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4. QUARTAL 2012 ARBEITSRECHT NEWS FORTBILDUNGSKOSTEN - VORSICHT BEI RÜCKZAHLUNGSKLAUSELN von Friederike Göbbels München Rechtsanwältin/Fachanwältin f. Arbeitsrecht fgoebbels@jonesday.com ++49 89 20 60 42 00 Arbeitgeber sind häufig bereit, die Weiterbildung eines Mitarbeiters zu unterstützen. Dieses finanzielle Engagement ist typischerweise von der Erwartung getragen, dass die auf Seiten des Arbeitnehmers erworbenen Kenntnisse und/oder INHALT Fortbildungskosten - Vorsicht bei Rückzahlungsklauseln Fähigkeiten auch dem Unternehmen in Zukunft zu Gute kommen werden. Wenn der Mitarbeiter jedoch kurz nach Abschluss der Fortbildung oder ggfs. sogar wäh1 rend deren Verlauf aus dem Unternehmen ausscheidet, besteht verständlicherweise beim Arbeitgeber der Wunsch, die investierten Fortbildungskosten von dem Betriebsübergang und Insolvenz 3 Mitarbeiter erstattet zu bekommen. Nachfolgend wird dargestellt, in welch engen Grenzen eine solche Rückzahlungs- bzw. Erstattungsforderung geltend gemacht Transfergesellschaften als Instrument bei Betriebsänderungen werden kann: 5 ■ Leiharbeitskräfte auf Dauerarbeitsplätzen Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats? 8 Background-Checks von Bewerbern - was ist erlaubt NOTWENDIGKEIT EINER VEREINBARUNG Voraussetzung ist, dass überhaupt eine Rückzahlungspflicht mit dem Mitarbeiter vereinbart wird. Es gibt insoweit nämlich keinerlei gesetzliche Vermutungswirkungen, die unter bestimmten Bedingungen dazu führen könnten, dass sich die Zahlungspflicht des ausgeschiedenen Arbeitnehmers automatisch ergibt. Aus 9 Gründen der Beweisbarkeit einer solchen Vereinbarung, sollte diese unbedingt schriftlich fixiert und von Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterzeichnet werden. Ob die vereinbarte Rückzahlungspflicht wirksam und damit hierzu ergangener Rechtsprechung (z. B. BAG Urteil durchsetzbar ist, beurteilt sich auf der Grundlage der von vom 19. Januar 201 1, 3 AZR 621/08) kann von folgenden dem BAG entwickelten Grundsätze. Hier kann man viel Orientierungsgrößen ausgegangen werden, die aber falsch machen. Die Folge eines Fehlers führt häufig dazu, immer anhand der individuellen Umstände auf die konkrete dass ein Zahlungsanspruch gegenüber dem ausgeschie- Angemessenheit zu überprüfen sind: denen Mitarbeiter nicht gerichtlich durchgesetzt werden kann. • Dauert die Fortbildung bei Fortzahlung der Vergütung bis zu einem Monat, darf der Bindungszeitraum in der ■ Regel sechs Monate nicht überschreiten. BERECHTIGTES ARBEITGEBERINTERESSE Wichtig ist, dass der Arbeitgeber selbst ein erkennbares • Dauert die Fortbildung bis zu zwei Monaten, kann eine • Dauert die Fortbildung drei bis vier Monate, kann der Interesse an den durch die Fortbildungsveranstaltung ver- Bindung bis zu einem Jahr gerechtfertigt sein. mittelten Erkenntnissen hat. Dies ist in der Regel der Fall, wenn neue Qualifikationen oder Kenntnisse erworben wer- Bindungszeitraum bis zu zwei Jahren betragen. den, die für den Betrieb nützlich sein können. Dagegen wird • Dauert eine Fortbildungsmaßnahme sechs Monate ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse wohl eher verneint bis zu einem Jahr, kann eine Bindung von bis zu drei werden, wenn es um bloße Auffrischungskurse geht. Jahren gerechtfertigt sein. • ■ Dauert die Fortbildung zwei Jahre, kann ausnahmsweise sogar eine Bindungsdauer von bis zu fünf Jahren ANGEMESSENER UMFANG DER BINDUNGSDAUER Jede Rückzahlungsklausel wird auf ihre individuelle zulässig sein. Fünf Jahre sind allerdings die absolute Angemessenheit überprüft. Dabei geht es vor allem darum, Höchstgrenze. ob der Bindungszeitraum, während dessen im Falle eines ■ Ausscheidenens die Rückzahlungspflicht aktiviert werden soll, in einem angemessenen Verhältnis zu den investier- DIFFERENZIERTE BETRACHTUNG VON AUSSCHEIDENSGRÜNDEN ten Kosten und dem Umfang der Fortbildungsmaßnahme Eine Differenzierung nach Beendigungstatbeständen ist steht. In der Regel steigt die zulässige Bindungsdauer notwendig, da nicht jedes Ausscheiden des Arbeitneh- mit dem Umfang der Fortbildungsmaßnahme. Gemäß mers im Bindungszeitraum dazu führen darf, dass die 2 Rückzahlungspflicht einschlägig ist. Vielmehr muss eine pauschalen Betrages oder einer Höchstsumme wird zur Differenzierung nach Verantwortungs- und Risikobereich Unwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung führen. geregelt werden, die vermeidet, dass die Rückzahlungspflicht den Arbeitnehmer auch dann trifft, wenn er die ■ Kündigung letztlich nicht zu verantworten hat. Nicht ausrei- Der Rückzahlungsbetrag muss zumutbar sein. Wenn es um chend ist es, nach Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkündi- einen hohen Betrag geht, kann es geboten sein, dass zur gung zu differenzieren, da auch die Kündigung durch den Erhaltung der Zumutbarkeit die Rückzahlungsverpflichtung Mitarbeiter letztlich auf einem Grund beruhen kann, der im so ausgestaltet wird, dass sie sich nach bestimmten Verantwortungsbereich des Unternehmens liegt (z. B. BAG, Zeitabschnitten innerhalb des Bindungszeitraums anteilig Urteil v. 13. Dezember 2011 – 3 AZR 791/09). Gemäß den mindert. Je kleiner die Zeitabschnitte gewählt werden, desto aktuellen Tendenzen in der Rechtsprechung empfiehlt es sicherer ist die Ausgestaltung im Falle einer Rechtskontrolle. sich, die Rückzahlungspflicht nur dann als einschlägig zu Es empfiehlt sich daher, eine monatliche, zeitanteilige regeln, wenn Reduzierung des Rückzahlungsbetrags zu regeln. • der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis innerhalb ■ des definierten Zeitrahmens nach Abschluss der Die Vereinbarung einer Rückzahlungsverpflichtung des Fortbildung kündigt, ohne dass dafür ein Grund vor- Arbeitnehmers bezüglich gewährter Fortbildungskosten liegt, der der Sphäre des Arbeitgebers zuzuordnen ist unterliegt vielen Anforderungen. Fehler führen häufig dazu, (z. B. fristlose Kündigung wegen eines wichtigen, vom dass die Rückzahlungspflicht unwirksam und daher gegen- Arbeitgeber zu vertretenden Kündigungsgrundes), über dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nicht durchsetz- oder wenn der Arbeitgeber fristlos aus einem wichtigen, bar ist. Eine möglichst sichere Ausgestaltung ist nur unter vom Arbeitnehmer zu vertretenden Grund oder ordent- detaillierter Berücksichtigung der einschlägigen Fakten im lich aus einem verhaltensbedingten Grund kündigt. Einzelfall und unter Wahrung der von der Rechtsprechung • ANGEMESSENER RÜCKZAHLUNGSBETRAG FAZIT aufgestellten Leitlinien möglich. Diese oder eine vergleichbare Differenzierung sollte in der Rückzahlungsvereinbarung klar beschrieben werden. BETRIEBSÜBERGANG UND INSOLVENZ ■ TRANSPARENTER RÜCKZAHLUNGSBETRAG von Georg Mikes Gemäß der neuesten Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 21. Frankfurt Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht gmikes@jonesday.com ++49 69 9726 3939 August 2012 – 3 AZR 698/10) ist eine Rückzahlungsklausel unwirksam, wenn darin die entstehenden und daher potentiell zu erstattenden Kosten nicht dem Grunde und der ■ Höhe nach angegeben sind. Eine exakte Festlegung ist DER ZIELKONFLIKT ZWISCHEN SCHUTZ VON je nach Kostenfaktoren zwar unter Umständen nicht mög- ARBEITNEHMERN UND BETRIEBSFORTFÜHRUNG lich. Die Angaben sollen aber zumindest so beschaf- DURCH VERKAUF fen sein, dass der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko Die Bestimmung des § 613 a BGB hat den Zweck, Arbeits- abschätzen kann. Deswegen müssen wenigstens die verhältnisse zu schützen, wenn der zugehörige Be trieb Art und Berechnungsgrundlage der ggf. zu erstatten- oder Betriebsteil vom bisherigen Inhaber auf einen neuen den Kosten in der Fortbildungsvereinbarung beschrie- Inhaber – den Erwerber – übertragen wird. Seit Langem ben werden. Es ist daher notwendig, eine genaue und ist hierbei durch die Rechtsprechung klargestellt, dass abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen dies auch für Fälle gilt, in denen der Erwerber den Betrieb (z. B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und aus der Insolvenz heraus kauft. Einen Käufer wird der Verpflegungskosten) vorzunehmen und anzugeben, nach Insolvenzverwalter suchen, wenn er zu dem Schluss kommt, welchen Parametern die einzelnen Positionen berech- dass der Betrieb nicht fortgeführt werden kann. Mögliche net werden (z. B. Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Käufer werden jedoch umso weniger zur Verfügung stehen, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten). als die Einschätzung besteht, dass die dem Betrieb zuge- Eine fehlende Konkretisierung, die Nennung nur eines hörigen Arbeitnehmer mit „zu vorteilhaften“ Arbeitsverträgen 3 ausgestattet sind und dies womöglich zur Insolvenz des einem kürzlich entschiedenen Fall (BAG, Urteil vom 18. Betriebes beigetragen hat. So verwundert es nicht, dass August 201 1, 8 AZR 312/10, Pressemitteilung 67/1 1) hatte Insolvenzverwalter zusammen mit den möglichen Käufern der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmern dreisei- oft nach Wegen suchen, den Betrieb ohne Anwendung des tige Verträge angeboten. Diese sahen ein Ausscheiden § 613 a BGB zu verkaufen. Manchmal ist nur so wenigstens beim insolventen Unternehmen sowie einen Eintritt ein Teil des Betriebes und der zugehörigen Arbeitsplätze zu bei der Beschäftigungsgesellschaft vor. Dabei wurden retten. pro Arbeitnehmer im Herbst 2005 mehrere dreiseitige Vertragsformulare unterzeichnet, die jeweils unterschiedliche Übertrittsdaten in die Beschäftigungsgesellschaft innerhalb des Jahres 2006 vorsahen. Es sollte aber dasjenige Datum gelten, das die Beschäftigungsgesellschaft erst später durch Gegenzeichnung eines der Verträge bestimmte. Weitere zwei dreiseitige Verträge dieses Musters folgten im Mai 2006; diesmal im Hinblick auf ein Arbeitsverhältnis mit der vorgesehenen Betriebserwerberin. Diese hatte nämlich vor, den Betrieb mit einer Mehrzahl der Arbeitnehmer weiter zu betreiben. Am 29. Mai 2006 kam es zu einer Unterzeichnung desjenigen Vertrages durch die Beschäftigungsgesellschaft, der ein Ausscheiden ■ DIE GRAUZONE DER UMGEHUNG DES § 613 a BGB des später klagenden Arbeitnehmers bei der insolven- Aus heutiger Sicht eher plump muten jegliche Versuche ten Gesellschaft zum 31. Mai 2006 sowie einen Eintritt an, den betreffenden Arbeitnehmern einfach nur Aufhe- bei der Beschäftigungsgesellschaft zum 1. Juni 2006 bungsverträge im bisherigen Unternehmen anzubieten vorsah. Am 1. Juni war dieser Kläger auch auf einer im Gegenzug gegen neue, jedoch weniger vorteilhafte Betriebsversammlung, auf der im Losverfahren diejeni- Arbeitsverträge beim möglichen Erwerber. Die Logik die- gen 352 der weiter zu beschäftigenden 452 Arbeitnehmer ser Gestaltung liegt zwar auf der Hand – aufgrund des ermittelt wurden, die zur Erwerberin wechseln sollten; Aufhebungsvertrages läge kein übergangsfähiges Arbeits- darunter war auch der Kläger. Diese Fortführung des verhältnis vor, und beim Erwerber würde der Arbeitnehmer Betriebes sollte ab dem 2. Juni 2006 erfolgen. Im Anschluss auf der Grundlage des abgeschlossenen Arbeitsvertrages daran wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der gewissermaßen „neu“ anfangen. In derartigen Gestaltun- Beschäftigungsgesellschaft mit Wirkung zum Ablauf des 1. gen hat das BAG jedoch schon vor Jahrzehnten eine unzu- Juni 2006 rückwirkend aufgehoben. lässige Gesetzesumgehung gesehen – und § 613 a BGB trotz der Vertragsschlüsse angewandt. Ergebnis war, dass Es kann kaum verwundern, dass das BAG auch in die- die Arbeitnehmer doch als übergegangen galten und ihre ser Gestaltung eine Umgehung des § 613 a BGB sah. Die vormaligen günstigen Arbeitsbedingungen sowie die Dauer Beteiligten hatten zwar eine ganz ausdrückliche Zusage der der bisherigen Betriebszugehörigkeit als sozialen Besitz- Weiterbeschäftigung bei der Erwerberin als Gegenleistung stand behielten. Ergebnis war aber auch, dass in weiteren für das Ausscheiden bei der insolventen Gesellschaft Fällen mögliche Erwerber abgeschreckt wurden und es gar vermieden und eine Beschäftigungsgesellschaft einge- nicht erst zu einer Betriebsfortführung zu schlechteren Kon- schaltet. Letztlich hatte aber trotz des erheblichen vertrags- ditionen kam; stattdessen wurden alle von der Insolvenz konstruktiven Aufwands die formale Beschäftigung bei der betroffenen Arbeitnehmer arbeitslos. Beschäftigungsgesellschaft nur einen Tag betragen, und dies war geplant. Das BAG wertete diesen Sachverhalt ■ dahingehend, dass sich die Erwerberin nicht auf die ein- NEUERE GESTALTUNGSVERSUCHE Wesentlich „raffinier tere“ Gestaltungsvarianten mit tägige Unterbrechung der Beschäftigung berufen kann. demselben Ziel sind in der Vergangenheit unternom- Eine auf endgültiges Ausscheiden aus dem insolven- men worden, beispielsweise unter Einschaltung einer ten und durch die Erwerberin fortzuführenden Betrieb lag Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. In nach BAG nicht vor, hingegen – trotz Losverfahren – das 4 verbindliche Inaussichtstellen einer Weiterbeschäftigung Zug kommt – auch Arbeitnehmer, die lieber zu schlech- bei der Erwerberin. teren Konditionen arbeiten als sich dem Risiko des völligen Arbeitsplatzverlusts aussetzen wollten, können sich Ähnlich urteilte das BAG in einem anderen Fall (Urteil vom auf Unwirksamkeit der selbst unterschriebenen Verträge 25. Oktober 2012, 8 AZR 572/1 1; Pressemitteilung 76/12). berufen. Mögliche Erwerber werden dies aber bedenken Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die spätere und vielleicht von Übernahmen absehen, die Arbeitsplätze Erwerberin im März 2008 mit der IG Metall einen Tarifvertrag gerettet hätten. geschlossen. Von den rund 1.600 Arbeitnehmern des insolventen Unternehmens sollten 1.100 weitere unbefri- TRANSFERGESELLSCHAFTEN ALS INSTRUMENT BEI BETRIEBSÄNDERUNGEN stete Beschäftigung erhalten, weitere 400 eine immerhin noch befristete Beschäftigung. Anschließend kaufte die Erwerberin die sächlichen Betriebsmittel. Im April 2008 vereinbarte der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat von Dr. Markus Kappenhagen und der Gewerkschaft einen Interessenausgleich und Düsseldorf Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht mkappenhagen@jonesday.com ++49 211 54065 505 Sozialplan für eine übertragende Sanierung. Anfang Mai schließlich unterzeichnete der spätere Kläger einen dreiseitigen Vertrag, mit dem er das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Unternehmen mit Wirkung zum 31. Mai 2008 beendet Bei größeren Restrukturierungen, die mit Personalabbau und unmittelbar danach, also ab 1. Juni 2008, 0 Uhr, zu einhergehen, ist die Einschaltung einer Transfergesellschaft einer Beschäftigungsgesellschaft wechselt. Zeitgleich inzwischen ein etabliertes Gestaltungsmittel. Sie bie- unterzeichnete er mehrere ihm vorgelegte Verträge, die tet Vorteile für den Arbeitgeber, Betriebsräte und die teils befristete, teils unbefristete Beschäftigung bei der Belegschaft. Sie führt auch nicht notwendigerweise zu späteren Erwerberin ab 1. Juni 2008, 0.30 Uhr, vorsahen. höheren Kosten für das Unternehmen. Welcher Vertrag gelten sollte, wäre der Erwerberin überlassen. Diese entschied sich am 30. Mai 2008 für einen auf 20 Zwar sind in jüngerer Zeit Konstellationen bekannt gewor- Monate befristeten Vertrag. Der Arbeitnehmer klagte spä- den, in denen eine Transfergesellschaft in einer Weise ter auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung. Darin eingesetzt wurde, die von den Arbeitsgerichten als obsiegte er. rechtsmissbräuchlich gewertet wurden. So ist es nicht zulässig, Mitarbeiter nur für wenige Stunden in eine Auch hier kam das BAG zu dem Ergebnis, dass eine unzu- Transfergesellschaft wechseln zu lassen, um sie sodann lässige Umgehung des § 613 a BGB vorlag. Es wertete den wieder neu im Ursprungsbetrieb anzustellen (siehe Komplex der diversen Vereinbarungen mit dem Arbeit- Beitrag von Georg Mikes in diesem Newsletter). Wenn nehmer so, dass für den Arbeitnehmer klar erschien, dass die Beteiligten jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen es alsbald zu einer Neueinstellung durch den Betriebs- beachten, kann eine Einigungsstelle eine sinnvolle Kompo- erwerber kommen würde. nente eines Sozialplans sein. ■ ■ FOLGERUNGEN SINN UND ZWECK Man mag es begrüßen oder bedauern, aber die Ent- Durch die Einschaltung einer Transfergesellschaft erhal- scheidungen sind konsequent. Das BAG ist seinen bisher ten die Mitarbeiter die Möglichkeit, durch einen dreiseiti- eingeschlagenen Weg zu Umgehungen weitergegangen gen Vertrag in eine Transfergesellschaft überzuwechseln und hat aufgezeigt, dass letztlich nur auf „echtes“ Aus- und dort für maximal ein Jahr zu verbleiben. In dieser Zeit scheiden aus dem zu übertragenden Betrieb gerich- sind sie nicht arbeitslos, sie erhalten Gehalt und sind sozi- tete Maßnahmen keinen Fall des § 613 a BGB darstellen. alversichert. Die Transfergesellschaft soll bewirken, dass Die Einschaltung von Beschäftigungsgesellschaften, bei die von einem Personalabbau betroffenen Arbeitnehmer denen der Arbeitnehmer für 30 Minuten oder einen Tag for- im Rahmen einer maximal einjährigen, befristeten mal „geparkt“ werden soll, bringt keinen Vorteil. Als Nach- Beschäftigung qualifiziert und unterstützt werden. Ziel ist teil wird hingenommen, dass die Vertragsfreiheit nicht zum 5 es, sie möglichst schnell wieder in eine Beschäftigung im Die Mitarbeiter erhalten das Angebot, einen dreiseitigen „Ersten Arbeitsmarkt“ zu vermitteln. Vertrag abzuschließen. Durch diese Vereinbarung wird das Arbeitsverhältnis mit dem früheren Arbeitgeber aufgeho- ■ ben und ein neues, befristetes Beschäftigungsverhältnis VORAUSSETZUNGEN Grundlage der Transfergesellschaft ist ein zwischen mit der Transfergesellschaft begründet. Der Wechsel in Arbeitgeber und Betriebsrat anlässlich einer Betriebs- eine Transfergesellschaft ist für die Mitarbeiter freiwil- änderung abgeschlossener Sozialplan. Seit 2001 sieht lig. Da die Alternative jedoch häufig die betriebsbedingte das BetrVG vor, dass Sozialpläne sich nicht mehr auf Kündigung ist, ist die Zahl derjenigen Mitarbeiter, die das schlichte Abfindungsregelungen beschränken müs- Wechselangebot annehmen, in der Regel recht hoch. sen. Vielmehr sollen die Parteien auch die Möglichkeit eines direkten Beschäftigungstransfers mit Unterstützung ■ der Agentur für Arbeit prüfen. Nach der (seit 201 1 obli- Entscheidendes finanzielles Element einer Transfer- gatorischen) Beratung durch die Arbeitsagentur schlie- gesellschaft ist die öffentliche Förderung durch Trans- ßen Betriebsrat und Arbeitgeber einen Sozialplan, in dem ferkurzarbeitergeld nach dem SGB III („Transfer-KuG“). die Errichtung einer Transfergesellschaft vorgesehen ist. Diese staatliche Leistung wird vom Arbeitgeber aufge- Parallel wird in der Regel eine Betriebsvereinbarung über stockt, so dass der Mitarbeiter während des Verbleibs die Einzelheiten der Transfergesellschaft abgeschlossen. in der Transfergesellschaft fast die volle Höhe der zuletzt Die von der Arbeitslosigkeit betroffenen Arbeitnehmer wer- bezogenen Nettovergütung beziehen kann. FINANZIERUNG DER TRANSFERGESELLSCHAFT den in einer sog. „betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit“ zusammengefasst. Hierfür wechseln sie entwe- Anspruchsberechtigt gegenüber der Agentur für Arbeit der in eine der inzwischen schon zahlreich bestehenden ist der Arbeitnehmer. Aus Gründen der Praktikabilität Transfergesellschaften oder der Arbeitgeber richtet selbst übernimmt jedoch der Arbeitgeber die Formalitäten der eine separate Organisation ein, die vom bisherigen Betrieb Anspruchsstellung und erhält auch unmittelbar die Zah- abgegrenzt ist und nur Arbeitsvermittlung, Qualifizierung, lung durch die Arbeitsagentur. Das Transferkurzarbeitergeld etc. betreibt. Diese selbständige Durchführung einer wird für maximal zwölf Monate gezahlt. Die Höhe beträgt Transfergesellschaft durch den bisherigen Arbeitgeber 60 % des letzten Nettoentgelts bzw. 67 % bei Arbeitneh- lohnt sich jedoch nur bei einem Personalabbau in erhebli- mern mit Kind. Voraussetzung für die Gewährung von cher Größenordnung. Transfer-KuG ist ferner, dass der Arbeitnehmer vor Eintritt 6 in die Transfergesellschaft an einem sog. „Profiling“ teil- man die sog. „Verweildauer“ in der Transfergesellschaft nimmt. Hierbei werden die Eingliederungsaussichten nach Alter oder Betriebszugehörigkeit staffeln. So ist es z. des Arbeitnehmers im Rahmen eines zweitägigen Evalu- B. üblich, dass die Mitarbeiter jeweils die doppelte Zeit ihrer ierungsverfahrens festgestellt. Die (vom Arbeitgeber zu tra- Kündigungsfrist (immer begrenzt auf maximal 12 Monate) in genden) Kosten des Profiling betragen derzeit in der Regel der Transfergesellschaft verbleiben können. zwischen € 300,-- und € 450,--, wovon in der Regel die Schließlich hat der Arbeitgeber die Verwaltungskosten der Agentur für Arbeit 50 % übernimmt. Transfergesellschaft zu tragen (in der Regel um die € 200,-pro Mitarbeiter und Monat in der Transfergesellschaft). Eine Förderung durch die Arbeitsagentur scheidet aus, wenn beabsichtigt ist, den Arbeitnehmer im gleichen Betrieb oder in einem Konzernunternehmen weiter zu beschäftigen ■ („Drehtür-Effekt“, siehe Beitrag von Georg Mikes in diesem Entscheidender Vorteil der Transfergesellschaft ist aus Newsletter). Sicht der Arbeitnehmer, dass sie nicht arbeitslos, son- VORTEILE DER TRANSFERGESELLSCHAFT dern in einem Beschäftigungsverhältnis sind. Sie erhalSoweit eine Kostenerstattung bzw. Förderung durch die ten Weiterbildung, Qualifizierung und Unterstützung bei Agenturen für Arbeit nicht erfolgt, hat der Arbeitgeber die der Vermittlung an einen neuen Arbeitsplatz. Die Beiträge Kosten der Transfermaßnahmen vollständig zu tragen. Dies zur Sozialversicherung werden fortgezahlt. Wenn sie sind insbesondere die sog. Remanenzkosten für die Arbeit- nach Ausscheiden aus der Transfergesellschaft noch nehmervergütung: Sozialversicherungsbeiträge gerechnet keine neue Stelle gefunden haben, schließt sich (dann auf 80 % des Bruttoeinkommens, Zahlungen für Urlaub und erst) die Zeit des Arbeitslosengeldbezugs an. Vorteilhaft Feiertage sowie die sog. Aufstockung auf das Transfer-KuG. ist auch die Möglichkeit, probeweise bei einem neuen Die Höhe dieser Aufstockung ist mit dem Betriebsrat zu ver- Arbeitgeber zu arbeiten: Das Beschäftigungsverhältnis handeln. Meist werden Aufstockungsbeträge vereinbart, die für die Transfergesellschaft ruht für diese Zeit. Kommt es zu einer Gesamtvergütung des Mitarbeiters in der Transfer- nicht zu einer Festanstellung, können die Mitarbeiter in die gesellschaft in Höhe von 75 – 85 % des letzten Nettolohns Transfergesellschaft zurückkehren. führen. Eine noch höhere Absicherung sehen Arbeitsagentur und Transfergesellschaft nicht gerne, weil hierdurch der Für den Arbeitgeber ist der entscheidende Vorteil, dass Anreiz für die Mitarbeiter, sich rasch um eine neue Stelle zu in der Regel die große Mehrzahl der Mitarbeiter (einver- bemühen, zu gering wird. nehmlich durch dreiseitigen Vertrag) ausscheidet und Kündigungsschutzprozesse hierdurch vermieden werden. Ferner trägt der Arbeitgeber die sog. „Qualifizierungsko- Oft kann das Unternehmen die Zahlung der Kündigungs- sten“ von in der Regel ca. € 1.000,-- pro Mitarbeiter. fristlöhne teilweise einsparen, wenn die Arbeitnehmer sofort vertraglich in die Transfergesellschaft übertreten. Die Meist versucht das Unternehmen, die Kosten der Transfer- ansonsten zu zahlenden Auslaufgehälter werden allerdings gesellschaft dadurch zu reduzieren, dass die Arbeitnehmer in der Regel teilweise für die Finanzierung der Beschäfti- den Beitrag ihres Arbeitsgebers zur Transfergesellschaft gungsverhältnisse in der Transfergesellschaft verwendet. mitfinanzieren. Dies geschieht dadurch, dass sie ihre Kün- Je nach Verhandlungsergebnis des Sozialplans können digungsfristen in die Transfergesellschaft einbringen. Nach auch Abfindungen eingespart werden. erfolgter betriebsbedingter Kündigung zahlt der Arbeitgeber das Gehalt nicht Monat für Monat bis zum Ende Alle Transfergesellschaften bieten inzwischen an, die vor- der Kündigungsfrist aus, sondern der Mitarbeiter wech- aussichtlichen Kosten im Voraus zu berechnen und die selt sogleich per dreiseitigem Vertrag in die Transferge- Arbeitgeber zu beraten. sellschaft, und der Arbeitgeber spart die entsprechenden Lohnkosten. Ferner kann im Sozialplan ausgehandelt wer- Welche Transfergesellschaft die richtige ist, sollten Arbeit- den, dass die Mitarbeiter, die in die Transfergesellschaft geber und Betriebsrat davon abhängig machen, wie die gehen, keine oder nur eine niedrigere Abfindung erhalten, Transfergesellschaft in der Region „vernetzt“ ist und wel- was dem Arbeitgeber ebenfalls Kosten spart. Auch kann che Vermittlungsquote sie in früheren Projekten erzielt hat. 7 Schließlich muss die Transfergesellschaft über die erforder- Leiharbeitsrichtlinie (Richtlinie 2008/104/EG des Europä- lichen Verwaltungsressourcen, Büros und Berater verfügen, ischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 um das Projekt bewältigen zu können. über Leiharbeit) in nationales Recht um. Da der Gesetzgeber auf eine zeitliche Definition des LEIHARBEITSKRÄFTE AUF DAUERARBEITSPLÄT – ZEN – ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSRECHT DES BETRIEBSRATS? Merkmals „vorübergehend“ verzichtete, sorgte diese von Franka Thomas Rechtsprechung vertreten den Standpunkt, dass sich Formulierung in der folgenden Zeit für unterschiedliche richterliche Auslegung und, damit verbunden, für erhebliche Rechtsunsicherheit. Teile der Literatur und nunmehr ein Zustimmungsverweigerungsgrund für den Düsseldorf Rechtsanwältin fthomas@jonesday.com ++49 211 54065 509 Betriebsrat des Entleiherbetriebs bei einem dauerhaften Einsatz von Zeitarbeitskräften im Betrieb ergebe. Aus diesem Grund sind derzeit vermehrt auf diese Argumentation Immer häufiger treffen Arbeitgeber seit der Neufassung gestützte Zustimmungsverweigerungen durch Betriebsräte des § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) auf zu beobachten. die Problematik, dass Betriebsräte die Zustimmung zum Einsatz von Leiharbeitskräften mit der Begründung verwei- ■ gern, diese erfolge nicht nur vorübergehend. Zur Frage, wie die Formulierung „vorübergehend“ verstehen DIE BEDEUTUNG DES MERKMALS „VORÜBERGEHEND“ ist, haben sich drei Meinungen herausgebildet: In Rechtsprechung und Literatur sind in diesem Zusammenhang insbesondere zwei Fragen streitig: Die erste Ansicht geht davon aus, dass der Einsatz von Leiharbeitnehmern nur dann „vorübergehend“ und damit 1. Wie ist das Merkmal „vorübergehend“ auszulegen? zulässig sei, wenn bei hypothetischer Betrachtung bei 2. Kann der Betriebsrat seine Zustimmung zum Einsatz Einstellung eines Arbeitnehmers auf diesem Arbeitsplatz eines Leiharbeitnehmers mit der Begründung, die- das Vorliegen eines Sachgrunds für eine Befristung ent- ser werde auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt, sprechend dem Teilzeit- und Befristungsgesetz bejaht wer- verweigern? den könnte. Diese Ansicht kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen ■ per se ausgeschlossen ist. DIE AUSGANGSLAGE Nach der Neufassung Ende 2011 lautet § 1 AÜG kurz und bündig: „Die Überlassung von Arbeitnehmern an Ent- Nach der zweiten Ansicht stellt das Merkmal „vorüberge- leiher erfolgt vorübergehend.” Mit dieser Gesetzesän- hend“ lediglich eine Missbrauchsgrenze dar, die je nach derung setzte die Bundesregierung die europäische Einzelfall zu bestimmen sei. Demnach sei die Überlassung vorübergehend, wenn sie einen voraussichtlich zeitweiligen Arbeitskräftebedarf decke. Sobald die Überlassung sich aber verstetige, liege ein nicht mehr nur vorübergehender Einsatz vor. Die dritte Ansicht geht davon aus, dass das Merkmal „vorübergehend“ lediglich eingefügt wurde, um klarzustellen, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Änderung die oben genannte europäische Richtlinie umsetze. Daher folge aus der Formulierung keine Überlassungshöchstdauer. Der Einsatz von Leiharbeitskräften müsse daher nicht von vornherein zeitlich befristet sein und könne auch auf Dauerarbeitsplätzen erfolgen. 8 ■ ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSRECHT DES Dem Arbeitgeber stehen verschiedene Möglichkeiten zur BETRIEBSRATS DES ENTLEIHERBETRIEBS? Verfügung: Wenn man sich der ersten Auffassung anschließt, das 1. Merkmal „vorübergehend“ habe nicht bloß klarstellende Um Streitigkeiten vorzubeugen, kann der Arbeitgeber Funktion, sondern bedeute ein Verbot der Beschäftigung mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zum von Leiharbeitskräften auf Dauerarbeitsplätzen, ergibt sich Einsatz von Leiharbeitskräften bis zur höchstrich- die Folgefrage, ob hieraus ein Zustimmungsverweigerungs- terlichen Klärung der Frage abschließen. Eine sol- grund für den Betriebsrat des Entleiherbetriebs erwächst. che Vereinbarung schließt zwar die Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat nicht aus, allerdings In Betracht kommt ein Zustimmungsverweigerungsgrund ist erfahrungsgemäß das Konfliktpotential wesent- aufgrund der Tatsache, dass die personelle Maßnahme lich geringer, wenn bereits eine Regelung von beiden gegen ein Gesetz verstoßen würde (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 Seiten akzeptiert wurde, bevor die Problematik im konkreten Fall auftaucht. BetrVG). Dies setzt voraus, dass der Einsatz der Leiharbeits2. kraft gesetzeswidrig ist, wenn er nicht nur vorübergehend Um den Konflikt zu vermeiden, kann der Arbeitsgeber auf den Einsatz von Leiharbeitskräften auf Dauerar- erfolgt. beitsplätzen vorerst vollständig verzichten. 3. Auch hier haben sich seit der Neufassung des Gesetzes Wenn der Arbeitgeber weiterhin Leiharbeitskräfte auch auf Dauerarbeitsplätzen einsetzen und auch keine verschiedene Meinungen gebildet: Betriebsvereinbarung schließen will, bleibt schließlich Einige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung gehen der Weg des Zustimmungsersetzungsverfahrens vor davon aus, dass § 1 AÜG kein Verbotsgesetz darstelle und dem Arbeitsgericht und der vorläufigen Weiterbeschäf- dem Betriebsrat des Entleiherbetriebs daher kein Zustim- tigung nach § 100 BetrVG. Hier besteht zugleich ein mungsverweigerungsrecht zustehe. Dies folge bereits dar- Risiko und eine Chance, je nachdem, wie das Gericht aus, dass das AÜG keine Sanktion für den Fall vorsieht, entscheidet. Wenn ein sachlicher Grund für eine vorläu- dass die Überlassung nicht nur vorübergehend sei. fige Weiterbeschäftigung gemäß § 100 BetrVG vorliegt, kann der Leiharbeitnehmer aber jedenfalls vorläu- Die Gegenansicht geht davon aus, dass § 1 AÜG ein Ver- fig weiterbeschäftigt werden, bis eine rechtskräftige botsgesetz darstellt und folglich ein Zustimmungsverweige- Gerichtsentscheidung vorliegt. rungsgrund für den Betriebsrat vorliegt. BACKGROUND-CHECKS VON BEWERBERN – WAS IST ERLAUBT? Eine dritte Meinung geht davon aus, dass es sich bei § 1 AÜG zwar nicht um ein technisches Verbotsgesetz handele, ein solches aber für die Verweigerung der Zustimmung auch nicht notwendig sei, so dass der Betriebsrat seine von Julia Zange Zustimmung dennoch verweigern dürfe. Frankfurt Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Maître en droit jzange@jonesday.com ++49 69 9726 3939 ■ AUSBLICK UND HANDLUNGSEMPFEHLUNG Gegen viele der seit der Gesetzesänderung ergangenen Gerichtsentscheidungen ist Beschwerde beim „Drum prüfe, wer sich (ewig) bindet“: Diese Weisheit Bundesarbeitsgericht eingelegt worden. Eine höchstrich- gilt auch – und gerade – im Arbeitsverhältnis. Denn mit terliche Entscheidung steht noch aus, ist aber in nächster Abschluss des Arbeitsvertrages gehen Arbeitgeber und Zeit zu erwarten. Aufgrund der unklaren Rechtslage ist bis Arbeitnehmer ein Dauerschuldverhältnis ein, welches der zu diesem Zeitpunkt damit zu rechnen, dass Betriebsräte Arbeitgeber nach Eingreifen des Kündigungsschutzes mit der oben geschilderten Argumentation vermehrt (nach 6 Monaten) nur noch unter restriktiven Voraussetzun- Zustimmungen zum Einsatz von Leiharbeitskräften verwei- gen beenden kann. gern werden. 9 ein eigener Markt entwickelt. Es gibt verschiedene Anbie- Ausgangslage: Fragerecht des Arbeitgebers ter, die professionelles Background-Checking für UnternehDer Arbeitgeber möchte verständlicherweise schon men anbieten. Dem gegenüber stehen die verschiedensten vor Abschluss des Arbeitsvertrages möglichst viele Online-Dienste, die sich um das Reputationsmanagement Informationen über den Bewerber und seine fachliche und der Kandidaten kümmern. charakterliche/soziale Eignung einholen, um früh zu erkennen, ob der Bewerber „passt“. Im Vorstellungsgespräch Zu den „beliebtesten“ bzw. häufigsten Maßnahmen gehö- und/oder einem Personalfragebogen werden Fähigkeiten, ren die Nachprüfung der vorgelegten Unterlagen und Kenntnisse und Erfahrungen, Details zur Ausbildung und Zeugnisse, die Überprüfung der finanziellen Situation, der zum Werdegang und auch private Interessen, Hobbies etc. strafrechtlichen Vergangenheit, sowie Überprüfung des abgefragt. Jedoch stehen dem Informationsinteresse des körperlichen und/oder psychischen Gesundheitszustands Arbeitgebers das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers und und das „googeln“, also die Suche nach dem Bewerber im sein Recht auf Privatheit sowie Schutz seiner personenbe- Internet. Was ist erlaubt? zogenen Daten gegenüber. Wird er etwa gerne von sich preisgeben wollen, dass er noch bei seinen Eltern lebt, in Die Zulässigkeit von Background-Checks richtet sich im der Freizeit Waffen sammelt, Comics liest, Schlager- oder Kern nach zwei Grundsätzen: Volksmusik liebt, wegen Verkehrsdelikten vorbestraft ist, exotische Tiere bei sich hält oder das Wochenende • Grundsatz der Erforderlichkeit : Die Erhebung von am liebsten in Spielhallen verbringt? Aus Sicht des Daten muss für die Entscheidung über die Begründung Arbeitgebers sind all diese Informationen sicherlich von des A r beitsv er hä l tnisses er forder lic h sei n . Fü r Interesse – doch was hat das mit dem Arbeitsplatz zu tun? die Bestimmung der Erforderlichkeit kann auf die Grundsätze zum Fragerecht abgestellt werden. Es gilt folgendes: Ist die Information für den Arbeitsplatz und die Tätigkeit von Bedeutung, darf zulässigerweise nach • Grundsatz der Direkterhebung : Personenbezogene ihr gefragt werden. So wird das Transportunternehmen Daten müssen grundsätzlich beim Betroffenen selbst, den potentiellen Lkw-Fahrer nach Vorstrafen wegen also beim Bewerber, erhoben werden. Sie dürfen nur Verkehrsdelikten, nach einer Sehschwäche oder einer ausnahmsweise ohne Mitwirkung des Bewerbers und/ Alkoholerkrankung fragen dürfen, nicht jedoch einen oder bei einem Dritten erhoben werden, wenn eine Fremdsprachensekretär oder einen Buchhalter. Dafür aber Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend vor- darf er einen Buchhalter möglicherweise nach Vorstrafen aussetzt, oder wenn die Erhebung beim Betroffenen wegen Untreue- und Vermögensdelikten fragen. Je weni- einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde ger die Frage mit dem angestrebten Arbeitsplatz und dem und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass über- Anforderungsprofil in Zusammenhang steht und je mehr sie wiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen die Person selbst ausforscht, desto eher wird sie unzulässig beeinträchtigt werden. Darüber hinaus ist der Bewerber sein. Zulässige Fragen müssen wahr beantwortet werden; vor der Einschaltung des Dritten grundsätzlich zu bei unzulässigen Fragen wird dem Bewerber ein „Recht zur informieren. Lüge“ eingeräumt. ■ ■ ÜBERPRÜFUNG DER REFERENZEN Unterlagen zur Überprüfung der Qualifikationen (Schule, BACKGROUND-CHECKS Unternehmen geben sich häufig nicht mit den Bewerbungs- Studium/Ausbildung, Sprachkenntnisse), dem beruflichen unterlagen und den Angaben des Bewerbers zufrieden. Werdegang und dem vorherigen Beschäftigungsverhältnis Sogenannte Background-Checks (auch „Pre-employment dürfen vom Bewerber angefordert werden; um Fälschungen screenings“ genannt) erfreuen sich deshalb großer Beliebt- vorzubeugen, kann der Arbeitgeber verlangen, dass ihm heit; es geht darum, den Hintergrund („Background“) des Originale/beglaubigte Kopien vorgelegt werden. Bewerbers zu erhellen. Zum Teil wird zwischen BackgroundChecks offline (Unterlagen, Anfragen bei dritten Personen) Auch der Anruf beim bisherigen Arbeitgeber wird überwie- und online (Internet) unterschieden. Mittlerweile hat sich gend für zulässig gehalten, mit der Begründung, dies sei 10 erforderlich, um die Angaben des Bewerbers zu verifizieren. Die Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist der Bewerber über diese Maßnahme zu informieren. ■ FINANZIELLER BACKGROUND Die Überprüfung der finanziellen Verhältnisse ist allenfalls dort zulässig, wo der Arbeitsplatz eine besondere Vertrauensstellung erfordert, weil der Arbeitnehmer mit größeren Geldsummen oder Vermögenswer ten umzugehen hat oder die Gefahr der Bestechung oder des Geheimnisverrats besteht, also etwa bei einem Mitarbeiter im Bereich Buchhaltung/Finanzen und/oder Top-Entscheidungsträger. Jedoch steht dem Arbeitgeber kein eigener Auskunftsanspruch gegenüber der SCHUFA zu; er kann allenfalls den Bewerber bitten, eine SCHUFA-Auskunft vorzulegen. Doch ist dies äußerst problematisch, da die standardisierte SCHUFA-Auskunft Informationen enthält, die Aufschluss über die private Lebensumstände und Lebensführung geben – denn sie informiert über alle Geld- und Warenkreditverträge ■ des Bewerbers mit Vertragspartnern der SCHUFA. Diese Strengen Maßstäben unterliegt die Überprüfung des Informationen dürften weit über das für die Einstellungsent- Gesundheitszustands, da sie in die Intimsphäre des scheidung erforderliche Informationsinteresse hinausgehen Bewerbers eingreift. GESUNDHEITSCHECK und deshalb nicht mehr „erforderlich“ sein. Die Frage nach einer Krankheit und/oder Schwerbehin■ derung ist nur zulässig, wenn das Fehlen derselben eine STRAFRECHTLICHER BACKGROUND Nach Vorstrafen und laufenden Ermittlungsverfahren darf „wesentliche und entscheidende berufliche Anforde- nur gefragt werden, wenn und soweit sie für die Art des rung“ darstellt, und wenn sie die Eignung des Bewerbers zu besetzenden Arbeitsplatzes relevant sein können, etwa für die angestrebte Tätigkeit erheblich beeinträchtigen Vorstrafen wegen Vermögensdelikten bei Buchhaltern und würde. So darf etwa bei einem Pilot oder Kraftfahrer nach Kassierern oder wegen Verkehrsdelikten bei Kraftfahrern. der Sehstärke gefragt werden. Anzuerkennen ist auch ein Fragerecht nach ansteckenden Krankheiten, wenn Kolle- Allerdings brauchen Vorstrafen dann nicht mehr offenbart gen, Kunden oder Patienten gefährdet werden könnten, zu werden, wenn sie nach den Regelungen des Bundes- etwa bei medizinischem und Pflegepersonal. zentralregistergesetzes („BZRG“) aus dem Führungszeugnis getilgt worden sind. Eintragungen werden nach Ablauf Die Beibringung eines Gesundheitszeugnisses bzw. Teil- einer Tilgungsfrist, die je nach Schwere der Verurteilung nahme an einer ärztlichen/psychologischen Untersuchung zwischen 5 und 15 Jahren beträgt, getilgt. ist unter Umständen zulässig, wenn der Arbeitsplatz eine bestimmte gesundheitliche bzw. psychische Eignung vor- Ein polizeiliches Führungszeugnis kann im Einzelfall aussetzt, etwa: Profisportler, Therapeut, Pilot, Großkü- verlangt werden, dann aber nur vom Bewerber; dem che/Lebensmittelindustrie, Pflegepersonal/medizinisches Arbeitgeber steht kein eigenes Auskunftsrecht gegenüber Personal etc., setzt aber in jedem Fall die freiwillige Mit- der zuständigen Behörde zu. wirkung des Bewerbers voraus. Befunde bzw. ärztliche 11 Untersuchungsergebnisse dürfen nur mit Einwilligung des Bezüglich der Recherche in sozialen Netzwerken ist nach Bewerbers mitgeteilt werden. der Zugänglichkeit und der Orientierung des Netzwerks zu unterscheiden. Freizeitorientierte Netzwerke wie Facebook ■ werden regelmäßig nur für private Zwecke genutzt; außer- INTERNETRECHERCHE Eine Internetrecherche gewährt dem Arbeitgeber unter dem müsste der Arbeitgeber sich für die Datenerhebung Umständen weitreichende Einblicke in eine Vielzahl von einloggen bzw. selbst ein User sein, so dass die in diesen Daten, die für die Einstellungsentscheidung keine Rolle Netzwerken enthaltenen Daten nicht allgemein zugänglich spielen, deshalb dürfte es an der Erforderlichkeit fehlen. sind. Die Internetrecherche soll zulässig sein, wenn die betroffenen Daten allgemein zugänglich sind und das Interesse Anders sind berufsorientierte Netzwerke wie XING oder des Bewerbers gegenüber dem berechtigten Interesse des LinkedIn zu bewerten; deren Nutzung erfolgt zu geschäft- Arbeitgebers bei nicht offensichtlich überwiegt. lichen Zwecken, weshalb die dort vom Bewerber eingestellten Daten trotz der vom Arbeitgeber vorzunehmenden In diesem Sinne allgemein zugänglich sind wohl Anmeldung im Netzwerk als allgemein zugänglich angese- Informationen, die mittels Suchmaschinen wie Google, hen werden, wenn es sich nicht um ein nur für „Freunde“ Yahoo etc. erlangt werden können. Dies umfasst wohl einsehbares Profil handelt. auch die in sozialen Netzwerken wie Facebook enthaltenen Daten, die ohne Anmeldung im Netzwerk über eine Suchmaschinenanfrage erhoben werden können. IHRE ANSPRECHPARTNER FRANKFURT DÜSSELDORF MÜNCHEN NEXTOWER EBC Prinzregentenstraße 11 Thurn-und-Taxis-Platz 6 Königsallee 61 80538 München 60313 Frankfurt 40215 Düsseldorf Tel.: ++49 89 20 60 42 200 Tel.: ++49 69 9726 3939 Tel: ++49 211 42471 286 Fax: ++49 89 20 60 42 293 Fax: ++49 69 9726 3993 Fax: ++49 211 42471 279 Georg Mikes Dr. Markus Kappenhagen Friederike Göbbels Rechtsanwalt/Fachanwalt Rechtsanwalt/Fachanwalt Rechtsanwältin/Fachanwältin für Arbeitsrecht für Arbeitsrecht für Arbeitsrecht gmikes@jonesday.com mkappenhagen@jonesday.com fgoebbels@jonesday.com JONES DAY BÜROS WELTWEIT ALKHOBAR DUBAI LOS ANGELES PEKING SINGAPUR ATLANTA DÜSSELDORF MADRID PITTSBURGH SYDNEY BOSTON FRANKFURT MAILAND RIAD TAIPEH BRÜSSEL HONGKONG MEXIKO-STADT SAN DIEGO TOKIO CHICAGO HOUSTON MOSKAU SAN FRANCISCO WASHINGTON CLEVELAND IRVINE MÜNCHEN SÃO PAULO COLUMBUS JEDDAH NEW YORK SCHANGHAI DALLAS LONDON PARIS SILICON VALLEY Die hier dargebotenen Informationen, Meinungen und Rechtsansichten sind nicht als fallspezifische juristische Beratung gedacht und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 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