den Ardennen«

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den Ardennen«
Wandern in den Ardennen
Manuel Andrack genießt den Blick
auf die Ourthe am Hérou-Felsen.
Dieser Ausruf des Opas im Bademantel aus der KlimbimFamilie klingt mir immer noch im Ohr. Denn ich wandere
in den Ardennen, erstmals. Es ist schon komisch, dass
die Ardennen mir absolut neu als Wanderregion sind,
liegt diese wallonische Landschaft weiß Gott nicht hinter
dem Mond, sondern im Herzen Europas: Zwei Stunden
vom Rheinland, zwei Stunden vom Saarland entfernt.
Ein Reisebericht vom Wanderexperten
Manuel Andrack
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Avec Plaisir | Wallonie
© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de
»Damals in
den Ardennen«
Brüssels beste Fritten-Buden
© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de
»Mein Wanderherz
schlägt höher ... um
uns präsentiert sich
ein Naturschauspiel
der Extraklasse.«
I
ch sitze bei einem Tee mit Eric in einem gemütlichen Landhotel von Nadrin am Kamin. Gleich wird es losgehen mit unserer Ardennen-Wanderung.
Mit unserer ersten Wanderung muss man sagen, denn Eric hat geplant,
mir ein ganzes Kaleidoskop von wallonischen Wanderregionen zu präsentieren. Eric ist für die nächsten Tage mein Belgien-Guide. Er kennt sich
sehr gut aus, denn er ist – Belgier. Geboren in Brüssel, aufgewachsen in
Wuppertal. Eric ist sowas wie ein Royalist (ob er das wirklich ernst meint?), vor allem
aber ist er ein Outdoor-Verrückter.
Der Tee ist ausgetrunken, es geht los, die Ourthe ist unser Ziel. Ourthe, schon dieser
Name fasziniert mich, ich habe nie von diesem Fluss gehört, aber die Ourthe schlängelt sich durch die Landschaft, als hätte ein Gartendesigner den Flusslauf kreiert. Mein
Wanderherz schlägt höher, denn der Pfad schlängelt sich wild durch und über unglaubliche Felsen. Schiefer- und Quarzithärtlinge sind das, erklärt mir Eric, sie haben
sich in Jahrmillionen aufgefaltet, aufgerichtet, hochgestapelt. Die Geologie hat ganze
Arbeit geleistet, um uns ein Naturschauspiel der Extraklasse zu präsentieren. Zum
kleinen Picknick hat Eric stilecht eine Flasche Trappistenbier mitgebracht. Belgien
und das Bier, das ist eine spezielle Geschichte, dazu später mehr.
ww w.wandermaga
zin.de
Beschwingt durch die wunderschöne Landschaft und das Trappistenbier lassen wir unsere erste kleine Wanderung ausklingen, indem wir vom Gratweg
hinunter zur Ourthe gehen und uns am Ufer von dem träge dahin fließenden
Fluss verzaubern lassen. Gemütlich, langsam, so scheint der ganze Landstrich
zu sein, auch die Menschen, die in den Ardennen wohnen. Vielleicht ist »träge« zu negativ, sagen wir mal, alle sind sehr entspannt...
© Natal ie Glatter,
© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de
Geografisch gesehen sind
die Ardennen eine Art Verlängerung des Rheinischen
Schiefergebirges (und damit
der Eifel) nach Westen.
Wenn man nicht die Gegend um Bitburg und Prüm
als »Westeifel« bezeichnen
würde, könnte man mit Fug
und Recht auch die Ardennen Westeifel nennen. Aber
das mit der Westeifel hören
die Belgier gar nicht gerne.
Denn die Ardennen sind die
Ardennen. Punktum.
Avec Plaisir | Wallonie
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Wandern in den Ardennen
© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de
Verschnaufpause auf der
Wandertour bei Achouffe
»Ohne Übertreibung einer
der drei besten Talwege,
die ich je gewandert bin.«
W
© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de
enige Kilometer von Nadrin entfernt
liegt Achouffe, ein Ardennen-Ort mit
einer kleinen Brauerei. An dieser Brauerei beginnt ein sehr feiner Rundwanderweg: Sechs Kilometer, die es in sich
haben!
Zunächst geht es los in einem Tal, das sich immer mehr verengt.
»Promenade de la vallée des fées« heißt unser Wanderweg, wir
promenieren also in den Tälern der Feen. Sagengestalten sind in
den Ardennen hoch im Kurs: Feen, Werwölfe, Zwerge. Dann
gehen wir über eine Brücke, später bergan hoch durch üppigen
Ginster. Im Frühjahr ist der Ginster quietschgelb. Kurze Zeit
später erleben wir eine völlig andere Landschaft, es geht in einen
düsteren Fichtenwald, einen richtigen Hänsel-und-Gretel-Wald.
In diesem Wald steigen wir talwärts durch Hohlwege ins nächste
(Feen-)Tal. Im Prinzip führt dieses Tal wieder zurück zum
Ausgangspunkt in Achouffe, aber man ist (Gott sei Dank) noch
lange nicht am Ziel. Denn der Weg ist nun mal das Ziel.
Einen derart bombastisch naturnahen Wanderpfad habe ich
selten erlebt. Ohne Übertreibung
einer der drei besten Talwege, die
ich je gewandert bin. An einem
virilen Bach geht es entlang, wir
laufen über Wurzeln, Felsen,
feuchte und wacklige Stege. Es
gibt auch kurze Kletterpassagen, aber Seile und Ketten sind
weitestgehend unbekannt. Aber
richtig gefährlich ist das alles
nicht, das Schlimmste, das passieren könnte, sind ein paar feuchte
Socken. Wir sehen viele Biberdämme, einige Baumstümpfe am
Wegesrand
weisen die
typischen
Biber-KnabberSpuren auf. Ich bin ein wenig traurig, als wir
wieder in Achouffe ankommen, das war wirklich ein Wanderweg,
den ich direkt noch einmal gehen würde.
»Promenade de la vallée des fées« heißt unser Weg,
wir promenieren also in den Tälern der Feen.
Aber große Trübsal blasen wir keineswegs, weil die Brasserie
lockt, die das im Ort gebraute Bier ausschenkt: Das Chouffe Bier,
eine von hunderten regionalen Bierspezialitäten Belgiens. Ich
versuche alle Sorten der Brauerei zu verkosten. Denn ich liebe
belgisches Bier, jawohl! Und das sagt ein ehemaliger Botschafter
des deutschen Biers. Manche Bier-Puristen mögen nun aufheulen,
und zitieren das deutsche Reinheitsgebot, das in Belgien angeblich
nicht beachtet wird. Oder die Bier-Puristen kommen mit dem
alten Witz: »Wenn du 1.000 Jahre alt werden willst, solltest du
belgisches Bier trinken, denn das Bier in Belgien hat ein Haltbarkeitsdatum bis 3016.«
Alles Unsinn, Konservierungsstoffe haben auch im belgischen Bier
nichts zu suchen. Aber man ist eben etwas experimentierfreudiger:
Ich trinke zum Beispiel das Houblon, gebraut mit drei verschiedenen Hopfensorten. In Deutschland werden dagegen nur zwei
Prozent aller Hopfenarten ausgeschöpft. Ergebnis: Fast alle Biere
schmecken ähnlich. Nicht so in Belgien. Ganz anders als das
Houblon mundet das blonde Chouffe, ein sauberes achtprozentiges Bier. Eric erzählt, dass er immer wie ein Schaf guckt, wenn er
zu viel davon kostet. Der Stoff schmeckt, genauso wie das braune
Chouffe, einfach göttlich, zum Niederknien, süffig, austariert in
den Bitterstoffen, die haben es echt drauf, die Belgier.
© WBT - Emmanuel Mathez
… der erste Ortswechsel
© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de
© WBT - Eva Claushues
Wandern in den Ardennen
Mehr en:
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r
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In
Die Burg von Bouillon an der Semois,
unweit von Corbion
… der zweite Ortswechsel
Am nächsten Morgen. Wir sind in den äußersten Süden Belgiens gefahren, nach Corbion nahe der französischen Grenze.
Wir gehen an natursteingemauerten Häusern vorbei hinaus
aus dem Ort. Im Wald erreichen wir nach wenigen Minuten
den Predigtstuhl, einen Aussichtspunkt oberhalb der Semois.
Die Semois ist die große Schwester der Ourthe, genauso
abenteuerlich trickreich verschlungen. Und wer predigte am
Predigtstuhl? Peter der Eremit war es, der dort oben zu den
Truppen des Gottfried von Bouillon predigte. Das ist Geschichte pur mitten in den Ardennen. Denn kurz vor Beginn
unserer Wanderung hatte ich mir mit dem königstreuen
Eric die Burg von Bouillon angeschaut, die liegt auch an der
Semois, unweit von Corbion. In dieser Burg residierte einst
Gottfried von Bouillon, der erste Kreuzfahrer der Weltgeschichte. Inzwischen wandern Eric und ich bergab zur Semois
hinunter.
Wir könnten nun auch im Tal bleiben,
aber uns lockt ein genialer Aufstieg zu
den Crêtes de Frahan.
»Crêtes« bedeutet Felsgrat. Idyllisch schlängelt sich der
schmale Pfad durch die faszinierende Felsenlandschaft. Wir
rasten an einigen Steinüberresten, die zu einer kleineren Burg
gehörten. Im 21. Jahrhundert kann man in der Gegend von
Corbion jede Menge Natur genießen, vor einigen hundert
Jahren war dort burgentechnisch die Hölle los. Wir wandern
auf einem Bergsporn, zu beiden Seiten unter uns fließt die Semois. In Frahan gehen wir über eine Fußgängerbrücke auf die
andere Flussseite, und dann geht es wieder Richtung Corbion.
Eric zeigt mir eine alte Tabak-Trocken-Scheune. Vom Tabak
und vom Schiefer hat die Region gelebt, bis die Amerikaner
mit ihren Zigaretten kamen. Camel und Lucky Strikes killed
den Tabakanbau der Ardennen.
Der Artikel erscheint noch ausführlicher in der Ausgabe
164 (Mai/Juni 2012) der Zeitschrift Wandermagazin,
erhältlich im Zeitschriftenhandel.
www.wandermagazin.de
Belgische Arden
nen
Alle im Artikel beschriebenen Wanderungen und
insgesamt 24 Wandertouren in den Ardennen
finden Sie im Pocket-Guide, herausgegeben vom
Wandermagazin in Zusammenarbeit mit Belgien
Tourismus. Zu bestellen bei Belgien Tourismus.
www.belgien-tourismus.de
WAND ERN
IN DER WALLO
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24 WANDERTOU
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IN SÜDBELGIEN
Ein Pockeguid
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Zeitschrift Wanderm
agazin
Belgien Tourism
Wallonie • Brüssel
Wanderreise in die Wallonie buchen:
Zwölf Tage Belgien mit Wikinger-Reisen: Per pedes
entdeckt man unter anderem die waldreichen
Hügel und unendliche Fluss-Schleifen in den
Ardennen. Mehr Infos auf
www.wikinger-reisen.de
Weitere Publikationen:
Die schönsten Wanderungen Ost­belgiens.
Herausgegeben vom ­Verkehrsamt der
Ostkantone. www.eastbelgium.com
Rother Wanderführer »Ardennen – Hohes
Venn«. Mit 50 Wandertouren in den belgischen
Ardennen. Im Buchhandel erhältlich.
www.rother.de
Nun, nach den wallonischen Wanderabenteuern steht uns
sowieso nicht der Sinn nach einem Glimmstengel, sondern wir
sind bereit für ein gutes Essen und einen exzellenten Wein.
Dafür machen wir einen dritten Ortswechsel und fahren zur
Auberge du Sabotier nach Awenne bei Saint Hubert. Wir
genießen ein großartiges Menü bei Luc Dewalque, dem Chef
des Hauses, trinken dazu die formidablen Weine aus seinem
Weinkeller und denken an die vergangenen Wanderabenteuer
in den Ardennen, wie an einen schönen Traum. Damals in den
Ardennen eben…
Avec Plaisir | Wallonie
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