sgm-spiegel - the striped mouse
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Nr. 2, Januar bis März 2005 SGM-SPIEGEL StriemenGrasMaus TITELTHEMA: DIE STRIEMENGRASMAUS Review – Ein Poem zum Abschied Diplomarbeit in Goegap – und die Vorteile für Studenten Mäuseporträt: Männchen BlackBlackBlack Schlangensommer Spendenaufruf 1 IMPRESSUM Bestellen kann man den SGM-Spiegel, indem man eine Email schreibt an: info@stripedmouse.com. In die Betreffzeile „SGM Abo“ eingeben, es ist kein weiterer Text erforderlich. Der SGMSpiegel wird dann automatisch vier mal im Jahr als Email Anhang an Sie geschickt. Der SGM-Spiegel ist kostenlos. Es wird jedoch um eine Spende von 10 Euro pro Jahr gebeten. Größere Spenden sind natürlich herzlich willkommen. Zur Abbestellung schicken Sie eine Email an info@stripedmouse.com und geben in die Betreffzeile „Abo ENDE“ ein . REDAKTION Dr. Carsten Schradin, Gastwissenschaftler an der School of Animal, Plant and Environmental Sciences, University the Witwatersrand, Johannesburg, Südafrika. Annette Wiedon, Universität Münster, Deutschland. KONTAKTADRESSE Goegap Nature Reserve, Succulent Karoo Research Station, Private Bag X1, Springbok 8240, South Africa. info@stripedmouse.com INTERNETADRESSE COPYRIGHT UND HAFTUNGSAUSSCHLUSS Sämtliche im SGM-Spiegel veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil des SGM-Spiegels darf ohne schriftliche Genehmigung der Redafktion in irgendeiner Form reproduziert werden. Eine Haftung der Redaktion für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen. http://www.stripedmouse.com ERSCHEINUNGSWEISE Der SGM-Spiegel erscheint vierteljährlich, im Januar, April, Juli und Oktober jeden Jahres. Der SGM-Spiegel wird als Email Anhang im PDF Format verschickt. ABBONENTEN-SERVICE UND BEZUGSPREIS 3 4 5 7 8 9 10 10 12 13 24 24 26 27 27 31 33 35 36 38 INHALT DIESER AUSGABE WILLKOMMEN BEI DER ZWEITEN AUSGABE DES SGM-SPIEGELS LESERBRIEFE SPRINGBOK – DIE HAUPTSTADT VON NAMAQUALAND NAMAQUALAND-WETTER PERSONALIEN Review – ein Poem Diplomarbeit in Goegap – und die Vorteile für Studenten Gewußt wie Ein Goegap Erlebnis TITEL: DIE STRIEMENGRASMAUS INTERESSANTES ÜBER DIE TIER- UND PFLANZENWELT Mäuseporträt: Männchen BlackBlackBlack Käfer oder Vespa? Vogelporträt: Der Felsenbussard Schlangensommer Pflanzenportät: Der Pinkelbusch BESUCHER KONFERENZEN, VORTRÄGE, PUBLIKATIONEN FORSCHUNGSFÖRDERUNG: SPENDEN AN DIE FORSCHUNGSSTATION AUS DIE MAUS: DIE LETZTE SEITE 2 WILLKOMMEN BEI DER ZWEITEN AUSGABE DES SGM-SPIEGELS! Es war ganz schön anstrengend, den ersten SGMSpiegel auf den Weg zu bringen. Das Verfassen der Artikel war dabei die geringste Arbeit. Aber Korrigieren, Formatieren, ein ansprechendes Layout finden und schließlich alles als PDF umzuwandeln, das war gar nicht so einfach. Und dann passierte auch noch das, wovon ich immer ausging, dass es gar nicht passieren kann: die meisten Emails mit dem SGM-Spiegel im Anhang kamen gar nicht an. Aber schlussendlich war es dann doch geschafft, der SGM-Spiegel und seine englische Schwester, die SM-TIMES, waren hinaus in alle Welt verschickt. Aber war es die ganze Arbeit wert gewesen? In der ersten Ausgabe hatte ich zwei Ziele für den SGM-Spiegel formuliert: 1. Populärwissenschaftlich über die Arbeit an der Forschungsstation in Namaqualand zu informieren. 2. Geldmittel für kleinere Forschungsvorhaben über Spenden einzutreiben. Inzwischen hat der SGM-Spiegel über 80 Abonnenten aus 20 Ländern! Das erste Ziel ist damit meiner Meinung nach bereits erreicht, die Arbeit hier in Namaqualand scheint weltweit Interesse zu finden. Zwar wäre es sicher schön, noch mehr Leser zu begeistern, aber die Abonnentenzahl wird im Laufe des Jahres sicher noch steigen. Dabei bin ich auch auf Ihre Hilfe angewiesen. Ich möchte Sie noch einmal bitten, den SGMSpiegel an alle weiterzuleiten, die potentiell Interesse haben. Das zweite Ziel war, Spenden für die Forschungsarbeit in Namaqualand zu erhalten. Da es bisher noch kein Spendenkonto gab, konnten natürlich auch noch keine Spenden gesammelt werden. Das führte zu einigen Komplikationen, denn viele Abonnenten waren derart von der Arbeit hier begeistert, Land Australien Argentinien Belgien Benin Deutschlan d Frankreich Italien Kanada Kolumbien Kongo Namibia Niederlande Peru Philippinen Schweiz Sri Lanka Südafrika UK USA Zambia unbekannt SGM-Spiegel SM-TIMES Anzahl Anzahl 2 1 1 1 21 2 1 1 1 1 1 2 1 1 9 1 1 2 23 3 5 1 5 Total 33 54 daß sie diese sofort unterstützen wollten Allerdings waren sie dann entäuscht, daß noch nicht gespendet werden konnte. Eine Dame in Springbok war nur schwer davon abzuhalten, mir gleich ein paar Geldscheine zuzustecken. Das ist natürlich die richtige Einstellung und ich habe die gute Nachricht für Sie, daß Sie ab jetzt spenden können. Mehr darüber im Spendenaufruf in diesem SGM-Spiegel. Das Team in Goegap und ich sind für jede Spende für die Forschungsarbeit hier in Namaqualand äußerst dankbar und wir hoffen, daß Sie mit dieser Ausgabe des SGM-Spiegels auch etwas zurück bekommen Ihr Carsten Schradin 3 LESERBRIEFE Mit großem Vergnügen und Interesse habe ich den ersten StriemenGrasMaus-Spiegel gelesen - freue mich schon auf die nächste Nummer. Toll, was Sie da in den letzten Jahren alles auf die Beine gestellt haben, sowohl wissenschaftlich als auch organisatorisch! Und prima, mit welch originellen Ideen Sie "Reklame" für Ihr Projekt machen. Dein SGM Spiegel ist wirklich supi! Ich habe zwar noch nicht alles gelesen. Aber das wird ganz offensichtlich eine gemütliche Bettlektüre. Ich bin, wie immer, beeindruckt, was für Ideen Du hast und wie Du sie dann auch in die Tat umsetzt. Wirklich super. Dr. Jennifer Pastorini, Rajagiriya (Sri Lanka) Prof. Barbara König, Zürich Klasse Idee, Dein Newsletter. Und sicherlich eine ganze Menge Arbeit. Ich werd`s (und hab schon) auf alle Fälle an meine Kollegen weiterleiten. Vielen lieben Dank für den SGM-Spiegel, den ich echt sehr gelungen finde. Ich würde mich freuen, wenn Du mir diesen weiterhin mailen könntest. Es ist nämlich sehr schön zu erfahren, was für Projekte Ihr dort unten gerade oder demnächst durchführt. Dr. Heiko Rödel, Bayreuth Daniela Fischer, Münster DIE UNTERSCHIEDLICHEN SCHAUPLÄTZE Südafrika: Ist, wie der Name schon sagt, das südlichste Land in Afrika, am Kap der guten Hoffnung gelegen. Südafrika besteht aus einem Völkergemisch, ca. 75% Schwarze, 12% Weiße, 8% Farbige („Mischlinge“), sowie Inder, Malaien, einige Nachkommen der San (Buschmänner) und andere. Es ist die einzige Industrienation Afrikas mit einer sehr guten Infrastuktur und hervorragenden Versorgungsmöglichkeiten. Probleme stellen hingegen die hohe Rate an AIDSInfizierten und die starke Kriminalität dar. Südafrika ist aber groß, und in Namaqualand, wo wir arbeiten, gibt es diese Probleme nicht. Sukkulentenkaroo: Dies ist ein sogenanntes Biom, beschreibt also eine Pflanzengesellschaft, genauso wie tropischer Regenwald, Savanne oder Tundra Biome sind. Die Sukkulentenkaroo ist ein Biodiversitätshotspot. Tatsächlich ist hier die Artenvielfalt genauso hoch wie in einem tropischen Regenwald. Die Sukkulentenkaroo umfasst Namaqualand und Teile des südlichen Namibias. Im SGM-Spiegel werden die Wörter Namaqualand und Sukkulentenkaroo daher häufig synonym verwendet. Namaqualand: Ist der Teil Südafrikas, welcher im Nordwesten liegt, zwischen Kapstadt und der Grenze zu Namibia. Heutzutage vor allem für seine Wildblumen bekannt, war Namaqualand Anfang des 20. Jahrhunderts eines der weltweit wichtigsten Abbaugebiete von Kupfer. Inzwischen spielen die Diamantenmienen eine wichtige Rolle. Namaqualand ist keine offizielle Provinz, sondern gehört zum Nordkap. Namaqualand ist eine der am dünnsten besiedelten Gegenden Südafrikas und eine der ärmsten. Dies liegt u.a. am trockenen, wüstenartigen Klima. Springbok: Die inoffizielle Hauptstadt von Namaqualand. Sie hat nur etwa 20 000 Einwohner, aber ganz Namaqualand kommt am Wochenende hierher um Einzukaufen. Dementsprechend bekommt man in Springbok fast alles, was man braucht. Es gibt auch zwei gut bestückte Supermärkte. Goegap Naturreservat: Goegap wird ausgesprochen als „Guchap“. Dieses Naturreservat liegt nur 20 km außerhalb von Springbok. Im Frühling kommen Tausende von Touristen hierher, um 4 die Wildblumen zu bestaunen. Ansonsten ist es eher ruhig und Oryx-Antilope, Springbok, Erdwolf, Mäuse und Mäuseforscher haben ihre Ruhe. Field Site: Das Untersuchungsgebiet. Dies ist der Ort im Freiland, wo der Wissenschaftler seine Daten aufnimmt. Hier beobachten wir also die Mäuse. Wie sich jedoch bald herausstellte, hatte ich SPRINGBOK – DIE HAUPTSTADT VON NAMAQUALAND als kleiner Europäer mal wieder viel zu schnell geurteilt und schon binnen weniger Tage stellte ich fest, daß Springbok Von Melanie Schubert eigentlich ziemlich viel zu bieten hatte: Springbok, das ursprünglich noch Ich erwachte von einem sanften Rütteln und Springbokfontein genannt wurde, bemerkte, daß der Bus sein Tempo entwickelte sich aus einer einfachen Farm. verringert hatte. Verschlafen öffnete ich Gründe hierfür sind im 19. Jahrhundert zu mein linkes Auge und konnte gerade noch suchen, als die ersten Kupfervorkommen in das Ortsschild mit der Aufschrift „Welcome Namaqualand entdeckt wurden. Im Jahre to Springbok“ erspähen. Nun war es endlich 1852 wurde von Philips und King die erste soweit! Voller kindlicher Neugier klebte mein Kupfermine eröffnet und aus der kleinen Gesicht an der schmutzigen Fensterscheibe verschlafenen Farm entwickelte sich ein und ich beobachtete mit großen und stetig wachsendes Dorf, das heute als wachsamen Augen die an mir Hauptstadt von Namaqualand das Zentrum vorbeiziehende Umgebung. Doch schon für Verwaltung, Handel und Industrie bald überkam mich ein Gefühl des darstellt. Somit gibt es hier zwei große Unbehagens und Enttäuschung machte sich Supermärkte und viele Geschäfte, in denen breit. Diese kleine, von sandfarbenen man das meiste kaufen kann. Weiterhin Steinbergen umgebende Stadt, schien nur lockt Springbok auch mit seinen zahlreichen aus einer höchstens einen Kilometer langen historischen Attraktionen. Beispielsweise Hauptstraße zu bestehen. Und wo waren die kann man hier alte Minenschächte, Gräber ganzen bunten afrikanischen Farben in aus dem „Anglo-Boer war3“ und den ältesten dieser trockenen Einöde? Schmelzofen im südlichen Afrika besuchen. Mit hängenden Schultern verließ ich den Zudem kann man sich im Namaqualand Bus und erblickte sogleich eine Gruppe von Museum noch einen Einblick in die Buren1, die verschmitzt an ihrem Biltong2 Geschichte Springboks verschaffen. Wer knabberten und lautstark über die letzten mehr an Flora und Fauna interessiert ist, Rugby Ergebnisse debattierten. Und meine wird hier im Frühling/Sommer ein Paradies Enttäuschung wuchs und wuchs ... 1 2 auf Erden finden, wenn viele hundert 3 Buren: Afrikans sprechende weiße Afrikaner Biltong: getrocknetes Fleisch Anglo-Boer war: Aufstand der Buren gegen die Briten 5 verschiedene Wildblumen die sandige an das Verkehrssystem und die zahlreichen Oberfläche bedecken und junge Antilopen Übernachtungsmöglichkeiten machen ihre ersten Lebenserfahrungen sammeln. Springbok zu einem unvergesslichen Stop in Springbok gehört zu der Provinz „Northern ihrem Südafrika Urlaub. Cape“ und befindet sich 550 km nördlich von Kapstadt an der N7. Die zentrale Anbindung Hauptstraße in Springbok (Bild: P. Wiedman) Mehr dazu und zu Namaqualand im nächsten SGM-Spiegel mit dem Titelthema: Urlaub und Reisen in Namaqualand. 6 NAMAQUALAND-WETTER Von Carsten Schradin Die letzten 3 Monate Minimaltemperaturen Nachts Tags Maximaltemperaturen Nachts Tags Regenfall in mm Regentage Oktober November Dezember 10 16 12 21 14 27 20 33 22.5 4 25 36 0.2 2 22 36 0 0 Kurzlebigen Pflanzen wie Wildblumen und Kräuter starben ab, das Land wurde wieder trocken und staubig: eine Wüste eben! Zur Erleichterung für uns Menschen kam danach aber wieder eine Kaltfront, welche die Temperaturen erträglich machte. Im Dezember, also im Hochsommer, war es an manchen Tagen so kalt, daß man abends beim Grillen sogar einen Pulli anziehen mußte. Gegrillt haben wir aber trotzdem und dabei an all die armen Menschen in Europa gedacht, denen diese Freude noch mehrere Monate lang fehlen wird. Der Frühling hielt dieses Jahr sehr lang. Im Oktober war das Land schön grün, und selbst im November, eigentlich ja schon Sommer, gab es noch zahlreiche Wildblumen zu bewundern. Insgesamt hatte es im Winter und Frühling aber zu wenig geregnet und die Pflanzendecke war entsprechend dünn. Den Rest erledigte dann eine heiße Periode im November/Dezember. Tagelang stieg das Quecksilber über 35 Grad, die Hitze war nur schwer erträglich. Nicht nur für die Menschen, auch für die Pflanzen. Der Field Site im Dezember: Es ist wieder sehr trocken! 7 PERSONALIEN Von Carsten Schradin Die letzten drei Monate war wieder ziemlich viel los. Melanie, Christina und Carola haben die Datenaufnahme für ihre Diplomarbeiten beendet. Die sechs Monate harter Arbeit haben sich aber auch gelohnt. Es wurden viele Daten aufgenommen und Antworten zu zahlreichen interessanten wissenschaftlichen Fragen gefunden. Derzeit schreiben die drei ihre Diplomarbeiten fertig und wir werden Ihnen die Zusammenfassungen in den kommenden Ausgaben des SGM-Spiegels präsentieren. So viel Arbeit konnte nur bewältigt werden, weil die Diplomandinnen intensive Hilfe von den Feldassistentinnen bekamen. In den letzten drei Monaten waren dies Annette Wiedon von der Universität Münster und Eva Krause von der Universität Erlangen. Annette fiel durch außergewöhnlich hohe Hilfsbereitschaft auf, wodurch nicht nur die Forschung profitierte, sondern auch die Studentenküche, welche plötzlich nicht mehr unter Bergen dreckigen Geschirrs verschwand. Die Nächte verbrachte sie unter dem funkelnden Sternenhimmel Namaqualands, da sie Christina beim Fangen half. Aber sie führte auch Pflanzenkartierungen für mich durch, half beim Fangen, Beobachten und Telemetrieren der Mäuse. Schließlich führte sie noch ein Projekt alleine durch und fing etwas abseits vom Field Site Elefantenspitzmäuse. Die Populationsdichte ist sehr gering, doch wissen wir jetzt immerhin, daß es hier genügend Tiere für eine zukünftige Studie gibt. Eva war ebenfalls eine große Hilfe. Sie telemetrierte die Territorien zahlreicher Mäuse, half beim Fangen und Beobachten. Zwei wichtige Pilotstudien führte sie selbständig durch: Auf einer benachbarten Farm stellte sie Fallen auf, um herauszufinden, ob auch dort Mäuse leben. Diese Arbeit war sicherlich etwas deprimierend, da fast keine Mäuse in die Fallen gehen wollten. Aber kurz vor ihrer Abreise fand sie doch noch eine Stelle auf der Farm, wo eine gesunde Mäusepopulation zu leben scheint. In Zukunft können wir diese in unsere Studien miteinbeziehen. Zudem maß sie Temperaturen in Mäusemodellen an natürlichen Sonnenplätzen der Mäuse. Dabei stellte sie fest, daß sich die Modelle durch die Strahlung um 7 Grad mehr erwärmen, als die Umgebungstemperatur beträgt. Sonnenbaden scheint für die Mäuse also eine gute Strategie zu sein, um sich aufzuwärmen. Am 6. Dezember verließen die beiden Feldassistentinnen die Forschungstation und am 15. Dezember gingen auch die drei Diplomandinnen. Goegap drohte gerade schon etwas auszusterben da traf ich zwei etwas niedergeschlagene Gestalten im Internetcafe: Lars Müller und Daniel Weidner von der Fachhochschule Dresden. Eigentlich waren beide auf dem Weg nach Namibia, um dort ihre Diplomarbeit über die Himba zu schreiben, ein Nomadenvolk im Norden Namibias. Da sie aber kein Studienvisum hatten, ließ man sie nicht über die Grenze. Jetzt sind sie in Goegap, helfen beim Beobachten der Mäuse, planen ihre Studien in Namibia und warten auf ihr Visum. Im nächsten SGM-Spiegel werden die beiden berichten, welchen Eindruck die Mäuse auf sie gemacht haben. 8 Annette Wiedon (links) und Eva Krause halfen als Feldassistentinnen tatkräftig mit. Wir folgen ihr bis in das Gras, sie wundert sich: “Was soll denn das?“ REVIEW Ein Poem von Annette, Carola, Christina, Eva und Melanie über ihre Zeit in Goegap Man weiß ja nicht ob sie`s versteht, erklärte man ihr worum es geht. Sie wär` dann sicher hilfsbereiter und wir kämen mit unseren Studien weiter. Brennend heißer Wüstensand, Fern, so fern vom Heimatland Liegt das Goegap Naturreservat, das uns ein neues zu Hause gab. So müssen wir uns ganz schön mühen, ständig die sample size erhöhen, damit wir am Ende aller Plagen wenigstens ein sinnvolles Ergebnis haben. Zwischen Straußen und Antilopen können wir uns im Feld austoben. Doch beim Fangen und Telemetrieren arbeiten wir mit viel kleineren Tieren. Da kommt schon mal Verzweiflung auf und nimmt in Heimweh ihren Lauf. Ein Windhoek-Bier und gemütliches Essen lassen uns solche Gedanken wieder vergessen. Von Sonnenauf- bis Untergang Mensch wirklich, so ein Tag ist lang Spiel`n wir bei Mäusen den Spion, ein bißchen crazy ist das schon! Man kann den Weg zum Zähne putzen dann für Reptilienstudien nutzen. Für Adrenalin sorgt ungelogen ein Exemplar, das kriecht am Boden. Schwarz gestreift ist diese Maus. Sie lockt uns täglich aus dem Haus. 9 So paßt man auf nicht ungebeten, auf eine Puffotter zu treten. Und rückt dann doch der Abschied ran klingt auch so was wie Wehmut an. Es ist zu spät! Der Bus verläßt bereits das Land mit dem brennend heißen Wüstensand. Das könnte nämlich leicht passieren, da wir nur in den Himmel stieren, um stumm die Sterne anzusehen, die 1000-fach am Himmel stehen. geschrieben werden. Eine gute Übung für das spätere Arbeitsleben, denn welcher Wissenschaftler muß keine Anträge schreiben?! In Goegap angekommen, lernt man nicht nur eine Diplomarbeit zu schreiben, sondern auch organisieren + improvisieren, arbeiten im Team und Flexibilität in allen Lebenslagen, um nur einige Dinge zu nennen. Durch Besuch von Wissenschaftlern aus aller Welt erhält man Einblicke in verschiedene Forschungsgebiete und hat die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. Da die Menschen im Namaqualand meistens nur Afrikaans und Englisch sprechen, spricht man hier neben Deutsch auch immer Englisch. Dies hat einen eindeutigen Vorteil, denn wissenschaftliche Paper werden fast nur noch auf englisch publiziert und das Schreiben der Diplomarbeit auf englisch wird auch immer beliebter. Nebenbei erhält man noch Einblick in das Leben der Namaquaianer und hat die Möglichkeit, durch Ausflüge in die Umgebung faszinierende Landschaften zu entdecken. Natürlich ist die Arbeit hier in Goegap körperlich recht anstrengend und die Geduld wird oft auf die Probe gestellt. Aber wenn man nach einem harten Tag im Dezember bei 20 C° an einem offenen Feuer hinter dem Haus sitzt und einen wunderschönen Sternenhimmel betrachten kann... ist das nicht allein schon Grund genug für eine Diplomarbeit im Goegap Nature Reserve?! DIPLOMARBEIT IN GOEGAP – UND DIE VORTEILE FÜR STUDENTEN Von Carola Schneider Wenn das Ende der Studienzeit naht, stellt sich irgendwann die Frage „Wo mache ich meine Diplomarbeit?“. Für mich war auf diese Frage schnell eine Antwort gefunden, denn ich hatte ein Jahr vor Beginn der Diplomarbeit schon ein achtwöchiges Praktikum in Goegap gemacht. Nachdem ich die Entscheidung getroffen hatte, stellte sich aber schnell die Realität ein. Ein Teil der Arbeit sollte selbst finanziert werden, die Anreise und die Aufenthaltsgenehmigung muß organisiert werden und man ist sechs Monate weit weg von zu Hause. Wo also liegen die Vorteile? Schon bei der Organisation im heimischen Deutschland wurde mir schnell klar, daß man in der Lage sein muß, viele Dinge (wie z.B. Behördengänge, Arztbesuche, Besorgung von Flugticket + Visum, Bescheinigungen von der Uni usw.) in relativ kurzer Zeit unter einen Hut zu bekommen. Ein wichtiger Punkt, wenn man später als Wissenschaftler arbeiten will. Um Gelder zu beschaffen (da es für Diplomarbeiten im Ausland keine Gelder von deutschen Unis gibt und die südafrikanischen Unis verständlicher Weise nicht gerne die Ausbildung deutscher Studenten bezahlen), mußten Anträge backen, Improvisationskochen, Toiletten putzen, Wäsche waschen ohne Waschmaschine, wie man mit Giftschlangen umgeht und Schnarcher vom Schnarchen abbringt. Außerdem natürlich diverse Forschungsmethoden, die auf das Objekt unseres Interesses, die Striemengrasmaus angewendet werden. Standard für jeden, der hier arbeitet, ist die Nestbeobachtung. Oft teilen sich mehrere GEWUßT WIE Von Eva Krause In den zwei Monaten als Feldassistentin im Goegap Nature Reserve habe ich mehr gelernt, als ich für möglich gehalten hätte: Aufstehen vor dem Morgengrauen, Brot 10 sich Geduld eher lohnt als übereiltes Umherlaufen. Von entscheidender Bedeutung ist auch, zu wissen wo man suchen muß, denn alle Telemetrie?kunst nützt nichts, wenn die Maus sich in einer ganz anderen Gegend befindet. Die Reichweite der Sender ist begrenzt und liegt je nach Gelände und Alter der Batterie zwischen 50 und 100 Meter. Um einer Maus einen Sender anlegen zu können, muß man sie natürlich erst einmal fangen. Gleiches gilt für das Markieren der Tiere. Unsere Mausefallen sind kleine Kästen aus Metall oder Kunststoff. Tritt das Opfer ein, fällt eine Klappe herunter und verschließt den Ausgang. Als Lockmittel dient eine Mischung aus Bran Flakes, Rosinen, Salz und Öl, der kaum eine Maus widerstehen kann und viele immer wieder in die Fallen lockt, trotz der nachfolgenden Unannehmlichkeiten. Zunächst wird der Inhalt der Falle in eine durchsichtige Plastiktüte entleert. Nun kann das Tier begutachtet und nach Entfernen des restlichen Köders mitsamt Tüte gewogen werden. Herausnehmen läßt sich die Maus am Besten, wenn man sie mit dem Kopf voran in eine Ecke der Tüte drängt, von oben hereingreift und sie an den Schulterblättern festhält. Zwei Dinge sollte man dabei dringend vermeiden: die Maus zu weit hinten anzufassen und zu weit um sie herum zu greifen. Beides gibt dem Tier die Möglichkeit, den Kopf so zu bewegen, daß ein Finger in Reichweite seiner scharfen Nagezähne kommt. Für die Maus ist das der Schlüssel zur schnellen Flucht, für den Gebissenen Anlaß zu Beschimpfungen und Flüchen. Wenn man aber alles richtig macht, liegt die Maus gut in der Hand und kann markiert werden. Das geschieht durch einen sogenannten Eartag, einen Metallclip, in den eine Nummer eingraviert ist und der mit Hilfe einer Zange am Ohr befestigt wird. Um das Tier auch aus größerer Entfernung, zum Beispiel bei der Nestbeobachtung identifizieren zu können, wird die Eartag– Nummer zusätzlich mit schwarzer Haarfarbe beidseitig auf das Fell geschrieben. Für eine schnelle Geschlechtsbestimmung bekommen die Weibchen noch einen schwarzen Kopf und die Männchen ein schwarzes Hinterteil. Die meisten lassen die ganze Prozedur stillschweigend über sich ergehen, und nur wenige protestieren mit heftigem Zappeln und Piepen entschieden Mäuse ein Nest, in dem sie gemeinsam die Nacht verbringen. Diese Schlafplätze befinden sich gewöhnlich in einem Busch. Positioniert man sich jeweils vor Sonnenaufgang und Sonnenuntergang vor dem betreffenden Gewächs, kann man feststellen, welche Tiere dort schlafen und sie beim Sonnen, Fressen und bei sozialen Interaktionen beobachten. Die Nestbeobachtung bietet auch eine gute Gelegenheit, die weiblichen Mäuse zu wiegen. Deren Gewicht wird so oft wie möglich kontrolliert. Nehmen sie innerhalb kurzer Zeit stark zu, läßt sich daraus schließen, daß sie trächtig sind. Rapide Gewichtsabnahme zeigt die kürzlich erfolgte Geburt der Jungen an. Das Verfahren ist einfach und vorteilhaft für alle Beteiligten. Man stellt eine Küchenwaage vor das Nest, die mit etwas Erdnußbutter bestrichen ist und der Rest erledigt sich von selbst. Problematisch wird es, wenn etwa die Männchen auch unbedingt Erdnußbutter fressen wollen und Frustration stellt sich ein, wenn man nach einer geschlagenen Stunde noch immer keine einzige Maus gesehen hat. Zur Grundausstattung gehört auch das Telemetrieren, auf englisch radio tracking genannt. Mit Hilfe dieser Technik kann man ein ganz bestimmtes Tier im Gelände finden und ihm wenn nötig auch über längere Strecken folgen. Dazu bedarf es eines kleinen Senders, den die Maus an einem Halsband trägt, sowie eines Empfangsgerätes mit Antenne und Kopfhörern. Gibt man die Frequenz des gesuchten Senders ein und befindet man sich nicht zu weit von Selbigem entfernt, ertönt ein gleichmäßiges tok-tok-tok aus den Kopfhörern. Je mehr man sich dem Sender nähert, desto weiter kann man die Empfangsfrequenz senken, ohne das Signal zu verlieren und so seine Quelle schließlich ausfindig machen. Doch diese Methode hat ihre Tücken. Ein starkes Signal kommt immer scheinbar aus mehreren Richtungen gleichzeitig. Daß man den falschen Weg eingeschlagen hat, erkennt man erst, wenn der Empfang irgendwann unvermittelt abbricht. Es kommt auch vor, daß der Forschende verzweifelt suchend umher irrt und schließlich ein Signal an einer Stelle bekommt, an der er doch gerade eben schon einmal gestanden und nichts empfangen hatte. Die Erfahrung lehrt, daß 11 gegen diese Behandlung. Trotzdem sitzen viele von ihnen am nächsten Tag wieder in der Falle. Wichtig für alle Forschungsarbeiten ist die Beherrschung technischen Geräts. An erster Stelle steht natürlich der PC zur Eingabe und Auswertung der gesammelten Daten. Doch auch eine Videokamera kann im Auftrag der Wissenschaft gute Dienste leisten, zum Beispiel zur Beobachtung nächtlicher Geschehnisse im Nest. Da natürliche Nester dem Kameraauge nur schwer erschließbar sind, werden Nestboxen aufgestellt, die mit einer durchsichtigen Plexiglasscheibe abgedeckt sind, auf der man die Kamera positionieren kann. Zur Raffung der Aufnahmen wird im Zeitraffer gefilmt. Auf den Videos kann man sehen, wann die Mäuse ins Nest kommen, ob sie schlafen oder wachen, ob sie während der Nacht das Nest verlassen, ob sie die gegenseitige Nähe suchen oder lieber Abstand halten und einiges mehr. Was nützt mir nun dieser reiche Wissensschatz in Deutschland? Dort werde ich wohl kaum Gelegenheit haben, Mäuse zu fangen oder zu telemetrieren. Zu Hause gibt auch es keine Giftschlangen, statt dessen eine Waschmaschine. Doch viele Dinge lassen sich allgemein anwenden, wie der Umgang mit den Tieren, die Methoden zur Datenaufnahme, die Fähigkeit zur Improvisation und die Erkenntnis, daß alles geht, wenn man sich erst mal traut. Selbständiges Arbeiten ist somit das Wichtigste, was man in Goegap lernt und später überall anwenden kann. WIE WIRD MAN EIGENTLICH FELDASSISTENT? Als FeldassistentInnen kommen nur Leute mit biologischen Vorkenntnissen in Frage. Dies sind vor allem BiologiestudentInnen, aber auch Studierende ähnlicher Fachbereiche wie Tiermedizin können sich bewerben. Aufgaben der FeldassistentInnen sind: Fangen und Markieren von Mäusen, Telemetrieren, Verhaltensbeobachtungen, Hilfe bei der Instandhaltung der Forschungsstation und vieles mehr. Wer Interesse daran hat, eventuell trotz all der Unannehmlichkeiten für 2-3 Monate nach Goegap als FeldassistentIn zu kommen, schreibt an Email an: info@stripedmouse.com (in den Betreff „FA“ schreiben). Ich werde dann weiteres Informationsmaterial zuschicken. Daniela Fischer war 2003 als Feldassistentin da. (Bild C. Schradin). primitiv, aber wenn man es genau nimmt, braucht man diese Sachen gar nicht. EIN GOEGAP ERLEBNIS Wir haben Solarstrom für das Licht, Autobatterien für die Computer, Leitungswasser zum Trinken vom Office (ca. 5 km entfernt) oder Mineralwasser aus Springbok. Grundwasser wird abgepumpt für die Duschen, der Boiler und der Herd werden mit Gas betrieben. Und mal ganz ehrlich: das Wasser wird genauso warm, das Essen schmeckt genauso gut, wie wenn man all das mit Elektrizität machen würde. Es gibt kein Telefon, man muß zum Telefonieren entweder zum Office oder zum Emailen nach Springbok fahren. Das wäre vermutlich für viele undenkbar, aber hier Von Brigitte Britz In der letzten Ausgabe wurde Ihnen erzählt, wie die Forschungsstation aussieht und wie das Leben dort von sich geht. Manche Leute bevorzugen das einfache Leben, wenn alles schnell erhältlich und zugänglich ist. Goegap ist ganz anders und für manche Leute wäre es sicherlich eine Zumutung, für andere aber ist es ein Abenteuer. In der letzten Ausgabe erfuhren Sie, daß es hier keinen Strom gibt, kein Telefon und keine Wasserleitung. Das ist natürlich sehr 12 werden wir nicht durch klingelnde Telefone gestört. Stattdessen schätzen wir ein Telefonat, eine Email oder gar einen Brief sehr, was in der Massengesellschaft der Städte leider oft nicht mehr der Fall ist. Zimmer ihre Sonnenblumenkerne abholt, und auch beim Weihnachtsgrillen draußen mit dabei war: sie fraß von einem Stück Speck, das dreimal so groß war wie sie selber. Während der Nestbeobachtungen lernt man auch die unterschiedlichen Striemengrasmäuse kennen. Hat man die Waage mit Erdnußbutter vergessen (diese dient dazu, die Tiere zu wiegen), springt z.B. Männchen 141 ganz aufgeregt zu einem hin, sucht nach der Erdnußbutter und man hat den Eindruck, die Enttäuschung auf seinem Gesicht lesen zu können. Der atemberaubende Sternenhimmel ist ein weiterer Höhepunktund macht jedes Grillfest zum Erlebnis. Danach einfach auf die Matratze fallen und unter freiem Himmel schlafen, dabei die Erhabenheit der Natur um einen herum zu fühlen, wo kann man das sonst? (Natürlich darf man hierbei nicht an das ganze Krabbelzeug denken, das womöglich zu einem ins Bett kommen will.) Während Goegap einige Unannehmlichkeiten hat, bietet es seinen Besuchern aber auch bezaubernde Erlebnisse, welche ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Es gibt hier so viel zu sehen und zu lernen! Morgens um 5.30 Uhr aufzustehen ist nicht gerade schön, aber die Morgenluft zu riechen und zu sehen, wie das Land erwacht, machen es trotzdem zu einer angenehmen Erfahrung. Während der Nestbeobachtungen am Abend kann man manchmal unerwartet ansonsten scheue und seltene Tiere sehen, zum Beispiel Bergzebras oder eine Wildkatze. Selbst für Leute, die nicht Biologie studieren, ist es erstaunlich zu sehen, wieviele Eigenschaften die Tiere mit uns teilen. Die Erlebnisse mit den Tieren sind es, die jeden Tag einzigartig machen und uns oft zum Lachen bringen. Da war zum Beispiel das Mäuseweibchen 560, welche mit Carsten nach Springbok fahren „wollte“: er fand sie plötzlich auf dem Beifahrersitz. Oder die Zwergmaus, welche jeden Abend bei uns im Dies sind nur einige der Sachen, welche Goegap zu einem besonderen Erlebnis machen. Leider können wir diese Erlebnisse nur beschreiben, aber nicht per Email zu Ihnen schicken: Sie müssen schon selber einmal nach Goegap kommen! TITEL DIE STRIEMENGRASMAUS Von Annette Wiedon und Carsten Schradin noch bevor die schnurgerade Asphaltstraße in einem Schotterweg endet, das Goegap Nature Reserve. Das etwa 150 km2 große Naturreservat befindet sich im nördlichen Teil des Namaqualandes, eine für ihre Wildblumen bekannte und sehr trockene Gegend im Westen Südafrikas. Die Jahresniederschläge liegen im Mittel bei 160 mm, weshalb das Gebiet bereits als Wüste klassifiziert werden kann. Das Reservat beherbergt neben den schön gezeichneten Oryxantilopen, Springböcken und Bergzebras noch viele weitere sehenswerte Tierarten. Darunter auch die für den Besucher nicht leicht zu entdeckende und Soziale Interaktionen bei Tieren gehören zu den interessantesten Themen der Verhaltensforschung. Häufig werden nahe verwandte Arten untersucht, um die Gründe für Sozialverhalten zu erschließen. Einige Arten zeigen sogar innerartliche Unterschiede in ihrem Sozialsystem, so daß ein unmittelbarer Vergleich möglich wird. Die Striemengrasmaus ist eine solche Art. Maus mit Modellcharakter Verläßt man das kleine Städtchen Springbok und fährt landeinwärts, so erreicht man, 13 doch hoch interessante Striemengrasmaus (Rhabdomys pumilio). Diese etwa 10 cm große und 30 bis 80 g schwere Nagerart ist die einzige ihrer Gattung und durch die auffälligen vier schwarzen Streifen auf dem Rücken leicht zu identifizieren. Seit nunmehr vier Jahren wird ihr Sozialverhalten in Goegap untersucht. Hierbei geht es vor allem darum zu verstehen, warum Tiere in Gruppen leben, Väter sich an der Jungenaufzucht beteiligen und warum Tiere mit unterschiedlichen sozialen Strategien auf unterschiedliche Umweltbedingungen reagieren. Die Striemengrasmaus eignet dazwischen liegenden offenen sandigen Flächen besteht. Da die Striemengrasmaus in Afrika weit verbreitet ist, kann man sie in recht unterschiedlichen Habitaten antreffen. So besiedelt sie außer dem trockenen Namaqualand auch Wälder, Sümpfe oder Grasländer. Ihre Fähigkeit zur Adaption an diese ökologisch höchst unterschiedlichen Gebiete, macht die Striemengrasmaus zu einem geeigneten Studienmodell, um Einflüsse verschiedener Umweltfaktoren auf das Sozialsystem von Säugetieren zu untersuchen. Gruppenleben in Namaqualand Ein Weibchen trägt ihr Junges zum neuen Nest. sich hervorragend, um diese Fragen zu untersuchen. Eine wichtige Voraussetzung, um das natürliche Verhalten untersuchen zu können, ist die Möglichkeit einer direkten Beobachtung der Tiere in ihrem natürlichen Habitat. Bei den meisten Nagerarten ist diese Möglichkeit leider nicht gegeben, da sie nachtaktiv sind und ein verstecktes Leben führen. Nicht so die Striemengrasmaus. Sie ist tagaktiv und bewohnt in Goegap einen gut einsehbareb Lebensraum, der aus Büschen und 14 Das Beobachten der Schlafbüsche im Goegap Nature Reserve ergab, daß nicht nur eine Striemengrasmaus von den ersten Sonnenstrahlen aus ihrem Nest gelockt wird, sondern bis zu 29 weitere! Die Mäuse leben also nicht allein, sondern in Gruppen. Alle Mäuse, die sich ein Nest teilen, werden als Mitglieder einer Gruppe betrachtet. Die Gruppenmitglieder verbringen zunächst eine gemeinsame Zeit vor dem Nest, in der sie sich sonnen und gegenseitig das Fell pflegen, bevor sie anschließend allein auf Nahrungssuche gehen. Als Nahrungsquelle dienen überwiegend Büsche, einjährige krautige Pflanzen und Sukkulenten. Wildblumen stellen für die Striemengrasmäuse eine wichtige Nahrungsquelle dar, die für die Fortpflanzung eine bedeutende Rolle spielt. Wahrscheinlich enthalten diese frischen Pflanzentriebe besonders viel Protein. Da die Wildblumen erst nach dem Winterregen und nur für kurze Zeit erscheinen, erstreckt sich auch die Fortpflanzungssaison nur über die drei Frühjahrsmonate von September bis November. Die Nachkommen sind ihrerseits nach anderthalb bis zwei Monaten und ab einem Gewicht von etwa 25 g fortpflanzungsfähig. Nach dieser Zeit gehen die Proteinressourcen aber bereits wieder zur Neige, so daß es für die meisten jungen Mäuse zu spät ist, sich noch im selben Jahr fortzupflanzen. Ebenso ist das Überleben einer dritten Generation durch die einige Sukkulente vorhanden. Dieses ganzjährig zur Verfügung stehende Nahrungsangebot ermöglicht eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit des Nachwuchses – in der Sukkulentenkaroo beträgt sie über 20%, während in anderen Gegenden nur 2-3% der Jungen ein Jahr alt werden. Zu diesem hohen Prozentsatz tragen vermutlich auch der Verzicht auf Fortpflanzung zugunsten der Anlage von Fettvorräten sowie die zahlreichen Vorteile des Gruppenlebens bei. Die Vorteile, die das Gruppenleben dem einzelnen Individuum bietet, sind vielfältig. Da die Temperaturen in Winter- und Frühjahrsnächsten unter 0°C fallen können, ist der Nutzen durch gegenseitiges Wärmen im Nest ein extrem wichtiger Faktor. Mäuse, welche in einer Gruppe schlafen, abnehmende Futterqualität gefährdet. Die Nachkommen verbleiben daher als junge Erwachsene in der Gruppe und pflanzen sich erst im nächsten Frühling fort. Statt in Fortpflanzung investieren sie ihre Energie in Fettvorräte, um Reserven für die trockenen Sommermonate zu haben. Ein weiterer Faktor, der diese Strategie begünstigt, ist die begrenzte Anzahl an Büschen, die dicht genug sind, um als Schlafplätze dienen zu können. Diese Büsche sind häufig bereits von Buschkaroo-Ratten (Otomys unisulcatus) besetzt, welche mit 120 g deutlich größer als die Mäuse sind und diese deshalb einfach von ihren Nestern fortjagen können. Abgesehen von den kurzlebigen proteinreichen Pflanzen sind das ganze Jahr über Büsche mit grünen Pflanzenteilen und Eine Mäusegruppe sonnt sich morgens vor ihrem Nest. Die Mäuse sind mittels Haarfarbe individuell markiert, so daß wir bei Nestbeobachtungen erkennen können, wer zur Gruppe gehört. Eine Farbmarkierung am Hinterteil bedeutet, daß es sich um ein Männchen handelt, bei einer markierten Brust ist es ein Weibchen. Vorne sitzen also Männchen 33 und Weibchen 23. 15 verbrauchen weniger Energie, vor allem in kalten Nächten, denn sie halten sich gegenseitig warm. Ein weiterer Vorteil des Gruppenlebens ist wohl die erhöhte Wachsamkeit. Durch Videoaufnahmen eines Schlafnestes konnte festgestellt werden, daß nie alle Gruppenmitglieder gleichzeitig schlafen. Mindestens ein Individuum sorgt mit seiner Wachsamkeit ständig für die rechtzeitige Warnung vor nächtlichen Angriffen durch Freßfeinde, wie z.B. Schlangen oder Wildkatzen. Ein weiterer möglicher Vorteil des Gruppenlebens ist in der gemeinsamen Aufzucht der Jungen unter Mithilfe von Tanten, jugendlicher Gruppenmitglieder und des Vaters zu sehen. entsprechend an. Ende des Jahres 2002 wurde sie auf 151 Mäuse pro ha beziffert, in den Territorien mancher Gruppen waren es sogar hochgerechnet über 200 Mäuse/ha. Auch die hohe Populationsdichte zwingt die jugendlichen Nachkommen in ihren Gruppen zu verbleiben, da keine freien Gebiete zum Abwandern vorhanden sind. Alle Gebiete um das Heimatterritorium herum sind von fremden Gruppen besetzt, welche äußerst aggressiv Eindringlinge verjagen. Die Gruppengröße kann daher bis auf 30 erwachsene Mäuse anwachsen. Trotz der starken Konkurrenz um Futterressourcen wird das ganze Territorium unter den Gruppenmitgliedern geteilt. Das Gebiet, in dem sich eine Maus bewegt, wird als ihr Homerange bezeichnet, quasi ihre Heimat. Die Homeranges der Mäuse einer Gruppe überlappen zu 91%. Mit den Da viele der Jungen überleben und zu Hause bleiben, steigt die Populationsdichte nach der Fortpflanzungssaison Bereits im zarten Alter von 12-14 Tagen verlassen die Jungen zum ersten mal das Nest (hier ein verlassener Bau einer Pfeifratte). Die ersten Tage sonnen sie sich nur vor dem Nest, später werden erste Exkursionen unternommen. 16 Die Mutter, deren Junge getötet wurden, ist nämlich immernoch mütterlich motiviert und produziert Milch, mit der dann die Jungen des anderen Weibchens gesäugt werden, wenn diese ein paar Tage später auf die Welt kommen. Homeranges von Mäusen einer anderen Gruppe überlappen sie dagegen nur zu 13%. An den Gebietsgrenzen konnte zudem aggressives Verhalten gegenüber nicht zur Gruppe gehörigen Mäusen festgestellt werden, weshalb die Striemengrasmaus als territorial bezeichnet werden kann. Männchen zeigen geschlechtsspezifische Unterschiede in ihrer Aggression, indem sie sich gegenüber anderen Männchen aggressiver verhalten als gegenüber Weibchen. Die Aggression gegenüber fremden Weibchen scheint gemildert, da sie als potentielle Paarungspartner in Frage kommen. Ein zu heftiges Bekämpfen könnte die Akzeptanz bei den Weibchen in der kommenden Fortpflanzungssaison gefährden. Weibliche Striemengrasmäuse zeigen dagegen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in ihrer Aggression. Besonders aggressiv sind Striemengrasmäuse, wenn sie eine fremde Maus direkt vor ihrem Nest antreffen. Selbst eine deutlich schwerere Maus wird hier aggressiv vertrieben, während an Territoriumsgrenzen meist die leichtere der gewichtigeren Maus ausweicht. Die in der Gruppe verbleibenden Nachkommen scheinen in ihrer eigenen Reproduktion gehemmt. Selbst wenn sie schon alt und groß genug sind, um sich selbst fortzupflanzen, tun sie dies nicht. Sie übernehmen statt dessen eine Helferfunktion bei der Aufzucht der nächst jüngeren Generation. Da es sich bei diesen Nachkommen i.d.R. um Geschwister handelt, erhöhen sie mit ihrer Fürsorge wahrscheinlich indirekt ihre eigene Fitness. Aber nicht nur die Weibchen und deren Nachkommen sind an der Jungenaufzucht beteiligt. Es konnte gezeigt werden, daß auch die männlichen Striemengrasmäuse ihre Nachkommen umsorgen. Diese väterliche Fürsorge tritt nur bei 7% der bisher untersuchten Säugetierarten auf, erweist sich also als ein eher seltenes Phänomen. Unter den Nagerarten zeigen einige zwar in Gefangenschaft väterliches Verhalten, es gibt aber bisher kaum Hinweise für dieses Verhalten in freier Natur. Auch die männlichen Striemengrasmäuse wurden zunächst in Gefangenschaftsstudien beobachtet. Dabei konnten erstaunlicherweise kaum Unterschiede zum mütterlichen Verhalten Gemeinsame Jungenaufzucht und väterliches Verhalten Eine Besonderheit des Gruppenlebens ist das Auftreten von gemeinschaftlicher Jungenaufzucht durch mehrere Weibchen. So pflanzt sich in der Sukkulentenkaroo nicht nur ein Striemengrasmausweibchen pro Gruppe fort, sondern häufig mehrere. Wie Untersuchungen zu Beginn der Fortpflanzungssaison gezeigt haben, bestehen die Gruppen aus einem Männchen und bis zu vier sich fortpflanzenden Weibchen. Die Weibchen ziehen die Jungen gemeinsam im gleichen Nest auf. Allerdings kann es passieren, daß ein Weibchen vor der Geburt ihrer Jungen das gemeinsame Schlafnest verläßt. Es kommt erst zurück, wenn die Jungen circa 12 Tage alt sind und schon selber laufen können, wenn auch noch sehr wackelig. Dieses Verhalten dient vermutlich dazu, zu verhindern, daß die anderen Gruppenweibchen, welche noch keine eigenen Jungen haben, die Neugeborenen töten, was bei einigen Mausarten vorkommt. Das kindstötende Weibchen beutet damit die erste Mutter aus. Ein Vater und sein jugendlicher Sohn. Beide kommen offensichtlich sehr gut miteinander aus. 17 festgestellt werden. Abgesehen von der fehlenden Fähigkeit zum Säugen, wärmen, lecken und pflegen die Väter ihre Jungen im gleichen Ausmaß wie die Mutter. Die Mütter tragen die Jungen lediglich öfter im Maul als der Vater. Beide Elternteile verbringen, wenn sie Junge haben, deutlich mehr Zeit im Nest als ohne Nachwuchs. Bei Männchen erhöht sich dieser Zeitanteil um etwa das Dreifache. beiden Männchen, die die Jungen nicht direkt ins Nest sondern nur davor getragen haben, konnte dabei beobachtet werden, wie es das Junge geleckt und gewärmt hat – und damit eine offensichtlich väterliche Motivation zeigte. Striemengrasmäuse sind nicht in der Lage ihre eigenen Jungen zu erkennen und sie von fremden zu unterscheiden, sofern die Jungen nicht älter als zehn Tage sind. Eine derartige Differenzierung wurde evolutiv nicht begünstigt, da sich die unbeholfenen Nachkommen ohnehin nicht wesentlich vom Nest entfernen können. Zusätzlich zu den Gefangenschaftsstudien wurde ein Experiment für das Freiland modelliert. Einer Stichprobe von sieben Männchen, von denen man annahm, daß gerade Nachwuchs in ihrem Nest war, wurden 1-3 Tage alte Junge in einem Abstand von 2 Metern vor das Nest gelegt. Daraufhin haben 5 Männchen die Jungen zu ihrem Nest getragen, wovon 2 die Jungen sogar direkt in das Nest trugen. Eines der Väterliche Fürsorge stellt nicht automatisch eine selbstlose Investition in das Überleben der Jungen dar. Auch der Vater kann von seinem fürsorglichen Verhalten profitieren, denn schließlich wärmt nicht nur er die Jungen, sondern umgekehrt wärmt er auch Ein wildes Männchen (rechts) hat ein Junges zu seinem Nest getragen und stellt sich nun schützend darüber. Auch ein Jugendlicher der Gruppe (links) ist an dem Jungen interessiert, während 2 weitere Jugendliche nur von hinten zuschauen. 18 gelegenen Graslandschaften. Grasländer finden sich z.B. in der Nähe von Pretoria oder in KwaZulu-Natal, eine südafrikanische Provinz. Diese Gegenden erhalten jährlich 800-1200 mm Niederschlag, der hauptsächlich als Sommerregen fällt. Dementsprechend üppig ist die Vegetation: Das gesamte Gebiet ist mit Gras und krautigen Pflanzen bedeckt. Der dadurch entstehende Eindruck einer hohen Futterverfügbarkeit täuscht jedoch, denn Gras gehört nicht zum Nahrungsspektrum der Striemengrasmäuse. Sie fressen überwiegend Samen, Beeren und Kräuter. Als Proteinquellen dienen dabei Samen und Insekten, die während des gesamten Frühjahrs und Sommers zugänglich sind. Über diesen Zeitraum von ungefähr sieben Monaten erstreckt sich auch die Fortpflanzungssaison. Aufgrund dieser erheblich längeren Zeitspanne, haben die im Frühjahr geborenen Nachkommen noch über mehrere Monate die Möglichkeit, sich sich selbst an den Jungen. Die wohl eindeutigste Investition von Seiten der Väter ist der wesentlich höhere Mehraufwand an Zeit, die bei Anwesenheit von Jungen im Nest verbracht wird. Diese Zeit könnte das Männchen statt dessen nutzen, um auf Nahrungssuche zu gehen oder weitere Sexualpartner zu suchen. Auch im Freiland verbringen die Väter genauso viel Zeit im Nest wie die Mütter, und auch hier sind sie gegenüber jugendlichen Mäusen genauso freundlich, wie es die Weibchen sind. Es scheint sogar so, daß die Männchen gegenüber ihren erwachsenen Kindern freundlicher sind, als die Weibchen. Andere Länder – andere Sitten Vollkommen anders als bisher beschrieben gestaltet sich das Sozialsystem der Striemengrasmäuse in den fast 1000 km entfernten, in der Mitte Südafrikas Die Grasländer Südafrikas zeigen eine vollkommen andere Vegetation als die Sukkulentenkaroo. Auch die Mäuse leben hier ganz anders: Nicht in Gruppen, sondern als Einzelgänger. 19 In den Grasländern leben die Striemengrasmäuse also solitär. Ein Weibchen zieht folglich seine Jungen allein auf und diese verlassen das mütterliche Nest dann bereits als Jugendliche, um sich selber fortzupflanzen. Die Männchen sind nicht fest an ein Nest gebunden, sondern folgen einer umherstreifenden Strategie. Ihre Gebeite überlappen mit denen mehrerer Weibchen und sie besuchen mehrere Weibchen hintereinander, um sich mit diesen zu paaren. Väterliches Verhalten konnte in den Grasländern nicht beobachtet werden. fortzupflanzen. Tatsächlich wurde festgestellt, daß in den Grasländern die Mäuse schon als Jugendliche das Nest und Territorium der Mutter verlassen und abwandern. Während sich junge Mäuse in der Sukkulentenkaroo selbst bei einem Körpergewicht von 40 g und mehr nicht fortpflanzen, beginnen die Jungen in den Grasländern schon mit einem Körpergewicht von nur 25 g mit der Fortpflanzung. Da die Mäuse das reichlich wachsende Gras nicht verdauen können (Mäuse sind keine Kühe!), sind sie auf die nur mühsam zu findenden Kräuter, Samen und Beeren angewiesen. Aufgrund des nur spärlichen Vorkommens dieser Futterquellen wird ein größeres Gebiet für die Nahrungssuche notwendig. Die Homeranges sind daher im Durchschnitt für Weibchen 6 mal und für Männchen sogar 10 mal so groß wie in der Sukkulentenkaroo. Weiterhin werden die Homeranges nicht mit anderen Mäusen geteilt, sondern exklusiv genutzt. Würde das Territorium mit etwaigen Gruppenmitgliedern geteilt, so wäre eine noch größere Fläche notwendig, um alle zu ernähren. Dies wiederum würde die Bewältigung weiterer Strecken erfordern, was letztlich einen höheren Energieaufwand, damit einen steigenden Futterbedarf und erneut größere Territorien bedeuten würde. Das Gruppenleben im Grasland ist folglich mit derart hohen Kosten verbunden, daß es für das Individuum effektiver ist, solitär zu leben. Durch die üppige Vegetation sind reichlich Schlafnester vorhanden. Da aber alles bewachsen ist und es keine offenen Stellen gibt, gibt es für die Mäuse auch keinen Ort, wo sie sich sonnen können, so wie es bei den Striemengrasmäusen in der Sukkulentenkaroo zu beobachten ist. Das Sonnen dient vermutlich dazu, Energie zu sparen. Da die Striemengrasmäuse der Grasländer diese Möglichkeit nicht haben, müssen sie einen größeren Anteil metabolischer Wärme erzeugen. Damit wird wiederum mehr Futter notwendig und der Zirkelschluss über größere Territorien hin zu dem damit verbundenen steigenden Energiebedarf beginnt von neuem. Die Verfügbarkeit von Futter und freien Nistplätzen sowie die Möglichkeit zum Sonnen sind offensichtlich entscheidende Faktoren, die das Sozialsystem der Tiere beeinflussen. Trotz der solitären Lebensweise im Freiland, zeigen die Grasland-Männchen in Gefangenschaft väterliches Verhalten – und zwar im selben Ausmaß wie die Väter der in Gruppen lebenden Striemengrasmäuse der Sukkulentenkaroo. Diese Beobachtung bietet Grund zu der Annahme, daß nur die unterschiedlichen ökologischen Gegebenheiten für das unterschiedliche Verhalten im Freiland verantwortlich sind. Denn unter vergleichbaren Laborbedingungen wird vergleichbares Verhalten gezeigt. Väterliches Verhalten scheint somit eine reproduktive Strategie zu sein, die nur unter bestimmten ökologischen Bedingungen gezeigt wird. Die Überlebenswahrscheinlichkeit der Striemengrasmäuse ist in den Grasländern relativ gering. Nur 2,3% der Mäuse werden ein Jahr alt. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei der Mangel an Futter und die niedrigen Temperaturen im Winter. Vorteile des Gruppenlebens wie etwa gegenseitiges Wärmen im gemeinsamen Nest können aufgrund der solitären Lebensweise nicht genutzt werden. Zudem wird die Energie nicht in Fettvorräte, sondern in Reproduktion investiert. Die geringe Überlebensrate resultiert in einer ebenfalls geringen Populationsdichte von etwa 10-40 Mäusen pro ha. Ein Mangel an freien Territorien besteht somit nicht. Die jungen Mäuse können abwandern und ein eigenes Territorium besetzen. 20 und Grasländern: Die Fortpflanzungszeit war nur 3 Monate lang und damit weniger als halb so lang wie in den Grasländern. Das bedeutete, daß auch in diesem Jahr für die spät geborenen Jungen keine Möglichkeit bestand, sich selber fortzupflanzen. Als sie das richtige Alter erreichten, war die Fortpflanzungssaison nämlich schon zu Ende. Diese Mäuse blieben dann zu Hause, wohl um die Vorteile des Gruppenlebens zu genießen. So bildeten sich am Ende der Fortpflanzungssaison wieder Familiengruppen, auch wenn diese mit 3-9 Mäusen deutlich kleiner waren, als in den Jahren davor. Diese Gruppen blieben bis zur nächsten Fortpflanzungssaison stabil und die Überlebensrate war wieder sehr hoch: Mehr als 20% der Mäuse überlebten bis zum Frühling 2004. Verhaltensflexibilität auch in der Sukkulentenkaroo Wenn die unterschiedlichen Umweltbedingungen die Ursache für das unterschiedliche Verhalten sind, dann müßten die Bedingungen der Grasländer – übertragen auf die Sukkulentenkaroo – auch dort das Einzelgängerdasein begünstigen. Diese Hypothese konnte im Jahr 2003 nach der schlimmsten Dürre seit über 40 Jahren getestet werden. Aufgrund der großen Trockenheit nahm die Populationsdichte rapide ab. Im Jahr 2002 wurden 234 Mäuse individuell markiert und neun Gruppen beobachtet. Von diesen hatten bis zum Juli 2003 nur vier Individuen überlebt, bis zur Fortpflanzungssaison im September nur noch zwei Die Überlebensrate sank auf 2%.. Alle neun beobachteten Gruppen waren ausgestorben. Um überhaupt noch ausreichend Daten über die Striemengrasmäuse sammeln zu können, wurde der Field Site von 2 ha auf 30 ha vergrößert. Anhaltender Regen im August initiierte das Pflanzenwachstum und ermöglichte damit einen späten Frühling, so daß sich die überlebenden Mäuse fortpflanzen konnten. Die Sozialstruktur der Mäuse gestaltete sich nach der Dürrekatastrophe ganz anders als in den vorherigen Jahren. Die Tiere lebten nicht mehr in Gruppen, sondern jedes Weibchen hatte ihr eigenes Nest und Territorium. Die Männchen blieben nicht mehr bei einem Nest, sondern vergrößerten ihr Territorium enorm, so daß sie die Territorien mehrerer einzelner Weibchen überlappten. Auch blieben die Jungen nach dem Erreichen des Erwachsenenalters nicht mehr zu Hause, sondern wanderten als Jugendliche ab. Bereits mit einem Gewicht von 25 g fingen die Jugendlichen an sich fortzupflanzen. In früheren Jahren wäre dies ein Skandal gewesen, denn damals blieben die Mäuse auch als über 40 g schwere Erwachsene zu Hause, ohne sich fortzupflanzen. Weitere Studien Die Striemengrasmaus zeigt extreme Flexibilität in ihrem Sozialverhalten, sowohl zwischen als auch innerhalb von Populationen. Bei ihr kann man daher sehr gut die Gründe für soziale Flexibilität, Gruppenleben und väterliches Verhalten untersuchen. Während wir inzwischen die ökologischen Gründe für Sozialverhalten einschließlich väterliches Verhalten und kommunale Jungenaufzucht verstehen, gibt es noch viele Bereiche, in denen uns noch viele Informationen fehlen: 1. Ist das Verhalten der Mäuse wirklich evolutiv adaptiv, d.h. erhöhen sie dadurch ihren Fortpflanzungserfolg? 2. Wie bestimmt eine Maus welcher sozialen Strategie sie folgt und welche Umweltreize sind dafür zuständig? 3. Welche Einflüsse haben die sozialen Bedingungen, unter denen die Mäuse aufwachsen, auf ihr späteres Sozialverhalten? Verhält sich eine Maus, die in einer großen Familiengruppe aufwächst und in dieser auch als Erwachsener bleibt, im Erwachsenenalter anders, als eine Maus, welche als Jugendliche auszieht und alleine lebt? Welche Auswirkungen hat dies auf die sozialen Fähigkeiten der erwachsenen Tiere? Kurz gesagt führte die Dürre zu einer geringen Überlebenswahrscheilichkeit und einer sehr geringen Populationsdichte - eine Situation ähnlich der in den Grasländern. Entsprechend zeigte sich auch das Sozialsystem vergleichbar dem der Grasländer: aus dem Gruppentier wurde ein Einzelgänger! Aber einen Unterschied gab es immer noch zwischen Sukkulentenkaroo 21 sollte. Tatsächlich gibt es gute Gründe, dies zu tun: 4. Welche physiologischen Faktoren gehen mit der sozialen Flexibilität einher? Wodurch wird Gruppenleben und väterliches Verhalten beeinflußt? Hierbei wäre vor allem die Rolle von Hormonen interessant. Haben in Gruppen lebende Tiere andere Hormonwerte als Einzelgänger? Und welchen Einfluß hat dies auf das Sozialverhalten? 1. Die Forschung und ihre Ergebnisse sind äußerst spannend. Viele Menschen interessieren sich dafür und sind erstaunt, wozu Mäuse in der Lage sind. Verhaltensforschung ist an sich ein Kulturgut, wie z.B. eine Oper. Und genauso, wie sich nicht alle Menschen für die Oper interessieren, müssen sich natürlich auch nicht alle für Tiere interessieren. Wichtig ist aber, daß es viele Menschen gibt, die sich dafür interessieren. 2. Die Striemengrasmäuse können uns helfen, auch das Verhalten von uns Menschen besser zu verstehen. Man möge meinen, dazu solle man doch Warum Forschung an der Striemengrasmaus? Es sind also noch viele Fragen offen, aus denen sich mögliche Projekte für die Zukunft ergeben. Aber es stellt sich die Frage, warum man überhaupt Zeit, Energie und Geld in eine solche Forschung stecken Die Striemengrasmaus ermöglicht es uns zu untersuchen, warum Tiere in Gruppen leben, warum sich Väter an der Jungenaufzucht beteiligen und warum unterschiedliche Tiere verschiedene soziale Strategien verfolgen. Es ist aber auch schon spannend und interessant, einfach das Leben dieser Tiere zu verfolgen und zu sehen, wie es selbst bei Mäusen unterschiedliche Individuen mit eigenem Charakter gibt. 22 besser Affen untersuchen (und ich habe das früher getan).aber die Mäuse haben ein Merkmal mit uns gemeinsam, welches den Affen fehlt: Soziale Flexibilität! Die Sozialsysteme der Affen sind meist sehr festgeschrieben. Sie leben entweder in Familiengruppen (z.B. Springaffen oder Gibbons), bilden Harems (z.B. Colobus Affen oder Gorillas), oder leben in Gruppen aus mehreren Weibchen und mehreren Männchen (z.B. Paviane oder Schimpansen). Aber bei kaum einer Affenart kommt mehr als eine dieser Sozialstrukturen vor. Bei uns Menschen gibt es dagegen die verschiedensten Strukturen. Die soziale Variabilität ist nicht nur zwischen den Kulturen enorm, sondern auch innerhalb unserer westlichen Kultur: Einzelgänger, Gruppen, Monogamie, Polygynie (Vielweiberei), Kernfamilien, Großfamilien aus mehreren Generationen, gute Väter, Männer, welche nur Junge zeugen ohne sich an deren Aufzucht zu beteiligen und vieles mehr. Diese Variabilität findet man bei keiner Affenart, aber bei den Striemengrasmäusen! 3. Die Striemengrasmäuse ermöglichen es uns, die Einflüsse der Umwelt auf das Sozialverhalten und die damit verbundenen physiologischen Faktoren zu untersuchen. Da die Menschheit einer sich ständig wechselnden Umwelt ausgesetzt ist (wobei sie häufig selber für die Veränderungen verantwortlich ist), können wir froh sein, in der Striemengrasmaus ein Modell gefunden zu haben, mit dem sich diese Anpassungen untersuchen lassent. Von großem Vorteil ist hierbei, daß die Mäuse nur 1-2 Jahre leben, nicht Jahrzehnte wie Menschen und Affen. Man kann also viel schneller Effekte auf individuelles Verhalten herausfinden. Die Erforschung der Tiere an sich ist schon spannend! Es ist bemerkenswert zu sehen, wie die Tiere im Laufe der Zeit einen individuellen Charakter erkennen lassen. Häufig sind wir erstaunt, wie ähnlich die Mäuse uns Menschen sind. Es ist natürlich unwissenschaftlich, die Mäuse vermenschlichen zu wollen, aber trotzdem sollen den Lesern des SGM-Spiegels in dieser und den folgenden Ausgaben einzelne Mäuse und ihre Lebensgeschichten vorgestellt werden. Lesen Sie das folgende Mäuseportrait und sehen Sie selbst, wie spannend so ein Mäuseleben sein kann! Weiterführende Literatur Schradin C, 2004. Territorial defense in a group living solitary forager: who, where against whom? Behavioral Ecology and Sociobiology 55:439-446. Schradin C, 2005. Nest side competition in diurnal rodents from the succulent karoo of South Africa: The striped mouse (Rhabdomys pumilio) against the bush karoo rat (Otomys unisulcatus). Journal of Mammalogy 86 (August). Schradin C, in press. When to live alone and when to live in groups: ecological determinants of sociality in the African striped mouse (Rhabdomys pumilio, Sparrman, 1784). Belgian Journal of Zoology (Proceedings of the 9th African Small Mammal Symposium). Schradin C, Pillay N, 2003. Paternal care in the social and diurnal striped mouse (Rhabdomys pumilio): laboratory and field evidence. Journal of Comparative Psychology 117:317-324. Schradin C, Pillay N, 2004a. Prolactin levels in paternal striped mouse (Rhabdomys pumilio) fathers. Physiology and Behavior 81:43-50. Schradin C, Pillay N, 2004b. The striped mouse (Rhabdomys pumilio) from the succulent karoo of South Africa: A territorial group living solitary forager with communal breeding and helpers at the nest. Journal of Comparative Psychology 118:37-47. Schradin C, Pillay N, 2005. Intraspecific variation in the spatial and social organization of the African striped mouse. Journal of Mammalogy 86 (February). Schradin C, Pillay N, in press-a. Demography of the striped mouse (Rhabdomys pumilio) in the succulent karoo. Mammalian Biology. Schradin C, Pillay N, in press-b. The influence of the father on offspring development in the striped mouse. Behavioral Ecology. 23 INTERESSANTES ÜBER DIE TIER- UND PFLANZENWELT nächsten Falle machte. BlackBlackBlack war definitiv ein Fallenholiker! Was BlackBlackBlack so besonders für mich machte ist, daß er die erste Striemengrasmaus war, die ich richtig kennenlernte. So war BlackBlackBlack für mich das, was die weltberühmte Schimpansin Flo für die noch berühmtere Verhaltensforscherin Jane Goodall war. Er führte mich quasi bei den Striemengrasmäusen Goegaps ein. Seine zutrauliche und neugierige Art machten es einfach, ihm zu folgen und Einblick in sein Privatleben und somit in das Leben der Striemengrasmäuse zu bekommen. Als ich BlackBlackBlack 2001 traf, war es meine erste Feldsaison in Goegap. Mein Ziel war es, das Sozialsystem der Mäuse in Goegap zu erforschen und vor allem die Rolle der Männchen interessierte mich. Waren sie soziale, fürsorgliche Väter wie ich in Gefangenschaft gefunden hatte, oder waren sie grummelige Einzelgänger, wie es für diese Art für die Populationen in den Grasländern beschrieben worden ist? Ich hatte noch keine Vorstellung, was für Ergebnisse ich finden würde. Und ich wußte auch nicht, ob mein Forschungsansatz Erfolg haben würde. Neben dem traditionellen Fangen und Markieren wollte ich die Mäuse auch direkt im Freiland beobachten, ein Novum in der Mäuseforschung. Aber ob das klappen würde, war die kritische Frage. Die positive Antwort war BlackBlackBlack: Ja, es war möglich einer Striemengrasmaus über die Schulter zu schauen! Und was machte BlackBlackBlack so? Z.B. wurde er von einer Buschkarooratte von ihrem Nest weggejagt. Später sollte diese Art von Beobachtungen zu einer Publikation über Konkurrenz zwischen den beiden Arten um Nistplätze führen. Er wurde auch von den Weibchen einer Nachbargruppe verjagt, während er mit den Weibchen seiner Gruppe eine sehr positive Beziehung hatte und sich die Tiere häufig gegenseitig das Fell pflegten oder einfach gemeinsam eng aneinander gekuschelt dasaßen. Auch diese MÄUSEPORTRAIT Von Carsten Schradin BlackBlackBlack Wenn ich mir nun die Daten von damals anschaue, scheint es, als wüßte ich gar nicht viel über das Mäusemännchen BlackBlackBlack. Ich weiß weder wann er geboren wurde, noch warum er gestorben ist. Beobachtet habe ich ihn zum letzten mal am 16. September 2001, am nächsten Tag war er noch einmal in einer Falle. Aber danach war er verschwunden. Da er erst vor kurzem sein Territorium gewechselt hatte und erfolgreich bei der Gruppe 6 eingewandert war, bin ich mir aber sicher, daß er nicht einfach abgewandert ist. Irgendein Unglück muß ihm widerfahren sein, eine Schlange oder ein Felsenbussard sind die wahrscheinlichsten Gründe für sein Verschwinden. Wieviel Kinder er genau hatte, weiß ich auch nicht. Es scheint tatsächlich so, als ob ich nicht viel von ihm weiß. Und trotzdem ist BlackBlackBlack eine ganz besondere Maus für mich, geradezu die Personifikation der Striemengrasmaus in Goegap. Er war freundlich, sowohl seinen Gruppenmitgliedern gegenüber als auch mir gegenüber. Er war aktiv, liebte die Fallen, ohne es mir übel zu nehmen, daß sie zugingen und er danach in eine Plastiktüte geschüttelt wurde (so bekommen wir die Mäuse aus den Fallen). Tatsächlich könnte man sagen, BlackBlackBlack hatte ein Problem mit den Fallen, das andere nur mit Alkohol haben: Er war süchtig danach. Stellte ich irgendwo eine Falle auf, so hörte BlackBlackBlack das Klappern, und wenige Minuten später war er drin! Nahm ich ihn raus, ging er sofort in die nächste. Wir waren so aneinander gewöhnt, daß ich einfach die Falle aufmachte, woraufhin BlackBlackBlack ausstieg, auf meine Hand und dann meinen Arm kletterte, von dort auf den Boden sprang und sich auf den Weg zur 24 beiden Beobachtungen wurden später in zwei Publikationen aufgegriffen. BlackBlackBlack war außerdem sehr freundlich gegenüber den Jungen an seinem Nest Er begrüßte diese eifrig, wenn er sie abends am Nest traf und kraulte deren Fell. Dieses Verhalten der Männchen wurde in einer zusätzlichen Publikation besprochen. Das wichtigste, BlackBlackBlack mir zeigte, war, daß Striemengrasmäuse in sozialen Gruppen leben und welche Rolle die Männchen hierbei spielen. Auch die Männchen sind sozial, ja scheinen fast sozialer als die Weibchen. Sie haben gute Beziehungen zu allen anderen Gruppenmitgliedern. Und BlackBlackBlack war einfach ein prima Kerl. Das mag unwissenschaftlich klingen und ist es auch; aber darüber habe ich ja auch keine wissenschaftliche Publikation geschrieben. Obwohl: Seit ich BlackBlackBlack kennen gelernt habe, schwebt mir eine wissenschaftliche Arbeit über die Individualität der Striemengrasmäuse vor! Zuletzt noch: Wie kam BlackBlackBlack zu seinem auffälligen Namen? Auf Deutsch würde er ja SchwarzSchwarzSchwarz heißen. Schon damals markierte ich die Mäuse individuell mit Haarfarbe, aber noch nicht mit Nummern. Statt dessen bekamen die Mäuse mehrere Streifen unterschiedlicher Haarfarben hintereinander, Blond, Rot, Violett oder Schwarz. Und BlackBlackBlack bekam eben drei schwarze Streifen, sah daher ganz schwarz aus. Ob er mir auch so gut im Gedächtnis geblieben wäre, wenn sein Name BlondRotViolett gewesen wäre? Mit seiner Persönlichkeit sicher, aber vielleicht habe ich ihm auch gerade deswegen unbewußt diese einprägsame Markierung gegeben?! BlackBlackBlack war eine frei lebende Maus, aber nicht wirklich wild. Er führte mich ein in das Leben der Striemengrasmäuse in Goegap, doch er hatte ein Problem mit Fallen, die ihn magisch anzogen: Er war Fallenholiker! 25 Publikationen mit Beobachtungen, die zuerst bei BlackBlackBlack gemacht wurden: Schradin C, 2004. Territorial defense in a group living solitary forager: who, where against whom? Behav Ecol Sociobiol 55:439-446. Schradin C, 2005. Nest side competition in diurnal rodents from the succulent karoo of South Africa: The striped mouse (Rhabdomys pumilio) against the bush karoo rat (Otomys unisulcatus). J Mammal 86 (August). Schradin C, Pillay N, 2003. Paternal care in the social and diurnal striped mouse (Rhabdomys pumilio): laboratory and field evidence. J Comp Psychol 117:317-324. Schradin C, Pillay N, 2004. The striped mouse (Rhabdomys pumilio) from the succulent karoo of South Africa: A territorial group living solitary forager with communal breeding and helpers at the nest. J Comp Psychol 118:37-47. konnte zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit ausgeschlossen werden. KÄFER ODER VESPA? Von Annette Wiedon Wie so oft in der Natur, hat auch hier schließlich der Mensch in den Lauf der Dinge eingegriffen. Mit einem kleinen Stock haben wir versucht ein bißchen Action in das Geschehen zu bringen. Hm, keiner der Teilnehmer ließ sich davon beeindrucken. Das Insekten-Bestimmungsbuch brachte schließlich Licht ins Dunkel. Nachdem wir zunächst die Spinne vergebens darin gesucht haben (???), wurden wir doch noch unter dem Kapitel „Wespen“ fündig. Und siehe da, unser blau schimmernder Käfer entpuppte sich als Spinnen jagende Wespe vom Typ Batozonellus fuliginosus. Tja, wer hätte das gedacht! Wie so oft war mal wieder nicht die Größe allein entscheidend... „Wow! Guckt Euch mal den Käfer an!“ rief eine Feldassistentin – deren Name hier nicht genannt werden soll – begeistert aus und zeigte auf die vor ihr liegende Wespe. Das metallic blau schimmernde, etwa 4 cm lange Insekt hing mit einer viel größeren haarigen Spinne vom phobie-auslösenden TarantelTyp zusammen. Die Spinne bewegte sich kaum, die Wespe summte – vielleicht zufrieden – vor sich hin. Es schien noch nicht klar, was das Ganze zu bedeuten hatte, wer hier wen und ob überhaupt gerade frißt. Lediglich eine Begattung Eine blaue Wespe hat eine große Spinne gestochen und mit ihrem Gift gelähmt. Sie wird diese fortschleppen, vergraben und darauf ein Ei legen. Die noch lebende aber gelähmte Spinne dient somit als Frischfutter für die Wespenlarve. 26 steilen Stelle eines Hügels wächst. Wenn eine besenderte Maus vermißt wird, ist dies eine gute Stelle zum Suchen. Schon so mancher Sender wurde hier in einem Gewölle der Vögel gefunden: Der Felsenbussard ist eine Mäusekiller! Unsere Studientiere sind aber meist sicher vor ihm. Der Bussard hat Angst vor Menschen und da meistens irgend jemand am Field Site ist, um Daten aufzunehmen, jagt er lieber woanders. VOGELPORTRÄT: DER FELSENBUSSARD (BUTEO RUFOFUSCUS) Von Carsten Schradin Hoch über dem Land der Mäuse kreist ein großer Raubvogel. Es ist ein Felsenbussard, welcher hier relativ häufig vorkommt. Nicht weit vom Field Site entfernt ist sein Horst, gebaut in einem kleinen Baum, der an einer Der Felsenbussard ist der häufigste Raubvogel in Goegap. Er ist auch ein gefährlicher Feind der Mäuse. Das hier gezeigte Tier wurde als Jungvogel Wilderern abgenommen und im Goegap Naturreservat großgezogen. meinem Bürofenster, lebt eine Mäusegruppe. Sie gehört zwar nicht zu unseren Studiengruppen, aber da es zum Field Site nicht weit ist, markieren wir sie trotzdem. Könnte ja sein, daß mal eine Haus-Maus dorthin abwandert. Die Mäuse am Haus haben zwei Nestboxen. Diese dienen dazu, das Verhalten der SCHLANGENSOMMER Von Carsten Schradin An einem Wochenende im Oktober war ich dabei, die Mäuse um die Forschungsstation herum zu fangen. Denn auch hier, direkt vor 27 Mäuse im Nest zu filmen. Ich hatte die Fallen um die gerade bewohnte Nestbox herum aufgestellt und einige jugendliche Mäuse markiert. Ich schaute aber noch in die Nestbox hinein und sah vier ganz kleine Mäuse, höchstens 10 Tage alt, hinaushuschen. Ich wollte auch diese Kleinen markieren. Da ich wußte, daß diese Winzlinge sicher bald zurück ins Nest gehen würden – denn zum weit herumlaufen waren sie noch viel zu klein – kam ich eine halbe Stunde später zurück. Ich hielt eine Plastiktüte vor den Eingang der Nestbox und hob den Deckel an, um die Kleinen dort hinein zu scheuchen. Selten bin ich so erschrocken: Als ich den Deckel der Nestbox anhebe, wird eine Giftwolke in mein Gesicht gesprüht. Anstatt der Kleinen liegt eine pechschwarze, ca. 1,5 Meter lange Speikobra in der Nestbox! Die Kobra kann ihr Gift bis zu 2,5 m weit aus ihren Giftzähnen rausspritzen. Das schafft sie, indem sie starken Druck auf die Giftdrüsen ausübt, wodurch das Gift durch die Giftzähne aus dem Maul heraus gespritzt wird. Und dies immer in Richtung des Gesichtes des Angreifers. Denn die Schlange spuckt nicht aus reiner Bosheit, sondern nur um sich zu verteidigen. Und damit ihr selber möglichst nichts passiert, spuckt sie lieber aus sicherer Entfernung anstatt näher herangehen zu müssen um zu beißen, wobei sie sich selber in Gefahr bringen würde. Das Gift ist nur gefährlich, wenn es in die Blutbahn kommt oder in die Augen, aber nicht auf der Haut. Zum Glück bin ich Brillenträger, denn ansonsten würden meine Augen nun ganz unangenehm brennen. Das Gift der Speikobra kann sogar zu Erblindung führen. Die elegante Speikobra kann ihr Gift bis zu 2,5 Meter weit spritzen, beißt aber so gut wie nie. Sie ist in Goegap relativ häufig. 28 Trotzdem bin ich der Schlange dankbar, daß sie mich nur angespuckt und nicht gebissen hat. Der Biß einer Speikobra ist äußerst schmerzhaft, führt zum Absterben des Gewebes und greift das Nervensystem an. 40 mg des Giftes genügen, um einen Menschen zu töten und ein Biß entlädt ca. 200-350 mg: genug für 5-8 Tote! Nun ja, meine Dankbarkeit hat Grenzen. So eine Speikobra direkt neben meiner Eingangstüre, das gefällt mir nicht. Ich hole also einen langen Stock und jage die Schlange aus der Box heraus. Sie spuckt ganz giftig und wie verrückt und meine Arme sind schon ganz feucht vom Schlangengift. Vorsichtshalber wasche ich es doch lieber ab, bevor ich den Kampf wieder aufnehme. Der nächste Treffer geht direkt ins Gesicht: Nun weiß ich, daß Kobragift sehr bitter schmeckt! Aber ich lasse nicht mit mir spaßen, treibe die Schlange vom Haus weg. Sie sucht Schutz bei einem Baum, das ist mir aber noch zu nahe am Haus. Sie spuckt immer noch, aber irgendwie scheint ihr die Munition auszugehen. Schließlich gelingt es mir, meinen Stock unter die Schlange zu schieben. Ich hebe ihn schnell hoch; die Schlange liegt wie ein übergroßer Regenwurm darüber und ich schmeiße das arme Tier über den Zaun vom Haus weg. Da liegt sie nun und bedroht mich mit ihrem Kobraschild, was ihr gutes Recht ist. Sie sieht mich und sie mag mich augenscheinlich nicht. Mit erhobenem Schild kommt sie drohend wieder auf mich zu, greift mich direkt an. Auch das ist nicht Bosheit, sondern Sicherheit für die Kobra: Eine fliehende Schlange kann von jedem Feind einfach getötet werden, eine angreifende aber nicht. Bei der Kobra ist Angriff also die beste Verteidigung. Ich kann das verstehen und als ich daher ein paar Schritte zurück gehe, fühlt sich die Schlange sicherer. Sie klappt ihren Schild ein und legt endlich den Rückwärtsgang ein. Schließlich verschwindet sie in einem Busch. Zwei Wochen später komme ich morgens gerade von der Nestbeobachtung zurück, da sehe ich sie wieder, wie sie am Haus entlang kriecht. Ich muß wieder den Stock holen und sie fliegt wieder über den Zaun. Mir macht das nicht Spaß, aber für die Kobra ist das besser, als was jeder andere hier in Namaqualand machen würde: sie töten. Ihr gefällt der Flug sichtlich gar nicht und ich hoffe, daß sie daher nicht wiederkommt. Aber 3 Wochen später, als ich von einer Einkaufsfahrt nach Springbok zurück zur Forschungsstation komme, hängt ein Schild an meiner Tür: „Vorsicht: Speikobra in der Nestbox“, haben die Feldassistenten geschrieben. Also wieder den Stock holen. Es stellt sich heraus, daß es diesmal ein anderes Individuum ist, denn diese Schlange ist nur 1 Meter lang. Aber spucken kann sie! Das arme Tier ist ganz verzweifelt, als ich versuche sie rauszujagen. Sie will doch nur in einen sicheren Schlupfwinkel. Den findet sie schließlich in einer kaputten Mausefalle, welche neben der Nestbox steht. Erstaunlich, daß diese große Schlange da überhaupt reinpaßt. Eine Studentin holt ein kleines Terrarium und vorsichtig schiebe ich die Falle dort hinein. Als Brigi in die Stadt fährt, bekommt sie die Aufgabe, die Schlange mitzunehmen und 5 km von der Forschungsstation entfernt hinter einem Bergrücken im Reserve freizulassen. Brigi ist von der ihr übertragenen Aufgabe nicht begeistert, die Kobra aber auch nicht: wütend bespuckt sie die ganze Wand des Terrariums. Aber die beiden haben sich dann doch friedlich voneinander getrennt und die Schlange wurde nie mehr an der Forschungsstation gesehen. 29 Die Kobra fliegt über den Zaun. Es gibt in Goegap nur eine andere Schlangenart, die ebenso gefährlich ist wie die Speikobra: die Puffotter. Auch von denen hat sich ein Exemplar von nicht ganz einem Meter Länge Ende Oktober zu uns verlaufen, direkt auf die Veranda vor die Eingangstüre. Während Speikobras äußerst schnelle und gewandte Schlangen sind, sind Puffottern sehr langsam und gemächlich. So war es einfach, sie mittels eines Stockes in ein Terrarium zu heben und auch sie ein paar Kilometer entfernt im Reserve wieder freizulassen. Die Gemächlichkeit der Puffotter ist es, was sie so gefährlich macht: denn sie mag sich langsam fortbewegen und selten beißen, aber wenn sie zum Biß zuschlägt, dann so schnell wie keine andere Schlangenart in Afrika! Sie wird also leicht unterschätzt und das mag mit ein Grund sein, warum die meisten Schlangenbisse in Südafrika von ihr stammen. Jedes Jahr gibt es Todesfälle. Ich beruhige die Studenten aber immer, daß es viel wahrscheinlicher ist, daß sie in Springbok von einem Auto überfahren werden, als daß sie eine Schlange beißt. Eine zweite Babypuffotter wird ein paar Tage später von den Studentinnen auf der Veranda aufgelesen und auch abtransportiert. Es gibt aber nicht nur Giftschlangen bei uns, sondern auch eine braune Plastikschlange. In einen Schrank gelegt oder auf einem Bett kann man mit ihr anderen Menschen schöne Streiche spielen. Carola ist aber gar nicht zum Spaßen zu Mute, als sie eines morgens ihre Mäuse auf der Veranda füttern geht. Sie hält dort Mäuse für eine Gefangenschaftsstudie unter natürlichen Witterungsbedingungen. In einem Mäusekäfig liegt anstatt der Maus die braune Schlange und Carola will gerade anfangen, über diesen üblen Scherz zu schimpfen, da .... bewegt sich die Schlange! Tatsächlich ist es eine braune Hausschlange, die nachts in den Käfig gekrochen ist und den Bewohner verzehrt hatt. Mit der Maus im Magen paßt sie aber nicht mehr durch die Gitterstäbe durch. Die Hausschlange ist ungiftig und kann also einfach ins Feld gebracht werden. Am selben Tag wird noch eine Sandnatter gesichtet, die sich auf einem Busch vor der Veranda, keine 5 Meter von Carolas Mäusen entfernt, sonnt. Sie ist mit der Hausschlange verwandt und gänzlich 30 ungiftig, aber verdammt schnell. Mir gelingt es trotzdem, sie zu fangen und auch diese Schlange wird im Reserve umquartiert. Wir wollen die natürlichen Bedingungen, unter denen wir unsere Mäuse halten, ja nicht übertreiben. Man könnte meinen, in Goegap zu leben muß sehr gefährlich sein, mit all den Giftschlangen. Dies ist aber nicht der Fall! Jedes Jahr kommen viele Tausende Besucher nach Goegap und noch nie wurde einer von einer Schlange gebissen. Kobras sind sehr schnell und gehen dem Menschen aus dem Weg. Ottern sind langsam, machen aber ein zischendes Geräusch, wenn sie die Fußtritte von Menschen wahrnehmen. Damit warnen sie davor, auf sie zu treten. Keine Schlange beißt, wenn sie nicht muß! Ich sage den Studenten immer, wenn sie schauen wo sie hinlaufen, feste Schuhe tragen und am besten lange Hosen, kann nichts passieren. Vor allem sollen sie nicht versuchen, Schlangen zu fangen. Der einzige, der sich nicht an diese Regel hält, bin ich. Viele Studenten, die hierher kommen, haben noch nie eine Schlange in Freiheit gesehen und haben fürchterlich Angst vor ihnen. Mein Freundin Brigi wurde früher geradezu von Entsetzen gepackt, wenn sie eine Schlange sah. Aber nachdem sie und die Studenten Kobras und Puffottern – zwei der weltweit giftigsten Schlangenarten – im Freiland gesehen haben, wurde die Angst ersetzt durch Respekt und Bewunderung für diese eleganten und schönen Kreaturen aus Namaqualand, die vor allem eines wollen: in Ruhe gelassen werden! Busch bietet also guten Schutz und da er meist recht dicht wächst, wohl auch Isolation gegen die Kälte der Nacht. Ein weiterer Punkt macht den Pinkelbusch wohl noch wichtiger für die Mäuse: er bietet ihnen Nahrung, und dies das ganze Jahr hindurch. Wenn im Sommer die meisten Pflanzen absterben, dann fruchtet der Busch. Er trägt zwar nur kleine unscheinbare stecknadelkopfgroße Früchte, aber groß genug für die Mäuse, und sehr zahlreich. Auch wenn keine Früchte mehr da sind, fressen die Mäuse immer noch die Blätter dieses Busches. Dabei sind diese giftig und unscheinbar klein, auch nur Stecknadelkopf groß. Haustiere wie Ziegen und Schafe können diese nicht fressen. Aber die viel kleineren Mäuse können aus der Vielzahl der kleinen Blätter scheinbar diejenigen auswählen, die nur einen recht geringen Giftanteil haben Der Pinkelbusch ist die Hauptnahrungsquelle der Mäuse während der schlimmsten Trockenzeit im Spätsommer. Daß er aber nicht nur als Notfallnahrung dient sieht man daran, daß die Mäuse das ganze Jahr über Blätter dieses Busches fressen, selbst wenn es saftige Wildblumen und Kräuter gibt. Der Pinkelbusch mag unscheinbar aussehen und einen komischen Namen haben, aber für die Mäuse ist er sicher etwas ganz Besonderes. PFLANZENPORTRÄT: DER PINKELBUSCH, ZYGOPHYLLUM RETROFRACTUM Von Carsten Schradin „Wie heißt der Busch”, fragte ich verdutzt auf Englisch meine beiden südafrikanischen Feldassistenten: “Pissbosch”, war die Antwort, das war der Name in Afrikaans. Nun ist Afrikaans dem Deutschen recht ähnlich und auf Nachfrage kam heraus, daß dies wirklich Pinkelbusch bedeutet, vornehm übersetzt. Woher dieser Name kommt will ich gar nicht wissen, aber einprägsam ist er ja! Der Pinkelbusch wird bis zu 1,5 Meter hoch und kann einen Umfang von über 12 Meter erreichen. Meist ist er aber nur 60 cm hoch, mit einem Umfang von 5 Metern. Er ist eine sehr wichtige Art an unserem Field Site, tatsächlich ist der Pinkelbusch die dominante Pflanzenart. Um ein trockenes Flußbett herum wächst eine ganze Gruppe dieser Büsche und in ihnen wohnen die Mäuse. Sie bauen ihre Nester im geschützten Inneren der Büsche. Die Äste des Pinkelbusches sind sehr hart und kaum elastisch, eher wie lange Dornen. Will man einen verlorenen Transmitter aus einem solchen Busch herausholen, zieht man besser Handschuhe an, wird sich aber trotzdem Hände und Arme zerkratzen. Der 31 Der Pinkelbusch (vorne, hinten, überall) ist unscheinbar, aber wichtig für die Mäuse. Er bietet sichere Nistplätze und Nahrung das ganze Jahr hindurch. Quadrat und in dessen unmittelbarer Umgebung (Braun-Blanquet-Methode). Schnell legte sich hierbei meine Zurückhaltung gegenüber der Botanik. Pflanzen haben Tieren gegenüber eindeutige Vorteile, stellte ich schon bei meinen ersten Vegetationsaufnahmen fest. Im Gegensatz zu Nagern laufen sie nicht weg, sie beißen nicht und sie pinkeln einen nicht an. So war jedenfalls mein erster Eindruck, als ich gemütlich in meinem Quadrat zwischen den Blümchen saß und die Pflanzen im Bestimmungsbuch nachschlug. Die Kehrseite der Medaille entdeckte ich bei meinem nächsten Teilprojekt. Hier verglich ich die Vegetation rund um bewohnte bzw. unbewohnte Bush-Karoo-Rattennester. Ich begriff, daß man auch Pflanzen hinterherlaufen muß, wenn man einen bestimmten Busch sucht und nicht weiß wo er steht, z.B. einen mit einem Rattennest. Hatte ich so einen Busch dann endlich ZOOLOGIN AUF BOTANISCHEN ABWEGEN Von Christina Keller Ein bißchen skeptisch war ich schon als ich mich für eine Diplomarbeit mit ökologischen Schwerpunkt entschied. Schließlich bin ich mit Leib und Seele Zoologin und die Vorstellung mich auch mit der komplexen Flora Namaqualands auseinanderzusetzen behagte mir wenig. Allerdings war es ja grade die enorme Artenvielfalt der Region, die ich untersuchen wollte. Um möglichst viele Pflanzenarten in die Studie aufzunehmen, wählte ich zehn sehr unterschiedliche Gebiete im Reservat aus und führte dort jeweils fünf Vegetationsaufnahmen durch. Hierzu steckte ich ein Quadrat von 2x2 m ab und bestimmte Art und Anzahl aller Pflanzen im 32 Herrschaften zückten sofort ihre Ferngläser und deuteten mit vielen „Aaahhhs“ und „Ooohhs“ in meine Richtung. Erst da wurde mir bewußt was für einen seltsamen Anblick ich vermutlich bot. Auf dem Kopf meinen breitkrempigen Cowboyhut, in der einen Hand ein Seil, in der anderen ein Klemmbrett, auf dem Rücken einen Rucksack voll Bestimmungsbücher und in den Gürtelschlaufen die sperrigen Eisenstangen zum Abstecken der Gebiete. So kniete ich über ein winziges Pflänzchen gebeugt im Sand. So fühlen sich also Tiere im Zoo. Wenigstens war ich außer Reichweite von Fotoapparaten, aber vielleicht erzählt ja demnächst eine Oma ihrem Enkel von den seltsamen Kreaturen die im Goegap Nature Reserve umher kriechen. gefunden, mußte ich erstmals herausfinden, ob das Nest möglicherweise bewohnt ist. Hierzu griff ich buchstäblich in die Sch....... auf der Suche nach frischem Kot. Nicht selten zerkratzte ich mir dabei an den Dornen der Büsche gehörig die Arme. Auch nicht besser als Mäusebisse! Die Aussage, daß Pflanzen einen nicht anpinkeln, relativiert sich sobald man zu dicht an einer Euphorbie vorbei geht und sich mit dem klebrigen (und giftigen) Milchsaft die Klamotten ruiniert. Für eine Gruppe Touristen jedenfalls war meine Arbeit offensichtlich sehr erheiternd. Ich war gerade mit dem Mountainbike in ein vielversprechendes Rattengebiet gefahren und hockte unweit der Touristenstraße im Sand. Plötzlich kam ein ganzer Bus voll Senioren angefahren. Die älteren BESUCHER letzte Ladung schon gebraten und geschmort ist, also nach 2-3 Stunden, geht es endlich los. Denn erst, wenn alles fertig ist, darf man essen und alle fangen gemeinsam an. So hat man vorher viel Zeit, bei Bier und Wein in Partylaune zu kommen. Eingeladen zum Braai waren die Arbeiter von Goegap. Diese helfen uns häufig bei vielen kleinen und größeren Problemen, z.B. wenn die Wasserleitung geplatzt oder der Gießer verstopft ist. So ist es einmal im Jahr Zeit, sich dafür bei allen zu bedanken. Von Carsten Schradin Anfang November hatten wir unseren traditionellen großen Braai an der Forschungsstation. Braai nennen die Südafrikaner ihr Grillen. Der größte Unterschied zu deutschen Grillfesten besteht darin, daß man hier nicht einfach ein Stück Fleisch essen darf, wenn es fertig gegrillt ist. Nein, erst wird eine Ladung gegrillt, das fertige Fleisch dann in einem Topf warm gehalten bis die zweite Ladung fertig ist und wenn dann auch die dritte und 33 Johan und Koekoes übernahmen das Braaien. Anfang Dezember kam dann noch einmal Mike Scantlebury von der Universität Pretoria kurz zu Besuch. Mike war von unserer Arbeit und der Striemengrasmaus so begeistert, daß er in Zukunft auch gerne diese Art untersuchen möchte. Hierbei ist es wichtig sich abzustimmen, um zu einer Kooperation anstatt Wettbewerb zu kommen. Gemeinsam mit Mike kam Frede?rik Dalerum von der Universität Stockholm in Schweden. Fred hatte am anderen Ende der Welt, nämlich in Alaska, Vielfraße für seine Doktorarbeit untersucht. Derzeit ist er hier in Südafrika in der Kalahari um beim Erdmännchenprojekt von Tim Clutton-Brock mitzuhelfen und seine Doktorarbeit fertig zu schreiben. 34 KONFERENZEN, VORTRÄGE, PUBLIKATIONEN in den nächsten drei Monaten zwei Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften erscheinen. Wir bringen bereits hier die übersetzten Zusammenfassungen dieser Artikel. Wenn Sie Zugang zu einer wissenschaftlichen Bibliothek haben, können Sie danach Ausschau halten. In der nächsten Ausgabe des SGM-Spiegels werden wir die genauen Refernzen zu den Artikeln angeben. Von Carsten Schradin In der Januar Ausgabe der Rodentia erschien ein Artikel von mir über Namaqualand: „.Namaqualand – Ein Biodiversität- und Kleinsäugerhptspot“. Die Rodentia ist ein Liebhabermagazin über Kleinsäuger und kann in größeren Zoofachgeschäften erworben werden. Neben diesem Beitrag zur populärwissenschaftlichen Literatur werden Innerartliche Variation in der räumlichen und sozialen Organisation der afrikanischen Striemengrasmaus (Schradin C, Pillay N, 2005 (in press). Intraspecific variation in the spatial and social organization of the African striped mouse. Journal of Mammalogy 86, Februar) Soziale Flexibilität, d.h. verschiedene Sozialsysteme innerhalb einer Art, wurde bisher von verschiedenen Säugetierarten beschrieben, darunter auch Nagetiere. Nagetiere wurden jedoch häufig ausschließlich in Gefangenschaft untersucht, so daß nicht sicher war, ob das beobachtete Verhalten natürlich oder ein Artefakt war. Hier präsentieren wir Daten aus dem Freiland für zwei Populationen der Striemengrasmaus, einer tagaktiven Mausart aus dem südlichen Afrika. Die beiden Populationen leben unter unterschiedlichen ökologischen Bedingungen und unterscheiden sich in ihrer sozialen Organisation. In der trockenen Sukkulentenkaroo lebt die Art in sozialen Gruppen, welche aus erwachsenen Mäusen beider Geschlechter bestehen, die sich ein Nest und ein Territorium teilen. In den feuchten Grasländern Südafrikas ist dieselbe Art hingegen solitär, d.h. ein Einzelgänger. Weibchen haben exklusive Territorien, welche sie mit keinem anderen Weibchen teilen. Die Territorien der Männchen überlappen hingegen die Territorien mehrerer Weibchen. Männchen und Weibchen scheinen sich nur zur Paarung zu treffen. Die Aufenthaltsbereiche der Weibchen sind in den Grasländern 6mal so groß wie in der Sukkulentenkaroo, die der Männchen sogar 10mal größer. Mäuse in den Grasländern pflanzen sich zum ersten Mal mit einem jüngeren Alter und geringerem Körpergewicht fort als in der Sukkulentenkaroo. In der Sukkulentenkaroo bleiben die erwachsenen Nachkommen hingegen in ihrer Geburtsgruppe ohne sich fortzupflanzen. Wir vermuten, daß Gruppenleben in der Sukkulentenkaroo vorkommt, weil dort keine Territorien frei sind, in welche die Nachkommen abwandern könnten, und weil Gruppenleben Vorteile mit sich bringt. Geringere Nahrungsverfügbarkeit in den Grasländern zwingt die Mäuse dort hingegen womöglich zu einer einzelgängerischen Lebensweise. Der Einfluß des Vaters auf die Entwicklung der Jungen bei der Striemengrasmaus (Schradin C, Pillay N, 2005 (in press). The influence of the father on offspring development in the striped mouse. Behavioral Ecology) Männchen ein- und derselben Art können sich in ihrem Sozialverhalten unterscheiden, wenn sie in unterschiedlichen Umwelten leben. Ein hervorragendes Modell, um den Zusammenhang zwischen Sozialverhalten und Umwelt zu untersuchen, bietet die Striemengrasmaus, welche in unterschiedlichen Lebensräumen des südlichen Afrikas vorkommt. Diese Art lebt als Einzelgänger in den feuchten Grasländern. Dort besuchen die Männchen mehrere einzelne Weibchen, um sich mit ihnen zu paaren. Sie beteiligen sich aber nicht an der Jungenaufzucht. Im 35 Gegensatz dazu lebt dieselbe Art in der trockenen Sukkulentenkaroo in Gruppen. Hier sind die Männchen permanente Mitglieder von Gruppen und beteiligen sich an der Jungenaufzucht. Väterliches Verhalten kommt also nur in der Sukkulentenkaroo vor, nicht in den Grasländern. Wir vermuteten, daß Unterschiede in der nächtlichen Tieftemperatur ein Grund sein könnten, warum sich Männchen in der Sukkulentenkaroo an der Jungenaufzucht beteiligen, aber nicht in den Grasländern. Nächte in der Sukkulentenkaroo sind kälter, so daß sich die Anwesenheit des wärmenden Vaters positiv auf die Entwicklung der Jungen auswirken könnte, während in den wärmeren Grasländern dies nicht so wichtig wäre. Wir führten gleichzeitig in der Sukkulentenkaroo und in den Grasländern Experimente durch. Wir hielten Mäuse in beiden Lebensräumen unter natürlichen Witterungsbedingungen und maßen, wie sich die Jungen entwickelten. In der Hälfte der Fälle mußte die Mutter die Jungen alleine großziehen, in den anderen Fällen wurde der Vater bei der Familie gelassen und konnte bei der Jungenaufzucht helfen. In der Sukkulentenkaroo entwickelten sich die Jungen besser wenn der Vater anwesend war, d.h. sie nahmen stärker an Gewicht zu. In den Grasländern hatte die Anwesenheit des Vaters hingegen keinen Einfluß auf die Entwicklung der Jungen. Unsere Schlußfolgerung ist, daß väterliches Verhalten in der Sukkulentenkaroo dazu dient, die Jungen zu wärmen und dadurch deren Entwicklung positiv zu beeinflussen. In den warmen Grasländern ist hingegen die alleinige Anwesenheit der Mutter ausreichend für eine gute Entwicklung der Jungen. Die Anwesenheit des Vaters bringt keine weiteren Vorteile. FORSCHUNGSFÖRDERUNG: SPENDEN AN DIE FORSCHUNGSSTATION Forschung ist teuer und eine der Hauptaufgaben eines Wissenschaftlers besteht darin, Anträge zu schreiben um Forschungsgelder zu erhalten. Um unsere Arbeit hier in der Sukkulentenkaroo fortführen zu können, sind wir also auf Geldgeber angewiesen. Ein Ziel des SGMSpiegels ist es somit, Ihnen die Möglichkeit zu geben, mit einer Spende die Verhaltensforschung an Kleinsäugern zu unterstützen. Wir bitten daher alle Abonnenten des SGM-Spiegels, 10 Euro im Jahr zu spenden. Größere Spenden sind natürlich herzlich willkommen und bei ganz großen Geldbeträgen können Sie selber aussuchen, wofür die Gelder verwendet werden sollen (siehe unten: Sponsoren). Um Spenden anzunehmen, sollten wir idealerweise entweder eine Stiftung oder einen Verein für die Striemengrasmaus gründen. Für eine Stiftung bräuchte man ein Grundkapital von mehreren Tausend Euro, so daß diese Option nicht in Frage kommt. Zur Gründung eines Vereins braucht man 7 Personen und muß einen Vorstand wählen, der sich mindestens einmal im Jahr trifft. Dies wäre ebenfalls ein großer Aufwand und ein jährliches Vorstandstreffen würde wahrscheinlich bereits einen Großteil der Spenden verschlingen. Da bisher schwer abzusehen ist, wieviel Spenden wir bekommen und 1000 Euro im Jahr schon ein Erfolg wären, möchten wir jetzt am Anfang eine Möglichkeit bieten, unkompliziert zu spenden und dabei sicher zu gehen, daß die Spendengelder der Forschung dienen und nicht der Administration. Unsere Lösung des Problems besteht nun darin, daß wir an der Stiftungsstelle der University of the Witwatersrand ein Konto für die Striemengrasmaus-forschung eingerichtet haben. Diese Universität hat eine Abteilung, welche Spendengelder einsammelt und verwaltet, sowie Spendenquittungen erstellt. Das kostet uns nichts, sondern bringt sogar Zinsen! Wenn dort eine Spende auf das Konto „Striped Mice“ eingeht, können wir dieses Geld für unsere Forschung verwenden. Da dies offiziell über die Universität geht, besteht auch kein rechtliches Problem. 36 Trotzdem ist es natürlich ein Aufwand, aus dem Ausland Geld nach Südafrika zu überweisen, was zudem noch mit Überweisungskosten verbunden ist. Deshalb bieten wir Ihnen noch zwei weitere Möglichkeiten zu spenden an, und zwar auf Konten in Deutschland und in der Schweiz. Diese Konten laufen auf meinen Privatnamen, aber alle Spenden von Ihnen werden ausschließlich für die Forschung in Südafrika verwendet. Ich möchte mich auf jeden Fall schon jetzt für Ihre Bereitschaft bedanken, unsere Projekte zu unterstützen. Vielleicht bekommen wir ja bald so viele Freunde der Striemengrasmaus, daß wir unsere eigene Stiftung gründen können! SPENDENKONTEN 10 EURO SPENDE! Die Abonnenten des SGM-Spiegels werden gebeten, pro Jahr 10 Euro für die Forschungsstation zu spenden. Spenden von mehr als 10 Euro sind natürlich herzlich willkommen. Spender von 50 Euro oder mehr werden namentlich im SGM-Spiegel erwähnt. Das Geld wird für folgende Zwecke verwendet: 1. Hilfe bei der Finanzierung von Forschungsarbeiten, speziell auch kleineren Arbeiten wie Diplom- oder Doktorarbeiten. 2. Kauf von Infrastruktur für die Forschungsstation. 3. Laufende Kosten der Forschungsstation. Am Ende eines jeden Jahres wird im SGM-Spiegel veröffentlicht, wieviel Spenden eingegangen sind und wie diese Gelder verwendet wurden. 37 Südafrika Standard Bank Filiale: Braamfontein Konto (account name): Wits University Foundation Konto Nr.: 002900076 Branch code: 004805 Swift code: SB ZAZ AJJ 00480502 Bitte L.2112 als Verwendungszweck (reference) angeben. Deutschland Carsten Schradin, KSK Esslingen, BLZ 611 500 20, Konto Nr. 7434686 (Verwendungszweck: Maus). Schweiz Carsten Schradin, ZKB, Konto Nr. 117-0028.726. (Verwendungszweck: Maus). GRÖßERE SPENDEN UND SPONSOREN Wer größere Geldbeträge spenden will, kann selber aussuchen, wofür diese verwendet werden sollen. Folgende Sponsormöglichkeiten stehen zur Auswahl: Stationssponsor: Spenden ab 150 Euro können dazu benutzt werden, die Infrastruktur der Forschungsstation zu verbessern. Vor allem Schränke, Regale und Betten fehlen noch. Autosponsor: Mit einer sehr großzügigen Spende könnte ein geländetaugliches Auto (4x4) angeschafft werden, welches allen Wissenschaftlern an der Forschungsstation zur Verfügung stehen würde. Computersponsor: Durch eine Spende von 650 Euro kann ein Computer oder Laserdrucker für die Forschungsstation angeschafft werden. Solarsponsor: Ein großes Problem an der Forschungsstation ist der Engpaß in der Stromversorgung. Durch eine Spende von 1000 Euro könnten neue große Solarzellen angeschafft werden Studentenpate: Mit einer Spende von 1000 Euro wird eine Diplom- oder Doktorarbeit über die Ökologie von Kleinsäugern gesponsert. Mehrere Themen stehen zur Auswahl (bei Interesse bitte nachfragen). Wer Sponsor werden will, schreibt eine Email an: info@stripedmouse.com 38 AUS DIE MAUS riesengroßen Ohren. Später beim Grillen konnten wir auch beobachten, wie Fledermäuse unter dem Dach der Veranda vor dem Bad verschwinden. Wahrscheinlich hatte sich unser Badbesucher deshalb verflogen. FLEDERMAUS Im Oktober fanden wir eine große Fledermaus in unserem Badezimmer, wohl von der Art Ägyptische Fledermaus (Egyptian slit-faced bat, Nycteris thebaica). Eine recht große Art, 10 cm lang und mit Gruppen der Hartman Bergzebras in Goegap. Diese Art kommt sonst nur in Namibia vor. Wie der Name schon sagt, halten sich diese Tiere normalerweise in den Bergen auf. Wir hatten zwar schon vorher ihre Spuren am Field Site gesehen, was darauf hindeutet, daß sie dort manchmal nachts vorbeischauen. Dies war aber das erste mal, daß wir sie hier tatsächlich zu Gesicht bekamen. BERGZEBRAS Eines Abends nach der Nestbeobachtung rief Brigi ganz aufgeregt die beiden Diplomandinnen Carola und Christina. Diese waren aber in Gedanken wohl schon im Bad und hörten sie nicht. Alle anderen, d.h. Melanie, Annette und ich erfuhren aber den Grund der Aufregung: Hinten am Field Site stand eine Herde Bergzebras. Es gibt 3-5 rüttelnde Auto nicht gefiel. Beherzt griff ich zu, an der Ohrmarke erkannte ich Weibchen 560, die am Haus wohnt. Die Maus in der Hand drehte ich um, um sie zurückzubringen und an ihrem, ich meine unserem Haus freizulassen. AUTOMAUS Als ich Ende Dezember auf dem Weg nach Springbok war, sah ich plötzlich, daß ich eine Mitfahrerin hatte: Auf dem Beifahrersitz saß eine Striemengrasmaus, und ihr „Gesichtsausdruck“ verriet, daß ihr das SM-TIMES Den SGM Spiegel gibt es auch auf Englisch, als die SM TIMES. Diese kann unter http://www.stripedmouse.com heruntergeladen werden. IM NÄCHSTEN SGM SPIEGEL: geht es um Urlaub und Reisen in Namaqualand. Wir stellen Ihnen die schönsten Reiseziele vor, verraten unsere Geheimtips, geben Ratschläge zur Planung und Informationen zu Unterkunft und Restaurants. 39