Zahlungen für Urlaub und
erst) die Zeit des Arbeitslosengeldbezugs an. Vorteilhaft
Feiertage sowie die sog. Aufstockung auf das Transfer-KuG.
ist auch die Möglichkeit, probeweise bei einem neuen
Die Höhe dieser Aufstockung ist mit dem Betriebsrat zu ver-
Arbeitgeber zu arbeiten: Das Beschäftigungsverhältnis
handeln. Meist werden Aufstockungsbeträge vereinbart, die
für die Transfergesellschaft ruht für diese Zeit. Kommt es
zu einer Gesamtvergütung des Mitarbeiters in der Transfer-
nicht zu einer Festanstellung, können die Mitarbeiter in die
gesellschaft in Höhe von 75 – 85 % des letzten Nettolohns
Transfergesellschaft zurückkehren.
führen. Eine noch höhere Absicherung sehen Arbeitsagentur und Transfergesellschaft nicht gerne, weil hierdurch der
Für den Arbeitgeber ist der entscheidende Vorteil, dass
Anreiz für die Mitarbeiter, sich rasch um eine neue Stelle zu
in der Regel die große Mehrzahl der Mitarbeiter (einver-
bemühen, zu gering wird.
nehmlich durch dreiseitigen Vertrag) ausscheidet und
Kündigungsschutzprozesse hierdurch vermieden werden.
Ferner trägt der Arbeitgeber die sog. „Qualifizierungsko-
Oft kann das Unternehmen die Zahlung der Kündigungs-
sten“ von in der Regel ca. € 1.000,-- pro Mitarbeiter.
fristlöhne teilweise einsparen, wenn die Arbeitnehmer
sofort vertraglich in die Transfergesellschaft übertreten. Die
Meist versucht das Unternehmen, die Kosten der Transfer-
ansonsten zu zahlenden Auslaufgehälter werden allerdings
gesellschaft dadurch zu reduzieren, dass die Arbeitnehmer
in der Regel teilweise für die Finanzierung der Beschäfti-
den Beitrag ihres Arbeitsgebers zur Transfergesellschaft
gungsverhältnisse in der Transfergesellschaft verwendet.
mitfinanzieren. Dies geschieht dadurch, dass sie ihre Kün-
Je nach Verhandlungsergebnis des Sozialplans können
digungsfristen in die Transfergesellschaft einbringen. Nach
auch Abfindungen eingespart werden.
erfolgter betriebsbedingter Kündigung zahlt der Arbeitgeber das Gehalt nicht Monat für Monat bis zum Ende
Alle Transfergesellschaften bieten inzwischen an, die vor-
der Kündigungsfrist aus, sondern der Mitarbeiter wech-
aussichtlichen Kosten im Voraus zu berechnen und die
selt sogleich per dreiseitigem Vertrag in die Transferge-
Arbeitgeber zu beraten.
sellschaft, und der Arbeitgeber spart die entsprechenden
Lohnkosten. Ferner kann im Sozialplan ausgehandelt wer-
Welche Transfergesellschaft die richtige ist, sollten Arbeit-
den, dass die Mitarbeiter, die in die Transfergesellschaft
geber und Betriebsrat davon abhängig machen, wie die
gehen, keine oder nur eine niedrigere Abfindung erhalten,
Transfergesellschaft in der Region „vernetzt“ ist und wel-
was dem Arbeitgeber ebenfalls Kosten spart. Auch kann
che Vermittlungsquote sie in früheren Projekten erzielt hat.
7
Schließlich muss die Transfergesellschaft über die erforder-
Leiharbeitsrichtlinie (Richtlinie 2008/104/EG des Europä-
lichen Verwaltungsressourcen, Büros und Berater verfügen,
ischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008
um das Projekt bewältigen zu können.
über Leiharbeit) in nationales Recht um.
Da der Gesetzgeber auf eine zeitliche Definition des
LEIHARBEITSKRÄFTE AUF DAUERARBEITSPLÄT –
ZEN – ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSRECHT
DES BETRIEBSRATS?
Merkmals „vorübergehend“ verzichtete, sorgte diese
von Franka Thomas
Rechtsprechung vertreten den Standpunkt, dass sich
Formulierung in der folgenden Zeit für unterschiedliche richterliche Auslegung und, damit verbunden, für
erhebliche Rechtsunsicherheit. Teile der Literatur und
nunmehr ein Zustimmungsverweigerungsgrund für den
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Rechtsanwältin
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Betriebsrat des Entleiherbetriebs bei einem dauerhaften
Einsatz von Zeitarbeitskräften im Betrieb ergebe. Aus diesem Grund sind derzeit vermehrt auf diese Argumentation
Immer häufiger treffen Arbeitgeber seit der Neufassung
gestützte Zustimmungsverweigerungen durch Betriebsräte
des § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) auf
zu beobachten.
die Problematik, dass Betriebsräte die Zustimmung zum
Einsatz von Leiharbeitskräften mit der Begründung verwei-
■
gern, diese erfolge nicht nur vorübergehend.
Zur Frage, wie die Formulierung „vorübergehend“ verstehen
DIE BEDEUTUNG DES MERKMALS „VORÜBERGEHEND“
ist, haben sich drei Meinungen herausgebildet:
In Rechtsprechung und Literatur sind in diesem Zusammenhang insbesondere zwei Fragen streitig:
Die erste Ansicht geht davon aus, dass der Einsatz von
Leiharbeitnehmern nur dann „vorübergehend“ und damit
1.
Wie ist das Merkmal „vorübergehend“ auszulegen?
zulässig sei, wenn bei hypothetischer Betrachtung bei
2.
Kann der Betriebsrat seine Zustimmung zum Einsatz
Einstellung eines Arbeitnehmers auf diesem Arbeitsplatz
eines Leiharbeitnehmers mit der Begründung, die-
das Vorliegen eines Sachgrunds für eine Befristung ent-
ser werde auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt,
sprechend dem Teilzeit- und Befristungsgesetz bejaht wer-
verweigern?
den könnte. Diese Ansicht kommt zu dem Ergebnis, dass
der Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen
■
per se ausgeschlossen ist.
DIE AUSGANGSLAGE
Nach der Neufassung Ende 2011 lautet § 1 AÜG kurz und
bündig: „Die Überlassung von Arbeitnehmern an Ent-
Nach der zweiten Ansicht stellt das Merkmal „vorüberge-
leiher erfolgt vorübergehend.” Mit dieser Gesetzesän-
hend“ lediglich eine Missbrauchsgrenze dar, die je nach
derung setzte die Bundesregierung die europäische
Einzelfall zu bestimmen sei. Demnach sei die Überlassung
vorübergehend, wenn sie einen voraussichtlich zeitweiligen
Arbeitskräftebedarf decke. Sobald die Überlassung sich
aber verstetige, liege ein nicht mehr nur vorübergehender
Einsatz vor.
Die dritte Ansicht geht davon aus, dass das Merkmal „vorübergehend“ lediglich eingefügt wurde, um klarzustellen,
dass der deutsche Gesetzgeber mit der Änderung die
oben genannte europäische Richtlinie umsetze. Daher folge
aus der Formulierung keine Überlassungshöchstdauer.
Der Einsatz von Leiharbeitskräften müsse daher nicht
von vornherein zeitlich befristet sein und könne auch auf
Dauerarbeitsplätzen erfolgen.
8
■
ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSRECHT DES
Dem Arbeitgeber stehen verschiedene Möglichkeiten zur
BETRIEBSRATS DES ENTLEIHERBETRIEBS?
Verfügung:
Wenn man sich der ersten Auffassung anschließt, das
1.
Merkmal „vorübergehend“ habe nicht bloß klarstellende
Um Streitigkeiten vorzubeugen, kann der Arbeitgeber
Funktion, sondern bedeute ein Verbot der Beschäftigung
mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zum
von Leiharbeitskräften auf Dauerarbeitsplätzen, ergibt sich
Einsatz von Leiharbeitskräften bis zur höchstrich-
die Folgefrage, ob hieraus ein Zustimmungsverweigerungs-
terlichen Klärung der Frage abschließen. Eine sol-
grund für den Betriebsrat des Entleiherbetriebs erwächst.
che Vereinbarung schließt zwar die Verweigerung der
Zustimmung durch den Betriebsrat nicht aus, allerdings
In Betracht kommt ein Zustimmungsverweigerungsgrund
ist erfahrungsgemäß das Konfliktpotential wesent-
aufgrund der Tatsache, dass die personelle Maßnahme
lich geringer, wenn bereits eine Regelung von beiden
gegen ein Gesetz verstoßen würde (§ 99 Abs. 2 Nr. 1
Seiten akzeptiert wurde, bevor die Problematik im konkreten Fall auftaucht.
BetrVG). Dies setzt voraus, dass der Einsatz der Leiharbeits2.
kraft gesetzeswidrig ist, wenn er nicht nur vorübergehend
Um den Konflikt zu vermeiden, kann der Arbeitsgeber
auf den Einsatz von Leiharbeitskräften auf Dauerar-
erfolgt.
beitsplätzen vorerst vollständig verzichten.
3.
Auch hier haben sich seit der Neufassung des Gesetzes
Wenn der Arbeitgeber weiterhin Leiharbeitskräfte auch
auf Dauerarbeitsplätzen einsetzen und auch keine
verschiedene Meinungen gebildet:
Betriebsvereinbarung schließen will, bleibt schließlich
Einige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung gehen
der Weg des Zustimmungsersetzungsverfahrens vor
davon aus, dass § 1 AÜG kein Verbotsgesetz darstelle und
dem Arbeitsgericht und der vorläufigen Weiterbeschäf-
dem Betriebsrat des Entleiherbetriebs daher kein Zustim-
tigung nach § 100 BetrVG. Hier besteht zugleich ein
mungsverweigerungsrecht zustehe. Dies folge bereits dar-
Risiko und eine Chance, je nachdem, wie das Gericht
aus, dass das AÜG keine Sanktion für den Fall vorsieht,
entscheidet. Wenn ein sachlicher Grund für eine vorläu-
dass die Überlassung nicht nur vorübergehend sei.
fige Weiterbeschäftigung gemäß § 100 BetrVG vorliegt,
kann der Leiharbeitnehmer aber jedenfalls vorläu-
Die Gegenansicht geht davon aus, dass § 1 AÜG ein Ver-
fig weiterbeschäftigt werden, bis eine rechtskräftige
botsgesetz darstellt und folglich ein Zustimmungsverweige-
Gerichtsentscheidung vorliegt.
rungsgrund für den Betriebsrat vorliegt.
BACKGROUND-CHECKS VON
BEWERBERN – WAS IST ERLAUBT?
Eine dritte Meinung geht davon aus, dass es sich bei § 1
AÜG zwar nicht um ein technisches Verbotsgesetz handele,
ein solches aber für die Verweigerung der Zustimmung
auch nicht notwendig sei, so dass der Betriebsrat seine
von Julia Zange
Zustimmung dennoch verweigern dürfe.
Frankfurt
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Maître en droit
jzange@jonesday.com
++49 69 9726 3939
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AUSBLICK UND HANDLUNGSEMPFEHLUNG
Gegen viele der seit der Gesetzesänderung ergangenen Gerichtsentscheidungen ist Beschwerde beim
„Drum prüfe, wer sich (ewig) bindet“: Diese Weisheit
Bundesarbeitsgericht eingelegt worden. Eine höchstrich-
gilt auch – und gerade – im Arbeitsverhältnis. Denn mit
terliche Entscheidung steht noch aus, ist aber in nächster
Abschluss des Arbeitsvertrages gehen Arbeitgeber und
Zeit zu erwarten. Aufgrund der unklaren Rechtslage ist bis
Arbeitnehmer ein Dauerschuldverhältnis ein, welches der
zu diesem Zeitpunkt damit zu rechnen, dass Betriebsräte
Arbeitgeber nach Eingreifen des Kündigungsschutzes
mit der oben geschilderten Argumentation vermehrt
(nach 6 Monaten) nur noch unter restriktiven Voraussetzun-
Zustimmungen zum Einsatz von Leiharbeitskräften verwei-
gen beenden kann.
gern werden.
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ein eigener Markt entwickelt. Es gibt verschiedene Anbie-
Ausgangslage: Fragerecht des Arbeitgebers
ter, die professionelles Background-Checking für UnternehDer Arbeitgeber möchte verständlicherweise schon
men anbieten. Dem gegenüber stehen die verschiedensten
vor Abschluss des Arbeitsvertrages möglichst viele
Online-Dienste, die sich um das Reputationsmanagement
Informationen über den Bewerber und seine fachliche und
der Kandidaten kümmern.
charakterliche/soziale Eignung einholen, um früh zu erkennen, ob der Bewerber „passt“. Im Vorstellungsgespräch
Zu den „beliebtesten“ bzw. häufigsten Maßnahmen gehö-
und/oder einem Personalfragebogen werden Fähigkeiten,
ren die Nachprüfung der vorgelegten Unterlagen und
Kenntnisse und Erfahrungen, Details zur Ausbildung und
Zeugnisse, die Überprüfung der finanziellen Situation, der
zum Werdegang und auch private Interessen, Hobbies etc.
strafrechtlichen Vergangenheit, sowie Überprüfung des
abgefragt. Jedoch stehen dem Informationsinteresse des
körperlichen und/oder psychischen Gesundheitszustands
Arbeitgebers das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers und
und das „googeln“, also die Suche nach dem Bewerber im
sein Recht auf Privatheit sowie Schutz seiner personenbe-
Internet. Was ist erlaubt?
zogenen Daten gegenüber. Wird er etwa gerne von sich
preisgeben wollen, dass er noch bei seinen Eltern lebt, in
Die Zulässigkeit von Background-Checks richtet sich im
der Freizeit Waffen sammelt, Comics liest, Schlager- oder
Kern nach zwei Grundsätzen:
Volksmusik liebt, wegen Verkehrsdelikten vorbestraft
ist, exotische Tiere bei sich hält oder das Wochenende
•
Grundsatz der Erforderlichkeit : Die Erhebung von
am liebsten in Spielhallen verbringt? Aus Sicht des
Daten muss für die Entscheidung über die Begründung
Arbeitgebers sind all diese Informationen sicherlich von
des A r beitsv er hä l tnisses er forder lic h sei n . Fü r
Interesse – doch was hat das mit dem Arbeitsplatz zu tun?
die Bestimmung der Erforderlichkeit kann auf die
Grundsätze zum Fragerecht abgestellt werden.
Es gilt folgendes: Ist die Information für den Arbeitsplatz
und die Tätigkeit von Bedeutung, darf zulässigerweise nach
•
Grundsatz der Direkterhebung : Personenbezogene
ihr gefragt werden. So wird das Transportunternehmen
Daten müssen grundsätzlich beim Betroffenen selbst,
den potentiellen Lkw-Fahrer nach Vorstrafen wegen
also beim Bewerber, erhoben werden. Sie dürfen nur
Verkehrsdelikten, nach einer Sehschwäche oder einer
ausnahmsweise ohne Mitwirkung des Bewerbers und/
Alkoholerkrankung fragen dürfen, nicht jedoch einen
oder bei einem Dritten erhoben werden, wenn eine
Fremdsprachensekretär oder einen Buchhalter. Dafür aber
Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend vor-
darf er einen Buchhalter möglicherweise nach Vorstrafen
aussetzt, oder wenn die Erhebung beim Betroffenen
wegen Untreue- und Vermögensdelikten fragen. Je weni-
einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde
ger die Frage mit dem angestrebten Arbeitsplatz und dem
und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass über-
Anforderungsprofil in Zusammenhang steht und je mehr sie
wiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen
die Person selbst ausforscht, desto eher wird sie unzulässig
beeinträchtigt werden. Darüber hinaus ist der Bewerber
sein. Zulässige Fragen müssen wahr beantwortet werden;
vor der Einschaltung des Dritten grundsätzlich zu
bei unzulässigen Fragen wird dem Bewerber ein „Recht zur
informieren.
Lüge“ eingeräumt.
■
■
ÜBERPRÜFUNG DER REFERENZEN
Unterlagen zur Überprüfung der Qualifikationen (Schule,
BACKGROUND-CHECKS
Unternehmen geben sich häufig nicht mit den Bewerbungs-
Studium/Ausbildung, Sprachkenntnisse), dem beruflichen
unterlagen und den Angaben des Bewerbers zufrieden.
Werdegang und dem vorherigen Beschäftigungsverhältnis
Sogenannte Background-Checks (auch „Pre-employment
dürfen vom Bewerber angefordert werden; um Fälschungen
screenings“ genannt) erfreuen sich deshalb großer Beliebt-
vorzubeugen, kann der Arbeitgeber verlangen, dass ihm
heit; es geht darum, den Hintergrund („Background“) des
Originale/beglaubigte Kopien vorgelegt werden.
Bewerbers zu erhellen. Zum Teil wird zwischen BackgroundChecks offline (Unterlagen, Anfragen bei dritten Personen)
Auch der Anruf beim bisherigen Arbeitgeber wird überwie-
und online (Internet) unterschieden. Mittlerweile hat sich
gend für zulässig gehalten, mit der Begründung, dies sei
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erforderlich, um die Angaben des Bewerbers zu verifizieren. Die Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist der Bewerber über diese Maßnahme zu
informieren.
■
FINANZIELLER BACKGROUND
Die Überprüfung der finanziellen Verhältnisse ist allenfalls dort zulässig, wo der Arbeitsplatz eine besondere
Vertrauensstellung erfordert, weil der Arbeitnehmer
mit größeren Geldsummen oder Vermögenswer ten
umzugehen hat oder die Gefahr der Bestechung oder
des Geheimnisverrats besteht, also etwa bei einem
Mitarbeiter im Bereich Buchhaltung/Finanzen und/oder
Top-Entscheidungsträger.
Jedoch steht dem Arbeitgeber kein eigener Auskunftsanspruch gegenüber der SCHUFA zu; er kann allenfalls
den Bewerber bitten, eine SCHUFA-Auskunft vorzulegen.
Doch ist dies äußerst problematisch, da die standardisierte
SCHUFA-Auskunft Informationen enthält, die Aufschluss über
die private Lebensumstände und Lebensführung geben –
denn sie informiert über alle Geld- und Warenkreditverträge
■
des Bewerbers mit Vertragspartnern der SCHUFA. Diese
Strengen Maßstäben unterliegt die Überprüfung des
Informationen dürften weit über das für die Einstellungsent-
Gesundheitszustands, da sie in die Intimsphäre des
scheidung erforderliche Informationsinteresse hinausgehen
Bewerbers eingreift.
GESUNDHEITSCHECK
und deshalb nicht mehr „erforderlich“ sein.
Die Frage nach einer Krankheit und/oder Schwerbehin■
derung ist nur zulässig, wenn das Fehlen derselben eine
STRAFRECHTLICHER BACKGROUND
Nach Vorstrafen und laufenden Ermittlungsverfahren darf
„wesentliche und entscheidende berufliche Anforde-
nur gefragt werden, wenn und soweit sie für die Art des
rung“ darstellt, und wenn sie die Eignung des Bewerbers
zu besetzenden Arbeitsplatzes relevant sein können, etwa
für die angestrebte Tätigkeit erheblich beeinträchtigen
Vorstrafen wegen Vermögensdelikten bei Buchhaltern und
würde. So darf etwa bei einem Pilot oder Kraftfahrer nach
Kassierern oder wegen Verkehrsdelikten bei Kraftfahrern.
der Sehstärke gefragt werden. Anzuerkennen ist auch ein
Fragerecht nach ansteckenden Krankheiten, wenn Kolle-
Allerdings brauchen Vorstrafen dann nicht mehr offenbart
gen, Kunden oder Patienten gefährdet werden könnten,
zu werden, wenn sie nach den Regelungen des Bundes-
etwa bei medizinischem und Pflegepersonal.
zentralregistergesetzes („BZRG“) aus dem Führungszeugnis getilgt worden sind. Eintragungen werden nach Ablauf
Die Beibringung eines Gesundheitszeugnisses bzw. Teil-
einer Tilgungsfrist, die je nach Schwere der Verurteilung
nahme an einer ärztlichen/psychologischen Untersuchung
zwischen 5 und 15 Jahren beträgt, getilgt.
ist unter Umständen zulässig, wenn der Arbeitsplatz eine
bestimmte gesundheitliche bzw. psychische Eignung vor-
Ein polizeiliches Führungszeugnis kann im Einzelfall
aussetzt, etwa: Profisportler, Therapeut, Pilot, Großkü-
verlangt werden, dann aber nur vom Bewerber; dem
che/Lebensmittelindustrie, Pflegepersonal/medizinisches
Arbeitgeber steht kein eigenes Auskunftsrecht gegenüber
Personal etc., setzt aber in jedem Fall die freiwillige Mit-
der zuständigen Behörde zu.
wirkung des Bewerbers voraus. Befunde bzw. ärztliche
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Untersuchungsergebnisse dürfen nur mit Einwilligung des
Bezüglich der Recherche in sozialen Netzwerken ist nach
Bewerbers mitgeteilt werden.
der Zugänglichkeit und der Orientierung des Netzwerks zu
unterscheiden. Freizeitorientierte Netzwerke wie Facebook
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werden regelmäßig nur für private Zwecke genutzt; außer-
INTERNETRECHERCHE
Eine Internetrecherche gewährt dem Arbeitgeber unter
dem müsste der Arbeitgeber sich für die Datenerhebung
Umständen weitreichende Einblicke in eine Vielzahl von
einloggen bzw. selbst ein User sein, so dass die in diesen
Daten, die für die Einstellungsentscheidung keine Rolle
Netzwerken enthaltenen Daten nicht allgemein zugänglich
spielen, deshalb dürfte es an der Erforderlichkeit fehlen.
sind.
Die Internetrecherche soll zulässig sein, wenn die betroffenen Daten allgemein zugänglich sind und das Interesse
Anders sind berufsorientierte Netzwerke wie XING oder
des Bewerbers gegenüber dem berechtigten Interesse des
LinkedIn zu bewerten; deren Nutzung erfolgt zu geschäft-
Arbeitgebers bei nicht offensichtlich überwiegt.
lichen Zwecken, weshalb die dort vom Bewerber eingestellten Daten trotz der vom Arbeitgeber vorzunehmenden
In diesem Sinne allgemein zugänglich sind wohl
Anmeldung im Netzwerk als allgemein zugänglich angese-
Informationen, die mittels Suchmaschinen wie Google,
hen werden, wenn es sich nicht um ein nur für „Freunde“
Yahoo etc. erlangt werden können. Dies umfasst wohl
einsehbares Profil handelt.
auch die in sozialen Netzwerken wie Facebook enthaltenen Daten, die ohne Anmeldung im Netzwerk über eine
Suchmaschinenanfrage erhoben werden können.
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