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Inhalt Vorwort ......................................................................................................7 Ankommen.................................................................................................9 Henry Moore unter Schafen Im Glenkiln Reservoir.....................................................................................11 Do you want a lift? Unterwegs in Schottland.................................................................................14 Schottland light In Schottlands Mitte........................................................................................17 Das Tal der Tränen Glen Coe, Glen Etive, Rannoch Moor.............................................................19 Tee und Kekse am Kamin Unterkünfte in Schottland...............................................................................24 Gigantengräber, Königshöhlen und viktorianische Toiletten Arran und Bute...............................................................................................26 Bei Ebbe Colonsay, Oronsay, Islay, Jura..........................................................................28 „O mist rolling in from the sea …“ Kintyre............................................................................................................30 Einsamer Wachtposten Inveraray.........................................................................................................32 Four seasons in one day Gedanken zu Land und Leuten.......................................................................36 Tor zu den Hebriden Oban...............................................................................................................38 Abseits der Touristenströme Kerrera............................................................................................................40 Single track road Vom Zustand der Straßen................................................................................43 Die Bank kommt mittwochs Mull: Ross of Mull..........................................................................................44 Eine Nacht in der Kirche Mull: Ulva.......................................................................................................48 4 Im Garten von Torosay Castle, Mull Schiffswracks No bus on Sundays An der Schwelle Stumme Zeugen Ein Ceilidh im Sturm Weißer Zauber Mehr als nur Dudelsack Bizarre Burgen, schwindelerregende Schluchten Fingal’s Cave Eine Begegnung mit der Vergangenheit Haggis und Porridge Ort der Besinnung Mull: Der Norden und die Ostküste................................................................50 Lewis.............................................................................................................101 Mull: Carsaig Arches.......................................................................................55 Die Black Houses..........................................................................................106 Iona.................................................................................................................60 Winter in Schottland.....................................................................................108 Rock und Pop aus Schottland..........................................................................62 Entlang der Nordküste..................................................................................111 Staffa...............................................................................................................63 Orkney..........................................................................................................115 Ein paar Worte über das Essen.........................................................................67 Orkney: Die Italian Chapel...........................................................................118 Schatzkarte..............................................................................................120 In 15 Tagen durch die Hebriden Island-Hopping...............................................................................................69 Wohin also? Strände, Strände, Strände Empfehlungen...............................................................................................121 Coll und Tiree.................................................................................................70 Bob’s your uncle Wenn nichts mehr geht Rezepte..........................................................................................................122 Mallaig............................................................................................................72 Über den Autor Klein, aber oho Gunnar Kunz................................................................................................127 Die Small Isles: Eigg, Muck, Canna, Rum.......................................................74 Hollywood in Schottland Eilean Donan Castle........................................................................................80 Ruinen Die Highland Clearances.................................................................................83 Liebe auf den dritten Blick Skye: Die Quiraing und der Old Man of Storr.................................................84 Feentümpel Skye: In den Cuillin Hills................................................................................88 Von Brauseköpfen und Wasserhähnen Fragen an eine moderne Nation.......................................................................93 Flugplatz auf dem Strand Zwischen Barra und Berneray..........................................................................94 Reduce speed now Harris..............................................................................................................97 5 6 Vorwort Meine erste Begegnung mit Schottland fand 1986 während einer Interrailtour statt. Ich hatte genau einen Tag Zeit und entschied mich für Loch Ness. Nicht, dass ich an die Existenz eines übrig gebliebenen Sauriers glauben würde, aber mein Gedankengang war etwa der: Was muss das für eine geheimnisvolle, mystische, nebelverhangene Landschaft sein, die solche Fantasien auslöst! Ich erwartete Moorlandschaft, undurchdringliche Wälder, Einsamkeit – von wegen! Loch Ness stellte sich als stinklangweiliger See heraus, gekrönt vom Eiskrem- und Andenkendorf Fort Augustus, umsäumt von einer viel befahrenen Autostraße, die auch noch das letzte Stück Romantik abtötet. Auf dem Weg nach Loch Ness allerdings erhielt ich eine Ahnung von der wilden Natur, der herben Schönheit Schottlands, und ich wusste: Hierher kehrst du zurück. 1989 verbrachte ich dann zum ersten Mal einen kompletten Urlaub dort. Und verliebte mich. Erst in das Land, dann in eine Schottin. Die Liebe zur Schottin hat nicht gehalten. Meine Liebe zu Schottland schon. Ich liebe die Menschen, ihre Kultur und mehr als alles andere die raue Landschaft. In Schottland kann man meilenweit wandern, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Es gibt dort Sandstrände und grünes Meer wie in der Karibik (auch wenn Ihre Gänsehaut etwas anderes behauptet), es gibt Wälder, Moos und Heidekraut, windumtoste Steilküsten und unergründliche Seen, Berge, die im Dunst verschwimmen, und vor allen Dingen dieses unglaubliche Licht am Himmel, wie ich es in einer solchen Intensität nirgends sonst auf der Welt erlebt habe. Außerdem natürlich jede Menge Burgen und Schlösser (mit und ohne Gespenst), Steinkreise, Ruinen und alte Mauern, randvoll mit Geschichte und Geschichten, dazu den Geruch nach Torffeuer. Und Stille, nur unterbrochen vom Geräusch des Windes und dem Rufen vereinzelter Krähen, Schafe oder Kühe. Round House, Culzean Castle („Umkleidekabine“ am Meer) Nächste Doppelseite: Berglandschaft auf Rum Culzean Castle 7 Wenn Sie dieselben Dinge lieben wie ich, vertrauen Sie sich mir an. Vielleicht verpassen Sie irgendeine im Reiseführer angepriesene Sehenswürdigkeit. Dafür führe ich Sie an Orte, die Ihr Herz zum Klopfen bringen. Vergessen Sie die großen Städte. Vergessen Sie insbesondere Fort William und Inverness. Vergessen Sie die Ostküste (auch wenn Dunnottar Castle wirklich spektakulär ist). Vergessen Sie Loch Ness mit seinem Touristenrummel. Schottlands Herz finden Sie in den Highlands, an der West- und Nordküste und vor allem auf den Inseln. Feentümpel Skye: In den Cuillin Hills Ich kann vernünftig sein. Wirklich. Es kommt durchaus vor, dass ich mir, nachdem ich um Mitternacht „nur noch ein Kapitel“ eines Buches lesen wollte, gegen vier Uhr morgens die Leviten lese, das Buch aus der Hand nehme und mich ins Bett schicke, um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Aber es gibt Dinge, da hat Vernunft keine Chance. Wenn nach Monaten trüben Himmels das erste Mal die Frühlingssonne scheint und man einfach nach draußen rennen muss, viel zu leicht bekleidet. Oder bei Sonnenmilch. Ich packe sie immer ein, selbstverständlich, ich schleppe sie auch durch die halbe Welt, wenn es sein muss. Nur Gebrauch mache ich davon selten, wegen dieses eklig schmierigen Gefühls auf der Haut. Ganz fies wird es bei Reisezielen, denen irgendwelche hinterhältigen Reisebüromitarbeiter Namen verpassen, die darauf angelegt sind, die Schaltkreise des Verstandes lahmzulegen. Wie soll ich kühles Blut bewahren, wenn ich lese, dass in den Cuillins, der Bergkette im Südwesten von Skye, fairy pools auf mich warten? Von Sligachan aus breche ich morgens um 9:00 Uhr auf. Es ist warm, die Wanderung schweißtreibend, die Septembersonne scheint aus allen Knopflöchern, also entledige ich mich meiner Jacke und marschiere im T-Shirt weiter. Als ich mich dem zwischen zwei Berggipfeln gelegenen höchsten Punkt meiner Tour nähere, zieht unvermittelt der berüchtigte schottische mist heran, der mit Dunst oder Nebel nur unvollkommen übersetzt ist. Feucht und kühl hüllt er die Landschaft binnen Sekunden in geheimnisvolle Schleier. Das Licht ändert sich auf dramatische Weise, Umrisse verschwimmen, der Weg wird nahezu unkenntlich. Von Zeit zu Zeit reißt ein Windstoß den Nebel beiseite und lässt die Sonne durch, dann verschwimmt wieder alles. In meiner gesamten Zeit in Schottland habe ich nur wenige Male einen solch extremen Nebel erlebt wie in den Cuillins. Inzwischen kann ich kaum noch ein paar Schritte weit sehen, aber der Pfad ist trotzdem nicht zu verfehlen. Schafe tauchen aus dem Nichts auf, undeutlich, als seien sie Teil der Landschaft. Von ihnen abgesehen gibt es weit und breit kein lebendes Wesen. Ich mag solche Wanderungen, allein mit mir und meinen Gedanken und einer Natur, die einen immer wieder in den Bann zieht. 88 100 No bus on Sundays Lewis Religion ist auf den Hebriden eine wichtige Sache. Dabei erweist sich der katholische Süden als harmlos im Vergleich zum sittenstrengen Calvinismus des Nordens (North Uist, Harris, Lewis). Sonntagsruhe wird dort strikt eingehalten, Geschäfte, pubs, Restaurants sind geschlossen, öffentliche Verkehrsmittel fahren nicht. Wer am Sonntag von dort weg oder auch nur Lebensmittel kaufen will, ist verraten und verkauft. Jemand erzählt mir, an Sonntagen würden sogar die Schaukeln angekettet, um Kinder am Spielen zu hindern, aber das mag ich nun doch nicht glauben. Das klingt zu sehr nach Propaganda. Soviel ich weiß, ist Sonntagsruhe die freiwillige Angelegenheit jedes Einzelnen. Stornoway ist eine der wenigen Kleinstädte der Hebriden, die mir gefallen. In den Gärten von Lewis Castle kann man wunderbar spazieren gehen, und auch das Schloss selbst lohnt einen Blick. Aber ich bin natürlich nicht wegen der Stadt hier, sondern wegen der Natur und der historischen Stätten, also leihe ich mir fürs Wochenende ein Fahrrad und radele los. Die Steigungen sind erträglich, aber der konstante Gegenwind macht mir zu schaffen. Und ich habe wie üblich viel vor. Zunächst geht es zu den standing stones von Callanish. Neben dem Ring of Brodgar auf Orkney gehören sie zu den eindrucksvollsten Steinkreisen Großbritanniens. 1986 habe ich mir im Rahmen meiner Interrailtour Stonehenge in England angesehen, und das war, abgesehen von Loch Ness, der absolute Tiefpunkt meiner Reise. Die Steine sind durch Seile abgesperrt, und für jeden Meter, den man vorrücken will, muss man extra zahlen (und sieht auch nicht mehr als vorher). Nah heranzugehen, um etwa die Atmosphäre des Ortes in sich aufzunehmen, ist verboten. Dagegen hier: kein Absperrungsseil, man kann die Steine anfassen, Fotos machen von allen Himmelsrichtungen, und weit und breit bin ich der einzige Mensch. Dennoch: Den folgenden Witz habe ich während meiner kurzen Zeit auf Lewis dreimal erzählt bekommen, zweimal davon von Einheimischen; insofern muss an der grundsätzlichen Einstellung schon etwas dran sein: Ein Spanier und ein Hebridenbewohner treffen sich. Fragt der Spanier: „Habt ihr eigentlich im Gälischen auch ein Wort, das unserem mañana entspricht?“ Der Einheimische überlegt. Lange. Und meint dann: „Nein, bei uns gibt es nichts, was eine solche Hast beschreibt.“ 101