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EITE 12 | PS WE LT PS Autorenwünsche DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, V OL. I, SEPTEMB ER 2014 DAS AU TOMAGA Z IN DE R WELT AM SONNTAG, VOL. II, NOVEMBER 2014 Seite 11 A LAGUNA SEC TION? TA YS oder PLA 17 Seite H eute ist der erste Advent und damit beginnt die offizielle Zeit der Wünsche. Wir sollten es wie die Kinder machen und von den Träumen nicht länger schwärmen, sondern sie zu unserem Alltag machen. Unglaubliche Autos zum Beispiel, einen Bentley, einen Ferrari, einen Porsche 911, eine Corvette oder einen betagten Renault Alpine. Das Leben ist zu kurz um auf Zwölfzylinder und 600 Newtonmeter zu verzichten oder auf die Eleganz einer Pagode. Danke für den vielen Zuspruch zur ersten Ausgabe der PS Welt. Wir machen weiter. Es ist unser Traum. Wir geben Vollgas. Auch im Digitalen. Ab morgen sind alle Autothemen auf welt.de wie die PS Welt angelegt: hedonistisch, elegant, thesenstark. Ihr ULF POSCHARDT P.S.: Kritik und Lob bitte wieder an ulf.poschardt@welt.de BEZIEHUNGSKISTEN: Deutsche, Türken und ihre Autos Seite 24 BEST OF: FAZ und Das Glück der leeren Straße Die blonde Frau im roten FERRARI Der Wunsch, Rennfahrer zu sein Der Opelfan beim Opelchef Seite 16 / Seite 8 BESTSELLER: Wolfgang Büscher über das Gehen und das Fahren Seite 6 e h c s n Wü BENTLEY: Kann ein Auto Medizin sein? Seite 4 Foto STEFAN BOGNER PS WELT | SEITE 23 PS Die PS WELT ist ein junges Kind unserer automobilen Leidenschaft. Obwohl wir mit unserem Auto-Blog erst im Frühjahr 2014 gestartet sind, wurden wir sehr schnell populär und erfolgreich. Besuchen auch Sie uns im Netz unter www.ps.welt.de. Der Artikel, der bisher am häufigsten gelesen und diskutiert wurde, ist der folgende: Autos, die man aufklappen kann? Her damit! Das deutsche E E E F H L V R IZV RSCH USS ER A R N E Von GUIDO BELLBERG s ist ein Wunder: jetzt fahre ich schon so lange Auto und noch kein Mal, nicht ein einziges Mal, hat der automobile Reißverschluss reibungslos funktioniert. Doch einmal, aber das war in England, zählt also nicht, und wahrscheinlich war ich einfach Geisterfahrer. Höchste Zeit also, endlich etwas Licht in das Dunkel dieser geheimnisvollen Verkehrslösung zu bringen. Die Idee ist eigentlich simpel: aus zwei Spuren wird nur noch eine und an der Stelle, an der dies passiert, fahren die Autos immer abwechselnd vor. Soll heißen, die Autos auf der Spur, die bestehen bleibt, lassen immer einen anderen Fahrer vor sich einscheren und fahren dann selbst. Daher der Name. Wie die süßen Zähnchen wenn das Metallschlittchen sie bittet, sich zusammenzuschließen. Das funktioniert natürlich nur, wenn jeder genau einen vor sich einscheren lässt. Der einfache Merksatz – frei nach Monty Python – lautet: „Eines sollst Du reinlassen, nicht zwei, nicht drei und auch nicht keines. Genau eins ist die Zahl der Autos, die Du vor Dir einfahren lassen sollst. Nicht Null soll die Anzahl der Automobilisten sein, die Du passieren lässt, und auch nicht zwei, drei oder gar vier. Nur ein Gefährt ist güldrichtig. Genau eines. Aber wirklich auch nur eines.“ Ein funktionierendes Reißverschlussverfahren in freier Wildbahn beobachten zu können, ist ein seltenes Glück, das nur den wenigsten deutschen Fahrerinnen und Fahrern je zuteil wird. Schade, denn das Ballett friedlich einscherender Autos ist eigentlich ein leuchtendes Beispiel menschlicher Intelligenz, Rücksichtnahme und Größe, das einem unvorbereiteten Spaziergänger auf einer Autobahnbrücke schnell die sentimentalsten Tränen ins Auge treiben kann. Das Problem, wie so oft: eine einzige Idiotin oder ein einziger Ochse reichen völlig aus, um die fließende Kette zum Abreißen, Stocken oder gar Stehen zu bekommen. Ein ängstliches Würstchen, eine verunsicherte Studentin oder ein aggressiver Außendienstler, und schon geht nichts mehr. Dann wird das Reißverschlussverfahren zum anschaulichen Beispiel für real praktizierten Kommunismus bei dem am Ende alle verlieren. Die Fahrer vom Stamme Zögerling behaupten natürlich, die Vertreter der Aggronauten seien schuld. Die Aggros schimpfen auf die Angsthasen und machen dies durch ausgiebiges Hupen kenntlich. Aber egal, zu welcher der beiden Kategorien man selbst gehört, schlechtes Karma ist einfach vorprogrammiert. Ein kleiner Hinweis an die Aggros: wenn man das andere Auto, das links neben einem steht, oder hoffentlich noch rollt, nicht hineinlässt, hat man hinterher trotzdem schlechte Laune. Und an die Zögerlinge auf der verschwindenden Spur: Keine Angst, mann oder frau kann noch bis zum tatsächlichen Ende, das ja immer gekennzeichnet und meist sogar ausgeleuchtet ist wie eine Touristendisko, der eigenen Spur fahren. Da passiert nichts. Keine plötzlichen Löcher. Keine Autofangfalle. Kein Überfall. Und man wird immer irgendwann hineingelassen. Sie werden nicht verhungern. Alles wird gut. Vorher einscheren macht überhaupt keinen Sinn, sondern führt zu allgemeiner Verwirrung. Bitte bedenken Sie: Wenn Sie schon einen Kilometer vor dem Ende der Spur meinen einbiegen zu müssen, sind Sie wahrscheinlich ein Angsthase oder eine Zögerline. Das heißt aber mit ziemlicher Sicherheit auch, dass Sie wahrscheinlich gar nicht zügig in eine kleine Lücke einscheren können und daher wohl „zur Sicherheit“ abbremsen werden. Was zu unschönen Wellen hinter Ihnen führt. Nicht machen, einfach bis zum Ende fahren und dann selbstbewusst und Freude strahlend einbiegen. Vielleicht mal nachts üben, wenn nichts los ist. Früher, als alles besser war, konnte man die Zugehörigkeit zu einer der beiden Kriegsparteien schon meilenweit am Auto und notfalls beim Näherkommen am Geschlecht – damit meine ich natürlich Sekundärmerkmale wie Federkleid, Haarpracht oder Sitzposition – erkennen. Und sich – je nach Präferenz – entsprechend verhalten, also die Spur wechseln, beschleunigen oder schreiend davon rennen. Heute ist das leider nicht mehr der Fall. Mir sind schon weibliche Aggros in Peugeots begegnet und männliche Lämmer in E-Klassen. Oder hektische Businessfurien in Audis und zuckersüße Damen in Sportwagen. Aber was können wir tun? Eine erste Notmaßnahme wären massive Schulungen von Fahranfängern und verpflichtende Aufklärungsfilme wie „Tod im Reißverschluss, sie war erst 19“ oder „Krankenwagen in die Zange genommen, Achtlinge auf dem Seitenstreifen geboren“. Dass ich erstaunlicherweise immer noch nicht zum Verkehrsminister berufen wurde, hält mich keinesfalls davon ab, von der Seitenlinie aus Gesetzesänderungen und mutige Experimente zu fordern. Eine Idee, die mir zugetragen wurde: Auffahrunfälle sollten im Reißverschluss nicht nur toleriert, sondern staatlich gefördert werden. Mit einer „Anschubprämie“ für jeden beschleunigten Zögerling und einer „Abschussprämie“ für jeden zwangsgeparkten Aggronauten. Fahrer wertvoller Automobile würden so zu einer extrem defensiven Fahrweise gezwungen, Zögerlinge würden endlich Selbstbewusstsein entwickeln und alle hätten einen Heidenspaß. Eine eher südeuropäische Lösung also, über die gerne gestritten werden darf. Weil auch das irgendwie südeuropäisch anmutet. Aber natürlich habe ich auch eine nordeuropäische – damit meine ich „Nord“, also alles über, aber nicht inklusive Hamburg – Lösung auf Lager. Dabei entwickelt man einfach eine extreme Gelassenheit und regt sich prinzipiell über gar nichts auf. Und lässt auch noch die langsamste Oma lächelnd vor sich in die eigene Spur einscheren. Aber egal, ob süd- oder nordeuropäisch, meine lieben deutschen Mitbürger, diesmal hilft uns unsere berühmte Mittigkeit nicht weiter, wir müssen uns endlich entscheiden. Also, was soll es denn nun sein? e d . t l e w . s p . w w w SEITE 4 | PS WELT MARCEL GRÜMMERT Petrolhead DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, VOL. II, NOVEMBER 2014 PS WE LT | SEITE 5 Schwere Krankheiten kündigen sich nicht immer an. Manchmal sind sie da, von einem Tag auf den anderen. Viele Vierzehnjährige hätte das aus der Bahn geworfen. Aber krank zu sein, änderte ja nichts an Marcels Leidenschaft für Autos. Wie Autoliebe manchmal Leben rettet. MIT EINEM LÄCHELN AUF DEM GESICHT Von GUIDO BELLBERG Fotos JOHANNES ARLT DIE LIEBE ZUM AUTO – für das Beste im Menschen DAS AUTOMAGAZIN D ER WELT AM SONNTAG, VOL. II, N OVEMBE R 2 014 SEITE 6 | PS WE LT Wer denkt, dass eine deutsche Herbstreise bei schlechtem Wetter immer eine unerfreuliche Geschichte sei, dem sei hiermit entgegnet: Es kommt ganz auf das Fortbewegungsmittel, die Gegend und die Reisebegleitung an. Drei Männer im Bentley auf dem Weg vom ganz hohen Norden zu einem Essen nach Kiel. Über traumhafte Nebenstraßen, immer vorbei an Ostsee, Feldern und kleinen norddeutschen Gemeinden. Das Ganze eher entspannter ClubNachmittag als einfach nur Autofahrt. Die anderen beiden sind Christian, stilvoller Chaffeur in Vollendung, und Marcel, ein ganz normaler Neunzehnjähriger. Marcel besitzt eine – da soll es ja einige in seinem Alter geben – etwas übersteuerte Liebe zum Automobil. Und einen Oberarm aus Titan. Eine Folge von Knochenkrebs, schnell wachsend. Beim Röntgen entdeckt, weil er wochenlang Schmerzen im Arm hatte. Eine Diagnose, mehr als nur ein harter Schlag. Marcel Grümmert war damals vierzehn. Wir sitzen hinten und reden. Ich frage ihn, wie das damals war. Marcel erzählt, allzeit ein entspanntes Lächeln auf dem freundlichen Gesicht. Von einem langen Jahr. Immer wieder kämpfen, Chemotherapien, Operationen, weiter für die Schule lernen, die er das ganze Jahr nicht mehr besuchen konnte. Marcel blieb gelassen. „Sobald man das realisiert, passt man sich an“, sagt er und fügt ohne jede Bitterkeit hinzu, „man hat das und muss damit klarkommen, das Leben geht weiter.“ Ziemlich erwachsen für einen jungen Mann. Als klar wurde, dass der Knochen in seinem rechten Arm schnell und großflächig entfernt werden muss, versprach sein Vater ihm als Trost ein ferngesteuertes Auto – natürlich mit echtem Verbrennungsmotor und richtig schnell. Eine kleine Motivation auf vier Rädern. Nicht dass Marcel groß motiviert werden müsste. Er ist kein Typ, der schnell aufgibt. Und die Liebe zum Auto lenkt nicht nur ab, sondern ist auch Ansporn nach vorne zu schauen. Schließlich bleibt man nicht immer vierzehn. Nur noch vier Jahre bis zum Führerschein. Manche Autos begeistern allerdings sogar ohne eigene Fahrerlaubnis – vor allem, wenn der eigene Vater die Leidenschaft teilt. Gemeinsam probieren sie die ganze Autowelt durch: Cabrios, schnelle Kombis, Luxuslimousinen, große SUVs, getunte Coupés. Alles hat seine Vorteile; Leidenschaft findet viele Wege. Umso schöner, wenn man die mit dem eigenen Vater gehen kann, der passenderweise als „Gelber Engel“ beim ADAC arbeitet. Marcels Liebe zum Automobil beginnt – wie bei echten Petrolheads fast immer – schon in der frühesten Kindheit, in der schnell eine ganze Schublade voller Matchbox-Autos heranwächst. Die Leidenschaft wird all die Jahre gepflegt und ausgelebt, wann immer es geht – egal, ob es um kleine oder große, selbst fahrende oder ferngesteuerte, reale oder in der Fantasie ausgemalte Fahrzeuge geht. BENTLEY FLYING SPUR V8 4 L I TE R TW I N -TU R B O V 8 507PS 660 NM DREHMOMENT FARBTON „DAMSON“ 177.905,- € INKL. 19 % MWST. www.bentleymotors.com „Bei mir drehte sich schon immer alles um Autos, warum sollte das aufgehört haben, nur weil ich plötzlich krank war?“ Und manchmal wird einer dieser automobilen Träume sogar Wirklichkeit, auch wenn er zunächst unerreichbar erscheint. In Marcels Fall – und dank „wünschdirwas“, einem ehrenamtlichen Verein, der kranken Kindern und Jugendlichen einen großen Wunsch erfüllt – darf diese Wirklichkeit dann auch schon einmal etwas extremer ausfallen. Was dazu führt, dass er vor einigen Jahren im Prinzip aus der Kieler Uni-Klinik direkt zu Matthias Malmedie in einen sehr, sehr flotten BMW steigt. Einen M5 Hurricane von G-Power genauer gesagt. Rund 750 PS, zuerst im Fernsehen gesehen, dann als Traumziel ins Auge gefasst. Einmal so ein Geschoss erleben, das wäre eine große Sache. Die Stationsschwester erzählt beiläufig von „wünschdirwas“ und für Marcel steht sofort fest, denen schreibe ich auch, versuchen kann, ja muss man es schließlich. Geduld fällt schwer bei einem echten Wunsch, wird manchmal aber eben doch belohnt. Vollgasrausch als Therapie, große Glücksgefühle als Belohnung für den Kämpfergeist. Es geht eben immer weiter. Nur der Vorschlag des Vaters, auf dem Grundstück mehrere Garagen mit Glasrückseiten zu bauen, damit man aus dem Wohnzimmer die eigenen Autos sehen kann, der geht der Mutter nun doch zu weit. Abwarten und Tee trinken, morgen ist auch noch ein Tag. Marcel liebt sportliche Autos, ist aber kein Raser. „Fast jeder meiner Freunde hat jetzt bereits das dritte oder vierte Auto. Immer für ein paar Hundert Euro gekauft und dann auch schnell kaputt.“ Marcel dagegen spart gelassen auf sein erstes Coupé, das er noch heute fährt. Draußen wird es langsam kälter. Der Sommer ist endgültig vorbei, an den Stränden sind die Bikinis schon gegen Funktionsjacken getauscht, und während unser Wagen ohne Hektik goldene Blätter aufwirbelt, lehnen wir uns entspannt zurück. Man kann Autofahrten also auch auf der Rückbank genießen. Interessant. Das letzte Stück der Reise, diesmal auf der Autobahn. Der Bentley überholt einen anderen Wagen mit souveräner Gelassenheit und wir stellen gerade fest, dass wir uns beide vor einigen Jahren jeweils eine Playstation 2 nur wegen „Gran Turismo“ gekauft haben – dem damals revolutionären Autospiel. Typisch Autoverrückte eben. Wir reden weiter. Von Autounfällen und unseren persönlichen Erlebnissen auf der Nordschleife. Ringtaxi, eigene Dreher, heckgetriebene Cabrios bei Nässe. So als ob wir uns bereits länger kennen würden. Wahre Petrolheads finden immer Gemeinsamkeiten und haben oft Ähnliches erlebt. Echte Autoliebe stört sich niemals nicht an Alter, Hautfarbe oder Einkommensklasse. „Bei mir drehte sich schon immer alles um Autos“, sagt Marcel fröhlich, „warum sollte das aufgehört haben, nur weil ich plötzlich krank war?“ Klingt logisch und sehr erwachsen. Mittlerweile hat er die Schule hinter sich und schließt bald seine Ausbildung zum „Kaufmann im Groß- und Außenhandel“ ab – natürlich bei einem Autohändler. Was wünscht sich ein stiller Kämpfer wie er? Logisch, immer wieder neue Fahrzeuge zu erleben. Und vor allem: dass »Man hat das und muss damit klarkommen, das Leben geht weiter« Marcel Grümmert GEHEN ODER FAHREN? S chon merkwürdig, unser Verhältnis zum Auto. Was gestern noch der Mobilitätstraum schlechthin war, steht heute moralisch infrage. Und was die Fortbewegungsart allerärmster Schlucker war, das Gehen zu Fuß, umgibt plötzlich eine Gloriole von Autonomie und Abenteuer. Ich habe immer beides geliebt, das Autofahren und das Gehen. Denn die beiden, das Gehen zu Fuß und das Fahren, haben mehr gemeinsam, als es aus ideologischer Sicht scheinen mag – den Kitzel des Aufbruchs zum Beispiel, die Erwartung ungekannter, unerhörter Dinge, das Hochgefühl freien Unterwegsseins, natürlich auch die Monotonie der Langstrecke. Das alles ist beim Gehen so und beim Fahren nicht anders. Es steckt etwas in uns, das aus uns heraus will, hinaus ins Freie. Natürlich steckt auch das Gegenteil in uns – etwas, das ankommen will, in allem immer nur heimkommen. „Weiter, weiter!“ andere Kinder und Jugendliche, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie er damals, lernen, nicht aufzugeben. „Ich bin das beste Beispiel dafür, dass es sich lohnt zu kämpfen“, sagt er und meint das ganz bescheiden. Wir reden weiter über die Vorzüge deutscher und englischer Limousinen, die Gemütlichkeit echten Leders und norddeutsche Gelassenheit. Irgendwann kommt der Bentley vor dem Hotel Kieler Yacht Club zum Stehen, wo wir später, nach dem Essen, schon wieder in weichen Polstern sitzen. Auf die Ostsee blicken, Tee trinken, weiterreden. Über Autos, das Leben und wie man mit großen und kleinen Schwierigkeiten umgeht. Oder umgehen kann. Zum Beispiel ganz gelassen und mit unerschütterlichem Optimismus. Und wie einen die Aussicht auf Belohnungen in automobiler Form motivieren kann, immer weiterzumachen, durchzuhalten, nach vorne zu schauen. Solche Motivationen kommen zum Beispiel in Form eines M6 für den Vater und eines – mittlerweile seltenen – BMW Achters für Marcel selbst daher. Nicht schlecht für einen Neunzehnjährigen. Allerdings ist Marcels Wagen noch in der Scheune, neu lackiert, technisch fast fertig, aber eben noch nicht zugelassen. Kommt noch. Wir stehen auf dem Parkplatz und ein kleiner Junge bewundert unseren Wagen, will alles sehen, alles wissen, alles fühlen. Es geht wirklich immer weiter. Marcel beschließt ohne zu zögern, die BentleyKappe, die eigentlich für W ÜN SC HD IRW AS E. V. ihn gedacht war, an den erfüllt seit 25 Ja hren neunjährigen Nachschwer erkrankt en Kindern und Ju wuchs-Petrolhead zu gendlichen He rzenswünsche verschenken. Erstauund hilft so, neuen Lebe nen, Augenleuchten, nsmut, Zuversicht und Energie Riesenfreude – wiezu finden. der jemandem den wünschdirwas e. V. Tag gerettet. Gelebte Maarweg 165 Praxis norddeutscher 50825 Köln Gelassenheit durch Telefon: +49 221 - 48 einen starken, gera40 25 inf o@ wu en sch dir wa den Charakter. s.de www.wuenschdirwa s.de EIN VORBILD. S PS PEN D EN KO N TO Sparkasse KölnBonn Konto: 1951951951 BLZ: 370 501 98 IBAN: DE77 3705 01 98 1951 9519 51 Von WOLFGANG BÜSCHER Gehen kann heilen. Es kann die in einem langen Büroleben eingeschläferten Instinkte wieder zum Leben erwecken, es kann aus einem Pantoffeltier wieder einen Mann machen. Aber Vorsicht – jetzt nicht falsch abbiegen: Auch Auto fahren kann heilen. Ich kannte einen Mann, der war dem nächtlichen Trinken verfallen. Er gewöhnte es sich selbst wieder ab, mit einer von ihm selbst erfundenen Methode: Indem er jeden Abend, um die Zeit, in der er gewöhnlich den ersten Schluck nahm, in sein Auto stieg und von München nach Paris fuhr. In der Frühe kam er dort an, trank einen Kaffee in Paris und fuhr zurück nach München. Und am nächsten Abend wieder. Bis er diese Fahrten nicht mehr brauchte. Lebenshilfe durch konsequentes Autofahren? In seinem Fall schon, aber da ist noch etwas anderes im Spiel. Das Losfahren in die Tiefe der Nacht hinein besitzt einen Zauber, der auf meinen nachtaffinen Bekannten offenbar stärker wirkte als das nächtelange Herumstehen an Münchner Bars. In den Nachttunnel hineinfahren und ganz woanders aus ihm herauskommen, in seinem Fall im morgendlichen Paris. Andere Nachtfahrer kommen im Licht des Südens aus ihrem Tunnel, wieder andere am Meer. Wer so unterwegs ist, dem leuchtet die ödeste Autobahnraststätte wie ein Versprechen. Nun zur Monotonie. Man muss nicht stundenlang Musik von Kraftwerk hören, um zu verstehen, was sie mit dem Fahren zu tun hat, es reicht eine einsame Autofahrt. Es gibt die amerikanische Monotonie, sie entsteht auf langen Strecken durch menschenleere Gegenden bei „70 miles per hour“, also einer Höchstgeschwindigkeit von 113 km/h. Sie erzeugt die bluesige Gemütsverfassung eines Menschen, der auf einem motorisierten Sofa durch heroisch-monotone Landschaften gleitet. Und es gibt die deutsche, die tempobasierte Monotonie. Wer je eine gewisse Strecke mit über 200 Sachen gebrettert ist, der weiß, wie der Sog des immer noch ein wenig schnelleren Fahrens sich anfühlt – ein leicht sündiges Ziehen in der Solarplexus-Gegend. Und er weiß, wie er hinterher aussteigt – in einem Zustand leicht benommener Läuterung. Beim Gehen langer Strecken stellt sich die Monotonie unmerklich ein. Man ertappt sich dabei, die eigenen Schritte zu zählen, zählt erst nur bis tausend und wieder bis tausend und so fort. Dann zählt man die Tausender, dann die Zehntausender. Man zerzählt die Strecke, die stechende Hitze, das Pochen im Hirn und das Mahlen der Zähne, hervorgerufen durch das Gehen im Gegenwind und das Aufjaulen vorübersägender Autos. Man bekämpft die Monotonie der Straße durch selbst erzeugte Monotonie. Wir sehen, so weltenfern auseinander liegen das Unterwegssein auf zwei Beinen oder auf vier Rädern gar nicht – man muss nur beides mit dem nötigen Enthusiasmus angehen, dann wird das schon. WOLFGANG BÜSCHER schrieb mehrere Bestseller über seine Wanderungen, sei es von Berlin nach Moskau oder quer durch die USA. Seiner Kindheit auf dem Lande verdankt er eine frühe Sehnsucht nach dem eigenen Auto. Er fährt seit Langem BMW. Der Beste. Herzlichen Glückwunsch, Lewis! Du hast den Fahrer-Weltmeistertitel der Formel 1 2014 geholt und mit dem gesamten MERCEDES AMG PETRONAS Formula One Team Geschichte geschrieben. Auf Deinen zweiten WM-Titel, die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft und: Wir wollen noch mehr! Dieter Zetsche Toto Wolff DAS AU TO M AGA Z I N D E R WELT AM SONNTAG, VO L . I I, N OVE M B E R 2 014 SEITE 8 | PS WE LT Typisch MINI Autotest von routinierten Motorjournalisten, die schon alles gefahren sind, was Rang und Namen hat? Wie öde. Zeit, moderne Automobile einmal von der anderen, der dunklen Seite zu betrachten: dem Beifahrersitz. Wer wäre dafür besser geeignet als ein fahrradverrückter TAZLER? Von ANDREAS RÜTTENAUER Illustrationen RALF NIETMANN schon bevor wir den ersten Meter zurückgelegt haben, regelrecht entmündigt. Dreckskarre. Immerhin schaffe ich es, den Fahrmodus von „Sport“ auf „Grün“ zu stellen. Genau weiß ich zwar nicht, was das bewirkt. Ich gehe aber davon aus, dass das irgendwie gut für die Umwelt sein soll. Einen Führerschein habe ich ja deshalb nie gemacht, weil ich zur Umwelt nicht böse sein will – behaupte ich zumindest immer und irgendwie stimmt das vielleicht sogar. Das riesige ibe spüre, lese ich auf dem Display, dass gerade das „ultimative Gokart-Feeling“ eße. Ich will das aber nicht. Der Sportteil ner Zeitung behauptet seit jeher, dass er beste Motorsportberichterstattung des Lanmacht, nämlich gar keine. Das ist auch gut denke ich mir. Aber jetzt. Da freut sich die Fahrerin bemt, wenn ich sie vor den notorisch schlecht uchteten Radlern warne. Ich drehe mich um. ulterblick nach rechts hinten. Nichts. Ich sehe ts als die klobige Innenverkleidung, die edel ehen will, es aber wahrscheinlich gar nicht Der Beifahrer hat ohnehin eine eingeschränkcht den Tacho. Der ist a klar - Motorsportum eigentlich nicht? ng. Wenigstens muss n, wann wir bei mir en. Das sagt mir ja der nen Sohn rechtzeitig n Kasten Bier vor die ch gegen einen vollen h schon einmal mit dem e, dann nehme ich das fragt mich die junge meiner Wahl AkupunkRückenschmerzen setzt, ätte. Als ich ihr erkläre, Kreuz geschossen sei, ht habe, die Rückbank on der Beifahrertür legen, was nötig gewei, weil ich eine Kiste (siehe oben) darin habe rbringen wollen, strahlt mich an. „Sie fahren n Mini?“, fragt sie. Ich hr jetzt nicht, dass ich eifahrer war, und ere mich an das, was ich em Parkplatz vor dem nkemarkt gesehen habe. and ein weiterer Mini. Frau hat ihn mit einer Kiste Vitell beladen. Für ste die Rückbank nicht Mini, denke ich mir und W as ist denn nur mit mir los? Das kann doch nicht so schwer sein. Bin ich jetzt schon zum Beifahren zu blöd? Dabei hatte ich so angegeben vor der Frau, die sich angeboten hatte, mich nach Hause zu fahren. Ich sei der ideale Beifahrer, habe ich getönt. Weil ich nicht Auto fahren kann, bremse ich nicht mit („Willst du, dass wir in dieser öden Ecke unser Leben lassen?“), gebe keine altklugen Ratschläge („Es soll ja Leute geben, die schalten können.“) und drängle nicht („Für mich war die Ampel noch grün, aber gut“). Dafür bin ich bereit, den Piloten alle Handgriffe abzunehmen, die nicht unmittelbar mit der Steuerung des Gefährts zu tun haben. Die Navigation zum Beispiel. Und so sitze ich in diesem nagelneuen Mini und versuche an diesem Dreh- und Drückknopf auf der Mittelkonsole, der sich Controller nennt, das Ziel im integrierten Navigator einzugeben. Vergeblich. Ich bin zu ungeschickt. Anders gesagt: Ich bin kein Linkshänder. Und so bin ich als Beifahrer, ANDREAS RÜTTENAUER RALF NIETMANN/ UPPERORANGE.COM Er ist Chefredakteur der „taz“ und er, schluck, besitzt keinen Führerschein. Ein harter Bursche, der jeden Tag und bei jedem Wetter viele, viele Kilometer ins Büro und zurückradelt. Aber ab und zu braucht auch ein Rüttenauer ein Auto. Dann schlägt unsere Stunde, und wir setzen ihm den Wagen vors Büro, der uns gerade in den Sinn kommt. kreisrunde Display strahlt mich nun grün an. Wer will da noch an den Klimawandel denken? Es geht aber auch anders. Meine Fahrerin stellt auf „Sport“, als wir gerade auf Kopfsteinpflaster unterwegs sind und während ich jede Band- Roarrrrr Von CORDULA SCHMITZ INES t die KLE LD da ha ll t s e d E n G mi u vo el – zu n und Fra nd dbeut e Gel rde u i Man antga r zu. Klobig chtigung be v A e i lte bere eien S rtenha rein. a Gleich chlagen. S K n h eine e auch gut zuges Sie sic ichtig legen lles W a t s s Da pa Es RETRO MOD Auto fahren, so smart wie früher die Mods auf ihren Rollern: Raf Simons’ Parka entstand in Zusammenarbeit mit dem Künstler (und Punk) Sterling Ruby. UNDERSTATEMENT Zu bunte Neon-Turnschuhe sieht man überall. Wählen Sie lieber dieses Modell, eine Kollaboration des französischen Labels APC und Nike. Très cool! Zeigen Sie sich auch neben der Straße mit gib t im Wer nich we t b nn Wag esch s Un es en, irm an reg d ne en m mit t gen Sc . So an hir rg p e ehm m en ne inlic eres vo n Sie hme hem als Lo vor n MU Aufd eine ck : SS ruc n wo , k od . LUFTGEKÜHLT STIL Zu Ehren der luftgekühlten Porsche wurde dieses T-Shirt von Deus ex machina entworfen. Kommt aus Venice, trägt sich aber auch hier gut. SC SC HIC HU KE TZ R DURCHGESCHLÄNGELT Falls Sie doch mal wieder Roller fahren wollen, seien Sie mutig, was das Helmdesign angeht. Wie wäre es mit einem Modell in Schlangenoptik von Marcelo Burlon. Komisch, seltsame Sohle – so wird dieser Schuh meist gesehen. Der Trick: Sie müssen ihn tragen. Oft und ausdauernd. Auch gerne in der Werkstatt. Dann wird er erst cool. ECHTE TRETER FLIEWATÜÜT Reloaded Von ANSGAR FULLAND der dreieckigen Burg. de der Siebziger schon les assen. fernsehen konnte, weiß auch ich rede. 45 Jahre später u, Fliewatüüt fast Realität nicht geworden. Die Italiener b ofe en, g e i l F n e r ein ganz schickes unter d gst fah en und m m i w Namen Magni M-24 Orio s h sc Die Ähnlichkeit mit dem e Ding aus den Siebzigern i frappierend. Das italienisch ine kann zwar weder schwimme perrer. Keine Maut. ren. Doch als Tragschrauber Ich wusste schon mit sechs, worauf es 100% das Fliewatüüt aus dem Film. Selbst ankommt im Leben. Und jetzt brauche ich einen Ultraleichtpilotenschein. Immer diese lästige Bürokratie. MI JÄG CHAE WD ER/ L R E s war ein echter Kindertraum: Das Fliewatüüt aus den gleichnamigen Büchern „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“ bestimmte die motorisierten Träume meiner frühen Jugend Anfang der Siebziger. Das war weit vor Führerschein und erstem Auto. Der Grund für meine Begeisterung: Es konnte fliegen (Flie), schwimmen (Wa) und fahren (Tüüt). Schlagendes Argument zum Schluss: Es hatte lange vor Erfindung des Commodore C64 einen ausgewachsenen Roboter (Robbi) an Bord. Für alle Fälle und gegen die Gespenster in WUNSCHAUTO der ZUKUNFT Scott Adams, Schöpfer der Dilbert-Comics (ca. 150 Mio. Leser in 56 Ländern), „New York Times“-BestsellerAutor und umstrittener Blogbetreiber (www. dilbert.com/blog) hat einen Karriereratgeber der anderen Art geschrieben: „Die Kunst des erfolgreichen Scheiterns“. Und uns verraten, welches Auto er sich in Zukunft wünscht: Von SCOTT ADAMS „Ich möchte ein selbst fahrendes Auto, das im Inneren nur aus ein paar Fenstern und einem dicken Teppich besteht. Dann könnte ich beim Ausgehen so viel trinken, wie ich wollte. Am Ende des Abends würde ich einfach auf dem Teppich zusammenbrechen und darauf warten, dass mich das Auto nach Hause fährt.“ 1 ams, Scott Ad st Die Kun des ichen erfolgre ns, Scheiter Verlag, Redline 19,99 € w PS WE LT | SEITE 9 Von GUIDO BELLBERG asserwunsch ES WÄRE SO SCHÖN: stilvoll bis ans Wasser fahren und dann noch weiter. Stattdessen braucht man entweder einen Liegeplatz für sein Boot oder ein langweiliges, hohes Auto mit Anhängerkupplung. So oder so, es dauert, bis man seine Ruhe auf dem offenen Meer hat. „Leinen los!“, das klingt zügig, aber in Wahrheit ist fast nichts, was mit Bootfahren zusammenhängt, zügig. Und auch ein großes Schlauchboot mit dickem Außenborder ist keine echte Alternative. Denn dann heißt es, Anhänger mit Boot an langweiligem Auto ankuppeln, ohne Fahrspaß zum Wasser rollen, rückwärts die Slipanlage (das heißt wirklich so) runterfahren, bis man das Boot irgendwie ins Wasser bekommt, dann – mittlerweile halb durchnässt – das Boot vertäuen, zurück zum Auto gehen, Auto und Hänger parken, erneut zum Boot wandern, Boot wieder losbinden, älter geworden sein, losfahren. Puh. ES WÄRE SO SCHÖN: ein Amphibienauto mit mindestens 200 PS und das Design bitte von Riva. Fahrspaß auf der Straße und danach noch mehr. Einfach Slip runter und los gehts. Oder am Strand weiterfahren, ein paar Schalter bedienen, Hebel umlegen und dann Bond-mäßig rauf aufs Meer. Autopilot an, Hemd aus, baden, Dorsch angeln, alkoholfreies Getränk trinken, Sonnenuntergang schauen, Begleitung küssen, abtrocknen, zurückfahren, Dorsch in die Pfanne, noch ein Getränk, mehr Küsse. Ach … 2 „Natürlich muss mein Auto der Zukunft außerdem in der Lage sein, meinen betrunkenen Körper von der Garage ins Bett zu tragen. Ich möchte die Sache nicht überkomplizieren, aber ein Roboter, der im Kofferraum lebt, sollte das hinbekommen.“ 3 „DRITTENS möchte ich ein Auto, das sich selbst um seine Wartung kümmert. Sobald ein technisches Problem auftaucht oder eine Inspektion fällig ist, sollte es die Werkstatt kontaktieren, einen Termin machen, spät nachts alleine dort hinfahren und am Morgen wieder in der Garage stehen – ohne, dass ich davon etwas mitbekommen habe.“ www.renault.de MÉGA. UND WIEDER GEHT EIN REKORD AUF DEM NÜRBURGRING AN EINEN RENAULT MÉGANE. Diesmal ist es der R.S. Trophy-R TCe 275, der die bisherige Bestmarke für frontgetriebene Serienfahrzeuge um ganze 4 Sekunden unterschreitet. Damit untermauert er die Leistungsfähigkeit der R.S. Modelle und stellt die langjährige Motorsporterfahrung von Renault eindrucksvoll unter Beweis. Renault Mégane Coupé R.S. Trophy-R TCe 275: Gesamtverbrauch innerorts/außerorts/kombiniert (l/100 km): 9,8/6,2/7,5; CO 2-Emissionen kombiniert (g/km): 174. Renault R.S. Range: Gesamtverbrauch kombiniert (l/100 km): 7,5 – 6,3; CO 2-Emissionen kombiniert (g/km): 174 – 144 (Werte nach Messverfahren VO [EG] 715/2007). Abbildung zeigt Sonderausstattung. Renault Deutschland AG, Postfach, 50319 Brühl. DAS AUTO M AGA ZI N D E R WELT AM SONNTAG, VO L . I I, N OVE M B E R 2 014 SEITE 10 | PS WE LT Jan Spychala, JS: Ich bin gespannt, wie das weiwollen Sie, dass die Leute grundtergeht. Gerade die Generation sätzlich neue Opel kaufen? Instagram, die alles teilt, die alle Welt KTN: Nein, bestimmt nicht. Wir Vertriebsmann, 30 wissen lässt, was sie gerade macht – der haben ein essenzielles Interesse muss man wohl entgegenkommen. daran, dass unsere alten Autos Jahre jung, Berliner und geliebt, gepflegt und gezeigt werKTN: Man muss die jungen Leute wieder bekennender Opel-Fan. den. Es hat oft wirtschaftliche begeistern. Autokäufer sind im DurchFuhr in seinem jungen Gründe, wenn Teile nicht mehr schnitt relativ alt. Mit dem Adam sind wir Leben schon einige lieferbar sind. Ich kann mir vorim Schnitt bei 37 Jahren, das ist sensationell der Autos mit dem Blitz: stellen, dass andere Hersteller, jung. Noch dazu sind die meisten von ihnen Rekord E1, Omega A, denen es über viele Jahre besser Frauen. ging, das besser machen. Oder PS: Junge Frauen in stylishen Kleinwagen Omega B, Senator B nehmen Sie die Werkstatt: Hier mit perfektem Infotainment. Jan, ist das und Insignia – einige stehen so schöne Autos, aber noch Opel für dich? sogar mehrfach. niemand kann sie sehen. Wir JS: Meine alten Opel, die ich lieben gelernt haben keine Form von Ausstelhabe, sind schon anders. Aber man kann lung, um sie dem Publikum zugänglich zu machen. Obwohl dem auch nicht ewig hinterherhängen. Wenn man versucht, jeder, mit dem ich hier durchgehe, begeistert ist und sagt, Geschichte wiederzubeleben, dann ist es nicht mehr Geschichdass wir das zeigen müssen. Das werden wir auch tun, aber te. Insofern bin ich auch ganz froh, dass nicht versucht wird, wir müssen uns erst noch wirtschaftlich stärken. Und dann den Manta wieder aufleben zu lassen. KTN: Da bin ich auch skeptisch, gerade was Retrodesign anverspreche ich Ihnen, dass wir noch mehr als jetzt für die Oldgeht. Aber man kann sich durchaus auf seine Vergangenheit timerfans tun. Ich habe sogar selbst zwei alte Autos, aber ich besinnen. Opel war immer emotional – das bedeutete früher weiß gar nicht, ob ich das verraten soll. Das eine ist ein GT. Das viel Raum und viel Hubraum. Heute sind das die kleinen zweite beschaffe ich gerade, das wird ein Diplomat Coupé sein. Dinge. Ich sage immer: Wenn man aufs Auto zugeht oder JS: Mir fehlt eindeutig ein Manta. Seit ich Auto fahre, fahre drinsitzt und etwas anfasst, muss man lächeln. ich Opel. Ich habe alles mitgenommen, was ich konnte, aber JS: So wie ich, als ich eine Autozeitschrift aufgeschlagen lustigerweise habe ich den Manta, der mich am meisten faszihabe und die Studie Astra OPC Extreme gesehen habe. Das niert, noch nicht gehabt. Vielleicht hatte ich zu hohe Ansprükönnte ein Opel sein, den ich sofort bestellen würde. che. Es gab schon sieben Anläufe, einen zu kaufen, aber KTN: Rennsport und rennsporttaugliche Autos für Fans sind jedes Mal bin ich mit meinem Geld und den Nummernfür Opel extrem wichtig. Dafür haben wir die OPC-Serie und schildern wieder nach Hause gefahren. werden auch weiter solche Topmotorisierungen anbieten. Die KTN: Ich bin sicher: Wenn wir unsere Arbeit mit der Marke Überlegung ist, ob man noch eine Stufe darüber hinausgeht. erfolgreich fortsetzen, haben auch die Opel-Klassiker ein Von Aber wenn wir das machen, werden das immer sehr kleine riesiges Wertsteigerungspotenzial. Deshalb kann ich Sie nur STEFAN ANKER ermutigen, einen Manta zu kaufen. JS: Es wird definitiv wieder einen alten Opel in Foto meinem Leben geben. Oder einen ganz neuen, HARALD DAWO vielleicht den Extreme. KTN: Das wäre auch nicht schlecht. PS-WELT: Wir erscheinen am 1. Advent, was wünscht PS: Jan, ist es dir als Fan eigentlich wichtig, dass ein Hersteller über solche „Kleinigkeiten“ wie sich der Opel-Chef? KARL-THOMAS NEUMANN: Dass Opel wieder dahin CO2 nachdenken muss? Oder sagst du: Hauptsache, kommt, wo die Marke mal war. Wir sind bereits die drittein tolles Auto für mich. JS: Ich bin Realist genug, um zu wissen, dass stärkste Automarke in Europa. Und wir wollen langfristig manche Themen vielleicht nie kommen. Was nützt wieder die Nummer zwei werden. 2016 wollen wir wieder es mir, wenn Opel einmal das Auto baut, das ich profitabel sein, 2022 fünf Prozent Marge verdienen. unbedingt haben will, aber danach ist es der SargJAN SPYCHALA: Ich wünsche mir, dass Sie auch Autos nagel für die Marke. bauen, die Fans wie mir gefallen. Ich erwarte nicht nur PS: Wie sehen Sie beide die Chance, dass sich, Autos, die mich von A nach B bringen. Sondern auch sagen wir, 2040 zwei Leute zum Benzingespräch welche, die mich emotional fangen. KTN: Opel stand ja früher besonders für zwei Dinge: großzusammensetzen und dann sagen: Ach, weißt du noch, der 2014er Corsa? artiges Design, das einen wirklich gepackt hat, und fantasJS: Jeder kennt das: Wenn er klein ist und in einem tische Technik. Genau da wollen wir auch wieder hin. ZuAuto mitfährt, dann entsteht schon eine emotionale sammen mit dem Deutschsein, das für Qualität steht und für Ingenieurskunst, sind das die beiden Kriterien, nach Bindung. Oder wenn ich mir jetzt denen wir jetzt alles entscheiden, was wir machen. eine 18-jährige Fahranfängerin mit JS: Gut zu hören. Aber es wird ja generell alles runder, ihrem Adam vorstelle, die liebt Opel-Lenker tropfenförmiger, weniger massiv und kantig. Jemand wie doch dieses Auto, das sie sich geraich, der opelbegeistert ist, aber sich in den 80er-, 90erde gekauft hat. Und dann sagt Jahren zu Hause fühlt, findet sich da schwer wieder. Mein sie eben 2040: Weißt du noch? Oder sie macht vielleicht sogar die Garage auf und sagt: Guck mal, Insignia Sports Tourer gefällt mir, aber ich da steht er. wünsche mir auch, dass da mal ein Auto kommt, das rieKTN: Wir passen selbstverständlich auf, dass Ausengroß ist. So etwas ist selten geworden. KTN: Nun haben sich die Zeiten geändert. tos nicht beliebig werden. Dass es weiterhin eine emotionale Bindung zum Auto gibt. Darum invesDas Auto muss CO2-Ansprüchen genügen, Opel-Liebhaber tieren wir alle so viel in dieses Thema. Und darum darum braucht es einen guten cW-Wert. Dann wird es auch Fans geben, die in 30 Jahren sagen: gibt es hohe Anforderungen an den FußgänIch schraube mir jetzt ein H-Kennzeichen an den gerschutz, die das Design erheblich beeinflussen. Dennoch Corsa von 2014. kann man eine bestimmte Ausdrucksstärke hinkriegen. PS: Es fällt auf, dass Sie sich sehr gut auskennen Serien sein. Wir müssen uns beim Comeback der Marke KTN: Ich selber glaube es auch nicht, denn dagegen mit den alten Opel-Modellen hier, obwohl Sie bis 2013 nie für schlicht sehr genau überlegen, wo wir investieren. Momentan läuft der Trend, CO2 zu reduzieren und Autos noch Opel gearbeitet haben. können wir in der Breite nicht alle Wünsche abdecken. Aber KTN: Während mich die Marke jahrelang nicht mehr so sehr effizienter zu machen. Deshalb suchen wir da nach um einzelne Wünsche wollen wir uns kümmern. Die Produkinteressiert hat, habe ich jetzt eine wirkliche Begeisterung dem richtigen Weg, da habe ich hohe Erwartungen. te müssen dann auf die Marke einzahlen, denn die soll strahentwickelt. Was ich vorgefunden habe, war ein unglaubliches Wir versuchen jetzt, Autos zu entwickeln und zu baulen. Man muss seinen Opel-Schlüssel mit Stolz auf den Tisch Gefühl der Opelaner für ihre Marke und einen Hunger danach, en, die zwischen SUV und Pkw liegen. Solche neuen legen können. Wenn eine Gesellschaft sich verändert, muss wieder erfolgreich zu sein. Und ich habe bei der Arbeit am Segmente zu finden war immer eine Stärke von Opel. JS: Ich gehe aber schwer davon aus, dass es trotzeine Marke mitgehen. Das Hauptproblem für Opel ist geneuen Astra ganz deutlich gesehen, was man hier für Energien dem noch einen Platz bei Opel gibt, den ich einnehwesen, dass die Marke ihr Profil verwässert hat. Wofür Opel freisetzen kann. Wenn man die Kollegen herausfordert und men kann. Wo ich mich wiederfinde, auch wenn es früher stand, war vergessen worden. Ich selbst habe Opel sagt: Lasst uns doch mal versuchen, die Besten zu sein. JS: Aber wie eigenständig können Sie da agieren? Über Ihnen vielleicht kein Senator oder Ähnliches ist. Der Insiggar nicht mehr gesehen, dabei war mein erstes Auto ein Opel. – Dr. Karl-Thomas Neumann JS: Welcher? sitzt doch ein großer Konzern. nia ist schon ein vernünftiges Auto. Aber ich hatte KTN: Ein Kadett D. Für mich stellte sich damals die Frage: KTN: Das ist viel besser, als es viele Jahre war. Wir haben hier davor einen Omega, den letzten, den es alles, was wir brauchen, unser eigenes Designcenter, ein rieWir haben mit dem Monza auf der IAA gezeigt, wo es hingehen Golf oder Kadett? Eine andere Entscheidung gab es gar nicht. gab. Den Wagen habe ich wirklich geliebt. Großer, potenter siges Entwicklungszentrum mit 7000 Ingenieuren. Dennoch wird. Vom Gesicht dieser Studie wollen wir viel auf die zukünfOpel war auf Augenhöhe. Da habe ich mich für den Kadett Motor, das Auto war ausgestattet vom Allerfeinsten. Und – kann das Comeback allein als Marke Opel nicht gelingen. Wir tigen Modelle übertragen, das soll tatsächlich die neue Designentschieden – und war ganz stolz. Und danach habe ich Opel das ist natürlich auch eine Herzenssache für viele Opel-Fans verkaufen etwas mehr als eine Million Autos pro Jahr, aber linie von Opel werden. verloren. Dann habe ich auch nicht mehr hingesehen, obwohl – er hatte Hinterradantrieb. Viele von uns Enthusiasten, JS: Das finde ich gut. Aber ich bin auch ein Retro-Sportwahaben ein komplettes Sortiment mit 15 Modellreihen. Wenn ich in der Autobranche arbeite. Opel war etwas gesichtslos die in den 70er-, 80er-, 90er-Jahren autotechnisch groß gegenfan. So etwas wie den Ascona 400B hier in der Werkstatt, Sie von jedem Modell nur 50.000, 100.000 oder auch mal geworden, und es war nicht mehr klar, wofür die Marke steht. worden sind, sagen: Hinterradantrieb, alles andere ist nur ein das könnte ich mir auch heute vorstellen. Als Coupé auf 200.000 Stück verkaufen, reicht das nicht. Autos wie Corsa, Das wird zur Belastung, denn ein Autokauf ist ein demonstKompromiss. KTN: Ja, wir müssen natürlich die Fans ansprechen. Aber es Insignia-Basis zum Beispiel. Ein großes Coupé mit Raum, von Astra, Mokka müssen in Millionenstückzahlen laufen, damit ratives Konsumieren. Jeder sieht, was Sie fahren. Und wenn gibt heute auch andere Kriterien, die sehr wichtig geworden mir aus auch mit Kraft. sie wettbewerbsfähig bei den Kosten sind. Und das schaffen Sie nicht mehr schnell sagen können, warum Sie einen Opel KTN: Man stellt sich alle möglichen tollen Autos vor, die sind. Die meisten Menschen wollen ein sicheres Auto, eiwir mit General Motors. fahren, ist das schlecht. Als ich hier anfing, ist mir sofort klarPS: Mit Plattformen. in irgendwelchen Segmenten sind. Und wenn man dann die nes, das gut fährt, und das kann man ganz hervorragend mit geworden: Wenn Sie in die Autos einsteigen, gibt es keinen KTN: Mit intelligenten Architekturen. Wir können darauf dann Marktanalyse macht, dann merkt man, wie klein diese Frontantrieb machen. Ich glaube Grund, sie nicht zu kaufen. Sehen weltweit Autos stellen, sei es Buick oder Chevrolet. Das muss Segmente sind – und dass das eben kein Geschäft ergibt. Sie, übrigens, dass ein Auto über seine Sie sich den Astra GTC an, der ist man auf einen Nenner bringen, diese Anforderung gibt Herr Spychala, wünschen sich ein großes Auto ... Fahreigenschaften hinaus auch hinreißend schön. Dann gibt es JS: Ja, ich persönlich. es aber in jedem Konzern. Das Gute ist: Ich bin im Gegensatz immer mehr zu einem Platz wird, Leute, die sagen: Ja, aber das ist KTN: ... aber immer mehr Menschen wünschen sich ein kleizu meinen Vorgängern auch im Vorstand von GM und entan dem man sich ganz einfach wohlein Opel. Das „Aber“ muss weg. neres Auto. Und die sollen auch nicht langweilig sein. Wir scheide dort mit. Dabei setze ich mich nicht immer durch, aber fühlt. Wo man Türen und Fenster Daran arbeiten wir. Und wir schafwaschechter Niedersache, haben mit dem Adam so ein Auto, das hochemotional ist. Es es gibt keine Entscheidung, bei der ich nicht den Opel-Punkt zumachen kann, wo man laut Musik fen das auch. seit 2013 Chef von Opel, JS: Und Sie sollten auch daran hat natürlich einen ganz anderen Charakter als eine große Livollwertig hätte vortragen können. Ich sehe das als starke hören kann oder einfach seine Ruhe davor u. a. bei Volkswagen arbeiten, die Oldtimerfreunde mitmousine. Aber das neue Premium kann auch klein und schick Hilfe, dass wir Teil des Konzerns sind. Dass man uns zutraut, hat. Das gewinnt an Bedeutung in zunehmen. An der Teiletheke fühlt sein. Es definiert sich über Individualisierung. Ich kann mir das hier hinzukriegen. Dass man entschieden hat, uns mit vier einer Gesellschaft, in der alles und Continental, beim Adam ein ganz eigenes Auto zusammenstellen, das es so man sich manchmal alleingelassen. Milliarden zu finanzieren und Chevrolet aus dem europäischen öffentlich wird. Darum ist mir wichstudierter Elektrotechniker, nur einmal gibt. Oder mit dem Mokka, da haben wir ein ganz Markt zu nehmen. Das sind ja alles Entscheidungen, die sagen: Für meinen Senator brauchte ich tig, dass wir gute Soundsysteme Vater dreier Kinder, neues Segment gefunden, das der kleinen Geländewagen. GM verlässt sich in Europa voll und ganz auf Opel. ein Heckscheibengummi, und ich haben. Infotainmentsysteme, leidenschaftlicher JS: Danke für das Gespräch und Ihre Zeit. Damit sind wir auf Anhieb am erfolgreichsten in ganz Europa. hätte 1000 Euro dafür bezahlt, aber die man bedienen kann und die Marathonläufer. Ein Mann KTN: Gern. Dann müssen Sie jetzt nur noch einen Man könnte fast fragen: Fahren wir in Zukunft alle SUV? ich habe einfach keins bekommen. offen sind für die schnellen in Bewegung JS: Ich hoffe nicht. geeigneten Manta finden. Sehen Sie da keinen Markt, oder Entwicklungen. BLICK NACH VORN Männlich, jung, erfolgreich und Opel-Fahrer. Industrietechnologe JAN SPYCHALA (30) aus Berlin hat noch nie etwas anderes geliebt als die Marke mit dem Blitz. Dennoch ist er nicht wunschlos glücklich, was er Opel-Chef KARL-THOMAS NEUMANN (53) auch persönlich sagen konnte. Die beiden trafen sich in der öffentlich nicht zugänglichen Museumswerkstatt des Unternehmens und redeten eine Stunde über Autos, die es gab und die es geben sollte KARL-THOMAS NEUMANN JAN SPYCHALA »Es gibt Leute, die sagen: Ja, aber das ist ein Opel. Das ABER muss weg« Dr. Karl-Thomas Neumann, PS PS WE LT | SEITE 11 »Auto-Monogamie macht keinen Sinn« Wunschpartner Weltfrieden, Wohlfühlhose, Weinbrand – es gibt so vieles, das man sich wünschen kann. Wir bleiben bei AUTOS und fragen unsere Autoren: „Wenn alles möglich wäre, welches Auto würdest du jetzt sofort mit nach Hause nehmen?“ Illustrationen RALF NIETMANN nd u s r e d n lä g n E s e in »Die Noblesse e die Sportlichkeit eines Italieners« LUTZ FÜGENER Jaguar XJ 13 Die Essenz der Jaguar-Formensprache ohne jeden Ansatz von Dekoration, nahezu perfekt in Form und Proportion, gemacht für den Einsatz in Le Mans (was leider nie passierte), Zwölfzylinder, straßentauglich, das ganze in British-Racing-Green. Für mich aus der Sicht des Designs der Endpunkt einer Epoche von Rennsportwagen. Besser ging dann nicht mehr, nur noch anders. ANSGAR FULLAND Alfa Romeo 6C 2500 SS Coupé Pininfarina Ein Auto, das die Noblesse eines Engländers mit der Sportlichkeit eines Italieners verbindet. Die Essenz von sportlich schneller Bewegung auf leeren Autostradas und verwinkelten Kurven in der Toscana. Und Garant für „Bella Macchina“ jauchzende kleine Menschenaufläufe. DENISE JUCHEM 1974 Ford Capri Ich wünsche mir den senfgelben Ford Capri mit schwarzem Vinyldach, mit dem ich 17-jährig auf einem leeren Parkplatz üben durfte. Die Abmachung: Sollte jemand auf den Park- platz fahren, halte ich SOFORT an. Als ein Auto kam, geriet ich in Panik und trat das Gaspedal durch. Das war dann die letzte Capri-Fahrstunde. Eine unvergessliche. PETER RUCH Lola Mk 6 GT, 1963 Es gibt Autos, die sind wichtiger als andere. Der Lola war der Vorläufer aller potenten Mittelmotor-Autos, aus ihm entstand der spätere Le-Mans-Sieger Ford GT40. Und sein Design ist zwar rein funktional, doch wunderwunderschön – und es war Vorbild für alle die Miura, Pantera, 250 LM. Kein Glamour, kaum einer kennt diesen Wagen, nur drei Stück sind entstanden. CARL CHRISTIAN JANCKE Bentley, BMW, Mercedes, Ferrari, Jaguar … Auto-Monogamie macht keinen Sinn. Bentley Blower für Brachialität, BMW 328 Mille Miglia für grazile Sportlichkeit, Porsche Spyder mit Königswellenmotor zum Beherrschen der Passstraßen, Uhlenhaut-Coupé 300 SL für die Schönheit, Ferrari 250 California Spyder für Bergstraßen am Mittelmeer und ein neuer Jaguar E-Type Lightweight für historischen Motorsport. RALF NIETMANN/ UPPERORANGE.COM ROBERT DUNKER Audi A6 Avant 3.0 TDI quattro, vorletzte Baureihe C6 Weil die Kinder bequem hinten dösen könnten, während meine Frau auf dem Beifahrersitz Zeitung liest, ich am Steuer ungestört Kilometer schrubbe und dabei meine Gedanken kreisen lasse. Weil ich keine Angst haben müsste, dass das Federbein bricht, das Kofferraumschloss klemmt oder der Motor während der Fahrt ausgeht. My car is my castle. CORDULA SCHMITZ Typisch Einparken: aussichtslos 1971 Ford Galaxie 500 Mein Traumauto ist gerade der 1971 Ford Galaxie 500 in Kackbraun (sorry …). Damit könnte ich dann stilgerecht die Straßen von San Francisco rauf und runter donnern. Für abends wegen mir auch noch den Porsche Targa 911 von Detective Steve Heller. Zum Cruisen an der Küste. Typisch Ford: mühelos JOCHEN WAGNER Gallardo Valentino Balboni LP-550-2 Viele cavalli handgeschaltet über die Hinterräder. Kantig, kräftig, kompakt, kompromisslos, kultig. Fahrmaschine und Kurvendetektor. Nah am Stier geschaffen, ein Asphaltcredo: nix gemütlich, null Firlefanz. Minimalismus maximal. Emotion, nie mehr warten, göttlich ausschaun, tierisch abgehen: escape! ANDRÉ WEBER Volkswagen Samba Bus mit Airride Volkswagen Samba Bus mit AirrideFahrwerk und gerne auch mit einem Subaru EJ20 Turbo-Motor. Das Ganze stilsicher auf 17 Zoll Escra Wheels. Klassische Form, Platz zum Schlafen, die Optik eines knuddeligen Kleinbusses mit dem Herz eines Löwen und dem Sound eines Ungeheuers. Perfekt. DER NEUE FORD FOCUS Einpark-Assistent Wie parkt man in eine Lücke ein, die man gar nicht sieht? Vertrauen Sie einfach dem neuen Ford Focus, denn der findet dank des EinparkAssistenten1 selbst die versteckteste Parklücke. Und nicht nur das, er parkt sogar beinahe wie von allein in sie ein. Dies ist nur eine der vielen Technologien, mit denen der neue Ford Focus Ihnen hilft . AB € 15.490,- 2 Abbildung zeigt Wunschausstattung gegen Mehrpreis. Chefredakteur Jan-Eric Peters Redaktionsleitung Dr. Ulf Poschardt (V.i.S.d.P.) Redaktion Stefan Anker Guido Bellberg Kreativdirektion Mike Meiré »Es gibt Autos, die sind wichtiger als andere« Artdirektion Hannes Aechter Agnes Grüb Bildredaktion Stefan Runne Die Reise nach Italien (S. 18/19) wurde von Ferrari unterstützt, die USA-Reise (S. 17) von Mercedes-Benz und Porsche. Kraftstoffverbrauch (in l/100 km nach VO (EG) 715/2007 und VO (EG) 692/2008 in der jeweils geltenden Fassung): 5,7 (innerorts), 3,9 (außerorts), 4,6 (kombiniert). CO2-Emissionen: 105 g/km (kombiniert). 1 Wunschausstattung gegen Mehrpreis. 2 UPE der Ford-Werke GmbH zzgl. Überführungskosten, gilt für einen Ford Focus, 5-Türer, Ambiente inkl. Cool & Sound-Paket, 1,0-l-EcoBoost-Benzinmotor, 74 kW (100 PS) für Privatkunden (außer Werkangehörige) und gewerbliche Kunden außer Autovermieter, Behörden, Kommunen sowie gewerbliche Abnehmer mit gültigem Ford-Werke Rahmenabkommen. Details bei allen teilnehmenden Ford Partnern. SEITE 12 | PS WELT DAS AUTOMAGAZI N DER WELT AM SONNTAG, VOL. II, NOVEMBER 2014 S E I D A R A P TRAUMHAFTE KURVEN: Der Alpenpass Col du Galibier Von ULF POSCHARDT Foto STEFAN BOGNER ungezügelte Raserei, die in ihrem aggressiven Vakuum an Samuel-BeckettInszenierungen der Schaubühne erinnern. Nichts außer Raum und Zeit – und statt eines Stuhls, auf dem der melancholische Held gegen die Sinnlosigkeit der Existenz rebelliert, heizt ein Schleudersitz, auf möglichst viel PS und Hubraum geschraubt, durch eine unberührte Landschaft. Natürlich geht das auch ohne Vollgas – lässt sich mit dem Oldtimer des Herzens untertourig in die Entschleunigung driften. Unser aller Gott, Jeremy Clarkson, hat eine atemraubende Landschaft, elegante Straßen und keinen Verkehr vor Kurzem als heilige Dreifaltigkeit jener bezeichnet, deren Abendmahl mit viel Oktan gereicht wird. Die Verstauung durch das Überquellen der urbanen Räume, die sinnlose Verlagerung von Transporten von der Schiene auf den Lkw, das zu billige Benzin, die falsche Maut – all das verursacht, dass das kostbarste Gut für den Autoliebhaber noch rarer wird: die leere Straße. Der Ort, an dem der Pilot und seine Maschine ungestört ausleben können, was in ihnen steckt. In der Maschine wie in sich. Leert sich die Überholspur, wird der Kopf frei und die Gedanken auch. Und wenn der Motor schreit vor Freude, weil er endlich wieder im sechsten Gang an den Drehzahlbegrenzer anschlägt, da ist das Paradies dann einfach da. Unmittelbar. Eine Art Epiphanie des PSlichen. STEFAN BOGNER, 46, ist Fotograf, Designer und – heimlich – Konzeptkünstler. Seine geniale Zeitschrift „Curves“ zeigt leere Straßen und Kurven, als die sinnlichste Verbindung von A nach B. Der Münchner Gearhead propagiert das soulful driving. Fahren mit Seele. STEFAN BOGNER/CURVES-MAGAZIN.COM P etrolheads sind Materialisten. Sie halten Verheißungen, die auf das Jenseits vertrösten, für Zeitverschwendung. Ihre Paradiese sind im Hier und Jetzt verborgen. Ideal und Utopie zugleich ist die leere Straße. Der Petrolhead übernimmt Frühschichten in der Kanzlei, wenn die Straßen in den Großstädten noch leer sind, er sitzt sonntags im Büro, weil am siebten Tage in der Regel auch der Verkehr ruht. Urlaubsziele sucht er nach Ecken aus, in denen das Fahren mit hochmotorisierten Ferienhaus-SUV noch Spaß macht. Die Automarken, ob sie nun Freude am Fahren oder Vorsprung durch Technik versprechen, überbieten sich in ihren Anzeigen und Spots mit Bühnen für PS WELT | SEITE 13 Col de la Bonette Tremola Großglockner Col du Galibier Stilfser Joch Einer der höchten Pässe der Alpen – zum Fahren wunderbar abwechslungsreich und schier endlos lang. So was wie die Anaconda der Bergstraßen. Die alte Gotthardstraße – Tremola. Baukunst pur. Der Pass wurde komplett mit Kopfsteinpflaster gebaut. Hier kann man zwar nicht schnell fahren, aber das ist hier völlig egal. Ein wunderbarer Pass zum Cruisen mit schönen Aussichtspunkten. Er wurde auch aus touristischen Gesichtspunkten gebaut. Scenic DRIVE AT IT´S BEST. Schon wegen seiner Tour de FranceHistorie ein MUST DRIVE. Anfang September ein Traum. Unfassbar schöne Landschaft. DER PASS DER PÄSSE. Spitzkehren und Enge ohne Ende. Ohne Servo und ABS kommt man auch motorisiert schweitzend oben an. DAS AU TO M AGA Z I N D E R WELT AM SONNTAG, VO L . I I, N OVE M B E R 2 014 SEITE 14 | PS WELT MUT ZUR FARBE – s i f o r P e i d r a g o wünschen sich s Grau, silber und schwarz, wenn es ganz übermütig wird, dann vielleicht noch einmal rot oder weiß – der deutsche Autoalltag ist zumeist ein farbloses Gemenge, das eher Dienstwagenflotte als Fahrspaß MAZDA MX-5 signalisiert. GENUG! Wir finden: Zumindest sportliche Autos und Kleinwagen dürfen ruhig etwas Farbe bekennen, gerne auch etwas mehr. DIE GUTE NACHRICHT: Fast alle Hersteller haben ein paar echte Leckerbissen im Programm, RENAULT CAPTUR nur trauen muss man sich. DIE BESSERE: Sogar die Designer selbst stimmen zu, na bitte. Ein Favorit der Redaktion: Der MX-5 in Knallgrün Echter französischer Chic in ZweifarbLackierung PORSCHE 918 MICHAEL MAUER, Design-Chef Porsche Eine Farbe, die man leider nur selten sieht, ist Grün. Von einem sanften Weißgrün oder Graugrün bis hin zu einem stark chromatischen Gras-oder Flaschengrün. Chromblau ist ein sehr exklusiver, fast flüssig wirkender Silberton. Durch die leicht blaue Einfärbung wirkt diese Farbe sehr maskulin und technisch. Durch seine sehr feine Pigmentierung wird ein starker Hell-Dunkel-Kontrast erzeugt, welcher die Form ausgeprägt zeichnet. »Jeder Kunde kann sein Auto in jeder gewünschten Farbe haben, solange diese Schwarz ist « Henry Ford KIRK BENNION, CHEVROLET CAMARO Exterior Design Manager Chevrolet Performance Car Emerald Green Metallic ist eine neue Farbe für den Chevrolet Camaro, die wir uns ausgesucht haben, weil wir finden, dass sie hervorragend zum entsprechenden Special-Edition-Package passt. Sie akzentuiert wirklich die Elemente, die die sportliche Erscheinung betonen, etwa die verchromten 21-ZollRäder oder die Rallye-Streifen in „Cyber Gray“. Gleichzeitig harmoniert sie aber auch perfekt mit dem schwarzen Interior Design, den Türgriffen in Graphite Silver und den verschiedenen Instrumenten. VOLVO CONCEPTCAR ES THOMAS INGENLATH, Design-Chef Volvo Generell bin froh über jede helle Farbe bei einem Auto. Bei all den dunklen Farben verschwindet leider die Grafik der Fensterflächen und der Frontscheinwerfer beziehungsweise der Heckleuchten. Dabei macht gerade ein Großteil der Gestaltung eines Automobils die Relation, die Proportion dieser Elemente aus. Das Braun des Volvo Concept ES gibt diesem großen und eleganten Wagen einen warmen, sympathischen Ausdruck, ohne auch nur eine Sekunde kitschig zu sein. Es passt »Ich bin froh über jede helle Farbe …« zu einem technischen Produkt, vermittelt gleichzeitig Grandezza und Nahbarkeit. Perfekt für Volvo. Eine Farbkombination, die ich einfach umwerfend finde: klassisch-elegantes Exterior-Braun, nicht zu dunkel, nicht zu rot oder zu grau und keinesfalls effekthascherisch. Perfekt für die wunderschönen Formen des Volvo Concept ES. Dazu ein atemberaubendes Interieur, das treff- und stilsicher unterschiedliche Materialien wie helles Leder, Retro-Stoffmuster und einen orangefarbenen Teppichboden kombiniert. Eine schwedische Schönheit eben. 24 Stunden. 20 Weltrekorde. 1 Team. Mazda gratuliert den Rekordjägern. 18. Oktober 2014. ATP-Hochgeschwindigkeits-Oval in Papenburg. Am Start: drei Mazda6 SKYACTIV-D 175 Serienfahrzeuge mit revolutionärer SKYACTIV Technologie. Nach 24 Stunden brechen sie 20 Weltrekorde 1, einer davon: 221,072 km/h – höchste Durchschnittsgeschwindigkeit mit einem Diesel-Serienfahrzeug 2. Herzlichen Glückwunsch ans gesamte Team. Die rekordbrechende SKYACTIV Technologie können Sie übrigens selbst erleben – bei einer Probefahrt mit dem Mazda6. Ihr Mazda Vertragshändler erwartet Sie. Mehr unter mazda.de. MAZDA. LEIDENSCHAFTLICH ANDERS. Kraftstoffverbrauch (innerorts/außerorts/kombiniert): 5,5 / 3,9 / 4,5 l/100 km; CO2-Emissionen (kombiniert): 119 g/km. 1) www.mazda.de/rekordversuch 2) FIA-Rekord für Diesel-Serienfahrzeuge von 2.000 bis 2.500 cm vorbehaltlich der Anerkennung durch die FIA (Subject to FIA homologation). 3 Auch über www.mazda.de DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, VOL. II, NOVEMBER 2014 SEITE 16 | PS WELT RAUM möglichen Aufbruchs in seinem Unterstand warten - so wie der amerikanische Cowboy der frühen Tage sein Pferd immer im Auge hatte, wenn er am Lagerfeuer rastete. Die amerikanische Bungalow-Architektur ist ja sowieso eine Art abstrakte Beschwörung des offenen, nicht immobilisierten, für Beschleunigung Über Häuser wird viel nachgedacht – über das Haus, in dem das Auto wohnt, viel zu wenig. Warum Garagen zu den wichtigsten und schönsten Orten der Moderne gehören: Sieben Fragen an NIKLAS MAAK K alt, dunkel, viereckig, fensterlos: Was ist so schön an einer Garage? Garagen haben einen miserablen Ruf. Wer sein Auto in die Garage fährt, gilt als Spießer, der Angst hat, dass sein Auto gestohlen wird oder rostet oder eine Delle kriegt. Kulturkritiker lieben es, zu betonen, dass mit einer Gesellschaft, in der die Garagen größer sind als die Schlafzimmer, etwas nicht in Ordnung ist. Dabei gehört die Garage zu den interessantesten und wichtigsten Orten der Moderne. Eine Garage ist, wenn das Auto rausgefahren wird, der offenste und leerste Ort des Hauses. Die Garage ist das Haus, das noch nicht mit Möbeln vollgestellt ist und alles werden kann. In der Garage können Partys stattfinden, zehn Kinder übernachten, sie kann eine Werkstatt werden. Die Garage ist sozusagen der mobilste Ort der Immobilie, der Ort, an dem bedeutende Dinge ihre erste Form annehmen - die BungalowGarage etwa, in der Steve Jobs in den siebziger Jahren die ersten Apple-Rech- »Garagen haben einen miserablen Ruf. Wer sein Auto in die Garage fährt, gilt als Spießer« ner zusammenschraubte. Deswegen ist „Garage“ ja auch ein ästhetischer Begriff - es gibt „Garage Rock“ und „Garage Punk“, die sich zum Mainstream-Pop verhalten wie eine Garage zum Wohnzimmer: rauer, offener, härter, improvisierter, experimenteller, wacher, weniger gepolstert und edelholzig. Und manchmal ist gerade die Garage auch der Ort, an dem das städtische Leben in die Einfamilienhaussiedlungen zurückkommt: In seinem Buch „Magical Urbanism“ hat Mike Davis beschrieben, wie vor allem lateinamerikanische Einwanderer, die sich in heruntergekommenen Vororthäusern niederlassen, in den Garagen Werkstätten und kleine Läden einrichten und so die lebendige, dichte kleinstädtische Kleingewerbestruktur zurückbringen, die diesen mit ihrer modernen Suburbanisierung verloren ging. Sollte dann nicht das ganze Haus mehr wie eine Garage sein? In gewisser Weise ja - sozusagen als Gegenbewegung zu dieser Tendenz, aus Autos rollende Wohnzimmer zu machen. Ein Renault 4 oder ein Porsche 911 von 1964 waren technische Geräte, es gab viel Metall, viele Hebel, die den Fahrer wach hielten. Wo früher mit dünnen Lenkrädern, dürren Schaltknüppeln, kaltem Kunstleder und viel Blech das Ideal des souveränen aktiven Maschinisten verlangt wurde, herrscht im Inneren der aktuellen Autos dagegen eine eigenartige Atmosphäre dämmrig sitzeckenhafter Gemütlichkeit: Plüschsessel, tausend Knöpfe, Lämpchen, Holzfurnier – das Auto, einst Symbol des Aufbruchs und Versprechen einer Flucht aus immobilisierten Verhältnissen, führt das Wohnzimmer jetzt immer bei sich. In modernen Autos ist es so behaglich, dass man beim Fahren einzuschlafen droht - weswegen viele Wagen mit Müdigkeitserkennern und Rüttelsitzen ausgeliefert werden. So was war in einem alten 356er nicht nötig. Das passende Haus zu dessen Ästhetik der Wachheit ist Pierre Koenigs Bailey House in Los Angeles. Die Garage ist halb offen, fast ein Carport, und geht, nur von Glas getrennt, ins Wohnzimmer über. Von der Küche und vom Bett aus sieht man das Auto wie ein ständiges Versprechen des nicht aussichtslos vermauerten Lebens, das die Trapper führten und das Hollywood zur selben Zeit in zahllosen Western mythologisierte: Der offene Kamin erinnerte ans Lagerfeuer, der Pool an die Tränke, der Nachfolger des Pferdes hieß Mustang und wartete in der Garage, die immer breiter wurde und das Versprechen von Aufbruch und Mobilität in der Immobilie wachhielt. Die Garage ist der Raum des Hauses, in dem die Möglichkeit eines anderen Lebens sichtbar wird. Das Aufbruchszimmer. weder Terroristen noch Verteidigungsoder Spähanstrengungen der Gegenseite vermuten musste, sondern ein Labor des amerikanischen Pioniergeists. Gibt es nicht auch sehr deprimierende Garagen? Und wie. Vor allem in China. Amerikanische Fertighäuser sind in der chinesischen Mittelschicht ja sehr beliebt. Diese Häuser werden automatisch mit Doppelgarage geliefert. Die Doppelgarage wird damit sinnlos. In der bei Peking gebauten Siedlung „Orange County China“ müssen deswegen Angestellte in die Garage einziehen. Fenster baut man ihnen aber nicht ein. So bleibt den Garagenbewohnern nichts anderes übrig, als zum Lüften an heißen Tagen eine Wand, das Tor, hochzuklappen und so gewissermaßen auf der Straße zu leben. Was ist die geschmackloseste Garage? Die Hamilton Scott Apartments in Singapur. Die Autos werden in den „En Suite Sky Garagen” des 30-stöckigen Hauses per Lastenlift in die Höhe trans- Die mutigste Garage? Eigentlich das Parkhaus, das im Mai 1901 am Londoner Picadilly Circus eröffnet wurde. Es war das erste Parkhaus, das sich über sieben Etagen erstreckte. Wenn das 19. Jahrhundert das Jahrhundert der horizontalen Expansion war, das Jahrhundert der Eisenbahn und der Eroberung der Kolonien, dann waren die Pioniere des 20. Jahrhunderts Helden der vertikalen Expansion: Hochhausbauer, Raketentechniker und Astronauten. Dass man in einer Londoner Großgarage schon 1901 mit dem Auto auf einer Rampe gen Himmel rasen konnte, war eine futuristische Vorwegnahme dieses Richtungswechsels. Und die schönste? Die schönsten historischen Garagen sind die Kant-Garagen in Berlin von 1930, die älteste erhaltene Hochgarage Europas, ein Monument des Neuen Bauens in der Weimarer Republik. Einer der Architekten war Richard Paulick, der am Bauhaus Assistent von Walter Gropius 1 Was ist die wichtigste Garage der Moderne? Vermutlich die gerade unter Denkmalschutz gestellte Garage, in der Steve Jobs seinen ersten Computer baute. Dass eine Garage zu einem der wichtigsten Denkmäler Kaliforniens erklärt wurde, wirkt wie eine wehmütige Erinnerung an jene Tage, als man hinter unzugänglichen, fensterlosen Räumen 1. Parkgarage in Miami Beach von Herzog & De Meuron. 2. Der Kant-GaragenPalast in der Berliner Kantstraße. 3. Garage in Kalifornien, in der Steve Jobs seinen ersten Computer baute portiert und quasi in der Wohnung geparkt. Statt vor der Tür den sofortigen Aufbruch zu versprechen, werden sie zu Möbeln oder melancholisch still gestellten Skulpturen - genau falsch. Anderswo überlegen Architekten, ob man nicht Parkhäuser umnutzen kann, indem man den Außenstellplätzen, wo man Tageslicht hat, kleine Wohnhäuser baut. Das ist viel interessanter. 3 2 AGEFOTOSTOCK / avenue images, ULLSTEIN BILD, ALLIE CAULFIELD/p-a »Die Garage ist das Haus, das noch nicht mit Möbeln vollgestellt ist und alles werden kann« war und 1933 vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Dass dieses Haus für 300 Autos, das auch ein Denkmal eines offenen, neuen, zukunftsfreudigen demokratischen Deutschlands war, trotz Denkmalschutz aus wirtschaftlichen Gründen abgerissen werden soll, nachdem die Besitzer, die Pepper Immobilien, es jahrelang herunterkommen ließen, ist einer der vielen unsäglichen Architekturskandale in Berlin. »In der Garage können Partys stattfinden, zehn Kinder übernachten, sie kann eine Werkstatt werden« Studio-Garage des Architekten Holger Schubert Mike Cassidy/petrolicious.com (2) NIKLAS MAAK, 42, ist Kunst- und Architekturkritiker der FAZ. Der viel ausgezeichnete Essayist hat gerade sein neuestes Buch „Wohnkomplex“ bei Hanser veröffentlicht. Der gebürtige Hamburger ist bekennender Petrolhead. Der interessanteste neue Garagenbau ist ein Parkhaus in Miami Beach, das 1111 Lincoln Road von Herzog de Meuron, eine offene Struktur, in der sich neben 300 Stellplätzen auch Bars, Restaurants und Veranstaltungsflächen befinden und Palmen wachsen. Sozusagen ein „Parkhaus“ im Wortsinn, eine Mischung aus einem vertikalen Park und einem Haus, durch dessen Räume man fahren kann. Mit 65 Millionen Euro Baukosten vermutlich auch das teuerste und dekadenteste Parkhaus aller Zeiten. PS Foto ANDREAS LINDLAHR PS WE LT | SEITE 17 NIE WIEDER PlayStation Von einem, der auszog, seine Traumstrecken aus dem Videospiel GRAN TURISMO 6 mit echten Autos zu fahren D as ist mir jetzt ein bisschen peinlich. Fast 30-mal bin ich diese Linkskurve schon gefahren, aber ausgerechnet in der allerletzten Runde reicht die Strecke nicht. Ich sehe es kommen, schaue bremsbereit in den Rückspiegel, aber der andere AMG GT hinter mir ist viel zu nah. Also nicht bremsen, sondern ab in den Sand. Sagte ich schon, dass ich das ESP ausgeschaltet habe? Dabei hatte der Tag so gut angefangen. Endlich, endlich, endlich war ich in Laguna Seca angekommen, meiner Traumstrecke, die ich so gut kenne wie keine andere, aber eben nur virtuell. Als „Gran Turismo“-Junkie kann ich Laguna Seca mit verbundenen Augen fahren, und nun war es so weit, diese legendäre, 3,6 Kilometer lange Piste in Kalifornien mit einem echten Auto zu erleben. Ich hätte den Termin auch zugesagt, wenn sie den neuen Fiat 500 oder einen Golf Diesel hier vorgestellt hätten, einfach damit ein Wunsch in Erfüllung geht. Und um einmal zu ermessen, wie steil es in der legendären CorkscrewKurve wirklich bergab geht (sehr, sehr steil) und wie sich die verflixte Andretti Hairpin anfühlt, wenn man nicht nur den PlayStation-Controller in der Hand hält, sondern mit rund 200 Sachen und 1600 Kilo Auto angeschossen kommt. Stimmt, das ist jetzt weder Fiat 500 (zu leicht) noch Golf Diesel (zu lahm), auf Rennstrecken werden in der Regel nur sportliche Autos vorgestellt, hier war es halt der AMG GT. GT S, um genau zu sein, mit 510 PS und Top-Ausstattung, also starrem Heckflügel (zehn Prozent mehr Abtrieb als beim automatisch ausfahrbaren Spoiler), Keramikbremsen und vielen Einstellmöglichkeiten für Fahrwerk, Lenkung, Getriebe. Was für ein Auto also, aber eben auch: Was für eine Strecke! Laguna Seca, 1957 eröffnet, gehört zum Weltkulturerbe des Motorsports, vor allem wegen dieser einen, der Kor- Von STEFAN ANKER kenzieher-Kurve. Genau genommen sind es zwei Kurven, im Streckenplan als Nummer 8 und 8A ausgewiesen. Und wenn man sie ganz verstehen und schnell durchfahren will, dann tut man gut daran, auch Kurve sieben mit einzubeziehen. Kurve sieben ist eine harmlose halbrechte am Ende einer ansteigenden Geraden, der Rahal Straight. Ich will gar nicht wissen, wie schnell Bernd Schneider, der mehrfache DTM-Champion und nun mein vorausfahrender Instruktor, hier heraufrast, wenn er nicht im Rückspiegel nach mir sehen muss, aber gemeinsam haben wir jetzt rund 180 km/h drauf. Was halt so geht, wenn ein Biturbo-V8 sich 650 Newtonmeter Drehmoment abringen lässt – die achtprozentige Steigung bügelt dieser Motor einfach nieder. 180 geradeaus ist kein Problem, doch man kommt auf Kurve sieben zu und sieht – nichts. Unmittelbar hinter der Kuppe aber geht es 90 Grad nach links, und wer nicht schon vor Kurve sieben angefangen hat zu bremsen, der bekommt hier ein Problem. Idealerweise bremst man sich also durch die Halbrechts-Kurve und lenkt unter konstantem Bremsen nach links, um dann im richtigen Moment loszulassen und wieder Gas zu geben. Allerdings sieht man nun die anschließende Rechtskurve (8A) nicht mehr. Ganz bestimmt war sie eben noch da, aber nun geht es blind weiter, so sehr man den Hals auch reckt. Zehn Prozent Gefälle, dazu knapp zwölf Prozent seitliche Neigung der Fahrbahn – schlimmer kann ein Start in einen Weltcup-Riesenslalom auch nicht sein. Wer das Privileg hat, Bernd Schneider zu folgen, muss nicht weiter nachdenken. Der Mann ist hier schon FIA-GT-Weltmeister geworden, der kennt sich aus, also vertrauen und hinterher. Ansonsten hilft der Blick auf ein kleines Bäumchen am Rand der Strecke, das etwas abseits von den anderen Bäumen steht – wer darauf zufährt, rattert in Kurve 8A über die Curbs, sackt aber nicht in den Sand daneben ab und sieht dann auch wieder, wo er hinfahren muss. Ich will nicht angeben, aber ich habe mich an die Corkscrew ziemlich schnell gewöhnt. Was auch daran liegt, dass sie eine langsame Kurve ist. Wenn man das mit dem Bremsen vor Kurve sieben hinbekommt, ist man in Kurve acht so um 80 km/h schnell, und damit fühle ich mich wohler als zum Beispiel mit Vollgas in der Eau Rouge in Spa. Oder eben hier am Ende der Zielgeraden. Das Auto kann kurz vor der Andretti-Haarnadel auf 250 Sachen kommen, jedenfalls mit einem Profi am Steuer. Bernd Schneider belässt es für unsere kleine Laientruppe bei knapp 200 km/h (dass ich immer mal zum Tacho linse, disqualifiziert mich übrigens als Rennfahrer). Und mit diesem Tempo muss man – ebenfalls an einer nicht einsehbaren Stelle – entscheiden, wie man das Auto zur folgenden 180-Grad-Kehre positioniert. Falsch angestellt, quält man die Reifen um die Ecke und verliert Tempo beim Herausbeschleunigen. Und ja, es ist ein Unterschied, ob man in einem echten Auto sitzt und volle Kanne auf eine enge Kurve zurast oder ob man entspannt auf den Fernseher schaut und irgendwann die X-Taste drückt. Es ist wirklich erstaunlich, wie gut die Keramikbremsen des AMG GT S funktionieren, aber wenn man zu spät dran ist, dann ist man zu spät dran – und im echten Auto macht es dem Fahrer etwas aus, vom Asphalt in den Sand zu rumpeln, ganz sicher. Bernd Schneider und die anderen Instruktoren sprechen mit großer Sympathie von Strecken wie Laguna Seca oder Spa-Francorchamps. Auch Zandvoort wird erwähnt und natürlich die Nordschleife des Nürburgrings – alles Strecken, die in die Natur gebaut sind und so etwas wie Auslaufzonen nicht oder nur im Ansatz bieten. Man müsse hier eben mit Respekt fahren, heißt es. Keine Ahnung, ob sie damit eigentlich mich meinen und mein Malheur in der letzten Runde. Vor die Rahal Straight hat der Streckendesigner die Kurve sechs gesetzt, und man muss Brems- und Einlenkpunkt gut treffen, um nicht entweder von der Strecke zu fliegen oder zu viel Tempo für den Anstieg zur Corkscrew liegen zu lassen. Mein Bremspunkt war okay, aber das Einlenken in die doppelte Linkskurve war grausam, und plötzlich war eben der Asphalt zu Ende. Da ich mich für das Fahren ohne ESP entschieden hatte, folgte ein nervöses Tänzchen mit einem 150.000-Euro-Auto wenige Meter neben der Betonmauer. Besonders unangenehm, weil wir eigentlich in der Abkühlrunde waren, also langsamer fuhren als zuvor. Natürlich hat Bernd Schneider meine Staubwolke im Rückspiegel gesehen und über Funk ein bisschen genörgelt. Aber ich habe das auch schnell wieder vergessen, denn wir Rennfahrer, selbst wir Amateure, dürfen nicht zu lange mit den Fehlern der Vergangenheit hadern. Sonst können wir das Schnellfahren auf der Strecke gleich sein lassen, und das möchte ich vorerst dann doch nicht. Zumal sich ein paar Tage später ein weiteres PlayStation-Erlebnis in die Realität übertragen lassen sollte. Willow Springs ist im Gegensatz zu Laguna Seca eher ein Geheimtipp, aber ein unfassbar attraktiver Kurs. 1953 mitten ins kalifornische Nirgendwo gebaut, liegt die Strecke zwischen der Edwards Air Force Base, wo früher die Space Shuttles gelandet sind, und einigen Trailer Parks. Das Besondere ist: Seit 1953 hat sich hier nichts geändert. Wenn Porsche nicht anlässlich der Vorstellung des 911 Carrera GTS das abgewrackte Diner renoviert und ein paar Eimer Farbe für die Boxenmauer spendiert hätte, dann würde man sich als Passagier einer Zeitreise fühlen. Das liegt auch an der Strecke selbst: Sie hat nicht nur keine Auslaufzonen (nur Wüstensand mit Gräben und Felsbrocken), sondern auch kaum Curbs. Mir fällt es hier schwer, die Scheitelpunkte der Kurven zu schneiden oder mich am Kurvenausgang von der Fliehkraft bis an den Rand der Strecke tragen zu lassen. Interessant sind zudem die beiden riesigen Doppel-Rechtskurven (eine heißt Rabbit’s Ear), die man wegen ihrer großen Radien nicht anbremst, sondern zügig anfährt. Nicht einfach, genau die passende Geschwindigkeit zu finden, da die stets leicht sandige Piste optisch mit der Umgebung verschmilzt und wenige Anhaltspunkte bietet. Und wie gemein, dass sich die letzte Kurve vor der Zielgeraden auch noch zuzieht. Aber soll ich meckern? Bewahre. Zwei Traumautos auf zwei Traumstrecken, dazu die Gewissheit, dass das wahre Leben mehr zu bieten hat als die virtuelle Realität – das war die Autowoche meines Lebens. Oder wie die Amerikaner sagen: „It’s a tough job but someone’s got to do it.“ PS WÜN DAS AUTO M AGA ZI N D E R WELT AM SONNTAG, VO L . I I, N OVE M B E R 2 014 SEITE 18 | PS WE LT Drei von unendlich möglichen Autowünschen: Der eine soll unbedingt alt sein, der andere muss flammneu dastehen. Und der dritte ein roter Italiener sein WOLFGANG SCHEIDA will unbedingt den neuen 3er erleben. Den alten hat er ja schon Leuchtende VERHEISSUNG Mit dem BMW ist es ein wenig wie mit Radio Paradiso: Man hat das Gefühl, dass es keine schlechten Nachrichten geben kann. Es sei denn, es passiert etwas ganz Böses. Aber wer rechnet schon damit? er Witz ist alt – und er zieht nur im Osten: Der Trabi hat etwas von einem Bordell: Man schämt sich, wenn man reingeht, man schämt sich, wenn man rausgeht – aber innen drin ist es ganz angenehm. Ich fahre durch das ehemalige Ost-Berlin. Es ist Abend, die breiten und etwas kaputten Straßen der Hauptstadt Richtung Alexanderplatz sind voll. Ich komme kaum voran. Normalo-Autos umgeben mich. Viele Kleinwagen, Mazda, Opel, Limousinen, vielleicht mal ein Passat, ab und zu Mercedes. Eher Mittneunziger-Modelle oder älter. Stop-and-go. Achtundneunzigzwo. Radio Paradiso. „Music was my first love“ schnulzt herum. Eigentlich finde ich den Song bescheuert. Zumindest den lahmen Anfang. Doch danach wird er besser, gebe ich zu. Ich will gar nicht nach links und rechts schauen, weil ich das Gefühl habe, dass es angeberisch wirken könnte. Ich blicke nach vorn, manchmal aufs Armaturenbrett, ab und zu in den Spiegel. Auf das Hightech-Lenkrad. Ich muss an den alten Trabi-Joke denken. Er passt. Auch wenn etwas anders. Ich sitze in einem BWM. Mit Münchner Kennzeichen. Schlimmer wäre hier nur noch Stuttgart. 320i, 170 PS, Baujahr 2014, 2000 km gefahren. Es riecht nach frisch bearbeitetem Leder. Die beigefarbenen Sitze mit ihrer körperbetonten Form sind fast zu schön, um sich unaufmerksam reinzufläzen. Ich versuche mich zu entspannen. Bei den sauberen, hellen Fußmatten überlege ich kurz, die Schuhe auszuziehen. Nein, barfuß fährt man nicht. Alles, was ich berühre, fühlt sich gut an, hat die richtige Größe und Konsistenz. Knackig ist das furchtbar passende Wort, an das ich denken muss. Den Schaltknauf, klein und glatt, lasse ich ungern aus der Hand, auch wenn alle davor warnen – Getriebeschaden. Es ist mir egal. Es ist ein gutes Gefühl, in die Gänge zu kommen. Schnell hoch – und dann schnell wieder runter. Dann schnell wieder hoch. Bis in den sechsten. Auch wenn es nur 60 Stundenkilometer sind. Untertourig fahren hat etwas von Tiefenentspannung. Nur die Stopp-Funktion des Motors nervt. Ich schalte sie aus. Die Verkehrsmeldungen: Es gibt keine. Freie Fahrt. Ich glaube sowieso, dass es keine Staus bei Radio Paradiso gibt. Ich wollte eigentlich schnell nach Hause. Aber es gibt keinen Grund mehr. Ich fühle mich wie im beweglichen Wohnzimmer. Zugegeben, es ist ein kleines. Es engt aber nicht ein. Oder ich werde gut unterhalten und merke deswegen nichts. Das Navigationsgerät mit Multimedia-Optionen, von denen ich einige nicht verstehe, spielt Jukebox. Ich bleibe bei Radio Paradiso, obwohl der Drehschalter eine gleichwertige Berührungsalternative zum Schaltknauf ist. Romantisch, ruhig, entschleunigend. Die Stimme der Moderatorin ist weich und versöhnlich. Sie könnte gleich den Sieg des Guten gegen das Böse verkünden. Und zwar für immer. Bei Radio Paradiso läuft der nächste Liebessong. Ten Sharp, „You“. Bei „I was always on the run“ gebe ich ein wenig Gas. Dieses Auto ist eine Verheißung. Ein Ich-könnte-wenn-ichwollte. Oder Ich-könnte-wenn-ich-dürfte. Eine Summe der 170-PS-Fantasien, die man nicht erleben kann, die aber trotzdem anregend sind. Ich besitze das Objekt, das erst glücklich ANNE PHILIPPI würde gerne einmal spüren, wie ein Ferrari-Fan sich fühlt Mein Leben als FERRARISTA Menschen, die Ferrari mögen, lieben oder sich dafür umbringen, heißen „Ferraristi“, Singular „Ferrarista“. Das Wort klingt nach einer harmlosen Süßigkeit, aber in Wahrheit handelt es sich um eine Umstellung im eigenen Kontrollsystem. E Von ANNE PHILIPPI s geht los mit dem Lächeln eines Ferrari. Mich hat jedenfalls bis gestern noch kein Ferrari angelächelt, aber der „California T“ weiß, wie das geht. Wenn ich mich auf den Parkplatz in Maranello auf dem FerrariGelände genau vor ihn stelle, kann ich seinen Mund sehen. Sein tiefes, beruhigendes Nagellackrot studieren. In Ferrari-Sprache heißt es „rosso california“. Es ist, als ob das Auto schon etwas über mich weiß, was ich nicht mal erahne. Das hat jetzt schon die Funktion einer Analyse von Freud. Ich habe Angst vor dem Auto, vor seiner Schönheit und seiner Geschwindigkeit. Übersetzt heißt das, ich habe Angst vor Kontrollverlust. Ich habe ein paar Jungs bei Ferrari gefragt, ob sie eventuell Puls-oder Adrenalismessungsgeräte beim Fahren zur Hand haben. Leider nicht. Ich sollte entspannen. Man sagt mir, der California T sei ohnehin ein „every day ferrari“. Ein Familien-Ferrari. Ich könne darin zwei bis drei Kinder mitnehmen, sehr viel Gepäck MARTIN U.K. LENGEMANN dern das Versprechen, dass danach die Sonne scheint. Und, nein, es wird nicht kühler, es kommt nur die nächste Chance, die neue Jacke anzuziehen. Keine Ahnung, warum sie die Sitzheizung nicht erwähnen. Die Straßen hinauf in den Prenzlauer Berg sind frei. Ich kann ein wenig schneller fahren, beschleunige diskret und kann auch so schon alle überholen. An der Ampel sowieso. BMW halt. Nichts Neues. Bei aller Liebe fürs sportliche Fahren muss ich aber doch zugeben, dass ein Automatik die elegantere, schwebendere Variante ist. Der Vierzylinder fühlt sich zwar an wie ein durchtrainierter Leistungssportler, beim Sound ist der alte, ruhige Reihensechser aber unschlagbar. Nur, wen interessiert der Sound? Ich höre Radio Paradiso. Bruno Mars singt „Count on me“. Und beim „Kinderdentist“ macht sogar der Zahnarzt Spaß. Ich bin zu Hause angekommen. Die Straße, in der ich das Auto abstellen muss, ist sehr eng. Kaum noch etwas frei um diese Uhrzeit. Man kann nur rückwärts einparken, weil man ansonsten nicht mehr rauskann. Das Navigationsgerät übernimmt. Es ist mit einer Videokamera ausgestattet und zeigt mir die komplette Umgebung des Autos an. Ich bin sicher, dass es auch selbstständig den Wagen in Position bringen könnte. Ich mache es. Solange die Kamera ausgeschaltet ist, muss das Radio schweigen. Schade eigentlich. Harry Nilssons „Without you“ ist einer meiner Lieblingssongs. } D Von WOLFGANG SCHEIDA und dann süchtig machen kann. Ein kurzer Kick aufs Gaspedal ist wie eine Droge, von der man schwer runterkommt. Bei Radio Paradiso empfiehlt man mir „Sei du selbst“. Ich versuche es doch gerade! Es gibt selten etwas Schöneres, als im Dunkeln zu fahren und auf das Armaturenbrett eines sportlichen Autos zu gucken. Ein bisschen Weihnachten, ein wenig Cockpit. Die Ruhe der Farbe und die Dynamik der Anzeige. Auf einen Blick. Direkt sehen, um was es geht und was das Kraftpaket unter einem alles leistet. Links die Geschwindigkeit, rechts der Drehzahlmesser, unten rechts die Spritanzeige mit dem genauen Verbrauch. Wie immer bei BMW alles an der gleichen Stelle. Kluger Konservatismus: Emotionen und die Weisheit der Ahnen. Man könnte glauben, in München liest man Edmund Burke. Bei Radio Paradiso laufen die Nachrichten. Kein Mord, kein Terror. Ich frage mich, ob die Moderatorin eine Kantianerin ist und gleich den ewigen Frieden ausruft. Ich sitze jetzt gut. Die sportlichste aller MittelklasseLimousinen als Ort der Ruhe und der Wärme. Es ist mir zwar ein wenig unangenehm, aber ich tue es. Ich schalte die Sitzheizung ein. Zwei Stufen von drei. Mehr traue ich mich nicht. Wahrscheinlich ist es auch so extrem umweltunfreundlich. Und eigentlich ein Luxus, den kein Mensch braucht. Aber es tut gut. Bei Radio Paradiso kommt das Wetter. Regen ist kein Regen, son- oder was auch immer. Ein mittelgroßer Hund habe auf dem Rücksitz Platz. Der California T ist für Menschen, die sonst keinen Ferrari kaufen würden. Wer sind die, die kaufen? Zum Beispiel Unternehmer aus dem Mittleren Osten, sehr reiche, sehr junge Chinesinnen, die laut einem „Forbes“- Blog Autos wie „italienischen Kuchen“ kaufen . Der frühe „California“ zog jedoch schon in den späten 50er-Jahren sehr spezielle Menschen an. Zum Beispiel Erbin und „Socialite“ Barbara Hutton, die mit Cary Grant, Playboys und Tennisspielern verheiratet war und einen der ersten „California“-Ferrari besaß. Ich kann das verstehen, aber wir haben es hier trotz der Nagellackanziehungskraft nicht mit einem Frauenauto zu tun. „Es wird nie einen SCHE Frauen-Ferrari geben. Denn Frauen fahren das Auto gerade, weil es ein Männerauto ist“, hatte mir Marketingchef Nicola Boari bei einem schnellen Espresso mitgegeben. Nicht lange überlegen. Einsteigen. Es ist gleich so, als ob man in einer sehr teuren, tiefergelegten Bar oder einer exklusiven Kirchenbank sitzt. Irgendetwas dazwischen. Raffaele de Simone, der hauseigenen Testfahrer mit Ray-BanBrille und Moncler-Jäckchen, zeigt mir Ferrari für Anfänger. Hände auf das Formel-1-inspirierte Lenkrad, von dort die Hände nicht mehr wegbewegen. Streng verboten. Nicht bremsen, nur Fuß vom Gas, wenn es sein muss. Ich soll die Grundbegriffe des „emotional driving“ lernen, denn ich muss später mit dem Ferrari „spielen“, sagt Raffaele. Ich fange mal mit dem „emotional driving“ an. Ist eigentlich ganz einfach. Es geht nur darum, die Verbindung Gaspedal/Gefühlshaushalt zu handeln. „Wenn sie Angst im Magen verspüren wollen, brauchen Sie einen anderen Ferrari. Nicht den California T.“ Angst liegt mit nicht. Wer will denn so fühlen? Raffaele sagt, es sei noch zu früh zum Fühlen. Wir fangen mal langsam an. Wie klingt der V8 Turbo Motor, extra für den California T entwickelt, wenn man ihn leise säuseln lässt? Raffaele stellt den Manettino-Knopf auf „Comfort“, auf lässiges Cruisen. Mit diesem Knöpfchen kann ich meine eigene Ferrari-Stimmung einstellen. Will ich rasen oder noch PS WE LT | SEITE 19 gondeln? Schön, wenn es viele solcher Knöpfe im echten Leben gäbe. Ich trete erst mal zu fest auf das Gaspedal zum Gondeln und muss zurückgepfiffen werden. Kontrolle also schon verloren. Das Auto geht von 0 auf 100 in nur 3,6 Sekunden. Wir haben es doch hier mit einem „Gran Turismo“-Auto zu tun. Das bedeutet, ich habe Zeit und Muße beim Fahren zu schauen, zu beobachten, was passiert, wenn ich mit dem California T an jemandem vorbeifahre. Der Glotzreflex, der Glücksblick der Menschen ist überdimensional stark, selbst hier in Maranello. Eine Beerdigungsgesellschaft vergisst für ein paar Sekunden den Toten und den Sarg und winkt uns hinterher. Ein paar 15-Jährige machen unanständige Tramperbewegungen, alte Männer lassen die Mistgabel fallen. So geht das ständig. Ich frage mich, ob es mit der Lippenstiftkarosserie zu tun hat. Beifahrerwechsel. Dach runter, der California T hat ein RHT, ein „rectractable hard top“. Flavio Manzoni, Designchef von Ferrari, steigt ein, und wir drehen als Erstes mal den Manettino auf „Sport“. Flavio will, dass ich wesentlich schneller fahre, draufdrükke. Sein Wunsch ist Rasen. Ich schalte auf einem eleganten Knöpfchen um auf „manual“, also Gangschaltung, um mich möglichst tief in die Kurven zu legen. Mein Magen reagiert erstaunlich gut auf die Geschwindigkeit. „Sie können das!“, schreit Manzoni im Fahrtwind und sieht immer noch perfekt aus, etwa so wie man sich einen Mailänder Designprofessor in einem amerikanischen Film vorstellt. Manzoni ist bei Ferrari für die „Looks“ zuständig. Innen und außen. Er kann erklären, warum Schweineleder bei der Innenausstattung eine extrem gute Wahl ist, und hat das „tailor made“-Programm mitentwickelt. Ich könnte mir damit meinen eigenen California T Ferrari designen lassen. „Ich sage Ihnen gleich, wir würden niemals einen pinkfarbenen oder CamouflageFerrari bauen“, sagt Manzoni vorsichtshalber. Sehe ich so aus? „Aber wir haben Designer anzubieten, die Ihnen helfen. Zum Beispiel Fiat-Erbe Lapo Elkann, Sie können ihn als Designberater buchen.“ Lapo rät oft zu Lenkrädern aus hellem Jeansstoff. Da wäre ich dabei. Manzoni kommt zum Thema zurück. Die Kurven! Wir rauschen raus aus Maranello, immer weiter nach oben, Serpentinenstrecke. Ich kann die Gangschaltung, die am Lenkrad stattfindet, und den Blinker ab und zu nicht koordinieren, doch wer blinkt schon in Italien. Wir legen noch zu, weiter, ich glaube, wir könnten gleich an der Schweizer Grenze sein, ich würde nichts mehr merken. Am Nachmittag habe ich Probleme, den Wagen stehen zu lassen, ja, zu vergessen. Jeder kann in dreißig Minuten Ferrarista werden. Es ist nicht schwer. Es ist nur irreversibel. Manzoni fragt, ob ich die Eleganz beim Fahren bemerkt hätte. Sicher. Aber ich habe an andere Dinge gedacht. So was wie Weltherrschaft. ROBERTO CARRER EIN OFFENER WAGEN – auch mit Dach WARUM DIE PAGODE IHRE ZEIT INS BILD SETZT U Von ARMIN NASSEHI m es gleich zu Beginn zu sagen: Die Pagode ist mein Traumauto. Das habe ich schön gesagt, finde ich – aber wie komme ich dazu? Ich will es in aller Ungenauigkeit noch genauer sagen: Ich finde sie schön, die Pagode. Nun wäre ich kein Soziologe, wenn ich es dabei belassen könnte, ohne die Frage zu stellen, was das denn bedeutet, etwas überhaupt schön zu finden, ein Auto zumal. Eine Antwort ist: Das Automobil ist, auch wenn es aus Gründen des Natur-, Umwelt, Stadt-, Fußgänger- und Fahrradfahrerschutzes sowie aus verkehrspolitischen Gründen unter Legitimationszwang steht, ein zentrales Kulturgut. Wer etwa im Film eine Szenerie des 20. Jahrhunderts plausibel bebildern will, wird neben der Kleidung der Menschen vor allem darauf achten müssen, dass die Autos in die entsprechende Zeit passen. An den Autos, die auf der Straße herumstehen und herumfahren, lässt sich auch für den ungeübten Beobachter, nicht nur für den Autoafficionado, sehen, wann die Szenerie spielt. Und zugleich halten die Karossen eine Menge an Information über den Fahrer vor: Einkommen, Milieu, Lebensstil, Familiengröße, vielleicht sogar Persönlichkeit und Individualität sehen wir stets mit, wenn wir sehen, in welches Auto jemand einsteigt. Das ist alles Binse, aber was heißt das nun, dass gerade die Pagode mein Traumauto ist? Was kann man der Pagode zurechnen? Was sagt die Pagode? Und was heißt es, ausgerechnet sie schön zu finden? Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Pagode wohl kaum in erotischen Begriffen zu charakterisieren ist – weder wie der 911er im weiblichen (Rundungen), noch wie der E-Type im männlichen (sehr lang) Sinne oder wie der Ford Mustang als halbstarker Übermut, von der ungehobelten Männlichkeit eines Ferrari ganz zu schweigen. Die Pagode ist vielleicht die unaufgeregteste Variante des luxuriösen Sportwagens, zugleich konservativ und modern. Und ich meine, dass es wirklich die Modernität der Pagode ist, die sie gerade als Oldtimer modern aussehen lässt. Vielleicht ist das Modernste an der Pagode, dass sie einerseits neben Volkswagen vom vielleicht deutschesten aller deutschen Hersteller stammt, aber den Maßanzug eines legendären Franzosen trägt, nämlich des Designers Paul Bracq, der in den 1950-er Jahren bei Citroen arbeitete, als man da noch Göttinnen baute, und der dann in Sindelfingen für Modernisierung sorgte. Worin besteht das Moderne? Der Franzose Bracq hat letztlich mit dem Autokleid das gemacht, was Chanel zuvor mit dem Frauenkleid machte: Verzicht auf Ornamentik, ohne auf Schmückendes ganz zu verzichten. Die Bracqschen Zeichnungen haben die dickliche Ponton-Ästhetik mit ihren barocken Rundungen in gerade Linien gebracht. Das Charakteristischste an der Pagode ist für mich nicht das konkave Dach, das ihr ihren Namen gegeben hat, sondern die fast gerade Falz unterhalb des Kotflügels, die am ganzen Wagen entlanggeht und die barocke Ornamentik des Vorgängers 190SL mit ihren Überhängen über den Radkästen geradezu ad absurdum führt. Dieses Gerade gibt dem Wagen das, was seine Modernität ausmacht. } ARMIN NASSEHI träumt von einer Runde in seinem absoluten Liebling Und diese gerade Linie erst ermöglicht den hohen gläsernen Aufbau, der für Transparenz und Sichtbarkeit steht. Der Wagen wurde bis 1971 gebaut, in der gleichen Zeit, in der in München das Olympiastadion entstand. Man hat diese Architektur mit dem grandiosen transparenten Dach von Frei Otto eine demokratische Architektur genannt, weil sie geradezu provokativ für Transparenz gesorgt hat, nichts verstecken wollte und Sichtbarkeit zum Grundprinzip erhoben hat. Das ist auch die Assoziation, die ich mit der Pagode habe – nach der barocken Phase der Pontons und des Adenauer-Mercedes wird die Formsprache sachlich und verlangt geradezu nach einem schmalen Körper und einem transparenten Aufbau. In einer Parallele zur Architektur könnte man auch an Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie in Berlin denken – große Transparenz, ohne körperlos zu wirken. Neben das Olympiastadion und neben den Berliner Mies-Bau passt die Pagode wunderbar. Bracq hat diese Formsprache auch in seinen anderen Geschöpfen durchgehalten, etwa beim W100, also dem Mercedes 600 mit seiner sachlichen Bauhaus-Ästhetik, ebenso beim ästhetisch völlig unterschätzten „Strichachter“ und beim W108, der noch am ehesten Zitate an das Barocke enthält, vor allem vorne. Von hinten aber ist er der große Bruder der Pagode. Wie sehr diese Ästhetik in die Zeit passte, lässt sich übrigens an Entwürfen für BMW sehen, wo Bracq in den 1970-er Jahren die ersten 3er, 5er und 7er konzipierte, alle geprägt von dem Verhältnis eines vergleichsweise schmalen Wagenkörpers und eines hohen Glas- und Dachaufbaus. Ich wollte die Frage beantworten, warum ich die Pagode schön finde. Ich finde, es gibt tatsächlich gute Gründe dafür. Dieser Wagen steht für elegante Modernität und Selbstbewusstsein mit Understatement. Schönheit ist eine Kategorie, die ihre Zeit in Bilder bringen kann – analog wie Hegel einmal meinte, die Philosophie müsse die Zeit auf den Begriff bringen. Das Schöne an der Pagode ist, dass sie tatsächlich eine liberale Aufbruchstimmung ins Bild setzt, auch eine Aufbruchstimmung der Bundesrepublik, mit der ästhetischen Hilfe eines genialen Franzosen. Man hätte es nicht schöner erfinden können. Was sagt uns dann die heutige Automobilästhetik? Gerhard Matzig hat kürzlich in der SZ treffend von einem „Trend zum Panic-Room auf vier Rädern“ gesprochen, „deren Blechkleider wie Panzerungen hochgezogen wurden“. Ich fürchte, es stimmt tatsächlich: Was wir jeweils für schön befinden, bringt die Zeit auf den Begriff. Wie schön wäre doch manchmal jene Offenheit mit sparsamer Ornamentik und einem Sinn für Proportionen. Am Ende halte ich es mit Janis Joplin: Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz, my friends all drive Porsche, I must make amends. Und ich füge als armer Sünder hinzu: Oh Lord, be so gracious and let it be a W113. PROF. ARMIN NASSEHI, 54, ist Professor für Soziologie an der Ludwig-MaximiliansUniversität München, Mitherausgeber der soziologischen Fachzeitschrift „Soziale Welt“ und Herausgeber der Zeitschrift „Kursbuch“. STEFAN PIELOW DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, VOL. II, NOVEMBER 2014 SEITE 20 | PS WELT »Russen fahren aggressiver« MARIJA SCHARAPOVA liebt es, ihre 1,83 Meter in einen schnellen Sportwagen zu falten und das Adrenalin zu spüren. Die Tennisdiva behauptet sich in einer Welt voller Männer mit Grazie und unverrückbarer Entschlossenheit. Doch sie selbst bezeichnet sich als zart, überlässt dem Mann an ihrer Seite gern das Steuer. Gelebte Widersprüche. Von SOPHIE MÜHLMANN Foto AXEL KÖSTER W er auf goldenen High Heels noch Tennis spielen und dabei bildschön lächeln kann, ist ein echter Profi. Die Schuhe sind verräterisch: die toughe Sportlerin mit dem harten Schlag, die unbeugsame Siegerin Marija ist auch eine mädchenhafte junge Frau, eine, die liebreizend lächeln kann wie ein scheues Reh oder kichern wie ein Teenager. Ihre Entourage, Trainer, Physiotherapeut und Fitnesscoach, umschwirren sie wie ein Hofstaat. Alles Männer, immer in ihrer Nähe, eine Geste genügt, und sie sind zur Stelle. Marija Scharapowas Leben ist eine endlose Folge von Training und Turnieren, von Reisen, Posieren und Charity-Events. Dabei träumt sie von endlosen Fahrten über den Highway, rasant und frei und ohne Zeitdruck. Am liebsten mit ihrem Liebsten am Steuer, denn der fährt noch viel begeisterter als sie, und warum soll sie ihn denn dann nicht lassen? PS: Was sind Ihre ersten Erinnerungen an das Autofahren? MS: Meine erste Erinnerung an Transport waren Busse. Öf- fentliche Verkehrsmittel. Damals in Russland sowieso, aber auch in den USA, wo wir hinzogen, als ich sieben Jahre alt war, weil es dort bessere Trainingsmöglichkeiten für mich gab. Ich erinnere mich, als meine Eltern ihr erstes Auto, einen Honda Accord bekamen, drückte ich ständig auf den Fensterknöpfen herum, denn ich war wenn überhaupt nur an Kurbeln gewöhnt. Ich hatte noch nie in meinem Leben so viele Knöpfe gesehen. Ich weiß noch, dass einmal eine Freundin in unser Auto einstieg und ich sagte: Du musst dir alle diese Knöpfe ansehen! Das Fenster öffnet sich automatisch und es hat ein kleines Sonnendach … All diese Kleinigkeiten waren damals sehr groß für mich. In diesem Honda habe ich auch das Fahren gelernt, damals war ich siebzehn. PS: Erinnern Sie sich an Autofahrten in Ihrer Heimat? MS: Ich weiß noch, dass die Straßen nicht so gut waren wie in Amerika. Natürlich hat sich das inzwischen geändert in Sotchi, wo wir wohnten. Für die Olympischen Spiele wurde alles rundum erneuert, aber damals waren sie buckelig und schlammig, wenn es geregnet hatte. Es waren holperige Fahrten damals. Ich hätte niemals mit meinem Porsche dort fahren können! PS: Wann haben Sie denn zum ersten Mal in einem Porsche gesessen? MS: Es war das Auto einer Freundin, ein Cayenne. Ich war immer noch sehr jung, vielleicht 19 oder 20, aber ich hatte immerhin schon meinen Führerschein. Meine Freundin wohnte etwa eine Stunde von uns entfernt, sie kam mich beim Training besuchen. Sie war ein bisschen älter, hatte das Auto für drei Jahre geleast und ließ mich darin manchmal üben. Ich erinnere mich genau: Es war silbern und ich fand es damals enorm sportlich und schnell, obwohl es „nur“ ein SUV war, aber es war eben das erste Luxusauto, das ich selber fahren durfte. PS: Mit 19, das ist immer noch früh! MS: (lacht laut) Ja. Ich hatte eben immer Glück. PS: Und wann saßen Sie zum ersten Mal am Steuer eines echten Sportwagens? MS: Meine Eltern haben mir nicht erlaubt, einen richtigen Sportwagen zu lenken, bevor ich nicht etwas älter war. Sie wollten, dass ich erst mal eine Weile ein „gesetzteres“ Auto fahre. Vor drei Jahren habe ich dann meinen ersten Porsche gewonnen, der erste eigene Sportwagen meines Lebens. PS: Was ist der Unterschied zwischen einem Flitzer und einer sicheren, langsameren Familienkutsche? MS: Ich glaube, die Art, wie die Leute heute einen Sportwagen sehen, hat sich verändert. Früher war es das Spielzeug reicher Männer, die es vielleicht mal am Wochenende zu einer schnellen Spritztour ausfuhren. Aber für mich ist es heute ein Lifestyle-Auto für jeden Tag geworden, und ich bin eine Frau und erst 27 Jahre alt. Mir ist klar, dass nicht viele junge Frauen in meinem Alter das von sich sagen können. Es spiegelt das, was ich erreicht habe, in dieser schnelllebigen Welt. Ich muss der Boss in meinem Job sein. PS: Beschreiben Sie das Gefühl MS: Es ist ein machtvolles Gefühl. Und noch habe ich die Gelegenheit, ich bin noch jung, ich habe noch keine Familie, wo ich dann Kindersitze brauche. Und ich denke immer, solange ich noch keinen SUV benötige, warum soll ich es nicht in vollen Zügen genießen und ein schönes und schnelles Auto fahren? PS: Gibt es Ihrer Meinung nach einen Unterschied, wenn ein Mann so ein Auto fährt oder wenn eine Frau am Steuer sitzt? MS: Ich denke, wir wissen unterschiedliche Dinge an einem Auto zu würdigen. (Sie lacht laut und mädchenhaft) Uns interessieren eher die kleinen Details, das Aussehen. Wenn wir uns hineinsetzen, wie weich das Leder ist und so. Bei Männern geht es nur um die Kraft und das Gas und um den Zeiger, der nach oben geht. (Jetzt lacht sie deutlich weniger unschuldig) PS: Welche Details sind für Sie die wichtigsten? MS: Ich bin ein großes Mädchen, viele denken, ich würde nicht so gemütlich sitzen in so einem schmalen, tiefliegenden Luxusauto, aber ich mache das jetzt seit drei, vier Jahren, und inzwischen fühle ich mich in einem SUV fast verloren. Es ist zu groß um mich herum. Ich bin daran gewöhnt, nah am Boden zu sein, in einer sportorientierten Position. Das entspricht mir einfach. Aber natürlich ist der Komfort bedeutend. Man verbringt schließlich viel Zeit in dem Auto. Und für mich ist immer auch die Sicherheit wichtig. Wenn du die Möglichkeit hast, in einem schnellen Auto auch schnell zu fahren, musst du dich darin einfach sicher fühlen. Du musst die Kontrolle behalten. PS: Sie sagen, fürs Erste brauchen Sie kein Familienauto. Glauben Sie, in zwanzig Jahren würden Sie immer noch ein Sportauto haben wollen – selbst wenn Sie dann ein ganz anderes Leben führen? MS: Absolut! PS: Um des Nervenkitzels willen? MS: Ja, denn es ist so ein Heidenspaß. Einfach ein anderes Erlebnis. Was wir uns im Leben wünschen, sind doch genau diese besonderen Erlebnisse, die einem einen Kick verleihen und »Es ist ein machtvolles Gefühl, der BOSS in meinem Job zu sein« PS: Hat sich denn Ihr Verhältnis zu schnel- len, PS-starken Autos gewandelt, seit Sie selbst kämpferischer und auch erfolgreicher wurden? Nicht mehr klein beigeben durften? – Marija Scharapowa MS: Mir geht es dabei eher um Luxus als um einen glücklich machen. Und wenn du die Möglichkeit hast, ein Wettbewerbsgefühl. Wenn ich mich tief in ein Sportauto auf dem Vulkan zu tanzen, dann solltest du sie auch nutzen. setze, aufs Gaspedal trete und die Beschleunigung spüre, ist es PS: Selbst wenn es einen Ausbruch aus dem normalen Alltag egal, ob ich hart bin auf dem Tennisplatz oder nicht. bedeutet? PS: Gibt es denn Parallelen MS: Definitiv. Denn dieses Gefühl habe ich schon immer geMS: Ja, es gibt bei beiden einen unfassbaren Adrenalinrausch. liebt. Und inzwischen bin ich eine richtige Autonärrin: Ich Ich durfte einmal mit Mark Webber fahren, in einem Spider, probiere gern verschiedene Modelle aus, ich lese gern über und das war unglaublich. Was für ihn nur eine mittlere GeAutos. Als ich gerade das Fahren gelernt habe, war das noch schwindigkeit war, ist für mich irre schnell... (sie wirft die Haanicht so, aber ich habe mich verändert. Heute schaue ich hin re zurück und lacht wieder laut). Es war einfach großartig, ein auf der Straße, und ich lerne immer mehr über Autos. Nicht, einmaliges Erlebnis, so nah neben jemand zu sitzen, der weiß, dass ich jetzt alles über einen Motor wüsste ... wie man dieses Tempo kontrollieren kann. PS: Nicht beängstigend? MS: Nein! Ich liebe dieses Gefühl! Ich liebe es, so abzuheben! PS: Wollen Sie die Kontrolle haben oder abgeben? MS: Ein bisschen von allem, glaube ich. Du willst das Adrena- lin spüren, und dafür musst du ein wenig Kontrolle loslassen. Aber natürlich denkst du gleichzeitig: Ohoo, da kommt eine Kurve, da hinten, mach mal halblang …! PS: Wenn eine gute Fee Ihnen jetzt sofort einen Wunsch erfüllen und Ihnen Ihren Traumwagen schenken würde, welches Modell würden Sie haben wollen? MS: Ich glaube, ich fahre schon mein Traumauto (den weißen 911 4S Carrera Coupé, den sie beim zweiten Porsche Tennis Grand Prix gewonnen hat) Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass ich irgendetwas anderes will. Es fühlt sich klasse an, das von sich sagen zu können. Ich denke, so ist es mir schon immer auch in meiner Karriere ergangen. PS WE LT | SEITE 21 Marija Scharapowa, Tennisgöttin, Traumfrau, Topverdienerin – Marija Scharapowa ist ein lebender Superlativ. Angeblich ist sie die bestverdienende Sportlerin der Welt und serviert einen Aufschlag auch schon einmal mit 195 km/h – aber wir sind nicht so verrückt, uns ihr in den Weg zu stellen. PS: Gibt es Unterschiede zwischen russischem und amerika- nischem Verkehr – und lässt das Rückschlüsse darauf zu, wie die Leute in den jeweiligen Ländern ticken? MS: Die Russen fahren sehr viel aggressiver als die Amerikaner. Man hört die Hupe deutlich öfter. Ich will keine Parallelen ziehen zwischen der Mentalität und der Art, wie die Menschen fahren. Ich kann nur meine eigenen Erfahrungen beschreiben: Ich würde nicht sagen, dass ich eine besonders aggressive Fahrerin bin. Manche werden sauer von den Fahrern vor ihnen oder neben ihnen, aber ich bleibe eigentlich immer recht ruhig. Aber auf dem Tennisplatz bin ich eine sehr wettbewerbsorientierte Frau. Ich denke, da kann man keine Parallelen ziehen. Ich kenne Leute, die rasen und jagen in die Kurven, aber wenn sie ausgestiegen sind, dann sind sie sehr sanfte Seelen. PS: Für sie ist es also wichtiger, sicher irgendwo anzukommen, als einen Kick zu spüren? MS: Es häng davon ab, wo du bist. Ich liebe Road Trips! Ich habe es bisher nicht oft geschafft, aber den Pacific Coast Highway in Kalifornien hinaufzufahren ist einfach so eine Traumfahrt! Du tust es für den Nervenkitzel, du fährst dein Auto aus, über die Klippen, du beschleunigst und du hast um dich herum die sagenhafte Aussicht. Du bestimmst selbst das Ziel, niemand sonst. Und dazu laute Musik. Leider habe ich fast nie Zeit dafür. Ein oder zweimal im Jahr versuche ich, eine kleine Pause einzulegen. PS: Normalerweise fahren Sie mit Chauffeur, oder? MS: Meistens ja. Deshalb ist es so schön, nach Hause zu kommen und selber ans Steuer zu dürfen. PS: Sie leben mit Ihrem Freund zusammen (dem 23-jährigen bulgarischen Tennisspieler Grigor Dimitrow). Ist er auch ein Autofan? MS: (sie verdreht die Augen und quietscht vor Lachen) Er LIEBT Autos. Ich denke, noch viel mehr als ich. Er ist ein Fanatiker! Manchmal leiht er sich für ein paar Tage einen Wagen aus, er kann sich immer noch nicht entscheiden, welches sein Lieblingsmodell ist. PS: Haben Sie denselben Geschmack bei Autos? MS: Nein, gar nicht. Er ist besessen von Geschwindigkeit! Je tiefer, desto besser, je schneller, desto besser. Er will den Motor röhren hören, viel mehr als ich. PS: Wenn Sie diese Ausflüge machen, wer darf das Auto lenken: Sie oder er? MS: Ich liebe es, ihn fahren zu lassen, es macht mir überhaupt nichts aus, auf dem Beifahrersitz zu sitzen. Wenn wir zusammen sind, hat er meistens das Steuer in der Hand. PS: Aber wenn Sie ihn fahren lassen, wo Sie doch so auf Sicherheit bedacht sind, ist das schwer für Sie? MS: Er muss sich schon manchmal ein paar Worte zu seinem Fahrstil von mir anhören. Aber ich weiß, wie sehr er es liebt, deshalb verstehe ich es ganz und gar. Ich bin sowieso immer von Männern umgeben. Mein ganzes Team besteht aus Männern. Ich bin jahrelang mit meinem Vater herumgereist, meine Trainer sind männlich, ich bin ständig von Männern umgeben. Ich kenne ihre Interessen genau – und ich respektiere sie. PS: Wenn Sie nur von Alphatieren umgeben sind, wie können Sie Ihre Wünsche durchsetzen? MS: Ich weiß, wie ich meinen eigenen Raum managen muss. Ich bin sehr glücklich, wenn ich für mich allein bin. Ich brauche nicht ständig Gesellschaft. Ich glaube, wenn man seine eigene Gesellschaft genießen kann, dann hat man auch mehr Vergnügen an den anderen um sich herum. Aber wenn mir alles zu viel wird, dann ziehe ich mich in meine eigene kleine Luftblase zurück. Und das akzeptieren all diese Männer um mich herum. PS SEITE 22 | PS WELT XL1 DAS AUTO M AGAZ I N D E R WELT AM SONNTAG, VO L. I I, NOVE MB ER 2014 WINDSPIEL Lutz Fügener wünscht sich einen Blick in die Zukunft des Automobils. Der XL1 von VOLKSWAGEN ist einer der interessanten Möglichkeiten, die wichtigen Fragen von morgen zu beantworten A uf der Autobahn in Richtung Wolfsburg halte ich Ausschau nach bereits in freier Wildbahn existierenden Exemplaren, die den Titel Zukunftsauto für sich beanspruchen könnten. Doch machen sich diese meist teil- oder vollelektrisch betriebenen Ausnahmen offensichtlich ganz besonders rar in diesem nördlichen Landstrich, wo Ansiedlungen weiter verstreut und Wege länger sind. Meine ernüchternde Bilanz nach zweihundert Kilometern Beobachtung: kein BMW i-Modell, kein Tesla S, kein e-tron oder e-Golf weit und breit. Ich entschließe mich verzweifelt, Fahrräder auf Autodächern als vorsichtigen Hinweis auf eine Veränderung des Verkehrsverhaltens zu deuten. Unsicher jedoch, ob mir nicht der eine oder andere für diese Zählung relevante Volkswagen entgangen ist, denn man muss sich schon sehr für die Nomenklatur der Typenbezeichnungen sowie für die kleinen Details des Exterieurs interessieren, um ein Plug-inHybrid oder gar Elektroauto der Marke als solches identifizieren zu können. Sie gleichen ihren konventionell befeuerten Schwestern fast aufs Haar. Der Grund meiner Reise ist jedoch ein Auto, das mir auch bei schlechtesten Sichtbedingungen keinesfalls entgangen wäre, denn um den XL1 auf seine schmalen Räder zu stellen, hat Volkswagen augenscheinlich so ziemlich jede serienautomobile Konvention über Bord werfen müssen. Grund ist der ebenso radikale wie einleuchtende Ansatz: Energieverbrauch minimieren. Man hört förmlich die Hand des Dr. Ferdinand Piëch auf den Tisch fallen. Von dieser Entscheidung bis zum heute tatsächlich käuflich erwerbbaren XL1 ist eine selbst für die Automobilindustrie ungewöhnlich lange Zeit vergangen. Die prinzipielle Machbarkeit bewies Dr. Piëch dabei bereits im Jahr 2002 mit seiner Fahrt von Wolfsburg nach Hamburg im bis dahin geheimen Erprobungsfahrzeug 1L. Mit einer Rekordfahrt bei ungünstig regnerischen Bedingungen krönte er den letzten Tag seiner Tätigkeit als VW-Vorstand. Und unter den strengen Augen notarieller Aufsicht wurde ein Verbrauch von deutlich weniger als einem Liter Diesel auf „Bilanz nach 200 km: kein BMW i-Modell, kein Tesla S, kein e-tron oder e-Golf weit und breit“ 100 Kilometern erreicht. Das Konzept hatte jedoch alles, was Marketing-Spezialisten erschauern lässt: Windkanaltropfen mit hintereinander liegenden Sitzen, schmalen Rädern, laut, schwach motorisiert und unbeheizt: das automobile Pendant zum Liegefahrrad. Umwölkt von einem Zeitgeist, dessen Ideale sich eher auf den im selben Hause erdachten Bugatti Veyron generierten, war der 1L somit kaum mehr als ein beachtenswerter Laborversuch. Der eigentliche Charme des einfachen Ein-Liter-Konzepts wurde deutlich, als im Jahr 2007 die Teilnehmer der großen SUV-Party den ersten Kater bekamen. Energie, die nicht verbraucht wird, kostet nichts und schadet niemandem. „Reduce to the max“ – ein wahrlich zeitloser Ansatz. Das jetzt in homöopathischen Dosen erhältliche und dabei mit einem Verkaufspreis von 111.000 Euro teuerste VW-Serienmodell ist bei der ersten Begegnung in seinem natürlichen Habitat zweierlei: erstaunlich flach und ebenso erstaunlich harmonisch. Fahrzeugentwicklungen der Automobilindustrie Von LUTZ FÜGENER Foto KAI-UWE KNOTH Spiritus Rector des Projekts höchstpersönlich gekommen sein. Und tatsächlich spürt man nach intensiver Einarbeitung in die technischen Details des XL1 zunehmend einen Geist, der sich vor einem halben Jahrhundert bereits im Porsche 917 materialisiert zu haben scheint. Trotz und vielleicht gerade wegen des harten Ringens um Gramm und Widerstand bezeichnen sowohl Peter Wouda als auch der Leiter des VW-Markendesigns Klaus Bischoff den XL1 unabhängig voneinander und durchaus glaubhaft als Traumprojekt. Am Ende dieser Optimierungsorgie steht nun ein Luftwiderstandsbeiwert von 0,189. Die bislang gültige und bisher praktisch unerreichte Cw-Schallmauer für zulassungsfähige Automobile von 0,2 ist damit pulverisiert. Dramatische Flügeltüren und niedrige Sitzposition verlangen beim Einsteigen einen von Sportwagen bekannten Bewegungsablauf. Nach dem Schließen der Türen finde ich mich jedoch in einem in Struktur und Details erstaunlich vertrauten Fahrzeuginnenraum. Das durch sein Exterieur in jeder Hinsicht unkonventionell auftretende Auto gibt sich innen hanseatisch zurückhaltend. Sowohl die bereits hier und da in Großserienmodellen auftauchenden dynamische Displays als auch die derzeit unverzichtbar erscheinenden Connectivity-Features sucht man im XL1 vergebens. Das Cockpit erinnert stilistisch eher dem des Kleinwagens UP!, die Mit- telkonsole trägt ein an mobile Navigationsgeräte erinnerndes, freistehendes Info-Display, die Fenster werden per ausklappbarer Kurbel geöffnet und eine Lenkunterstützung gibt es nicht. Angesichts des für dieses Auto geltenden Spardiktats ist die an Bord befindliche Klimaanlage ein unerwarteter Luxus. Der XL1 rollt elektrisch an und bleibt dabei, solange der Ladezustand der Batterien und die Fahrsituation es erlauben. Per Kickdown wecke ich den kleinen Dieselmotor, der mich dafür aus dem Heck des Fahrzeugs anknurrt. Nebeneffekt der aerodynamischen Optimierung ist das fast vollständige Fehlen von Windgeräuschen im Innenraum. So erscheint das Motorgeräusch des kleinen TDI-Zweizylinders lauter, als objektive Schallmessungen es be- „Für den XL1 hat Volkswagen augenscheinlich so ziemlich jede serienautomobile Konvention über Bord geworfen“ legen. Unerwartete Beiträge zur sonst spärlichen Geräuschkulisse kommen durch ein resonanzstarkes Poltern des Fahrwerks bei Querrillen und von den sonst nur in Hochleistungssportwagen montierten und deswegen in der Regel immer von Motorengeräuschen übertönten Keramikbremsen. Das nach Verschleiß klingende Schaben lässt mich beim ersten Bremsen reflexartig den Fuß zurückziehen. An das Fahren im XL1 gewöhne ich mich beim Hantieren mit Sportlenkrad, Doppelkupplungsgetriebe und schließlich auch beim Benutzen der als Rückspiegel wirkenden Bildschirme in den Türen recht schnell. Ruft man die Leistung der beiden Antriebe gleichzeitig ab, scheinen gar die durch den Einstieg annoncierten sportlichen Ambitionen nicht ungerechtfertigt. Allein die spontanen und zuverlässig positiven Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmer rufen mir hin und wieder in Erinnerung, welche Rarität ich hier pilotiere. Nach dem Ende der Probefahrt ist angesichts der Außenansicht des XL1 dann auch bei mir jeglicher Gewöhnungseffekt schnell wieder dahin. Es bleibt die Frage, ob der XL1 die automobile Zukunft ist oder nicht. Nach persönlicher Begegnung mit diesem leider seltenen Vertreter seiner Gattung ist die Antwort eindeutig nein, denn der XL1 ist nicht weniger als automobile Gegenwart, Tatsache, Präsens. Kein Ausblick auf das erst zukünftig Mögliche, kein Versprechen unter po- „Die positiven Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmer rufen mir in Erinnerung, welche Rarität ich hier pilotiere“ finden in aller Regel im Verborgenen statt. Hier jedoch ist ausnahmsweise das Urmodell 1L bekannt. So ergibt sich der selten mögliche Blick auf die von Ingenieuren und Designern zu leistende Arbeit, die nötig ist, um aus einem Versuchsträger ein funktionierendes Produkt zu machen. Für Letztere war die Aufgabe nicht weniger als die gestalterische Exegese des Themas „Idealer Strömungskörper“ gegen alle verinnerlichten Styling-Reflexe. Der verantwortliche Exterieurdesigner Peter Wouda weiß zu jedem Detail des Fahrzeugs eine Geschichte über das gemeinsame Ringen um Hundertstel an Gewicht und besonders am Luftwiderstand zu berichten. Seine Geschichten reichen von der Bedeutung der Radien der Motorhaubenvorderkante für den Strömungsverlauf bis zur lebhaften Erinnerung an den Tag der Entscheidung, Fahrer und Beifahrer gegen alle Ansprüche der Extrem-Aerodynamik doch nebeneinander zu positionieren. Maßgeblicher Hinweis zur Lösung letzteren Problems soll tatsächlich vom »Nicht weniger als die gestalterische Exegese des Themas ‚Idealer Strömungskörper‘« sitiven Prognosen für in Arbeit befindliche Zukunftstechnologien, keine auf eine Showcar applizierte und somit unnachprüfbare Leistungs- und Verbrauchsangaben. Sieht man ihn so, passt alles zusammen. Dann leidet der XL1 weder unter der Abwesenheit von dynamischen Displays und Connectivity-Spielereien noch unter der deutlichen Nähe zur derzeit aktuellen Volkswagen-Designsprache. Die dem Konzept zugrunde liegende Idee wird ohne Frage auch in ein paar Jahrzehnten noch aktuell sein, denn sie ist von den sich entwickelnden Technologien weitgehend unabhängig: Minimierung des Energieverbrauchs durch Minimierung der Widerstände. Der Wind formt ein Auto und Entwickler und Designer gehen ihm dabei zur Hand. Das funktioniert auch übermorgen noch genauso. Auf der Rückfahrt aus Wolfsburg fahre ich unter dem Eindruck der erlebten Knauserei mit ultraleichtem Gasfuß und beäuge dabei argwöhnisch die Verbrauchsanzeige im Display meines am heutigen Tag ideell um Jahre gealterten Allerweltgefährts. Vor mir fährt dann ein PKW mit einem auf dem Dach befestigtem Fahrrad. Nach Windkanalmessungen erzeugt PROF. LUTZ FÜGENER, diese Art des Transports einen durchschnittlichen 49, international renommierter Mehrverbrauch von 1,2 bis Fachmann für 1,5 Litern Kraftstoff. Was „Transportation für eine unverantwortliche Design“ und Professor an der Verschwendung Hochschule von Energie! Pforzheim, Mitglied des Hochschulrates. „Ziehvater“ vieler heute bekannter Autodesigner PS DAS AUTOMAGAZ IN DER WELT AM SONNTAG, VOL. II, NOVEM B ER 2 014 SEITE 24 | PS WELT INTEGRATION auf der ÜBERHOLSPUR Bei allen Unterschieden, die es sonst geben mag: Schön, dass sich Deutsche und Türken bei ihrer gemeinsamen Leidenschaft für schnelle, teure und luxuriöse Autos vollkommen einig sind. Obwohl, irgendwie auch wieder nicht … Von PIA FREY s gibt auf Türkisch ein post-emanzipierte Power – damit Wort, das kaum zu kommt man schon sehr weit. Auf ihrem übersetzen ist: „havai“. ganzen weiten Weg begleiteten Can Es bedeutet so viel wie Autos. Golf Diesel, Fiat Barchetta, dann „die sanfte Leichtigkeit BMW, Porsche, Ferrari, Bugatti und des Seins“. Havai ist, Rolls-Royce. „Mit seinem Auto zeigt auf einer Sänfte durchs Leben getragen man bei uns, mit welchem Tempo man zu werden. Oder in einem 7er mit im Leben unterwegs ist”, so erklärt 450 PS, Ledersitzen und Doppelauspuff. sie das. „Man möchte klarmachen, wer Wenn Deutsche eine Sache „dickman ist.“ bramsig” oder „überflüssig” finden, Und wer ist sie? Betreiberin ihres dann ist es in der Türkei sehr wahreigenen Luxuslabels Millions & scheinlich: „havai“. Luxus, Komfort Millions mit einer gerade neu und Sorglosigkeit. eröffneten Filiale in der vornehmen Dünya Yildiz Can ist eine Hamburger Milchstraße. Jetzt schneideutsch-türkische Designerin, und dert sie also in Pöseldorf ihren Kunden sie fühlt das „havai” jeden Morgen, wie Dana Schweiger, Claudia Effenwenn sie mit 12-Zentimeter-Absätzen berg oder dem Prinzen von Jaipur mit in ihrem silbergrauen BMW durch Roben, Samt, Seide und Brillanten den Hamburg-Pöseldorf brettert. Sie sitzt Luxus auf den Leib. „Ich liebe, liebe, rechts hinten, cremefarbene Sitze, liebe Service”, sagt Can. Und sie liebt, aus den Boxen dringt Chartmusik. liebt, liebt Luxus. Den manifestiert sie Die Leute glotzen, wenn der Chauffeur in PS. Um ihr Tempo zu halten, fährt Can die Tür aufhält, sie glotzen, wenn sie momentan drei Wagen: den silbersie aussteigt und den strammen Pferdegrauen BMW im Alltag, wenn sie sportschwanz zurückwirft und wenn sie lich auftreten möchte einen Bugatti. im Stöckel-Stechschritt die Auffahrt zu Und dann gibt es noch den Rolls-Royce, ihrem Laden hochläuft. Eine südeurofür Oper, Theater oder Kundenbesuche. päische Schönheit mit Puppengesicht „Jedes Auto wirkt anders, und mit und tiefem Timbre in der Stimme, dieser Wirkung kann man spielen“, 120 PS und Riesensonnenbrille – sagt sie. es hat gedauert, bis sich die biederen Hanseaten an die Auftritte Cans gewöhnten. Aber genau so soll es ja sein. Ob es ohne die Blicke auch so schön wäre? „Natürlich nicht.“ Blicke sind wichtig und am zuverlässigsten gibt es sie für Autos. Natürlich kriegt sie die Blicke auch so. Can ist 40, sieht aber jünger aus und hat etwas von einer Katze: 29, PIA FREY, E Bei denen hat man auch immer te W LTpreisgekrön rin: ar das Gefühl, sie durchschauen einen. Mit beite m d, Gri me Es ist in ihrer Anwesenheit unangeLead-Awar ne ard und ei Online Aw es nehm, keine zusammenpassenden d “ ter 30 der „30 un s. in az ag M Socken zu tragen, und Frauen Medium ohne se ei w er h kontrollieren ihr Gegenüber Frec ein, aber Führersch nervös, ob die Fingernägel okay netterweise altsame aussehen. Disziplin, Durchsetzungseine unterh n. Beifahreri kraf, und Talent, pinkfarbene Stilettos, sinnliches Lächeln und E „H AVA I “ B E D E U T E T S O VI E L WI E „D I E SA N F T E LEICHTIGKEIT DES SEINS“ Die türkische Kultur hat eine klare Hierarchie der Statussymbole. An letzter Stelle: die Wohnung, die kann ja kaum einer sehen. Dann folgen, aufsteigend, der Anzug, das Kleid, die Uhr, der Schmuck – und am wichtigsten: der Wagen. Kein Oldtimer, keine Liebhaberkarre und um Himmels willen keine „Knutschkugel“. Neu und schnell muss es sein. Dünya Yildiz Can lebt in Deutschland, seit sie 17 ist. Hier ist die Auto-Liebe komplizierter als in ihrer türkischen Heimat. Warum endet die deutsche Leidenschaft für Autos jäh, wenn ein Porsche, Jaguar oder Rolls-Royce mit lauter Musik und allem, was der Motor hergibt, durch Prenzlauer Berg düst? „Hier werden doch die wunderbarsten Autos gebaut – warum spielt man nicht mehr mit ihnen?“ Manchmal spielen auch die, die sich eigentlich keinen Rolls-Royce, Bugatti oder BMW leisten können. In Deutschland stößt das auf Misstrauen. Wer die Frage googelt: „Warum fahren Ausländer immer teure Autos?“, kriegt über 60.000 Ergebnisse. Der Unterton ist immer derselbe. Es ist die Angst, zu kurz zu kommen, weniger Nachtisch zu kriegen als die anderen – obwohl einem doch eigentlich mehr zustünde. Aber warum fahren denn so viele junge migrantische Halbstarke so fesche Autos? Can weiß, wie pragmatisch man dabei sein kann, auf dicke Hose zu machen. „Viele kaufen sich zu fünft einen BMW mit günstigen Leasing-Raten, und dann darf jeder ihn mal eine Woche fahren.“ Autos, Erfolg und Luxus. In Cans Welt ist das eine natürliche Symbiose. Vielleicht ist es die deutsche Sparsamkeit, der Öko-Trend, die Schwäche für Neid oder die Angst, zu sehr aufzufallen, die dieses Misstrauen dagegen erzeugen. Konsens ist aber: Schöne Autos gehören in die Kinowerbung, in den Exportmarkt oder auf die Rennstrecke. Nur bitte nicht auf den Parkplatz des Kollegen, des Nachbarn oder des Chefs. Erst neulich gab es in einem Wirtschaftsmagazin eine Umfrage, bei der ein paar hochkarätige Vorstandsvorsitzende definieren sollten, was das für sie sei, Luxus. Sie sagten dann Sachen wie „der Klang eines Traktors“, „von Mutter bekocht zu werden“ oder „eine zweite Latte macchiato am Vormittag“. Nur Piero Ferrari tanzte aus der Reihe und meinte, das Schönste sei für ihn, mit seinen Autos ziellos durch die Gegend zu fahren. Aber der ist ja auch Italiener. Für Dünya Yildiz Can ist Luxus, das zu tun, was man kann, und es mit allen Sinnen zu genießen. Wie: im richtigen Auto auf dem Weg zur Arbeit zu sitzen, mit dem richtigen Lederbezug in der richtigen Farbe auf den Sitzen, mit dem richtigen satten Schmatzen, wenn die Tür zufällt. Das sanfte Summen der Automatikschaltung zu hören und zu wissen, dass man dabei ist, die Erfolgsleiter nach oben zu klettern, dorthin, wo es luftig, komfortabel und leichtlebig ist. „Havai“ eben. PS »Mit seinem Auto zeigt man, mit welchem Tempo man im Leben unterwegs ist« » J E D E S AU TO WI R KT A N D E RS, U N D M I T D I E S E R WI R KU N G K A N N MAN SPIELEN« DÜNYA YILDIZ CAN, 40, Selfmade-Frau und Autodidaktin, gründete nach verschiedenen Jobs in der Pharma-, Werbe- und Modebranche ihr eigenes Label „Millions & Millions“ in Hamburg. Nebenberuflich ist sie post-emanzipierter Petrolhead und hat es gerne teuer und schnell.