Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln sind

Transcription

Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln sind
WiR
sind
dabei
Mitarbeiter mit ausländischen
Wurzeln sind unverzichtbar
Vorwort
Heinrich Alt, Vorstand Grundsicherung
„Spannende
Geschichten
über Vielfalt,
persönliche
Erfolge und
Vorbilder“
Ein Großteil dieser Menschen ist in Deutschland
Vor vielen Jahren stand ich am Check-in im Nürnheimisch geworden, die jüngeren Generationen sind
berger Flughafen. Eine türkische Familie wartete mit
hier geboren und aufgewachsen. Menschen mit ausihrem kleinen Sohn ebenso wie ich darauf, dass unser
ländischen Wurzeln finden sich in allen Bereichen der
Flug aufgerufen wird. Der Junge, ganz gelangweilt,
Gesellschaft. Sie sind bekannte Sportler oder Künstler,
babbelte im besten Fränkisch mit seinen Eltern, um
zu erfahren, wann es denn endlich losginge. Ohne ihn die von der ganzen Nation bejubelt werden. Sie engazu sehen, hätte man bei ihm nie ausländische Wurzeln gieren sich politisch, und das erfolgreich, denkt man
an eine in der Türkei geborene Ministerin.
vermutet. In diesem Augenblick dachte ich, dass Integration in Deutschland kein Thema mehr sei, Problem
Verschiedene Studien unter dem Titel „Brain
gelöst. Aber es war nur eine MomentaufWaste“ machen deutlich, was sich Deutschland
nahme. Heute, fast eine Generation später, Integration
noch vergibt. Komplexe und zum Teil defizitäre
fällt die Bilanz ernüchternd aus. Nie wurde
ist immer
gesetzliche Regelungen verhindern häufig eine
das Thema Integration in Deutschland so
noch kein
lebendig und kontrovers diskutiert wie
Selbstläufer, Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse.
Das wertvolle Humankapital qualifizierter
gegenwärtig. Integration ist immer noch
kein selbstMigrantinnen und Migranten wird vergeukein Selbstläufer, kein selbstverständlicher
verständlicher det – eine Lose-lose-Situation für alle BeteiligProzess.
Prozess
ten. Erkenntnisse, die aber auch zeigen, dass
es eine Notwendigkeit zum Handeln gibt. Allein
Wir reden viel über die Probleme im Zuder Blick auf die demografische Entwicklung unseres
sammenhang mit Einwanderern und Integration,
Landes macht deutlich: Die gesellschaftliche Integratiaber zu wenig darüber, was Deutschland dabei geon von Menschen mit ausländischen Wurzeln ist eine
winnt. Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht.
Schlüsselaufgabe für die Zukunft Deutschlands.
Wir haben viele motivierte Arbeitskräfte gewonnen.
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Integration hat ganz entscheidend mit
Es ist wichtig, ausländischer Abschlüsse, werben bei UnterArbeit zu tun. Umso wichtiger ist es,
Migrantinnen nehmen um die Einstellung von Migrantinnen
Migrantinnen und Migranten über die
und Migranten und Migranten, beraten in Moscheen zu
aktuellen Themen rund um das Thema
Arbeitswelt fest in der Gesellschaft zu
über die
Arbeitsmarkt oder informieren beispielsverankern. Eine Herausforderung sowohl
Arbeitswelt
weise über türkisch- oder russischsprachige
für die Arbeitsmarkt- als auch für die
fest in der
Medien. Die BA leistet in der IntegrationsdeSozialpolitik- aber im Besonderen für die
Bildungspolitik. In vielen Kommunen
Gesellschaft zu batte einen wichtigen Beitrag und ich glaube,
dass wir anderen Behörden und Unternehmen
arbeiten Migrationsberatungsstellen,
verankern
mit unserer eigenen Personalpolitik ein gutes
Verwaltung, Kitas, Schulen, ArbeitsagenBeispiel geben können.
turen, Jobcenter oder Moscheengemeinden eng zusammen. Doch diese Zusammenarbeit
Gute Beispiele finden Sie auch in der Broschüre, die
kann noch besser werden. Als BA werden wir unseren
Sie gerade in den Händen halten. Spannende GeBeitrag leisten, damit Arbeitsmarktintegration nachschichten über Vielfalt, über persönliche Erfolge, über
haltig gelingen kann. Dennoch bleibt Integration ein
Lebensrisiko, egal ob für inländische oder ausländische Vorbilder – oder kurz gesagt: über gelebte Integration.
Arbeitssuchende. Sie kann keinem abgenommen
Nürnberg, September 2014
werden. Es ist und bleibt ein „Bohren dicker Bretter“,
aber wir sind auf einem guten Weg.
Die Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen und Jobcentern sind geschult darin, migrationssensibel zu
beraten, sie unterstützen bei der Anerkennung
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Wir bilden uns
weiter
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Weiterbildung
„Eine große Bereicherung“
Elena Schumilin absolvierte in nur zwei Jahren eine Umschulung zur Orthopädieschuhmacherin – und das mit großem Erfolg.
2008 kam Elena Schumilin aus Kirgisistan nach
Deutschland. Als gelernte Elektroschlosserin war ihr
Ziel klar: eine Ausbildung finden und in der neuen
Heimat Fuß fassen. Mit verschiedenen Hilfstätigkeiten
schlug sie sich durch, behielt aber weiterhin ihr Ziel
vor Augen. „Handwerklich-technische Arbeit liegt
mir. Ich wollte unbedingt eine Ausbildung machen
und habe in der Jobbörse nach Ausbildungsstellen
gesucht“, erklärt sie.
Elena Schumilin fand eine
Ausschreibung für eine
Ausbildung als Orthopädieschuhmacherin beim
Sanitätshaus Teraske Ortho
Reha GmbH & Co. KG in
Hameln. Aber Schuhtechnik als gelernte Elektroschlosserin – geht das?
„Bei der Arbeitsagentur
hat mich meine Arbeitsvermittlerin dann beraten,
dass ich ja eine Umschulung machen könnte. Das
war für mich auch finanziell besser“, erzählt die
Mutter zweier Töchter.
Gesagt, getan: Mit großem
Selbstbewusstsein stellte
sie sich bei Werkstattleiter
Ulrich Freise vor. Er erinnert
sich noch sehr gut an das
Vorstellungsgespräch: „Ich
war beeindruckt, weil ich
gemerkt habe, dass sie
diese Ausbildung will. Die
Bewerbung hatte schon
einen guten Eindruck gemacht und das persönliche
Kennenlernen hat das noch unterstrichen. Bei einem
Tag Probearbeit klappte das Handwerkliche ohne
Probleme, da habe ich mich ganz klar für sie entscheiden können.“
Erste Zweifel machten sich bei Elena Schumilin
dennoch breit. Sie war unsicher, ob sie alles mit der
Sprache, der Schule und der Familie schaffen würde.
Zweifel, die sich im Zuge ihrer zweijährigen Umschulung schnell in Luft auflösten, denn sie bestand
ihre Prüfung letztendlich
mit der Note Eins in der
Theorie und der Note Zwei
im praktischen Bereich.
„Meine Familie hat mich
während dieser Zeit sehr
unterstützt. Und dass ich
hier überhaupt die Chance bekommen habe und
Herr Freise mir die Arbeit
zutraut, hat mich ermutigt“, so die Kirgisin stolz.
Auch Ulrich Freise zeigt
sich sichtlich beeindruckt
von ihrer Leistung: „Frau
Schumilin ist eine große
Bereicherung für unsere
Werkstatt und gleichzeitig
das beste Beispiel dafür
was alles möglich ist.“
Hand in Hand zum Ziel: Werkstattleiter Ulrich Freise und Elena
Schumilin
7
Weiterbildung
Fachkraft für Werkstoffprüfungen: Alla Stojakin
Qualitätssache
Alla Stojakin war kein Weg zu mühsam, um ihr Ziel zu erreichen. Jetzt ist die Migrantin aus
den ehemaligen GUS-Staaten angekommen.
Alla Stojakin ist eine tapfere Frau. Sonst wäre ihr wohl
kaum gelungen, was sie in den vergangenen Jahren
alles geschafft hat. Als sie aus den ehemaligen GUSStaaten nach Deutschland kommt, spricht sie zunächst
kaum Deutsch. Auch ihre Schulkarriere macht es ihr
nicht gerade leicht, beruflich Fuß zu fassen. Sie hat die
Hauptschule absolviert. Danach hat sie zwar immer
wieder in Gelegenheitsjobs gearbeitet – aber wirklich
verwertbar sind ihre Erfahrungen ohne anerkannten
Berufsabschluss auf dem Arbeitsmarkt kaum. Hinzu
kommt, dass sie alleinerziehende Mutter ist. Auch
das schreckt viele potenzielle Arbeitgeber ab. Stojakin
aber bleibt hartnäckig: Sie will endlich einen festen
Job, sie will raus aus Hartz IV, ihr eigenes Geld verdienen. Sie will ihr Ziel unbedingt erreichen.
Arbeitsvermittler Gunnar Zerbst vom Jobcenter
Bremerhaven will sich genauso wenig mit den vielen
Absagen abfinden wie seine Klientin. Immer wieder
treffen sich die beiden und erörtern neue Bewerbungsstrategien und Berufsfelder, sprechen über
Qualifizierungsmöglichkeiten.
Alla Stojakin lernt die Sprache und nimmt an verschiedenen Maßnahmen teil, die ihre Chancen auf dem
Arbeitsmarkt verbessern sollen. „Ihre hohe Motivation
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und Bereitschaft, Neues zu lernen, ist außergewöhnlich“, sagt Zerbst. Es ist darüber hinaus Alla Stojakins
Interesse an Technik, das Arbeitsvermittler Zerbst trotz
aller Rückschläge optimistisch bleiben lässt. Und das
er auf der Suche nach geeigneten Qualifizierungsangeboten nutzt.
Als der Arbeitsvermittler seiner Klientin eine Weiterbildung zur Materialprüferin vorschlägt, ist diese
begeistert. Alla Stojakin nimmt an einer Qualifizierung zur Qualitätsfachfrau teil. Ihr Engagement zahlt
sich aus: Nur zwei Wochen nach dem erfolgreichen
Abschluss unterschreibt sie einen Arbeitsvertrag mit
der GMA-Werkstoffprüfung GmbH, einem führenden Unternehmen im Bereich Qualitätssicherung und
Werkstoffprüfung unter anderem für die Windkraftund Luftfahrtindustrie.
Weiterbildung
Regine Hölscher brachte Frau Sarigül
ans Steuer
Berna Sarigül, Busfahrerin in Hessisch Oldendorf
„Ich bin wieder fröhlicher –
und meine Familie ist stolz auf mich“
Als Berna Sarigüls Eltern in den 70er Jahren aus der Türkei nach Deutschland kamen, war es für
sie unvorstellbar, dass Frauen als Busfahrerin arbeiten. Nun lenkt ihre Tochter einen Linienbus.
„Ohne das Jobcenter hätte ich meinen Traumberuf
nicht gefunden.“ Doch was ihr Traumjob ist, das war
Berna Sarigül lange Zeit nicht klar. Sie begann gleich
nach dem Hauptschulabschluss in der Änderungsschneiderei ihrer Mutter zu arbeiten und übernahm
dann 2002 das Geschäft. Erst vier Wochen vor der
Geburt ihrer Zwillinge 2010 gab sie die Selbstständigkeit auf. Dass dieser Beruf nicht Berufung war und sie
nicht wieder in die Schneiderei zurückwollte, davon
war sie allerdings überzeugt. Noch während der Babypause kam Berna Sarigül mit dem Jobcenter HamelnPyrmont ins Gespräch. Ihre neue Arbeitsvermittlerin
Regine Hölscher rief an, um sich telefonisch vorzustellen. Noch am Telefon verabredeten die beiden Frauen
einen persönlichen Kennenlerntermin.
Während des Treffens entwickelten Hölscher und Sarigül
eine Idee: eine Teilzeit-Weiterbildungsmaßnahme, um
den Busführerschein für den Personentransport zu
erwerben, ein Pilotprojekt für Frauen in Hameln.
türkischen Verwandten dazu sagen? Lange Zeit zum
Diskutieren blieb nicht, kurz nach dem Gespräch im
Jobcenter kam die Einladung zur Fortbildung. Die
Familie merkte, wie ernst es ihr war, und unterstützte
Berna Sarigül fortan, wo sie konnte. Sarigül absolvierte die Halbtagsausbildung, während die große Tochter
vormittags im Kindergarten war. Um die Zwillinge
kümmerte sich ihre Mutter.
Nach Abschluss der Prüfungen und des Fahrtrainings
bekam sie sofort einen Job. „Ich habe einfach Glück
gehabt und sofort eine Anstellung als Busfahrerin im
Linienverkehr bekommen, bei einem Unternehmen,
das gleich in unserer Nähe ist.“ Und nicht nur ihre
gesamte Familie ist stolz auf das, was sie beruflich
wie persönlich erreicht hat, Berna Sarigül ist es auch.
„Das merken auch meine Kinder“, sagt sie. „Die Zeit
mit meiner Familie ist jetzt viel intensiver und ich bin
wieder fröhlich.“
Berna Sarigül war begeistert und erzählte alles noch
am selben Tag ihrer Familie. Die hielt es für einen
Scherz. Als Frau Bus fahren? Was würden die
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Weiterbildung
Schlug dem Arbeitgeber Fördermöglich- Ismail Seyit, zertifizierter Neuwagenverkäufer in Hannover
keiten vor: Fallmanager Gerald Krause
Das Lernen wieder neu lernen
Ismail Seyit war lange Jahre als Gemüsehändler selbstständig. Doch dann musste er seinen
Laden aufgeben und wieder ganz neu anfangen. Jetzt arbeitet er in einem Autohaus.
„Ich fühle mich pudelwohl“, sagt Ismail Seyit, der
Gebrauchtwagen im Autohaus Kahle in Hannover
verkauft. Probefahrten, Beratungen, Auslieferungen
für Privat- und Gewerbekunden – sein Arbeitstag
ist prall gefüllt. „Und genauso stelle ich mir auch die
Zukunft vor“, sagt Seyit, der Mann, der erst wieder
lernen musste sich eine Zukunft zu schaffen.
Bis zum Jahr 2007 führte Ismail Seyit das Gemüsegeschäft seiner Eltern. Doch dann musste er es aus
wirtschaftlichen Gründen aufgeben. Ein Schock für ihn.
Zwei Jahre brauchte, er um neuen Mut zu fassen und
herauszufinden, wie seine berufliche Zukunft aussehen
könnte: „Autos waren immer mein Hobby, zudem bin
ich ein geduldiger Mensch“, sagt Seyit. Deshalb wollte
er Fahrlehrer werden. Fallmanager Gerald Krause vom
Jobcenter Mengendamm sah jedoch ohne Berufsabschluss keine Chance dafür. Aber sie fanden eine
Alternative, die Seyits Vorliebe für Autos und seine
Erfahrungen als Händler vereint – eine Umschulung
zum Automobilkaufmann.
Ismail Seyit fand 2010 über Bekannte das Autohaus
Kahle, das bereit war, es mit ihm zu versuchen. Gerald
Krause organisierte einen Vorbereitungslehrgang und
erklärte dem Arbeitgeber die Fördermöglichkeiten.
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Der schickte Seyit erst einmal in ein Praktikum: Autowaschen und Küchendienst. „Ich biss mich durch“, erinnert sich Seyit, „denn ich hatte ein Ziel vor Augen.“
So begann Ismail Seyit seine Umschulung, obwohl er
17 Jahre lang keine Schule mehr von innen gesehen
hatte. Als er bei der ersten Klausur die Note 6 schrieb,
half das Jobcenter mit Stützunterricht beim Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft. Seyit lernte das
Lernen neu. Als er seine Umschulung im Sommer 2012
als Klassenbester abschloss, brach er in Tränen aus.
Sein Autohaus übernahm ihn in Festanstellung.
Inzwischen hat Ismail Seyit an einer Abendschule den
Abschluss als Betriebswirt erfolgreich absolviert. Und er
ging sogar noch einen Schritt weiter: Im Juli 2014 hat er
zusätzlich die Zertifizierung zum „Neuwagenverkäufer“
erhalten.
Weiterbildung
Hat bereits eine Menge geschafft: Thu Hang Tran Thi
„Meine Arbeitslosigkeit
ist nur ein Zwischenstopp“
Thu Hang Tran Thi ist jung, ehrgeizig und verfügt dank des Jobcenters über eine solide
berufliche Basis.
Thu Hang Tran Thi spricht Deutsch so akkurat wie
eine Nachrichtensprecherin. Vielleicht spiegelt sich
darin ihr Ehrgeiz wider. Thu Hang Tran This Familie
kam 1991 von Vietnam nach Deutschland. Damals
war sie sechs Jahre alt. „Ich möchte im Leben etwas
erreichen und wollte unbedingt Abitur machen“, sagt
sie. Doch die Arbeit im Imbiss ihrer Mutter forderte
viel Zeit. Schließlich brach sie die Schule ganz ab.
„Ich hatte keine Ahnung, was ich stattdessen machen
wollte. Doch ich hatte das Glück, Stefan Schubert
zu begegnen.“
Stefan Schubert ist Arbeitsvermittler im U-25-Team
des Jobcenters Erfurt. Er glaubt daran, dass sich
fast alle Probleme seiner Kunden lösen lassen. Dafür
brauche es allerdings zwei Voraussetzungen. Die erste:
Der Arbeitssuchende sollte die Bereitschaft mitbringen, die angebotene Hilfe anzunehmen, und sein
Können richtig einschätzen. Die zweite: Der Arbeitsvermittler benötige viel Einfühlungsvermögen, müsse
sich auf den jeweiligen Menschen und seine
Welt einlassen.
„Ich habe mich von ihm verstanden gefühlt“, sagt
Tran Thi über Schubert. „Er machte sich Gedanken
darüber, was ich kann und will. Er schaute auf meine
Interessen und Fähigkeiten. Das empfand ich als sehr
positiv.“ Sie suchte sich ein Praktikum im Personalwesen, Schubert vermittelte ihr eine Ausbildung zur
Kauffrau für Bürokommunikation. Doch der Ausbilder
konnte Tran Thi nicht übernehmen. Schubert vermittelte ihr daraufhin eine befristete Stelle bei der
Erfurter Agentur für Arbeit. Danach entschied sich
Tran Thi für eine SAP-Weiterbildung und fand direkt
im Anschluss eine Festanstellung bei einem Erfurter
Logistikunternehmen.
Nach kurzer Arbeitslosigkeit ist Tran Thi wieder in
Beschäftigung. Seit 2013 ist sie für ein Zeitarbeitsunternehmen tätig und wird in einem Call-Center
eingesetzt. Sie schätzt ihre Situation weiterhin
optimistisch ein: „Ich habe seit 2006 eine Menge
geschafft, gelernt und mich weiterentwickelt.
Ich verfüge auch dank der Unterstützung des Jobcenters über eine tolle berufliche Basis.“
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Weiterbildung
Spaß bei der Arbeit und nette Kollegen an ihrer Seite: Esmira Dellinger
„Frauen und Technik, das passt
sehr gut zusammen“
Esmira Dellinger hat in Bosnien Steinmetzin gelernt. In Deutschland hatte sie den Mut, etwas
ganz Neues zu machen: eine Umschulung zur Industrieelektronikerin.
Esmira Dellinger hat einen Beruf gelernt, der ihr lange
Zeit große Freude gemacht hat: Sie ist ausgebildete
Steinmetzin. Aber als sie nach Deutschland kam, fand
sie in ihrem Ausbildungsberuf keine Anstellung. Deshalb
hangelte sie sich viele Jahre von einem Gelegenheitsjob
zum nächsten. Sie arbeitete in Hotels, half in der Gastronomie aus. Zunächst war sie froh, überhaupt Arbeit zu
haben. Doch irgendwann, so erzählt sie, wurde
sie unzufrieden. Immer wieder von vorne anfangen,
immer ohne wirkliche Perspektive, „dafür bin ich nicht
geschaffen“, sagt die alleinerziehende Mutter. „Ich
wollte etwas anderes machen, war aber nicht sicher,
was. Deshalb war ich sehr dankbar, als mein Berufsberater mir die Umschulung zur Industrieelektronikerin
vorschlug.“ Dass das neue Berufsfeld viel technisches
Verständnis verlangt, schreckte sie nicht ab. „Man kann
fast alles lernen, wenn man es wirklich will“, davon sei
sie überzeugt. Und tatsächlich: Esmira Dellinger absolvierte ihre Umschulung mit Erfolg. „Frauen und Technik,
das passt sehr gut zusammen“, sagt auch Monika
Reichel, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt beim Jobcenter. Reichel würde gerne noch viel
mehr Frauen für technische Berufe begeistern.
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„Die beruflichen Perspektiven sind gut, deshalb sollten
sich Frauen trauen, sie für sich zu nutzen“, sagt sie.
Für Esmira Dellinger hat sich der Schritt gelohnt. Mit
Hilfe ihres Jobcenters ist sie erfolgreich in einen neuen
Job gestartet. Seit dem 15. Juli arbeitet sie bei der Isa
Industrieelektronik GmbH in Weiden in der Oberpfalz.
Das Unternehmen ist auf Automatisierungs-Elektronik
und Softwarelösungen im Maschinen- und Anlagenbau spezialisiert. Abteilungsleiter Andreas Hösl ist sehr
zufrieden mit der Bosnierin: „Sie weiß sich bei uns zu
behaupten und spricht die Dinge immer offen aus.“ Eine
alleinerziehende Mutter einzustellen, schien weder ihm
noch Isa-Geschäftsführer Roland Nitsche ein Wagnis.
Im Gegenteil, sie zeigten sich kooperativ: „Flexible
Arbeitszeiten müssen und wollen wir bieten. Es bestehen schließlich viele Möglichkeiten, individuelle Regelungen zu finden, um alles unter einen Hut zu bringen“,
so Nitsche.
Und Esmira Dellinger? Die ist beruflich endlich angekommen: „Ich fühle mich hier sehr gut aufgehoben.
Die Arbeit macht mir viel Spaß und ich habe nette
Kollegen an meiner Seite“, sagt sie.
Weiterbildung
Grund zur Freude: Najat Bakhtaoui (links) und Helene Belz (rechts)
Grundstein für ein erfolgreiches
Berufsleben
Die Marokkanerin Najat Bakhtaoui blieb in Deutschland der Liebe wegen. Nun macht die
29-jährige Mutter eine Ausbildung zur Altenpflegerin – und hat neben einer Familie, die
stolz auf sie ist, auch die besten Aussichten im Beruf.
Eigentlich wollte Najat Bakhtaoui gar nicht lange in
Deutschland bleiben. Als sie vor fünf Jahren ihre Stelle
als Au-pair-Mädchen antrat, ging sie fest davon aus,
danach wieder in ihre Heimat nach Marokko zurückzukehren. Aber es kam anders: Sie verliebte sich und
wurde Mutter. Als ihr Sohn aus dem Gröbsten heraus
war, machte sie sich auf Arbeitssuche. Doch das war gar
nicht so einfach. Najat Bakhtaoui hatte keine Ausbildung. Im Jobcenter Limburg-Weilburg machten ihr die
Fachleute einen Vorschlag, der die inzwischen 29-jährige Najat Bakhtaoui überraschte: Man riet ihr, eine Ausbildung zu absolvieren. „Ohne Berufsabschluss sind die
Chancen auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erschwert“, sagt Reinhard Penner, Geschäftsführer des Jobcenters Limburg-Weilburg.
Najat Bakhtaoui ergriff ihre Chance und entschied sich
für eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Im Limburger
Pflegeheim St. Georg lernt sie nun alles, was es rund um
die Pflege alter Menschen zu wissen gibt. Helene Belz,
85 Jahre alt und langjährige Bewohnerin des Pflegeheims, ist begeistert von der neuen Kraft, die nun für sie
da ist.
Und Pflegedienstleiterin Simone Lückerath ist bereits
nach den ersten Monaten davon überzeugt, dass Najat
Bakhtaoui ihre Ausbildung erfolgreich abschließen wird.
„Najat ist offen, freundlich und sensibel. Ihr Alter ist
kein Problem – im Gegenteil, Lebenserfahrung ist in
diesem Beruf von Vorteil.“ Und noch etwas nimmt die
Chefin für ihre Auszubildende ein: „Im Gegensatz zu
vielen jungen Bewerbern hat sie sich bewusst für diesen
Beruf entschieden.“ Najat Bakhtaoui will ihre Ausbildung unbedingt schaffen – auch deshalb besucht sie
weiterhin Deutschkurse.
Ausbildung, Sprachkurse, Kind und Haushalt – ohne die
Unterstützung ihres Mannes könnte Najat Bakhtaoui ihr
Pensum kaum schaffen. Er legt seine Arbeitszeiten so,
dass der gemeinsame Sohn, der nun in den Kindergarten geht, nicht zu kurz kommt.
Reinhard Penner vom Jobcenter Limburg-Weilburg
beurteilt ihre beruflichen Aussichten ebenfalls optimistisch: „Mit ihrer Entscheidung für einen Pflegeberuf
hat Frau Bakhtaoui den Grundstein für eine dauerhafte
berufliche Integration gelegt."
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Weiterbildung
Die Ausbildung zum Garten- und Landschaftsbauer erfordert Geschick und eine gute Kondition
„Der Funke ist sofort übergesprungen“
Ohne Sprachkenntnisse kam Elenko Piecuszek aus Bulgarien nach Deutschland. Mit Fleiß
und festem Willen lernte er Deutsch und meisterte auch den Einstieg in einen Beruf.
Die Sonne steigt über den Horizont und taucht die
Landschaft in warmes Licht. Elenko Piecuszek stützt
sich auf seinen Spaten, hält einen Augenblick inne.
Diese Minuten am frühen Morgen zählen für den
gebürtigen Bulgaren zu den schönsten in seinem Job.
Sie entschädigen ihn für die harte Arbeit, die er als
Garten- und Landschaftsbauer inzwischen Tag für
Tag verrichtet.
Piecuszeks Geschichte beginnt mit einer großen Liebe,
einer 40-stündigen Busreise und einer Ankunft in
einem fremden Land. Kein Wort Deutsch spricht der
Bulgare. In Dortmund – seiner neuen Heimat – ist er
nie zuvor gewesen. Denkbar schwierige Voraussetzungen, beruflich voll durchzustarten. Aber Elenko
Piecuszek nimmt die Herausforderung an.
Er stürzt sich auf die neue Sprache. Jeden Tag paukt
er sechs Stunden lang Deutsch. Ein halbes Jahr geht
das so, dann hat er die Sprachbarriere überwunden.
„Ohne die Sprache geht gar nichts“, erinnert er sich
an diese Zeit. „Sie ist die wichtigste Voraussetzung, um
einen Job zu bekommen.“ Arbeit, das ist der nächste
Punkt in Elenko Piecuszeks Plan – schließlich muss er
seine drei Kinder versorgen. Nach neun Monaten als
Ein-Euro-Jobber bei der Kommune weiß er, wohin die
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Reise gehen soll: Er will Landschaftsgärtner werden.
Aber der Weg zum Ziel bleibt steinig: Es folgen eine
Qualifizierungsmaßnahme und ein Praktikum.
Erst danach erhält er bei der Firma Hartmut Groß
Garten- und Landschaftsbau die Möglichkeit, in die
Lehre zu gehen. Inhaber Hartmut Groß erinnert sich:
„Ich entscheide nicht nach Aussehen oder Zeugnis.
Das Bauchgefühl muss stimmen. Bei Elenko ist der
Funke sofort übergesprungen. Er war sehr überzeugend.“ Die Ausbildung wird zur einen Hälfte von
der Bundesagentur für Arbeit, zur anderen vom
Betrieb finanziert.
Schnell zeigt der Bulgare, was er kann – die Arbeit
unter freiem Himmel liegt ihm einfach. Bereits nach
zwei statt nach üblicherweise drei Jahren beendet
er seine Ausbildung. „Man merkte ihm an, dass er
vorwärtskommen wollte. Er machte Vorschläge, fragte
nach Lehrbüchern, las Fachzeitschriften. Sein Engagement wird sich auch in Zukunft für ihn auszahlen“,
sagt Hartmut Groß anerkennend.
Weiterbildung
Große Freude für die Bewohner der Seniorenresidenz: Spaziergänge im Park
Neues Land, neue Sprache, neue Kultur
Die Spätaussiedlerin Anna Meder musste in Deutschland ganz von vorne anfangen und viele
Hürden überwinden, bis sich ihr Traum von einem besseren Leben erfüllte.
Jeder Lebenslauf weist Brüche auf. Bei manchen
Menschen ähneln diese Brüche aber eher Gräben,
die das Vorher vom Nachher restlos trennen. Wie bei
Anna Meder, die 2001 aus Russland nach Deutschland
kam. Neues Land, neue Sprache, neue Kultur – die
damals 47-jährige Spätaussiedlerin musste ganz von
vorn beginnen.
Anna Meder weiß, was es heißt zu arbeiten. 28 Jahre
lang schuftete die Hebamme in einem Wolgograder
Krankenhaus. 2001 brach die alleinerziehende Mutter
dann alle Brücken ab und wanderte mit Sohn, Tochter
und Mutter aus. Ihr Ziel war das Land, von dem die
Familie der Wolgadeutschen schon seit Generationen
schwärmt: Deutschland. „Wir wollten ein neues, besseres Leben anfangen“, erinnert sich Spätaussiedlerin
Anna Meder.
Nach der Ankunft treten jedoch neue Probleme in den
Vordergrund: die Sprache, deren Klang ihr zwar vertraut ist, die sie aber kaum spricht. Und ihre russischen
Arbeitszeugnisse und Diplome, die in Deutschland
nur wenig zählen. „Dann erkrankte meine Mutter, ich
musste sie pflegen“, erinnert sie sich. Kurzum: Anna
Meder bleibt trotz aller Bemühungen zehn Jahre lang
ohne feste Stelle. Sie hält sich mit Ein-Euro-Jobs über
Wasser, sie gibt nicht auf.
Das Jahr 2011 bringt neue Hoffnung. Anna Meder
nimmt an einer Schulung des Jobcenters teil. Zu der
Maßnahme gehört auch ein Praktikum als Betreuerin
in einer Seniorenresidenz. Mit ihrer warmherzigen
Art gewinnt sie rasch das Vertrauen der Bewohner.
Ihr Chef ist begeistert. Nur: Er hat keine Stelle frei.
Anders sieht es bei Jana Poturnak aus. Die Pflegedienstleiterin in der Seniorenresidenz Felkebad in
Bad Sobernheim sucht dringend nach Unterstützung.
Ihr Haus gehört zum gleichen Unternehmen wie die
Seniorenresidenz, in der Anna Meder ihr Praktikum
absolviert hat. Ein Telefonanruf, ein Blick auf das
Praktikumszeugnis, ein Vorstellungsgespräch – und
die Stelle ist besetzt. „Ein glücklicher Zufall“, sagt
Jana Poturnak und kommt auf die Spaziergänge zu
sprechen, die ihre neue Mitarbeiterin jeden Tag mit
einem demenzkranken Heimbewohner unternimmt.
„Bevor Frau Meder bei uns angefangen hat, wollte
er monatelang sein Bett nicht verlassen. Mit ihrer
geduldigen Art gelingt es ihr, fast jeden zu erreichen.“
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Wir machen uns
selbstständig
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selbstständigkeit
Nuri Gümüsdal, Kioskbetreiber in Berlin
„Wir wollen Vorbild sein“
Er kam aus der Türkei nach Deutschland und arbeitete im Schichtdienst in Dönerläden.
Jetzt betreibt Nuri Gümüsdal mit seiner Frau einen eigenen Kiosk.
Sie waren Hartz-IV-Aufstocker. Nun haben Sie
einen eigenen Kiosk. Wie kam es dazu, Herr
Gümüsdal?
„Ich habe jetzt mein eigenes Geschäft und ich zahle
Steuern. Ich bin ein richtiger Bürger und darauf bin
ich wirklich stolz.
Ich bin 2005 aus der Türkei nach Deutschland gekommen, weil ich damals meine Frau heiratete. Sie ist
Deutsche, und wir haben diverse Jobs gemacht, auch
in Kiosken. Ich selbst habe in türkischen Restaurants
oft Döner geschnitten. Das waren gute Jahre, weil
man viel mit Menschen in Kontakt kam. Aber so
richtig leben konnten wir davon nicht, weshalb wir
über Hartz IV aufstocken mussten.
Wir haben relativ bald entschieden, dass wir selbst
einen Kiosk betreiben wollten. Im Frühjahr 2011
haben wir dann endlich einen passenden Standort
gefunden. Wir hatten nichts zu verlieren und haben
das Geschäft von unseren Vorgängern übernommen.
Jetzt heißt er ‚Unser Kiosk’, und das ist nicht nur ein
Spruch. Meine Frau und ich – wir ergänzen uns gut.
Ich bin eher die Autorität und sorge für Ordnung,
meine Frau kann wunderbar mit Kunden. Und Türkisch spricht sie mittlerweile auch. Zu uns kommen
ganz normale Leute, auch viele Familien mit ihren
Kindern – ‚Unser Kiosk’ ist ein richtiger Treffpunkt
geworden, mit einer großen Stammkundschaft.
Wir hatten zwar schon ein bisschen Erfahrung, aber
einen Kiosk zu eröffnen ist trotzdem keine leichte
Sache. Dabei hat uns das Jobcenter TempelhofSchöneberg geholfen. Wir haben unser Geschäft zwar
selbst geplant und kalkuliert, aber das Jobcenter gab
uns etwas Einstiegsgeld und übernahm in den ersten
Monaten die Miete unserer Wohnung – das hat uns
sehr entlastet. Auch konnten wir ein Existenzgründerseminar belegen, wo wir mit Menschen in ähnlicher
Lage sprechen konnten, was durchaus lehrreich war.
Vor allem aber hat uns der Jobcenter-Betreuer Mut
gemacht und uns vertraut. Das war die beste Unterstützung überhaupt, noch viel wichtiger als das Geld.
So hatten wir einen recht guten Start, und schon zwei
Monate später konnten wir von unserem Kiosk leben.
Seitdem beziehen wir kein Geld mehr vom Staat, und
wir arbeiten nach ganz klaren Prinzipien: Wir machen
keine Schulden, wir gewinnen Kunden durch Freundlichkeit, hier läuft alles korrekt und legal. So fühlen
wir uns wohl, zudem wollen wir Vorbild sein. Wir
geben einfach unser Bestes. Und demnächst machen
wir mal Urlaub.”
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Selbstständigkeit
Kemal Cakir vor seinem Pflegedienst
Gute Mischung: 40 Prozent der Pflegekräfte von Kemal Cakir haben einen Migrationshintergrund
„Leistung und Sympathie
entscheiden – und Respekt“
Kemal Cakir ist 42 Jahre alt und betreibt einen Pflegedienst mit knapp 400 Angestellten aus
den unterschiedlichsten Ländern. Sein Erfolgsgeheimnis: ein gutes Miteinander.
Sie haben in den 90er Jahren eine Ausbildung zum
Krankenpfleger gemacht – damals noch ein eher
ungewöhnlicher Beruf für einen Mann mit türkischen Wurzeln …
Das stimmt. Und auch bei mir hat sich der Berufswunsch
erst entwickelt: Ich besuchte eine Fachoberschule für
Sozialpädagogik und auf dem Lehrplan stand auch ein
Praktikum. Das habe ich in der Krankenpflege gemacht.
Schnell war mir klar: Der Beruf will mich und ich will den
Beruf. Nach meiner Ausbildung zum Krankenpfleger
habe ich dann noch eine Weiterbildung zum Intensivpfleger gemacht und einige Zeit in diesem Bereich gearbeitet.
Wann haben Sie erkannt, dass Ihr Migrationshintergrund und Ihr Beruf die Grundlage für eine
Geschäftsidee sein könnten?
Schon während meiner Tätigkeit als Intensivkrankenpfleger hatte ich die Idee, mich mit einem Pflegedienst,
der sich vor allem an ältere Menschen aus meinem
Kulturkreis wendet, selbstständig zu machen. Mit
Hilfe der Bundesagentur für Arbeit und eines Existenzgründungsdarlehens habe ich den Schritt schließlich
gewagt. Im November 1999 habe ich mein Gewerbe
angemeldet. Seither sind wir stetig gewachsen.
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Haben Bewerber mit ausländischen Wurzeln
bei Ihnen besonders gute Chancen?
Rund 40 Prozent meiner Angestellten haben einen
Migrationshintergrund. Auch unsere Patienten kommen
aus ganz unterschiedlichen Ländern. Es gehört zu unserem Selbstverständnis, dass wir Rücksicht auf kulturelle
Besonderheiten nehmen. Bestimmte Wünsche hängen
weniger vom Kulturkreis ab, sondern sind vielmehr
individuell geprägt. In der Intensivpflege erlebe ich
zwar häufiger, dass Familien ihre Töchter lieber von
weiblichem Pflegepersonal versorgen lassen möchten.
Genauso erlebe ich, dass einige Patientinnen muslimischen Glaubens kein Problem damit haben, sich von
einem Mann pflegen zu lassen. Am Ende entscheiden
Leistung und persönliche Sympathie.
Und wie lautet Ihr ganz persönliches Erfolgsrezept
für eine gelungene Integration?
Es ist wichtig, Respekt für andere Menschen aufzubringen – unabhängig von ihrer Herkunft. Integration muss
man leben – von beiden Seiten. Mein Vater hat immer
gesagt: Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, liegt
es nicht an der Badehose. Was ich damit sagen möchte:
Schwierigkeiten liegen nicht unbedingt am kulturellen
Hintergrund, sondern eher an individuellen Faktoren.
Wir lernen eine
neue Sprache
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neue Sprache
So ehrgeizig wie zielstrebig: Feri Ali
Eine erfolgreiche Reise ins Ungewisse
Als Feri Ali* aus dem Iran nach Deutschland kam, hatte er hier weder Familie noch Freunde.
Auch Deutsch sprach er nicht. Und hat es dennoch geschafft, sich eine Existenz aufzubauen.
Feri Ali erzählt, wie er völlig mittellos aus dem Iran
nach Deutschland kam und mit Hilfe einer engagierten Arbeitsvermittlerin einen Job fand:
„Ich bin am 24. Dezember 2005 nach Deutschland
gekommen. In meiner Heimat, dem Iran, sah ich für mich
und meine Familie keine Zukunft mehr. Meine Frau und
ich – wir wollten mit unserem Kind an einem sicheren Ort
leben. Also haben wir beinahe all unsere Ersparnisse für
die Reise nach Düsseldorf ausgegeben. Es war eine Reise
ins Ungewisse, wir kannten hier niemanden.
Mittlerweile hat mich die Firma, für die ich im Auftrag der
Zeitarbeitsfirma gearbeitet habe, übernommen. Darüber
bin ich sehr froh. Mir macht die Arbeit hier große Freude,
wir stellen in unserer Firma unter anderem Frontlader her,
das ist für einen Schweißer eine interessante Aufgabe.
Nach einer Weile sind wir in Magdeburg gelandet und
bekamen eine Aufenthaltsgenehmigung. Ich habe dann
Kontakt mit dem Jobcenter hier aufgenommen. Als
Erstes hat mir meine Vermittlerin Anne Schmidt* einen
Deutschkurs empfohlen, denn meine Deutschkenntnisse waren einfach nicht gut genug, als dass ich eine
Arbeit hätte finden können. Schon gar nicht in meinem
eigentlichen Beruf. An der Universität Teheran hatte ich
einen Ingenieurabschluss gemacht. Hier in Deutschland
hat Frau Schmidt für mich nach dem Sprachkurs eine
dreimonatige Weiterbildung zum Schweißer organisiert.
Außerdem hat sie mir sehr dabei geholfen, dass mein
Diplom anerkannt wird. Da ich allerdings nie als Ingenieur
gearbeitet habe, nützt es mir nur begrenzt. Jedenfalls
bekam ich schon einen Monat nach der Weiterbildung
zum Schweißer bei einer Zeitarbeitsfirma eine Anstellung.
Anne Schmidt vom Jobcenter Magdeburg über
ihren Klienten Feri Ali:
„Als Herr Ali zu mir kam, sprach er so gut wie kein
Deutsch. Zunächst war es aufgrund der kulturellen
Unterschiede ein bisschen schwierig, eine Vertrauensbasis
aufzubauen, denn es war für Herrn Ali ungewohnt, sich
von einer Frau beraten zu lassen und sie zu akzeptieren.
Aber er hat sofort verstanden, dass das Erlernen der
Sprache Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche
Arbeitsvermittlung ist, und sich dann auch im Kurs
wirklich sehr engagiert. Er hat auch die anderen angebotenen Hilfen angenommen und alle erforderlichen
Maßnahmen und Lehrgänge mit großem Ehrgeiz absolviert. Es freut mich wirklich sehr für ihn, dass er nun
eine feste Anstellung gefunden hat.“
Ich möchte mich allerdings gerne noch weiterqualifizieren und einen Abschluss als Schweißingenieur machen,
sobald ich genug Geld habe, eine solche Ausbildung zu
finanzieren.“
* Name von der Redaktion geändert.
20
neue Sprache
Blieb hartnäckig: Vermittler Stefan
Schubert
Ali Hassan Dakhel, Kfz-Servicemechaniker in Erfurt
Neues Land, neue Sprache, neue Kultur
Als Teenager floh der Iraker vor dem Golfkrieg nach Deutschland und lernte nicht nur
Deutsch, sondern auch, sich selbst zu überwinden.
Im Herbst 2002 segelten die ersten Flugblätter vom
Himmel. Das US-Militär empfahl der Zivilbevölkerung,
wegen des drohenden Krieges das Land zu verlassen.
Ali Hassan Dakhel, damals 16 Jahre alt, floh mit seiner
Familie Ende 2002 aus dem Irak; der Vater hatte etwas
Geld beiseitegelegt. Sie wollten nach Deutschland.
„Bis dahin herrschte mein ganzes Leben lang immer
wieder Krieg“, sagt Dakhel heute. Er lebt in Erfurt
und hat sich beruflich seinen Kindheitstraum erfüllt:
Seit Sommer 2012 ist er ausgebildeter Kfz-Servicemechaniker. Doch der Weg dahin war sehr weit.
U-25-Team des Jobcenters Erfurt. Der junge Iraker
sah das nicht ein, doch Schubert blieb hartnäckig.
„Ich brauchte über drei Jahre, um ihn zu überzeugen.“
2009 endlich legte Ali Hassan Dakhel den Intensivsprachkurs ab. Schubert brachte ihn daraufhin in eine
Ausbildung beim Internationalen Bund. „Die Theorie
fiel mir sehr schwer“, erzählt Dakhel. „Zwischendurch
stand meine Ausbildung auf der Kippe, weil meine
Noten zu schlecht waren. Herr Schubert und meine
beiden Meister bestärkten mich aber, weiterzumachen. Ohne sie hätte ich nicht durchgehalten.“
In Deutschland angelangt kam die Familie über diverse
Stationen nach Erfurt. Dakhel lernte wegen fehlender
Einbindung kaum Deutsch; mit 17 bestand für ihn
keine Schulpflicht mehr. Er jobbte als Bauhelfer und
im Autohandel. Autos waren sein Traum. Schon mit
neun Jahren hatte er im Irak begonnen, als Mechaniker zu arbeiten und die Familie finanziell zu unterstützen. Die Schule verließ er mit zwölf: Das Schulgeld
war zu teuer. In Deutschland nun schien der ersehnte
Beruf für ihn unerreichbar.
Nach bestandener IHK-Prüfung im August 2012
vermittelte ihm sein Meister eine Stelle bei einem
Kollegen. Seither arbeitet Dakhel als Kfz-Servicemechaniker in einem großen Autohaus in Erfurt.
„Ich habe bis jetzt schon so viel geschafft! Ich bin
wirklich stolz darauf“, freut sich Ali Hassan Dakhel
über seinen Erfolg.
„Ich versuchte ihm klarzumachen, dass er dafür
eine Ausbildung braucht. Und dass er, um sie zu
absolvieren, Deutsch können muss“, sagt Stefan
Schubert, seit 2006 Dakhels Arbeitsvermittler im
21
Wir nutzen die Beratung
und Vermittlung durch
Arbeitsagentur und
Jobcenter
22
Beratung und Vermittlung
„Die Beratung und Unterstützung
war prima!”
Dank „Service Point Migration“ eröffnete sich für Museljem Ameti nach Anerkennung
seiner beruflichen Qualifikation eine neue berufliche Zukunft.
Im Alter von 20 Jahren kam Museljem Ameti von
Mazedonien nach Deutschland. Als ausgebildeter
Maschinenschlosser sah er einer neuen Zukunft entgegen – aber der Neustart erwies sich anders als geplant.
„Am Anfang habe ich verschiedene Aushilfstätigkeiten
gemacht, konnte dann später bei einigen Stellen auch
Kenntnisse aus meiner Berufsausbildung anwenden,
aber das reichte noch nicht“, so der Mazedonier.
Im Februar 2012 wurde
Museljem Ameti für das
Programm „Service Point
Migration (SePoM)“ vorgeschlagen. Arbeitsvermittlerin Renate Hahne
erklärt die Kooperation
des Jobcenters Vorderpfalz-Ludwigshafen und
der Agentur für Arbeit
Ludwigshafen: „Wir
haben das gemeinsame Ziel, Menschen mit
Migrationshintergrund
den Zugang zum Arbeitsund Ausbildungsmarkt
durch individuelle Beratungsprozesse zu ermöglichen. Dazu gehört auch
die Anerkennung ausländischer Abschlüsse.“
Gesagt, getan: Gemeinsam mit Museljem Ameti
sammelte die Vermittlerin alle erforderlichen
Dokumente, stellte Über-
setzungskosten sicher und unterstützte den Mazedonier bei der Antragstellung. „Herr Ameti wirkte wie
jemand, der die Dinge aktiv in die Hand nimmt. Andererseits machte er aber auch einen frustrierten Eindruck. Er war es leid, immer wieder saisonal arbeitslos
zu sein“, erinnert sich Renate Hahne.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Kurz
danach wurde die Ausbildung als Maschinenschlosser
erfolgreich als gleichwertig mit dem deutschen Referenzberuf
Maschinen- und Anlagenführer Schwerpunkt
Metall- und Kunststofftechnik anerkannt. Ein
Glücksfall für Museljem
Ameti, der sehr schnell
bei der PFW Aerospace
GmbH in Speyer, einem
namhaften Zulieferer in
der Luftfahrt, als Fachkraft in der Produktion
arbeiten konnte. Dort
ist er bis heute tätig. Ein
Zustand, über den der
Mazedonier sehr froh
ist: „Die Beratung und
Unterstützung durch
meine Vermittlerin Frau
Hahne war prima. Mit
meiner Arbeit bin ich
sehr zufrieden. Das
Arbeitsklima ist sehr
gut, die Tätigkeiten sind
Erfolgreiche Anerkennung durch SePoM: Museljem Ameti und Renate
Hahne
abwechslungsreich.“
23
Beratung und Vermittlung
Shpend Jakupi, angehender Hotelfachmann in Berlin
„Mach eine Ausbildung“
Ein junger, gepflegter Mann an der Hotelrezeption, kundig und freundlich. So sieht sich
Shpend Jakupi in der Zukunft. Und es sieht ganz so aus, als würde er es dorthin schaffen.
„Was habe ich für ein Glück! Das Hotel Air ist ein
kleines, feines 3-Sterne-Haus, Altbau, in der Nähe des
Kurfürstendamms in Berlin. Dort mache ich meine
Ausbildung zum Hotelfachmann. Ich arbeite zwar erst
einmal in der Küche und im Service, aber bald werde
ich an die Rezeption wechseln. Dort will ich hin. Ich
bin ein gepflegter Mensch und mag eine entsprechende Atmosphäre. Wenn ich das geschafft habe, bin
ich zwar einige Umwege gegangen, aber ich bin eher
der Typ fürs Arbeiten und nicht so sehr für die Schule. Hausaufgaben habe ich nie gemacht, und in den
vergangenen Jahren habe ich viele Fächer fast immer
geschwänzt. Deshalb habe ich auch nur den erweiterten Hauptschulabschluss mit vielen Fehlzeiten.
Damit bekommst du normalerweise keine Lehrstelle,
und deshalb habe ich mich erst gar nicht beworben,
sondern mich erst einmal als Küchenhilfe durchgeschlagen. In der Gastronomie kenne ich mich aus,
meine Eltern sind Kellner. Aber sie waren immer
dagegen, dass ich in diese Branche gehe.
Deshalb bin ich zunächst in einem Jahrespraktikum
zum Anlagenmechaniker gelandet. Aber statt etwas zu
lernen, musste ich den Hof putzen, Schrott sortieren,
außerdem stank ich ständig nach Abwasserkanal –
24
da habe ich die Lust verloren und die Sache nach acht
Monaten abgebrochen.
Bei meinem Jobcenter waren sie natürlich nicht gerade
begeistert und haben mit einem Ein-Euro-Job gedroht.
Ich habe irgendwann gefragt, was ich tun muss, damit
es nicht dazu kommt. ‚Mach eine Ausbildung‘, sagten die. Aber ich wollte gleich einen Job, in dem ich
mehr Geld verdiene. ‚Willst du denn dein Leben lang
Hilfsjobs machen?‘, hat mich mein Arbeitsvermittler
gefragt. Das hat mich dann doch überzeugt. Wie
gesagt: Ich hatte wirklich Glück. Mein Betreuer hatte
einen Draht zu diesem Hotel, und die suchten gerade
Nachwuchs. Ich habe meine Bewerbung persönlich
vorbeigebracht, und der Personalverantwortliche hat
sich gleich mit mir unterhalten. Mit dem Zeugnis,
meinte er, ginge das eigentlich gar nicht, aber er hat
eine Ausnahme gemacht.
Das war im August 2012, seitdem bin ich hier. Und es
geht mir wirklich gut. Meine Vorgesetzten und Kollegen sind zufrieden mit mir, ich selbst bin es auch. Und
nun lerne ich das gesamte Geschäft, bekomme zudem
Nachhilfe in Rechtschreibung und Grammatik. Und
in Englisch, weil ich es selber will. Schließlich braucht
man das an der Rezeption.”
Wir wollen unsere
Berufsabschlüsse
anerkennen lassen
25
Anerkennung Berufsabschlüsse
Beratung mit Happy End: Kathrin Herbst (links) und Khrystyna Chikel-Markov (rechts)
„Ich will arbeiten“
Khrystyna Chikel-Markov machte in ihrer Heimat einen Hochschulabschluss. Doch der
nützte ihr in Deutschland wenig – bis sie sich an das IBAS-Netzwerk in Dresden wandte.
Khrystyna Chikel-Markov ist keine, die sich schnell
aufgibt. Immer und immer wieder hat sie sich beworben, seit sie aus der Ukraine nach Deutschland kam.
Der Erfolg allerdings hat fast sieben Jahre auf sich
warten lassen. Dabei hatte sie bereits am Tag ihrer Ankunft in Deutschland beschlossen: „Ich will arbeiten.”
In ihrer alten Heimat hatte Khrystyna Chikel-Markov
Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Banken
studiert – und am liebsten hätte sie auch hierzulande
gerne bei einem Kreditinstitut gearbeitet. Doch ihr
Hochschulabschluss, den sie immerhin mit der Note 1
gemacht hatte, wurde nicht anerkannt. Auch ein
Praktikum bei einer Bank in Dresden führte nicht
zum ersehnten Ziel einer Festanstellung.
Kathrin Herbst kennt die Probleme von eigentlich gut
qualifizierten Fachkräften und Hochschulabsolventen
aus dem Ausland nur zu gut. „Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist nur für wenige so genannte
reglementierte Berufe gesichert. Dazu gehören Arzt,
Apotheker, Krankenpfleger oder Lehrer an staatlichen
Schulen!”, sagt die Expertin von der Dresdner Informations- und Beratungsstelle Anerkennung Sachsen
(IBAS) im IQ Landesnetzwerk EXIS.
Auch die Wirtschaftswissenschaftlerin Khrystyna ChikelMarkov wandte sich schließlich an die IBAS. Sie hatte
von ihrer Agentur für Arbeit den Tipp bekommen,
doch einmal ihr Zeugnis und ihre Qualifikation prüfen
zu lassen. „Wir analysieren Werdegang und Situation
der Ratsuchenden. Bei nicht anerkannten ausländischen Abschlüssen versuchen wir dann, über unser
Netzwerk entsprechende Qualifikations- oder
andere Hilfsmöglichkeiten anzubieten“, sagt Herbst.
Der Bedarf dafür ist groß: Seit die IBAS im Oktober
2011 an den Start ging, führte das Beratungsnetzwerk
rund 1.100 Beratungen durch.
Für Khrystyna Chikel-Markov brachte der Besuch bei der
IBAS schließlich den Durchbruch. Im Herbst 2013 begann sie eine ihren Neigungen entsprechende Umschulung zur Steuerfachangestellten. Den Bildungsgutschein
dafür erhielt sie ohne Probleme. „Ich fühle mich großartig – die Materie liegt mir“, sagt die Neu-Dresdnerin
über ihr neues Arbeitsgebiet.
Das Beispiel von Khrystyna Chikel-Markov zeigt, dass es
sich lohnt, nicht aufzugeben. Und wie viele ungenutzte
Fähigkeiten und Kompetenzen Menschen mit ausländischen Wurzeln mitbringen. Landesarbeitsagenturchefin
Jutta Cordt* ist davon überzeugt, „dass in den rund
17.000 Arbeitslosen mit Migrationshintergrund in
Sachsen ein wichtiges Fachkräftepotenzial steckt.“
* Jutta Cordt hat innerhalb der Bundesagentur für Arbeit inzwischen die Position gewechselt.
26
Anerkennung Berufsabschlüsse
„Wir machen
die verborgenen
Fähigkeiten sichtbar“
Heike Klembt-Kriegel, Geschäftsführerin IHK-FOSA
Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) soll Fachkräfte dabei unterstützen,
ihre im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse besser einzuschätzen. Das zentrale
Kompetenzzentrum IHK-FOSA will das Gesetz mit dem sperrigen Namen dabei erfolgreich
in die Praxis umsetzen.
E
r ist viel beschrieben und in manchen Branchen
und Regionen mittlerweile deutlich spürbar: der
demografische Wandel. Doch auch Unternehmen, die
aktuell noch keine Probleme haben, gut qualifizierte
Fachkräfte für sich zu gewinnen, tun gut daran, sich
rechtzeitig auf die sich wandelnden Bedingungen
am Arbeitsmarkt einzustellen.
Industrie, Handel, Gastronomie und Dienstleistungen.
„Wir machen mit unserem Verfahren die erworbenen
Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten für Personalabteilungen sichtbar“, sagt IHK-FOSA-Geschäftsführerin
Heike Klembt-Kriegel. „Und die vielen guten Rückmeldungen zeigen, dass das BQFG gut funktioniert und
Wirkung zeigt.“
Neben Aus- und Weiterbildung des eigenen Personals
gibt es für vorausschauende Unternehmerinnen und
Unternehmer inzwischen noch einen weiteren Weg,
die sich abzeichnende Lücke in der Personaldecke zu
schließen: gut qualifizierte Arbeitskräfte aus dem
Ausland einzustellen. Dabei hilft ihnen das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG). Das neue
Instrument unterstützt Arbeitgeber und potenzielle
Arbeitnehmer, wenn es darum geht, im Ausland
erworbene Berufsabschlüsse besser einzuschätzen.
Dabei wirke sich auch die jüngste Neuerung positiv aus:
„Inzwischen werden auch Berufserfahrung und Weiterbildungen bei der Überprüfung, ob eine Gleichwertigkeit
mit dem entsprechenden deutschen Ausbildungsberuf
vorliegt, berücksichtigt“, so Heike Klembt-Kriegel.
Die IHK-FOSA, das zentrale Kompetenzzentrum von
77 Industrie- und Handelskammern, bietet darüber
hinaus konkrete Hilfestellung und übernimmt die
Gleichwertigkeitsfeststellung für Berufe aus
In der Broschüre „Meine Erfolgsgeschichte“ hat die IHK
FOSA interessante Fallbeispiele zusammengestellt, in denen Antragstellende über ihren beruflichen Werdegang
nach dem Anerkennungsprozess berichten. Erhältlich ist
die Publikation als Download auf www.ihk-fosa.de.
Weitere Informationen über das Anerkennungsverfahren, die Antragstellung und Unterstützung bietet die
örtliche Industrie- und Handelskammer.
27
Wir arbeiten im
öffentlichen Dienst
28
öffentlicher Dienst
„Setzt euch für eure
Ziele ein und nutzt
die Angebote“
Sefer Öncel war einer der ersten Migranten,
die ihre Chance ergriffen und bei der
Bundesagentur für Arbeit eine Ausbildung
machten. Ein Interview mit dem heute
40-Jährigen über seinen Weg zum Migrationsbeauftragten der Regionaldirektion
Nordrhein-Westfalen.
Vernetzt die BA mit Migrantenorganisationen und entwickelt neue
Projekte: Sefer Öncel, Migrationsbeauftragter der Regionaldirektion NRW
S
ie sind in der Türkei geboren und zogen nach
Deutschland, als Sie sechs Jahre alt waren.
Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke?
Ich kam im Rahmen der Familienzusammenführung
hierher. In der Türkei hatte meine Familie in einem kleinen Dorf am Schwarzen Meer gelebt. Eine Infrastruktur
wie in Deutschland gab es dort damals nicht. Straßen,
Autos, Busse, große Gebäude, viele Menschen – das
hatte ich vorher so noch nie erlebt. Ich fand das alles
sehr faszinierend.
Für Sie und Ihre Eltern muss die Umstellung
sehr groß gewesen sein. Wie fanden Sie sich im
deutschen Bildungssystem zurecht?
Meine Eltern haben mich immer dazu motiviert, zu lernen. Sie haben mir von Anfang an vermittelt, wie wichtig
es ist, einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung
zu haben. Mein Vater arbeitete als Ungelernter, hatte
deshalb keine beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten und
nur ein geringes Einkommen. Meine Eltern wollten, dass
ich eines Tages mehr Möglichkeiten habe.
Sie waren einer der ersten Auszubildenden mit
ausländischen Wurzeln, als Sie im damaligen
Arbeitsamt Solingen anfingen. Wie kam es dazu?
Eine Berufsberaterin machte mich auf die Möglichkeit
aufmerksam, eine Ausbildung bei der Bundesagentur für
Arbeit (BA) zu absolvieren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich
schon zwei andere Ausbildungszusagen – aber die Übernahmegarantie, die mir die BA gab, und die Chance, als
Migrant in einer deutschen Behörde eine Ausbildung zu
machen, haben mich sofort begeistert. So begann ich im
September 1992 mit meiner Ausbildung zum Fachangestellten für Arbeitsförderung. Und ich kann sagen: Im
Kollegium oder im Umgang mit Kunden ist mein Migrationshintergrund ein Vorteil: Das gilt für die Mehrsprachigkeit, aber auch für das kulturelle Verständnis.
Welchen Rat geben Sie als Migrationsbeauftragter
Menschen mit Zuwanderungsgeschichte?
Offen zu sein und dabei die eigene Persönlichkeit zu
bewahren. Integration bedeutet nicht, sich selber, seine
Kultur oder seine Religion aufzugeben. Integration ist
das friedliche und gedeihliche Zusammenleben unterschiedlicher Persönlichkeiten, Kulturen und Religionen in
einer Gesellschaft. Außerdem: Nutzt die vielen Angebote, die es gibt, und setzt euch für eure Ziele ein. Viele
Migranten fühlen sich nicht verstanden. Oft sagen sie
dann: „Ich bekomme keinen Ausbildungsplatz, weil ich
Ausländer bin …“ Damit machen sie es sich – meiner
Erfahrung nach – zu einfach. Sie sollten sich stattdessen
trauen, Hilfen einzufordern.
29
öffentlicher Dienst
„Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen,
woanders zu arbeiten!“
Das Berliner Pilotprojekt „Einstiegschance BA“ erhöht mit einem finanzierten Förderpraktikum
den Anteil von Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst.
U
m mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund
für eine Ausbildung zu gewinnen, wurde im
Herbst 2010 das Berliner Pilotprojekt „Einstiegschance BA“ ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um
ein finanziell unterstütztes Förderpraktikum für junge
Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Das Programm gilt als Vorbereitungsmaßnahme
für ein Auswahlverfahren zur Ausbildung zum „Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistungen“.
Mit Hilfe eines dafür entwickelten Gesamtpaketes –
bestehend aus gezielten theoretischen und praktischen
Qualifizierungen, sprachlicher Förderung und intensiver
sozialpädagogischer Betreuung – wurden die Teilnehmer im Rahmen des Praktikums umfassend auf die
Anforderungen der Ausbildung in einer Agentur für
Arbeit vorbereitet. Insgesamt haben 13 von 24 Projektteilnehmern in den letzten drei Jahren das Auswahlverfahren erfolgreich bestanden und eine Ausbildung bei
der Agentur für Arbeit begonnen.
Özlem Öz, glückliche Teilnehmerin des Projektes „Einstiegschance BA“
30
Zu den Teilnehmern gehören zum Beispiel:
Özlem Öz ist Türkin und befindet sich seit 2011 in
der Ausbildung: „Eigentlich wollte ich ja studieren,
aber durch dieses Praktikum kann ich mir gar nicht
mehr vorstellen, woanders zu arbeiten, und bin immer
noch sehr zufrieden mit meiner Wahl. Man hat viel
Abwechslung, lernt alle Bereiche und auch neue
Leute kennen. Mein Traum ist es, später einmal als
Vermittlerin im Jobcenter zu arbeiten.“
Bahar Ögüt aus der Türkei ist 21 Jahre alt und heute
Mitarbeiterin des SGB II in Berlin-Lichtenberg:
„Die Ausbildung ist sehr abwechslungsreich, dazu
gehören auch Praktika beim Jobcenter und Servicecenter. Ich hatte auch Höhen und Tiefen, die ich aber
mit Unterstützung meiner Vorgesetzten und Kollegen
gut überstanden habe. Nun bin ich Mitarbeiterin der
Bundesagentur für Arbeit und möchte allen Schülern
und auch Erwachsenen Mut machen, sich zu trauen,
eine Ausbildung zu beginnen.“
Bahar Ögüt, Mitarbeiterin des SGB II in Berlin-Lichtenberg
öffentlicher Dienst
Von Hand werden alle Eingaben, die auf Alter, Geschlecht oder Herkunft hindeuten, geschwärzt
„Vielfalt ist erwünscht!“
Im September 2010 begann die Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur
für Arbeit als bundesweiter Vorreiter in einem Modellprojekt: Sie rekrutierte ihren
Führungsnachwuchs mit Hilfe eines anonymisierten Bewerbungsverfahrens.
A
us unserer Sicht ist das anonymisierte Bewerbungsverfahren eine Grundlage zur Verwirklichung echter Chancengleichheit“, sagt Christiane
Schönefeld, Vorsitzende der Geschäftsführung der
Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen. Die Regionaldirektion hatte zwei Bewerbungsrunden in den Jahren
2011 und 2012 anonymisiert durchgeführt. „Die
Ergebnisse zeigen, dass ein Arbeitgeber für Bewerberinnen und Bewerber interessanter wird, wenn er
dieses Verfahren anbietet“, so Schönefeld. In Zeiten
wachsenden Fachkräftebedarfs sei das anonymisierte
Bewerbungsverfahren deshalb eine zusätzliche Option
zur Fachkräftegewinnung. Das belegt der Anstieg
der Bewerberzahl bereits in der zweiten Runde des
Modellprojektes eindrücklich: Die Bundesagentur für
Arbeit in Nordrhein-Westfalen erhielt 2012 rund
60 Prozent mehr Unterlagen auf die angebotenen
Traineestellen als 2011. Insgesamt bewarben sich 1.100
potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Auch die Zahl der Bewerbungen von Akademikerinnen
und Akademikern mit Zuwanderungsgeschichte stieg:
2012 bewarben sich mit 266 Menschen knapp 35 Prozent mehr Menschen mit Migrationshintergrund als
noch im Vorjahr. „Besonders auf diese Personengruppe
scheint das anonymisierte Bewerbungsverfahren eine
Signalwirkung zu haben“, sagt Schönefeld. Insgesamt
könne ein solches Verfahren aber nur als langfristige
Strategie angelegt werden und die volle Wirkung erst
mit zunehmender Bekanntheit entfalten.
Nach Ende des Modellprojektes sucht die Agentur
für Arbeit in Nordrhein-Westfalen derzeit ein neues
technisch adäquates Verfahren. Bislang wurden die
Passagen, die Rückschlüsse auf Geschlecht, Alter oder
Herkunft erlauben, manuell geschwärzt.
„Durch entsprechende Software kann das anonymisierte Bewerbungsverfahren digital vereinfacht werden,
zum Beispiel in Form einer anonymisierten OnlineBewerbung“, ist Schönefeld überzeugt. Allerdings
gibt es auf dem Weg dorthin noch ein paar Herausforderungen zu meistern: Bei einer Bundesbehörde mit
festgelegten Prozessen sind umfassende Abstimmungen über ein solches Projekt unverzichtbar. Darüber
hinaus muss ein umfassender Datenschutz genauso
gewährleistet sein wie sichere digitale Übertragungswege. Dass diese Hürden bald genommen sein werden,
davon ist Christiane Schönefeld überzeugt. Denn: „Die
aktive Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit
am Arbeitsplatz ist integraler Teil unserer Geschäftspolitik. Das anonymisierte Bewerbungsverfahren ist ein
weiterer Baustein bei der Umsetzung dieser Ziele.“
31
Wie hilft das Netzwerk
der Bundesagentur für
Arbeit?
32
Hilfe durch Netzwerke
Zusammen wird’s was
Im Sommer 2011 schlossen die Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und
Integration, die Agentur für Arbeit Hamburg und das Jobcenter team.arbeit.hamburg die
Hamburger Migrationsvereinbarung. Im Fokus stehen die Anerkennung ausländischer
Abschlüsse und die berufsbezogene Sprachförderung.
Die drei Akteure über das gemeinsame Ziel:
Senator Detlef
Scheele, Präses der
Behörde für Arbeit,
Soziales, Familie und
Integration der Freien und Hansestadt
Hamburg:
„Aufgabe der Politik ist
es, einen arbeitsmarktpolitischen Rahmen zu
stecken, der allen Bürgerinnen und Bürgern einen gleichwertigen Zugang zu Arbeit ermöglicht. Die Migrationsvereinbarung ist dabei ein wichtiger Baustein. Ziel ist es,
die Förderinstrumente so auszurichten, dass sie die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund berücksichtigen und ihnen die gleichen Möglichkeiten eröffnen wie
Menschen ohne Migrationshintergrund. Dabei können
Eingliederungsmaßnahmen vor allem dann erfolgreich
sein, wenn sie die Lebensumstände, die Ressourcen und
die Werte der Menschen berücksichtigen.“
Sönke Fock, Vorsitzender der Geschäftsführung der
Agentur für Arbeit
Hamburg:
„Die Vereinbarung
ist ein Instrument,
Menschen mit ausländischen Wurzeln
zu unterstützen. Es ist
aber auch wichtig, sich zweierlei zu fragen: Führen allein
solche Wege zum Ziel, dass Menschen wertschätzend
und gleichberechtigt miteinander leben, deren Merkmal ist, verschieden zu sein? Und: Wen meinen wir mit
,Menschen mit Migrationshintergrund’: die arbeitslose
Deutschfinnin oder den Ausbildungsplatz suchenden
Jugendlichen mit schwedischer Mutter und deutschafrikanischem Vater? Die Hamburger Vereinbarung ist
ein wichtiger Schritt hin zu einer in Vielfalt lebenden
Gesellschaft. In Diversity leben eröffnet die Chance,
eines Tages ohne die Einteilung in ‚mit oder ohne
Migrationshintergrund’ miteinander zu leben und
zu arbeiten.“
Friedhelm Siepe,
Geschäftsführer Jobcenter team.arbeit.
hamburg:
„Es macht betroffen,
dass Menschen mit
Migrationshintergrund
auf dem Arbeitsmarkt
nicht die gleichen
Chancen eröffnet werden wie Menschen ohne Migrationserfahrung.
Die Gründe können vielfältig sein: mangelnde
Sprachkenntnisse, die fehlende Anerkennung des
im Ausland erworbenen Abschlusses oder interkulturelle Unterschiede. Mir ist es daher ein besonderes
Anliegen, die Teilhabechancen unserer Kundinnen und
Kunden mit Migrationshintergrund zu verbessern.
Mit der geschlossenen Migrationsvereinbarung
kommen wir diesem Ziel einen großen Schritt näher,
wie die Erfolge zeigen.“
33
Hilfe durch Netzwerke
Bildung sichert
Zukunft
Landesweite Veranstaltungsreihe unterstützt
türkische Jugendliche bei ihrem Start in das
Berufsleben.
J
eder weiß: Ein Arbeitsplatz ist wichtig, um ein
glückliches und erfolgreiches Leben führen zu
können – und das gilt für jeden. Damit sich Mitarbeiter
mit ausländischen Wurzeln in Deutschland eine Existenz
aufbauen können, hat das Türkische Generalkonsulat
in Kooperation mit den Arbeitsagenturen die Veranstaltungsreihe „Bildung sichert Zukunft“ ins Leben gerufen. „Menschen mit Migrationshintergrund haben ein
enormes Potenzial. Sie sollten gut ausgebildet sein, um
in allen Bereichen des Lebens, besonders aber im wirtschaftlichen Bereich, ihren Beitrag zu leisten“, erklärt
Generalkonsul Mustafa Türker Ari. Ziel der Veranstaltungsplattform ist es, wichtige Vertreter der türkischen
Community, Schulen und Eltern zusammenzubringen.
Die Berufsberatung informiert dabei über Möglichkeiten für eine Ausbildung und unterstützt
im Bewerbungsprozess. Landesweit fanden bereits
14 Veranstaltungen mit mehr als 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt.
Und der Erfolg geht weiter: In vielen Regionen haben
sich aus „Bildung sichert Zukunft“ weitere Kooperationen entwickelt. Insbesondere Projekte im Bereich
„Schule – Beruf“ sollen weiterentwickelt werden mit
dem Ziel, türkische Jugendliche nach ihrem Schulabschluss für eine Ausbildung oder für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu begeistern. Dieses
Vorhaben geht auf eine Rahmenvereinbarung zurück,
die die Regionaldirektion Baden-Württemberg der
Bundesagentur für Arbeit und die Türkischen Generalkonsulate in Karlsruhe und Stuttgart 2010 unterzeichnet haben.
34
Eva Strobel, gemeinsam mit den Vertretern der Türkischen
Generalkonsulate: Mustafa Türker Ari (mittig), Cetiner Karahan (rechts)
Eva Strobel*, Vorsitzende der Geschäftsführung der
Regionaldirektion Baden-Württemberg, zu den Hintergründen der Rahmenvereinbarung: „Die berufliche
Integration von Menschen mit Migrationshintergrund
hat neben der gesellschaftlichen Dimension auch eine
arbeitsmarktpolitische Bedeutung. Zum einen ist der
Arbeitsmarkt ein wichtiger Motor für erfolgreiche
Integration, zum anderen können es sich die Unternehmen nicht mehr leisten, das Potenzial der
Menschen einfach brachliegen zu lassen.“
* Eva Strobel hat innerhalb der Bundesagentur für Arbeit inzwischen
die Position gewechselt.
Hilfe durch Netzwerke
„Yes, we’re open“
Arbeitskräfte mit ausländischen Wurzeln stehen bislang viel zu wenig im
Fokus von Unternehmen. Die Bundesagentur für Arbeit will das ändern – auf
die enge Vernetzung mit Unternehmen und Institutionen kommt es an. Eine
Wanderausstellung zeigt, wie eine gelebte Willkommenskultur den Zugang
erleichtert.
S
achsen profitiert bisher nur in geringem Umfang
von der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte“,
sagte Jutta Cordt*, Vorsitzende der Geschäftsführung
der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für
Arbeit (BA). Im Jahr 2012 waren rund 22.400 Frauen
und Männer aus dem Ausland in Sachsen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 1,5 Prozent
der landesweit rund 1,5 Millionen Beschäftigten.
Zwar geht der Trend in die richtige Richtung – seit
2007 ist die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte um
fast 9.000 oder 66 Prozent in Sachsen gestiegen –,
aber das reicht nach Einschätzung von Jutta Cordt
längst nicht aus, um den Fachkräftebedarf im Freistaat
längerfristig zu sichern. „Bis 2025 wird die Zahl der
Frauen und Männer im erwerbsfähigen Alter um
über 400.000 zurückgehen“, so Cordt.
Um die sich abzeichnende Lücke zu schließen, verfolgt
die Bundesagentur für Arbeit deshalb eine Doppelstrategie. „Neben der gezielten Zuwanderung müssen vorhandene inländische Potenziale für die Unternehmen
erschlossen werden. Deswegen setzt die Bundesagentur für Arbeit auf Qualifizierung“, sagt Jutta Cordt.
Arbeitskräfte aus dem Ausland sind damit ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg.
Das hat man allerdings nicht nur in Sachsen erkannt.
Der Freistaat konkurriert mit anderen Bundesländern
um den begehrten Fachkräftenachwuchs genauso wie
mit attraktiven Regionen im Ausland, wo der demografische Wandel die Betriebe ebenfalls vor Herausforderungen stellt.
„Yes, we’re open“ – das Motto der Wanderausstellung
Jutta Cordt setzt deshalb auf einen engen Schulterschluss mit Unternehmen und Institutionen. „Wir alle
hier müssen gemeinsam zeigen, dass wir in Sachsen
attraktive Arbeitsplätze zu bieten haben“, sagt sie.
„Dazu gehören neben einem angemessenen Lohnniveau
vor allem gute Arbeitsbedingungen wie flexible Arbeitszeiten, betriebliche Weiterbildungsangebote, aber auch
Kinderbetreuungsmöglichkeiten.“ Entscheidend ist dazu
nach Ansicht der sächsischen BA-Chefin aber auch eine
gelebte Willkommenskultur in den Unternehmen, Schulen und Behörden. „Nur so können wir es schaffen, uns
für ausländische Fachkräfte attraktiv zu machen.“
Wie eine solche Kultur aussehen kann, ist Thema der
Wanderausstellung „Yes, we’re open – willkommen in
Deutschland“, deren erste Station das Goethe-Institut in
Dresden war. Die Ausstellung präsentiert gute Beispiele
aus Betrieben, Schulen und Institutionen, die zeigen, wie
gelebte Internationalität erfolgreich funktioniert.
* Jutta Cordt hat innerhalb der Bundesagentur für Arbeit inzwischen die Position gewechselt.
35
Register
Vorwort
4
Wir bilden uns weiter
Elena Schumilin
Alla Stojakin
Berna Sarigül
Ismail Seyit
Thu Hang Tran Thi
Esmira Dellinger
Najat Bakhtaoui
Elenko Piecuszek
Anna Meder
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Wir machen uns selbstständig
Nuri Gümüsdal
Kemal Cakir
16
17
18
Wir lernen eine neue Sprache
Feri Ali
Ali Hassan Dakhel
19
20
21
Wir nutzen die Beratung und Vermittlung
durch die Arbeitsagentur und Jobcenter
Museljem Ameti
Shpend Jakupi
22
23
24
Wir wollen unsere Berufsabschlüsse
anerkennen lassen
Khrystyna Chikel-Markov
Heike Klembt-Kriegel
25
26
27
Wir arbeiten im öffentlichen Dienst
Sefer Öncel
„Einstiegschance BA“
Anonymisiertes Bewerbungsverfahren
28
29
30
31
Wie hilft das Netzwerk der Bundesagentur
für Arbeit?
Zusammen wird’s was
Bildung sichert Zukunft
Yes, we’re open
32
33
34
35
Herausgeber:
Bundesagentur für Arbeit
Regensburger Straße 104
90478 Nürnberg
Telefon: 0911/179-0
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September 2014