Biosimilars (Prof. Dr. M. Ranke)
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Biosimilars (Prof. Dr. M. Ranke)
APE SPED ARBEITSGEMEINSCHAFT PÄDIATRISCHE SEKTION ENDOKRINOLOGIE UND DIABETOLOGIE Neue Präparate mit rekombinantem humanen Wachstumshormon (rhGH) – Zur Diskussion über Biosimilars Michael B. Ranke im Namen des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Endokrinologie (APE) der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie Prof. Dr. Michael B. Ranke, FRCP (Edin) Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Hoppe-Seyler-Str. 1 72076 Tübingen e-mail: Michael.Ranke@med.uni-tuebingen.de Einleitung Die Herstellung von Eiweißmolekülen durch genetische Verfahren ist - obschon auch schon mehr als 25 Jahre alt - noch eine vergleichsweise junge Technologie. Nach dem Insulin war Wachstumshormon das zweite synthetisch hergestellte Peptidhormon, welches zur Marktreife gelangte. Inzwischen ist Wachstumshormon (GH) von unterschiedlichen Herstellern für die Ersatztherapie des GH-Mangels beim Kind und Erwachsenen und bei einer Reihe von anderen Kleinwuchsformen im Kindesalter zugelassen. Die Zulassung erfolgte jeweils nach oft langjährigen Studien (z.T. bis zum Erreichen der Erwachsenengröße der behandelten kleinwüchsiger Kinder), in denen die Wirksamkeit und Sicherheit des jeweiligen Präparats evaluiert wurde. Nach der Zulassung wurde den Herstellern auferlegt, die Wirksamkeit und Sicherheit ihres Produkts durch Anwendungsbeobachtungen über einen längeren Zeitraum zu dokumentieren. Durch diese aufwendige Vorgehensweise wissen wir heute, dass einige rekombinante Wachstumshormonpräparate bemerkenswert sicher sind. Die europäische Zulassungsbehörde für Medikamente (EMEA, European Medicines Agency) hat ihre restriktive Haltung hinsichtlich der Zulassung von Präparaten aus rekombinanter Technologie nunmehr aufgegeben. Das bedeutet, dass neue rhGH Präparate jetzt für bereits bestehende Indikationen zugelassen werden, auch wenn keine der bisher üblichen klinischen Studien zum Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit durchgeführt wurden. Sprecher: Prof. Dr. med. O. Hiort , Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinderund Jugendmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck , Tel.: 0451/500-2191, Fax: 0451/500-6867, E-Mail: hiort@paedia.ukl.mu-luebeck.de Vorstandsmitglieder: Prof. Dr. med. N. Albers (Osnabrück); Dr. med. C. Brack (Celle ); PD Dr. med. C. Roth (Bonn); Prof. Dr. med. M. Wabitsch (Ulm); Prof. Dr. med. S. Wudy (Gießen) Diese behördliche Umorientierung beruht offenbar darauf, dass die Überzeugung gewonnen wurde, dass rekombinant hergestelltes Wachstumshormon, sofern bestimmte Spezifikationen erfüllt sind, den bereits früher geprüften and langfristig angewendeten Präparaten weitestgehend entspricht. Der Begriff „Biosimilars“, der die Ähnlichkeit zwischen den Produkten, nicht aber ihre Gleichheit - wie bei den Generika zum Ausdruck bringt, wurde hier geprägt. Die Komplexität dieser zu diskutierenden Problematik ist nur im Zusammenhang mit der komplexen Physiologie der GH Systems und der historischen Entwicklung zu verstehen, weshalb diese in die Betrachtung mit einbezogen wurde. 1. Physiologie des Wachstumshormons Menschliches (humanes) Wachstumshormon (Syn. Somatropin = STH, human growth hormone = hGH) ist ein einkettiges Peptidhormon aufgebaut aus 191 AS ohne Zuckerreste, welches über zwei Di-Sulfidbrücken (Cys53-Cys165; Cys182-Cys189) in seine Tertiärstruktur gefaltet ist. Diese besteht aus vier alpha-Helices, die antiparallel angeordnet sind. Wachstumshormon ist das Produkt des GH-1 (GH-N) Gens, welches zusammen mit dem GH-2 (GH-V) Gen, das nur in der Plazenta exprimiert wird, auf dem langen Arm des Chromosoms 17 lokalisiert ist. Neben dem hGH mit einem Molekulargewicht von 22 kD (ca. 90%) entsteht durch alternatives Splicing eine Proteinvariante (20 kD, ca. 10%), dem die AS 32-46 der 22 kD Form fehlen. Darüber hinaus existieren im Blut in geringeren Konzentrationen, jedoch individuell variierend, weitere GH-Varianten und Oligomere (z.B. "big" GH) mit unterschiedlicher biologischer Aktivität. (Baumann, 1991; Moseley und Phillips, 2000). Die Synthese und Sekretion von GH wird vordringlich durch die Balance zwischen GHReleasing-Hormon (GHRH) und GH-Release-Inhibiting-Hormon (GHRIH) reguliert (Smith et al., 1997). Die spontane GH-Sekretion ist pulsatil. Die Sekretionsepisoden erfolgen ca. alle 3 Stunden. Die GH-Sekretion ist im Säuglingsalter und in der Pubertät am höchsten. Im Erwachsenenalter sinkt die GH-Sekretion bis ins Senium hin ab. In der Adoleszenz beträgt sie etwa 60 µg/kg KG/24 Std., im jungen Erwachsenenalter etwa 17 µg/kg KG/24 Stunden. Die zelluläre Signaltransduktion erfolgt in mehreren Schritten (Kelly et al., 2001). Der erste Schritt der GH-Wirkung ist die spezifische Bindung an einen Membranrezeptor (GH-R). Der GH-Rezeptor besteht aus einer extrazellulären, einer transmembranen sowie einer intrazellulären Domaine, welche mit der intrazellulären Signalkaskade gekoppelt ist. Die Rezeptorstruktur beeinflußt die GH Wirkung. Die extrazelluläre Domaine des GH Rezeptors kann beim Menschen abgespalten werden und zirkuliert dann als hochaffines Bindungsprotein für GH (GHBP). Die Wirkungen des Wachstumshormons sind entweder direkt oder werden indirekt durch Insulin-like Growth Factor-I (IGF-I) vermittelt (Ranke und Elmlinger, 1997). Während GH eine hohe Speziesspezifizität aufweist (nur hGH wirkt beim Menschen), ist IGF-I verschiedener Spezies sehr homolog. Das GH-abhängige IGF-I der Zirkulation stammt überwiegend aus der Leber, aber auch aus anderen Geweben. Sprecher: Prof. Dr. med. O. Hiort , Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinderund Jugendmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck , Tel.: 0451/500-2191, Fax: 0451/500-6867, E-Mail: hiort@paedia.ukl.mu-luebeck.de Vorstandsmitglieder: Prof. Dr. med. N. Albers (Osnabrück); Dr. med. C. Brack (Celle ); PD Dr. med. C. Roth (Bonn); Prof. Dr. med. M. Wabitsch (Ulm); Prof. Dr. med. S. Wudy (Gießen) IGFs zirkulieren an Bindungsproteine (IGFBP-1 bis -6) assoziiert. Die funktionelle Rolle der IGFBPs ist, dass sie die Halbwertzeit der IGFs, die in "freier" Form nur wenige Minuten beträgt, verlängert (ca. 12 Stunden) und für die Präsentation von IGFs an ihre Rezeptoren in verschiedenen Geweben eine zentrale Rolle spielen. Die metabolischen Effekte des GH können schematisch in direkte und indirekte (IGF vermittelt), sowie in sofortige und mit Verzögerung auftretende eingeteilt werden (Moeller, 1993; Joergensen et al., 2005). Die morphologischen und funktionellen Wirkungen von GH (IGF) auf einzelne Organsysteme - Skelettmuskulatur, Herzmuskulatur, Knochen, Bindegewebe, Darm, Gonaden, Immunzellen - sind vielfältig, wie experimentelle Studien sowie Beobachtungen beim GH-Mangel und GHExzess belegen. Sie leiten sich aus metabolischen, zelltrophischen und in den Apoptoseprozess eingreifenden Wirkungen von GH ab. Der GH-Mangel stellt ein Spektrum von Störungen dar, die teils angeboren, teils erworben sind (Zabransky und Ranke, 2002). Im Kindesalter stellt der idiopathische GH-Mangel, der isoliert oder in Kombination mit anderen hypophysären Ausfällen auftritt (Inzidenz ca. 1:4.000) die häufigste Form dar. Erworben kann der GH-Mangel bei Tumoren in der Region der Hypophyse werden. Im Kindesalter sind dies Kraniopharyngiome und Dysgerminome, während im Erwachsenenalter hormonell inaktive Hypophysenadenome die häufigste Ursache darstellen. Die Diagnostik des GH-Mangels bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ist auch heute noch ein nicht in jeder Hinsicht gelöstes Problem (Ranke, 1994; Wüster et al., 1994; Rosenfeld et al., 1995; Thorner et al., 1995; Ranke 2003). Bei der Behandlung des GH-Mangels handelt es sich um eine Substitutionstherapie. Im Kindesalter war das Wachstum der bisher einzige Effektivitätsparameter. Die Ziele der Therapie bezüglich des Wachstums sind grundsätzlich: 1. möglichst physiologisches Aufholwachstum, 2. normale Körperhöhe während des Kindesalters, 3. zeitgerechtes, normales Pubertätswachstum, und 4. normale Körperhöhe im Erwachsenenalter. Die injizierte GH Dosis muss sich aber darüber hinaus an Sicherheits- und Kostenaspekten orientieren. Beim Erwachsenen führt die Ersatzbehandlung mit GH zu einer Reihe von anabolen Wirkungen in verschiedenen Organen, z.B. Muskeln und Knochen. Die GHDosis wird individuell nach dem IGF-I Spiegel im Blut titriert. Die Dosen für Erwachsene sind um das 3-4fache niedriger als im Kindesalter (de Boer und van de Veen, 1997). Darüber hinaus ist GH heute im Kindesalter zur Behandlung des Kleinwuchses bei Ullrich-Turner-Syndrom [UTS], chronischer Niereninsuffizienz, Kleinwuchs nach intrauteriner Wachstumsretardierung [SGA], und Prader-Willi-Syndrom [PWS] meist mit supraphysiologischen Dosen zugelassen (Zabransky und Ranke, 2002). Es handelt sich in aller Regel um eine mehrjährige Therapie. Die Therapie mit GH wird seit 50 Jahren praktiziert und hat sich insgesamt als außerordentlich sicher erwiesen (Thorner, 2001; Bowlby und Rapaport, 2006). Sprecher: Prof. Dr. med. O. Hiort , Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinderund Jugendmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck , Tel.: 0451/500-2191, Fax: 0451/500-6867, E-Mail: hiort@paedia.ukl.mu-luebeck.de Vorstandsmitglieder: Prof. Dr. med. N. Albers (Osnabrück); Dr. med. C. Brack (Celle ); PD Dr. med. C. Roth (Bonn); Prof. Dr. med. M. Wabitsch (Ulm); Prof. Dr. med. S. Wudy (Gießen) Nach Behandlung mit extraktiv gewonnenem, hypophysärem GH ist über Fälle mit Creutzfeld-Jakob-Erkrankung berichtet worden (s.u..), eine Gefahr die bei Verwendung von rekombinantem GH nicht gegeben ist. Es gibt keine gesicherten Hinweise dafür, dass GH maligne Erkrankungen verursacht. Der Glukosestoffwechsel wird durch die GH-Ersatztherapie nicht negativ beeinträchtigt (Cutfield et al., 2000). Das Risikopotential einer GH-Therapie hängt im Einzelfall nicht nur von der GH-Dosis sondern auch von der Grunderkrankung ab. 2. GH Präparate 2.1 Extraktives (hypophysäres) Wachstumshormon Die Geschichte bis hin zur Entwicklung einer Ersatztherapie bei Wachstumshormonmangel mit einem Hypophysenextrakt durch Raben (1958) ist an die bahnbrechenden Arbeiten von Li, Wilhelmi, Evans und Knobil (Übersicht siehe Tattersall, 1996; Lindholm, 2006) geknüpft. Allein die Speziesspezifizität des menschlichen Wachstumshormons und das Fehlen einer einfachen Methode zur Bestimmung von GH in vitro (Hunter und Greenwood (1962)) mag die Probleme jene Pionierjahre veranschaulichen. Neben der Gewinnung der Wirksubstanz galt es, andere Hormone aus dem Extrakt der Hypophyse zu entfernen und gefährdende Komponenten wie Bakterien, Viren und pyrogene Substanzen zu eliminieren. Auch hochreines hypophysäres GH war nicht monomer, sondern bestand aus einer Reihe verschiedene Komponenten und Aggregatformen (Stein , 1982; Holmström unf Fhölenhag, 1975; Bristow, 1999). Um dem Bedarf an Hormon für die klinische Versorgung und die wissenschaftliche Entwicklung zu entsprechen, wurden in den USA, UK und Frankreich nationale Institutionen gegründet, welche die Logistik der Produktion und der Verteilung von hGH in die Hand nahmen (Raiti, 1986). Vom Ende der 1960iger Jahre an und nach Entwicklung neuer Reinigungsverfahren (Trygstad und Voss, 1971; Jones, 1979) wurde dieser Prozess auch durch kommerzielle Unternehmen organisiert. 1985 wurde entdeckt, dass das infektiöse Agens, welches die tödliche Creutzfeldt-Jakob´sche Erkrankung verursacht, durch hypophysäres hGH auf Patienten übertragen wurde (Powell-Jackson et al., 1985; Frazier, 1997; Goujard et al., 1989, Swerdlow et al., 2003). Es ist bemerkenswert und spricht für die Bedeutung ganz bestimmter Herstellungsprozesse und ihrer Kontrolle (Trygstad and Foss, 1971; Holmström und Fhölenhag, 1975), dass derartige Ereignisse bisher nicht von Patienten berichtet wurden, die mit kommerziell hergestellten hGH-Präparaten behandelt wurden. Hypophysäres hGH wurde nach 1985 weitestgehend aus dem Handel genommen. 2.2. Rekombinant hergestelltes Wachstumshormon (rhGH) Die Entwicklung eines Peptidhormons mittels rekombinanter DNA Technologie ist ein komplexer Prozess. Sprecher: Prof. Dr. med. O. Hiort , Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinderund Jugendmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck , Tel.: 0451/500-2191, Fax: 0451/500-6867, E-Mail: hiort@paedia.ukl.mu-luebeck.de Vorstandsmitglieder: Prof. Dr. med. N. Albers (Osnabrück); Dr. med. C. Brack (Celle ); PD Dr. med. C. Roth (Bonn); Prof. Dr. med. M. Wabitsch (Ulm); Prof. Dr. med. S. Wudy (Gießen) Goeddel und Mitarbeiter (1979 ) haben als erste die Verfahren beschrieben, mittels derer humane DNA in die genetische Struktur von E. coli Bakterien eingebracht werden kann und in den Bakterien zur Synthese von hGH führt. Dies ist Grundlage für die industrielle Herstellung von rhGH (Flohd, 1986; Ross et al., 1986). Die Genstruktur eines solchen Expressionsplasmids muss so gestaltet sein, dass es zum Start, zur Kontrolle und zur Beendigung des Prozesses kommen kann, welcher die Proteinsynthese initiiert. Dies schließt die Utilisierung einer Promotorregion, Selektionsmarker, und eine Bildungsstelle von RNA von mRNA an Ribosomen ein. Aus methodischen Gründen war dem ersten rekombinanten hGH zunächst ein Methionin vor die erste originäre Aminosäure (Phenylananin) vorgeschaltet. Im Gegensatz zu Bakterien vermögen es eukaryote Zellen, das von ihnen gebildete Hormon in Granula „verpackt“ im Zytoplasma zu transportieren und dann nach außen zu sezernieren (Hizuka 1982, Catzel 2003). Die Fähigkeit zur Sekretion von rhGH in den periplasmatischen Raum konnte in Bakterienkulturen schließlich auch erreicht werden (Gellerfors et al., 1989). Authentisches rhGH entspricht dem Hauptprodukt (der 22 kD Variante) der Hypophyse (Gellerfors et al., 1989). Neben der Vermehrung (Fermentierung) der das rhGH produzierenden Zellen besteht der Produktionsprozess natürlich auch noch in der Aufreinigung, d.h. der Entfernung aller nicht hormoneller Anteile (Ribela et al.,2003) im industriellen Maßstab. Strukturanalysen mittels Chromatographie (z.B. SDS-PAGE, HI-HPLC), Laserdensitometrie und Proteinsequenzanalyse u.a.m. (Ribela et al., 2003) sowie Immuno-, Radiorezeptor- und Biosassays dienen dem Nachweis der chemischen und biologischen Identität mit dem hypophysären 22- kD hGH. Und schließlich entsteht ein fertiges Präparat erst durch die Formulierung (Puffer, Konservierungsmittel, etc.) und die Verpackung - und kann sich schließlich während Lagerung wieder verändern. 3. Pharmazeutika, Biosimilars und Zulassungsverfahren Die Herstellung und Zulassung von arzneilichen Wirkstoffen unterliegt komplexen Regeln und in Europa der Kontrolle der EMEA (European Medicines Agency). Die Prinzipien der Kontrollverfahren können hier nur sehr kurz zusammengefasst werden. Voraussetzung für die Zulassung eines Arzneimittels ist der Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit. Das Zulassungsverfahren gliedert sich in einen präklinischen und einen klinischen Teil. Im präklinischen werden Aspekte der Herstellung und Reinheit der Substanz, sowie ihres pharmakologischen und toxikologischen Verhaltens in vitro und im Tierversuch überprüft. Im klinischen Teil erfolgt nach der Testung an Probanden die Untersuchung bei Patienten nach vorgegeben Zielkriterien (z.B. Wachstum bei Kleinwuchs). Neben den „klassischen“, im wesentlichen durch chemische Synthese hergestellten Arzneimittel existieren seit den 1980iger Jahren eine Reihe von Biopharmazeutika (z.B. Insulin, hGH, Erythropoetin, u.a.), die durch gentechnisch veränderte Zellen produziert werden (Crommelin, 2003). Dem Erstanbieter einer Wirksubstanz werden Schutzrechte (Patent) für einen bestimmten Zeitraum gewährt, in welchem er sein Produkt auf dem Markt exklusiv gewerblich nutzen kann. Sprecher: Prof. Dr. med. O. Hiort , Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinderund Jugendmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck , Tel.: 0451/500-2191, Fax: 0451/500-6867, E-Mail: hiort@paedia.ukl.mu-luebeck.de Vorstandsmitglieder: Prof. Dr. med. N. Albers (Osnabrück); Dr. med. C. Brack (Celle ); PD Dr. med. C. Roth (Bonn); Prof. Dr. med. M. Wabitsch (Ulm); Prof. Dr. med. S. Wudy (Gießen) Nach Ablauf solcher Schutzrechte/-fristen können Zweitanbieter Arzneimittel in den Handel bringen, nachdem der Nachweis erbracht wurde, dass diese den gleichen Wirkstoff in der geforderten pharmazeutischen Qualität enthalten und gleiche pharmakokinetische Eigenschaften (Bioäquivalenz) aufweisen, sog. Generika. Die Generika werden in typischer Weise mit einem niedrigeren Preis als die Erstanbieterprodukte (Original) am Markt angeboten. Die Entscheidung über die Gleichheit bzw. Vergleichbarkeit zweier Substanzen hat somit zwangsläufig erhebliche wirtschaftliche Implikationen, weshalb die beteiligten Parteien oft unterschiedliche Argumentationslinien vertreten. Die Zulassungsbehörden, die Pharmaindustrie und die Wissenschaftler teilen die Auffassung, dass Biopharmazeutika nach etwas anderen Regeln bewertet werden müssen als die übrigen Arzneimittel. Die höhere Komplexität der Biopharmazeutika betrifft hierbei sowohl die Herstellungsprozesse als auch die Substanzen selbst. So wird davon ausgegangen, dass Modifikationen im Herstellungsprozess, wie sie durch Verwendung unterschiedlicher Zelllinien, Geräteschaften, Materialen, Jonenstärken, pHs, ect., - welche bei unterschiedlichen Herstellern schon durch die patentrechtliche Situation zu einzelnen Schritten der Herstellung zwangsläufig gegeben sein müssen - , auch zu Modifikationen der Wirksubstanz und/oder ihrer Stabilität (z.B. Fragmentbildung, Diaminierungen, Aggregatbildungen) führen können. Und es gibt die Ansicht, dass auch kleine strukturelle Modifikationen, insbesondere bei langjähriger Anwendung (wie bei rhGH), zu unterschiedlichen Wirkungen führen können (De Palo et al., 2006). Antikörper gegen die Wirksubstanz selbst oder deren Modifikationen können deren Wirksamkeitsprofil ebenfalls verändern (Frost, 2005). Zudem können Verunreinigungen mit Proteinen der das Hormon produzierenden Zellen (sog. HCPs = Host Cell Proteins) zu einer Antikörperbildung sowohl gegen diese Fremdproteine als auch wohl indirekt zu einer vermehrten Antikörperbildung gegen die Wirksubstanz selbst führen (Fryklund et al., 1986; Bierich et al., 1986; EBE EuropaBio Comments, 2006). Unter der Annahme der Unterschiedlichkeit der Biopharmazeutika wurden neue rhGH Präparate bezüglich ihrer Zulassung bisher ebenso wie die ursprünglichen Produkte der jeweiligen Wirksubstanz behandelt. Dies bedeutete nicht nur, dass sie sich den für Biopharmaka geltenden umfangreichen präklinischen Untersuchungen zu unterziehen hatten, sondern dass Wirksamkeit und Sicherheit für die jeweilige Indikation durch klinische Studien nachzuweisen waren. Für rhGH bedeutete dies zum Beispiel für ein neues Produkt, dass jahrelange Studien zum Nachweis der Wachstumsförderung beim Kind durchzuführen waren. Ob Unterschiede zwischen den derzeit im Handel befindlichen rhGH Präparaten in der Tat zu Unterschieden in Wirkung geführt haben, ist unklar. Der direkte Vergleich der Wirksamkeit zweier rhGH Präparate bei einer definierten Diagnose über einen längeren Zeitraum ist bisher nicht durchgeführt worden. Ob die zugelassenen Präparate in Bezug auf ihre langfristige Sicherheit gleich zu bewerten sind, ist ebenfalls letztlich nicht klar. Sprecher: Prof. Dr. med. O. Hiort , Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinderund Jugendmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck , Tel.: 0451/500-2191, Fax: 0451/500-6867, E-Mail: hiort@paedia.ukl.mu-luebeck.de Vorstandsmitglieder: Prof. Dr. med. N. Albers (Osnabrück); Dr. med. C. Brack (Celle ); PD Dr. med. C. Roth (Bonn); Prof. Dr. med. M. Wabitsch (Ulm); Prof. Dr. med. S. Wudy (Gießen) Zugängliche Daten zur langfristigen Sicherheit von rhGH gibt es bisher fast ausschließlich durch Publikationen aus den Anwendungsbeobachtungen zweier Hersteller (NCGS, KIGS/KIMS) (Blethen et al., 1996; Wilton, 1999; Thorner, 2001; Wyatt, 2004; Kemp et al., 2005), deren Produkte bezüglich Sicherheit als „Leitsubstanzen“ gelten können. Die anderen Hersteller von rhGH haben bisher keine vergleichbar umfängliche Ergebnisse veröffentlicht. Es ist bemerkenswert, dass viele Verschreiber von Wachstumshormon (wenigstens in der Pädiatrie) ihre Patienten in der Regel langfristig nur mit einem bestimmten Präparat zu behandeln pflegen und die verschiedenen Produkte somit nicht wie austauschbare Generika behandeln. Vor dem Hintergrund der fast 20jährigen Erfahrung mit verschiedenen zugelassenen rhGH Präparaten und der Entwicklung dieses Wirkstoffs durch weitere Hersteller stellte sich für die Zulassungsbehörde offenbar die Frage, ob neue rhGH Präparate weiterhin als „neue“ Substanzen oder als Generika zu betrachten seien (EMEA, 2002). Als Antwort auf diese Konfliktsituation wurde der Begriff „Biosimilar“ geprägt, und es wurden Regelwerke für sie entwickelt. Arzneimittelrechtlich ist ein Biosimilar „ein biologisches Arzneimittel, das sich auf ein bereits existierendes bezieht und für das nach Ablauf des Patentschutzes des Originalpräparates in einem unabhängigen Antrag die Zulassung … beantragt wurde“ (EMEA). Dies bedeutet, dass neue Biopharmazeutika einerseits nicht eigentlich als Generika betrachtet werden aber anderseits doch als den originären Produkten weitgehend ähnliche („similar“) Präparate. Für den präklinischen Teil der Zulassung bedeutet dies, dass die neuen rhGH Präparate prinzipiell alle Voraussetzungen erfüllen müssen wie die nach bisher geltendem Verfahren zugelassenen Produkte auch. Für den klinischen Teil der Zulassung folgt jedoch, dass ein neues Produkt sich auf ein zugelassenes Produkt bezieht, seine Vergleichbarkeit mit diesem durch eine vergleichende klinische Studie (teilweise) nachweisen muss und bei Erfolg das gesamte Zulassungsspektrum des bereits zugelassenen Referenzprodukts zugewiesen bekommen kann. Zum Beispiel: Das neue Produkt „N“ wird wie das alte Produkt „P“ für die Indikationen „A, B, C und D“ zugelassen, nachdem es aber nur die klinische Vergleichbarkeit für der Indikation „A“ erbracht hat. Die Zulassung des rhGH Präparats der Fa. Sandoz (Substanz „N“) für alle Indikationen des rhGH Vergleichspräparats der Fa. Pfizer (Substanz „P“) nach den neuen Regeln der Biosimilars erfolgte auf der Basis folgender klinischer Studien (Details s. European Public Assessment Report (EPAR) der EMEA zur Zulassung von Omnitrope; www:EMEA.eu.int (2006)): (A) Von N=89 präpubertären, bisher unbehandelten Kindern mit GH-Mangel erhielten nach Randomisierung rhGH (Dosis: 30 µg/kg/Tag): N=44 der Substanz „N“ (Pulverform, in Fabrik USA hergestellt) und N=45 der Substanz „P“ (Pulverform) für 9 Monate. Die Wirksamkeit auf das Wachstum und andere Erfolgskriterien war im Vergleich der Produkte nicht unterschiedlich. Allerdings ließen sich bei Kindern, die Sprecher: Prof. Dr. med. O. Hiort , Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinderund Jugendmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck , Tel.: 0451/500-2191, Fax: 0451/500-6867, E-Mail: hiort@paedia.ukl.mu-luebeck.de Vorstandsmitglieder: Prof. Dr. med. N. Albers (Osnabrück); Dr. med. C. Brack (Celle ); PD Dr. med. C. Roth (Bonn); Prof. Dr. med. M. Wabitsch (Ulm); Prof. Dr. med. S. Wudy (Gießen) mit Substanz „N“ (in Fabrik USA hergestellt) behandelt wurden, in hoher Frequenz anti-hGH- und anti-HCP Antikörper nachweisen. Vom 9. bis 15. Monat erhielten N=42 der Patienten die Substanz „N“ (Pulverform, in Fabrik Österreich hergestellt) und N=44 der Patienten die Substanz „N“ (Flüssigform, in Fabrik Österreich hergestellt). Ab dem 15. Monat erfolgte die Behandlung von N=82 Patienten mit Substanz „N“ (Flüssigform, in Fabrik Österreich hergestellt). (B) N=51 präpubertäre, bisher unbehandelten Kindern mit GH-Mangel erhielten rhGH (30 µg/kg/Tag) der Substanz „N“ (Pulverform nach überarbeitetem Herstellungsprozess, in Fabrik Österreich hergestellt). Nach 12 Monaten der Studie (nicht vergleichend zu Substanz „P“ durchgeführt) erfüllten die Patienten die Wirksamkeitskriterien ohne Antikörpernachweis. Nunmehr ist Substanz „N“ (Pulverform, in Fabrik Österreich hergestellt) für alle Indikationen wie das Bezugspräparat der Fa. Pfizer (GH-Mangel, Ullrich-Turner-Syndrom, Prader-WilliSyndrom, SGA und CRI) zugelassen. 4. Schlussfolgerungen Die Zulassung von gentechnisch hergestellten Substanzen nach den Regeln von „Biosimilars“ wird von einigen Fachleuten mit Sorge und Skepsis begleitet (Lu, 1998; Van Rijkom et al., 1999; Ronco, 2005; Schellekens, 2005, Combe et al., 2005; Crommelin et al., 2005). Ob die von den Experten vorgetragenen Risiken durch Unterschiedlichkeiten in Herstellung, Wirksamkeit und Sicherheit in jeder Hinsicht auch für rhGH Biosimilars gelten, lässt sich auch vor dem Hintergrund des geschilderten Studienbeispiels nicht endgültig beurteilen. Es ist für den Kliniker auch nicht eindeutig nachzuvollziehen, welche sachlichen Argumente letztlich dazu geführt haben, dass die Zulassungsbehörde ihre bisherige strikte Linie, nämlich die Zulassung eines neuen rhGH Präparats nur nach klinischer Prüfung für jeweils nur eine Indikation, verlassen hat. Allerdings gilt es wohl, das Vorsichtsprinzip in der Medizin („primum nihil nocere“) mit Augenmaß auch auf den „allgemein anerkannten Stand der medizinischen [wissenschaftlichen] Erkenntnis“ und unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen („medizinischer Fortschritt“) hin anzuwenden. Für neue rhGH Produkte gilt im Prinzip auch heute, dass sie den Nachweis der gleichen klinischen Wirksamkeit und Sicherheit vor und nach der Zulassung (Anwendung) in einem bestimmten Rahmen zu erbringen haben wie die bereits jahrelang zugelassenen, wirksamen und sicheren Produkte. Vor der Zulassung mögen dabei vieljährige Studien - bezüglich Wachstum etwa bis zum Erreichen der Erwachsenengröße - in der Tat nicht mehr angemessen sein. Nach einer Zulassung sollten aber Wirksamkeit und insbesondere Sicherheit längerfristig weiter dokumentiert werden. Vor dem Hintergrund eines solchen Erfordernisses scheint es angemessen, dass für derartige Anwendungsbeobachtungen von den Zulassungsbehörden - zusammen mit den Verschreibern/ Fachgesellschaften entwickelte, verbindliche Regeln der Dokumentation, Erfassung und Auswertung erstellt Sprecher: Prof. Dr. med. O. Hiort , Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinderund Jugendmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck , Tel.: 0451/500-2191, Fax: 0451/500-6867, E-Mail: hiort@paedia.ukl.mu-luebeck.de Vorstandsmitglieder: Prof. Dr. med. N. Albers (Osnabrück); Dr. med. C. Brack (Celle ); PD Dr. med. C. Roth (Bonn); Prof. Dr. med. M. Wabitsch (Ulm); Prof. Dr. med. S. Wudy (Gießen) werden. Das Prinzip der „Präparatekontinuität“, welches Grundlage für die bestehenden Informationen zur individuellen Wirksamkeit und Sicherheit von rhGH Präparaten ist, würde durchbrochen, wenn der Behandelnde nunmehr aufgrund einer sich abzeichnenden neuen Preisstruktur dazu gezwungen würde, das „Biosimilar-Produkt“ primär zu präferieren oder seine Patienten daraufhin umzustellen. Dies hieße nichts anderes als rhGH Präparate wie Generika betrachten zu sollen. Wäre das der Fall, so wäre der Begriff „Biosimilars“ nur ein Wort im „Newspeak“ von Interessengruppen. Man sollte bei der Diskussion in jedem Fall erkennen, dass mit dem Begriff „Biosimilars“ vordringlich eine bestimmte Form der Arzneimittelzulassung definiert wurde, und keine absolute Grundsatzentscheidung darüber getroffen wurde, wie die Gleichheit von Biopharmazeutika in jeder Hinsicht zu definieren sei. Auch wird weder durch den Begriff „Biosimilar“ noch durch eine Zulassung festgestellt, dass komplexe Biopharmazeutika derselben Substanz völlig identisch sind. Der APE-Vorstand weist mit dieser Zusammenfassung darauf hin, dass die Datenlage bezüglich der Sicherheitslage von Biosimilars nicht den Erkenntnissen gleichwertig ist, die bisher bei Zulassungsverfahren gewonnen wurden. Die vorgenannten sachlichen Informationen sollen dazu dienen, Unsicherheiten und Fragen zum Thema Biosimilars zu klären. Die letzte Entscheidung zur Therapie verbleibt wie bisher beim informierten Behandler. Sprecher: Prof. Dr. med. O. Hiort , Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Kinderund Jugendmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck , Tel.: 0451/500-2191, Fax: 0451/500-6867, E-Mail: hiort@paedia.ukl.mu-luebeck.de Vorstandsmitglieder: Prof. Dr. med. N. Albers (Osnabrück); Dr. med. C. Brack (Celle ); PD Dr. med. C. Roth (Bonn); Prof. Dr. med. M. Wabitsch (Ulm); Prof. Dr. med. 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