Sonderbetriebsarten für Einrichtbetrieb und Prozessbeobachtung

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Sonderbetriebsarten für Einrichtbetrieb und Prozessbeobachtung
Allgemeine Kundeninformation
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Sonderbetriebsarten für
Einrichtbetrieb und Prozessbeobachtung
Autor:
Frank Schmidt,
Key Account Automotive der
K.A.Schmersal GmbH, 42279 Wuppertal
Wie erleichtert man dem Einrichter bzw. dem
Bediener einer Maschine die Arbeit und gewährleistet, dass er beim Einrichten oder
nach einer Formatverstellung einerseits sicher arbeitet, andererseits aber beste Sicht
auf den Prozess hat und notfalls eingreifen
kann? Die neue Maschinenrichtlinie schafft –
unter genau definierten Bedingungen – die
Voraussetzung für die Nutzung von Sonderbetriebsarten: eine Möglichkeit, die der
Konstrukteur in Anspruch nehmen sollte.
Bearbeitungszentren“; deutsche Fassung) sieht
als weitere Betriebsart den „Erweiterten manuellen Eingriff“ vor, der auch als Betriebsart 3
bezeichnet wird.
Gedeckt wird deren Einsatz durch einen Passus
im Anhang I der neuen Maschinenrichtlinie
(2006/42/EG; 1.2.5: „Wahl der Steuerungs- und
Betriebsarten“): Wenn die für die vorhandenen
Betriebsarten genannten Voraussetzungen
Üblicherweise sind für eine Maschine zwei Betriebsarten vorgesehen, die in den einschlägigen
C-Normen wie z.B. DIN EN 12417 definiert sind.
Während die Produktion, d.h der eigentliche Bestimmungszweck der Maschine, im Automatikbetrieb bei geschlossener Schutzeinrichtung erfolgt, gibt es z.B. für Einstell- und Justierarbeiten
nach einem Werkstückwechsel oder einer Formatverstellung den Einrichtbetrieb. Hier kann der
Bediener bei geöffneter Schutztür, deutlich
verlangsamter Geschwindigkeit und weiteren
Sicherheitsmaßnahmen in den Prozess eingreifen, um die Maschine für den Automatikbetrieb
vorzubereiten (Bild 1). Die meisten Maschinen,
an denen Einrichtarbeiten zu erledigen sind,
bieten diese Möglichkeit an.
Zwei Betriebsarten sind nicht genug
Die Praxis zeigte jedoch, dass diese Auswahl
für viele Maschinenarten und für bestimmte Aufgaben des Einrichtens und Parametrierens nicht
ausreichend waren – vor allem bei Bearbeitungszentren. Die Hersteller und vor allem die Anwender dieser Maschinen wünschten sich
weitergehende Möglichkeiten. Die Normungsgremien haben sich daraufhin mit diesem
Wunsch befasst und entsprechende Regelungen
getroffen: Eine Ergänzung (Amendment 1:2006)
der DIN EN 12417 („Werkzeugmaschinen –
Bild 1: Betrieb bei geöffneter Schutztür: Neue
Betriebsarten bieten größere Freiheiten
beim Einrichtbetrieb und bei der Prozessbeobachtung.
Sicherheit im System. Schutz für Mensch und Maschine.
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K. A. Schmersal GmbH
Industrielle Sicherheitsschaltsysteme
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Möddinghofe 30, 42279 Wuppertal
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seine Hand vom Zustimmschalter abrutscht oder
durch das dauerhafte Drücken verkrampft. Dann
wird die Bearbeitung unterbrochen, und es kann
zu Störungen am Werkzeug oder Fehlern am
Werkzeug kommen.
Bild 2: Mit dem RFID-Schlüsselwahlschalter können
individuelle Anwahlberechtigungen für bestimmte Betriebsarten vergeben werden.
betrieblich nicht anwendbar sind, kann man auch
mit anderen Schutzmaßnahmen, die über den
Steuerungs- oder Betriebsartenwahlschalter
ausgelöst werden, einen sicheren Arbeitsbereich
gewährleisten.
Betriebsart 3: Erweiterter manueller Eingriff
In der Betriebsart 3 kann der Anwender – sofern
er entsprechend geschult und unterwiesen
wurde – die Maschine bei geöffneter Schutztür
betreiben. Ihm steht dann eine reduzierte Auswahl an Maschinenfunktionen zur Verfügung, die
er nur aktivieren kann, wenn er einen Zustimmschalter am Handbediengerät gedrückt hält (Bild
2). Die Geschwindigkeit der gefahrbringenden
Bewegungen ist zwar reduziert, aber höher als in
Betriebsart 2, und automatische Zuführungen
z.B. für den Werkstück- oder Werkzeugwechsel
sind nicht in Betrieb.
Auf diese Weise kann der Bediener also einzelne
Werkstücke mit der Maschine bearbeiten, dabei
den Prozess verfolgen und z.B. die Maschinenfunktionen ohne eine Sichtbehinderung durch die
trennende Schutzeinrichtung einstellen. Da er bei
diesen Aufgaben mit einer Hand den Zustimmschalter gedrückt halten muss und mit der anderen
die Bedienheit der Maschine betätigt, ist gewährleistet, dass er nicht in den Gefahrenbereich
greift. Auch die vorgeschriebene Schulung und
Unterweisung schärft das Risikobewusstsein.
Nicht alle Wünsche erfüllt
Damit war schon eine wesentliche Erleichterung
für die Bediener erreicht, ohne das Sicherheitsniveau zu gefährden. Aber es gab noch immer
Wünsche der Maschinenhersteller und –betreiber, die durch die Betriebsart 3 nicht abgedeckt
wurden. Genauer gesagt: Bei der Anwendung
stellte sich heraus, dass es bei bestimmten Einsatzfällen noch immer zu Problemen kam – zum
Beispiel wenn der Bediener eines großen Bearbeitungszentrums einen verdeckten Referenzpunkt anfahren möchte oder wenn er die
Maschine für Hinterschneidungen am
Werkstück einrichtet.
In diesen Fällen kann der zu beobachtende Prozess länger andauern. Der Bediener aber muss
den Zustimmschalter dauerhaft gedrückt halten,
und es ist bei den realistischen Zeiträumen für
die Einrichtarbeiten nicht ausgeschlossen, dass
Komplexe Prozesse lassen sich nicht immer
abbilden
Darüber hinaus ist es gerade bei hochwertigen
Bearbeitungsvorgängen und bei der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung nicht sinnvoll, die
Parametrierung bei reduzierter Geschwindigkeit
durchzuführen: Diese Prozesse sind oft auf definierte Geschwindigkeiten angewiesen. Last but
not least braucht der Bediener bei der Vorbereitung komplexerer Bearbeitungsvorgänge oft beide
Hände – zum Beispiel wenn er den Anstellwinkel
des Werkzeugs und zugleich die Verfahrgeschwindigkeit einstellt. Dann bleibt keine Hand mehr frei,
um den Zustimmschalter gedrückt zu halten.
Betriebsart 4: Prozessbeobachtung
Auf der Basis dieser Überlegungen und Einwände aus der Sicht von Herstellern und Anwendern
haben sich die gesetzgeberischen Gremien darauf geeinigt, eine zusätzliche Betriebsart zu akzeptieren, sofern entsprechende Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Diese – vierte –
Betriebsart wird als „Prozessbeobachtung“ definiert, und sie erlaubt den Betrieb der Maschine
bei geöffneter Schutztür, ohne dass man einen
Zustimmschalter gedrückt halten muss.
Die Betriebsart 4 wird in den Normen noch nicht
behandelt. Jedoch gibt es ein Dokument des
Fachausschusses „Maschinenbau, Fertigungssysteme und Stahlbau“ der Metall-BG Nord-Süd,
das die Rahmenbedingungen für die Anwendung
der neuen Betriebsart absteckt.
Unterschiede zwischen Betriebsart 3 und 4
So ist zum Beispiel ein signifikanter Unterschied
zwischen den beiden Betriebsarten 3 und 4,
dass es in Betriebsart 3 zwar eine (im Vergleich
zu Betriebsart 2) erweiterte, aber dennoch absolute Höchstgrenze für Drehzahlen und Vorschubgeschwindigkeiten gibt, während für die Betriebsart 4 die maximalen Grenzwerte von den
Notwendigkeiten des Prozesses bestimmt werden und deshalb auch höher liegen können.
Man spricht hier von der prozessnotwendigen
Geschwindigkeit.
Nur für geschultes Personal
Zu den Sicherheitsmaßnahmen gehört neben der
Abschaltung der Automatikfunktionen wie z.B.
des automatischen Werkzeugwechsels und
sicher überwachte reduzierte Geschwindigkeiten
auch die Tatsache, dass nur besonders geschultes Personal zur Anwahl dieser Betriebsart befähigt ist. Dies muss auch durch eine separate
Anwahl dieser Betriebsart, z.B. mit einem zweiten
Schlüsselwahlschalter, gewährleistet sein.
Zudem darf diese Betriebsart nur gewählt werden, wenn es dafür zwingende technologische
Notwendigkeiten gibt, wenn die jeweilige Aufgabenstellung also mit den Betriebsarten 1 bis 3
nicht zufriedenstellend zu erfüllen ist: Dann muss
man, so lautet die Sprachregelung, die „Unvermeidlichkeit“ dieser Betriebsart nachweisen.
Sicherheit im System. Schutz für Mensch und Maschine.
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Der Betreiber steht in der Pflicht
Die Betriebsart 4 nimmt somit auch den Maschinenbetreiber in die Pflicht – und das ist ganz im
Sinne der Maschinenrichtlinie. Die zusätzliche
Betriebsart gibt dem geschulten Bediener die
Möglichkeit, im unmittelbaren Blickfeld des
Prozesses z.B. mit einem Handbediengerät die
Werkzeuge einzustellen oder zu verfolgen, ob
die Bearbeitungsparameter stimmen.
Elektronischer Schlüssel für einzelne
Betriebsarten
Für die praktische Umsetzung dieser Regelungen
hat die Schmersal Gruppe einen neuen Schlüsselwahlschalter entwickelt, der über einen zusätzlichen RFID-Transponder verfügt (Bild 3). Der
Transponder erlaubt die Umschaltung der Maschine vom Automatikbetrieb in eine Sonderbetriebsart. Die Berechtigung zur Umschaltung
kann dabei individuell über die RFID-Codierung
definiert werden. So kann z.B. der eine Bediener
einen Schlüssel benutzen, der die Umschaltung
in den Einrichtbetrieb (Betriebsart 3) erlaubt,
während ein anderer Bediener, der entsprechend
geschult und unterwiesen wurde, die Maschine
mit seinem Schlüssel auch in Betriebsart 4 betreiben darf. Weitere Berechtigungsstufen können ebenfalls über den Schlüsselwahlschalter
vergeben werden. Dieser „elektronische Schlüssel“ ist somit ein einfaches und sicheres System,
das eine differenzierte Vergabe von Zugangsberechtigungen erlaubt.
Größere Bewegungsfreiheit dank
Wireless-Technologie
Auch die sicherheitsgerichtete Funkstrecke,
die die Schmersal Gruppe als erster Anbieter
zur Serienreife entwickelt hat (Bild 4), bietet
gerade bei den Sonderbetriebsarten erhebliche
Einsatzvorteile. Der Bediener kann den Prozess
unmittelbar vor Ort beobachten, ohne dass
er durch das Kabel gebunden ist – das ist
besonders bei weitläufigen Maschinen wie
verketteten Anlagen der Blechbearbeitung
oder in der Druck- und Papierindustrie ein
entscheidender Vorteil.
Neue Freiheiten für Konstrukteure und Bediener
Die beiden neuen Betriebsarten zeigen, dass
die Richtlinien und Normen zur Maschinensicherheit durchaus auf die Wünsche der Betreiber im Hinblick auf Produktivität und Praxistauglichkeit eingehen. Der Konstrukteur sollte
diese Freiheiten entschlossen nutzen, um dem
Bediener die Handhabung der Maschine zu erleichtern – zumal ihm Sicherheits-Schaltgeräte
zur Verfügung stehen, mit denen die Betriebsarten in das Sicherheits- und Bedienkonzept
integriert werden können.
Allerdings dürfen die Betriebsarten 3 und 4 nur
dann gewählt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen zutreffen und zahlreiche zusätzliche
sicherheitsgerichtete Maßnahmen realisiert
worden sind, einschließlich der Unterweisung
der Mitarbeiter. Bei Betriebsart 4 muss auch die
Notwendigkeit des Einsatzes nachgewiesen
werden – das ist nachvollziehbar, denn der
Missbrauch dieser Betriebsart lässt sich nur
dann vermeiden, wenn die Bediener sich ihrer
Verantwortung bewusst sind. Um so wichtiger ist
eine klar geregelte Vergabe der Zugangsberechtigung, wie sie der „elektronische Schlüssel“ mit
RFID-Technologie ermöglicht.
Bild 3: Ergonomische Alternative zu kabelgebundenen Systemen:
Mobile ESALAN Wi-reless-Bedienterminals
Sicherheit und Produktivität auf hohem Niveau
Maschinenbauer, die diese Betriebsarten für ihre
Konstruktion nutzen möchten, sind sicherlich gut
beraten, die einschlägigen Normen zu studieren
und evtl. auch Ingenieurbüros hinzuzuziehen, die
sich auf Fragen der Maschinensicherheit spezialisiert haben. Der Aufwand dafür dürfte sich
lohnen, denn Sicherheitskonzepte, die die neuen
Betriebsarten nutzen, führen zu sicheren und
zugleich produktiven Maschinen, die sich einfacher einrichten und parametrieren lassen –
ein Vorteil im Wettbewerb für den Hersteller.
Bildnachweis:
K.A. Schmersal GmbH, Wuppertal
Autor:
Autor: Frank Schmidt, Key Account Automotive
der K.A.Schmersal GmbH, 42279 Wuppertal
Hinweis:
Die Erstveröffentlichung des Fachbeitrags war in
der Fachzeitschrift „S&I-Kompendium, Heft 01/08“
zu lesen. Mit freundlicher Genehmigung der
Schriftleitung und der Autoren.
Sicherheit im System. Schutz für Mensch und Maschine.
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