Grußwort von Herrn Vizepräsidenten Schrempf anlässlich des
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Grußwort von Herrn Vizepräsidenten Schrempf anlässlich des
Wolfgang Schulhoff KUNST UND KUNSTHANDWERK — ÜBERGÄNGE UND GRENZEN I. Haben Sie herzlichen Dank für Ihre freundliche Einladung. Ich freue mich sehr, heute Abend bei Ihnen zu sein. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ich will hier nur die wichtigsten drei kurz ansprechen. Zum Ersten befinden wir uns hier im „Palais Nesselrode“ in einem beeindruckenden Gebäude. Das Gebäude und seine Architektur allein wären Grund genug, hierherzukommen und an Ihrem Empfang teilzunehmen. Zum Zweiten befindet sich innerhalb dieses Gebäudekomplexes ein großartiges Museum. Für Freunde und Kenner von Keramik vermutlich sogar eines der bedeutendsten Museen weltweit. Die ältesten Funde in diesem Haus datieren von ca. 6.000 Jahren vor Christus. Das heißt: Wir bewundern hier Keramik-Erzeugnisse über die ungeheure Zeitspanne von rund 8.000 Jahren. Hinzu kommt zum Zweiten der besondere Charakter der Sammlung des Hetjens-Museums: Denn dieses Haus bietet – und eben das macht es so einzigartig – eine Gesamtübersicht. Eine Gesamtübersicht über die Keramik aller Kontinente. Ich bin sicher. Jeder, der wachen Auges durch diese Räume streift, wird meinen Eindruck teilen: Diese Keramiken - erschaffen und bewahrt über Tausende von Jahren und über alle Erdteile hinweg – erlauben uns unter anderem eine Zuordnung nach Kontinenten und Epochen. Damit geben sie uns die Chance zur Orientierung. Vortrag von Prof. Wolfgang Schulhoff, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, gehalten anlässlich des Neujahrsempfangs des Freundeskreises des Hetjens-Museums Düsseldorf in Düsseldorf am 18. Januar 2012. Im besten Falle sogar vermitteln sie uns so etwas wie Heimatoder sogar Zugehörigkeitsgefühle — woher immer man auch kommen mag! Man könnte auch sagen: Sie geben den verschiedenen Epochen ein Gesicht. Sie strukturieren Zeit und Raum! Der dritte Grund, warum ich mich freue, hier sein zu dürfen, sind natürlich die verschiedenen Verbindungslinien zwischen Keramik und Handwerk selbst. So handelt es sich bei den Techniken der Keramikherstellung um handwerkliche Techniken. Produkte aus Keramik sind zunächst einmal handwerkliche Erzeugnisse. Wie andere Produkte oder auch Anwendungen handelt es sich um ebenso frühe wie aussagestarke Zeugnisse der Geschichte der Menschheit. Sie sind Zeugnisse menschlicher Entwicklung, ja Zeugnisse des jeweiligen Zivilisationsgrades ihrer Kulturen. Nicht zuletzt sind sie auch Zeugnisse menschlicher Kompetenzaneignung. Von Beginn an lag einer der Hauptgründe für die Herstellung von Keramiken und anderer handwerklicher Erzeugnisse im Funktionalen: Sie war verbunden mit dem Ziel, Gegenstände des täglichen Lebens zur Befriedigung alltäglicher Bedürfnisse herzustellen. Das hergestellte Produkt sollte einem bestimmten Zweck entsprechen. Es sollte eine Aufgabe erfüllen. Gleichzeitig gab es von Beginn an auch einen schöpferischen Drang. Es gab von Beginn an auch Momente, über die reine Zweckmäßigkeit hinaus auch die Schönheit des Gegenstandes selbst herauszuarbeiten. Das war gewiss kein Zufall. Denn ich bin fest davon überzeugt: Das Streben nach Schönheit, wie es zum Beispiel in der bewussten Auswahl von Material und Form zum Ausdruck kommt, ist ureigenster, elementarer Bestandteil der Natur des Menschen. Nutzen und Zier sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille! Oder anders ausgedrückt: Nutzen und künstlerische Gestaltung. Wer je bewundernd vor einem künstlerisch veredelten Gefäß, welcher Verwendungsart auch immer, gestanden hat, der weiß, wovon ich rede. Seite 2 von 12 Eine letzte Verbindungslinie will ich noch kurz nennen: Sie liegt in der Person des Museumsgründers selbst. Denn der berühmte Sammler Laurenz Heinrich Hetjens hatte bekanntlich zuerst den handwerklichen Beruf des Polsterers und Sattlers gelernt. Und auch in seiner späteren Funktion als Direktor einer Glasmanufaktur in Aachen blieben noch zahlreiche handwerkliche Bezüge enthalten. Insofern ist er mir als Handwerksunternehmer sehr nah. Eines jedoch hat mich – wenn ich das noch mit einem gewissen Augenzwinkern anmerken darf – an Hetjens besonders beeindruckt: wie er auf unkonventionelle Weise der Stadt Düsseldorf die Gründung seines Museums abtrotzte. II. Erlauben Sie mir noch eine kurze Feststellung, die mir wichtig ist: Ich maße mir nicht an, heute zu Ihnen als Kunsthistoriker zu sprechen. Das ist nicht meine Profession. Ich spreche vielmehr als Ökonom und als Handwerker, der sich jedoch der Kunst zutiefst verbunden fühlt. Ein Wort noch zum Handwerk selbst. Ich habe in den vergangenen Jahren das Handwerk wiederholt als einen besonderen Wirtschaftsfaktor dargestellt. Ich habe in vielen Reden und Pressekonferenzen auf die Bedeutung des Handwerks hingewiesen. Insbesondere auch im Rahmen unserer zurzeit laufenden Imagekampagne. Dabei war es mir immer wichtig, nicht nur die rein wirtschaftliche Rolle des Handwerks herauszustellen, sondern gleichzeitig auch das Handwerk als eine Wertegemeinschaft zu präsentieren. Zu dieser Wertegemeinschaft gehören nicht nur die Curricula der besonderen handwerklichen Ausbildung, sondern gehört auch der Bezug des Handwerks zur Kultur. Kurzum: Kunst und Kultur sind zwingend Bestandteil unseres Werteverständnisses. Und unserer jahrtausendalten Tradition. Seite 3 von 12 III. Womit wir auch bei unserem Thema wären. Schon die mir vorgegebene Themenstellung „Kunst und Kunsthandwerk – Übergänge und Grenzen“ legt den Schluss nahe, dass Kunst und Kunsthandwerk eng miteinander verbunden sind. So lautet meine Eingangsthese: Kunst und Kunsthandwerk entspringen demselben `Born´. Sie sind Geschwister! Das lässt schon ein kurzer Blick zurück deutlich werden. Das Handwerk hat mit seinen Kunstwerken den Epochen ein Gesicht gegeben. Wenn wir an die einzelnen Hochkulturen der Weltgeschichte denken, so drängt sich vor unserem inneren Auge häufig ein handwerklich geschaffenes Meisterstück auf. Nur einige wenige Beispiele: Wenn wir Ägypten betrachten, sehen wir die Pyramiden. Aber gleichzeitig sehen wir die wunderschönen Goldarbeiten in den geöffneten Gräbern. Ich denke an Tutanchamun, ich denke an Nofretete, um nur zwei der berühmtesten Beispiele zu nennen. Ich denke an die hervorragenden persischen Keramiken, an die sagenhaften Tempelanlagen Kambodschas. Ich denke an die großen Epochen Chinas, an die Han- und die Tang-Dynastie oder auch an die wunderbaren Gläser und Keramiken der Ming-Dynastie. Und so könnte ich dies über viele Jahrhunderte fortsetzen. — Alles Produkte handwerklichen Könnens. Folgen wir dem Lauf der Geschichte ins Mittelalter. Eine Epoche, von der wir auch über deren Künstler mehr zu wissen beginnen. Der Künstler des Mittelalters hatte ein weitgehend handwerkliches Selbstverständnis. So gut wie alle uns bekannten großen Künstler hatten eine oder gar mehrere handwerkliche Ausbildungen erfolgreich absolviert. Ich denke hier an Dürer, an Riemenschneider, an Michelangelo und viele andere. Seite 4 von 12 Gehen wir einige Jahrhunderte weiter. Selbst für Goethe noch war eine handwerkliche Ausbildung das Maß der Dinge. So formulierte er einst in Wilhelm Meisters Wanderjahren: Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muß das Handwerk vorausgehen, welches in der Beschränkung erworben wird. Ich wiederhole: … in der Beschränkung erworben. Hier klingt auch das Moment des Könnens, des wirklichen Beherrschens `einer´ Sache an. Also sich nicht zu verzetteln, sondern wirklich Meister einer Sache zu sein. Im Übrigen ist der ganze Wilhelm Meister eine einzige Eloge auf die Ausbildungskultur des Handwerks. Kunsthandwerker und Künstler waren also Eins! — Nicht immer, aber doch meistens. Ihre spätere Trennung ist eine Entwicklung vor allem des 19. und 20. Jahrhunderts. Hierbei spielten vorrangig ökonomische Gründe eine Rolle. Aber daneben auch das im Zuge der Gewerbefreiheit im 18. Jahrhundert vorgenommene Verbot der Zünfte in vielen Bereichen Deutschlands. Mit Aufkommen und Fortschreiten der Industrialisierung in Europa geriet das Handwerk in´s Hintertreffen. Reichtum versprach nun die Industrie. Der einst „Goldene Boden“ des Handwerks schien abgetragen. Hinzu kam, vereinfacht gesagt: Der handwerklichen Herstellung von Erzeugnissen haftete bald etwas Altbackenes an. Industrielle Produkte dagegen genossen den Ruf der Modernität. Dadurch entstand zweifellos eine bis dahin ungekannte Dynamik. Mit Bewegungen und Gegenbewegungen. Gründungen wie die britische „arts and crafts“-Bewegung, wie der „Deutsche Werkbund“, aber auch das „Bauhaus“, wären ohne dies undenkbar. Seite 5 von 12 Aber das Bauhaus wäre ebenfalls nicht denkbar ohne das damals wieder aufblühende Handwerk. Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man nämlich auf´s Neue, welche Bedeutung das Handwerk für die Qualität der Arbeit hat. Und so wurde mit der Bildung der Handwerkskammern wieder die Grundlage für eine funktionierende Handwerkausbildung neu gelegt. Zurück zum Bauhaus: Die dort Tätigen waren sich der Bedeutung des handwerklichen Tuns nur zu gut bewusst, wie ein berühmtes, programmatisches Zitat des Bauhaus-Gründers Walter Gropius aus dem Jahre 1919 deutlich macht. Dort heißt es: Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück. Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. In diesem Zitat klingen natürlich auch schon die geistigen Auseinandersetzungen der Zeit an, die damals mit den genannten Bewegungen verbunden waren. Dazu zählten zum Beispiel auch die intensiv geführten Diskussionen um Aspekte wie Unikat versus industrielle Formgebung, um die Wiederholbarkeit von Herstellungsprozessen, also letztlich um Wirtschaftlichkeit. Ich kann das hier nicht näher ausführen, soviel aber sei gesagt: All das blieb natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Ausbildung von Kunsthandwerkern und Künstlern. Überall in Europa kamen damals neue Ausbildungsmöglichkeiten für Künstler hinzu: „Kunstakademien“, „Kunstgewerbeschulen“ oder Einrichtungen ähnlicher Art. Dabei trat die ursprünglich handwerkliche Basis aller künstlerischen Ausbildung zunehmend in den Hintergrund. Ich wage zu behaupten: Das hat der Sache nicht immer gut getan. Denn ohne jede Einschränkung gilt bis heute: Eine fundierte handwerkliche Ausbildung hat noch keinem geschadet. Im Gegenteil! Seite 6 von 12 Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe selbst nach meinem Abitur eine Lehre im Installationshandwerk absolviert beziehungsweise absolvieren müssen. Weil mein Vater darauf großen Wert legte; ich wollte sofort studieren. Viel später erst, als Unternehmer, als Politiker und als Professor an einer Hochschule, wurde mir der wirkliche Wert dieser Ausbildung bewusst. Denn diese handwerkliche Arbeit hat mir gezeigt, welche befreiende Wirkung es hat, ein Werk mit seinen eigenen Händen zu vollbringen. Denn Lebenswirklichkeit prägt oft mehr als alle Theorie. Betrachten wir nun einmal das Verhältnis von Kunst und Kunsthandwerk heute. Fragen wir nach dem Gemeinsamen, fragen wir nach dem Trennenden. Ich will versuchen, das an einigen wenigen Punkten deutlich zu machen. Dabei bin ich mir im Klaren, dass ich hierbei „idealiter“ argumentiere. Ausnahmen und Gegenbeispiele werden sich immer finden lassen. Nehmen wir zum Beispiel einmal die aus Kunst oder Kunsthandwerk entstehenden Werke beziehungsweise Produkte. Was ich eingangs über die Beziehung von Keramik und Handwerk ausführte, gilt ebenso auch für die Beziehung von Kunst und Kunsthandwerk. Auch in diesem Falle sind die Ergebnisse künstlerischen beziehungsweise kunsthandwerklichen Schaffens in der Regel `Kinder ihrer Zeit´. Im Guten wie im Schlechten. In höchst unterschiedlichen Qualitäten. In jedem Falle spiegeln sie, damals wie heute, ihre jeweilige Herkunft und ihre Epoche wider. Wobei sie sowohl Ausdruck ihrer Zeit sind als auch – im wirkungsträchtigsten Falle – prägendes Merkmal oder gar Mitgestalter ihrer Zeit. Nehmen wir den Entstehungsprozess beziehungsweise den Planungsprozess in den Blick: Sowohl beim Kunsthandwerker wie auch beim Künstler gibt es eine ausführliche Planungsphase. Beide machen sich zum Beispiel intensiv Gedanken über Material, Form und Farbe dessen, was sie schaffen wollen. Unterschiede mag es geben, was zum Beispiel den Gedanken der Verwendungsfähigkeit angeht. Tendenziell wird ein Kunsthandwerker diesem Moment eine spürbar höhere Beachtung Seite 7 von 12 schenken. Auch dem Kriterium der Dauerhaftigkeit des später entstehenden Werkes könnte ein verschiedener Stellenwert zukommen. Manchem Kunstwerk ist es vom Künstler sogar vorbestimmt, `zu vergehen´. Es gehört dann zum Charakter des Kunstwerkes selbst. — Der Kunsthandwerker hingegen denkt schon im Vorhinein auch an den Kunden. Und für diesen sind in aller Regel Merkmale wie Verwendungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit von hoher Bedeutung. Womit wir bei der Unterscheidung von Kunst und Kunsthandwerk angelangt wären, an die vermutlich stets zuerst gedacht wird: bei der Ökonomie. Kunsthandwerk ist Handwerk. Das heißt auch: Es bewegt sich in einem Markt. Es stellt ein Produkt her. Es kennt einen Kunden. Es will das Produkt an einen Kunden veräußern. Der Anspruch des Kunsthandwerkers ist, von seinem kunsthandwerklichen Tun leben zu wollen. Kurz: Kunsthandwerk ist zu 100 Prozent marktnah. Kunsthandwerk ist Broterwerb. Auf der anderen Seite die Kunst: … die Kunst ist eine Tochter der Freiheit, und von der Notwendigkeit der Geister, nicht von der Notdurft der Materie will sie ihre Vorschrift empfangen. So können wir es lesen in Schillers Abhandlung Über die ästhetische Erziehung des Menschen. In die gleiche Richtung geht Ludwig Uhland: Würdig ehren wir die Meister, aber frei ist uns die Kunst. Die Freiheit des Künstlers! — Das ist, zumindest im Idealfall, in der Tat ein veritabler Unterschied. Seite 8 von 12 Der Künstler, der – im Gegensatz zum Kunsthandwerker – sich allein von seinem ihm ureigenen schöpferischen Drang bestimmen lässt. Für den die Frage, ob sein Werk Anderen gefallen könnte, oft ohne Bedeutung ist. Er ist allein seinem Werk verpflichtet. Er hat eine Vision. Und diese will er umsetzen. Wo dies gelingt, werden wir durch großartige Ergebnisse beschenkt. Die Kehrseite: Für den Künstler selbst kann es bedeuten, dass ihm Lob und Anerkennung, aber oft auch materieller Ertrag, erst zu seinen späten Lebzeiten oder gar erst nach seinem Tode zu Teil werden. Ich will hier, stellvertretend für viele andere, nur an ein, wenn auch herausragendes, Beispiel erinnern: Vincent van Gogh! Sehr viele Künstler betreiben Kunst nicht als ihren Brotberuf. Sie könnten davon nicht leben. Wenn sie es auch wollten, sie könnten es nicht. Ein (Kunst)-Handwerker dagegen, der was kann, der hat auch heute sein Auskommen. Wenn auch leider nicht alle. Kunst zu schaffen, ist primär kein Teil des ökonomischen Prozesses. Die Motivation, ein Bild, eine Skulptur, eine Keramik herzustellen, ist tendenziell markt-fern. Hierin liegt in der Tat ein wesentlicher Unterschied zwischen Kunst und Kunsthandwerk. Damit jedoch ist die Frage nach Antrieb und Einstellung desjenigen, der ein Werk oder auch ein Produkt herstellt, noch nicht erschöpfend beantwortet. Der große amerikanische Soziologe Richard Sennett hat vor einiger Zeit ein vielbeachtetes Buch mit dem Titel „Handwerk“ verfasst. Was für ihn – also Sennett – Handwerk im ursprünglichsten Sinne bedeutet, beschreibt er wie folgt: Handwerk bedeutet für mich das Prinzip des Erlernens und Übens von Fertigkeiten, persönliches Engagement und den Wunsch und die Fähigkeit, eine Arbeit um ihrer selbst willen gut zu machen. Ein Prinzip, das auch in anderen Wirtschaftsbereichen, aber beispielsweise auch in der Wissenschaft, vorhanden sein kann. Seite 9 von 12 Nun gilt das Sennett-Zitat natürlich auch für das Kunsthandwerk. Vielleicht sogar in besonderer Weise. Und sicherlich gilt es auch für die Kunst. Denn auch der Künstler will seine Arbeit um ihrer selbst willen gut machen (Sennett). Er personifiziert sich mit seiner Arbeit. Mit jedem seiner Werke will er das vorhergehende und sich selbst übertreffen. Zumindest im Idealfall. Ich muss einen erläuternden Satz anfügen: Sennett geht es dabei nicht nur um das Handwerk im engeren Sinne, sondern um ein für ihn mit dem Handwerk verbundenes `handwerkliches Prinzip´. Auch diesbezüglich scheint mir das Gemeinsame zwischen Kunst und Kunsthandwerk vorherrschender zu sein als das Trennende. „Kunst und Kunsthandwerk – Übergänge und Grenzen …“ — Um in diesem Bild zu bleiben: Ich sehe deutlich mehr Übergänge denn Grenzen. Und das auch im Zeitablauf. Als 1964 die „Zero“Künstler auf der „documenta“ mit ihren kinetischen Arbeiten auftraten, wurden diese zunächst als kunsthandwerklich abqualifiziert. — Und wie werden sie heute bewertet, frage ich Sie!? Damit sind wir bei meiner letzten, vielleicht größten Problematik angelangt: Wer entscheidet, meine Damen und Herren, was nun Kunst, und was nun nur (!?) Kunsthandwerk sein soll? Und nach welchen Kriterien wird entschieden? Das ist nämlich im Einzelfall alles andere als leicht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Ich habe seit einigen Jahren die Ehre, der Jury der Ausstellung „MANUFACTUM“ angehören zu dürfen. Alle zwei Jahre kürt die MANUFACTUM die besten kunsthandwerklichen Arbeiten mit dem „Staatspreis für das Kunsthandwerk in Nordrhein-Westfalen“. Die jeweiligen Staatspreise werden in einzelnen Kategorien wie Schmuck, Holz, Glas oder auch Textil vergeben. Zu jeder MANUFACTUM werden rund 350 Arbeiten eingereicht. Nur 8 bis 10 von ihnen können den Staatspreis erhalten. Allein die Auswahl zu treffen, ist schon schwer. Die Übergänge von Kunst und Kunsthandwerk erscheinen mir absolut fließend. Was für mich im Vordergrund steht, ist einzig die Qualität, die Verfahrenstechnik, die Originalität sowie der Seite 10 von 12 künstlerische Anspruch und die Schönheit der zum Wettbewerb eingereichten Arbeiten. Und ganz offensichtlich stehe ich mit einer solchen Einstellung auch nicht allein. Das zeigt mir gerade ein brandaktuelles Beispiel. Die Rheinische Post berichtete am letzten Samstag, dass demnächst eine Ausstellung mit Arbeiten des bekannten Düsseldorfer Goldschmiedes Georg Hornemann zu sehen sein wird. Eine Ausstellung mit Werken eines Goldschmieds, das allein wäre noch keine Nachricht. Aber höchst bemerkenswert ist der Ort, an dem diese Ausstellung zu sehen sein wird: nämlich im Duisburger Lehmbruck-Museum! Und dieses gehört zu den renomiierten Kunstmuseen unseres Landes! Ich folgere daraus: Ganz offensichtlich sind die Werke des Goldschmiedes Georg Hornemann für den Direktor des Lehmbruck-Museums, den Kunsthistoriker Prof. Stecker, auch Kunstwerke! IV. Sie merken es, meine Damen und Herren: Kunst und Kunsthandwerk waren und sind eng verwandt. Ich sagte eingangs: Sie sind Geschwister! Ich möchte noch einen Schritt weitergehen: Wir haben es meiner Ansicht nach mit Zwillingen zu tun. Wenn auch nicht mit eineiigen. Das hieße die durchaus vorhandenen Unterschiede zu verwischen. Aber doch mit Zwillingen! Beide entspringen sie derselben Quelle. Zu einem gut Teil sind sie wesensgleich. Zudem beeinflussen sie sich häufig gegenseitig. Kurz: Das eine scheint mir ohne das andere schwer vorstellbar. Wichtig ist mir noch der Gedanke, dass wir unseren Blick für Qualität, Originalität und Schönheit laufend schärfen. Wobei Schönheit nicht dem Mainstream zu folgen hat. Vielleicht sogar, gebe ich zu überlegen, ihm widersprechen sollte!? Seite 11 von 12 Lassen Sie mich mit einem Zitat des großen Franz Kafka schließen: Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes, erfülltes und von viel Schönheit geprägtes neues Jahr. Ich bedanke mich für Ihre geduldige Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank. Seite 12 von 12