Standpunkte - Münchner Forum eV

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Standpunkte - Münchner Forum eV
Standpunkte
12.2014
FRANZ SCHIERMEIER VERLAG MÜNCHEN
Online-Magazin des Münchner Forum e.V.
Themenschwerpunkt:
Friedhöfe
Inhalt:
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir, die wir derzeit in unserer Stadt leben, sind Übergangsexistenzen zwischen den Generationen: Denen vor uns und denen, die uns
folgen. Die vergangenen Generationen haben München geformt,
verändert und zu dem gemacht, was wir als historisches und kulturelles Erbe bewahren, auf dem wir aufbauen sollen und das wir weiter
geben werden.
Für die sterblichen Überreste derer, auf die wir uns stützen, gibt es
als Orte des Gedenkens zahlreiche Friedhöfe, mitten im Stadtbild des
geschäftigen Münchens.
Für diese Standpunkte-Ausgabe hat das Redaktionsteam die
Münchner Friedhöfe als Schwerpunktthema gewählt. Wir stellen
Fragen und suchen Antworten zu diesen Orten, die traditionell von
Mauern umgeben, von Trauer beschwert, von Ängsten, Hoffnungen
und Fantasien besetzt sind.
Wie sind die Orte des Gedenkens an die Toten in die Stadt der Lebenden verwoben, welche Bedeutung haben sie, wie spiegelt sich in
ihnen Stadtgeschichte von Jahrhunderten, wie lässt sich an ihnen der
gesellschaftliche und religiöse Wandel von heute erkennen?
Dem gehen wir nach mit einigen profunden Beiträgen, die zum Entdecken Münchens aus diesem besonderen Blickwinkel einladen.
Mit dieser Ausgabe wünschen wir vom Redaktionsteam unseren Leserinnen und Lesern neben Lesevergnügen auch bei ernsten Themen
alles Gute und viel Erfolg fürs neue Jahr!
Helmut Steyrer
1. Vorsitzender des Programmausschusses des Münchner Forums
Die Stadt der Lebenden – Die Stätten der Toten
2
Zur Zukunft der kommunalen Friedhöfe 4
Der Alte und der Neue Israelitische Friedhof 7
Der Alte Südliche Friedhof in München 12
Kunst auf freien Grabflächen –
Karlsruhe zeigt einen Weg
19
Literatur zu Münchens Friedhöfen 20
Wie bewältigen München und das Umland das
Wachstum? 6
Denkmal-Topographie Maxvorstadt 22
Über Bürgerbeteiligung hinaus 23
Wie dicht soll München werden? 24
Arbeitskreise im Dezember/Januar 25
Leserbrief
26
Impressum
23
Radio Lora
26
Die Stadt der Lebenden – Die Stätten
der Toten
Wer auf Münchens großen Friedhöfen unterwegs ist, dem fällt die Verwandtschaft der Anlagen auf,
sei es der Ost-, der West-, der Nord- oder Waldfriedhof: Die zentrale Trauerhalle, die Wirtschaftsgebäude nebenan und die Gräberfelder, mit einheitlicher Grabgestaltung, die vom Glauben an die
Gleichheit aller Menschen nach dem Tod getragen sind. Es sind dies die Planungsideen von Architekt
Hans Grässel, der die neuen, dezentralen Friedhöfe der Stadt Ende des 19. Jahrhunderts schuf. Wie
Theodor Fischer den Gesamtplan für die Stadt der Lebenden in München zu Beginn des 20. Jahrhunderts formte, so hat Hans Grässel die Stätten der Toten so geplant, dass dieses Konzept heute
noch Leitlinie der Friedhofsentwicklung Münchens ist.
o bestätigt es mir gegenüber Frau Kriemhild
Pöllath-Schwarz, die Leiterin der Städtischen
Friedhöfe München. Es ist ein großes Haus mit
gediegener Würde im Herzen Münchens, in der Damenstiftstraße 8, wo sie mich im hellen Amtszimmer
im 3. Stock empfängt.
Ich merke: Wer ständig mit dem Tod zu tun hat, der
so elementar zum Leben gehört, vermittelt Klarheit
und ernsthafte Gelassenheit, um auch bei den ganz
pragmatischen Themen, die wir im Gespräch berühren, immer die Verankerung zum großen Geheimnis
Tod erkennen zu lassen.
So geerdet wanderten wir im Gespräch über Friedhöfe und durch Jahrzehnte des Wandels. Was hat
sich in der Begräbniskultur der letzten Jahrzehnte in
München verändert? Frau Pöllath-Schwarz berichtet
vom dramatischen Wandel in der Bestattungsart mit
Statistiken ab 1990: damals gab es auf den städtischen Friedhöfen 63 Prozent Sarg- und 37 Prozent
Urnenbestattungen. 2013 hat sich das Verhältnis
umgedreht: 38 Prozent Sarg- und 62 Prozent Urnenbestattungen. Was sagt das über unsere Gesellschaft?
Es ist sicher dem Zerfall traditioneller Familienbeziehungen geschuldet, die vor allem in Großstädten
rapide voranschreitet. Das Familiengrab verliert
seine Bedeutung. Ein Trend geht zur individualisierten Bestattung, wie es z.B. die Bestattungsform
‚Bestattung unter Bäumen‘ anbietet. Laut Frau
Pöllath-Schwarz ist die Bestattung unter Bäumen
derzeit enorm gefragt. Nähe zur Natur, Entfall von
Pflegebedarf, das sind denkbare Gründe, die für
Verstorbene und Hinterbliebene gleichermaßen das
Baumgrab attraktiv machen.
So ist der Wandel in der Bestattungsart ein unmittelbarer Indikator für gesellschaftliche Veränderungen.
Ein weiterer Indikator für gesellschaftlichen Wandel: auf dem Neuen Südfriedhof und dem Westfriedhof wurden die muslimischen Gräberfelder erweitert.
Die muslimischen Bestattungen in München haben
wesentlich zugenommen, immer mehr Muslime
werden in der neuen Heimat, die München ist, bestattet und nicht in die alte Heimat überführt, wie es
früher üblich war. Die Friedhofsplanung nimmt auf
die Anforderungen Rücksicht mit Grabsteinen fürs
Totengebet, Waschräumen für rituelle Waschungen
und strikter Ausrichtung der Gräber nach Mekka.
Feste Regeln wie die Sargpflicht werden in Frage
gestellt. Die Landeshauptstadt München setzt sich
seit langem dafür ein, dass die Sargpflicht für Muslime aufgegeben wird. Das Bestattungsgesetz steht
dem noch entgegen.
Ein weiteres Thema ist die Urne von Verstorbenen
zu Hause im Bücherregal. Meine Großmutter hatte
ihren Bruder so aus Schweden geholt und in den
FOTO: Jürgen Betten
S
Das mächtige Eingangstor mit den zwei Sphinxen – Haupteingang zum Waldfriedhof an der Fürstenrieder Straße 288
Schrank gestellt. Jetzt ist die Urne verschwunden.
Zur Urne im Haus hat Frau Pöllath-Schwarz eine
klare Meinung: Ein öffentlicher Ort der Trauer ist
wichtig, zu dem alle Zugang haben, die trauern wollen. Der Friedhof ist dieser öffentliche Ort, und „es
ist auch gut, wenn man die Trauer dort lassen kann“.
Schließlich kommen wir zum großen Thema: Die
Friedhöfe und die Münchner Stadtentwicklung. Das
Konzept von Architekt Grässel aus dem 19. Jahrhun-
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MÜNCHNER FORUM
Übersichtsplan städtischer Friedhöfe München
1. Friedhof Allach (städt.Teil), Eversbuschstraße
16. Friedhof Solln, Friedhofweg
2. Friedhof Aubing, Freihamer Weg
17. Friedhof Untermenzing, Eversbuschstraße
3. Friedhof Bogenhausen, Bogenhauser Kirchplatz
18. Krematorium, St.-Martin-Straße
4. Friedhof Daglfing, Kohlbrennerstraße
19. Neuer Südfriedhof, Hochäckerstraße
5. Friedhof Feldmoching, Am Gottesackerweg
20. Nordfriedhof, Ungererstraße
6. Friedhof Haidhausen, Einsteinstraße
21. Ostfriedhof, St.-Martins-Platz
7. Friedhof Lochhausen, Schussenrieder Straße
22. Parkfriedhof Untermenzing, Obere Mühlstraße
8. Friedhof Neuhausen, Winthirstraße
23.Waldfriedhof – Alter Teil, Fürstenrieder Straße
9. Friedhof Nymphenburg, Maria-Ward-Straße
24.Waldfriedhof – Neuer Teil, Lorettoplatz
10. Friedhof Obermenzing, Bergsonstraße
25.Waldfriedhof Solln,Warnbergstraße
11. Friedhof Pasing, Lampertstraße
26.Westfriedhof, Baldurstraße
12. Friedhof am Perlacher Forst, Stadelheimer Straße
27. Alter Nördlicher Friedhof, Arcisstraße
13. Friedhof Perlach, Putzbrunner Straße
28. Alter Südlicher Friedhof,Thalkirchner Straße
14. Friedhof Riem, Am Mitterfeld
29. Kriegsgräberstätte,Tischlerstraße
15. Friedhof Sendling, Albert-Roßhaupter-Straße
dert, die großen, dezentralen Friedhöfe in allen Himmelsrichtungen, trägt immer noch. Es sind wohnortnahe Friedhöfe, mit dem ÖPNV gut erreichbar,
über die Stadt verteilt, die, wie Frau Pöllath-Schwarz
betont, seit ihrer Gründung Motor der Stadtentwicklung waren: Die Stadt hat sich zu ihnen, die früher
außerhalb des Burgfriedens lagen, hin bewegt und
sie letztlich umschlossen.
So sehr die Bevölkerung Münchens auch wächst,
die bestehenden Friedhofsflächen reichen für die
Zukunft aus. Die neue Bestattungskultur benötigt
weniger Platz, so dass inzwischen 52.000 Gräber
auf städtischen Friedhöfen frei sind. Es gibt ein
Flächenmanagement für die städtischen Gräberfelder, um größere zusammenhängende Flächen frei zu
bekommen, denn die werden auch gebraucht: So wie
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sich heute Formen der Bestattung ändern, so kann
es für die Zukunft Formen der Begräbnisse und des
Gedenkens geben, die wir Heutigen nicht kennen.
Auch dafür sind Flächen frei zu halten. Eine Leitlinie
gilt für München: Es werden keine Friedhofsflächen
zu Gunsten anderer Nutzungen aufgegeben. Die
Friedhöfe sind Bausteine im Münchner Grünflächensystem.
Was spricht dafür, dass die Friedhöfe in öffentlicher Trägerschaft sind? Die Tatsache, dass der
Friedhof als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge
lediglich kostendeckend wirtschaften muss, während
die Gewinnorientierung bei privaten Betreibern zu
Lasten der Friedhofskultur und des Denkmalschutzes gehen könnte. Das leistet sich die Stadt für ihre
Bürger: Große grüne Flächen für Rückzug, Besinnung, Gedenken, seelischer Stärkung an einem Ort,
der der Konsumwelt, die rund herum tobt, entzogen ist. Damit eng verknüpft ist der Friedhof als
Ort künstlerischer Gestaltung. Mit der aktuell vom
Stadtrat zu beschließenden Änderung der städtischen
Friedhofssatzung soll eine Liberalisierung bei den
Gestaltungsvorschriften erreicht werden, unter Wah-
rung der historisch entstandenen Gräberfelder und
des historischen Erscheinungsbildes. Das städtische
Grabmalbüro berät dabei fachkundig, denn – wie
schon von der Architektur für die Lebenden bekannt
– führt mehr Freiheit zu neuen Formen der Gestaltung – erwünscht sind die positiven, zu vermeiden
die negativen. Auch das Kontrastprogramm zur
Gestaltungsfreiheit wird angeboten: Im Westfriedhof
entsteht eine Urnenanlage wie „aus einem Guss“, wo
man sich den fertigen Grabplatz aussuchen kann, die
Pflege liegt in städtischer Hand. „Die Leute werden
uns das aus der Hand reißen“, vermutet Frau PöllathSchwarz. Denn eines stellt sie beim Umgang mit den
Münchnerinnen und Münchnern fest: Es ist nicht
so, dass die Lebenden den Tod tabuisieren und den
Umgang damit meiden. Es kommt viel Dankbarkeit
und Erleichterung zurück von denen, die sich beraten
lassen. Denn es gibt große Unsicherheit beim Umgang mit dem Tod und den „letzten Dingen“ in einer
Gesellschaft, die ansonsten auf Leistung, Effizienz
und Fitness getrimmt wird.
Helmut Steyrer
Zur Zukunft der kommunalen
Friedhöfe
Die Friedhöfe unserer Zeit orientieren sich noch immer weitgehend am Modell der großen gründerzeitlichen Bezirks- und Zentralfriedhöfe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Damit folgen sie
den gesellschaftlichen Bedürfnissen der frühen (industriellen) Moderne, die mit ihren spezifischen
Mitteln auch die Bestattungsprobleme der wachsenden Großstädte zu lösen suchte.
I
n der sich immer rascher industrialisierenden und
urbanisierenden Gesellschaft bestand diese Lösung
in einer sozialpolitisch-fürsorgenden, andererseits
das Wirtschaftsleben wenig störenden Bereitstellung
von großen zusammenhängenden Friedhofsflächen
an den äußersten Rändern der Städte, für deren
Erwerb und Unterhalt freilich nur begrenzte fiskalische Mittel verfügbar waren. Funktionalität und
Zweckmäßigkeit standen daher im Mittelpunkt des
Friedhofswesens dieser Zeit. Auch damals ging es
um menschenwürdiges Bestatten, aber für stärker
individuelle, ungewöhnliche Traueräußerungen und
Bestattungsformen, wie sie heute von vielen Einzelpersonen und Gruppierungen in der Gesellschaft
nachgefragt werden, war kein Spielraum. Lediglich
das prosperierende Bürgertum erkaufte sich Freiheitsgrade, die dann im wesentlichen mit monumental überhöhten Zeremonien und Grabmälern ausge-
füllt wurden.
Friedhof als Ort der Trauer und der Erinnerung
Der gesellschaftliche Wandel in den letzten 200
Jahren von einer wenig differenzierten Agrargesellschaft zur pluralen Zivilgesellschaft unserer Zeit hat
die Friedhofs- und Bestattungskultur nicht unberührt
gelassen. Mit fortschreitender Säkularisierung der
Gesellschaft hat sich ein neues Verständnis von Tod
und Sterben und damit auch von den kulturellen Aufgaben des Friedhofs herausgebildet. Immer weniger
wird der Friedhof als Stätte der Verstorbenen begriffen, die der Wiederauferstehung harren. Immer mehr
entwickelt er sich zu einem Ort der Lebenden, die
hier – in welcher Form auch immer – von ihren Toten Abschied nehmen. So ist zu erwarten, dass in Zukunft die fundamentale Funktion der Friedhöfe in der
Unterstützung der Trauer- und Erinnerungsarbeit der
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FOTO: Jürgen Betten
Menschen bestehen wird, dass Friedhöfe vor allem
als Orte begriffen werden, die den Hinterbliebenen
helfen können, mit dem Verlust eines geliebten Menschen zurecht zu kommen. Denn nur über Trauern
und Erinnern können Leidtragende jene Kräfte und
Energien gewinnen, deren sie bedürfen, um trotz des
schmerzlichen Verlustes in einer angemessenen Zeit
in das alltägliche Leben zurückzufinden.
Kaum eine andere Gefühlsäußerung verdeutlicht so
sehr wie die Trauer, dass die Menschen existentiell
aufeinander verwiesen sind. Trauer, die helfen soll,
bedarf des mitmenschlichen Zuspruchs. Es leuchtet
ohne weiteres ein, dass unterstützende Kontakte
wesentlich leichter zustande kommen, wenn auf dem
Friedhof wie auch zwischen Friedhof und Siedlungsraum überschaubare Alltagsbezüge bestehen. Die
meisten Menschen wollen ihre Toten auf Dauer nicht
Trauernde Steinfigur an einem Grab im Ostfriedhof
außerhalb ihrer gewohnten Lebenswelt und nicht
in sozialer Isolierung betrauern. Sie wollen in ihrer
Trauer weder allein gelassen noch in eine fremde
Umwelt abgedrängt werden. Trauerarbeit, die sich
dem alltäglichen Leben nicht völlig verschließt,
verlangt daher nach Friedhöfen, die den Bestattungsund Trauergebräuchen der verschiedenen sozialen
und ethnischen Gruppierungen entgegen kommen,
aber auch gegenüber neuen Wünschen und Vorstellungen offen sind. Unter solchen Bedingungen müssen weder Leidtragende auf Gruppenzugehörigkeit
und Mitgefühl verzichten, noch wird das Gemeinwesen in Frage gestellt ist.
Gewiss, heute sterben viele Menschen vereinsamt in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen,
sie besitzen keine Angehörigen mehr, die um sie
trauern könnten. Auch ist für viele Hinterbliebene
der regelmäßige Grabbesuch ein seltenes Phänomen
geworden, sie ersetzen die persönliche Grabpflege
durch langjährige Daueraufträge an Pflegebetriebe.
Oft tun sie das aber nicht, weil sie unfähig zu trauern
wären, sondern weil ihnen vor allem die beruflich
geforderte Mobilität kaum Gelegenheiten zu ortsbezogener Trauer lässt. Das alles kann jedoch nicht
als Indiz dafür angesehen werden, dass in Zukunft
kommunale Friedhöfe als Trauerorte keine Relevanz
mehr besitzen würden.
Es darf nicht übersehen werden, dass auch heute
noch trotz aller Flexibilisierung und Individualisierung der Gesellschaft viele Nachbarschaften in unseren Siedlungsräumen existieren und funktionieren.
Das ist schon deshalb der Fall, weil sich viele ältere
Menschen nach Jahren der beruflichen Orientierung
in festeren Wohnverhältnissen niederlassen. Auch
nicht wenige der neuen sozialen Gruppierungen, die
unsere heutige plurale Gesellschaft bereichern, leben
oft in engen sozialräumlichen Zusammenhängen.
Am deutlichsten lässt sich das an Stadtvierteln mit
hohem Anteil an Bürgern mit Migrationshintergrund
ablesen. Wo Menschen räumlich, sozial und mental
nahe zusammenleben, ist die Chance größer, dass die
Trauer des Anderen wahrgenommen wird, und mit
Verständnis und Hilfe gerechnet werden kann.
Auch wenn heute andere Begräbnisorte wie etwa
Friedwälder von der Bevölkerung vermehrt in Anspruch genommen werden, so finden sich doch gute
Gründe, die den Fortbestand kommunaler Friedhöfe
als städtische Einrichtungen nahe legen. Wenn es
gelingt, die Friedhöfe gegen zukünftige, gesellschaftlich und kulturell relevante Entwicklungen nicht
abzuschotten, besteht Hoffnung, dass sich Bestattungsräume entwickeln, in denen die Menschen ihre
Trauer über den Verlust geliebter Verstorbener offen
ausleben können als Voraussetzung für eine gelingende Wiedereingliederung in ihr gesellschaftliches
Umfeld.
Die Zukunft der kommunalen Friedhöfe
So werden die großen Kommunalfriedhöfe an der
Peripherie der Kernstädte wohl auch in der nächsten
Zukunft Bestand haben. Der angesprochene enge,
lebensräumliche Zusammenhang von Begräbnisstätte und Hinterbliebenen sollte aber Anlass geben
darüber nachzudenken, inwieweit Friedhöfe künftig
durch Umstrukturierungen im Sinne einer stärker
gruppenorientierten und stadtviertelbezogenen
Flächenbereitstellung besser zu einer bedürfnisorientierten Versorgung mit Bestattungsflächen beitragen
können. Eine solche Neuorganisation ist ja schon
deshalb angesagt, weil derzeit mit der stetig steigenden Kremationsrate der Flächenbedarf in einem
solchen Maße abnimmt, dass über kurz oder lang ein
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durchgreifendes Friedhofsflächenmanagement notwendig wird, zu dessen dringlichsten Maßnahmen
möglicherweise auch Teilschließungen und Flächenumwidmungen gehören werden. Auch wenn deshalb
die städtischen Friedhöfe bzw. die Belegflächen in
ihnen in Zukunft kleiner werden, so wird das ihre
Bedeutung als Trauer- und Erinnerungsorte für große
Teile der Stadtbevölkerung jedoch nicht in Frage
stellen. Es finden sich also gute Gründe, die den
Fortbestand kommunaler Friedhöfe als städtische
Einrichtungen nahe legen.
Die anhaltende Pluralisierung und Individualisierung der Gesellschaft wird bewirken, dass der Partizipations- und Dialoggedanke auch die Friedhofskultur erfassen wird. Die Bürger werden in Zukunft
auch bezüglich des Friedhofs mehr an Selbst- und
Mitbestimmung interessiert sein als an paternalistischem Verwaltungshandeln, durch das sie sich nicht
selten behindert fühlen. Diese Selbstverwaltungsstrukturen werden offen und bürgerfreundlich sein
müssen. Denn der große Optionsreichtum, der mit
den vielfältigen Lebensformen und Lebensstilen
heute verbunden ist, stellt gerade auch mit Blick
auf Bestatten und Trauern für viele Menschen einen
starken Unsicherheitsfaktor dar und mutet ihnen ein
hohes Risiko bezüglich ihrer Entscheidungen zu.
Die Einrichtung etwa von (verwaltungs-) unabhängigen, bürgernahen Kulturbeiräten auf den Friedhöfen
könnte in dieser Hinsicht von großer Hilfe sein. Diese wären aber auch geeignet, zwischen den verschiedenen Gruppierungen mit ihren unterschiedlichen
Auffassungen über Bestatten und Trauern zu vermitteln, und die Gruppen unter Wahrung ihrer Verschiedenheit zu kooperativem und solidarischem Handeln
auf dem Friedhof anzuleiten und zu befähigen.
Letztlich kommt es darauf an, an einer Entwicklung der Friedhofskultur zu arbeiten, die den Tendenzen der Pluralisierung, der Individualisierung
und der multikulturellen Entwicklung in der Gesellschaft nicht ausweicht. Ein solcher „Kulturbegriff
der Differenzen“ würde den Friedhof als ein (immer
neu) verhandelbares Diskursfeld verstehen, in dem
sich die Beteiligten mit ihren verschiedenen kulturellen Normen, Werten, Ritualen und sonstigen
Verhaltensweisen immer wieder intensiv auseinander
setzen können, um im Dialog die eigene Angst vor
der Fremdheit der Kultur der Anderen zu überwinden und so ein facettenreiches, aber gemeinsames
Verständnis von Friedhof (und Stadtgesellschaft)
einerseits und von Tod und Trauerbewältigung andererseits zu entwickeln.
Werner Nohl
Prof. Dr.Werner Nohl ist Landschaftsarchitekt und Eigentümer
der „Werkstatt für Landschafts- und Freiraumentwicklung“ in
Kirchheim b. München, nohl@landschaftswerkstatt.de,
www.landschaftswerkstatt.de
Zum Weiterlesen:
Nohl,W.; Richter, G. (2001): Friedhofskultur und Friedhofsplanung im frühen 21. Jahrhundert. Hg.: Aeternitas Verbraucherinitiative Bestattungskultur e.V. Königswinter
Nohl,W. (2011): Bausteine einer Friedhofskultur für die Zweite Moderne. http://www.aeternitas.de/inhalt/forschung/veroeffentlichte_arbeiten/2009_10_31__15_23_42
Wie bewältigen München und das Umland das Wachstum?
Streiten über einen gemeinsamen Weg
Allein kann München es nicht schaffen. Wohnungsnot
und Pendlerströme sind Schattenseiten der Münchner
Erfolgsgeschichte, die nur gemeinsam mit der Region
bewältigt werden können – davon ist Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk überzeugt. Viele Umlandgemeinden
dagegen fürchten die Verstädterung und die Preisgabe
ihrer Identität. Welche Herausforderungen kommen auf
München, die Umlandgemeinden und den Großraum
zu? Wie könnten gemeinsame Lösungen aussehen, von
denen alle profitieren – und wie realistisch ist eine engere
Zusammenarbeit?
Tag: Di. 20. Januar 2015, 19.00 bis 20.30 Uhr
Ort: Volkshochschule Gasteig Rosenheimer Str. 5
Es diskutieren:
Christoph Göbel, Landrat des Landkreises München
Thomas Herker, 1. Bürgermeister der Stadt
Pfaffenhofen a. d. Ilm
Prof. Dr. (I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin der
LH München
Dr. Heike Piasecki, bulwiengesa AG
Moderation: Dietlind Klemm, Bayerischer Rundfunk
Veranstaltungsnummer: BG 118 E - Podiumsdiskussion
Innenstadt
Kostenbeitrag pro Veranstaltung: 7,00 Euro bei Anmeldung oder am Veranstaltungsort – auch mit MVHS-Card
Eine Veranstaltung der Münchner Volkhochschule und des
Münchner Forums
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Der Alte und der Neue Israelitische
Friedhof zu München
Den jüdischen Friedhöfen – als Geschichts-Quelle mit kultureller als auch künstlerischer Bedeutung – wird seit geraumer Zeit erhöhtes Interesse entgegengebracht. Dies findet seinen Ausdruck
in der regen Anteilnahme an Besichtigungs-Touren und großer Nachfrage an Führungen über die
alten, ehrwürdigen Friedhöfe der israelitischen Kultusgemeinden in Deutschland, Österreich sowie
in Mittel- und westlichem Osteuropa. Dabei ist jedoch die Vorschrift zu beachten, dass – da es ein
religiöser Ort ist – die Herren eine Kopfbedeckung, und die (verheirateten) Frauen ebenfalls ihr
Haar bedeckt zu tragen haben.
D
rig, ist gleichzeitig auch eine entsprechende ‚VisitenKarte‘, ein Status-Schild einer Stadt oder Region.
Damit sind nicht die Persönlichkeiten, die auf diesen
Orten ihre letzte Ruhe fanden, gemeint, denn dies
hat nach jüdischer Tradition ohnehin nur einen
sekundären Aspekt, sondern der Friedhof als Ganzes:
d.h. je größer er in seiner angelegten Fläche oder
je besser er – trotz der tragischen Vergangenheit –
unzerstört in seinem Charakter erhalten geblieben ist,
spricht viel über den Background der Gesellschaft
einer Stadt oder einer Region und ihrem Umgang
mit ihren jüdischen Bürgern und deren öffentliches
Eigentum ... selbst über den Tod hinaus.
Bezüglich der ältesten Niederlassung der Juden
in München liefert uns die Geschichte nur karge,
lückenhafte Mitteilungen. Der ehrwürdige Münchner
RabbinerHenoch Ehrentreu (1854-1927) erwähnt
in seiner „ChevraKadischa“-Festschrift, dass im
Jahre 1210 den Juden in München gestattet wurde,
eine Synagoge im damaligen ‚Juden-Gässlein‘, der
späteren Gruftgasse, zu errichten, und sie erhielten
1225 auch die Erlaubnis, einen eigenen Begräbnisplatz anzulegen. Doch schon 1440 wurden die Juden
STADTARCHIV MÜNCHEN
GEOGRAPHISCHES INSTITUT, WEIMAR
as Interesse an der jüdischen Vergangenheit
in einzelnen Städten und ländlichen Ortschaften war nicht immer so rege wie in der Gegenwart,
zumal es seit der späten Nachkriegszeit doch immer
wieder Antisemitismus und vereinzelte Zerstörungswut gab, die das spärlich errichtete Vertrauen regelrecht erschütterte. Ob dies nun als gänzlich überwunden betrachtet werden kann, wird sicherlich die
Zukunft beantworten können.
Die jüdischen Gottes-Acker waren, bedingt durch
die religiöse Vorschrift, schon seit biblischer Zeit
zu einer historischen Ausdauer vorbestimmt – die
christlichen Grabstätten hingegen haben sich weder
in ihrer Existenz noch in einem größerem Umfang
über die Zeitspanne seit dem Mittelalter in vielen
Regionen erhalten –, und deshalb stellen bis zur
Gegenwart die israelitischen Friedhöfe nicht nur
eine kulturgeschichtliche, sondern gleichzeitig auch
eine werthistorische Einzigartigkeit dar. Heute sind
diese jüdischen Stätten sowohl Zeugnisse als auch
zugleich Mahnmale jüdischer Geschichte und deren
Untergang und Zerstörung.
Ein Friedhof, egal welcher Konfession er zugehö-
München und Umgebung 1856
Die Flächenerweiterungen 1816-1881
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STADTARCHIV MÜNCHEN
(vormals Sendlinger Landstraße) umfasste bei seiner
Neuanlage eine Fläche von 2,27 Tagwerk. Aus der
Broschur „Der Münchner Gottesacker“ (1855) ist zu
entnehmen: „Der israelitische Gottesacker ist 220
Fuß lang, 146 Fuß breit, und enthält gegen 1.000
Begräbnisstellen“. Mit der Erschließung des Grundstücks als Friedhof wurde sogleich auch ein entsprechendes Friedhofs-Gebäude errichtet.
STADTARCHIV MÜNCHEN
unter Herzog Albrecht III aus München und schließlich 1442 aus ganz Bayern vertrieben. Erst in der
zweiten Hälfte des 18. Jhdts. war es wenigen Juden
– hauptsächlich jenen, die für den Bayerischen Hof
in wirtschaftlichem Zusammenhang von Bedeutung
waren – erlaubt, sich auch in München wieder anzusiedeln. Es wurden zwar einige Privilegien gewährt,
aber das Verbot der Entbindung und Beerdigung in
München blieb lange Zeit bestehen, und so mussten
sich die Juden für diese Zwecke nach Kriegshaber
(bei Augsburg) begeben.
Erst mit dem so genannten „Judenedikt“ von 1813,
unter dem Einfluss des Napoleon’schen Codex,
verbesserte sich die rechtliche Lage der Juden in
München und bald in ganz Bayern. Somit war für
die Bildung von Kultusgemeinden nunmehr eine
rechtliche und auch geordnete Grundlage gegeben.
Immerhin konnte sich aufgrund der gegebenen Gesetzeslage Anfang des Jahres 1815 die „Israelitische
Cultusgemeinde München“ konstituieren.
Dadurch konnten endlich die wichtigsten Bedürfnisse einer Gemeinde erfüllt werden, indem sie im
Frühjahr 1816 einen Friedhof an der Thalkirchner
Straße anlegte und 1826 eine Synagoge an der
Westenrieder Straße erbauen ließ. Hier also, d.h. im
Jahre 1816, beginnt die Geschichte der Israelitischen
Friedhöfe zu München.
In der „Allgemeinen Zeitung des Judentums“,
Trauerhalle um 1870
Seit Mitte des 19. Jhdts. vergrößerte sich nicht nur
die Stadt München, sondern gleichzeitig auch die
hiesige Gemeinde der Israeliten. 1824 waren bereits
592 Juden sesshaft, 1852 erhöhte sich diese Zahl auf
1.208, 1875 waren es bereits 3.475 und 1890 erreichte die Anzahl schon 6.108 jüdische Bürger. Insofern
war es auch nötig, den „Guten Ort“ (so wurde auch
der Friedhof von deutschen Juden genannt) entsprechend zu erweitern (siehe Abbildung). Eine weitere
Vergrößerung war jedoch nicht mehr möglich, da der
umgebene Bereich der Friedhofs-Anlage bereits für
landwirtschaftliche Zwecke bestimmt war, die allmählich durch das bereits erwähnte Anwachsen des
Stadtgebiets in Wohnflächen umgewandelt wurden.
Im Jahre 1880 erfolgte also die letzte Erweiterung
mit den restlichen Sektionen, Nr. 2 bis 6, 21 bis 32
und 34. Im Zuge dieser Vergrößerung von 1881
wurde auch eine 2,50 Meter hohe und rund 580
Alter jüdischer Friedhof
Meter lange Einfriedungsmauer mit dem erhabenen,
Sepia-Aquarell von Carl August Lebschée
romantisierenden dreitüriges Hauptportal aus Roheiner frühen jüdischen Presse in Deutschland, liest
backstein mit Gitterwerk an der Thalkirchner Straße
man (I. Jg., No. 91, 31. Oktober 1837, p.363) u. a.:
geschaffen und einen breiten, mit Ornament-Ziegeln
„Im Jahre 1816 wurde der jüdische Leichenacker
ausgeschmückten Hauptweg angelegt, der direkt
eine halbe Stunde unweit München errichtet. Die
zum Friedhofsgebäude führt.
damaligen Kosten zum Ankauf des Grundes, zur
Das Friedhofsgebäude, das 1881-1882 errichtet
Erbauung des Leichenhauses etc. erstreckten sich auf wurde, ist im Stil der Neorenaissance konzipiert, mit
12.000 Gulden. – Die Gemeinde scheute kein Opfer; einem erhöhten Mittelschiff, der Trauerhalle. Sie ist
in kaum vier Tagen war die Summe zusammengeüber vier Stufen und durch eine dreibogig gestalteschossen, und der erste Schritt zur weiteren, festeren te offene Vorhalle mit Sandsteinummantelung und
Begründung der Gemeinde getan.“
einem schwarz-beige gekachelten Klinkerboden zu
Dieser, ab 1908 „Alter Israelitischer Friedhof“
erreichen. Der gesamte eingeschossige Komplex ist
genannte Begräbnisplatz an der Thalkirchner Straße in Sichtziegelbauweise konzipiert, mit Satteldach
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STADTARCHIV MÜNCHEN
SKIZZE DOKU-ARCHIV
Neuplanung des Friedhofs-Areal mit Situation der 1870er Jahre
30 cm geöffnet. Das erfolgte an der Außenseite, zwischen dem Fenster des Hauses und der Stoßecke der
Apsis ist ein Metallgriff befestigt, mit dem man das
Dach aufschieben konnte. Diesen speziellen Zugang
für die Angehörigen des Priesterstammes gibt es auf
allen jüdischen Friedhöfen weltweit, gemäß des Verbots für Priester, sich an Toten zu verunreinigen,und
des Verbots für Priester, zu Toten ins Haus zu gehen
(3. M. Lev. 21, 1.2.11).
Im Friedhofsgebäude sind um die Trauerhalle
(im Uhrzeigersinn) eine Dienstwohnung, das Büro
der Friedhofsverwaltung, der Tahara-Raum, wo der
Leichnam nach jüdischem Minhag (Bräuche) für
die Beerdigung vorbereitet wurde, sowie ein Raum
für die ChevraKaddischa und ein Kondolenz-Raum
angeordnet.
Auf dem Vorplatz zur Trauerhalle befindet sich
das fünfteilige Denkmal zur Erinnerung an jüdische
Bürger, die zwischen 1933-1945 in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern ermordet wurden, welches Anfang Juni 2008 mittels einer entsprechenden Gedenkveranstaltung enthüllt wurde.
Von hier aus gelangt man zu den einzelnen Sektionen des Friedhofs (mit rund 5.500 Gräbern auf
35 Feldern), der unter vorzüglicher Leitung und
Leistung von der hochgeschätzten Frau Angermeier
verwaltet und gepflegt wird. Der Name „Angermeier“ ist bereits in mehreren Generationen eng mit
dem Alten Israelitischen Friedhof verbunden, die in
aufopfernder Treue, Liebe und Mut (!) – auch über
die schreckliche NS-Zeit hinweg – den Friedhof
STADTARCHIV MÜNCHEN
Seit 1881 neue Sektions-Einteilung
Plan-Skizze des neuen Hauptportals 1880
und Rundbogenfenstern, wobei die Trauerhalle
knapp unter dem Dach kreisrunde Fenster hat sowie
an der Südseite ein Doppelfenster in Form der Gesetzestafeln Moses.
An der Südseite der Trauerhalle befindet sich
eine halbkreisförmige Apsis, die für die Kohanim
(Priester) bestimmt ist. Ehe die Kohanim über diesen
seitlichen Eingang eintraten, wurde zuvor vom
Friedhofspersonal das Dach um einen Spalt von etwa
Denkmal von Nikolaus Gerhart mit Widmung und Namen der
Ermordeten
nach allen Seiten zu schützen versuchten. Die heute
vermeintlich freien Stellen sind einerseits durch Verwitterung der Grabsteine, Kriegsschäden, vor allem
aber durch Entwendung der Monumente als Baumaterial bzw. Requisiten-Reservoir für andere Friedhöfe
während des Dritten Reichs entstanden.
Nach der NS-Zeit konnten zwar einige Grabstei-
Standpunkte Dezember 2014 - 9
ne wieder aufgefunden und zurückgestellt werden,
aber der Verlust der restlichen Monumente bleibt als
stummer Zeuge einer mörderischen Zeit bestehen.
Als Beispiel dieser „Entwendung“ soll hier das
Grabmal des Siegfried Springer gezeigt werden, dessen Monument nicht nur gestohlen, sondern gleichzeitig mit einem unjüdischen Symbol geschändet
wurde. Nach jüdischer Auffassung und Rechtslehre
darf niemand den Namen eines Menschen tilgen,
schon gar nicht an seiner Ruhestätte, und davon
abgesehen dürfen auch niemals Grabsteine von der
Stelle gerückt oder optisch verändert werden. Jedes
Gegensätzliche zählt im Judentum als gravierender
Frevel. So ist es denn auch eines der grundlegenden
Aufgaben (und Generationen-Auftrag) der israelitischen Kultusgemeinen – weltweit (sic!) – dafür
Sorge zu tragen, dass der Friedhof in ihrem Verwaltungsbereich unantastbar bis zum Jüngsten Tage
bestehen bleibt.
Der älteste Bereich auf dem Alten Israelitischen
Friedhof an der Thalkirchner Straße – das kann man
auch optisch schon erkennen – ist die Sektion 12.
Es ist übrigens das größte Feld und beherbergt den
Belegungszeitraum zwischen 1816 bis 1870. Davor
befindet sich die Sektion 11, auf der von 1816-1881
das alte Friedhofsgebäude stand.
Das größte Monument auf dem Friedhof ist freilich
das des berühmten deutschen Dramatikers Michael
Beer, der 1800 in Berlin geboren und 33-jährig in
München verstarb. Neben „Struensee“ (1829) zählte
das von Goethe sehr geschätzte Trauerspiel „Der
Paria“ (1828) zu seinen bekanntesten Werken, aber
auch als Lyriker erlangte er großes Ansehen. Beers
Mutter war Amalie Meyer, die in seiner Geburtsstadt
einen bedeutenden „Salon“ führte und viele Künstler
Als Michael Beer 1833 in München verstarb,
beauftragte der Bayerische König seinen Architekten Leo von Klenze, das Grabmal des Dichters zu
entwerfen, welches
nach seiner Zeichnung
vom Steinmetzmeister
Anton Ripfel (Schöpfer der Otto-Säule)
gefertigt wurde.
Von größtem Wert –
insbesondere bezüglich der Geschichte
der israelitischen
Gemeinde München –
ist, ebenfalls auf Sektion 12, der Bereich
der ersten Rabbiner.
Monument Michael Beer
Der erste Rabbiner,
der zwar noch nicht
als Rabbi fungieren durfte, da es noch keine Synagoge in München gab, war Hesekiel Hessel (17551824) s“l., der bis zu seinem Tode als Lehrer und
Vorbeter fungierte. Sein Nachfolger war Hirsch Aub
(1795-1875) s“l., der, nachdem 1826 die Synagoge
an der WestenriederStraße geweiht war, von der
Regierung anerkannter Rabbiner war.
Die beiden Rabbiner-Frauen liegen (siehe Abbildung) nebeneinander, da es nach jüdischer Tradition
Die ersten Rabbiner: Hesekiel Hessel und Gattin (rechts),
Hirsch Aub und Gattin (links)
Sektion 11, wo das erste Tahara-Haus stand
förderte, , denn ein anderer Sohn war der wunderbare Giacomo Meyerbeer (1791-1864), der zu den
erfolgreichsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts zählte.
nicht gestattet ist, „fremde“ Frauen neben andere
Männer zu bestatten.
Viele Grabsteine, vor allem die Sandsteine aus
dem 19. Jahrhundert, wurden jedoch nicht „geschändet“ aufgrund von anti-semitischer Handlung
nicht-jüdischer Bürger, sondern wurden in jüngster
Zeit schlichtweg „Opfer der Umweltschäden“. Als
Beispiel hierfür sollte das Grabmal des geachteten
Hoffaktors und Banquier Jakob von Hirsch (17651840) stehen, welches sich ebenfalls auf Sektion 12
befindet, dessen Grabmal aus kunstgeschichtlicher
Sicht von Bedeutung war.
Standpunkte Dezember 2014 - 10
Jakob von Hirsch war eine bedeutende Persönlichkeit seiner Zeit, der durch redliche Arbeit – trotz der
erschwerten Bedingungen, die seinerzeit in Bayern
gegen Juden vorherrschten – zu einem gewissen
Vermögen, zu Anerkennung und zur Erhebung in
den Adelsstand kam, ohne aber, wie etliche seiner
Zeitgenossen es aus „modischem“ Motiv taten,
dem Judentum abzuschwören. Wie gewichtig seine
Persönlichkeit in jenen Tagen war, zeugt auch die
Tatsache, dass sein Testament im „Regierungs-Blatt
für das Königreich Baiern“, No. 43, vom 9. August
1841 veröffentlicht und bekannt gegeben wurde,
dass der Verstorbene „für milde Stiftungen eine
Summe von 38.000 fl., als Vermächtnis bestimmte“.
Dies ist übrigens keine Ausnahme, sondern war für
alle Zeiten und in allen Ländern, wo Juden wohnten,
eine „natürliche“ Sache. Viele Bürger nahmen auf
der einen Seite diese Almosen an, aber gifteten auf
der anderen Seite gegen die Judenheit...
Durch Zufall war es dem Autor dieses Artikels
möglich, eine alte Broschüre des Architekten und
Radierers Rudolf Gottgetreu (1821-1890) ausfindig
zu machen, in der das Grabmal des Barons Jakob
von Hirsch abgebildet ist.
In der Beschreibung heißt es: „Dies äußerst reiche,
durch seine Formenbildung überraschende Monument steht auf dem Gottes-Acker der hiesigen
Israeliten. Der Künstler hatte sich hier die Aufgabe
gestellt, den orientalischen Formencharakter seiner Schöpfung auszuprägen. Der große maurische
Bogen, eingefasst von Kristallformen, die sich
emporsteigend mit fein ausgearbeiteten Ornamenten
vereinigen und in Rosettenformen austönen, als Krone sodann den reichen Blütenstern tragen, ist gewiss
Blatt XV. Grabmonument im maurischen Stil, entworfen und
ausgeführt von J. B. Schell.
der zu erzielenden Wirkung entsprechend.“
Der heutige „Zustand“ dieses Grabmals gibt zu
bedenken, was in „unserer“ Zeit die Umweltschäden,
nicht nur Wind und Wetter, sondern der „saure Regen“, Erzeugnisse unserer Generation, verursachen
können. Nicht anders ist es auch mit zahlreichen
historischen Baudenkmälern, die unentwegt renoviert und erhalten werden müssen. Grabmäler auf
jüdischen Friedhöfen können aber nicht so „einfach“
restauriert werden! Zum einen fehlt das nötige Geld,
auch bei den Angehörigen der Verstorbenen, zum
anderen – wie bereits erwähnt – dürfen keine Veränderungen an bestehenden Grabmälern vollzogen
werden. Das einzige, was getan werden darf – wenn
der Name bereits gänzlich verwittert –, ist eine
entsprechend wetterfeste Tafel hinzuzufügen, auf der
der Name und die Lebensdaten vermerkt sind. Dies
kann man auf diesem ehrwürdigen alten israelitischen Friedhof jedenfalls mehrfach vorfinden.
Seit 1908, nach der Einweihung des „Neuen“
Israelitischen Friedhofs, wurden in der Thalkirchner
Straße nur noch die engsten Verwandten neben den
bereits hier beerdigten Angehörigen bestattet. Die
letzten Beerdigungen in „jüngster“ Zeit fanden 1983
statt; das war eine Tochter, deren Vater bereits auf
dem alten IKG Friedhof lag und deren Mutter von
den Nazis ermordet wurde, und schließlich noch im
Jahre 2003, ein (einziger) Sohn, dessen Eltern (der
Vater wurde in Dachau ermordet, die Mutter, nachdem sie aus der Emigration zurückkehrte und den
Lebensabend in München verbrachte) hier bereits
bestattet waren.
Chaim Frank
Fortsetzung folgt in „Standpunkte“ Januar 2015
Chaim Frank, geboren 1955; in Moldavien aufgewachsen;
Gymnasium (Wien), 1973 Abitur; Kunst-, Geschichte- und
Judaica-Studium (Wien, Gent, Paris) / Lebens-Stationen: Belgien;
Frankreich; USA, Israel und München; 1979 – Gründung des
»Dokumentations-Archiv für Jüdische Kultur und Geschichte«;
Ab 1984 Wohnsitz in München; freier Journalist, Archivar für
verschiedene Verlage, freier Mitarbeiter der IKG-München;
Referent für Judaistik und Kunstgeschichte; sowie Öffentlichkeitsarbeit zum Verständnis zwischen Juden und Nichtjuden;
Jiddisch-Kurse; Jüdischer Friedhof- und Stadtführungen; seit
1997 als Sozialpädagoge an einer Münchner Mittelschule
tätig.
Zum Weiterlesen:
Chaim Frank wird in 2015 ein Buch über die Israelitischen Friedhöfe in München veröffentlichen. Hier der
Link zum Portal des „Dokumentations-Archivs für jüdische Kultur und Geschichte“ http://doku-archiv.com
Standpunkte Dezember 2014 - 11
Der Alte Südliche Friedhof in München
– Begräbnisstätte Erinnerungsort Denkmal
Der Alte Südliche Friedhof in der Isarvorstadt ist seit einigen Jahren wieder mehr in das Interesse
der Bürgerinnen und Bürger geraten, zum einen durch die Feierlichkeiten anlässlich seiner Gründung vor 450 Jahren im Jahr 1563, durch Veranstaltungen in den Jahren 2008 und 2010, die von
Klaus Neumann mit dem Bezirksausschuss 2 und dem Friedhofsamt organisiert wurden, und durch
die Restaurierungsmaßnahmen, die seit 2001 im Auftrag des Stadtrats durchgeführt werden.
B
egleitet werden die Sanierungen durch eine systematische Inventarisierung der beiden Kunsthistoriker Claudia Denk und John Ziesemer im Auftrag
der Stadt seit 2003. Unter dem Titel „Kunst und
Memoria, Der Alte Südliche Friedhof in München“
ist vor kurzem eine opulente Zusammenfassung der
Forschungsergebnisse von diesen beiden Autoren
veröffentlicht worden. Die Publikation beschreibt
nicht nur die Entstehungsgeschichte des Friedhofs
in verwaltungstechnischer und architekturgeschichtlicher Hinsicht, sie liefert vor allem auch wertvolle
Beiträge zur Einflussnahme der bayerischen Könige
Max I. Joseph und Ludwig I. auf den Ausbau und
die Gestaltung der Erweiterungen im 19. Jahrhundert und die Wandlung des Friedhofs von einem Ort
der Bestattung zu einem Ort der Erinnerung und der
Denkmäler. Exemplarisch werden 186 kunsthistorisch bedeutende Grabmäler im Detail behandelt.
Der Alte Südliche Friedhof nimmt auch im europäischen Vergleich einen hohen bau- und kunstgeschichtlichen Rang ein. Seit 1788 war er der zentrale
Bestattungsort der Stadt München, daher stellt der
Friedhof auch ein steinernes Geschichtsbuch dar –
jeder, der in der ersten Hälfte des Jahrhunderts und
Pestfriedhof 1563
Als der Friedhof 1563 begründet wurde, lag er deutlich vor der
Stadtgrenze, er wurde als „ferterer“, äußerer Friedhof bezeichnet.
Anlass war wahrscheinlich eine
Pestepidemie, deren Hunderte von
Opfern man nicht mehr in den Friedhöfen innerhalb
der Stadtmauern bestatten konnte oder auch wollte.
Man hat die Seuchenopfer wie auch die Erkrankten
als große Gefahr angesehen. Herrschende Meinung
war bis ins 19. Jahrhundert die „Miasmen-Theorie“,
also die Gefahr von Ausdünstungen und schlechten
Gerüchen, die von den Kranken ausströmen und
Krankheiten verbreiten würden.
Von den beiden Pfarreien der Frauenkirche und
St. Peter wurden Grundstücke vor dem Sendlinger
FRANZ SCHIERMEIER VERLAG MÜNCHEN
FRANZ SCHIERMEIER VERLAG MÜNCHEN
darüber hinaus eine wichtige Position in der Stadt eingenommen hat,
liegt hier begraben. Vor allem hat
sich auch das Selbstverständnis der
Bestatteten bzw. ihrer Nachfahren
und Familien grundlegend geändert:
Der Friedhof wurde zu einem Ort
der repräsentativen Monumente der
einflussreichen Bürger, Künstler,
Politiker und letztlich auch der Bauherren und Auftraggeber.
Friedhof vor dem Sendlinger Tor, 1697 Johann Stridbeck
Standpunkte Dezember 2014 - 12
FRANZ SCHIERMEIER VERLAG MÜNCHEN
1613
1789
1818
1850
Tor erworben, oberhalb des Glockenbachs. Im April
1563 wurde der Friedhof geweiht und mit Unterstützung des bayerischen Herzogs Albrecht V. eine Kapelle errichtet, die 1576 geweiht wurde. Damit war
der Friedhof auch in geistlicher Hinsicht zu einem
angemessenen Ort für die Bestattungen geworden.
Die Lage des neuen Friedhofs an der Thalkirchner
Straße war für die Stadtbürger denkbar schlecht: die
Straße führte zu den Thalkirchner Überfällen, zum
Abdecker, in der Nähe lag das Brechhaus, in dem
Seuchenkranke untergebracht wurden, außerdem lag
der Friedhof weit außerhalb des Schutzes der Stadtmauern. Daher wurden zunächst hier nur die Armen
bestattet, die sich kein Erbgrab in einem der innerstädtischen Friedhöfe leisten konnten, Heimatlose
und Seuchenopfer.
Wer es sich leisten konnte, erwarb einen Grabplatz in einem der Kirchhöfe in der Stadt selbst, um
die St. Peterskirche, die Frauenkirche bzw. in einer
der Friedhofsanlagen um die Kreuzkirche und St.
Salvator, die von den beiden Pfarreien dafür angelegt
wurden. Eine angesehenere Wahl des Bestattungsorts
waren manche Klöster, wie das Franziskanerkloster
an der Stelle des heutigen Nationaltheaters, oder in
einer (angekauften oder gepachteten) Familiengruft
in einer der Kirchen selbst. Ziel war ja, so nahe wie
möglich dem Allerheiligsten zu kommen im Hinblick auf eine günstige Entwicklung für den Bestatteten nach dem Tode bis zum „Jüngsten Gericht“.
Der beste Ort dafür war direkt unter dem Altar, das
gelang aber nur dem Klerus bzw. den Wittelsbacher
Fürsten.
Als im Dreißigjährigen Krieg die Schweden
anrückten, wurde tatsächlich auch der gesamte
Friedhof mit Mauern, Grabmälern und der Kapelle
geschleift, um dem Feind keine Deckungsmöglichkeiten zu geben.
In den folgenden Jahrhunderten kamen weitere
Grundstücke im Süden des bestehenden Bereichs
hinzu, z.B. erwarb das Heiliggeistspital ein eigenes
1955
2014
Gelände. Das Erscheinungsbild des Friedhofs wird
dem Kupferstich von 1691 entsprochen haben, den
Johann Stridbeck gefertigt hat.
Auflassung der innerstädtischen Friedhöfe
Eine grundlegende Änderung des Friedhofswesens
in München trat erst Ende des 18. Jahrhunderts ein.
Auslöser war die Furcht vor den gesundheitlichen
Gefahren der Miasmen, den vermeintlich schädlichen Ausdünstungen der Toten. Schon Kurfürst Max
III. Joseph hatte untersuchen lassen, ob eine Erweiterung des äußeren Friedhofs möglich sei. Eine Entscheidung fiel jedoch erst unter seinem Nachfolger,
dem Pfälzer Wittelsbacher Karl Theodor, der die Zuständigkeiten für den Friedhof neu regelte und einem
kurfürstlichen Geistlichen Rat übergab und damit der
staatlichen „Administration des Kultus“. Bis dahin
bestand eine Kumulativ-Kommission aus Vertretern
der Pfarreien und des Magistrats zur Verwaltung des
Friedhofs. Der Kurfürst verbot in einem Spezialreskript am 9. Mai 1788 weitere Beerdigungen auf den
innerstädtischen Friedhöfen, das betraf die Friedhöfe
bei Unserer Lieben Frau, St. Peter, bei der Kreuzkirche, der Salvatorkirche, im Franziskanerkloster, dem
Kapuzinerkloster, dem Rochus-Spital, dem Heiliggeistspital und bei der Theatinerkirche, die Fürstengrüfte waren davon natürlich ausgenommen. Bis
Ende März 1789 sollten die Kirchhöfe eingeebnet
und Kreuze und Grabmäler entfernt sein.
Damit wurde der ehemalige Pest- bzw. Entlastungsfriedhof vor dem Sendlinger Tor zum zentralen
Friedhof für die Stadt München. Einzelne Grabstätten wurden transferiert, „Wagenladungen“ von
Überresten der Bestatteten wurden in den Südlichen
Friedhof verbracht (und v.a. an der westlichen Mauer
eingegraben), besondere Grabmäler wurden versetzt bzw. an den Mauern der Stephanskapelle neu
montiert oder aufgestellt, wie das Grabmal für den
Bildhauer Johann Baptist Straub.
Wenn man die Sorge der einzelnen Gläubigen vor
Standpunkte Dezember 2014 - 13
Der Südliche Friedhof Wilhelm Scheuchzer, 1831
Südliche Friedhof als einer der ersten in Deutschland
ein Leichenhaus.
Der Friedhof als repräsentative Aufgabe der Residenzstadt
Auch wenn die Verwaltung des Friedhofs und
damit auch die Aufsicht und Instandhaltung in
städtischer Hand blieb, haben sich die bayerischen
Könige direkt mit den notwendigen Erweiterungen
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befasst.
1817 befahl König Max I. Joseph, den Kreisbauinspektor und Baurat Gustav Vorherr (23-13-27) mit
der Planung und Bauleitung einer Erweiterung und
Umgestaltung zu beauftragen. Das Projekt ist im
Zusammenhang mit den Generalplanungen Sckells
zu den vor der Stadtmauer gelegenen Straßenzügen
zu sehen. Da der Magistrat eine finanzielle Beteiligung an den Bauten zunächst ablehnte, wurden dazu
Kirchenstiftungsgelder verwendet und Darlehen aufgenommen, die durch deutlich höhere Grabgebühren
refinanziert wurden.
Erweiterung und Umgestaltung durch Gustav
Der Friedhof in staatlicher und städtischer VerVorherr
waltung
Mit der Planung von Gustav Vorherr wurde der
Der Friedhof blieb seitdem in säkularer, staatlicher Friedhof nicht nur erweitert, sondern er erhielt auch
Hand bis 1818, als die Stadt mit dem Gemeindeedikt eine besondere Form im Grundriss, nämlich die
wieder ihre Selbstverwaltung zurück erhielt. Schon
eines Sarkophags (die Form ergab sich allerdings
um 1789 wurden die Verordnungen
zur Bestattung neu definiert. Es
wurde eine Aufbahrung von min. 36
Stunden verordnet zum Schutz vor
einem Scheintod. Auch in München
soll es Fälle gegeben haben wie die
des Pfarrers aus Hiltpoltstein, der
nach einem Schlaganfall bestattet
wurde. Bei der Exhumierung am
nächsten Tag soll er in seinem Sarg
auf dem Bauch gelegen haben.
Die Angst vor dem Scheintod war
durchaus begründet. Wirklich
verlässliche medizinische Analysen
und Feststellungen des Todes gab
es nicht. Teilweise behalf man sich
mit auch drastischen Methoden wie
glühenden Zangen, oft trat der Tod
Plan zur Friedhofsanlage vor dem Sendlinger Tor Gustav Vorherr, 1817;
auch erst durch die Öffnung der
Abbildung aus: Margret Wanetschek, Grünanlagen in der Stadtplanung von München,
Leichen ein. In Österreich hat sich
München 2005
bis nach 1900 der sog. Herzstich
erhalten, den manche testamentarisch verfügt hatten: in erster Linie aus den topographischen Gegebenmit einem Stilett wurde der zum Tod Erklärte mitten heiten). Vor allem wurde mit der Neugestaltung des
ins Herz gestochen. Die Aufbahrung der Leichnagesamten Areals und einer strengen Organisation der
me über mehrere Tage in einer Aufbahrungshalle
Wege, Grabsektionen und Einzelstandorte eine klarer
mit entsprechenden Aufsehern und evtl. Rettungsablesbare Hierarchie der Begräbnisstätten erreicht.
möglichkeiten war also notwendig. 1791 hatte der
Der gesamte Bereich war in Ränge eingeteilt, also
Standpunkte Dezember 2014 - 14
STADTARCHIV MÜNCHEN
STADTARCHIV MÜNCHEN
einem geistigen Leben nach dem Tode bedenkt, ihr
Bemühen um möglichst hilfreiche Grabplätze, aber
auch den gesellschaftlichen Anspruch. der damit
verbunden war, kann man erahnen, wie das kurfürstliche Verbot aufgenommen wurde. Verbürgt sind die
Reaktionen einzelner Adelsfamilien, die sich energisch dagegen gewehrt haben.
FRANZ SCHIERMEIER VERLAG MÜNCHEN
Umbau zur Gartenanlage
Zur angenehmeren Gestaltung der neuen Friedhofsteile wurde der Landschaftsarchitekt Friedrich
Ludwig von Sckell vom König beauftragt. Sckell
(6-7-34) schlug eine durchgehende Bepflanzung mit
Bäumen und Sträuchern entlang der Mauern vor. An
den Hauptwegen sollten „Blumen und wohlriechende Gewächse, Rosen, Lavendel, Salbey, Rosmarin u.
dgl.“ angepflanzt werden. Geruchsintensive Pflanzen waren auch als Abwehr gegen die „Miasmen“
vorteilhaft.
Mit der neuen Friedhofsmauer und vor allem den
Arkaden änderte sich auch die Ausführung der Grabmäler. Die vermögenderen Familien suchten nach
einer besonderen künstlerischen Gestaltung, die nach
den Vorschriften der Friedhofsverwaltung bis zur
Höhe der Mauer reichen konnte (mit Ausnahmen).
Der Friedhof gewann
dadurch sowie durch
die besondere architektonische Gestaltung und die gärtnerische Behandlung
auch Interesse bei den
Touristen und wurde
Teil des allgemeinen
Besucherprogramms.
Münchner Ruhmeshalle
Gustav Vorherr
schlug den halbrunden Arkadenbau auch
als „edlen BestatDenkmal für die Opfer der Sendlinger Mordweihnacht (6-1523/27) Entwurf Friedrich Gärtner
tungsplatz“ für die „ersten Familien des Staates“ vor.
Ausgeführt wurde schließlich eine Wandgestaltung,
bei der über den Grabmälern ein Ring von eingelassenen Nischen vorgesehen wurde, in die Ehrenbüsten
verdienstvoller Persönlichkeiten eingestellt werden
konnten. Ein erster „Gedenkort“ der kgl. Haupt- und
Residenzstadt, wie Denk und Ziesemer schreiben,
ist weit vor der Errichtung der Ruhmeshalle über
der Theresienwiese, aber möglicherweise auch unter
dem Einfluss des Kronprinzen Ludwig entstanden,
der sich bereits seit 1809 mit diesem Thema beschäftigte. Bis 1850 wurden auch über 30 Büsten
eingestellt, danach übernahm die Ruhmeshalle diese
Funktion. Ludwig, bereits König, verhalf auch dem
schon 1818 von Westenrieder (Alte Arkaden 92) und
Johann Andreas Schmeller (2-7-40) vorgeschlagenen Denkmal für die Opfer der Sendlinger Mordweihnacht (6-15-23/27) zur Ausführung. Es wurde
schließlich von Friedrich von Gärtner (Neue Arkaden
175) entworfen und von Johann Baptist Stiglmaier
gegossen.
MÜNCHENER STADTMUSEUM
in „einfachere“ und „bessere“ Standorte, die v.a.
entlang der Außenmauern und Hauptwege lagen und
einen besonderen Bereich, den Arkadenbereich, der
den Friedhof nach Süden hin abschloss. Entsprechend gestaffelt waren auch die Belegungszeiten
und die Gebühren. Damit gewann der Südliche
Friedhof auch bei den sog. höher gestellten Gesellschaftsschichten mehr Zuspruch. Armengräber waren
kostenlos, eine einfache Grabstelle innerhalb einer
Sektion kostete zwischen einem und fünf Gulden
(für sechs bis sieben Jahre). Am teuersten waren die
Familiengrüfte innerhalb der neu gebauten Arkaden
(400 Gulden für 100 Jahre), womit man auch die
Umgestaltung finanzieren musste. Am 18. Oktober
1819 konnten die neuen Leichensäle eröffnet werden, insgesamt hatten die Kosten für den Umbau
130.000 Gulden betragen. Stadtbaumeister Joseph
Höchl (2-7-1) hatte die Bauten ausgeführt.
Entwurf zur Erweiterung des Friedhofs vor dem Sendlinger Tor
Friedrich von Gärtner, 1842; Abbildung aus: Margret Wanetschek, Grünanlagen in der Stadtplanung von München, München
2005
Der neue Campo Santo
Auch die letzte große Erweiterung des Südlichen
Friedhofs ging auf eine Epidemie zurück. 1836/37
erkrankten ca. 2.000 Einwohner in München an der
Cholera, 915 davon starben, eine Erweiterung des
zentralen Friedhofs war auf längere Sicht hin notwendig. Der König, der bei der Bekämpfung bzw.
Vorsorge gegen die Cholera noch wenig Energie
gezeigt hatte, entwickelte umso mehr, als es darum
ging, einen der kgl. Residenzstadt angemessenen
Begräbnisplatz zu verwirklichen. Nachdem er 1842
einen vollständigen Neubau an anderer Stelle verworfen hatte, entwickelte Friedrich von Gärtner eine
Erweiterung in Form eines Campo Santo, dessen
Vorbilder u.a. in Bologna im Friedhof La Certosa zu
finden sind. Eine direkte achsiale Erweiterung war
Standpunkte Dezember 2014 - 15
FRANZ SCHIERMEIER VERLAG MÜNCHEN
Der kgl. Residenzstadt angemessen
Die monumentale Gestaltung des neuen Teils geht
direkt zurück auf eine gemeinsame Besichtigung
des Vorbilds in Bologna durch König Ludwig I. und
seinen damaligen Lieblingsarchitekten Friedrich von
Gärtner im Jahr 1842. Das „königliche“ Projekt wurde jedoch aus städtischen Mitteln bezahlt, wobei sich
Bürgermeister Jakob von Bauer (Neue Arkaden 174)
und der Magistrat gegen eine Erhöhung der Baukosten über 300.000 Gulden hinaus wehrten.
Bürgermeister Bauer hatte sich bereits mehrfach
gegen die Finanzierung der königlichen Bauwünsche
gewandt und 1845 eine Zusammenstellung der städtischen Ausgaben für den repräsentativen Ausbau der
Residenzstadt durch die bayerischen Könige publiziert, die sofort konfisziert wurde.
Als sich der König auch noch die ersten beiden
Grabstellen links und rechts des Eingangs zum
Neuen Teil für ihm genehme Persönlichkeiten als
Ehrengrabmäler sicherte (und bezahlte), behielt sich
der Magistrat die nächst gelegenen Grabmalsplätze
für verdiente Persönlichkeiten aus dem Bereich der
städtischen Verwaltung vor.
Als erster wurde schließlich am 27. Februar 1850
Grabmäler Jakob von Bauer und Friedrich von Gärtner (Neue
Arkaden 175 und 176)
im Neuen Teil der Architekt der Anlage Friedrich
von Gärtner rechts vom Eingang bestattet (er war
bereits 1848 verstorben und wurde hierher umgebettet), Ludwig von Schwanthaler folgte am 4.
März 1850 (auch er wurde umgebettet, er war im
November 1848 verstorben). Das erste Bürgermeistergrabmal in den Arkaden neben Gärtner erhielt der
mutige Widerpart des Königs, Bürgermeister Jakob
von Bauer, er verstarb 1854. Neben der Grabstätte
Schwanthalers wurde 1879 für Bürgermeister Kaspar
von Steinsdorf (Neue Arkaden 2) ein Ehrengrabmal
der Stadt errichtet.
STADTARCHIV MÜNCHEN
nicht möglich, daher verknüpfte Gärtner die beiden
Friedhofsteile mit einer heute noch vorhandenen
Säulenhalle, die auch einen West-Ost-Durchgang
ermöglichte.
Neue Arkaden um 1900
Abbildung aus: Städtische Friedhöfe München (Hrsg.)
Wo München Ruhe findet, Festschrift 450 Jahre Alter Südlicher
Friedhof, München 2013
Neue Arkaden um 1900
Die Gestaltung der Grabdenkmäler in den Neuen Arkaden in den folgenden Jahren stellte alles
in den Schatten, was im alten Friedhofsteil üblich
und gesellschaftlich angemessen war. Jetzt konnte
sich die Münchner Gesellschaft pompös verewigen.
Beispielhaft seien nur genannt die monumentalen
Grabmäler der kgl. Leibärzte Franz von Walther
(Neue Arkadern 167) und Heinrich von Breslau
(Neue Arkaden 7), die als Personen in überlebensgroßen Standfiguren dargestellt sind, beide ausgeführt vom Bildhauer Johann von Halbig, der danach
noch zahlreiche weitere Denkmäler im Alten Südlichen Friedhof geschaffen hat. Wer auch nach seinem
Tod in einer illustren Nachbarschaft aufgehoben sein
wollte, musste vorausblickend sich den Ort und die
Nachbarn aussuchen. Als Klenze 1864 starb (der
kein Ehrengrabmal vom König erhielt), verkaufte die
Familie die bisherige Grabstelle in der Sektion 17
im alten Friedhofsteil und erwarb für 1.000 Gulden eine Gruft an prominenter Stelle in den Neuen
Arkaden, vier Positionen neben Gärtner und einiges
an Höhenentwicklung mehr. Entworfen wurde das
Standpunkte Dezember 2014 - 16
STADTARCHIV MÜNCHEN
Friedhofsmauer in der Pestalozzistraße nach der Zerstörung im
Zweiten Weltkrieg, Abbildung aus: Schiermeier/Scheungraber
Alter Südlicher Friedhof
Nach dem Ende des Kriegs und angesichts der
umfassenden Zerstörungen hat man den Friedhof
trotzdem nicht aufgegeben und beschlossen, ihn
hinsichtlich seiner stadthistorischen Bedeutung zu
schützen und zumindest als Grünanlage zu erhalten.
Ab 1949 beseitigte man die Trümmer und verfüllte
die eingefallenen Grüfte mit dem Schutt.
Wiederaufbau durch Hans Döllgast
1953 wurde der Architekt Hans Döllgast mit dem
Wiederaufbau beauftragt. Döllgast hatte bis 1952 bereits den Ostfriedhof wiederhergestellt und 1955 den
Alten Nördlichen Friedhof. In ähnlicher Weise wie
bei der Wiederherstellung der Alten Pinakothek bediente sich Döllgast seiner Methode „Schöpferischer
Wiederaufbau“. Die ohnehin vollkommen zerstörten
und funktionslosen Verwaltungs- und Dienstbauten
FRANZ SCHIERMEIER VERLAG MÜNCHEN
Grabmal vom Bildhauer Anselm Sickinger (neue
Arkaden 163) mit einer Büste von Johann Halbig.
Die architektonische und künstlerische Qualität der
Grabmäler in den Neuen Arkaden ließ den Friedhof
endgültig zu einem monumentalen Gedenkort und
einem musealen Raum werden, was heute nur noch
anhand einzelner Grabmäler bzw. mithilfe historischer Aufnahmen nachvollziehbar ist.
Erst mit der Eröffnung des Nördlichen Friedhofs in
der Maxvorstadt 1869, der vom Architekten Arnold von Zenetti (4-11-1) entworfen wurde, verlor
der Südliche Friedhof seine zentrale Funktion.
1898 folgte schließlich der Magistratsbeschluss zur
„Schließung der Älteren Friedhöfe Münchens“ – bis
1924 sollten diese spätestens aufgelassen sein. Im
Jahr 1928 wurden allerdings für den Alten Südlichen
und den Alten Nördlichen Friedhof Regelungen
getroffen für einen Nachkauf der Grabstätten auf 15
Jahre, also bis zum 31. Dezember 1943. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde hier auch (mit Ausnahme eines
Säuglings im Januar 1944) offiziell bestattet.
Wenige Wochen vor diesem Zeitpunkt wurde der
Alte Südliche Friedhof bei einem Luftangriff englischer Flugzeuge schwer getroffen, die Gebäude
wurden weitgehend zerstört, auch ein großer Teil der
Neuen Arkaden und viele Grabmäler.
Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte es auch Planungen zur vollständigen Auflassung bzw. zu Straßendurchbrüchen gegeben. Eine Straßenplanung von
Theodor Fischer im Stadterweiterungsbüro von 1899
zeigt zwei Straßendurchbrüche durch den alten Teil
des Friedhofs in Verlängerung der Waltherstraße und
der Rothmundstraße, die nicht ausgeführt wurden.
Neue Arkaden 2012
zwischen den beiden Friedhofsteilen entfernte er
vollständig bis auf die ehemalige Leichenhalle, die
inzwischen als Lapidarium genutzt wird. Die Ruinen
der halbrunden Arkaden von Vorherr aus dem Jahr
1819 wurden weitgehend in ihrer Höhe reduziert,
viele der darin enthaltenen Grabmäler waren zerstört.
Nur vier Steinsäulen der Arkaden von Vorherr bilden
jetzt eine Vorhalle des Lapidariums.
Erhalten blieb vor allem die Säulenhalle von
Gärtner als Verbindungsstück, von den Arkaden des
Neuen Teils blieben die Wandflächen bzw. wurden v.a. im östlichen Teil mit Schuttziegeln wieder
aufgebaut. Nur der nördliche Abschnitt erhielt eine
Überdachung in der Tiefe der ehemalig gemauerten
Arkaden, aber als äußerst reduzierte Konstruktion
mit schlanken Mannesmann-Stahlrohren und einem
Holzdach. Die Wiederherstellung ist sicher den
ökonomischen Notwendigkeiten der Nachkriegsjahre geschuldet. Andererseits verstand es Döllgast,
den besonderen räumlichen Charakter des Friedhofs
zu erhalten und ihn aber auch in einer zeitgemäßen Form als Grünanlage zu beschreiben. So sind
die Mauern des Alten und Neuen Teils nicht mehr
vollkommen undurchlässig, sondern zeigen einzelne
Durchbrüche und einen offeneren Zusammenhang
der räumlichen Gegebenheiten.
Das Abräumen der zerstörten Grabmäler und die
Beseitigung der Einfassungen (die man auch zur
Wiederherstellung beschädigter Dammbauten an der
Standpunkte Dezember 2014 - 17
Isar verwendet hat) blieb aber auch nicht ohne Kritik
in der Bevölkerung und bei Lokalpolitikern. Für
berühmte Persönlichkeiten ließ das Bestattungsamt
ab den 1950er Jahren Ersatzgräber herstellen, z.B.
für Carl Spitzweg (5-17-10), Joseph von Fraunhofer
(Alte Arkaden 12), Jakob von Bauer, Georg von Reichenbach (Alte Arkaden 11) und Helene Sedlmayr
(38-3-25), die „schöne Münchnerin“. Insgesamt
wurden über 300 solcher Ersatzgrabmäler errichtet,
teilweise auch finanziert von Hinterbliebenen und
Vereinen. Erst 1979 wurde der Alte Südliche Friedhof unter Denkmalschutz gestellt.
1989 erhielt der Friedhof auch einen Landschaftsschutz. Aufgrund der hohen Mauern und des dichten Baumbestands herrscht hier neben der eigenen
Atmosphäre ein Mikroklima, in dem sich eine hohe
Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren zeigt. Nach Angaben des Landesbundes für Vogelschutz brüten hier
allein 24 Vogelarten, dazu gibt es Fledermäuse und
jede Menge Eichhörnchen. Endemisch war und ist
wahrscheinlich noch immer eine Art des Kugelglanzkäfers (ca. 1 mm groß), dessen bevorzugter Lebensraum das Efeu ist, das sich bis vor wenigen Jahren
auch flächendeckend im Alten Südlichen Friedhof
ausbreiten konnte (auch um den endemischen Käfer
zu schützen). Inzwischen wird der Friedhof weit
intensiver gärtnerisch gepflegt, zahlreiche überalterte
Bäume sind in den letzten Jahren gefällt worden.
Der dichte Efeu-Bewuchs, der zahlreiche Grabmäler
beschädigt hat, wird großenteils entfernt. Trotzdem
bietet der Friedhof zu allen Jahreszeiten ein stimmungsvolles und abwechslungsreiches Bild, u.a. im
Frühling, wenn ganze Krokusfelder erblühen oder
kurz danach der Bärlauch das Bild und den Geruch
bestimmt.
Die Sanierungsmaßnahmen und die intensive
kunsthistorische Aufnahme und Dokumentation hat
eine lange Vorgeschichte, Michael Stephan, der Leiter des Stadtarchivs München, führt dies in seinem
Vorwort zur Publikation von Denk und Ziesemer
aus. Die Idee zu einer Gesamtsanierung trug der zuständige Referent Dr. Herbert Genzel im Dezember
1978 im Gesundheitsausschuss vor. In den folgenden
Jahren führte das Bayerische Nationalmuseum, in
dem auch einige wertvolle Kunstwerke des Alten
Südlichen Friedhofs aufbewahrt werden, eine erste
Bestandsaufnahme durch und begutachtete ca. 1.000
Grabmäler als erhaltenswert. Erst im Februar 1983
bewilligte der Bauausschuss eine jährliche Summe
von 500.000 DM zur Sanierung und zum Bauunterhalt.
Auf den Stadtratsantrag von Christl PuruckerSeunig und Christine Strobl hin (November 1998:
Erhalt des Alten Südlichen Friedhofs als kulturhistorisches Denkmal) wurde schließlich ein Arbeits-
kreis gegründet, dem das Bayerische Landesamt für
Denkmalpflege, die städtische Friedhofsverwaltung
und u.a. auch das Stadtarchiv angehörten. Es folgte
ein Stadtratsbeschluss im Januar 2001 zur jährlichen
Instandsetzung von 12 bis 15 Grabmälern und einer
Gesamtaufnahme der noch vorhandenen Grabmäler
in kunsthistorischer Hinsicht.
Diese Dokumentation wurde von 2003 bis 2007
für über 5.000 Grabmäler von den Kunsthistorikern
Claudia Denk und John Ziesemer durchgeführt. Die
Ergebnisse wurden zum Teil in der erwähnten Publikation herausgegeben.
Noch 2007, kurz vor seinem Tod, hat Heinz
Koderer, der sich über Jahrzehnte mit dem Alten
Südlichen Friedhof beschäftigt hat, eine private
Dokumentation verfertigt und u.a. an das Referat
für Gesundheit und Umwelt gesandt. Darin listet er
Hunderte von Beschädigungen und Mängeln auf, die
er über Jahre fotographisch dokumentiert hat. Nach
seiner Aussage sind es nicht nur die Zerstörungen
des Zweiten Weltkriegs, die den Friedhof elementar
getroffen haben, auch danach wurde vieles beschädigt, gestohlen und mangelhaft gepflegt. Inzwischen
sind mit erheblichem Aufwand viele kunst- und
stadtgeschichtlich bedeutende Grabmäler wieder
hergerichtet worden, die es aber weiter zu schützen gilt. Für die Bewohner der Isarvorstadt ist der
Alte Südliche Friedhof zudem ein wichtiger Ort der
Erholung. Hoffen wir, dass die Bevölkerung diesen
großen Wert auch zu schätzen weiß.
Franz Schiermeier
Franz Schiermeier ist Architekt und Verleger des Franz-Schiermeier-Verlag in München
Anm.: Die Zahlenangaben in Klammern beziehen sich auf
die Lage der Gräber dieser Personen auf dem Alten Südlichen
Friedhof.
Zum Weiterlesen:
Claudia Denk, John Ziesemer: Kunst und Memoria. Der
Alte Südliche Friedhof in München, München 2014
Städtische Friedhöfe München (Hrsg.):Wo München Ruhe
findet. Festschrift 450 Jahre Alter Südlicher Friedhof,
München 2013
Alexander Langheiter,Wolfgang Lauter: Der Alte Südfriedhof in München, München 2008
Franz Schiermeier, Florian Scheungraber: Alter Südlicher
Friedhof in München. Geschichte und Berühmtheiten.
Übersichtsplan der Grabmäler, München 2008
Führungen zum Alten Südlichen Friedhof durch den Autor
unter:
www.muenchen-safari.de
Standpunkte Dezember 2014 - 18
Kunst auf freien Grabflächen –
Karlsruhe zeigt einen Weg
In Karlsruhe werden seit dem Jahr 2000, bedingt durch die heutige Zunahme von Urnenbeisetzungen und die sich verringernde Identifikation der Menschen mit individuellen und dauerhaft angelegten Gräbern, neue Möglichkeiten zur Pflege der Friedhofs- und Bestattungskultur diskutiert und
erprobt.
D
er Karlsruher Hauptfriedhof ist einer der ältesten deutschen kommunalen Parkfriedhöfe. Er
wurde im Jahr 1874 von Josef Durm außerhalb der
damaligen Stadt angelegt, nachdem der innerstädtisch gelegene Alte Friedhof in der Oststadt zu klein
geworden war. Bereits 2002 wurde am Hauptfriedhof
ein Info-Center eröffnet, das als Anlaufstelle für Ideen, Fragen und Sorgen der Bürger rund um das Thema Friedhof dient und Führungen – auch für Kinder
und Jugendliche – anbietet. Getragen wird diese
bürgerfreundliche Einrichtung von einem Verein.
Auch gegen das dramatische Anwachsen von
Freiflächen in den Anlagen musste etwas geschehen.
In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft
‚Friedhof und Denkmal‘ lud der Leiter des Friedhofs- und Bestattungsamts der Stadt Karlsruhe, Matthäus Vogel, im Jahr 2010 Gestalter aus Deutschland,
Österreich und der Schweiz ein, die freien Flächen
künstlerisch und gärtnerisch dauerhaft anzulegen.
Inmitten des Parkfriedhofs wurden in räumlich
unterschiedlichen Lagen größere und kleinere
Freiflächen für Urnengräber und Erdbestattungen
markiert, die sich die Gestalter aussuchen konnten,
um auf diesen Freiflächen sogenannte „Grabzeichen“ zu gestalten.
60 Bildhauer und Steinmetze sowie 50 Friedhofsgärtner beteiligten sich – ohne Honorar – an dem
Projekt und gestalteten und bepflanzten in gemeinsamer Absprache die freien Grabanlagen. Dabei
hatten sie größtmögliche Freiheit in Materialwahl
und Größe der Grabzeichen – außerhalb der sonst
üblichen Friedhofsvorgaben.
Die ersten neuen Grabzeichen waren zu Ostern
2011 fertig gestellt. Seit dieser Zeit läuft auch die
Dauerausstellung „Aspekte – die Einmaligkeit des
Lebens“. Sie ist keine Mustergrabanlage sondern bietet individuelle Anregungen vor Ort. Die
geschaffenen Grabzeichen stehen auf Freiflächen
Blumen als Zeichen der Vergänglichkeit, der Endlichkeit
und der Hoffnung sind Thema der Grabstele.
Blütenformen sind aus einer kantigen Säule herausgeschnitten.
Sie überziehen die Flächen und brechen die Kanten auf.
Licht durchflutet die filigrane Stele.
Material: Edelstahl gebürstet.
Höhe 200 cm, 40 x 40 cm, Wandstärke 6 mm
Sie steht auf einer flachen Platte aus Diabas.
Die Grabanlage zwischen zwei alten Bäumen bietet Platz
für vier Urnen. Für die Namen der Verstorbenen liegen
vier Schrifttafeln aus Diabas. Diese sind mit Reihen aus
blühenden Pflanzen fächerförmig mit der Blumenstele
verbunden.
FOTO: © THILO MECHAU
Für die Tafel am Grab:
Blütenformen als Zeichen der Vergänglichkeit
und der Hoffnung überziehen Flächen und Kanten.
Licht durchflutet die filigrane Stele.
Blumenstele, Barbara Jäger
Barbara Jäger
www.jaegerbar.kulturserver.de
Standpunkte Dezember 2014 - 19
Eine Wand gebildet aus aufeinander gesetzten quadratischen Profilen
ist an zwei Seiten schräg angeschnitten.
In der Mitte ist eine Öffnung wie ein Fenster eingearbeitet.
Hinter dem Grab bindet eine immergrüne Hecke die
benachbarten einzelnen Grabstätten zusammen. Durch
die Öffnung der Wand schaut man über die Hecke in die
Ferne.
Die Wand steht auf einem Sockel aus Diabas. Darauf können die Namen der Verstorbenen stehen.
Die diagonale Komposition prägt auch die gärtnerische
Gestaltung.
Material:
Sockel Diabas geschliffen, Höhe 110 cm, 30 x 25 cm
Skulptur Aluminiumguss, Höhe 40 cm, Tiefe 10 cm
OMI Riesterer
www.jaegerbar.kulturserver.de
FOTO: © BARBARA JÄGER
Für die Tafel am Grab:
Schicksalhafte Einschnitte prägen das Leben,
wie die Schnittflächen die Wand.
Durch die Öffnung erblickt man in das Licht der Hoffnung.
Durchblick, OMI Riesterer
zwischen bestehenden Gräbern mitten in „Filetstücken“ des Karlsruher Hauptfriedhofs. Auf Hinweisschildern finden interessierte Besucher Angaben zur
Gestaltung, zum Material und zum ausführenden
Betrieb. Die Grabstätten werden von ausgewählten
Friedhofsgärtnern dauerhaft gepflegt und können als
persönliche letzte Ruhestätte erworben werden.
Ein Ausstellungskatalog – erhältlich im InfoCenter – lädt zu einem Rundgang ein und beschreibt
die Grabzeichen. Mit der Dauerausstellung auf dem
Hauptfriedhof in Karlsruhe können Interessierte zu
unterschiedlichen Jahreszeiten diese besonderen
Grabanlagen kennenlernen.
Auf der Homepage des Hauptfriedhofs http://www.
friedhof-karlsruhe.de/aspekte/index.php können die
Arbeiten angesehen werden. Bei den nummerierten
Arbeiten sind auch die Namen der Gestalter und der
Gärtner der jeweiligen Grabstätte zu finden. Telefonische Auskünfte unter 0721/ 78 20 933.
Barbara Jäger und OMI Riesterer
Barbara Jäger
1946 geb. und aufgewachsen in Schwäbisch Gmünd, Studium
der Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, Studium der Kunstgeschichte an der Universität
Karlsruhe, mit dem Bildhauer OMI Riesterer verheiratet, drei
Kinder; lebt und arbeitet in Karlsruhe.
OMI Riesterer
1947 geb. in Freiburg, Zimmererlehre in Freiburg, Studium der
Architektur an der Universität Karlsruhe, Diplom, Assistent an
der Universität Karlsruhe, seit 1984 freischaffender Bildhauer,
lebt und arbeitet in Karlsruhe.
Literatur zu Münchens Friedhöfen
*Bäuml-Stosiek, Dagmar und Katharina Steiner: Der Friedhof
Bogenhausen – Gottesacker für Münchner und Weltbürger.
Ein Rundgang zu 60 Gräbern mit Farbfotos von Lioba Betten.
München, 2009. 48 S.
Betten, Lioba: Das Schicksal nennt keine Gründe. Grabsprüche
auf Münchner Friedhöfen. Mit 80 Farbfotos. München, 2003.
128 S.
*Burchardt, Hans-Peter und Marianne Lengfelder: Im Alten
Nördlichen Friedhof.
Bildband mit Schwarz-weiß-Fotos und Gedichten. München,
1985. 72 S.
Denk, Claudia und John Ziesemer: Kunst und Memoria. Der
Alte Südliche Friedhof in München. Mit historischen und
aktuellen Farbfotos und einem Friedhofsplan. München, 2014.
543 S.
„Hier ruht, was sterblich war“. Der Nymphenburger Friedhof
in München – Geschichte und Biografien. Hrsg. von der Neuhauser Geschichtswerkstatt. München, 2004. 216 S.
Standpunkte Dezember 2014 - 20
*Hufnagel, Max Joseph: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof
zu München. 500 Zeugen des Münchner kulturellen, geistigen
und politischen Lebens im19. Jahrhundert.Würzburg, 1983.
312 S.
Scheibmayr, Erich:Wer? Wann? Wo? Persönlichkeiten in
Münchner Friedhöfen.
Fortschreibung 1997 - 2002. München, 2002. 252 S.
Karl,Willibald: Der Münchner Ostfriedhof.Von den „Auer Leichenäckern“ zum Großstadt-Krematorium. Ein Rundgang zu
50 Gräbern mit Farbfotos. München, 2011. 48 S.
Schiermeier, Franz und Florian Scheungraber: Alter Südlicher
Friedhof – Geschichte und Berühmtheiten. Übersichtsplan der
Grabmäler. München, 2008.
„Eine Sehenswürdigkeit für München”. 2 Rundgänge auf dem
Waldfriedhof. Hrsg. vom Ludwigsgymnasium München. München, 2011. 48 S.
„Um mich ist Heimat“. Der alte Winthirfriedhof in Neuhausen – ein Stück Münchner Kulturgeschichte. Hrsg. von der
Geschichtswerkstatt Neuhausen. München, 2000. 200 S.
Winterstein, Axel und Isolde Ohlbaum: „Gewesen, nicht vergessen“. Der Alte Nördliche Friedhof in München. Mit Farbfotos
und einem Friedhofsrundgang zu 30 Gräbern. München, 2012.
144 S.
Langheiter, Alexander und Wolfgang Lauter: Der Alte Südfriedhof in München. Mit historischen und aktuellen Farbfotos und
einem Rundgang zu 90 Gräbern. München, 2013. 160 S.
*Lieb, Norbert: St. Georg in München-Bogenhausen. Historische Kirche und berühmter Friedhof. Mit Fotos von Monica
Matthias. München, 1987. 96 S.
Otto-Rieke, Gerd: Gräber in München – Menschen, die uns
bewegten. Mit Farbfotos. München, 2008. 104 S.
*Rädlinger, Christine: Der verwaltete Tod. Eine Entwicklungsgeschichte des Münchner Bestattungswesens. Mit historischen
Fotos. München, 1996. 224 S.
Scheibmayr, Erich: Letzte Heimat. Persönlichkeiten in Münchner Friedhöfen.
Grundwerk 1784 - 1984. München, 1985. 432 S.
Scheibmayr, Erich:Wer? Wann? Wo? Persönlichkeiten in
Münchner Friedhöfen.
Ergänzung zum Grundwerk und Fortschreibung 1985 - 1989.
München, 1989. 508 S.
Scheibmayr, Erich:Wer? Wann? Wo? Weitere Persönlichkeiten in
Münchner Friedhöfen. Fortschreibung 1990 - 1996. München,
1997. 420 S.
*„Wo München Ruhe findet“. Festschrift – 450 Jahre Alter
Südlicher Friedhof. Hrsg. vom Referat für Gesundheit und
Umwelt. München, 2013. 76 S.
*Zuber, Elfi: Der Alte Nördliche Friedhof. Ein Kapitel Münchner
Kulturgeschichte. Mit einem Rundgang und Fotos von Walter
Zuber. München, 1984. 96 S.
Die mit * gekennzeichneten Titel sind derzeit nicht lieferbar,
jedoch in Münchner Bibliotheken vorhanden.
Zusammengestellt von Lioba Betten (November 2014)
Standpunkte Dezember 2014 - 21
Denkmal-Topographie Maxvorstadt
Rezension
Titelbild der „Denkmaltopografie Maxvorstadt“
Stadtmodell von Johann Baptist Seitz (1841 bis 1863),
Bayerisches Nationalmuseum. Copyright: 2. aktualisierte und
ergänzte Ausgabe 2014,
K
önnte man nicht auf die 2009 erschienene
Denkmal- und Ensembleliste zurückgreifen,
wenn man Information über den Denkmalbestand in
der Maxvorstadt als Bürger oder als Mandatsträger
im Bezirksausschuss oder Stadtrat erhalten will?
Man könnte, aber wer hat schon die dreibändige
„Denkmalschutztopographie“ von München-Mitte,
die „Ensembles und archäologischen Denkmäler“
greifbar im Bücherschrank und käme damit zurecht? Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist die
von Klaus Bäumler mit erarbeitete und redaktionell
betreute Zusammenführung nützlich und verdienstvoll. Ein weiterer Pluspunkt ist die aktuelle Überarbeitung der Denkmalschutzliste, die in diesem Band
erscheint. Das buchstäblich gewichtige Buch mit 600
Seiten hat auch eine gewichtige politische Intension.
Man könnte sie mit dem Begriff „Handlungswissen“
gut kennzeichnen, der in den Beiträgen von Klaus
Bäumler in den „Standpunkten“ des Münchner Forums eingeführt ist. Begehrlichkeiten nach Erhöhung
der Immobilien-Rendite auf Kosten der Stadtqualität
können mit dieser Hilfe auf den informierten Widerstand der Bürger stoßen.
Klaus Bäumler schildert die Kämpfe des Bezirksauschusses und legt seine Instrumente offen. Diese
sind das Denkmalschutzgesetz des Freistaates von
1973 und die Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München von 1971, aber auch die hart
erkämpften Rechte der Bezirksauschüsse, deren beschlossene Anträge inzwischen das gleiche Gewicht
wie das eines Stadtrats bekommen haben. Im seinem
Beitrag stellt Klaus Bäumler dar, welchen Einfluss
(Erfolg und Niederlagen) die Bürgerschaft im vorpolitischen Raum (Aktion Maxvorstadt, Münchner
Forum), Bezirksauschuss Maxvorstadt und Stadtrat
gegenüber den verborgenen Kräften der Wirtschaft
und der Verwaltung genommen haben. Beispiele sind
hier die Wohnhäuser Amalienstraße 37 und Türkenstraße 30, in denen dieser ungleiche Kampf von 1972
bis 1992, rekonstruiert aus den BA-Akten, dargestellt
wird. Beeindruckend, aber natürlich nicht vollständig, ist die aktive Empathie der Bürger für ihre Stadt,
ihr Stadtviertel und für die Erhaltung der Stadtqualität Münchens. In den Anmerkungen stößt man auch
auf den engagierten Rechercheur und Publizisten,
der auf der Jagd nach Quellen für die Argumentation und das historische Verständnis arbeitet. Eine
vertiefende Darstellung des Engagements für München steht noch aus. Klaus Bäumler leistet hier eine
bemerkenswerte Vorarbeit für „seinen“ Stadtbezirk
Maxvorstadt, dem er so lange vorstand. Zu kurz kamen beispielsweise die „Krimis“ Untertunnelung des
Prinz Carl Palais, des Ringens um den Neubau der
Staatskanzlei und der Rückbau der Königinstraße.
Beispielhaft ist das ehrgeizige Engagement, mit dem
der BA Maxvorstadt mit seinem langjährigen Vorsitzenden Klaus Bäumler um seinen Bezirk kämpfte.
Der Beitrag von Oskar Holl arbeitet das wünschenswerte Fundament kritischer Einflussnahme
von der Seite des Freiraums aus. Dieser ist für
Münchens Bild und Selbstverständnis ebenbürtig mit
der gebauten Stadt. Gerade die Maxvorstadt hat in
ihrem Städtebau durch Friedrich Ludwig von Sckell
einen landschaftsgärtnerischen Bezug, der durch das
Juwel Englischen Garten gekrönt wird. Unter diesem
Blickwinkel aufschlussreiche historische Erkenntnisse dem Publikum und seinen Maxvorstädtern zu
geben, ist überzeugend und regt zur Diskussion und
kreativer Mitarbeit an.
Wolfgang Czisch
Mit Beiträgen von Klaus Bäumler und Oskar Holl, Redaktion
Klaus Bäumler, Hrsg. Bezirksausschuss Maxvorstadt, 2. aktualisierte und ergänzte Auflage
München 2014, 1354 Seiten.
Bezug über Digital-Zentrum Design & Druck Services, Barerstraße 71, 80799 München, 29,90 Euro
(Grundlage: „Denkmäler in Bayern“ von Heinrich Habel, Johannes Hallinger,Timm Weski sowie „Baudenkmäler, Ensembles,
Archäologische Denkmäler“)
Standpunkte Dezember 2014 - 22
Über Bürgerbeteiligung hinaus
E
in umfangreiches Buch, mehr als 500 Seiten.
Der Autor empfiehlt, es nicht in einem Zug von
vorne bis hinten zu lesen, sondern darin zu blättern
und herumzustöbern. Das macht Freude, weil es gut
zu lesen ist – durch die verständliche Sprache und
durch viele erläuternde Bilder, Fotos, Schemata,
die komplizierte Zusammenhänge in der Stadtentwicklung klären. Verfasser ist Klaus Selle, Jahrgang
1949, Professor an der RWTH Aachen; er hat an der
dortigen Fakultät für Architektur den Lehrstuhl für
Planungstheorie und Stadtentwicklung inne – und
ist vielen Münchnern durch sein Wirken auch hier
bekannt.
Ein wichtiges Buch: Man merkt, dass der Autor
Stadtentwicklung und Beteiligungsprozesse nicht
aus dem akademischen Elfenbeinturm betrachtet,
sondern dass er langjähriger und erfahrener Akteur ist, ein kritischer Begleiter und teilnehmender
Beobachter, ein Mitmischer und Aufmischer seines
Gegenstandes. Den behandelt er in 14 Texten, die
durch neugierig machende Zwischenüberschriften
in sich gut gegliedert sind. Das Themenspektrum ist
groß und wird sortiert zu drei Themenblöcken, unter
drei Wortkombinations-Überschriften: „Geschichte, Begriffe, Diskurse“, „Praxis, Deformationen,
Abschied“ und „Klärungsbedarf, Essentials, Nächste
Schritte“.
Selle verbindet den historischen Blick mit der
Diskussion über Stadtentwicklungsfragen, räumt auf
mit Missverständnissen und Lebenslügen von Politik, Planung und öffentlicher Meinung, etwa dass
Stadtentwicklung ein zentral zu steuernder Prozess
sei, dass aufgrund der Vielzahl von Akteuren und
äußeren Einflüssen Stadtentwicklung als Ergebnis
allein demokratischer Willensbildung zu verstehen
sei, dass sich für Stadtentwicklung alle interessieren
(müssten) und folgerichtig alle zu beteiligen sind,
dass über die Perfektionierung von „Beteiligung“ bereits „Mitwirkung“ entstünde oder dass es verwerflich wäre, in Beteiligungsprozessen eigene Interessen zu verfolgen.
Im letzten Beitrag formuliert Selle Leitlinien für
die „Bewegung in unübersichtlichem Gelände“, etwa
dass Kommunikation und Transparenz im Alltag von
Politik und Planung zu verankern sei, dass Beteiligung anzubieten sei, bevor der eigene Meinungsbildungsprozess abgeschlossen ist, dass Bürgerorientierung die ganze Verwaltung durchdringen und
Vertrauen gebildet werden müsse – was viel Zeit,
einen langen Atem brauche.
Mit solchen Korrekturen und Klärungen wird
„Über Bürgerbeteiligung hinaus“ im besten Sinne
Klaus Selle: Über Bürgerbeteiligung hinaus:
Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe? Analysen und Konzepte,
Detmold:Verlag Dorothea Rohn, 2013, 528
Seiten, 38,– Euro, ISBN 978-3-939486-73-2
des Wortes ein aufklärerisches Buch.
Jedem und jeder, der/die noch ein Geschenk – für
Familienangehörige, Freunde oder sich selbst –
benötigt, das den Kopfinhalt helfen soll zu trainieren: hier ist Zugreifen nicht nur empfohlen sondern
eigentlich unabdingbar. DS
IMPRESSUM
Standpunkte ISSN 1861-3004
Münchner Forum e.V., Diskussionsforum für Entwicklungsfragen, Schellingstr. 65, 80799 München
fon 089/282076, fax 089/2805532,
email: info@muenchner-forum.de,
www.muenchner-forum.de
V.i.S.d.P.: Ursula Ammermann
Redaktionsschluss: 25.11.2014
Redaktion: Ursula Ammermann, Helmut Steyrer, Detlev
Sträter, Barbara Specht Layout: Barbara Specht
Wir verfolgen den Fortgang der von uns aufgegriffenen
Themen. Der Inhalt dieses Magazins entspricht daher
nicht zwingend dem Diskussionsstand in unseren
Arbeitskreisen. Sie können Aussagen gern wörtlich oder
sinngemäß mit Quellenangabe zitieren. Sollten Sie unsere Standpunkte nicht mehr erhalten oder sie jemandem
zukommen lassen wollen, genügt ein Mail an:
info@muenchner-forum.de
Standpunkte Dezember 2014 - 23
Wie dicht soll München werden?
Streiten über eine städtebauliche Vision
Die Zahlen allein vermögen Stadtplanern schon Sorgenfalten auf die Stirn zu zaubern: 4.400 Menschen leben in München durchschnittlich auf einem Quadratkilometer, so viele wie nirgendwo
anders in Deutschland. Selbst Berlin ist mit rund 3.900 Einwohnern pro Quadratkilometer nicht so
dicht besiedelt wie die bayerische Landeshauptstadt, ganz zu schweigen vom geradezu luftig bebauten Hamburg mit seiner verglichen mit München nur halb so hohen Einwohnerdichte.
FOTO: BARBARA SPECHT
Zu den Sorgenfalten der Stadtplaner gesellen
sich noch ein paar Schweißperlen, wenn sie auf die
Bevölkerungsprognosen schauen: München wächst
derzeit scheinbar ungebremst, bis zum Jahr 2030
sollen 1,57 Mio. Menschen innerhalb von Münchens
Grenzen leben, schätzt das Bayerische Landesamt
für Statistik. Noch weiter geht die Schätzung, die die
Landeshauptstadt selbst erstellt hat. Danach könnten bis zum Jahr 2030 auch 1,65 Mio. Einwohner in
München leben.
Podiumsdiskussion (v. l. n. r.): Dietlind Klemm, Rita Ahlers, HansOtto Kraus, Stephan Reiß-Schmidt, Klaus Bäumler
Diese Entwicklung geht an der Gestalt der Stadt
nicht spurlos vorüber. Auf die Frage „Wie dicht soll
München werden – Streiten über eine städtebauliche
Vision“ versuchten am 12. November 2014 im Gasteig die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion unter
der Moderation von Dietlind Klemm Antworten
zu finden. Veranstaltet wurde die Diskussion gemeinsam vom Münchner Forum und der Münchner
Volkshochschule.
Stephan Reiß-Schmidt, Leiter der Stadtentwicklungsplanung der Landeshauptstadt, stellte gleich zu
Beginn der Diskussion dar, wie die Landeshauptstadt
dem Wachstum begegnen will. Mit dem Konzept
Langfristige Siedlungsentwicklung (LaSie) verfolgt
das Planungsreferat gleich mehrere Ziele. Ein Weg,
wie München wachsen kann, ist Umstrukturierung
und qualifizierte Nachverdichtung. Untersuchungen
zeigen, dass das größte Potenzial für eine Nachverdichtung in den Wohnsiedlungen aus der Zeit
zwischen den 1950er und den 80er Jahren liegt,
so Reiß-Schmidt. Daneben wollen die Planer die
Stadt weiterbauen und bislang noch unerschlossene
Flächen für den Wohnungsbau nutzen. Neben den
großen Kasernengeländen sollen so auch die Freiflächen in Freiham und im Münchner Nordosten
bebaut werden. Die zunehmenden Verflechtungen
zwischen Stadt und Region schließlich sollen mit
einer regionalen Verkehrsinfrastruktur im Rahmen
der EMM (Europäische Metropolregion München)
bewältigt werden. Reiß-Schmidt betonte, dass heute
deutlich höhere Dichten angestrebt werden als noch
mit der Bauleitplanung der 90er Jahre. In dieser Zeit
entstanden der Arnulfpark und Teile der Messestadt
Riem, die in ihrer Erscheinung eher vorstädtisch als
großstädtisch wirken. Dass hohe Dichte nicht mit
einem Verlust an Lebensqualität einhergehen muss,
begründete Reiß-Schmidt auch damit, dass sich
nur in dicht bebauten Quartieren Straßenbahnlinien
und U-Bahnen rentieren, eine gute Nahmobilität ist
mit hoher Dichte leichter zu erreichen. Die Rolle
der Stadtentwicklung wollte Stephan Reiß-Schmidt
gerade in Zeiten sprunghaften Wachstums nicht
überschätzen. Wanderungsbewegungen sind nicht
planbar, die Landeshauptstadt habe kein Schaltpult
und keine Hebel, um den Zuzug nach München zu
steuern. Angesichts dieser Entwicklungen werde er
sehr bescheiden, fasste Reiß-Schmidt seine Erfahrungen zusammen.
Eine höhere Dichte der Bebauung fand auch HansOtto Kraus, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft GWG, unvermeidlich, wenn München
das Wachstum bewältigen will. Nur so glaubt er den
steigenden Bedarf nach Wohnraum lösen zu können.
Die städtische GWG, mit über 25.000 Wohnungen in
München einer der ganz großen Akteure am Markt,
habe diesen Weg schon längst beschritten. Beim
Neubau der Maikäfersiedlung in Berg am Laim sei
die Bebauungsdichte gegen große Widerstände aus
dem Stadtviertel auf eine GFZ (Geschossflächenzahl) von 1,2 angehoben worden. Im Hasenbergl sei
qualifiziert nachverdichtet worden. Hier entstanden
auf einem Parkplatz an der Aschenbrennerstraße
Standpunkte Dezember 2014 - 24
neue Wohnhäuser. Diese Nachverdichtungen machten es auch möglich, fehlende Einrichtungen zu
ergänzen, etwa neue Läden oder Nachbarschaftstreffs einzurichten, so das durchweg positive Fazit
von Kraus. Nicht zuletzt zwingen auch die gestiegenen Baukosten die Wohnungsunternehmen dazu, die
Dichte zu erhöhen, um überhaupt noch wirtschaftlich
arbeiten zu können.
Trotz der dramatischen Wachstumsprognose warnte Stephan Reiß-Schmidt vom Planungsreferat vor
Aktionismus. Forderungen wie die nach baulichen
Dichten, die noch oberhalb der Höchstgrenzen der
Baunutzungsverordnung liegen, lehnte er ab. Für ihn
ist das bestehende Baurecht eine wirksame Bremse
gegen städtebauliche Fehlentwicklungen. Zwar gibt
es im Planungsreferat eine interne Checkliste, wie an
einzelnen Stellen durch eine weite Ausnutzung des
behördlichen Ermessens eine höhere Dichte möglich
gemacht würde. Das bestehende Baurecht über den
Haufen werfen will Reiß-Schmidt aber nicht. Er
hält auch eine stärkere Hinwendung zum Hochhaus
für einen Weg, höhere Dichten zu erreichen. Das
Obersendlinger Neubaugebiet „Südseite“ zeige, dass
Häuser von 40 bis 70 Meter Höhe für das Wohnen
geeignet sind und die Wohnungen dort reißenden
Absatz finden.
Klaus Bäumler, beim Münchner Forum Leiter des
Arbeitskreises „Öffentliches Grün“ und ehemaliger
Vorsitzender des Bezirksausschusses Maxvorstadt,
wies eindringlich darauf hin, dass die Bedeutung der
öffentlichen Grünflächen in München noch weiter
zunimmt. Denn im Zuge einer ungeplanten Verdichtung sind schon viele private Gärten beim Neubau
von Häusern verschwunden. Und er stellte die Frage,
wo die Schmerzgrenze für die Reduzierung der
Freiräume liegt. Nur eine geplante Verdichtung biete
die Chance, trotz eines Verlustes an Freiflächen die
Qualität der noch verbliebenen zu erhöhen. Auch die
Landeshauptstadt hat die Bedeutung des öffentlichen
Grüns in Zeiten von Verdichtung erkannt. Im Auftrag des Referats für Stadtplanung und Bauordnung
erstellen mehrere Stadt-und Landschaftsplaner seit
einem Jahr ein Konzept für die langfristige Freiraumentwicklung bis 2030.
Rita Ahlers vom Büro Hilmer & Sattler, zeigte
am Beispiel der Bürgereteiligung zum Wettbewerb
Bayernkaserne, dass Bürger durchaus auch höhere
Dichten fordern, weil dies an diesem Standort eine
bessere Infrastrukturversorgung und ein urbanes
Lebensgefühl ermöglicht.
Während die Teilnehmer auf dem Podium sich
weitgehend einig waren, dass eine Verdichtung
Münchens die richtige Antwort auf den steten Zuzug
nach München ist, kamen aus dem Publikum sehr
viel kritischere Töne. Das Wachstum der Stadt sei
nicht gottgegeben, würde die Stadt für Investoren
und Großkonzerne unattraktiver gemacht, dann ließe
auch der für München zerstörerische Wachstumsdruck nach. Ein anderer Einwand aus dem Publikum
traf den Dreh- und Angelpunkt der Verdichtungsdebatte: Können der öffentliche Nahverkehr und
die Straßen überhaupt eine noch höhere Dichte
bewältigen? Wo ist der Punkt, an dem das Wachstum
Münchens an seinen ungelösten massiven Verkehrsproblemen zum Erliegen kommt? Auch vor unkontrollierter Verdichtung in den sog. Gartenstädten wie
Trudering und dem damit einhergehenden Verlust an
Grün der Stadt warnten einige Zuhörer. Dass diese
Einwände aus dem Publikum kamen und nicht vom
Podium, zeigt, dass die Debatte um mehr Dichte
künftig noch etwas mehr Breite vertragen kann.
Michael Schneider
Arbeitskreise im Dezember 2014 / Januar 2015
Sie haben Lust, etwas für München zu tun? Unsere Arbeitskreise stehen Ihnen offen. Eine E-Mail an
info@muenchner-forum.de genügt.
Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr
Leitung: Berthold Maier und Matthias Hinzten
nächstes Treffen: Do.18. Dezember 2014, 18:30 Uhr
Arbeitskreis Öffentliches Grün
Leitung: Klaus Bäumler
nächstes Treffen: Mi. 10. Dezember 2014, 15:00 Uhr
Arbeitskreis Stadt: Gestalt und Lebensraum
Leitung: Wolfgang Czisch
nächstes Treffen: Mi. 14. Januar 2015, 18:00 Uhr
Arbeitskreis Schienenverkehr
Leitung: Dr. Wolfgang Beyer
nächstes Treffen: Do. 11. Dezember 2014 18:30 Uhr
Arbeitskreise Wer beherrscht die Stadt? /
Innenstadt
Leitung: Dr. Detlev Sträter / Peter Arnold
nächstes Treffen: Do. 15. Januar 2015, 17:00 Uhr
Arbeitskreis Kulturbauten
Leitung: Wolfgang Zimmer
nächstes Treffen: Fr. 12. Dezember 2014 17:00 Uhr
Standpunkte Dezember 2014 - 25
Leserbrief
W
ir Altstadtfreunde waren sehr gespannt auf
Ihren Artikel zum Bauvorhaben der Bayerischen Hausbau im Kreuzviertel. Schließlich handelt
es sich um eines der prominentesten aktuellen Projekte innerhalb der Altstadt.
Ihr Artikel ist umfassend und gibt sehr präzise
den Abend wieder. Er spart aber leider auch einen
wesentlichen Punkt gänzlich aus: Im Zuge der Veranstaltung wurde ausführlich eine mögliche Rekonstruktion der Fassade des historischen Hiltlhauses an
der Prannerstraße besprochen. Sowohl Frau Stadtdirektorin Ritter als auch Herr Dr. Büllesbach von
der Bayerischen Hausbau signalisierten Offenheit
für den Vorschlag und schlossen eine (Teil-)Rekonstruktion des klassizistischen Bürgerhauses zumindest nicht aus. Ein Vertreter der LBK (Lokalbaukommission, d. Red.) hatte sogar angekündigt, sich auf
die Spur der verschollenen Schwanthaler-Friese zu
begeben, die die Fassade des Hiltlhauses bis 1945
geschmückt haben. In Ihrem Bericht findet sich zu
dem gesamten Thema leider nichts.
Gerade das Münchner Forum, das für Bürgerbeteiligung und offene Mitsprache steht und dafür auch
aus Mitteln der Landeshauptstadt gefördert wird,
darf einen für die offene Diskussion um Stadtgestalt so wesentlichen Punkt nicht aussparen. Das ist
wichtig für die Glaubwürdigkeit des Forums – nicht
obwohl, sondern gerade weil sich das Thema Rekonstruktion in der offiziellen Stadtgestaltungspolitik
Münchens nicht des breitesten Zuspruchs erfreut.
Hier sollte das Münchner Forum Meinungsvielfalt
fördern und für Offenheit im Dialog eintreten. Denn
die Bürger haben die (auch kritische) Rekonstruktion längst wieder für sich entdeckt. Viele von ihnen
engagieren sich – so wie wir Altstadtfreunde – mittlerweile ehrenamtlich in Gruppen, Initiativen oder
Vereinen. Deren Zahl hat in den vergangenen Jahren
stetig zugenommen.
Vielleicht ist dem Autoren Ihres Artikels das
Thema einfach durchgerutscht. Umso mehr würden
wir es begrüßen, wenn das Münchner Forum als
etablierter, städtisch geförderter Meinungssucher und
Meinungsbildner die Rekonstruktion des Hiltlhauses
nachträglich aufgreifen würde. Regen Sie zu einer
ehrlichen und (ergebnis-) offenen Diskussion und
einem konstruktiven Austausch über die Rekonstruktion an! Denken die Münchnerinnen und Münchner
anders über den Wiederaufbau verloren gegangener
Bausubstanz als z.B. die Bürger in Dresden, Potsdam oder Frankfurt? Welche Chancen oder welche
Risiken sind mit einem Wiederaufbau verbunden?
Wovon profitieren die Stadt und die Stadtgesellschaft
am meisten?
Herr Dr.Büllesbach von der Bayerischen Hausbau brachte auf der Veranstaltung im Literaturhaus
seine Überzeugung zum Ausdruck, dass eine breite
Mehrheit der Bevölkerung einen Wiederaufbau des
Hiltlhauses befürworten würde und das Thema Rekonstruktion mittlerweile auch in München „enttabuisiert“ ist. Man darf also darüber reden. Und das
wollen wir – mit Ihrer Unterstützung – gerne zeitnah
tun. Der Wettbewerb zur Neugestaltung soll bis Ende
des ersten Quartals 2015 beendet sein.
Wir freuen uns auf Ihre Antwort und hoffen auf
einen lebendigen Austausch.
Florian Grüning, Altstadtfreunde München
Schalten Sie ein: Radio Lora, am 8. Dezember 2014,
19.00 - 20.00 Uhr, UKW 92,4
In unserer Sendung geht es um die Zukunft des
öffentlichen Nahverkehrs in München und
Umgebung.
Die letzten Flächenreserven in München werden
entwickelt, das verschärft den Druck auf den ÖV
weiter und verursacht dringenden Handlungsbedarf.
Neue Mobilitätskonzepte sind der Schlüssel für eine
erfolgreiche Stadtentwicklung der Zukunft. Ursula
Ammermann im Gespräch mit Dr. Michael Droß: Wissenschaftlicher Referent an der TU München: Munich
Center for Technology in Society, Matthias Hintzen:
Leiter des Arbeitskreises Attraktiver Nahverkehr (AAN)
des Münchner Forums und Helmut Steyrer: Programmausschussvorsitzender des Münchner Forums. Architekt
und ehemaliger Stadtrat.
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