Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Marcus Lau* Trotz des
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Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Marcus Lau* Trotz des
Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Marcus Lau* Trotz des vordringenden europäischen Rechts ist die praktische Bedeutung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung weiterhin von Bedeutung. Sie war bereits in der Erstfassung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 10. November 1976 enthalten. Mit dem sog. Baurechtskompromiss 1993, dem Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (BauROG) 1998 sowie dem Gesetz zur Neuregelung des Naturschutzes und der Landschaftspflege 2002 ist die Eingriffsregelung bereits mehrfach und zum Teil erheblich geändert worden. Inzwischen hat der Bundesgesetzgeber die seit der Föderalismusreform 2006 bestehende Möglichkeit genutzt und auch auf dem Gebiet des Naturschutzes eine bundesrechtliche Vollregelung durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege 2009 getroffen, welches am 1. März 2010 in Kraft getreten ist. Dieses hat auch bei der Eingriffsregelung zu mehreren Änderungen mit praktischen Konsequenzen geführt. Da nunmehr bereits ein Jahr seit dem Inkrafttreten dieser Neuregelung vergangen ist und zwischenzeitlich mehrere Äußerungen zumindest der Literatur zur geänderten naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung vorliegen, erscheint sowohl für den Praktiker als auch für den Akademiker ein ausführlicheres „Update“ sinnvoll. Dem dient der nachstehende Beitrag. 1 Einleitung Die jüngste Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 27. Juli 20091 ist auch an der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nicht spurlos vorübergegangen. Obgleich man meinen könnte, das europäische Gebietsschutzrecht und das besondere Artenschutzrecht haben der Eingriffsregelung zwischenzeitlich den Rang abgelaufen, ist die Eingriffsregelung als das wichtigste Instrument für einen flächendeckenden Mindestschutz nach wie vor von unschätzbarem Wert für den Naturschutz und die Landschaftspflege. Ursprünglich angetreten mit dem Ziel, dem fortschreitenden Landschaftsverbrauch Einhalt zu gebieten,2 kann sie als das zentrale Instrument des modernen Naturschutzrechts3 und als die einfachrechtliche „Fleischwerdung“ des Nachhaltigkeitsprin- * Dr. Marcus Lau, Rechtsanwälte Füßer & Kollegen, Leipzig, Deutschland. 1 BGBl. I S. 2542. 2 Vgl. BT-Dr. 7/5251, S. 3. 3 Plogmann, Naturschutzrechtliche Konfliktbewältigung, Osnabrück 2000, S. 22. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 2 von 35 zips4 bezeichnet werden. Von ihrer Grundkonzeption her sieht die Eingriffsregelung vor, dass zu befürchtende erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu vermeiden sind und unvermeidbare Beeinträchtigungen kompensiert werden müssen. Damit trägt die Eingriffsregelung der expliziten Ausgleichspflicht einiger Landesverfassungen5 und dem nicht zuletzt auch im Grundgesetz verankerten Kompensationsprinzip6 Rechnung. Zugleich erfüllt sie auf diese Weise die implizite unionsrechtliche Verpflichtung nach Art. 5 Abs. 3 Spiegelstr. 2 und Art. 9 Abs. 1 Spiegelstr. 3 UVP-RL7 Vorschriften vorzuhalten, die materiellrechtlich die Kompensation von Umweltbeeinträchtigungen ermöglichen.8 Schließlich gehört die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung – zumindest in ihrer Grundkonzeption – als ein zentrales Instrument des Naturschutzes zu den abweichungsfesten allgemeinen Grundsätzen des Naturschutzes i. S. d. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GG.9 Der Bundesgesetzgeber ist ebenfalls dieser Meinung10 und hat den aus seiner Sicht abweichungsfesten Kern der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nunmehr in § 13 BNatSchG normiert. Danach sind erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vom Verursacher vorrangig zu vermeiden; nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen sind durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder, soweit dies nicht möglich ist, durch einen Ersatz in Geld zu kompensieren. In den Details (§§ 14 ff. BNatSchG) ist vieles unverändert geblieben, an nicht wenigen Stellen gab es aber auch zum Teil erhebliche inhaltliche Änderungen, die nicht ohne Wirkung auf das „Gesamtkunstwerk“ der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung geblieben sind. In der wechselvollen Geschichte der Eingriffsregelung11 ist damit ein weiteres Kapitel aufgeschlagen worden. Diese „neue“ naturschutzrechtliche Eingriffsregelung wird im Folgenden dargestellt, 4 Thomerius/Magsig, Taugt „nachhaltige Entwicklung“ als Leitbild oder Rechtsprinzip?, ZfU 2004, 431/432 f. 5 Art. 141 Abs. 1 S. 3 BayVerf; Art. 11a Abs. 2 BremVerf; Art. 39 Abs. 5 S. 1 BbgVerf; Art. 12 Abs. 4 LVerf MV; Art. 35 Abs. 3 Verf LSA; Art. 59a Abs. 1 S. 2 SaarVerf; Art. 31 Abs. 2 S. 3 ThürVerf. 6 Hierzu Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, Tübingen 1999. 7 Richtlinie 85/337/EWG des Rates v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. EU L 175, S. 40, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2003/35/EG v. 26.5.2003, ABl. EU L 156, S. 17. 8 Vgl. Louis, Die Gesetzgebungszuständigkeit für Naturschutz und Landschaftspflege nach dem Gesetzesentwurf zur Föderalismusreform, ZUR 2006, 340/342. 9 Statt vieler Köck/Wolf, Grenzen der Abweichungsgesetzgebung im Naturschutz, NVwZ 2008, 353/356 ff.; Schulze-Fielitz, Umweltschutz im Föderalismus – Europa, Bund und Länder, NVwZ 2007, 249/257; Louis, Die Entwicklung der Eingriffsregelung, NuR 2007, 94/99; aus jüngerer Zeit Franzius, Die Zukunft der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, ZUR 2010, 346/348 f. 10 Vgl. BT-Dr. 16/767, S. 5 f. 11 Hierzu Louis (Fn. 9), S. 94 ff. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 3 von 35 wobei der Schwerpunkt auf den für die Praxis relevanten Neuerungen liegt, aber auch ein – freilich nicht vollständiger – Gesamtüberblick über die Regelungsmaterie gegeben wird. Auf die städtebauliche Eingriffsregelung nach § 1a Abs. 3 BauGB, deren Verwandtschaft zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zwar unverkennbar ist, die sich aber in ihrer Regelungskonzeption immer noch deutlich von ihrer Basis unterscheidet, wird hier schon aus Raumgründen nicht eingegangen. Gleiches gilt hinsichtlich der Besonderheiten der nunmehr über § 56 Abs. 1 BNatSchG erstreckten Anwendung der Eingriffsregelung auf das Küstenmeer und die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ).12 2 Eingriff Was das Bundesnaturschutzgesetz unter einem Eingriff in Natur und Landschaft versteht, wird nunmehr in § 14 Abs. 1 definiert. Erfasst sind – wie früher – Veränderungen der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können (2.1). § 14 Abs. 2 und 3 BNatSchG sieht einige Privilegierungen für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor (2.2). Die bundesrechtliche Eingriffsdefinition ist im Übrigen – jedenfalls in ihrem Kern – abweichungsfest (2.3). 2.1 Legaldefinition des § 14 Abs. 1 BNatSchG Den Begriff des Eingriffs machen drei Tatbestandselemente aus: Es müssen ein Grundflächenbezug bestehen (2.1.1), bestimmte Verletzungshandlungen vorliegen (2.1.2) und die Möglichkeit bestimmter Verletzungsfolgen gegeben sein (2.1.3). 2.1.1 Bezug zur Grundfläche § 14 Abs. 1 BNatSchG knüpft zunächst an die Grundfläche inklusive des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegel an. Unter „Grundfläche“ ist dabei nicht nur die Erdoberfläche bzw. ein Teil der Erdoberfläche zu verstehen, sondern auch deren künstlich geschaffenen Bestandteile i. S. d. § 94 BGB (insbesondere Gebäude).13 Der Begriff der Grundfläche umfasst auch Wasserflächen.14 Maßnahmen über oder unter der Erdoberfläche werden hingegen grundsätzlich nicht erfasst.15 So kann das bloße Überfliegen eines bestimmten Areals mit Luftfahrzeugen zwar durchaus ein Projekt i. S. d. 12 Hierzu Wolf, Eingriffsregelung in der AWZ, ZUR 2010, 365 ff. 13 Marzik/Wilrich, BNatSchG, Baden-Baden 2004, § 18 Rdnr. 6. 14 VGH München, Urt. v. 21.4.1998 – 9 B 92.3454, NuR 1999, 153/154. 15 Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, Berliner Kommentar zum BNatSchG, Berlin 2011, § 14 Rdnr. 16; Louis (Fn. 9), S. 95. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 4 von 35 § 34 Abs. 1 S. 1 BNatSchG sein,16 nicht aber ein Eingriff nach § 14 Abs. 1 BNatSchG. Gleiches gilt mit Blick auf untertägige Bergbauvorhaben. Anders verhält es sich hingegen mit solchen Unternehmungen, die ihre (möglicherweise) schädlichen Wirkungen zwar ebenfalls erst in der Luft oder unter der Erde entfalten, aber in untrennbarem örtlichem Zusammenhang mit einer bestimmten Nutzung der Erdoberfläche stehen, wie das etwa beim Abbrennen von Feuerwerken, dem Betrieb von Modellflugzeugen17 oder der Vornahme von Bodenbohrungen der Fall sein kann. Seit 2002 stellt das Bundesnaturschutzgesetz zudem klar, dass auch das mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehende Grundwasser in den Eingriffsbegriff einzubeziehen ist, dies jedoch nur soweit, wie das Grundwasser für die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts von Bedeutung ist.18 Der Gesetzgeber hat damit insbesondere auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 24. Juni 199619 reagiert, das seinerzeit geurteilt hatte, dass die Neubewilligung der Grundwasserförderung aus einem bestehenden Tiefbrunnen kein Eingriff im Sinne der Eingriffsregelung darstelle. 2.1.2 Verletzungshandlungen Vom Eingriffsbegriff erfasste Verletzungshandlungen sind die Veränderung der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen oder die Veränderung des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels. Eine Veränderung ist eine Abweichung des jetzigen vom bisherigen Zustand.20 Ob der geänderte Zustand ein natürlich gewachsener oder von Menschenhand geschaffener ist, ist irrelevant.21 „Gestalt“ meint grundsätzlich sowohl das geomorphologische Erscheinungsbild als auch den Pflanzenbestand der betreffenden Fläche.22 Nicht tatbestandsmäßig sind solche Gestaltänderungen, die durch natürliche Einflüsse wie etwa Lawinen oder Überschwemmungen verursacht werden; vielmehr bedarf es stets eines menschlichen Zutuns bzw. Unterlassens.23 Durchaus erfasst werden aber auch nur mittelbar anthropogen bewirkte Gestaltänderungen, sofern diese adäquatkausal der betreffenden menschlichen Handlung zugerechnet werden können. Die 16 Vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 21.4.2008 – 2 M 94/08, NuR 2008, 867/868. 17 Dieser Fall hat die Gerichte bereits mehrfach beschäftigt, siehe nur OVG Lüneburg, Urt. v. 16.2.1995 – 1 L 6044/92, NuR 1995, 371 ff.; VGH Mannheim, Urt. v. 28.12.1990 – 8 S 1579/90, NuR 1992, 126 ff. 18 Vgl. BT-Dr. 14/6378, S. 48. 19 OVG Lüneburg, Urt. v. 24.6.1996 – 3 L 4259/94, NuR 1997, 253 ff. 20 Berchter, Die Eingriffsregelung im Naturschutzrecht, Baden-Baden 2007, S. 42. 21 OVG Münster, Beschl. v. 17.2.1994 – 10 B 350/94, NuR 1994, 453/454. 22 Koch, in: Kerkmann, Naturschutzrecht in der Praxis, 2. Aufl. (2010), § 4 Rdnr. 17. 23 OVG Koblenz, Urt. v. 18.9.1986 – 8 A 77/84, NuR 19987, 275/277. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 5 von 35 Diskussion um die sog. Critical Loads im Rahmen der FFHVerträglichkeitsprüfung24 ist damit auch für die Eingriffsregelung von Relevanz; denn lassen sich in fachlich vertretbarer Weise einem bestimmten Vorhaben Stickstoffdepositionen zurechnen, so kann dies bei nährstoffarmen Böden durchaus eine tatbestandliche landschaftswirksame Veränderung des Pflanzenbestands zur Folge haben.25 „Nutzung“ ist jedes Verwenden einer Fläche für einen bestimmten Zweck.26 Eine Nutzungsänderung liegt sodann bei Veränderungen der bisher ausgeübten Bodennutzung vor, sofern diese eine erhebliche Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes bewirken kann.27 Ausgenommen sind jedoch bloße Nutzungsintensivierungen, bei denen die – meist genehmigte – bisherige Nutzung beibehalten wird und lediglich eine Veränderung innerhalb der Variationsbreite dieser Nutzung erfolgt.28 Ebenfalls ausgenommen sind Unterhaltungsmaßnahmen.29 2.1.3 Verletzungsfolgen Zu einem Eingriff in Natur und Landschaft werden die vorgenannten Handlungen nur dann, wenn sie die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG definiert den Begriff des Naturhaushalts als die Naturbestandteile Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen. Eine Beeinträchtigung des Naturhaushalts beinhaltet mithin immer eine Beeinträchtigung bestimmter natürlicher Strukturen, Funktionen und Prozesse.30 Mit „Leistungs- und Funktionsfähigkeit“ ist das Funktionieren der ökologischen Systeme gemeint, wobei alle Faktoren des Wirkungsgefüges des Naturhaushalts umfasst werden.31 Dabei ist nicht nur der Status quo 24 Siehe hierzu Balla et al., Critical Loads als geeigneter Maßstab für die FFHVerträglichkeitsprüfung, NuL 2010, 367 ff. einerseits und Battefeld, Critical Loads als Bewertungsmaßstab geeignet?, NuL 2010, 372 ff. andererseits. 25 A.A. Koch (Fn. 22), der stoffliche Einträge abschließend im BImSchG, WHG und Bundesbodenschutzgesetz geregelt sieht; ebenfalls a.A. Plogmann (Fn. 3), S. 37 mit dem Verweis darauf, dass eigentliche Zielstellung der Eingriffsregelung die Reduzierung des direkten Flächenverbrauchs sei. 26 OVG Lüneburg, Urt. v. 16.2.1995 – 1 L 6044/92, NuR 1995, 371/373. 27 Berchter (Fn. 20), S. 46 m.w.N. 28 Gassner/Heugel, Das neue Naturschutzrecht, München 2010, Rdnr. 262 f.; Plogmann (Fn. 3), S. 37; a.A. Guckelberger (Fn. 15), § 14 Rdnr. 21; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Losebl. (Stand: Jul. 2009), § 18 BNatSchG Rdnr. 9. 29 Das gilt auch für die sog. gesteigerte Unterhaltung, vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 5.12.2001 – 9 A 13.01, NVwZ 2002, 470/472. 30 VG Darmstadt, Urt. v. 28.11.1990 – II/3 E 530/87, NuR 1991, 390/394. 31 Marzik/Wilrich (Fn. 13), § 18 Rdnr. 18 m.w.N. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 6 von 35 in den Blick zu nehmen,32 sondern auch die vorhandenen, aber zurzeit nicht aktualisierten Potenziale. Dies impliziert der vom Gesetzgeber verwendete Begriff der Fähigkeit, was so viel bedeutet wie „im Stande sein“ bzw. „zu etwas in der Lage sein“.33 Das Bundesverwaltungsgericht hat diese dynamische Betrachtungsweise jedoch auf Fälle beschränkt, in denen eine entsprechend hochwertige künftige naturräumliche Entwicklung auch tatsächlich zu erwarten ist.34 Dem ist zuzustimmen, soweit es lediglich darum geht, bloße Visionen und Hoffnungen als Maßstab auszuscheiden.35 Als weitere relevante Alternative nennt § 14 Abs. 1 BNatSchG erhebliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes. Anders als bei der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts geht es hier nicht um ökologische Zusammenhänge, sondern um den in wertender Betrachtung durch den Menschen definierten, sinnlich wahrnehmbaren äußeren Wert des betreffenden Gebietes.36 Mit der Einbeziehung des Landschaftsbildes in den Begriff des Eingriffs trägt die Eingriffsregelung dem allgemeinen Ziel des Erhalts und der Wiederherstellung des Erholungswertes von Natur und Landschaft gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG Rechnung. Von dieser funktionellen Bedeutung her ist der Begriff des Landschaftsbildes zu verstehen.37 Das Landschaftsbild wird demnach zwar maßgeblich durch die optischen Eindrücke für den Betrachter bestimmt, prägend können daneben aber auch andere sinnliche Eindrücke wie z. B. Geräusche oder Gerüche sein.38 Eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist gegeben, wenn die jeweilige Veränderung von einem für die Schönheit der natürlichen Landschaft aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig empfunden wird.39 Das bloße Kurzhalten von Rasen stellt damit noch keine eingriffsrelevante Veränderung der Gestalt der Grundfläche dar.40 Tatbestandsmäßig sind des Weiteren Beeinträchtigungen der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts bzw. des Landschaftsbildes nur, wenn sie erheblich sind. Der nicht nur im Naturschutzrecht sehr häufig gebrauchte unbe32 So aber bspw. noch Sparwasser/Wöckel, Einzelmaßnahmen der Eingriffskompensation: Möglichkeiten und Grenzen der landesrechtlichen Umsetzung, UPR 2004, 246/248. 33 So bereits Eissing/Louis, Rechtliche und fachliche Anforderungen an die Bewertung von Eingriffen, NuR 1996, 485/488. 34 BVerwG, Urt. v. 16.12.2004 – 4 A 11.04, NuR 2005, 398/399. 35 Zum Ganzen auch Götze/Lau, Naturschutzrechtliches Vermeidungsgebot und künftige naturräumliche Entwicklung – Zur Eingriffsbewertung bei ökologischen „Potentialstörungen“, DVBl. 2006, 415 ff. 36 OVG Münster, Urt. v. 30.6.1999 – 7a D 144/97.NE, NuR 2000, 173/175. 37 VG Darmstadt, Urt. v. 28.11.1990 – II/3 E 530/87, NuR 1991, 390/397. 38 Vgl. VGH München, Urt. v. 23.3.1993 – 8 B 86.3258, ZfW 1994, 287/289. 39 BVerwG, Urt. v. 27.9.1990 – 4 C 44.87, BVerwGE 85, 348/359. 40 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 16.2.1995 – 1 L 6044/92, NuR 1995, 371/373. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 7 von 35 stimmte Rechtsbegriff der Erheblichkeit41 ist der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte geschuldet. Sinn und Zweck der Erheblichkeitsschranke besteht letztlich darin, Bagatellen schon auf Tatbestandsebene auszuscheiden.42 Inwieweit eine Beeinträchtigung erheblich ist, muss daher anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.43 Dabei sind mit Blick auf die Leistungsund Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts insbesondere die diesbezügliche Bedeutung der betroffenen Flächen, die Größe der durch das Vorhaben beeinträchtigten Fläche, die Dauer der Einwirkungen, das Vorkommen seltener Pflanzenund Tierarten und die Funktion der Flächen in ihrer Vernetzung mit anderen Flächen maßgeblich.44 Eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist dann erheblich, wenn das betreffende Vorhaben in seiner Umgebung als Fremdkörper in einem von gleichartigen Störungen bislang weitgehend unberührten Raum und damit als „landschaftsfremdes Element“ besonders in Erscheinung tritt.45 Die Beeinträchtigung muss jeweils deutlich spürbar sein, was auch dann der Fall sein kann, wenn sie nicht von Dauer ist.46 Vorbelastungen sind regelmäßig schutzmindernd in die Betrachtung mit einzubeziehen.47 Etwas anderes gilt indes in den sog. Summationsfällen, also wenn die betreffende Handlung für sich gesehen zwar noch unterhalb der Erheblichkeitsschwelle anzusiedeln ist, in Zusammenschau mit den bestehenden ebenfalls unerheblichen Vorbelastungen aber die Erheblichkeitsschwelle reißt, das Fass also gleichsam zum Überlaufen bringt. Gar nicht berücksichtigungsfähig sind hingegen solche Vorbelastungen, die einem rechtswidrigem Zustand geschuldet und – aus anderem Rechtsgrund – zu beseitigen sind, wie z. B. die unerlaubte Ablagerung von Abfall.48 Nicht angängig ist auch, unter Verweis auf die Vorbelastung von einem nicht mehr weiter verschlechterbaren Zustand auszugehen; eine Verschlechterung ist grundsätzlich immer möglich.49 Die erheblichen Beeinträchtigungen der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts bzw. des Landschaftsbildes müssen schließlich lediglich möglich sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Eintritt dieser Verletzungsfolgen infolge der 41 Vgl. hierzu Thyssen, Wann ist erheblich „erheblich“?, NuR 2010, 9 ff. 42 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 16.12.2009 – 4 LC 730/07, NuR 2010, 133/135; OVG Münster, Urt. v. 30.6.1999 – 7a D 144/97.NE, NuR 2000, 173/175; OVG Saarlouis, Urt. v. 16.2.1990 – 7 M 1/88, NuR 1992, 348/349. 43 Gassner/Heugel (Fn. 28), Rdnr. 281. 44 OVG Lüneburg, Urt. v. 16.2.1995 – 1 L 6044/92, NuR 1995, 371/373. 45 OVG Lüneburg, Urt. v. 21.11.1996 – 7 L 5352/95, NuR 1997, 301/302. 46 VG Karlsruhe, Urt. v. 29.6.1989 – 1 K 208/87, NuR 332/333. 47 Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 24.6.1983 – 5 S 2201/82, NuR 1983, 276/278. 48 Vgl. VGH Kassel, Urt. v. 12.2.1993 – 4 UE 3399/90, NuR 1993, 334/337. 49 Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 15.11.1994 – 5 S 1602/93, NuR VGH München, Urt. v. 4.11.1981 – 8 B 1306/79, NuR 1982, 108/109. 1995, 358/361; Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 8 von 35 betreffenden tatbestandlichen Handlung im Sinne einer realen Möglichkeit nicht gänzlich unwahrscheinlich ist.50 2.2 Privilegierung der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft Nach wie vor privilegiert das Bundesnaturschutzgesetz die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft bereits auf Tatbestandsseite in zweierlei Weise – zum einen durch die Freistellungsklausel des § 14 Abs. 2 (2.2.1) und zum anderen durch die Rückholklausel des § 14 Abs. 3 (2.2.2). 2.2.1 Freistellungsklausel des § 14 Abs. 2 BNatSchG Gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 BNatSchG ist die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung nicht als Eingriff anzusehen, soweit dabei die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. Dies ist gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 BNatSchG insbesondere dann der Fall, wenn sie den in § 5 Abs. 2 bis 4 BNatSchG genannten sowie den sich aus § 17 Abs. 2 BBodSchG ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis entspricht. Die Vorschrift entspricht § 18 Abs. 2 BNatSchG a. F., sie statuiert eine unwiderlegliche Vermutung.51 Zur landwirtschaftlichen Bodennutzung gehören der Ackerbau, die Weidewirtschaft, der Weinbau, der Obstbau, der Erwerbsgartenbau, das Mähen und das Pflügen sowie die Tierzucht; Letzteres wegen des erforderlichen Bodenbezugs in Anlehnung an § 201 BauGB jedoch nur, soweit die Tiere überwiegend durch Futter ernährt werden könnten, welches auf den zum Betrieb gehörenden Flächen produziert wird.52 Ist dies nicht der Fall, nimmt die Tierzucht regelmäßig eher industrielle Gestalt an. Erfasst wird des Weiteren nur die erwerbsmäßige land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und nicht auch die bloße Liebhaberei, wie bereits der Begriff „wirtschaftlich“ nahe legt.53 Privilegiert ist im Übrigen lediglich die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung als solche. Nicht freigestellt sind hingegen die sonstigen mit ihr in Zusammenhang stehenden vorbereitenden oder dienenden Handlungen, wie etwa die Errichtung von Gebäude, die Anlage von Wegen, die Beseitigung von Feldrainen, die Erweiterung der Nutzfläche, der Grünlandumbruch oder die Drainierung genutzter Flächen.54 Ebenfalls nicht privilegiert ist die Nutzungsaufnahme, also die erstmalige Begründung einer land-, forst- oder fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung55 sowie der 50 Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 18.7.1997 – 21 B 1717/94, NuR 1997, 617/619, das von konkreten Anhaltspunkten spricht. 51 Guckelberger (Fn. 15), § 14 Rdnr. 54. 52 Guckelberger (Fn. 15), § 14 Rdnr. 60 m.w.N. 53 Vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 12.7.1985 – 4 TH 530/85, NuR 1986, 126/127. 54 Hierzu mit weiteren Beispielen Gassner/Heugel (Fn. 28), Rdnr. 289 f. 55 Vgl. BVerwG, Urt. v. 13.4.1983 – 4 C 76.80, BVerwGE 67, 93/94. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 9 von 35 Wechsel zwischen Kulturarten, was nicht nur den Wechsel von der Landwirtschaft zur Forstwirtschaft, sondern auch den Wechsel beispielsweise von einer Walnussbaumanlage zum Ackerbau umfasst.56 Im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung vom Eingriffsbegriff ausgenommen ist die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung sodann nur, soweit dabei die sich aus § 1 BNatSchG ergebenden Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. Da diese Zielvorgaben in starkem Maße konkretisierungsbedürftig sind, sieht § 14 Abs. 2 S. 2 BNatSchG im Wege einer nunmehr widerleglichen Vermutung vor, dass Gleiches „in der Regel“ auch für die der guten fachlichen Praxis entsprechende land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung gilt. Problematisch ist insoweit, dass die Grundsätze der guten fachlichen Praxis ihrer Konzeption nach ebenfalls nicht auf unmittelbare Anwendung, sondern auf weitere Ausgestaltung angelegt sind und es ihnen in weiten Teilen für eine echte Handlungsanleitung an dieser Konkretisierung noch fehlt.57 2.2.2 Rückholklausel des § 14 Abs. 3 BNatSchG Sodann gilt die Wiederaufnahme einer land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung gemäß § 14 Abs. 3 BNatSchG nicht als Eingriff, wenn diese zeitweise eingeschränkt oder unterbrochen war auf Grund vertraglicher Vereinbarungen oder auf Grund der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung und wenn die Wiederaufnahme innerhalb von 10 Jahren nach Auslaufen der Einschränkung oder Unterbrechung erfolgt (Nr. 1) oder auf Grund der Durchführung von vorgezogenen Kompensationsmaßnamen, die vorgezogene Maßnahme aber nicht für eine Kompensation in Anspruch genommen wird (Nr. 2). § 14 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG ist neu, wohingegen die Regelung der Nr. 1 bereits in § 18 Abs. 3 BNatSchG a. F. enthalten war, nunmehr aber um die Festlegung der Auslaufsfrist auf 10 Jahre präzisiert wurde. § 14 Abs. 3 BNatSchG soll die Akzeptanz gegenüber dem Vertragsnaturschutz nach § 3 Abs. 3 BNatSchG steigern. Standen doch gerade die Landwirte dem Vertragsnaturschutz oftmals skeptisch gegenüber, da sie befürchteten, nach Ablauf der Vertragslaufzeit die frühere Nutzung nur noch unter Beachtung der Vorgaben der Eingriffsregelung wieder aufnehmen zu können.58 Gleiches gilt mit Blick auf Flächen, die in Flächen- oder Maßnahmenpools eingestellt werden. Daraus folgt zugleich, dass mit „öffentliche Programme zur Bewirtschaftungsbeschränkung“ i. S. d. 56 Guckelberger (Fn. 15), § 14 Rdnr. 57. 57 Köck, Rechtliche Handlungsrahmen und Instrumente für die Erhaltung der Biodiversität in Kulturlandschaften, NuR 2010, 530/534 m.w.N. 58 Scheidler, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im BNatSchG 2010, UPR 2010, 134/137. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 10 von 35 § 14 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG nur solche Programme gemeint sind, die zumindest auch dem Schutz von Natur und Landschaft dienen.59 Privilegiert ist jedoch lediglich die Wiederaufnahme der bisherigen und nicht auch einer neuen, andersartigen Bodennutzung.60 Die Zehnjahresfrist in § 14 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG markiert eine absolute zeitliche Grenze, da es gerade keine sanktionslose Nutzungswiederaufnahme auf Ewigkeit geben soll. Mithin handelt es sich hierbei um eine materielle Ausschlussfrist im engeren Sinne, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zugänglich ist.61 Im Übrigen impliziert der systematische Zusammenhang mit § 14 Abs. 2 BNatSchG nicht, dass nur die Wiederaufnahme der naturverträglichen bzw. der der guten fachlichen Praxis entsprechenden land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung privilegiert ist; vielmehr handelt es sich bei § 14 Abs. 3 BNatSchG um eine selbständige Regelung.62 2.3 Abweichungsfestigkeit des Eingriffsbegriffs Da der Begriff des Eingriffs Ausgangspunkt der zu den allgemeinen Grundsätzen des Naturschutzes gehörenden Eingriffsregelung ist, können die Länder zumindest keine von § 14 Abs. 1 BNatSchG abweichende Regelung treffen.63 Während § 14 Abs. 2 und 3 BNatSchG noch zu detailliert ausfällt, um zu den abweichungsfesten allgemeinen Grundsätzen des Naturschutzes zu zählen,64 enthält § 14 Abs. 1 BNatSchG eine trotz der Vielzahl von Tatbestandsmerkmalen sehr allgemein gehaltene Richtvorgabe. Mit ihr steht und fällt die Eingriffsregelung. Daher ist die Konkretisierung der Definition des Eingriffs durch die von den meisten Landesgesetzgebern zu Rate gezogenen Positiv- und Negativlisten zumindest in Bezug auf die Negativlisten nicht unproblematisch, da diese doch von der gesetzgeberischen Intention her häufig nicht nur den Eingriffsbegriff konkretisierten, sondern echte Privilegierungen vorsahen.65 Nicht alle Landesgesetzgeber, die nach Verkündung des aktuellen Bundesnaturschutzgesetzes tätig geworden sind, haben dies beachtet. So sieht § 10 Abs. 3 Nr. 4 BbgNatSchG vor, dass die Errichtung von Lärmschutzwällen, sofern keine gesetzlich geschützten Biotope, Naturschutzgebiete oder Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung davon betrof59 Guckelberger (Fn. 15), § 14 Rdnr. 71. 60 Vgl. Gellermann (Fn. 28), § 18 BNatSchG Rdnr. 22. 61 Hierzu Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. (2010), § 60 Rdnr. 24 f. 62 Guckelberger (Fn. 15), § 14 Rdnr. 67. 63 Koch (Fn. 22), § 4 Rdnr. 20-23; Franzius, (Fn. 9), S. 351; a.A. Berghoff/Steg, Das neue Bundesnaturschutzgesetz und seine Auswirkungen auf die Naturschutzgesetze der Länder, NuR 2010, 17/23; wohl auch Funke, Die Auswirkungen des neuen Bundesnaturschutzgesetzes auf die Eingriffsregelung des Landesrechts, SächsVBl. 2010, 153/154. 64 Guckelberger (Fn. 15), § 14 Rdnr. 5. 65 Kritisch auch Franzius (Fn. 9), S. 351. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 11 von 35 fen sind, nicht als Eingriffe i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG gelten. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 HmbNatSchG66 sind keine Eingriffe die regelmäßige Unterhaltung von bestimmungsgemäß zu Zwecken des Hafenentwicklungsgesetzes genutzten Gewässern, die wesentliche Umgestaltung von regelmäßig unterhaltenen Gewässern, welche bestimmungsgemäß zu Zwecken des Hafenentwicklungsgesetzes genutzt werden, die Herstellung von Gewässern im Bereich versiegelter Flächen und der Ausbau von Kaimauern im Bereich verbauter Ufer. § 6 Abs. 2 Nr. 1 HmbNatSchG erweitert die Freistellung auf Maßnahmen des öffentlichen und privaten Hochwasserschutzes innerhalb der Grundfläche vorhandener Hochwasserschutzanlagen oder im Bereich versiegelter Flächen.67 Schließlich sind gemäß § 8 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 SächsNatSchG68 und § 8 Nr. 2 LNatSchG SH69 Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern nicht als Eingriff anzusehen. Gemäß § 8 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 SächsNatSchG gelten Maßnahmen zur Abwehr einer konkreten Hochwassergefahr an Deichen, Deichschutzstreifen, Talsperren, Wasserspeichern, Rückhaltebecken und sonstigen Hochwasserschutzanlagen sowie Unterhaltungsmaßnahmen an diesen Anlagen nicht als Eingriff. All diese Vorschriften wird man daher in verfassungskonformer Auslegung als widerlegliche Vermutungen zu verstehen haben, wie dies etwa § 4 Abs. 2 LG NRW70 und § 18 Abs. 4 NatSchG LSA71 explizit regeln („in der Regel kein Eingriff“). 3 Rechtsfolgen Die den Verursacher eines Eingriffs treffenden Rechtsfolgen werden in § 15 BNatSchG geregelt. Anders als in § 19 Abs. 2 S. 1 BNatSchG a. F. heißt es dort nicht mehr, dass der Verursacher eines Eingriffs entsprechend zu verpflichten, sondern dass er entsprechend verpflichtet ist. Damit gelten die in § 15 BNatSchG normierten Verursacherpflichten unmittelbar kraft Gesetzes; we- 66 Hamburgisches Gesetz zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 11.5.2010, HmbGVBl. 2010, S. 350. 67 Das solche Maßnahmen aber durchaus einen Eingriff i.S.d. § 14 Abs. 1 BNatSchG darstellen können erläutern etwa Sparwasser/Wöckel, Ökologische Flutungen von Rückhalteräumen zum Hochwasserschutz und naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, NVwZ 2007, 764 ff. anschaulich. 68 Sächsisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege vom 3.7.2007, SächsGVBl. 2007, S. 110; zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 23.9.2010, SächsGVBl. 2010, S. 270. 69 Gesetz zum Schutz der Natur vom 24.2.2010, GVBl. SH 2010, S. 301. 70 Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft vom 21.7.2000, GVBl. NRW 2000, S. 568; zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16.3.2010, GVBl. NRW 2010, S. 185. 71 Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.7.2004, GVBl. LSA 2004, S. 454; zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 16.12.2009, GVBl. LSA 2009, S. 708, 716. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 12 von 35 gen ihrer Unbestimmtheit bedürfen sie jedoch noch der behördlichen Konkretisierung.72 Liegt eine solche konkretisierende Behördenentscheidung vor, so ist diese zunächst maßgeblich, selbst wenn sie sich wegen nach ihrem Erlass geänderter tatsächlicher Umstände als ungenügend erweist. Anders als das Umweltschadensrecht (vgl. § 19 Abs. 1 S. 2 BNatSchG)73 bietet § 15 BNatSchG keine Rechtsgrundlage zur Nachsteuerung bestandskräftiger Nebenbestimmungen.74 Die – insoweit dynamischen – Verpflichtungen aus § 15 BNatSchG können daher allenfalls Anlass bieten, über einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG oder Ähnliches nachzudenken. Dies vorweggeschickt treffen den Eingriffsverursacher im Einzelnen folgende Pflichten: 3.1 Vermeidung Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 BNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Dabei stellt § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG klar, dass Beeinträchtigungen dann vermeidbar sind, wenn zumutbare Alternativen, die mit dem Eingriff verfolgten Zwecke „am gleichen Ort“ ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind. Dies verdeutlicht stärker als früher, dass die Eingriffsregelung grundsätzlich nicht das betreffende Vorhaben an sich wieder zur Disposition stellt, sondern es sich hierbei in erster Linie um ein Folgenbewältigungsprogramm handelt.75 Rechtssystematisch tritt die Eingriffsregelung den fachrechtlichen Anforderungen damit als additives Zulassungsprogramm hinzu.76 Da das Folgenbewältigungsprogramm der Eingriffsregelung absolut gilt, würde alles andere auf eine schon verfassungsrechtlich nicht haltbare Verabsolutierung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege hinauslaufen.77 Das Vermeidungsgebot verpflichtet den Eingriffsverursacher daher letztlich nur, aber immerhin dazu, in allen Planungs- und Realisierungsstadien dafür Sorge zu tragen, dass das Vorhaben so umweltschonend wie möglich umgesetzt wird.78 Es geht um die Frage, ob bei Verwirklichung des Vorhabens an der 72 Gassner/Heugel (Fn. 28), Rdnr. 295 f. 73 Hierzu Ruffert, Verantwortung und Haftung für Umweltschäden, in: GfU, Dokumentation zur 33. Wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht e.V., Berlin 2010, S. 39/64 f.; Gassner, Aktuelle Aspekte des Umweltschadensgesetzes, UPR 2009, 333/334; Louis, Die Haftung für Umweltschäden an Arten und natürlichen Lebensräumen, NuR 2009, 2/6. 74 A.A. offenbar Gassner/Heugel (Fn. 28), Rdnr. 299. 75 So schon zur alten Rechtslage BVerwG, Urt. v. 7.3.1997 – 4 C 10.96, BVerwGE 104, 144/146 f. 76 Wolf (Fn. 12), S. 367; jedenfalls für das Fachplanungsrecht kritisch hingegen Koch (Fn. 22), § 4 Rdnr. 51; ebenso Gassner/Heugel (Fn. 28), Rdnr. 306-309. 77 OVG Münster, Urt. v. 10.11.1993 – 23 D 52/92.AK, NVwZ-RR 1995, 10/12. 78 BT-Drs. 16/12274, S. 57. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 13 von 35 vorgesehenen Stelle erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vermieden oder zumindest vermindert werden können.79 Zur Stärkung dieses Gebots sieht § 15 Abs. 1 S. 3 BNatSchG schließlich vor, dass soweit Beeinträchtigungen nicht vermieden werden können, dies zu begründen ist. Es handelt sich um eine Spezialregelung zu § 39 VwVfG.80 3.2 Ausgleich und Ersatz Unvermeidbare Beeinträchtigungen sind gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 BNatSchG auszugleichen oder zu ersetzen. Anders als nach bisheriger Regelung stehen dabei Ausgleich und Ersatz nunmehr gleichberechtigt nebeneinander. Gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 BNatSchG ist eine Beeinträchtigung ausgeglichen, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ersetzt ist eine Beeinträchtigung gemäß § 15 Abs. 2 S. 3 BNatSchG, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. Soweit aus dieser begrifflichen Unterscheidung doch wieder ein – wie auch immer gearteter – Vorrang des Ausgleichs geschlossen wird,81 widerspricht dies dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers.82 Die begriffliche Unterscheidung wird zum einen in § 30 Abs. 3 BNatSchG wieder aufgegriffen, wonach von den Verboten des gesetzlichen Biotopschutzes auf Antrag eine Ausnahme zugelassen werden kann, wenn die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können. Zum Zweiten hat diese Unterscheidung darin ihre Berechtigung, als sie verdeutlicht, dass Ausgleichsmaßnahmen werthaltiger sind als Ersatzmaßnahmen, was bei der Eingriffs-Kompensations-Bilanzierung zu berücksichtigen ist. Den Landesgesetzgebern bleibt es im Rahmen der Abweichungsgesetzgebung unterdessen trotz der Regelung des § 13 BNatSchG unbenommen, wieder einen Vorrang des Ausgleichs einzuführen. Denn die jetzt im Bundesnaturschutzgesetz zu findende Gleichordnung gehört nicht zu den allgemeinen Grundsätzen des Naturschutzes, 79 So schon VGH Mannheim, Urt. v. 15.11.1994 – 5 S 1602/93, NuR 1995, 358/359. 80 A.A. Mitschang, Auswirkungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nach §§ 13 ff. BNatSchG auf die kommunale Bauleitplanung, BauR 2011, 33/37, der die Begründungspflicht dem Eingriffsverursacher und nicht der Zulassungsbehörde auferlegt sieht. Die diesbezüglichen Verursacherpflichten sind indes in § 17 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BNatSchG geregelt. 81 So etwa Gellermann, Naturschutzrecht nach der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, NVwZ 2010, 73/76; Gassner/Heugel (Fn. 28), Rdnr. 312 f. 82 Ebenso Hendler/Brockhoff, Die Eingriffsregelung des neuen Bundesnaturschutzgesetzes, NVwZ 2010, 733/735. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 14 von 35 wie schon der Umstand unterstreicht, dass bis zum 1. März 2010 auch bundesrechtlich noch der Vorrang des Ausgleichs galt.83 Dies vorweg geschickt ist indes fraglich, inwieweit ein räumlich-funktionaler (3.2.1) sowie zeitlicher (3.2.2) Zusammenhang zwischen Eingriff und Kompensation bestehen muss und welchen sonstigen Voraussetzungen Ausgleich und Ersatz unterliegen (3.2.3). Darüber hinaus enthält das Bundesnaturschutzgesetz nunmehr die Vorgabe der besonderen Schonung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen (3.2.4), äußert sich zur Unterhaltung und Sicherung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (3.2.5) und ermöglicht das Zurückgreifen auf sog. Ökokonten (3.2.6). 3.2.1 Räumlich-funktionaler Zusammenhang Jede Form der Kompensation bedarf eines funktional zu begreifenden Zusammenhangs zum Eingriff (3.2.1.1). Beim Ausgleich (3.2.1.2) muss dieser Zusammenhang enger sein als beim Ersatz (3.2.1.3). 3.2.1.1 Kompensationsformübergreifende Anforderungen Zwischen Eingriff und Ausgleich bzw. Ersatz muss ein sachlich begründbarer Zusammenhang bestehen. Alles andere liefe auf eine mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbare Beliebigkeit hinaus. Das hinter der Eingriffsregelung stehende dem Grundgesetz inhärente Kompensationsprinzip verlangt insoweit, dass sich Art und Ausmaß der Kompensation am Äquivalenzprinzip orientieren.84 Eine Äquivalenz ist hier aber nur entweder über die Funktionen oder über die Kosten herstellbar.85 Da § 15 Abs. 2 S. 2 und 3 BNatSchG explizit auf die beeinträchtigten Funktionen abhebt, ist überdies ein Verzicht auf jeglichen funktionalen Zusammenhang rechtlich ausgeschlossen.86 Anders als vor allem die juristische Literatur oftmals suggeriert, handelt es sich beim Ausgleich und Ersatz von Eingriffen in Natur und Landschaft jedoch nicht um einen aus der Natur ablesbaren rein naturwissenschaftlichen Vorgang, sondern um ein politisch dezidiertes höchst artifizielles Konstrukt.87 So ist beispielsweise anerkannt, dass die Kompensationsflächen im Verhältnis zu den Eingriffsflächen umso kleiner sein kön83 Im Ergebnis ebenso Franzius (Fn. 9), S. 349. 84 Voßkuhle (Fn. 6), S. 391. 85 Vgl. Peters/Bruns et al., in: BfN, Erfassung, Bewertung und Sanierung von Biodiversitätsschäden nach der EG-Haftungs-Richtlinie, Bonn-Bad Godesberg 2008, S. 213. 86 So bereits zur alten Rechtslage Louis, Rechtliche Grenzen der räumlichen, funktionalen und zeitlichen Entkopplung von Eingriff und Ausgleich (Flächenpool und Ökokonto), in: Köck/Thum/Wolf, Praxis und Perspektiven der Eingriffsregelung, Baden-Baden 2005, S. 13/18. 87 Ausführlich hierzu Lau/Meske, Maßnahmen der Umweltbildung bzw. Bildung für nachhaltige Entwicklung und deren Nutzbarmachung bei der Eingriffskompensation, Kohärenzsicherung und Umweltschadenssanierung, NuR 2010, 475/480. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 15 von 35 nen, je weiter der Wert der Kompensationsflächen denjenigen der Eingriffsflächen übersteigt.88 Da weder das Bundesnaturschutzgesetz noch die gemäß § 15 Abs. 7 S. 2 BNatSchG zumindest derzeit noch diesbezüglich Geltung entfaltenden Landesnaturschutzgesetze weitergehende Vorgaben zur Bewertung von Eingriff und Kompensation enthalten, kommt der Verwaltung hier ein nicht geringer Beurteilungsspielraum zu.89 Die Praxis hat sich insoweit weitgehend mit meistenteils rechtlich unverbindlichen Arbeitshilfen oder allenfalls als Verwaltungsvorschrift mit lediglich interner Bindung erlassenen EingriffsKompensations-Bilanzierungsverfahren beholfen.90 Aus rechtlicher Sicht besteht erst dann Anlass zu Beanstandungen, wenn ein Bewertungsverfahren sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.91 Hinsichtlich der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts muss die Beurteilung auf der Grundlage sachgerechter und fachlich zu begründender Überlegungen entsprechend den Umständen und Besonderheiten des Einzelfalls plausibel und nachvollziehbar sein.92 Hinsichtlich des Landschaftsbildes ist eine Wertung aus der Perspektive eines für die Schönheit der natürlich gewachsenen Landschaft aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters vorzunehmen.93 Des Weiteren bedarf es einer nachvollziehbaren quantifizierenden Bewertung von Eingriff und Kompensation, was jedoch nicht zwingend das Zurückgreifen auf numerische Verfahren erfordert.94 Eine rein quantitative Bewertung verbietet sich aber ebenso; der bloße Vergleich von Flächengrößen wird weder dem Schutzgut der Leistungsund Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts noch des Landschaftsbildes gerecht.95 Die zu ergreifenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen müssen konkreten Eingriffswirkungen zugeordnet werden.96 Sodann muss die Bewertung sowohl des Eingriffs als auch der Kompensation den von der Eingriffsregelung umfassten Naturhaushalt, verstanden als die Naturbestandteile Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen und das Landschaftsbild hinreichend repräsentieren.97 Kritisch sind daher insbesondere die 88 OVG Lüneburg, Urt. v. 21.11.1996 – 7 L 5352/95, NuR 1997, 301/302. 89 BVerwG, Urt. v. 9.6.2004 – 9 A 11.03, BVerwGE 121, 72/84. 90 Eine Übersicht findet sich bei Koch (Fn. 22), § 4 Rdnr. 106. 91 BVerwG, Urt. v. 22.1.2004 – 4 A 32.02, NuR 2004, 373/379. 92 VGH Kassel, Urt. v. 12.2.1993 – 4 UE 3399/90, NuR 1993, 334/337; vgl. auch VGH Mannheim, Urt. v. 25.1.2008 – 5 S 210/07, NuR 2008, 664/667. 93 Vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.1990 – 4 C 44.87, BVerwGE 85, 348/359. 94 BVerwG Urt. v. 9.6.2004 – 9 A 11.03, BVerwGE 121, 72/83 f. 95 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 10.11.1993 – 23 D 52/92.AK, NVwZ-RR 1995, 10/13. 96 Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 15.11.1994 – 5 S 1602/93, NuR 1995, 358/362. 97 Vgl. VGH Kassel, Urt. v. 12.2.1993 – 4 UE 2744/90, NuR 1993, 338/339; VG Darmstadt, Urt. v. 28.11.1990 – II/3 E 530/87, NuR 1991, 390/395 ff. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 16 von 35 sog. Biotopwertverfahren zu sehen, die sich zur Ermittlung der jeweiligen Funktionsausprägungen ausschließlich auf die Eigenschaften von Biotoptypen stützen und damit Boden, Wasser, Luft und Klima sowie das Landschaftsbild nur in einfach gelagerten Fällen hinreichend abzubilden vermögen.98 Soweit sich (sonstiger) numerischer Bewertungsmodelle bedient wird, ist zudem zu beachten, dass es schon mangels kardinaler Messbarkeit der meisten der die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sowie des Landschaftsbildes beschreibenden Attribute nicht möglich ist, die Intensität eines Eingriffs in Natur und Landschaft einerseits und die Bedeutung der Kompensationsmaßnahmen andererseits rein rechnerisch zu bewerten und gegeneinander aufzurechnen. Numerische Verfahren können daher allenfalls zu einer Veranschaulichung der – und nicht mehr ist es letztlich – Abschätzung der Wirkungen sowohl des Eingriffs als auch des Ausgleichs bzw. Ersatzes führen.99 Diese Abschätzung unterliegt immerhin einer gerichtlichen Plausibilitätskontrolle, so dass z. B. beanstandet werden kann, wenn die Versiegelung von Flächen als durch die schlichte ökologische Verbesserung (Bepflanzung) bereits naturschutzfachlich werthaltiger Flächen im Flächenverhältnis 1:1 ausgeglichen erachtet wird.100 3.2.1.2 Anforderungen beim Ausgleich Ausgehend hiervon ist – soweit ersichtlich – unbestritten, dass zumindest der Ausgleich einen engen räumlich-funktionalen Zusammenhang zum Eingriff voraussetzt.101 Ausgleichsmaßnahmen müssen auf den Eingriffsort zurückwirken.102 Dabei ist jedoch schon früh zutreffend darauf hingewiesen worden, dass selbst der auf eine gleichartige Wiederherstellung der betroffenen Funktionen zielende Ausgleich nicht in einer physisch-realen Naturalrestitution, sondern allenfalls in einer Kompensation bestehen kann.103 Es geht also nicht darum, den Zustand vor dem Eingriff streng nachzubilden; vielmehr beschränkt sich die Ausgleichspflicht entsprechend den tatsächlichen Möglichkeiten darauf, Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen sich infolge natürlicher Entwicklungsprozesse auf Dauer gleichartige Verhältnisse herausbilden können.104 Hierbei kann es nur um eine Annäherung an das frühere Funktionsgefüge gehen, da sich eine volle Funktionsgleichheit künstlich gestalteter Ausgleichsflächen auch auf längere Sicht schwerlich erreichen ließe, zumal die jeweiligen Einflussfaktoren ohnehin – 98 Peters/Bruns et al. (Fn. 85), S. 217. 99 VGH Kassel, Urt. v. 10.3.1992 – 2 UE 969/88, NuR 1992, 382/387. 100 Vgl. VGH Kassel (Fn. 99). 101 Siehe nur Louis (Fn. 86), S. 16; Hendler/Brockhoff (Fn. 82), S. 734. 102 Siehe nur aus jüngerer Zeit BVerwG, Beschl. v. 7.7.2010 – 7 VR 2.10, 7 VR 3.10, NuR 2010, 646 Rdnr. 23. 103 VGH Mannheim, Urt. v. 15.11.1994 – 5 S 1602/93, NuR 1995, 358/359. 104 OVG Münster, Urt. v. 10.11.1993 – 23 D 52/92.AK, NVwZ-RR 1995, 10/13. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 17 von 35 eingriffsunabhängig – einem ständigen Wandel unterliegen.105 Ähnliches gilt mit Blick auf das Landschaftsbild. Für eine landschaftsgerechte Wiederherstellung i. S. d. § 15 Abs. 2 S. 2 BNatSchG bedarf es nicht zwingend der Schaffung einer aus Sicht des Betrachters dem Status quo entsprechenden Situation. Gerade bei Bauwerken ist vielmehr regelmäßig ein Sichtschutz ausreichend, der das Bauwerk nicht mehr als beherrschend in das Blickfeld des Betrachters treten lässt, um die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes auszugleichen.106 Anderes kann freilich in einer besonders schutzwürdigen und schutzbedürftigen Landschaft gelten. Im Übrigen verlangt § 15 Abs. 2 S. 2 BNatSchG ohnehin nicht zwingend eine landschaftsgerechte Wiederherstellung, sondern lässt auch eine landschaftsgerechte Neugestaltung genügen. Daher steht der Umstand, dass der Eingriff nach wie vor noch (optisch) wahrnehmbar ist, einem erfolgreichen Ausgleich nicht entgegen, sofern nur in dem betroffenen Landschaftsraum ein Zustand geschaffen wird, der das optische Beziehungsgefüge des vor dem Eingriff vorhandenen Zustands in gleicher Art, mit gleichen Funktionen und ohne Preisgabe der wesentlichen Faktoren in weitestmöglicher Annäherung fortführt.107 3.2.1.3 Anforderungen beim Ersatz Der weniger, nämlich bloße Gleichwertigkeit verlangende Ersatz lässt demgegenüber eine noch weitergehende Lockerung des räumlich-funktionalen Zusammenhangs zum Eingriff zu. Ganz aufgelöst werden kann der räumlich-funktionale Zusammenhang indes auch hier nicht.108 Eine plausible und zugleich praktikable Vorgehensweise bietet der naturräumliche bzw. ökologisch-funktionsräumliche Ansatz.109 Dem ist nunmehr auch der Bundesgesetzgeber gefolgt. So stellt § 15 Abs. 2 S. 3 BNatSchG für den Ersatz expressis verbis auf den „betroffenen Naturraum“ ab. Nach der Gesetzesbegründung soll mit diesem Begriff auf die Gliederung des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland in 69 naturräumliche Haupteinheiten nach Ssymank110 rekurriert werden.111 Dies ist freilich nicht verbindlich112 und fachlich auch nicht ohne Weiteres überzeugend; geht es doch bei Ssymank um die anderen rechtlichen Vorgaben unterworfene Operationalisierung der Meldung und Ausweisung von FFH-Gebieten. Es erscheint plausibler, sich insoweit gleich an das auch von Ssymank als Basis herangezogene Standardwerk 105 OVG Münster (Fn. 104). 106 OVG Lüneburg, Urt. v. 21.11.1996 – 7 L 5352/95, NuR 1997, 301/302. 107 BVerwG, Urt. v. 27.9.1990 – 4 C 44.87, NuR 1991, 124/127. 108 Vgl. BVerwG, Urt. v. 23.8.1996 – 4 A 29.95, NuR 1997, 87/88. 109 Vgl. Louis (Fn. 86); ebenfalls in diese Richtung BVerwG, Urt. v. 17.8.2004 – 9 A 1.03, NuR 2005, 177; BVerwG, Gerichtsbescheid v. 10.9.1998 – 4 A 35.97, NuR 1999, 103/104. 110 Ssymank, Neue Anforderungen im europäischen Naturschutz, Natur und Landschaft 1994, 395 ff. 111 Vgl. BT-Drs. 16/12274, S. 57. 112 Wolf (Fn. 12), S. 370. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 18 von 35 von Meynen und Schmithüsen113 auszurichten. Hier kann zudem der im Übrigen von § 15 Abs. 2 S. 5 BNatSchG explizit in Bezug genommenen Landschafts(rahmen)planung eine große Bedeutung zukommen.114 Bedenken sind demgegenüber Regelungen wie § 9 Abs. 3 S. 1 SächsNatSchG ausgesetzt, wonach der Suchraum für Ersatzmaßnahmen sich auch an der Raumgliederung der Regionalpläne bzw. – bei Großvorhaben – an der jeweiligen Planungsregion i. S. d. § 9 SächsLPlG ausrichten kann. Solche Grenzziehungen können nur dann zur Orientierung herangezogen werden, wenn sie (auch) naturschutzfachlich begründbar sind.115 Innerhalb des jeweiligen Naturraums kommt es dann nur auf die Wahrung der „Gesamtbilanz“ des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes an.116 Fraglich ist jedoch, ob diese Gesamtbilanzbildung sowohl den Naturhaushalt als auch das Landschaftsbild umfasst, so dass die den Naturhaushalt betreffenden Einbußen mit Kompensationsmaßnahmen hinsichtlich der Landschaft „verrechnet“ werden können und umgekehrt. Einer solch weitgehenden „Verrechenbarkeit“ wurde fachwissenschaftlich mit Skepsis begegnet.117 Gleichwohl legte § 19 Abs. 2 BNatSchG a. F. dies nahe. In § 19 Abs. 2 S. 3 BNatSchG a. F. hieß es nämlich: „In sonstiger Weise kompensiert ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichwertiger Weise ersetzt sind oder das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist.“118 Nahezu unbemerkt hat dies der Gesetzgeber § 15 Abs. 2 S. 3 BNatSchG lautet demgegenüber: nun geändert; denn „Ersetzt ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwerti- 113 Meynen/Schmithüsen (Hrsg.), Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands, Bd. I und II (9 Lieferungen), Remagen/Bonn-Bad Godesberg 1953-1962. 114 Vgl. hierzu Jessel, Regional- und Umweltentwicklungsplanung als Voraussetzung für ein Kompensationsmanagement, in: Köck/Thum/Wolf, Praxis und Perspektiven der Eingriffsregelung, Baden-Baden 2005, S. 134 ff. 115 Ebenso offenbar Wolf, Das neue Sächsische Naturschutzrecht, SächsVBl. 2010, 160/162; siehe auch BVerwG, Gerichtsbescheid v. 10.9.1998 – 4 A 35.97, NuR 1999, 103/104: „Beurteilungsgrundlage sind die ökologischen Gegebenheiten.“; a.A. Funke (Fn. 63), S. 155. 116 Vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid v. 10.9.1998 – 4 A 35.97, NuR 1999, 103/104; Peters/Bruns et al. (Fn. 85), S. 210; Louis (Fn. 86), S. 18; Dierßen/Reck, Konzeptionelle Mängel und Ausführungsdefizite bei der Umsetzung der Eingriffsregelung im kommunalen Bereich, NuL 1998, 341/342. 117 Bruns, Bewertungs- und Bilanzierungsmethoden in der Eingriffsregelung, Berlin 2007, S. 106. 118 Hervorhebung durch den Verfasser. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 19 von 35 ger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist.“119 Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass Naturhaushalt und Landschaftsbild zwar nicht gänzlich voneinander zu lösen sind, aber mit Blick auf die Eingriffskompensation – auch dem Ersatz – getrennt abgearbeitet werden müssen. Er hat insoweit den Ersatz dem Ausgleich angeglichen, bei dem schon immer die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und das Landschaftsbild getrennt zu bilanzieren waren.120 3.2.2 Zeitlicher Zusammenhang Noch weniger Anhaltspunkte enthält das Bundesnaturschutzgesetz hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Eingriff und Ausgleich bzw. Ersatz. Dabei kommt der zeitlichen Komponente eine erhebliche Bedeutung zu, da der Erfolg von Kompensationsmaßnahmen häufig davon abhängt, dass sie möglichst noch vor Verwirklichung des Eingriffs durchgeführt werden.121 § 15 Abs. 5 BNatSchG sieht insoweit lediglich vor, das unvermeidbare Eingriffe „in angemessener Frist“ auszugleichen oder zu ersetzen sind. Unter Heranziehung von Sinn und Zweck der Eingriffsregelung wird zum Teil vertreten, dies erfordere ein schnellstmögliches Handeln122 oder jedenfalls eine Kompensation binnen „weniger Jahre“123. Die Rechtsprechung sieht demgegenüber zu Recht meistenteils die Grenze der Angemessenheit der Frist erst erreicht, wenn zwischen Eingriff und Kompensation so viel Zeit verstrichen ist, dass sich das mit den jeweils vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verfolge Ziel nicht mehr erreichen lässt.124 Darüber, wann dies der Fall ist, gehen die Meinungen auseinander. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe judizierte, dass jedenfalls ein Zeitraum von 100 Jahren für einen Ausgleich nicht angemessen sei, weil ausgehend von einer anthropozentrischen Sichtweise der Ausgleich der von dem Eingriff in Natur und Landschaft gegenwärtig und unmittelbar betroffenen Bevölkerung nicht mehr 119 Hervorhebung durch den Verfasser. 120 So lautete zuletzt § 19 Abs. 2 S. 2 BNatSchG a.F.: „Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts wieder hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist.“. 121 Siehe nur OVG Münster, Urt. v. 10.11.1993 – 23 D 52/92.AK, NVwZ-RR 1995, 10/14. 122 So etwa Sparwasser/Wöckel, Zur Systematik der naturschutzrechtlichen Eingriffsreglung, NVwZ 2004, 1189/1193. 123 VGH Mannheim, Urt. v. 28.7.1983 – 2 S 299/81, NuR 1984, 102/105. 124 BVerwG, Beschl. v. 16.3.1999 – 4 BN 17.98, ZfBR 1999, 349/350. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 20 von 35 zugute komme.125 Von fachlicher Seite wird regelmäßig ab 25 Jahren Zeitdifferenz eine generelle Grenze gezogen.126 Unabhängig davon verbleibt in jedem Fall eine kompensationspflichtige Lücke, wenn die Auswirkungen des Eingriffs und die Wirksamkeit der vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zeitlich auseinander fallen.127 Geschuldet – und zwar als Wesensmerkmal der Eingriffsregelung abweichungsfest – ist nämlich eine Vollkompensation. Dies wird durch den nunmehr im systematischen Zusammenhang mit der Eingriffsregelung stehenden, weil im selben Kapitel wie diese eingefügten § 19 Abs. 4 BNatSchG bestätigt.128 § 19 BNatSchG regelt die Sanierung von Biodiversiätsschäden nach dem Umweltschadensgesetz. In dessen Absatz 4 wird unter Verweis auf Anhang II Ziff. 1 der Umwelthaftungsrichtlinie129 der Ausgleich dieser zeitlichen Lücke zwischen Wirksamkeit des Eingriffs und Wirksamkeit der Kompensation zwingend vorgesehen (sog. Ausgleichssanierung). Kritisch ist daher die Regelung des § 12 Abs. 2 S. 2 BbgNatSchG. Diese Vorschrift sieht – was noch unproblematisch ist – abweichend von § 13 BNatSchG wieder einen Vorrang für Ausgleichsmaßnahmen vor und statuiert sodann – was kritisch ist – eine Kompensationspflicht nur hinsichtlich der vorübergehenden unvermeidbaren Beeinträchtigungen. Vorübergehende unvermeidbare Beeinträchtigungen hat der Verursacher hingegen gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 BbgNatSchG innerhalb einer nach naturschutzfachlichen Kriterien zu bestimmenden Frist zu beseitigen. Damit werden entgegen den – wiederum abweichungsfesten – Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes zeitlich befristete Einbußen an Natur und Landschaft kompensationslos hingenommen. Die Vorschrift ist daher in verfassungskonformer Auslegung mit dem Bundesnaturschutzgesetz insoweit in Einklang zu bringen, als vorübergehende unvermeidbare Beeinträchtigungen i. S. d. § 12 Abs. 2 S. 1 BbgNatSchG nur solche Beeinträchtigungen sind, die für sich genommen mangels Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle noch keinen Eingriff gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG darstellen. 3.2.3 Sonstige Voraussetzungen und Vorgaben Schließlich kommen nur solche Maßnahmen als Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft in Betracht, die für diesen Zweck auch geeignet sind. Zur 125 VG Karlsruhe, Urt. v. 29.6.1989 – 1 K 208/87, NuR 1990, 332/334. 126 So bspw. von Dressler, Bewertungsverfahren in der Bauleitplanung, in: ANL, Laufener Seminarbeiträge, Heft 2, Laufen/Salzach 1996, 61/73; siehe auch Guckelberger (Fn. 15), § 15 Rdnr. 35 m.w.N. 127 Sparwasser/Wöckel (Fn. 32), S. 252. 128 Lau/Meske (Fn. 87), S. 482. 129 Richtlinie 2004/35/EG des europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. EU L 143, S. 56, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/21/EG v. 15.3.2006, ABl. EU L 102, S. 15. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 21 von 35 Kompensation geeignet sind indes nur Maßnahmen auf Flächen, die aufwertungsbedürftig und aufwertungsfähig sind.130 Diese Anforderungen erfüllen nur solche Flächen, die in einen Zustand versetzt werden können, der sich im Vergleich zu dem früheren als ökologisch höherwertig einstufen lässt.131 Nicht erforderlich ist hingegen, dass die für Kompensationsmaßnahmen vorgesehenen Flächen von geringerer landschaftlich-ökologischer Wertigkeit sein müssen wie die Eingriffsflächen.132 Auch Maßnahmen auf im Vergleich zu den Eingriffsflächen höherwertigem Grund und Boden sind einer ökologischen Aufwertung nicht von vornherein enthoben.133 Auch ist es unschädlich, wenn die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen zunächst mit einer weiteren Beeinträchtigung des bestehenden naturhaften Zustands einhergehen, sich am Ende aber in der naturschutzfachlichen Gesamtbilanz als günstig erweisen.134 Maßgeblich ist eine ökologische Aufwertung bzw. landschaftsgerechte (Neu-)Gestaltung. Nicht ausreichend ist demnach die bloße rechtliche Sicherung eines bereits vorgefundenen ökologisch hochwertigen Zustands, der mehr oder weniger zufällig entstanden und bislang jederzeit abänderbar ist; denn damit wird kein Ausgleich oder Ersatz geschaffen, sondern es wird lediglich ein eventueller späterer Eingriff an anderer Stelle unterlassen.135 Die bloße Unterhaltungspflege eines bereits vorhandenen Biotops kann ebenfalls regelmäßig nicht als Kompensationsmaßnahme anerkannt werden, weil damit keine Aufwertung des Ausgangszustands verbunden ist.136 Nicht angängig ist auch der schlichte Austausch von Lebensraumtypen. Hiermit wird ebenfalls keine ökologische Aufwertung erzielt, sondern lediglich ein Aliud geschaffen.137 Etwas anderes kann auf Grund des hohen Stellenrangs des europäischen Habitatschutzes allenfalls dann gelten, wenn die schlichte Umgestaltung einer bereits ökologisch und/oder landschaftlich wertvollen Fläche aus Gründen des Kohärenzausgleichs nach § 34 Abs. 5 S. 1 BNatSchG erforderlich ist, weil sich hierfür keine anderen geeigneten Flächen außer der betreffenden finden lassen.138 In diesem Fall wird das 130 BVerwG, Urt. v. 23.8.1996 – 4 A 29.95, NuR 1997, 87/89; BVerwG, Gerichtsbescheid v. 10.9.1998 – 4 A 35.97, NuR 1999, 103/104. 131 BVerwG, Gerichtsbescheid v. 10.9.1998 – 4 A 35.97, NuR 1999, 103/104. 132 So zwar noch BVerwG, Urt. v. 23.8.1996 – 4 A 29.95, NuR 1997, 87/89, doch haben bereits BVerwG (Fn. 131); BVerwG, Urt. v. 28.1.1999 – 4 A 18.98, NuR 1999, 510 diese These nicht mehr aufrechterhalten; nach wie vor a.A. Scheidler (Fn. 58), S. 138. 133 VGH Kassel, Urt. v. 28.6.2005 – 12 A 8/05, NuR 2006, 42/52. 134 BVerwG, Gerichtsbescheid v. 10.9.1998 – 4 A 35.97, NuR 1999, VGH Mannheim, Urt. v. 22.11.1996 – 8 S 1006/96, NuR 1997, 449/452. 135 Sparwasser/Wöckel (Fn. 32), S. 248. 136 VGH Mannheim, Urt. v. 17.5.2001 – 8 S 2603/00, NVwZ-RR 2002, 8/10. 137 BVerwG, Beschl. v. 28.1.2009 – 7 B 45.08, NuR 2009, 342 Rdnr. 20 f. 138 Offen lassend BVerwG (Fn. 137), Rdnr. 14. 103/105; Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 22 von 35 damit erzielbare Maß an Kompensation jedoch regelmäßig entsprechend niedrig anzusetzen sein, je nach Werthaltigkeit der – zugleich der Kompensation nach der Eingriffsregelung dienenden – Kohärenzmaßnahme für das betreffende Natura 2000-Gebiet und für das europäische Netz Natura 2000 insgesamt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Eingriffsregelung eine Ausprägung des Verursacherprinzips darstellt.139 Es ist daher grundsätzlich unzulässig, fremd veranlasste sowie fremd finanzierte Maßnahmen als Kompensationsmaßnahmen in Ansatz zu bringen,140 wie auch die Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG belegt. Das hindert indes nicht daran, Kompensationsmaßnahmen vorzusehen, die zugleich noch anderen Zwecken dienen.141 Beim Zusammentreffen mit Kompensationspflichten aus anderen Rechtsgründen, z. B. dem Waldausgleich nach § 9 BWaldG in Verbindung mit dem Landesrecht, dem Kohärenzausgleich gemäß § 34 Abs. 5 S. 1 BNatSchG oder dem Ausgleich für die Inanspruchnahme von Überschwemmungsgebieten gemäß § 77 S. 2 WHG, kann der jeweils erforderliche Ausgleich sogar vollständig mit dem Ausgleich oder Ersatz nach § 15 Abs. 2 BNatSchG zusammenfallen, sofern die betreffende Maßnahme alle einschlägigen Kompensationszwecke abdeckt.142 Diese Möglichkeit wird nunmehr durch § 15 Abs. 2 S. 4 BNatSchG noch erweitert. Danach stehen Festlegungen von Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen für Gebiete i. S. d. § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BNatSchG und in Bewirtschaftungsplänen nach § 32 Abs. 5 BNatSchG, von Kohärenzmaßnahmen nach § 34 Abs. 5 BNatSchG und „vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen“143 nach § 44 Abs. 5 S. 3 BNatSchG sowie von Maßnahmen in Maßnahmenprogrammen i. S. d. § 84 WHG der Anerkennung solcher Maßnahmen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht entgegen. In Abweichung von der oben genannten Prämisse, dass solche Maßnahmen nicht als Ausgleich oder Ersatz in Betracht kommen, die ohnehin geschuldet sind, lässt diese neue Vorschrift explizit auch Synergien zwischen Eingriffskompensation und Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen zu, die in Bewirtschaftungsplänen für Natura 2000-Gebiete oder in Maßnahmenprogrammen nach der Wasserrahmenrichtlinie144 festgelegt sind.145 Das erscheint angesichts 139 Plogmann (Fn. 3), S. 31 m.w.N. 140 Stich, in: Dolde, Umweltrecht im Wandel, Berlin 2001, S. 837/866; vgl. auch BTDrs. 16/13298, S. 3. 141 BVerwG, Urt. v. 30.8.2001 – 4 CN 9.00, BVerwGE 115, 77/81 f. 142 Für den Waldausgleich siehe nur Schmidt-Eichstaedt, Ausgleich nach dem Baugesetzbuch und Waldausgleich, LKV 2007, 114/116 f.; für den Kohärenzausgleich Durner, Kompensation für Eingriffe in Natur und Landschaft nach deutschem und europäischem Recht, NuR 2001, 601/610. 143 Zur unglücklichen Wahl dieses Begriffs Lau, in: Frenz/Müggenborg, Berliner Kommentar zum BNatSchG, Berlin 2011, § 44 Rdnr. 42. 144 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Was- Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 23 von 35 der sehr ehrgeizigen Ziele sowohl der FFH-Richtlinie und Vogelschutzrichtlinie als auch der Wasserrahmenrichtlinie sinnvoll. Erwähnung soll schließlich die Regelung des § 40 Abs. 4 S. 1 BNatSchG finden. Danach bedarf das Ausbringen von Pflanzen gebietsfremder Arten in der freien Natur sowie von Tieren der Genehmigung der zuständigen Behörde.146 Gebietsfremd ist eine Art, wenn sie in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG). Mithin wird auch die sog. innerartliche Vielfalt geschützt, was insbesondere bei Pflanzungen im Rahmen der Eingriffskompensation grundsätzlich zur Verwendung regionaler Vorkommen verpflichtet. Da gerade die Baumschulen hierauf größtenteils noch nicht vorbereitet sind, sieht § 40 Abs. 4 S. 4 Nr. 4 BNatSchG insoweit eine bis zum 1. März 2020 befristete Ausnahme von dem Genehmigungserfordernis nach Satz 1 vor, wobei aber schon jetzt „in der freien Natur Gehölze und Saatgut vorzugsweise nur innerhalb ihrer Vorkommensgebiete ausgebracht werden“ sollen. Konflikte sind insoweit programmiert.147 Zum einen wird solches Saatgut bzw. werden solche Pflanzen wegen des in weiten Teilen regional begrenzten Marktes vergleichsweise teuer sein und zum anderen halten viele Baumschulen entsprechendes Saatgut bzw. entsprechende Pflanzen gar nicht vor und werden hiervon wohl auch künftig absehen, da heute vielfach noch nicht zuverlässig prognostiziert werden kann, welche Vorkommen sich im Zuge des konstatierten Klimawandels durchsetzen werden, so dass sich alle Mühe und Aufwendungen als vergebens erweisen könnten.148 Das „soll“ in § 40 Abs. 4 S. 4 Nr. 4 BNatSchG stellt nicht zuletzt vor die- serpolitik, ABl. EU L 327, S. 1, zuletzt geändert durch Entscheidung Nr. 2455/2001/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.11.2001, ABl. EU L 331, S. 1. Die darin statuierte Pflicht zur Aufstellung von Maßnahmenprogrammen wird in § 84 WHG umgesetzt, siehe hierzu Dieckmann, Die planerischen Instrumente der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL): Maßnahmenprogramm und Bewirtschaftungsplan, EurUP 2008, 2 ff. 145 Louis, Das neue Bundesnaturschutzgesetz, NuR 2010, 77/81 f.; a.A. Koch (Fn. 22), § 4 Rdnr. 44, der die Vorschrift wegen des erklärten Ziels der Eingriffsregelung, einem flächendeckenden Mindestschutz zu dienen, dahingehend teleologisch reduzieren will, dass solche Synergien nur möglich sind, wenn der Eingriff gerade auch die betreffenden Schutzgebiete bzw. Gewässer berührt. 146 Hierzu Schumacher/Werk, Die Ausbringung § 40 Abs. 4 BNatSchG, NuR 2010, 848 ff. 147 Hierzu Lau (Fn. 143), § 40 Rdnr. 9. 148 Zu den jetzt schon klimabedingt auftretenden Problemen und der deshalb absehbaren Erforderlichkeit insbesondere eines Waldumbaus Reif et al., Waldbewirtschaftung in Zeiten des Klimawandels, NuL 2010, 261 ff.; allgemein hierzu mit Blick auf die Konsequenzen für den europäischen Gebietsschutz auch Hendler/Rödder/Veith, Flexibilisierung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 vor dem Hintergrund des Klimawandels, NuR 685/685 f. gebietsfremder Pflanzen nach Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 24 von 35 sem Hintergrund eher eine Ermessensdirektive denn ein rechtstechnisches Soll dar, wie auch der Zusatz „vorzugsweise“ unterstreicht.149 3.2.4 Schonung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen Gemäß § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG ist bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen, insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 15 Abs. 3 S. 2 BNatSchG ist vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, die Belange der Eigentümer der für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen herangezogenen Grundstücke zu berücksichtigen und entsprechende Flächen nur in Anspruch zu nehmen, wenn die mit den Kompensationsmaßnahmen verbundenen nachteiligen Folgen nicht außer Verhältnis zu dem mit ihnen beabsichtigten Erfolg stehen.150 Aus diesem Grund war auch bislang schon insbesondere von einer Inanspruchnahme sehr fruchtbarer Böden, die sich in der landwirtschaftlichen Nutzung befanden, möglichst abzusehen.151 § 15 Abs. 3 BNatSchG gesellt diesen subjektiv-rechtlichen Aspekten nun einen so bislang nicht vorgesehenen objektiv-rechtlichen Aspekt hinzu, der über reine Verhältnismäßigkeitserwägungen hinausgeht.152 Das wird schon an der Formulierung deutlich, dass hiernach die agrarstrukturellen Belange und damit gerade nicht die Belange des einzelnen Landwirts zu berücksichtigen sind. Wirklich Neues ist damit gleichwohl nicht verbunden. Führte doch angesichts der Tatsache, dass die Landwirtschaft rund 55 % der Gesamtfläche des Bundesgebietes bewirtschaftet, auch bislang schon in den meisten Fällen kein Weg an der Auseinandersetzung mit agrarstrukturellen Belangen vorbei.153 Im Übrigen ist der Begriff der Agrarstruktur bereits rechtlich hinreichend verfestigt. So bedürfen landwirtschaftlich genutzte Flächen zu ihrer Veräußerung bzw. zu ihrem Verkauf der Genehmigung nach § 2 Abs. 1 S. 1 des Grundstücksverkehrsgesetzes 149 Ähnlich auch Gassner/Heugel (Fn. 28), Rdnr. 558. 150 BVerwG, Urt. v. 18.3.2009 – 9 A 40.07, NuR 2010, 41 Rdnr. 33; BVerwG, Beschl. v. 7.7.2010 – 7 VR 2.10, 7 A 3.10, NuR 2010, 646/647 Rdnr. 28. 151 Vgl. BVerwG, Urt. v. 17.8.2004 – 9 A 1.03, NuR 2005, 177/178. 152 Ebenfalls in diese Richtung BVerwG, Beschl. v. 7.7.2010 – 7 VR 2.10, 7 A 3.10, NuR 2010, 646 Rdnr. 21; Guckelberger (Fn. 15), § 15 Rdnr. 63; missverständlich demgegenüber BT-Dr. 16/12274, S. 58, wo im Wesentlichen vom Gebot der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit § 15 Abs. 3 BNatSchG die Rede ist. 153 Vgl. auch Louis (Fn. 145), S. 82. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 25 von 35 (GrdstVG). Diese Genehmigung ist gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die Veräußerung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet. Als ungesunde Verteilung des Grund und Bodens definiert § 9 Abs. 2 GrdstVG – als Regelvermutung – Zustände, die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widersprechen. Welche Maßnahmen im Einzelnen als Agrarstrukturverbesserung anerkannt werden, legt die für die Agrarpolitik verantwortliche Bundesregierung in ihren Agrarberichten fest.154 Seit dem Agrarbericht 1985 gehören aber zu den Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur neben der Förderung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe auch Maßnahmen des Umweltschutzes,155 so dass nunmehr der Naturschutz und die konventionellen agrarpolitischen Belange innerhalb des Begriffs der Agrarstruktur frei konkurrieren.156 § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG erweist sich damit weitgehend als zirkelschlüssig. Demnach entfaltet allein § 15 Abs. 3 S. 2 BNatSchG eine gewisse zusätzliche Steuerungswirkung. Die Vorschrift stellt ein im Rahmen des der zuständigen Behörde eingeräumten Beurteilungsspielraums zu berücksichtigendes „Optimierungsgebot“ dar, vergleichbar etwa der Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 BauGB.157 3.2.5 Unterhaltung und rechtliche Sicherung Gemäß § 15 Abs. 4 S. 1 BNatSchG sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern. Mit Unterhaltung ist sowohl die Durchführung von Herstellungs- und Entwicklungspflege als auch die permanente Unterhaltungspflege gemeint, soweit sie – ausnahmsweise einmal158 – selbst Gegenstand der Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme sind.159 In § 15 Abs. 4 S. 2 BNatSchG ist geregelt, dass der Unterhaltungszeitraum durch die zuständige Behörde im Zulassungsbescheid festzusetzen ist. Darüber hinaus ist denknotwendig zumindest das jeweilige Kompensationsziel exakt festzulegen, da nur so nach Abschluss der Maßnahme ermittelt werden kann, ob der Kompensationsverpflichtung inklusive Unterhaltung genügt wurde.160 154 Netz, Das Grundstücksverkehrsgesetz und Flächenansprüche des Naturschutzes und Umweltschutzes, NuR 2003, 663/664. 155 Vgl. BT-Drs. 10/2850, S. 5. 156 Vgl. BGH, Beschl. v. 9.5.1985 – BLw 8/84, BGHZ 94, 292/294; OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.5.2001 – 10 W 13/01, AUR 2003, 22. 157 In diese Richtung auch Mitschang (Fn. 80), S. 42. 158 Hierzu Schmidt-Eichstaedt, Müssen Ausgleichsmaßnahmen vom Vorhabenträger dauerhaft gepflegt werden?, BauR 2010, 1865/1866. 159 Vgl. BT-Dr. 16/12274, S. 58; hierzu Guckelberger (Fn. 15), § 15 Rdnr. 69 f. 160 Müller-Pfannenstiel/Borkenhagen, Der LBP für Natur und Landschaft, NuL 2007, 248/252. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 26 von 35 Explizit findet § 15 Abs. 4 BNatSchG nur Anwendung auf die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Es ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb die Vorschrift nicht auch für unterhaltungsbedürftige Vermeidungsmaßnahmen gelten sollte. Man wird sie daher insoweit analog heranzuziehen haben.161 Was die rechtliche Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen angeht, so denkt der historische Gesetzgeber hierbei in erster Linie an eine dingliche Sicherung, etwa nach § 1090 BGB (beschränkte persönliche Dienstbarkeit) oder nach § 1105 BGB (Reallast), aber auch an vertragliche Vereinbarungen, insbesondere Pachtverträge.162 Die Baulast wird demgegenüber zu Recht nicht mit aufgeführt. Sie ist ein Instrument zur Sicherung der öffentlich-rechtlichen Rechtmäßigkeit von Bauvorhaben.163 Konsequenterweise gewährt sie weder dem Eigentümer des betreffenden Grundstücks ein entsprechendes Nutzungsrecht noch verpflichtet sie diesen zur Duldung einer bestimmten Nutzung durch Dritte164 und ist damit ein für die hiesigen Zwecke nicht geeignetes Sicherungsmittel.165 In vielen Fällen wird, jedenfalls bei Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen, der Abschluss eines entsprechend langfristigen Pachtvertrags zur rechtlichen Sicherung ausreichend sein. Zum einen kommt solchen Pachtverträgen auf Grund der Regelung des § 593b i. V. m. § 566 BGB eine quasi-dingliche Wirkung zu und zum anderen sind – auch im Rahmen von Naturschutzprogrammen und Auflagen – landwirtschaftlich genutzte Flächen gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 GrdStVG ohnehin nicht frei veräußerbar.166 Darüber hinaus ist zu beachten, dass es einer – dann zusätzlichen – privatrechtlichen Sicherung nicht bedarf, wenn die betreffende Verpflichtung bereits auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Vorschriften durchgesetzt werden kann.167 Dies ist wegen deren dinglicher Wirkung etwa bei der Festsetzung von Kompensationsmaßnahmen in einer Baugenehmigung der Fall. Ein Mindestmaß an rechtlicher Sicherung erfahren Ausgleich und Ersatz im Übrigen bereits dadurch, dass die Verpflichtung hierzu nicht durch Unmöglichkeit im Wege anderweitiger Nutzung der Kompensationsflächen erlöschen kann. Lässt sich eine vorgesehene Kompensationsmaßnahme nicht mehr realisieren, weil die Fläche, auf der sie durchge161 Guckelberger (Fn. 15), § 15 Rdnr. 68; in diese Richtung auch Scheidler (Fn. 58), S. 138. 162 BT-Dr. 16/12274, S. 58. 163 Vgl. hierzu etwa Wenzel, Voraussetzungen für die Eintragung von Baulasten, BauR 2002, 569 ff. 164 BGH, Urt. v. 19.4.1985 – V ZR 152/83, NJW 1985, 1952/1953. 165 Sie wird denn auch in der Literatur nur in Verbindung mit zivilrechtlichen Sicherungsmitteln als ausreichend anerkannt, siehe nur jüngst Mitschang (Fn. 80), S. 43 Fn. 95. 166 Zur durchaus sicheren Position des Landpächters im Einzelnen Füßer/Lau, Der Kampf ums Land – Bergbau, Energiegewinnung, Infrastruktur, Siedlungstätigkeit, Naturschutz; hat die Landwirtschaft das Nachsehen? AUR 2010, 161 ff. 167 VGH München, Urt. v. 24.2.2010 – 2 BV 08.2599, NuR 2010, 885 Rdnr. 41. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 27 von 35 führt werden sollte, einer anderen Nutzung zugeführt wurde, so stellt diese neue Nutzung ihrerseits einen entsprechend kompensationspflichtigen Eingriff dar.168 Die Gesamtbilanz von Natur und Landschaft bleibt also gewahrt. Es liegt letztlich im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde, welche Form der rechtlichen Sicherung zu ergreifen ist.169 Gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BNatSchG ist schließlich – dem Verursacherprinzip folgend – der Verursacher oder dessen Rechtsnachfolger verantwortlich für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Damit trifft das Bundesnaturschutzgesetz nunmehr eine eigene Rechtsnachfolgeregelung, die immer dann zur Anwendung kommt, wenn das speziellere Fachrecht hierzu keine Regelung enthält.170 Das „oder“ in § 15 Abs. 4 S. 3 BNatSchG ist alternativ gemeint.171 Wen die zuständige Behörde in Anspruch nimmt (den Eingriffsverursacher oder dessen Rechtsnachfolger) liegt in derem an den ordnungsrechtlichen Grundsätzen zur Störerauswahl172 auszurichtendem Ermessen. Der Begriff des Rechtsnachfolgers ist weit auszulegen. Insofern heißt es gerade nicht – wie z. B. in § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG – „Gesamtrechtsnachfolger“.173 3.2.6 Ökokonto Schließlich können – wie nunmehr in § 16 BNatSchG auch bundesrechtlich geregelt ist – die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durch entsprechende Anrechnung bereits im Vorfeld des Eingriffs vom Eingriffsverursacher oder Dritten durch im Rahmen eines Maßnahmenpools (oft auch Ökokonto genannt) ergriffene Maßnahmen erbracht werden. Anerkennungsfähig – bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen besteht zudem ein Anspruch auf Anerkennung174 – sind solche Maßnahmen gemäß § 16 Abs. 1 BNatSchG, soweit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 BNatSchG erfüllt sind (Nr. 1), diese Maßnahmen ohne rechtliche Verpflichtung durchgeführt wurden (Nr. 2), dafür keine öffentlichen Fördermittel in Anspruch genommen wurden (Nr. 3), sie den Landschaftsprogrammen bzw. Landschaftsrahmenplänen und den Landschafts- bzw. Grünordnungsplänen nicht widersprechen (Nr. 4) und eine Dokumentation des Ausgangszustands der Flächen vorliegt (Nr. 5). Alles Weitere richtet sich laut § 16 Abs. 2 BNatSchG nach 168 BVerwG, Beschl. v. 31.1.2006 – 4 B 49.05, NVwZ 2006, 823/828. 169 VGH München, Urt. v. 24.2.2010 – 2 BV 08.2599, NuR 2010, 885 Rdnr. 50. 170 Vgl. BT-Drs. 16/12274, S. 58. 171 BT-Drs. 16/12274, S. 58. 172 Hierzu Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. (2009), Rdnr. 284 ff. 173 Zur Rechtsnachfolge Rdnr. 292 ff. 174 Hendler/Brockhoff (Fn. 82), S. 735. in ordnungsrechtliche Pflichten allgemein Schenke (Fn. 172), Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 28 von 35 Landesrecht.175 Die Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen steht zudem gerade auch wegen der Voraussetzung der Dokumentation des Ausgangszustands der betreffenden Flächen im engen Zusammenhang zu § 17 Abs. 6 S. 1 BNatSchG, wonach die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die dafür in Anspruch genommenen Flächen in einem Kompensationsverzeichnis erfasst werden.176 3.3 Abwägung Sodann darf gemäß § 15 Abs. 5 BNatSchG ein Eingriff nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft anderen Belangen im Range vorgehen. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass die bloße Gleichrangigkeit der einander widerstreitenden Belange noch nicht ausreicht, um dem Eingriff die Zulässigkeit abzusprechen.177 Ebenfalls wird deutlich, dass die materielle Darlegungs- und Beweislast für das Überwiegen der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der zuständigen Behörde liegt.178 Ersichtlich ist auch, dass es auf eine Abwägung nur nachrangig ankommt. Der zuständigen Behörde ist es mithin verwehrt, einen Eingriff unter Überspringung von Vermeidung und Ausgleich bzw. Ersatz unmittelbar im Wege der Abwägung gemäß § 15 Abs. 5 BNatSchG zuzulassen, etwa weil sie das hinter dem Eingriff stehende Interesse in jedem Fall als den entgegenstehenden Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorrangig ansieht.179 Dabei ist aber nicht nur dann in die Abwägung einzutreten, wenn der Ausgleich und der Ersatz tatsächlich unmöglich sind,180 sondern auch dann, wenn dies mit unverhältnismäßigen Belastungen für die Belange Betroffener verbunden wäre.181 Die mit den Kompensationsmaßnahmen verbundenen nachteiligen Folgen dürfen nämlich – wie bereits erwähnt – nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Flächeninanspruchnahme für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist indes nicht das Interesse an der Verwirklichung des Vorha175 Zu den diesbezüglich aufgeworfenen Fragen Diederichsen, Rechtsfragen der Ökokontierung und des Ökopunktehandels, NuR 2010, 843 ff. 176 Zur Bedeutsamkeit dieser Verzeichnisse siehe nur Wübbe/Szaramowicz/Rößling, Digitale Eingriffs- und Kompensationskataster, Natur und Landschaft 2006, 88 ff. 177 A.A. Mitschang (Fn. 80), S. 35. 178 Hendler/Brockhoff (Fn. 82), S. 736. 179 VGH Mannheim, Urt. v. 15.11.1994 – 5 S 1602/93, NuR 1995, 358/359. 180 Das wird insbesondere bei Windkraftanlage mit Blick auf die damit einhergehende „Industrialisierung“ der Landschaft regelmäßig der Fall sein, so auch OVG Lüneburg, Urt. v. 16.12.2009 – 4 LC 730/07, NuR 2010, 133/135. 181 BVerwG, Urt. v. 18.3.2009 – 9 A 40.07, NuR 2010, 41 Rdnr. 33. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 29 von 35 bens, sondern nur das Interesse an einem Ausgleich oder Ersatz der zu kompensierenden Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft ins Verhältnis zu den Auswirkungen der Flächeninanspruchnahme für den Betroffenen zu setzen.182 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entfaltet des Weiteren nicht nur mit Blick auf die betroffenen Dritten eine begrenzende Wirkung, sondern auch mit Blick auf den Eingriffsverursacher. So wird in der Rechtsprechung eine absolute Zumutbarkeitsgrenze für die Realkompensation gesehen, wenn die zu ergreifenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen 10 % und mehr der Gesamtinvestitionskosten ausmachen würden.183 Umstritten ist, ob es sich bei der naturschutzrechtlichen Abwägung nach § 15 Abs. 5 BNatSchG um eine planerische Abwägung oder nur um eine gerichtlich voll überprüfbare sog. nachvollziehende Abwägung handelt.184 Diese Frage lässt sich indes nicht pauschal beantworten; sie hängt wegen des akzessorischen Charakters der Eingriffsregelung vielmehr von der Entscheidungsstruktur des jeweiligen Zulassungsverfahrens ab.185 Nachdem sich das Bundesverwaltungsgericht zunächst noch in generalisierender Weise für eine bloß nachvollziehende Abwägung ausgesprochen hatte,186 ist es inzwischen ebenfalls dieser Sichtweise gefolgt.187 3.4 Ersatzzahlung Wird ein Eingriff nach § 15 Abs. 5 BNatSchG zugelassen oder durchgeführt, obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind, so hat der Verursacher schließlich gemäß § 15 Abs. 6 S. 1 BNatSchG Ersatz in Geld zu leisten.188 Mit dieser Regelung wird verhindert, dass der Verursacher besonders gravierender, nämlich nicht zu vermeidender und nicht kompensierbarer Eingriffe besser gestellt wird als der Verursacher unvermeidbarer Eingriffe, die aber ausgeglichen oder ersetzt werden können.189 Während von den übrigen Regelungen des § 15 Abs. 6 BNatSchG abgewichen werden kann, entziehen sich die auch in § 13 BNatSchG statuierten Vorgaben der Verpflichtung zur Ersatzzahlung überhaupt und deren Nachrangig182 BVerwG, Beschl. v. 7.7.2010 – 7 VR 2.10, 7 A 3.10, NuR 2010, 646 Rdnr. 28; BVerwG, Urt. v. 18.3.2009 – 9 A 40.07, NuR 2010, 41 Rdnr. 34. 183 OVG Lüneburg, Urt. v. 16.12.2009 – 4 LC 730/07, NuR 2010, 133/138 m.w.N. 184 Zum Streitstand Gellermann (Fn. 28), § 19 BNatSchG Rdnr. 24. 185 Gassner/Heugel (Fn. 28), Rdnr. 343. 186 BVerwG, Urt. v. 27.9.1990 – 4 C 44.87, BVerwGE 85, 348/362. 187 Am Bsp. der Planfeststellung BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 – 9 C 1/06, BVerwGE 128, 76/85 ff. Rdnr. 26 ff.; am Bsp. einer gebundenen Entscheidung nach § 35 Abs. 1 BauGB BVerwG, Urt. v. 13.12.2001 – 4 C 3.01, NuR 2002, 360/361. 188 Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung Guckelberger (Fn. 15), § 15 Rdnr. 102 f. 189 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 16.12.2009 – 4 LC 730/07, NuR 2010, 133/137. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 30 von 35 keit gegenüber der Realkompensation als zu den die Eingriffsregelung ausmachenden allgemeinen Grundsätzen des Naturschutzes gehörend der Regelungsbefugnis der Landesgesetzgeber.190 Kritisch sind daher insbesondere auch solche Regelungen zu sehen, die die Vorgaben an die Realkompensation so eng fassen, dass aus Verhältnismäßigkeitsgründen de facto der Vorrang von Ausgleich und Ersatz vor der Ersatzzahlung aufgehoben wird. Dies ist etwa bei § 6 Abs. 3 S. 1 HmbNatSchG der Fall. Dort heißt es, dass soweit im Falle der Beseitigung oder teilweisen Beseitigung von Gewässern im Hafennutzungsgebiet ein Eingriff festgestellt wird, abweichend von § 15 Abs. 2 BNatSchG Ausgleichsoder Ersatzmaßnahmen nur im Hafennutzungsgebiet durchzuführen sind. Ist dies nicht möglich, so muss nach § 6 Abs. 3 S. 2 HmbNatSchG auf die Ersatzzahlung ausgewichen werden. Gemäß § 15 Abs. 6 S. 2 BNatSchG bemisst sich die Ersatzzahlung nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der Personal- und sonstigen Verwaltungskosten. Sind diese nicht feststellbar, so bemisst sich die Ersatzzahlung gemäß § 15 Abs. 6 S. 3 BNatSchG nach Dauer und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der dem Verursacher daraus erwachsenden Vorteile.191 Die Länder können von dieser Regelung abweichen; bestehende landesgesetzliche Regelungen gelten zudem gemäß § 15 Abs. 7 S. 2 BNatSchG vorerst weiter, dies jedoch nur, soweit sie § 15 Abs. 6 S. 2 BNatSchG nicht zuwiderlaufen. Dies ist etwa hinsichtlich § 9 Abs. 4 S. 2 SächsNatSchG der Fall, weil sich danach die Höhe des Ersatzgeldes abweichend von § 15 Abs. 6 S. 2 BNatSchG primär nach der Schwere des Eingriffs bemisst. Wegen der – insoweit auch abweichungsfesten - Verpflichtung zu einer adäquaten Vollkompensation begegnen unabhängig davon solche landesgesetzlichen Regelungen verfassungsrechtlichen Bedenken, die ungeachtet der Vielgestaltigkeit der in Betracht kommenden Fälle eine absolute Höchstgrenze für die zu leistende Ersatzzahlung vorsehen, zumindest soweit diese Höchstgrenze nicht auf der sicheren Seite liegt.192 Solchen Bedenken ist prima facie beispielsweise § 6 Abs. 3 S. 2 HmbNatSchG ausgesetzt, der eine Deckelung der Ersatzzahlung bei bestimmten Eingriffen auf 7,50 Euro je m² in Anspruch genommener Fläche vorsieht. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht des Weiteren vor, dass die Ersatzzahlung im Zulassungsbescheid festzusetzen (§ 15 Abs. 6 S. 4 BNatSchG) und vor Durch190 Franzius (Fn. 9), S. 352; Mitschang (Fn. 80), S. 48. 191 Instruktiv zur Methodik der Bemessung von Ersatzzahlungen bereits Marticke, Zur Methodik einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe, NuR 1996, 387 ff. 192 In diese Richtung auch Franzius (Fn. 9), S. 352. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 31 von 35 führung des Eingriffs vom Verursacher zu leisten ist, wenn nicht ein anderer Zeitpunkt für die Zahlung festgelegt wird (§ 15 Abs. 6 S. 5 BNatSchG). Wird ein anderer Zeitpunkt für die Zahlung festgelegt, so „soll“ in diesem Fall gemäß § 15 Abs. 6 S. 5 BNatSchG eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Von der Sicherheitsleistung kann also nur in besonders begründeten Ausnahmefällen abgesehen werden. Trotz des untrennbaren Zusammenhangs zwischen Eingriff und Ersatzzahlung stellt die Festsetzung der Zahlungsverpflichtung eine eigene, selbständig anfechtbare Regelung dar.193 Das wird schon daran deutlich, dass die Ersatzzahlung nur Rechtsfolge der Zulassung des Eingriffs im Wege der Abwägung nach § 15 Abs. 5 BNatSchG und nicht Voraussetzung für diese Zulassung ist. § 15 Abs. 6 S. 6 BNatSchG regelt schließlich, dass die Ersatzzahlung zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglichst in dem betroffenen Naturraum zu verwenden ist, für die nicht bereits nach anderen Vorschriften eine rechtliche Verpflichtung besteht. Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 15 Abs. 7 S. 1 BNatSchG kann das Nähere gemäß § 15 Abs. 7 S. 2 BNatSchG durch Landesgesetz geregelt werden. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht schon früh in der Ersatzzahlung eine Sonderabgabe eigener Art gesehen.194 Die Ersatzzahlung steht in untrennbarem Zusammenhang mit der vorrangigen Pflicht zur realen Kompensation. Demzufolge wird in der Literatur vertreten, dass die hieraus erzielten Mittel nur für praktische Maßnahmen zur Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes im Zusammenhang mit den Eingriffsfolgen unter Berücksichtigung der Landschaftsplanung eingesetzt werden dürfen, nicht aber hieraus z. B. Bücher über den Naturschutz oder Radwege finanziert werden könnten.195 Die geforderte Wirkung im Raum der mit den Mitteln aus der Ersatzzahlung bestrittenen Maßnahmen kann indes sehr weit verstanden werden, so dass sich durchaus auch Bildungsmaßnahmen hieraus finanzieren lassen.196 Restriktiver im Vergleich zur Realkompensation sind die an die Mittelverwendung gerichteten Vorgaben des § 15 Abs. 6 BNatSchG jedoch insoweit, als eine Finanzierung von bereits nach anderen Vorschriften geschuldeten Maßnahmen aus den Mitteln der Ersatzzahlung ausgeschlossen ist. Die – eine Ausnahme von dem nach dem Verursacherprinzip Geforderten darstellende – Vorschrift des § 15 Abs. 2 S. 4 BNatSchG gilt insoweit gerade nicht.197 Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen, die in Bewirtschaftungsplänen für Natura 2000-Gebiete oder in Maßnahmenpro193 VGH Kassel, Urt. v. 27.6.1996 – 4 UE 1183/95, NVwZ-RR 1998, 68/69; offen gelassen BVerwG, Beschl. v. 18.2.1997 – 4 B 199.96, NuR 1997, 403. 194 BVerwG, Urt. v. 4.7.1986 – 4 C 50.83, BVerwGE 74, 308/309. 195 So etwa noch Fischer-Hüftle/Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, Stuttgart 2003, § 19 Rdnr. 137. 196 Hierzu Lau/Meske (Fn. 87), S. 479 ff. 197 A.A. Guckelberger (Fn. 15), § 15 Rdnr. 112. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 32 von 35 grammen nach der Wasserrahmenrichtlinie festgelegt sind, können daher nicht aus den über die Ersatzzahlung generierten Mitteln erbracht werden. Mit Blick auf die oftmals bestehende kompensationspflichtige Lücke zwischen Wirksamkeit des Eingriffs und Wirksamkeit der vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist insoweit noch auf Folgendes hinzuweisen: Der Ausgleich dieser zeitlichen Lücke erfolgt in der Praxis regelmäßig durch ein quantitatives Plus an Kompensation, was das ohnehin schon bestehende Flächenbeschaffungsproblem noch verschärft. Es wurde daher schon früh empfohlen, insoweit auf eine Geldleistung auszuweichen.198 Im Gesetz findet sich jedoch keine Rechtsgrundlage für einen separaten „Time-Lag-Ausgleich“. Dieser wird vielmehr fachlich aus der allgemeinen Kompensationspflicht des § 15 Abs. 2 BNatSchG abgeleitet.199 Ist demnach aber der „Time-Lag-Ausgleich“ integraler Bestandteil der Eingriffskompensation selbst, so werden auch die durch Zeitablauf bis zur Wirksamkeit der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen entstehenden Einbußen an Natur und Landschaft – zumindest soweit sie erheblich sind – grundsätzlich von der Realkompensationspflicht des § 15 Abs. 2 BNatSchG mit umfasst und ein sofortiges Ausweichen auf das Zahlen eines Geldbetrages ist nicht möglich. 4 Verfahrensrechtliches § 17 BNatSchG enthält schließlich noch eine Reihe verfahrensrechtlicher Vorschriften. Im Einzelnen sei auf die Lektüre des Gesetzes verwiesen.200 Von diesen Bestimmungen können die Länder gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG ohne Einschränkung abweichen.201 Durchaus brisant und daher erwähnenswert ist die Vorschrift des § 17 Abs. 7 BNatSchG. Danach prüft die Zulassungsbehörde auch die frist- und sachgerechte Durchführung der Vermeidungs- sowie der festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen, wofür sie vom Eingriffsverursacher die Vorlage eines Berichts verlangen kann. Hierdurch wird die Zulassungsbehörde letztlich mit Vollzugsaufgaben betraut. Die Vorschrift geht offenbar auf den vielfach erhobenen Befund zurück, dass es zur effektiven Verwirklichung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung mit der Festsetzung von Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen nicht sein Bewenden haben kann, sondern zusätzlich überprüft werden muss, ob 198 So etwa von Dressler (Fn. 126), S. 75. 199 Siehe nur Bruns/Kieß/Peters, Anforderungen an die Erfassung, Bewertung und Sanierung von Biodiversitätsschäden nach dem Umweltschadensgesetz, NuR 2009, 149/156 Fn. 59. 200 Siehe auch Scheidler (Fn. 58), S. 140 f. 201 Funke (Fn. 63), S. 158. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 33 von 35 die festgesetzten Maßnahmen auch realisiert wurden.202 Zu prüfen ist insoweit nicht die Erfüllung der sich aus § 15 BNatSchG ergebenden Pflichten, sondern nur die Durchführung der jeweils festgesetzten Maßnahmen.203 Der Bundesgesetzgeber hat mit § 17 Abs. 7 BNatSchG gerade keine Anleihen an den darüber hinaus gehenden landesrechtlichen Vorschriften genommen. So heißt es etwa in § 23 Abs. 3 LNatSchG BW: „Nebenbestimmungen können auch nachträglich erlassen und geändert werden, wenn der mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Natur und Landschaft angestrebte Erfolg nicht eingetreten ist oder der Fortgang des gestatteten Eingriffs dies zwingend notwendig macht; […].“ und § 10 Abs. 5 SächsNatSchG lautet: „Nebenbestimmungen können auch nachträglich erlassen oder geändert werden, wenn ohne Veranlassung durch den Eingriffsverursacher der mit den Kompensationsmaßnahmen für Natur und Landschaft angestrebte Erfolg (§ 9 Absatz 2 und 3 [entspricht § 15 Abs. 2 BNatSchG]) nicht eingetreten ist oder der Fortgang des gestatteten Eingriffs dies zwingend notwendig macht; […].“ Demgegenüber spricht § 17 Abs. 7 BNatSchG lediglich davon, dass die betreffende Behörde „die frist- und sachgerechte Durchführung der Vermeidungs- sowie der festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen“ prüft. Daran schließt sich die Frage der Reichweite der Prüfungspflicht nach § 17 Abs. 7 BNatSchG an. Dies ist insofern bedeutsam, als der Wortlaut („prüft“) eine strikte Prüfungspflicht vorsieht, was auch mit Sinn und Zweck der Norm, nämlich effektiv zum Abbau der vielfach konstatierten Vollzugsdefizite im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung beizutragen, im Einklang steht. Vor diesem Hintergrund ist die Frage aufgeworfen, ob die Zulassungsbehörde nur die reine Durchführung der festgesetzten Maßnahmen zu überprüfen hat oder im Falle eines negativen Prüfungsergebnisses darüber hinaus auch verpflichtet ist, entsprechende Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Eine ähnliche Problematik ist bereits aus dem Monitoring im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung nach § 4c BauGB bekannt. § 4c BauGB verpflichtet die Gemeinden, im Rahmen ihrer Bauleitplanung die mit einem Bebauungsplan einhergehenden erheblichen Umweltauswirkungen – insbesondere auch in Bezug auf die Eingriffsregelung204 – zu überwachen. Dabei ist ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift anerkannt, dass die Gemeinde hingegen nicht zum Ergreifen entsprechender Ab202 Statt vieler Thum, Die Kontrolle der Durchführung der Eingriffsregelung. Ein Problemaufriss, in: Köck/Thum/Wolf, Praxis und Perspektiven der Eingriffsregelung, Baden-Baden 2005, S. 26 ff. 203 Gellermann (Fn. 81), S. 76 mit entspr. Kritik aus Sicht des Naturschutzes. 204 Schrödter, Umweltprüfung in der Bauleitplanung, LKV 2008, 109/112. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 34 von 35 hilfemaßnahmen verpflichtet ist; diese vielmehr in deren Ermessen gestellt sind.205 Ebenso verhält es sich hier; § 17 Abs. 7 BNatSchG spricht lediglich von der Prüfung der Durchführung der festgesetzten Maßnahmen, nicht jedoch von der Ergreifung etwaiger Abhilfemaßnahmen. Auch die Gesetzesbegründung bestätigt dies, wo es heißt: „Satz 1 regelt hierzu eine entsprechende Prüfungspflicht der Zulassungsbehörde, die dann gegebenenfalls in der Lage ist, die von ihr getroffenen Festsetzungen im Wege des Verwaltungszwangs durchzusetzen.“206 Inwieweit eine Pflicht zu einem entsprechenden Tätigwerden auf Grund der Erkenntnisse aus der Durchführungsprüfung besteht, richtet sich demzufolge nach dem jeweiligen Fachrecht bzw. dem allgemeinen Verwaltungsrecht (etwa § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG). Überdies verbietet es § 17 Abs. 7 BNatSchG freilich nicht, dass sich die Zulassungsbehörde zur Wahrnehmung ihrer Prüfungspflichten – in welcher organisatorischen Form auch immer – der Naturschutzbehörden bedient, so dass die Zulassungsbehörde letztlich nur die „Wiedervorlagenverantwortung“ trägt. Das ist insofern sinnvoll, als die – im Gegensatz zur Regelung des § 17 Abs. 7 BNatSchG in das Ermessen gestellte – allgemeine Prüfungs- und Interventionsbefugnis der Naturschutzbehörden nach § 3 Abs. 2 BNatSchG parallel neben die Verpflichtung der Zulassungsbehörde nach § 17 Abs. 7 BNatSchG tritt und den Naturschutzbehörden weitergehende, für eine effektive Prüfung manchmal unabdingbare Befugnisse zukommen. So steht beispielsweise ein Betretungsrecht nur den Naturschutzbehörden, nicht aber auch der Zulassungsbehörde zu (vgl. § 65 Abs. 3 BNatSchG).207 5 Ausblick Die Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung zeichnet sich damit nach wie vor durch eine hohe Komplexität sowie ein Hand-in-Hand-Greifen zahlreicher rechtlicher und fachlicher Vorgaben aus, was sich gegenstandsbedingt auch in Zukunft nicht entscheidend wird ändern lassen. Eine zusätzliche Komplexität erfährt die Eingriffsregelung durch die im Detail unterschiedlichen Landesregelungen und die bestehen gebliebene Methodenvielfalt hinsichtlich der Bewertung von Eingriff und Kompensation. Für eine einheitlichere Anwendung der Eingriffsregelung ist in § 15 Abs. 7 S. 1 BNatSchG nunmehr zwar der Grundstein gelegt, doch bedarf die danach zu erlassende Rechtsverordnung der Zustimmung des Bundesrates, der sich indes bereits im Gesetzgebungsverfahren gegen eine solche Rechtsver- 205 Bunzel, Monitoring in der Bauleitplanung, NuL 2006, 177/178; Stüer/Sailer, Monitoring in der Bauleitplanung, BauR 2004, 1392/1400; Krautzberger, Die Umweltprüfung im Innenbauleitplanverfahren nach dem EAG Bau 2004, UPR 2004, 401/407. 206 BT-Drs. 16/12274, S. 60; Hervorhebung durch den Verfasser. 207 Für eine Kooperation plädieren auch Gassner/Heugel (Fn. 28), Rdnr. 298. Eingriffsregelung_II RAe Füßer & Kollegen Seite 35 von 35 ordnung ausgesprochen hatte.208 Der jetzige Rechtszustand sei zufrieden stellend, lautete die Begründung. Überdies bliebe selbst mit der Existenz einer entsprechenden Rechtverordnung nach § 15 Abs. 7 S. 1 BNatSchG die den Ländern verfassungsrechtlich eingeräumte Abweichungsmöglichkeit in den Detailfragen unberührt. Die von Praktikern geforderte bundeseinheitliche „TA Eingriff“209 wird daher noch einige Zeit auf sich warten lassen, falls sie überhaupt jemals Realität wird. Stattdessen ist in naher Zukunft mit der Einführung eines an den Grundfesten der Eingriffsregelung kratzenden Ablasshandels zu rechnen. Hat sich doch die derzeitige Regierungskoalition zum Ziel gesetzt, den Ländern die Möglichkeit der Gleichsetzung von Realkompensation und Ersatzzahlung einzuräumen.210 208 Vgl. BT-Drs. 16/13298, S. 4. 209 So bereits Garbe, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und ihre Bedeutung im Bauplanungsrecht, Berlin 1996, S. 253; siehe auch Meyhöfer, Umsetzungsdefizite bei Kompensationsmaßnahmen in Bebauungsplänen, Berlin 2000, S. 35 f. 210 Wachstum, Bildung, Zusammenhalt, Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode, S. 31, u.a. abrufbar unter http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Ministerium/koalitionsvertrag.html?nn= 109628 (zuletzt abgerufen am 15.1.2011). Eingriffsregelung_II