Beispielseiten

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Beispielseiten
Sarah-Katharina Andres-Acevedo
Invention
Vollendung
Meisterwerke des 18. Jahrhunderts – Porzellane, Möbel, Bronzen,
Silbergerät und Gemälde – formen ein Panorama der Innovation und der
meisterlichen Umsetzung.
Röbbig München
Brienner Straße 9
80333 München
089 29 97 58
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arnoldsche Art Publishers
Olgastraße 137
70180 Stuttgart
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ISBN 978-3-89790-441-5
Invention & Vollendung
Glanzvoll präsentiert und im Detail von Experten interpretiert erwecken
die Arbeiten von André-Charles Boulle, Jacques Dubois, Jakob Philipp Hackert,
Johann Gregorius Höroldt, Johann Joachim Kaendler, Nicolas Lancret
und anderen das farbige Bild einer großen Epoche.
&
Hans Ottomeyer
Kunstwerke des 18. Jahrhunderts
Mit Beiträgen von:
Sarah-Katharina Andres-Acevedo (SKAA)
Christine Cornet (CC)
Monika Kopplin
Melitta Kunze-Köllensperger (MKK)
Claudia Lehner-Jobst (CLJ)
René Millet (RM)
Stéphane Molinier (SM)
Claudia Nordhoff (CN)
Hans Ottomeyer
Ulrich Pietsch (UP)
Christina Pucher (CP)
David Johannes Ranftl (DJR)
Michael Röbbig (MR)
Max Tillmann (MT)
Alfred Ziffer (AZ)
Inhalt
Zum Geleit
Alfredo Reyes
5
Invention und Vollendung
Hans Ottomeyer
9
GOÛT MODERNE
Spätbarock oder goût moderne
Hans Ottomeyer
18
Deckelhumpen aus Böttgersteinzeug
Sarah-Katharina Andres-Acevedo
28
Aus fernen Welten: Kakao, Tee, Kaffee
Hans Ottomeyer
44
GOÛT PITTORESQUE
Rokoko oder goût pittoresque
Hans Ottomeyer
124
Wunderbar sonderbar – Die Chinamode in der europäischen Kunst
des 17. und 18. Jahrhunderts
Sarah-Katharina Andres-Acevedo
135
Höroldt und Kaendler – Zwei geniale Künstler der Meissener Porzellanmanufaktur im Wettstreit auf dem Weg zu höchster Vollendung
Ulrich Pietsch
220
Lack im 18. Jahrhundert – eine asiatisch geprägte Kunst wird europäisch
Monika Kopplin
»Sinne sind ein Vermögen der Seele, von den Objecten afficiret zu werden.«
Gedanken zur Tafelkunst des Barock
Claudia Lehner-Jobst
263
292
GOÛT GREC
Frühklassizismus oder goût grec
Hans Ottomeyer
338
Literaturverzeichnis
380
Register
398
Bildnachweis
410
GOÛT MODERNE
Invention und Vollendung
20
Kat.-Nr. 1
Bureau Mazarin
Entwurf und Ausführung Alexandre-Jean Oppenordt
(Groningen 1639−1715 Paris) zugeschrieben
Paris, um 1685
Restaurierung durch Jacques Dubois (Pontoise 1694–1763 Paris,
Meister 1742) um 1750, gestempelt „I DUBOIS“
Blindholz: Fichte
Marketerie in première partie: graviertes Messing, Zinn, rot unterlegtes
Schildpatt, Ebenholz, Obstholz, Amaranth
Schubladen: Nussholz
Beschläge: Messing
Höhe 84 cm, Breite 121 cm, Tiefe 70 cm
Provenienz
Nach dem Inventar von Warwick Castle,
Warwickshire, aus dem Jahr 1853 wurde das
Bureau Mazarin, durch George Greville, den
zweiten Earl of Warwick (1746−1816), oder
seinen Sohn Henry Richard, dritter Earl of
Warwick (1779−1853), für Warwick Castle
erworben; im Besitz der Earls of Warwick bis
zum Verkauf durch die Trustees of the Warwick
Castle Settlement, Christie’s, London, 20. Mai
1968, Los 81, beschrieben als ein „Louis XIV
bureau Mazarin […] in the manner of
A.C. Boulle and stamped I. Dubois […] who
probably restored this piece during the 18th century“; Privatsammlung London
Das Bureau Mazarin ist ein Meisterwerk unter
den französischen Boulle-Möbeln im Louis
XIV-Stil. Aufgrund der charakteristischen
Handschrift seiner Schildpatt-Metall-Marketerien und der handwerklich außergewöhnlich qualitätvollen Verarbeitung lässt sich das
Möbel Alexandre-Jean Oppenordt (Groningen 1639−1715 Paris), dem angesehenen und
talentierten ébéniste du Roi am Versailler
Königshof zuschreiben. Außerdem kann die
besondere Bedeutung dieses Boulle-Schreibtischs an einer für die europäische Möbelkunst
äußerst interessanten Neuentdeckung festgemacht werden: Der Entwurf des Marketerietableaus seiner Tischplatte diente als Vorlage für
die Boulle-Marketerie einer bedeutenden, um
1700 in Wien wahrscheinlich im Auftrag Kaiser Leopolds I. (Wien 1640–1705 Wien) angefertigten Tischplatte1 (Wien, Hofburg; Abb. 3).
Die Existenz des vorliegenden Bureau Mazarins belegt somit erstmals den direkten Einfluss
einer Pariser Boulle-Werkstatt auf die Möbelkunst am Wiener Hof um 1700.
Der seit dem 19. Jahrhundert als bureau
Mazarin bekannte Möbeltypus ist charakterisiert durch einen von zumeist acht S-förmigen
oder geraden Beinen getragenen Schubladenkasten mit planer Schreibfläche.2 Das vorliegende Exemplar auf vier geschweiften Beinen,
die der Ebenist Jacques Dubois (Pontoise
1694–1763 Paris, Meister 1742) bei einer Restaurierung Mitte des 18. Jahrhunderts in die
Rehbeinform des Rokoko abänderte, gehörte
aber wohl bereits ursprünglich zu der seltene-
1
Abgebildet in Ausst.-Kat.
München 2011, S. 34.
2
Der Möbeltypus wird seit dem
19. Jahrhundert bureau Mazarin
genannt, obwohl es keinen
sicheren Beleg dafür gibt, dass die
Form bereits zu Lebzeiten von
Kardinal Mazarin (gest. 1661)
entwickelt war. Die prägnante
Gestalt wurde aber eventuell vom
Ebenisten Pierre Gole
(1620−1685) zuerst konzipiert,
der insbesondere von Kardinal
Mazarin Aufträge erhielt, und im
Jahr 1669 ein derartiges
Schreibmöbel an den Hof von
Versailles lieferte. Gegen Ende
des 17. Jahrhunderts war dieser
Typus, häufig mit SchildpattMessing-Einlagen geschmückt,
äußerst beliebt und wurde von
verschiedenen Pariser Meistern
angefertigt.
Spätbarock oder goût moderne
21
30
Invention und Vollendung
Spätbarock oder goût moderne
31
Kat.-Nr. 2
Walzenkrug mit eingeschnittenem
Wappen der Familie Pfannenstiel
Böttgersteinzeug, poliert, Meissen, um 1710−1715
Zeitgenössische vergoldete Silbermontierung, Nürnberger Stadtmarke,
Meisterzeichen „HN“ (siehe Rosenberg 1922–1928, Bd. 3, Nr. 4289)
und bisher unbekanntes Wappen
Höhe 22,5 cm
Vergleichsstücke
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Porzellansammlung, Inv.-Nr. P.E. 2367 (publiziert in:
Syndram/Weinhold 2009, S. 45, Abb. 14);
Leipzig, Grassi Museum für Angewandte Kunst,
Inv.-Nr. V 1516 [I. C. 547] (mit gleichem
Schnittmuster, abgebildet in: Gielke 2003, S. 84,
Nr. 8); Nürnberg, Germanisches NationalmuseAbb. 10
Radierung „3“ aus der
Serie Groteschgen Werk von
Mahler Goldschmidte
Stucato inventirt durch
Paulus Decker Architectum
von Lorenz Beger (Heidelberg 1663–1735 Frankfurt/
Main) nach einem Entwurf
von Paul Decker d. Ä.
(Nürnberg 1677–1713
Bayreuth), verlegt von
Johann Christoph Weigel
d. J. (Redwitz 1661–1726
Nürnberg), Nürnberg
zwischen 1701 und 1735,
Braunschweig, Herzog
Anton Ulrich-Museum,
Sign. LBeger AB 3.15
um Inv.-Nr. 545 und 3236 in; (publiziert Ausst.Kat. Nürnberg 1982 S. 83, Abb. 76 und 77)
Der polierte zylindrische BöttgersteinzeugKrug mit angesetztem breitem Bandhenkel zeigt
ein eingeschnittenes Wappenelement in ovaler
Rahmung, überdacht von einem Baldachin, der
sich in ähnlicher Art auch in Darstellungen so-
Invention und Vollendung
78
Kat.-Nr. 19
Ein Paar Guéridons, sogenannte
porte-torchères (Leuchterständer)
Frankreich, um 1700
Holz, geschnitzt und vergoldet
Höhe 161 cm, Durchmesser (Fuß) 58 cm, Durchmesser (Platte) 40 cm
Vergleichsstücke
Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. BK-NM14302-A, B (publiziert in: Baarsen 2013,
S. 62 f., Kat.-Nr. 10); New York, Metropolitan
Museum of Art, Inv.-Nr. 07.225.190a, b; Paris,
Musée des Arts décoratif, Inv.-Nr. 4325 A
Das hier präsentierte Leuchterständerpaar
weist alle klassischen Elemente der Formensprache des späten Louis XIV-Stils auf. Den
Sockel bilden drei zu Voluten gerollte Konsolbeine, die auf kugeligen Füßchen ruhen.
Die S-förmigen, akanthusblattbesetzten Volutenbeine münden in einen Baldachin mit Lambrequin-Umsäumung. Dieser trägt eine große
Knospe, der Akanthusblätter entspringen. Aus
der Blatttülle heraus entwickelt sich ein sich
nach oben hin verbreiternder, sechskantiger,
kannelierter Schaft. Den oberen Abschluss bildet ein Baluster mit verschiedenen Varietäten
von Akanthusblattwerk, auf dem eine tellerförmige Platte mit einem nach außen gewölbten,
mit Eierstabfries verzierten Rand ruht.
Bei Guéridons handelt es sich um Tischchen
mit hohem Schaft, die der Aufstellung von
Leuchtern, zumeist Girandolen mit Kristallbehang, dienten. Guéridons standen in der Regel
in den Ecken eines Paradezimmers und erhellten das Dunkel mit niedrigen, aufgesetzten
Leuchtern, die viele Kerzen trugen. Der Name
geht auf Leuchter tragende Mohrenknaben zu-
rück, die auch als Schnitzfiguren in dieser
Funktion vorkamen. Eine genaue Definition der
Form erfolgte im ausgehenden 17. Jahrhundert:
dreibeiniger Sockel, hoher Schaft und abschließende tellerförmige Platte.1
Leuchterständer wurden paarweise gefertigt und gehörten zu einem Tisch, zu dessen
rechter und linker Flanke zwei Leuchter zur
Aufstellung kamen. Darüber hing ein raumhoher Spiegel. Derartige Ensembles sind charakteristisch für das Zeitalter Louis XIV und
die époque Régence. Sie spiegeln dezidiert die
höchste Form der Prachtentfaltung am französischen Hof zu jener Zeit wider.
In den ersten Jahrzehnten der Herrschaft
Ludwigs XIV. gewannen Möbel aus vergoldetem Holz zunehmend an Bedeutung, besonders
für die kostbaren Raumausstattungen von Paris
und Versailles. Erwähnenswert sind in diesem
Zusammenhang 60 große Leuchtertische, die
1690 nach Versailles zur Aufstellung in der
Grande Galerie geliefert wurden. Eben diese
Stücke aus geschnitztem und vergoldetem Holz
dürften große Ähnlichkeit mit dem hier vorgestellten Paar gehabt haben, allerdings hat sich
keines dieser Exemplare bis heute erhalten.2
Besonders effektvoll hat man sich die Aufstellung der porte-torchères vor großen Spiegeln
vorzustellen, die den Schein der Kerzen sowie
das geschliffene Kristallglas der Leuchter reflektierten und multiplizierten. Im Laufe des
Spätbarock oder goût moderne
79
18. Jahrhunderts fand eine Veränderung der
Begrifflichkeit „Guéridon“ vom Leuchterständer hin zum kleinen leichten Beistelltischchen statt. Leuchterständer gerieten zunehmend
aus der Mode und wurden vermehrt durch hohe
einteilige Kandelaber mit langem Schaft erDJR
setzt.
1
Vgl. Hojer/Ottomeyer 1996 a,
S. 124.
2
Vgl. Baarsen 2013, S. 63.
Invention und Vollendung
84
Kat.-Nr. 21
Pendule mit Saturn und Kybele
Atelier André-Charles Boulle (Paris 1642−1732 Paris)
Paris, um 1700−1720
Gehäuse: furniert mit Ebenholz, Messing, Schildpatt in première partie,
Bronze ziselierte und vergoldet, Glas
Uhrwerk mit Signatur auf der Platine und der emaillierten Kartusche des
Zifferblatts „MOISY à Paris n°490“ für Jean Moisy (1714−1782)
Höhe 115,5 cm, Breite 59,5 cm, Tiefe 24 cm
Vergleichsstücke
Brüssel, Musée royal d’Art et d’Histoire (Uhrwerk
von Gaudron); Cleveland, Museum of Art, Inv.Nr. 1967.153 (Uhrwerk von Balthazard Martinot,
Rouen 1636–1714 Saint-Germain-en-Laye);
Genf, Fondation Gandur pour l’Art, Inv.-Nr.
FGA-AD-HORLO-36 (Uhrwerk von Niclas
Gribelin, Blois 1637–1719); Mailand, Privatsammlung (wohl identisch mit dem bei Augarde
abgebildeten Exemplar: Augarde 1996,
S. 248, Abb. 196); New York, Frick Collection
(publiziert in: Ausst.-Kat. New York 1982, S. 41–
44); Versailles, Châteaux de Versailles et de Trianon (abgebildet in: Verlet 1987, S. 107, Abb. 123)
Abb. 22
Entwürfe zu Uhren und
Kaminböcken von AndréCharles Boulle (Paris
1642–1732 Paris), Tafel 2,
Kupferstich aus der Serie
Nouveaux Desseins de
Meubles et Ouvrages de
Bronze et de Marqueterie
Hercules rue St. Jacques,
Paris, um 1725–30, 210 x
300 mm, Paris, Bibliothèque des Arts décoratifs,
Collection Maciet, Inv.-Nr.
ORN/1/107
Spätbarock oder goût moderne
115
Kat.-Nr. 29
Ein Paar Prunkvasen mit Allegorien des
Sieges und des Friedens
Manufaktur Du Paquier, Wien, um 1739
Hartporzellan, polychrome Aufglasurfarben, Vergoldung
Höhe 46,5 cm (beide Vasen)
Vergleichsstücke
Flasche mit plastischem Dekor, Sammlung Melinda and Paul Sullivan, West Hartford, Inv.-Nr.
Du-P 102 (publiziert in: Chilton/Lehner-Jobst
2009, Bd. 3, S. 1250, Kat.-Nr. 129); Vasenpaar,
Privatsammlung (publiziert in: Chilton/Lehner-Jobst 2009, Bd. 3, S. 1341, Kat.-Nr. 497)
1
Vgl. Röbbig 2013a,
Kat.-Nr. 36, S. 76–79, 146.
2
Chilton/Lehner-Jobst 2009,
S. 1250, Kat.-Nr. 129 und
S. 1341, Kat.-Nr. 497. Das
besagtes Vasenpaar wurde
am 30. Mai 2009 mit der
Losnummer 256 bei Thomaston
Place Auction Galleries, Maine
abgegeben.
Auf ornamental reichem Sockel mit Rosetten
und Akanthusblättern in Relief, Gitterwerk und
Festons erhebt sich ein nahezu zylindrischer
Vasenkörper, dessen Basis mit plastischen Godrons geschmückt ist. Um die Mitte der Wandung schlingen sich blaue Bänder um vollplastische Knaben, die Enden der Bänder öffnen
sich gleich Füllhörnern und geben üppigen
Blumenschmuck, ebenfalls reliefiert, frei. Über
den Blumen fliegen aufgemalte Fantasievögel,
wie sie von früheren Du Paquier Dekoren mit
Chinoiserie-Motiven bekannt sind. Den oberen
Rand des Vasenkörpers umlaufen reliefierte
Lambrequins. Diese Ornamente en relief, spiegeln die Dekore zeitgenössischer Silberarbeiten
wieder. Die Deckel der beiden Vasen sind mit
einer Randbordüre aus vergoldeten Godrons
und Kartuschen en relief dekoriert, auf den Seiten der Deckel sitzen gefesselte, vollplastische
Figuren, darüber thront jeweils eine allegorische Frauengestalt in Begleitung eines Tiers.1
Die Farbigkeit der Bemalung entspricht ganz
der Farbpalette Du Paquiers, wie sie bereits seit
der Zeit um 1725 entwickelt war. Besonders
auffallend ist das charakteristische leuchtende
Kobaltblau und das Eisenrot in Kombination
mit hellem Purpur. In der Spätphase der Manufaktur, die zwischen 1718 und 1744 mit kaiserlichem Privileg in der Wiener Vorstadt Rossau
arbeitete, schien eine kurze Phase der monumental wirkenden Objekte mit stark plastischem Dekor Porzellane wie das hier vorgestellte Vasenpaar hervorgebracht zu haben. Einige
Vergleichsobjekte, wie eine Flasche mit plastischem Dekor der Sammlung Melinda and Paul
Sullivan, West Hartford oder ein weiteres Vasenpaar unbekannten Verbleibs2 sprechen eine
ähnliche ästhetische Sprache.
Spätbarock oder goût moderne
119
Kat.-Nr. 30
Franz Christoph Janneck
(Graz 1703–1761 Wien)
Zwei Gesellschaften im Freien –
Die erste Begegnung und Die Lesestunde
Um 1740
Öl auf Kupfer (beide Tafeln)
Höhe 25 cm, Breite 31,5 cm (beide Tafeln)
Provenienz
Sammlung Mauboussin; deutscher Kunsthandel
Literatur
Ausst.-Kat. Salzburg 1996, Pucher 1996
Vergleichsstück
Franz Christoph Janneck, Picknick im Park, Öl
auf Kupfer, Höhe 26 cm, Breite 34,7 cm, Lotherton Hall, Leeds Museums and Galleries
Die Tafeln zeigen zwei gefällige Landschaften
mit eleganten Gesellschaften von jeweils vier
Figuren. Es sind sogenannte Kabinettstücke im
Sujet des fête champêtre, die sich zu ihrer
Entstehungszeit großer Beliebtheit erfreuten.
Janneck fertigte sie nach den Wünschen seiner
höfischen Kunden in Variationen mit mehr
oder weniger Staffage. Im ersten Bild lagert ein
junger Herr an einem Bach. Er hat sich gerade
aus einer Korbflasche, die er zur Kühlung ins
Wasser zurück stellt, Wein eingeschenkt. Sein
verklärter Blick, der wohl auch dem Wein geschuldet ist, richtet sich auf die elegant gekleidete Dame, die ihm von einem feisten Galan mit
Federhut vorgestellt wird. Am linken Bildrand
ist ein Mädchen zu sehen, das die Szene neugierig betrachtet. Nach rechts öffnet sich die Waldlandschaft zu einem weiten Ausblick auf eine
hügelige Ebene in der Abenddämmerung. Auf
der zweiten Tafel lagern alle Figuren auf einer
Lichtung. Ein Kavalier in Rückenansicht
lauscht angetan den Ausführungen der ihm
gegenüber sitzenden Dame, die wohl aus einem
geöffneten Buch vorträgt. Zwischen den beiden
ist eine weitere Dame platziert, die einen Fächer
hält und zu deren Füßen ein Hündchen sitzt.
Ein kleiner Junge zwischen den beiden Frauen
schmiegt sich an die Lesende und schaut zu ihr
auf.1 Wieder teilt sich die Landschaft in einen
Fond aus dicht stehenden Bäumen und einen
Landschaftsausblick, diesmal links. Dieser zeigt
ebenfalls eine weite Ebene im Abendrot, die
zum Bildrand hin von einem angeschnittenen,
höheren Baumstrunk gerahmt wird. Wieder
unterstreichen Weinflasche und Gläser den vergnüglichen Charakter der Zusammenkunft.
Im Gesamtwerk Franz Christoph Jannecks (Graz 1703–1761 Wien) nimmt die
Gruppe der Gesellschafts- und Genreszenen
einen beträchtlichen Raum ein. Verschiedene
Darstellungen der höfischen Gesellschaft bei
GOÛT PITTORESQUE
Rokoko oder goût pittoresque
131
Kat.-Nr. 32
Geschnitzter und vergoldeter
Trumeauspiegel à parecloses
Nach einer Stichvorlage von Jean-Bernard-Honoré Turreau,
genannt Toro (Toulon 1672–1731 Toulon)
Italien, um 1730
Pappelholz geschnitzt, graviert, punziert und vergoldet; altes Spiegelglas
Höhe 240 cm, Breite 134 cm
Provenienz
Der Spiegel gehörte ehemals zur Ausstattung
des Gran Salone im römischen Renaissancepalazzo Pecci Blunt, wo er zentral über
einer Wandkonsole an der freien Wandfläche
zwischen zwei Fenstern angebracht war (vgl.
Benzi/Vincenti Montanaro 1997, S. 126;
Abb. 34)
Vergleichsstücke
Der figürliche Schmuck eines im Palazzo Pitti
in Florenz befindlichen Spiegels geht ebenfalls
auf eine Stichvorlage Toros zurück (vgl. Colle 1992, S. 148, Kat.-Nr. 76)
Abb. 34
Rom, Palazzo Pecci Blunt,
Gran Salone mit Trumeauspiegel in situ, Benzi/
Vincenti Montanaro 1997,
S. 126
Der monumentale Prunkspiegel wird durch
einen streng achsensymmetrischen Aufbau
bestimmt, dessen Untergliederung in einen
inneren und einen äußeren Rahmen durch
mehrere Verbindungsstege, sogenannte „Traversen“, erfolgt. Während der innere Rahmen
bogenförmig angelegt ist, zeigt sich die Außenrahmung vielfach kunstvoll geschweift mit
weit ausgreifender Ornamentik. Die profilierte
Rahmenleiste ist fein punziert und gleichmäßig von Blattranken umwunden. An zahlreichen Stellen ist ausladendes Akanthusblattwerk aufgelegt, welches C- und S-Schwünge
ausbildet. Akanthusmotive bilden neben Lam-
brequins auch die verbindenden Elemente
zwischen innerer und äußerer Spiegelrahmung.
Als zentrale Bekrönung dient ein giebelartig aufschwingender Sockel, auf dem ein stehender Adler mit weit ausgebreiteten Schwingen und nach unten geneigtem Hals aufsitzt. Er
scheint den darunter befindlichen grotesken
Maskaron zu attackieren. Der weit aufgerissene
Mund des geflügelten Maskarons mit fratzenhaften, schmerzverzerrten Gesichtszügen bildet
eine ovale Wappenkartusche aus. Zur Linken
und Rechten befinden sich auf Schweifgiebeln
zwei gegengleich gestaltete, aufrecht schreitende Adler im Seitenprofil. Sie tragen Fruchtgirlanden im Schnabel, welche gleichmäßig U-förmig ausschwingen.
Zwei S-förmige Ausbuchtungen an beiden Rahmenseiten tragen aufgesetzte weibliche
Büsten mit orientalisierenden Kopfbedeckungen. Im unteren Drittel winden sich rechts und
links fauchende Drachen, deren vordere Pranken auf Konsolen ruhen, um die Randleiste.
Ihre volutenartig eingerollten Schwänze ragen
in die äußeren Spiegelflächen hinein und stoßen an die innere Rahmung an. Den unteren
Abschluss bildet ein zentrales Agraffenmotiv
mit eingeschriebenem, blütenbekränztem Maskaron. Die Unterkanten sind schwungvoll nach
156
Invention und Vollendung
Rokoko oder goût pittoresque
157
Kat.-Nr. 36
Kaffee- und Teeservice
in einem Lederkoffer
Bestehend aus sechs Koppchen und Unterschalen, Kaffeekanne, Teekanne, Spülkumme, Teedose, Zuckerdose und sechs originalen Augsburger
Régence-Silberlöffeln
Meissen, um 1722/23
Bemalung mit polychromen Chinoiserien von Johann Gregorius Höroldt
(Jena 1696–1775 Meißen), um 1724/24
Unterglasurblaue „K.P.M.“ Marke auf der Zuckerdose und Teekanne,
alle Stücke mit Goldmalernummer „61“
Vergoldete Silbermontierung (Kaffeekanne), Meisterzeichen „EA“ für Elias
Adam (Züllichau 1669–1745 Augsburg) und Augsburger Beschauzeichen,
Augsburg 1723–1735
Höhe 23,5 cm, Länge 55 cm, Tiefe 35 cm (Koffer);
Koppchen: Höhe 4, 5 cm, Durchmesser 7,2 cm; Untertassen: Durchmesser
12,5 cm; Kaffeekanne: Höhe 19,5 cm (mit Montierung);
Teekanne: Höhe 11,5 cm; Kumme: Höhe 8 cm, Durchmesser 17 cm;
Teedose: Durchmesser 10 cm; Zuckerdose: Höhe 8,15 cm, Länge 11 cm
Johann Melchior Dinglinger (Biberach/Riß
1664–1731 Dresden) setzte mit seinem „Goldenen Kaffeezeug“, heute im Grünen Gewölbe
zu Dresden, 1701 für August den Starken
(Dresden 1670–1733 Warschau) die Maßstäbe
zur Herstellung von Trinkgefäßen für den Genuss von Kaffee und Tee. Das luxuriöse Ensemble aufwändig dekorierter Schank- und Trinkgefäße, die aus den edelsten Materialien wie
Gold und Silber geschaffen wurden und mit
Edelsteinen und Elfenbeinfiguren geschmückt
sind, vermittelte den fürstlichen Benutzern dieser Gerätschaften stets das Gefühl, an einer außergewöhnlichen Zeremonie teilhaben zu dürfen, die nur einem erlesenen Personenkreis
höchsten Ranges vorbehalten war. Die Emailmalereien von Georg Friedrich Dinglinger
(Biberach/Riß 1666–1720 Dresden) auf den
Deckeltassen und Koppchen mit Chinoiserien
sowie mythologischen Szenen und Landschaftsansichten taten ein übriges, um den
exotischen Charakter der Geist und Körper
gleichermaßen anregenden Getränke zu unterstreichen.
Die Form der Trinkgefäße und ihr gemalter Dekor dürften stilbildend auch die Meissener Manufakturisten bei der Gestaltung von
Tassen und Koppchen beeinflusst haben, wenn
auch letztere sich ursprünglich vom chinesischen Porzellan herleiten lassen, dessen Aussehen man in Dresden aus den zahlreichen Beispielen der umfangreichen Sammlung Augusts
des Starken kannte. Mit dem Eintritt Johann
Gregorius Höroldts (Jena 1696–1775 Meißen)
in die Manufaktur 1720, war man in Meißen
schließlich in der Lage, das Porzellan mit Email-
Invention und Vollendung
176
Kat.-Nr. 42
Vasenpaar mit Türkisfond
und Batailleszenen
Meissen, um 1735
Bemalung wohl von Adam Friedrich von Löwenfinck (Biala 1714–1754 Hagenau)
Unterglasurblaue „AR“-Monogramme, Dreherzeichen „X“ für Johann Daniel Rehschuh
(Dresden 1688–1752 Meißen)
Höhe 28 cm (beide)
Vergleichsstücke
Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. BK-17401A/B (publiziert in: Den Blaauwen 2000, S. 303,
Kat.-Nr. 219 und 220; Ausst.-Kat. Dresden
2014, S. 218, Kat.-Nr. 135 und 136)
Die Bechervasen mit ausladender Mündung
stehen jeweils auf einem abgesetzten Wulstfuß,
ihre Böden tragen beide das unterglasurblaue
Augustus Rex-Monogramm „AR“. Diese Marke erhielten ausschließlich Stücke, die für den
sächsischen Kurfürsten und polnischen König
August II., den Starken (Dresden 1670–1733
Warschau) und dessen Sohn August III. (Dresden 1696–1763 Dresden) gefertigt wurden und
welche entweder für die persönliche Sammlung
oder zum Geschenk bestimmt waren.
Der untere Teil der Wandung wurde mit
üppigen Arrangements aus indianischen Blumen vor weiß belassenem Hintergrund dekoriert und setzt sich durch eine goldene Linie
und eine Einschnürung vom obere Teil der
Abb. 50
Gruppe von Reitern vor einem Zelt, Radierung von
Georg Conrad Bodenehr (Augsburg 1666–1742
Augsburg) nach einer Zeichnung von Georg Philipp
Rugendas d. Ä. (Augsburg 1666–1742 Augsburg), aus
der Serie Reiterstudien und Reitergefechte, Augsburg,
zwischen 1693 und 1719, 123 x 162 mm, Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum,
Sign. GCBodenehr AB 3.15
Rokoko oder goût pittoresque
177
Invention und Vollendung
184
Kat.-Nr. 45
Architektentisch
Abraham Roentgen (Mülheim am Rhein 1711–1793 Herrnhut bei Löbau)
Neuwied, um 1765
Blindholz: Birnbaum (Beine), Eiche, Nadelholz
Furnier: Mahagoni, Ahorn, Kirschbaum
Beschläge: Bronze oder Messing feuervergoldet
Bespannung: Leder
Höhe 80 cm, Breite 102 cm, Tiefe 68 cm
Literatur
Röntgen 1845; Huth 1928; Huth 1974; Greber 1980; Brachert 1986; Fabian 1986; Fabian
1996; Himmelheber 1998; Cornet 1998; Cornet 2011
Der leicht gebauchte Korpus des Tisches steht
auf vier schlanken Beinen mit naturalistisch
geschnitzten, über Eck ausgerichteten Hufenfüßen. Das Mahagonifurnier auf den Zargenund Schubladenflächen besteht durchgängig
aus einem Blatt und verläuft vertikal über die
Vorderseite des Möbels von der Zarge über die
Schubladenfugen bis zum oberen Travers. In
lebhaftem Kontrast zu diesem Furnier stehen
die geschnitzten Möbelbeine aus dem helleren
Birnbaumholz. Am Übergang von Zargen und
Bein werden die Konstruktionsfugen durch
gerundete Überlappungen des Zargenfurniers
überspielt. Auf der Schublade und an den Seiten befinden sich schöne Klappziehgriffe, die
aus der Werkstatt der Witwe des Koblenzer
Gürtlermeisters Anton Kern stammen.1 Zusätzlich sind noch ein Schlüsselschild und
Zierbeschläge im oberen Bereich der Beinstollen angebracht.
Auf dem Blatt ist ein Rocaillen- und Blumenarrangement in den dunklen Mahagonigrund eingelegt. Das Motiv wird von einem
schmalen querfurnierten Band gerahmt, in
welches ein mechanisches Element integriert
ist, eine Buchleiste, die sich beim Aufstellen
der Platte aus ihr heraushebt und beim Schließen wieder bündig in sie zurücksinkt.
Der Tisch ist als Mehrzweckmöbel angelegt; sein Blatt ist zweifach hochstellbar, so
dass man an diesem Tisch sitzend oder stehend arbeiten kann. Der große Schubkasten
birgt das Schreibfach mit einer zurückschiebbaren lederbezogenen Schreibfläche. Darunter befinden sich weitere kleine Schubladen an
der Rückwand und zu beiden Seiten noch
zwei Fächer mit kleinen Schüben; einer davon
ist verschiebbar, um den Zugang zu einem weiteren Schubfach zu ermöglichen. Die Schublade des anderen Faches ist nach außen zu öffnen und für Schreibutensilien gedacht.
Abraham Roentgen (Mülheim am Rhein
1711–1793 Herrnhut bei Löbau), der Schöpfer dieses Tisches, hatte einen Teil seiner Gesellenzeit in London zugebracht, wo er zum einen die dortigen handwerklichen Gepflogenheiten und landestypischen gestalterischen
Besonderheiten kennenlernte und sich zum
anderen dort der Herrnhuter Brüdergemeine,
einer pietistischen Gemeinschaft, zuwandte.
Die Zugehörigkeit zu den Herrnhutern war in
1
Himmelheber 1998, S. 338 f. und
343 ff.
Rokoko oder goût pittoresque
185
Rokoko oder goût pittoresque
199
Kat.-Nr. 47
Ein Paar Sakeflaschen mit türkisfarbenem
Fond und Kakiemon-Dekor
Meissen, um 1728–30
Kobaltblaue Schwertermarken und eingeschnittene, geschwärzte Inventarnummer
des Japanischen Palais zu Dresden „N=291w“ (jeweils beide)
Höhe 22 cm (beide)
Provenienz
Königliche Porzellansammlung Augusts des
Starken (Dresden 1670–1733 Warschau) im
Japanischen Palais zu Dresden
Vergleichsstücke
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Porzellansammlung; Oberschleißheim, Bayerisches
Nationalmuseum, Schloss Lustheim, Stiftung
Ernst Schneider, Inv.-Nr. ES 26
Die viereckigen gebauchten Flaschen mit schlankem Hals stehen jeweils auf einer quadratischen
Grundplatte. Sie entsprechen in ihrer Form den
Vorbildern aus chinesischem Yixing-Steinzeug
und japanischem Porzellan des 17. Jahrhunderts,
wie sie in der Königlichen Sammlung Augusts
des Starken (Dresden 1670–1733 Warschau) im
Japanischen Palais zahlreich vorhanden waren
und um 1728 als Vorbilder zum Kopieren in die
Meissener Manufaktur gegeben wurden. Mit diesen Nachahmungen wollte der Kurfürst von
Sachsen und König von Polen seine gigantische
Sammlung komplettieren, die bei seinem Tod
rund 35.000 Porzellane aus China, Japan und
Meissen umfasste. Neben exakten Kopien fertigten die Meissener Manufakturisten jedoch auch
zahlreiche Eigenschöpfungen unter Verwendung
von Versatzstücken aus den Dekoren der ostasiatischen Porzellanmalerei. So wurden – anders als
die japanischen Vorbilder – insgesamt 59 Sakeflaschen in Meissen nicht nur mit einem türkisfarbenen Fond, sondern auch mit „indianischen“ Blumen (Päonien, Chrysanthemen, OminaeshiStauden, Pflaumenbaumblüten) und Vögeln
(Kranichen, Phönixen) in den vierpassigen, goldgerahmten weißen Reserven in bunten Schmelzfarben bemalt. Dabei folgen die verwendeten Motive denen der japanischen Manufaktur von Sakaida Kakiemon, die anderen Porzellanen der
Königlichen Sammlung entnommen sind. Auf
diese Weise gelang es der Meissener Manufaktur,
sich zwar dem ostasiatischen Stil anzupassen und
exotische Muster hervorzubringen, ein direktes
Kopieren jedoch zu vermeiden. Auf die Bemalung in Meissen deutet neben der Manufakturmarke auch die goldene Laubwerkbordüre am
oberen, weiß belassenen Ende des Halses hin.
Im Inventar der Königlichen Sammlung von
1779, Vol. II, Das Sächsisch Porcellain, fol. 17b,
sind „Neun und Fünfzig Stück diverse Aufsaz=
Bouteillen Celadon-Couleur, mit weißen Feldern
darein kleine Blümgen und Zierathen gemahlt,
auch vergoldten Rändgen, No. 291“ verzeichnet.
Viele Exemplare wurden im späten 19. Jahrhundert aus dem Bestand verkauft, so dass
sich gegenwärtig nur noch 26 in der Dresdner
Porzellansammlung im Zwinger befinden, davon
sechs in gleicher Form und mit identischem DeUP
kor wie die vorliegenden Exemplare.
Rokoko oder goût pittoresque
207
Kat.-Nr. 51
Garnitur von drei bedeutenden
Augustus Rex-Vasen
Meissen, 1733/34
„AR“-Monogramme in Unterglasurblau
Höhe 55 cm bzw. 46,5 cm
Provenienz
Marquise de Parabère (Paris 1693–1750 Paris),
Mätresse von Philippe II. de Bourbon, Duc
d’Orléans (Saint-Cloud 1674–1723 Versailles)
Ausstellung
Porcelaines de Saxe, Sèvres, Musée National de
Céramique, 4. Juli 1952–1. September 1952,
Kat.-Nr. 64
Vergleichsstücke
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Porzellansammlung, Inv.-Nr. PE 663 und PE 664;
New York, Metropolitan Museum, Lesley and
Emma Sheafer Collection, Inv.-Nr. 1974.356.
504 und 1974.356.505; ehemals Wrightsman
Collection; Oberschleißheim, Bayerisches Nationalmuseum, Schloss Lustheim, Stiftung Ernst
Schneider, Inv.-Nr. ES 640 a–b bis ES 646 (publiziert in: Eikelmann 2004, S. 411, Kat.Nr. 50); Stockholm, Nationalmuseum (publiziert in: Cassidy-Geiger 2007, S. 256, Fig. 11–9)
1
Zitiert nach: Schommers 2004,
S. 156 ff.
2
Ausst.-Kat. Dresden 2014,
Kat.-Nr. 36–39.
3
Vgl. Jedding 1990.
Drei-, fünf- oder siebenteilige Ensembles von Vasen verschiedener Größe und Form gehörten zur
repräsentativen Ausstattung barocker Prunkräume und werden in den Inventaren als „Aufsätze“ bezeichnet. Der Preiscourant der Meissener
Manufaktur von 1730 vermerkt, dass „Camin
Auffsätze [...] meistens vor Ihro Majt. geliefert worden als von 5 und 7 Stücken“,1 um über Türstür-
zen oder auf Kaminsimsen platziert zu werden.
Die „AR“-Monogramme auf den Vasen bezeugen, dass die Garnitur exklusiv für den König
angefertigt bzw. von ihm selbst in Auftrag gegeben worden ist. Auch die Entscheidung hinsichtlich ihrer Verwendung unterlag demzufolge Seiner Majestät, nämlich ob die Vasen nun in einem
seiner Schlösser aufgestellt oder als diplomatisches Geschenk überreicht werden sollten.
Die Vasenformen folgen Vorbildern aus
der chinesischen Porzellanmetropole Jingdezhen und dem japanischen Porzellanzentrum
Arita. Der Typus der bauchigen Deckelvase geht
auf chinesische Deckelschultertöpfe zurück, die
ihrerseits wieder auf Prototypen aus Bronze basieren. Die Stangenvasen mit balusterförmiger
Bauchung sind archaischen Ritualgefäßen aus
Bronze vom Typ GU nachgebildet.
Interessant ist in diesem Zusammenhang
der Vergleich mit einem fünfteiligen Vasensatz
mit gelbem Fond, dessen Bemalung mit Adam
Friedrich von Löwenfinck (Biala 1714–1754
Hagenau) assoziiert wird.2 Der Form nach handelt es sich um dieselben Modelle, deren Entstehung Jedding zwischen 1730 und 1733/34
datiert,3 bevor die Silhouetten und Proportionen marginal variiert beziehungsweise weiter
entwickelt wurden. Auch gelang es Johann
Gregorius Höroldt (Jena 1696–1775 Meißen)
den zarten Gelbton der Fondfarbe erst 1733
herzustellen.
Invention und Vollendung
232
Kat.-Nr. 55
Harlekin mit Mädchen,
„polnisch tanzend“
Modell von Johann Joachim Kaendler (Fischbach 1706–1775 Meißen),
um 1743
Ausformung und Staffierung, Meissen, um 1743–45
Höhe 15,3 cm
Vergleichsstücke
Basel, Historisches Museum, Stiftung PaulsEisenbeiss (publiziert in: Menzhausen 1993,
S. 137); Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Porzellansammlung, Inv.-Nr. PE 253 (publiziert in: Pietsch 2006, S. 71); New York, Metropolitan Museum of Art, Irwin Untermyer
Collection (publiziert in: Hackenbroch 1956,
S. 93 f.)
Die häufig auch als „Tanzende Tiroler“ oder
„Tanzende Holländer“ bezeichnete Gruppe
stellt in Wirklichkeit eine Szene aus der Commedia dell’Arte dar, in der das Paar polnisch
tanzt, so wie es auch in der Taxa derer vom H.
Modell-Meister Kaendlern, zur Königl. Porcelaine-Manufactur in Meiszen seit AO 1740 gelieferten und gefertigten neuen Modelle verzeichnet
ist: „1. Groupgen, wie ein Arlequin mit einem
dergl. Weibel miteinander Pohlnisch tanzen.“
Zweifellos weisen die beiden Figuren mit ihren
dynamischen Bewegungsmotiven die typischen
Stilmerkmale Johann Joachim Kaendlers
(Fischbach 1706–1775 Meißen) auf und sind
nicht etwa ein Werk seines Gehilfen Johann
Friedrich Eberleins (Dresden 1695–1749 Meißen), der schon im September 1735 „Zwey
kleine Figuren einen Tyroler und eine Tyrolerin
tantzend vorstellent“ und „Zwey dergleichen
Hollender“1 geschaffen hat. Bei dem Tanz handelt es sich nicht um die erst 1830 von einem
böhmischen Landmädchen erfundene Polka,
sondern um die aus dem polnischen Masowien
stammende und am Hof König Augusts III. von
Polen und Kurfürsten von Sachsen (Dresden 1696–1763 Dresden) äußerst beliebte Mazurka.
Das schwungvolle und wilde Herumdrehen der beiden Tanzpartner, die einander anschauen und bei den Händen fassen, wird
durch ihre kontrapostierende Haltung besonders wirkungsvoll zur Anschauung gebracht.
Gegenübergestellt, heben sie jeweils das rechte
Tanzbein, während sie das linke mit der Fußspitze auf den Boden setzen. Dabei wird der
weiße, mit bunten indianischen Blumen geschmückte Rock des Mädchens hinten durch
den Schwung nach oben gewirbelt, so dass seine Beine zu sehen sind. Durch den vorn bis auf
den Boden herabreichenden Rock erhält die
1
Staatliche Porzellanmanufaktur
Meissen, Archiv, AA I Aa 24,
fol. 302.
Rokoko oder goût pittoresque
233
2
Dresden, Kupferstich-Kabinett,
Inv.-Nr. A 69526 (publiziert in:
Pietsch 2006, S. 71).
Gruppe ihre nötige Stabilität, denn das sonst
übliche Anlehnen der Figuren an einen Baumstumpf musste hier entfallen, damit die Mobilität der Szene nicht beeinträchtigt wird. Am
Oberkörper ist die Dame mit einer weißen Bluse und einer purpurnen, goldbordierten und
ornamentierten Weste bekleidet, über die hinten die beiden Zöpfe ihres schwarzen Haars
herabhängen. Der Harlekin mit schwarzen
Haaren trägt einen flachen braunen Hut mit
roter Schleife in der Mitte der Frontkrempe,
orangefarbene Schuhe mit gelben Schleifen,
weiße Strümpfe, schwarze Kniehosen mit gelben Schleifen, eine grüne Jacke mit stilisiertem,
goldenem Blütenmuster und eine weiße, goldbordierte Halskrause.
Das Motiv der beiden Tänzer entnahm
Kaendler möglicherweise einem Kupferstich2
von Pierre Filloeul (Abbeville 1696–nach
1754 Paris) nach einem Gemälde von JeanBaptiste Pater (Valenciennes 1695–1736 Paris)
mit dem Titel La danse von 1738.
UP
Invention und Vollendung
242
Kat.-Nr. 60
Bronzemontierte Tischuhr
Maus: Modell von Peter Reinicke (Danzig wohl 1711–1768 Meißen), 1743
Ausformung und Staffierung, Meissen, 1743/45; Harlekin mit Dudelsack:
Modell von Johann Joachim Kaendler (Fischbach 1706–1775 Meißen), 1736,
Ausformung und Staffierung, Meissen, um 1736/38; Fasanenhenne:
Modell wohl von Johann Joachim Kaendler, um 1745, Ausformung und
Staffierung, um 1745; Blüten: Weichporzellan, Frankreich, um 1750
Uhrgehäuse: China, Jingdezhen, Qing-Dynastie (1644–1911),
Ära Kangxi (1662–1722), um 1700
Uhrwerk, bezeichnet „TERRIER A PARIS“ für David Terrier, Paris, um 1750
Bronze, gegossen, feuervergoldet und ziseliert, Frankreich, um 1750
Höhe 28,2 cm
Diese zierliche Tischuhr vereint qualitätvolle
Einzelobjekte des deutschen, chinesischen, und
französischen Kunsthandwerks zu einer in Form
und Stil harmonischen Verbindung. Sie wurde in
Paris durch einen marchand mercier zusammengefügt und ist der Ästhetik der Epoche Louis XV.
verpflichtet.
Aus dem fünffüßigen, stark bewegten Rocaillen-Sockel aus feuervergoldeter Bronze erwächst ein knorriger, von Efeu umrankter Baumstamm, welcher drei Arme ausbildet, die mit
Blättern bewachsen sind und mit polychrom staffierten Blüten aus französischem Weichporzellan
versehen wurden. Die Bronzemontierung, deren
Oberfläche durch unterschiedliche Behandlung
zwischen glänzenden und matten Partien changiert, ist ausgesprochen fein ausgearbeitet. Der
Stamm trägt eine durchbrochene Kugel aus chinesischem Porzellan, in die ein französisches
Uhrwerk mit der Signatur „Terrier à Paris“ für
den Uhrmacher David Terrier eingelassen wurde. Kugeln dieser Art – ein vergleichbares Paar1
findet sich auch in der Porzellansammlung in
Dresden – wurden in ihrem Herkunftsland ver-
mutlich als Parfümbehälter oder Grillenkäfig genutzt. Das Uhrgehäuse wird bekrönt von einer
kauernden grauen Meissener Porzellanmaus, die
von Peter Reinicke (Danzing wohl 1711–1768
Meißen) wohl nach einem Kupferstich von Jacob
Hoefnagel (Antwerpen 1573–1632/35 Hamburg) im September 1743 modelliert wurde, der
wiederum nach Zeichnungen von Joris Hoefnagel (Antwerpen 1542–1601 Wien) entstand
(Abb. 67). In seinen Arbeitsberichten ist sie folgendermaßen verzeichnet: „13) 1 klein Mauß in
Thon rein bossirt.“ (Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen, Archiv: Iab 20 Blatt 233). Zwei
Abb. 67:
Insekten, Pflanzen,
Früchte und eine Maus,
Kupferstich von Jacob
Hoefnagel (Antwerpen
1573–1632/35 Hamburg)
nach einer Zeichnung
von Joris Hoefnagel
(Antwerpen 1542–1601
Wien), 153 x 214 mm,
Amsterdam,
Rijksmuseum, Inv.-Nr.
RP-P-1887-A-11853
Rokoko oder goût pittoresque
243
weitere Porzellanfiguren der sächsischen Manufaktur wurden zu beiden Seiten des Bronzestammes in die Montierung eingebracht und mittels
Schrauben fixiert: rechts eine Fasanenhenne mit
zwei Küken, links ein sitzender Harlekin mit einem Dudelsack. Während das Modell des Vogels
nirgends verzeichnet ist, schreibt Johann Joachim Kaendler (Fischbach 1706–1775 Meißen)
zur Figur des Harlekins in seinen Arbeitsberichten des Monats Juli im Jahre 1736: „Einen Arlequin mit dem Tutel Sack aufs Lager, geändert und
abformen tüchtig gemacht“2. Alle Figuren dürften
in zeitlicher Nähe zum Entstehungszeitpunkt ihres Modells ausgeformt und staffiert worden sein.
Die Bedeutung der präsentierten Tischuhr
geht weit über die Funktion eines ästhetisch
gestalteten Gebrauchsobjekts hinaus. Sie ist Ausdruck einer bis aufs Äußerste verfeinerten Lebensart, die das europäische Kunsthandwerk auf die
gleiche Weise schätzte wie die aus Ostasien importierten Güter. Diese wurden nebeneinander gesammelt und ganz selbstverständlich gemeinsam
in einem Raum ausgestellt.
SKAA
1
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Porzellansammlung,
Inv.-Nr. PO 4296 (publiziert in: Pietsch/Loesch/Würmell
2012, S. 33, Kat.-Nr. 26).
2
Zitiert nach Pietsch 2002, S. 40.
Invention und Vollendung
254
Kat.-Nr. 64
Jean-Baptiste Pater
(Valenciennes 1695–1736 Paris)
Das Blindekuhspiel
Öl auf Leinwand
62,5 x 75,5 cm
Provenienz
A. Febvre, Paris, Auktion 17.–20. April 1882
(Maître Chevallier), Los 28 (verkauft für
21.000 Francs); Sammlung E. Keyser, Paris,
1892; Sammlung Michel Ephrussi, Paris;
Sedelmeyer, Paris, 1911; Christie’s London,
Auktion, 18. April 1980, Los 104; Harari and
Johns, London
Ausstellung
Cent Chefs-d’Œuvres des Collections françaises
et étrangères, Paris 1892
Publiziert
Sedelmeyer 1911, Nr. 85; Ingersoll-Smouse
1921, S. 60, Nr. 294 (als Replik oder Kopie der
Fassung in Potsdam, S. 59, Nr. 292); Ausst.Kat. Tokyo 1988, Nr. 10 (als eigenhändige
Fassung)
Jean-Baptiste Pater (Valenciennes 1695–1736
Paris), ein getreuer und talentierter Nachfolger
des zehn Jahre älteren Jean-Antoine Watteau
(Valenciennes 1684–1721 Nogent-sur-Marne),
hatte bereits zu Lebzeiten beachtlichen Erfolg.
Er stammte wie Watteau aus Valenciennes und
wurde als zweites von fünf Kindern geboren.
Sein Vater war Stuckbildhauer, der Onkel Maler. Jean-Baptiste begann seine Laufbahn als
Maler in Valenciennes, ging jedoch nach dem
Tod seines ersten Lehrmeisters Jean Baptiste
Guidé im Jahr 1711 nach Paris und wurde
Schüler seines berühmten Landsmanns Watteau. Der Vater von Jean-Baptiste Pater „war
der Meinung, dass Watteau als Landsmann
Fähigkeiten habe, die seinem Sohn helfen könnten, sich zu vervollkommnen. Er schickte ihn
daher zu ihm, damit der ihn ausbilde“. JeanBaptiste Pater ist damit der einzige Künstler,
der nachweislich bei Watteau in die Lehre gegangen ist. Doch der Meister hatte einen „allzu
schwierigen Charakter und war zu ungeduldig,
um sich der Schwächen und dem Fortkommen
eines Schülers annehmen zu können […] und so
musste sich der junge Pater diesem Umstand
fügen und sich bemühen, allein zu arbeiten und
sich weiterzubilden“, wie uns Edme-François
Gersaint (Paris 1694–1750 Paris) berichtet,
der als Händler tätig und Auftraggeber des Gemäldes L’Enseigne de Gersaint (Das Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint)1 von JeanAntoine Watteau war, das sich heute in Berlin
befindet.
Von ungefähr 1715 bis ins Jahr 1718
ging Jean-Baptiste Pater wieder nach Valenciennes zurück. Schriftliche Zeugnisse deuten auf
Schwierigkeiten zwischen ihm, seinem Vater und
der Sankt Lukas-Gilde hin, einer Zunft, der die
Maler angehören mussten, um ihren Beruf ausüben und Handel mit Bildern treiben zu können.
Rokoko oder goût pittoresque
255
GOÛT GREC
Invention und Vollendung
346
Kat.-Nr. 80
Christian Wilhelm Ernst Dietrich, genannt
Dietricy (Weimar 1712–1774 Dresden),
zugeschrieben1
Galante Gesellschaft im Park (um 1753/54)
Öl auf Leinwand
Höhe 132 cm, Breite 162 cm
Christian Wilhelm Ernst Dietrich (Weimar 1712–1774 Dresden) wurde am 30. Oktober 1712 als Sohn von Johann Georg Dietrich
(1684–1752) und dessen Frau Johanna Dorothea (1690–1723) in Weimar geboren. Schon
früh realisierte sein Vater, selbst Maler und Radierer, das Talent seines Sohnes und lies ihm eine erste künstlerische Ausbildung durch Abzeichnen von grafischen Vorlagen und Kopieren verfügbaren Bildmaterials angedeihen. Zudem besuchte er das Gymnasium seiner Heimatstadt. Im Alter von zwölf Jahren sandte ihn
sein Vater nach Dresden zu Johann Alexander
Thiele (Erfurt 1685–1752 Dresden), einem
der bedeutendsten Landschaftsmaler des
18. Jahrhunderts, bei dem Christian Wilhelm
Ernst Dietrich bis zum Jahre 1731 sein Können
weiter schulen und vervollkommnen sollte.
Zeitgleich besuchte er die Dresdner Malerakademie, die seit 1725 unter der Leitung des aus
Paris stammenden sächsischen Hofmalers Louis de Silvestre (Sceaux 1675–1760 Paris) stand.
1728 begleitete Dietrich seinen Lehrmeister
Thiele nach Arnstadt, wo dieser als Kämmerer,
Hofmaler und Galerie-Inspektor im Dienste
Fürst Günthers I. von Schwarzburg-Sondershausen (1678–1740) stand.2 Dort erhielt er die
Möglichkeit Thieles Landschaften mit Figuren
auszustaffieren. Im Jahr 1731 wurde Dietrich
schließlich am Dresdner Hof vorgestellt, wo er
vor den Augen August des Starken (Dresden 1670–1733 Warschau) ein kleines Gemälde in der Art Adriaen van Ostades (Haarlem
1610–1685 Haarlem) und eine mythologische
Szene, das Bad der Diana im Stil Cornelis van
Poelenburghs (Utrecht 1594/95–1667 Utrecht)
anfertigte.3 Am 30. April des selben Jahres wurde er zum Hofmaler ernannt und zur weiteren
Protektion Heinrich Graf von Brühl (Gangloffsömmern 1700–1763 Dresden) anvertraut.
Seiner Lehrzeit schloss sich ein längerer Aufenthalt in Weimar an, während dem sich Dietrich vornehmlich dem Zeichnen und Radieren
nach holländischen Vorbildern widmete. Nach
dem Tod August des Starken überlies sein
Sohn, Kurfürst Friedrich August II von Sachsen und König August III von Polen (Dresden 1696–1763 Dresden) die Regierungsgeschäfte weitgehend dem Grafen von Brühl, der
1747 in Folge zahlreicher Ämter und Ehren
zum Premierminister ernannt wurde. Aufgrund
des angewachsenen Repräsentationsbedürfnis
von Brühl erhielt Dietrich den Auftrag für eine
große Anzahl dekorativer Malereien für Palais
und Residenz des Grafen mit einer Besoldung
von 400 Talern. Der junge Maler ließ sich im
1
Das Gemälde wurde von Dr.
Petra Schniewind Michel
begutachtet und ausdrücklich als
ein Werk Christian Wilhelm Ernst
Dietrichs, genannt Dietricy
ausgewiesen.
2
Vgl. Kat.-Nr. 79.
3
Heinecken 1768, S. 11 ff.
Frühklassizismus oder goût grec
4
Heinecken 1768; Heinecken,
enger Vertrauter des Grafen von
Brühl, wurde 1746 von Kurfürst
Friedrich August II. zum Direktor
des Kupferstichkabinetts ernannt
und war entscheidend für den
Aufbau der Dresdner Sammlung
verantwortlich.
347
Anschluss daran beurlauben und trat nach einem Aufenthalt in Weimar eine längere Reise
an, über deren Destinationen, obgleich man
Holland annimmt, kaum etwas gesichert ist.
Einzig sein Aufenthalt in Braunschweig 1737
bleibt belegt. 1741 wurde Dietrich, der seit den
Jahren 1736/37 auch mit „Dietricy“ signierte,
als Hofmaler bestätigt. Diese Würdigung bedeutete für den Künstler eine deutliche Verbesserung seines Status. Seine Werke wurden in
die Sammlung der Königlichen Gemäldegalerie
aufgenommen und der Kreis seiner Auftraggeber und Bewunderer wuchs. Auf Wunsch des
Königs trat Dietrich nur widerwillig eine Reise
nach Italien an, die, entsprechend einer Aufzeichnung Carl Heinrich von Heineckens (Lübeck 1707–1791 Altdöbern),4 seiner Weiterbildung dienen sollte. Obgleich sie nur recht kurz
ausfiel, hatte Dietrichs Ausdrucksfähigkeit auf
dieser Reise an Frische und Lebendigkeit gewonnen und sich sein Motivschatz besonders
hinsichtlich der Landschaftsmalerei deutlich
Invention und Vollendung
352
Kat.-Nr. 81
Ein Paar Papageien montiert
als zweiarmige Leuchter
Modell von Johann Joachim Kaendler (Fischbach 1706–1775 Meißen), wohl 1740
Ausformung und Staffierung, Meissen um 1740
Unterglasurblaue Schwertermarken
Feuervergoldete Bronzemontierung, Paris, um 1765
Höhe 28,5 cm (beide)
Nach der entbehrungsreichen Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) breitete sich
während der zweiten Hälfte des 17. und in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in ganz Europa die Chinamode aus, die besonders im
Kurfürstentum Sachsen unter August dem
Starken (Dresden 1670–1733 Warschau) ihre
Blütezeit erlebte. Alle kuriosen und exotischen
Kulturzeugnisse, gleich welcher fremdländischen Provenienz, erkor der Kurfürst, der 1697
zum polnischen König gewählt wurde, zu seinen Favoriten und trug im Laufe seines Lebens
die größte und bedeutendste Sammlung ostasiatischen Porzellans zusammen, die er in seinem Porzellanschloss, dem Japanischen Palais
zu Dresden präsentierte. Doch damit nicht genug, auch ein Türkisches Palais, das umfangreiche Schätze des Vorderen Orients beherbergte und eine Menagerie mit vielen nichteuropäischen Tierarten ergänzten die Leidenschaft des Kurfürst-Königs, der obendrein der
sogenannten Ägyptomanie erlag.
In diesem Zusammenhang spielt Zacharias
Wagner, auch „Wagener“ oder „Wagenaer“
(Dresden 1614–1668 Amsterdam), der Sohn
eines Dresdner Richters und Religionsverwesers, eine bedeutsame Rolle. Er hatte noch
während des Dreißigjährigen Krieges seine
Heimat verlassen und trat zunächst in die
Dienste der niederländischen Westindischen
und 1642 der Vereinigten Ostindischen Kompanie (VOC) in Amsterdam ein, über die auch
August der Starke im Wesentlichen seine Porzellanbestände ankaufte. In Brasilien verfasste
er eine umfangreiche Beschreibung der Tiere
und Menschen des unter niederländischer
Herrschaft stehenden Landes, das Thier Buch /
darinnen / viel unterschiedlicher Arter der Fische vögel vierfüssigen Thiere Gewürm, Erd=
und / Baumfrüchte, so hin undt wieder in Brasilischen bezirck, und gebiethe, Der Westindischen Com / pagnie zu schauwen undt anzutreffen und daher in den Teutschen landen fremde
und unbekant / Alles selbst […] bezeiget / In /
Brasilien / Unter hochlöblicher Regierung des
hochgebornen / Herren Johand Moritz Graffen
von Nassau / Gubernator Capitain, und Admiral General / von / Zacharias Wagenern / von
Dresden.1 Nach einer der darin enthaltenen
Zeichnungen schuf der Meissener Modellmeister Johann Joachim Kaendler 1731 einen AraPapagei in Lebensgröße für August den Starken,2 denn die Haltung von Papageien hatte
sich in Europa allmählich zu einem Statussymbol entwickelt. 1731 schickte der Monarch eine Expedition nach Afrika, die von dort unter
anderem zahlreiche Tiere mitbrachte, welche
als lebendige Exemplare in die Menagerie und
1
Dresden, Staatliche Kuntsammlungen, Kupferstich-Kabinett.
2
Amsterdam Rijksmuseum,
Inv.-Nr. BK-17496 (publiziert in:
Den Blaauwen 2000, S. 398f.,
Kat.-Nr. 290).
Frühklassizismus oder goût grec
353
Zwar daß solche gegeneinander sehen“ 4, im August, September und Oktober „Zwey Pappagoyen Von ziemlicher Größe aufs Waaren Laager
in Thon poußiret und Sauberes Belege Zu deßen
postamente gefertiget. Von zweyerlei Arth“ 5 .
Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es
sich bei den beiden vorliegenden Exemplaren
um eines der Papageienpaare, die als Gegenstücke konzipiert sind, indem sie die Köpfe einander zuwenden. Auch die Angabe des Auftraggebers, Mons[ieur Jean-Charles] Huet, legt diesen
Schluss nahe, denn die gegeneinander sehenden
Paare wurden häufig von Pariser Goldschmieden im Auftrag der marchands merciers, zu denen Huet gehörte, zu bronzevergoldeten Kandelabern verarbeitet. Zwar entstand die Montierung der beiden Papageien mit Mäanderband
und Lorbeerkranz am Sockel sowie Akanthusblättern an den Tüllen erst um 1765, aber ihre
Weiterverarbeitung und Veredelung in der französischen Hauptstadt ist damit bewiesen.
3
Zitiert in: Pietsch 2002, S. 70.
4
Zitiert in: Pietsch 2002, S. 70.
5
Zitiert in: Pietsch 2002, S. 72.
als Präparate in die sogenannte „Animaliengalerie“ des Zwingers integriert wurden. Einige
der letzteren – besonders ausgestopfte Vögel –
dienten Kaendler später, nach dem Tod Augusts des Starken, als Vorbilder für seine Porzellanplastiken. So verzeichnet er in seinen Arbeitsberichten des Jahres 1740 schließlich
mehrere Papageien: Im Mai „Einen Pappagoy
in Thon poußiret große Sorte Vor Mons. Huet.
Daß solcher gegen den ehemals Von mir gefertigten Papagoy siehet“ 3, im Juni „Zwey Pappagoyen Von Ziemlicher Größe auf einem großen Ast
sietzend in Thon poußiret Vor Mons. Huet.
Die Papageien sitzen, den Kopf rückwärtsgewandt, mit angelegten Flügeln jeweils auf einem mit plastischen Blättern, Beeren und kleinen Pilzen bewachsenen Baumstumpf. Das
grüne Gefieder mit schwarzer Binnenzeichnung steht in schönem Gegensatz zu den roten
Flügelspitzen und den roten beziehungsweise
blauen Schwanzfedern. Zusammen mit den
dunklen Augen und dem leicht geöffneten
blauen Schnabel verkörpern die Porzellanvögel
ein lebendiges und natürliches Erscheinungsbild, das jedem aristokratischen Kabinett zu
glanzvoller Zierde gereicht und den hohen gesellschaftlichen Rang ihres Besitzers dokumentiert haben dürfte.
UP
Invention und Vollendung
354
Kat.-Nr. 82
Kommode,
sog. commode à la grecque
André Louis Gilbert (Paris 1746–1809 Paris, Meister 1774) und Antoine Gosselin (Sarton
1731–1794 Paris, Meister 1752)
Paris, um 1770
Gestempelt „A·L·GILBERT“, „A·GOSSELIN“ und „JME“ (zweifach)
Blindholz: Eiche
Furnier: Rosenholz, Amaranth, Ahorn und Obstholz, grün gefärbt
Beschläge: Bronze, gegossen, ziseliert, vergoldet
Platte: Brèche d’Alep-Marmor
Höhe 87 cm, Breite 126 cm, Tiefe 57 cm
Provenienz
Frankfurt, ehemals Sammlung Baronesse Mathilde von Rothschild und Erich von Goldschmidt-Rothschild, Inv.-Nr. 493
Publiziert
Aukt.-Kat. Ball/Graupe, Berlin 1931, S. 39,
Los-Nr. 167
Die imposante Kommode vertritt die in Frankreich als style Transition bezeichnete Übergangsperiode vom Rokoko zum Frühklassizismus. Während die geschweiften Beine stilistisch noch im Rokoko verhaftet sind, verweist
die Dreiteilung der Front mit den aufwändigen
geometrischen Marketeriebildern als Elemente
des goût grec bereits auf den nachfolgenden Stil
Louis XVI.
Der langgestreckte, querrechteckige Korpus der kastenförmigen Kommode ruht auf
vier über Eck gestellten, geschweiften Beinen
mit abgefasten Außenkanten. Diese gehen
nahtlos in die gerundeten Stollen über. Die
Kommodenfront weist eine abgesetzte, leicht
vorgewölbte Mittelpartie auf, während die Sei-
tenflächen gerade verlaufen. Das Möbel ist horizontal wie vertikal dreigeteilt: Der untere Teil
des Kommodenkastens enthält zwei über die
ganze Breite reichende Schubladen sans traverse, im oberen Drittel sind drei schmale,
durch eine vorkragende Traverse abgesetzte
Schubladen eingelassen. Zwei vertikale Lisenen betonen zusätzlich die Dreiteiligkeit der
Front. Eine symmetrische, mehrfach geschwungene Schürze dient als Akzentuierung der unteren Kante.
Die schwere abschließende Platte aus
Brèche d’Alep-Marmor nimmt die Kontur des
Korpus auf.
Der Marketeriefond ist mit stehend
furniertem Rosenholz ausgeführt, welches die
Kommode in unterschiedlich große Rechteckfelder unterteilt. Die rahmenden Partien von
dunklem Amaranthholz in Kombination mit
kontrastierenden hellen Fadenintarsien im Bereich der Beine, Lisenen und Stollen setzen dabei optische Akzente. Die beiden großen
Schubladen sans traverse im unteren Teil sind
an der Front auf Rahmen und Füllung gearbeitet. Es erfolgt eine Unterteilung in ein nahezu
Invention und Vollendung
372
Kat.-Nr. 85
Tabatiere mit Venus und Minerva
Kaiserliche Porzellanmanufaktur Wien, um 1780–1785
Dekor Philipp Ernst Schindler (Dresden 1723–1793 Wien)
Hartporzellan, Aufglasurfarben, Unterglasurblau, mehrfarbige Vergoldung, Versilberung,
mehrfarbige Goldmontierung
Länge 8,2 cm
Vergleichsstück
London, Victoria & Albert Museum, Rosalinde and Arthur Gilbert Collection, mit mythologischer Darstellung nach gleicher Vorlage, dort
als „Antonius und Cleopatra“, Inv.-Nr. Loan:
Gilbert 507:1–2008, (publiziert in: Röbbig
2013b, S. 93, Abb. IV.23)
sichtbar. Die Reserven der Seiten zieren dekorative Malereien mit polychromen Blumenfestons und antikisierenden Philosophenbüsten
in Grisaille auf lichtgelbem Grund, die Unterseite zeigt einen Frauenkopf auf Strahlenkranz,
ebenfalls in Grisaillemalerei auf dem gleichen
lichtgelben Grund ausgeführt.
Diese Tabatiere, von gleicher Form und ähnlichem Reliefdekor wie Kat.-Nr. 86, ist in einer
ovalen Reserve mit Venus in Begleitung von
zwei Amoretten bemalt. Eine der beiden hält einen Spiegel, das Attribut der Göttin der Schönheit, die zweite begleitet Venus mit einer Fackel,
der Flamme der Liebe. Venus entfernt sich im
Laufschritt von Minerva, der Göttin der Weisheit, diese ermahnt mit erhobenem Zeigefinger
zur Wahrung der Tugend und versucht, Venus
aufzuhalten, während die Fackel tragende Amorette die Göttin der Liebe zum Aufbruch drängt.
Venus ging als Siegerin aus dem Urteil des Paris
hervor, in dem Minerva mit Juno unterlag.
Die mythologische Darstellung ist von einem Rahmen mit Perlschnurdekor, Bändern
und Blüten sowie einem Ornament aus Goldrelief umgeben, das sich netzartig über den unterglasurblauen Fond, über den Deckel sowie
die Seiten und Unterseite der Dose zieht und
an typische Golddekore auf Emailobjekten erinnert. Unter dem Gold wird an manchen Stellen eine Polimentauflage mit rotem Bolus
Aufgrund der Stilistik der Miniaturmalerei des
Deckels mit ihrer modellierenden Punktiertechnik und den charakteristisch lockeren Konturen kann die Handschrift der Bemalung Philipp Ernst Schindler (Dresden 1723–1785
Wien) zugeschrieben werden. Schindler war
nicht nur einer der besten Dekorateure, sondern auch ein vielfach gelobter Figurenmaler
der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur in Wien.
Seiner Flucht aus Meißen im Jahr 1750 war
sein Ruf als Gestalter und Maler von Tabatieren
sowie als Porträtist vorausgeeilt.1 Eine stattliche
Anzahl Wiener Emailtabatieren sind von
Schindler signiert und belegen seinen Erfolg in
diesem Metier, auch in seiner Wahlheimat. Eine
Tabatiere ähnlicher Form mit gleicher mythologischer Szene zeigt auf der Innenseite des
Deckels eine Ansicht der Albrechtsburg in
Meißen.2 Da für gewöhnlich die in der Wiener
Porzellanmanufaktur entstandenen Tabatieren
im Gegensatz zu den wohl in unabhängiger Produktion gefertigten Emaildosen nicht signiert
waren, stellt sich die Frage der Provenienz der
1
Zur Geschichte seines
Werdegangs vgl. Kat.-Nr. 86.
2
Siehe Röbbig 2013b, S. 93.
3
Publiziert in: Folnesics/Braun
1907, Taf. XXV, Abb. 2 und 3.
Frühklassizismus oder goût grec
373
Tabatieren dieses Stils. Die stilistisch begründete Datierung ins späte 18. Jahrhundert
schließt aus, dass Schindler die Tabatiere mit
der Ansicht der Albrechtsburg an einem anderen Ort als in Wien gemalt haben könnte. Dass
er aufgrund seiner Herkunft und familiären
Verbundenheit weiterhin Auftraggeber aus
Sachsen belieferte, ist jedenfalls denkbar.
Die Form der vorliegenden Dose findet
sich mit anderen antikisierenden Dekoren aus
Wiener Porzellan.3 Auch die erwähnte Dose
des Victoria & Albert Museum, wenngleich
nicht mit reichem Reliefgold dekoriert, folgt
dieser Form. Eine weitere Dose identischer
Form mit Blumenfestons und antikisierenden
Grisaillefiguren an den Seiten, die mit dem
Beispiel aus London vergleichbar ist, wird im
Kunstgewerbemuseum in Kopenhagen aufbe-
wahrt (Inv.-Nr. B274/1939). Ein dieser Form
proportional exakt entsprechender Dekorentwurf aus dem Nachlass der kaiserlichen Porzellanmanufaktur findet sich in der Kunstblättersammlung des MAK in Wien (Inv.Nr. 771/62).
Die hier präsentierte klassizistische Dose
ist von gemäßigter Farbigkeit, wie es dem Zeitgeschmack um 1780/90 entsprach. Auch das
vielfache Auftreten mythologischer Szenen in
Schindlers Spätwerk lässt auf eine Datierung
der Tabatiere in diese Zeit schließen. Eine neue
Technik des Goldreliefs, das in Schichten aus
Gold mit dem Pinsel aufgebaut wurde, sollte
sich in Wien erst um 1790 durchsetzen. Der
Arkanistenadjunkt Joseph Leithner (nachweisbar 1770 bis 1829) adaptierte zu diesem Zweck
1793 noch einmal die Goldrezeptur.
CLJ