Native Elektrophorese von Membranproteinen
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Native Elektrophorese von Membranproteinen
492_522_BIOsp_0508.qxd 21.08.2008 8:21 Uhr Seite 499 M ETHODEN & ANWEND UNG E N 499 Proteomanalyse Native Elektrophorese von Membranproteinen ILKA WITTIG ZENTRUM DER BIOLOGISCHEN CHEMIE, MOLEKUL ARE BIOENERGETIK, JOHANN WOLFGANG GOETHE-UNIVERSITÄT FRANKFURT Native Elektrophoresesysteme und Kombinationen mit weiteren nativen und denaturierenden Gelen haben sich für die Proteomanalyse von Membranproteinkomplexen bewährt. Neuere Weiterentwicklungen werden vorgestellt. Native electrophoresis separates native membrane proteins and protein complexes. ó Membranproteine und Membranproteinkomplexe haben als Enzyme, Rezeptoren, Transport- und Verbindungsproteine essenzielle Funktionen z. B. bei Zellatmung, Photosynthese, Signaltransduktion, Immunantwort und Zell-Zell-Kontakten. Da Membranproteine in der klassischen auf 2-D IEF/SDS-PAGE basierenden Proteomanalyse unterrepräsentiert sind, ist oft eine Vorfraktionierung komplexer Mischungen durch chromatografische Verfahren, Dichtegradientenzentrifugation oder native Elektrophorese notwendig. Die Blau-Nativ-Elektrophorese (BNE oder BN-PAGE) wurde von Hermann Schägger ursprünglich zur Isolierung von Membranproteinkomplexen aus Mitochondrien entwickelt[1, 2]. Heute ist die BNE die Basis für viele biologische, biochemische und klinische Untersuchungen von Proteinkomplexen, vor allem von Membranproteinkomplexen[3]. Probenvorbereitung – Wahl des Detergens-Typs Milde neutrale Detergenzien lösen Membranproteinkomplexe in einem Puffer niedriger Ionenstärke und neutralem pH aus Zellorganellen, der Plasmamembran und Zellbzw. Gewebehomogenaten[4]. Für die Solubilisierung eignen sich vor allem neutrale Detergenzien mit niedriger kritischer Mizellenkonzentration (CMC). Am häufigsten finden Dodecylmaltosid (DDM) und Triton X-100 Verwendung, z. B. zum Herauslösen von mitoBIOspektrum | 05.08 | 14. Jahrgang chondrialen Komplexen in Form der stabilen individuellen Komplexe I–V (Abb. 1). Digitonin, ein noch milderes Detergens, ist dagegen optimal für die Isolierung von labileren Superkomplexen (Abb. 2). Die BNE trennt Proteinkomplexe nach ihrer Größe in einem Acrylamid-Gradientengel. Ein 4–13%iges Acrylamidgel ist z. B. für den Bereich von 10 kDa bis 1 MDa geeignet (Abb. 1). Ein 3–13%iges Gel ermöglicht die Trennung von Superkomplexen im Bereich von 1–10 MDa (Abb. 2A). Die Proteine wandern im Gradientengel kontinuierlich langsamer, bis sie bei einer limitierenden Porengröße stehen bleiben. Die meisten Proteinkomplexe bleiben intakt und enzymatisch aktiv. Bei ausreichender Proteinmenge sind sie als blaue Banden sichtbar. Elektroeluate der blauen Banden werden für massenspektrometrische Proteinidentifizierungen, elektronenmikroskopische Einzelpartikelanalysen und zur Herstellung polyklonaler Antikörper verwendet. 1-D Nativ-Elektrophoresesysteme – Isolierung von Membranproteinkomplexen Der anionische blaue Farbstoff Coomassie Brilliant Blue G-250, der für die BNE benötigt wird, wird der gelösten Probe und dem Kathodenpuffer zugesetzt. Er bindet an hydrophobe Proteinoberflächen und bewirkt damit eine Beladung mit Anionen und einen charge shift. Hydrophobe Proteine mit vielen gebundenen Farbstoffmolekülen sind dadurch weitgehend gegen Aggregation geschützt, und sie werden dadurch wasserlöslich. Ein Zusatz von Detergenzien zum Gel, der zu Instabilität und Dissoziation von Komplexen führen könnte, ist daher weder sinnvoll noch notwendig. Wegen der negativen Aufladung wandern Coomassie-Proteinkomplexe in der BNE zur Anode. Der Farbstoff bindet auch an basische Aminosäuren von wasserlöslichen Proteinen. Deswegen können sehr basische Proteine wie das Cytochrom c mit einem pI von 10,7 bei neutralem pH im Gel zur Anode wandern. Es gibt jedoch einige neutrale und basische wasserlösliche Proteine, die keinen Farbstoff binden. Diese Proteine wandern nicht ins Gel ein und sind somit verloren. ˚ Abb. 1: Molekulargewichtsstandards für die 1-D BNE. Rinderherz-Mitochondrien wurden in Lysepuffer (50 mM Imidazol, 50 mM NaCl, 2 mM Aminocapronsäure, 1 mM EDTA, pH 7) mit 2,5 g/g DDM aufgelöst und 15 min bei 100.000 g zentrifugiert. Die mit BNE getrennten mitochondrialen Komplexe I–V (I–V) sind als Eichproteine zur Massenbestimmung von Membranproteinkomplexen geeignet. 492_522_BIOsp_0508.qxd 500 21.08.2008 8:22 Uhr Seite 500 MET H ODE N & AN WE N DU NGEN ¯ Abb. 2: 2-D BN/SDS-PAGE von Superkomplexen der Atmungskette. A, Superkomplexe der Atmungskette (S, 1,5–2,3 MDa), dimere und monomere ATP-Synthase (VD und VM) und die Atmungskettenkomplexe I, III und IV (I, III, IV) wurden mit Digitonin aus Mäuseherz-Mitochondrien gelöst und mittels BNE getrennt. B, Die mitochondrialen Membranproteinkomplexe zerfallen in der 2-D SDS-PAGE in ihre Untereinheiten. ¯ Abb. 3: 4-D Elektrophorese einer mitochondrialen ATPSynthase. A, Rattenherz-Mitochondrien wurden mit Digitonin solubilisiert und die Proteinkomplexe mittels 1-D BNE getrennt. B, Zusatz von DDM bei der 2-D BNE dissoziiert Superkomplexe in Einzelkomplexe. C, dSDS-PAGE der in B rot markierten ATPSynthase. Die hydrophoben Untereinheiten (a, c) sind von der Diagonale der hydrophileren Untereinheiten getrennt. Die Verwendung des Coomassie-Farbstoffs kann auch störende Auswirkungen haben. Die Kombination des für die Solubilisierung der Membranproteine verwendeten Detergens mit dem Farbstoff generiert nämlich anionische Mischmizellen, die labile Untereinheiten von den Proteinkomplexen ablösen oder Superkomplexe dissoziieren können. Der Farbstoff stört auch In-Gel-Aktivitätstests für verschiedene Enzyme[3] und unterdrückt Signale von Fluoreszenzfarbstoffen und fluoreszierenden Proteinen (GFP). Für solche Anwendungen hat sich die clear nativeElektrophorese (CNE) bewährt. Die Probenvorbereitung ist identisch wie für die BNE, jedoch erfolgt kein Zusatz des anionischen Farbstoffs. Die Proteine werden also nicht negativ aufgeladen. Allein die Eigenladung der Proteine entscheidet, in welche Richtung die Proteine während der Elektrophorese wandern. Die CNE trennt also nur Proteine mit pI < 7. Proteine mit pI > 7 wandern in den Kathodenpuffer und sind dort verloren. Die CNE ist für die Fluoreszenzdetektion im Gel und für die In-Gel-Bestimmung von Enzymaktivitäten viel sensitiver als die BNE, und sie ist milder als alle anderen NativElektrophoresesysteme. Labile Superkomplexe bleiben während der elektrophoretischen Trennung besser erhalten[5]. Diesen Vorteilen stehen eine reduzierte Trennleistung, die Gefahr von Proteinaggregationen und die Limitierung auf die Trennung von sauren Proteinen gegenüber. Dies hat dazu beigetragen, dass die CNE selten verwendet wird. Die neu entwickelte high resolution-CNE (hrCNE) vereint die Vorteile von BNE und CNE[6]. Hier verleihen Mischmizellen aus neutralen und anionischen Detergenzien den Proteinen negative Ladungen. Membranproteine wandern also unabhängig von ihrer Eigenladung zur Anode, ähnlich wie bei der BNE. Die Trennleistung ist vergleichbar mit BNE, In-Gel-Enzymaktivitäten und Fluoreszenzdetektion sind vergleichbar mit CNE. Leider ist die hrCNE nicht so mild wie die CNE. Durch den Einsatz der detergenshaltigen anionischen Mischmizellen können labile Interaktionspartner von den Proteinkomplexen dissoziieren, ähnlich wie bei der BNE. Dem Anwender stehen nun drei native Gelelektrophoresen zur Verfügung. hrCNE ist optimal für die Fluoreszenzdetektion und InGel-Enzymaktivitätstests. Solange diese Anwendungen nicht im Vordergrund stehen, verwenden wir die robuste BNE. Für die Isolierung und Charakterisierung physiologiBIOspektrum | 05.08 | 14. Jahrgang 492_522_BIOsp_0508.qxd 21.08.2008 8:22 Uhr scher Überstrukturen ist die CNE am besten geeignet. Molekulargewichtsstandards für BNE Für die Bestimmung der nativen Proteinmassen und des oligomeren Zustands von Proteinkomplexen reichen wenige Mikrogramm der solubilisierten Proteine aus. Als Molekulargewichtsstandard wird gern ein Solubilisat aus Rinderherz-Mitochondrien mit den mitochondrialen Komplexen I–V verwendet (Abb. 1). Einige wasserlösliche Proteine eignen sich, mit Einschränkungen, als Eichproteine für die Massenbestimmung[2]. Für die Analyse von Membranproteinen werden am besten Membranproteine zur Eichung verwendet, die mit dem gleichen Detergens solubilisiert wurden. Die gebundenen Farbstoff- und Lipidmengen scheinen dann vergleichbar. Seite 501 Front (Abb. 3B, unten). Zur Identifizierung dieser Proteine können Streifen aus dem 2D Nativ-Gel ausgeschnitten werden und in einem 3-D SDS-Gel (nicht gezeigt, analog zu Abb. 2) aufgetrennt werden. Die im 2-D BN/BN-Gel verbliebenen intakten Komplexe (z. B. ATP-Synthase, rot markiert in Abb. 3B) werden besser mithilfe der doppelten SDS-PAGE (dSDS-PAGE, Abb. 3C) weiter aufgetrennt. In diesem aus zwei orthogonalen SDS-Gelen bestehenden System sind die sehr hydrophoben Proteine, getrennt von allen hydrophileren Proteinen, oberhalb der Diagonale der hydrophilen Proteine zu finden[9]. Die damit erreichte Trennung von hydrophoben und hydrophilen Proteinen hat die Identifizierung von hydrophoben Proteinen mit Massenspektrometrie (MALDI-MS) entscheidend verbessert. ó Literatur 2-D Gele – Reduktion der Komplexität einer Probe Die 2-D BN/SDS-PAGE ist die am häufigsten genutzte Technik (Abb. 2). Sie wird zur Bestimmung von nativer Masse, Oligomerisierungsgrad, Proteinzusammensetzung und zur Quantifizierung von Proteinkomplexen verwendet. Für die SDS-PAGE in der zweiten Dimension hat sich die Tricin-SDSPAGE durchgesetzt[7]. Die einzelnen Proteine können massenspektrometrisch, mit Western Blots oder anhand ihrer charakteristischen Proteinmuster in gefärbten Gelen identifiziert werden. 2-D BNE/SDS-Gele eignen sich auch für die densitometrische Quantifizierung von Proteinkomplexen, z. B. in der Diagnostik mitochondrialer Erkrankungen[8]. Ein völlig anderer Typ von 2-D Gelen ist die 2-D BNE/BNE, die sich aus zwei orthogonalen nativen Elektrophoresen zusammensetzt (Abb. 3A und B). Mit einem 1-D BN-Gel (Detergens Digitonin) werden zunächst größere physiologische Membranproteinkomplexe und Superkomplexe getrennt. Ein anschließendes 2-D BN-Gel (mit Zusatz des Detergens DDM zum Kathodenpuffer) reduziert die Komplexität der Probe, denn die Superkomplexe zerfallen in ihre Einzelkomplexe (Abb. 3A und B). 3-D und 4-D Elektrophoresen – Trennen von hydrophoben und hydrophilen Proteinen Labile Interaktionspartner von Proteinkomplexen findet man in 2fach nativen BN/BN-Gelen an der elektrophoretischen BIOspektrum | 05.08 | 14. Jahrgang [1] Schägger, H., von Jagow, G. (1991): Blue native electrophoresis for isolation of membrane protein complexes in enzymatically active form. Anal. Biochem. 199: 223–231. [2] Schägger, H., Cramer, W. A., von Jagow, G. (1994): Analysis of molecular masses and oligomeric states of protein complexes by blue native electrophoresis and isolation of membrane protein complexes by two-dimensional native electrophoresis. Anal. Biochem. 217: 220–230. [3] Wittig, I., Schägger, H. (2008): Features and applications of blue-native and clear-native electrophoresis. Proteomics (in press). [4] Wittig, I., Braun, H. P., Schägger, H. (2006): Blue native PAGE. Nat. Protoc. 1: 418–428. [5] Wittig, I., Schägger, H. (2005): Advantages and limitations of clear-native PAGE. Proteomics 5: 4338–4346. [6] Wittig, I., Karas, M., Schägger, H. (2007): High resolution clear native electrophoresis for in-gel functional assays and fluorescence studies of membrane protein complexes. Mol. Cell Proteomics 6: 1215–1225. [7] Schägger, H. (2006): Tricine-SDS-PAGE. Nat. Protoc. 1: 16–22. [8] Carrozzo, R., Wittig, I., Santorelli, F. M., Bertini, E., Hofmann, S., Brandt, U., Schägger, H. (2006): Subcomplexes of human ATP synthase mark mitochondrial biosynthesis disorders. Ann. Neurol. 59: 265–275. [9] Rais, I., Karas, M., Schägger, H. (2004): Two-dimensional electrophoresis for the isolation of integral membrane proteins and mass spectrometric identification. Proteomics 4: 2567–2571. Korrespondenzadresse: Dr. Ilka Wittig Molekulare Bioenergetik, ZBC Universitätsklinikum Theodor-Stern-Kai 7, Haus 26 D-60590 Frankfurt a. M. Tel.: 069-6301-6933 Fax: 069-6301-6970 wittig@zbc.kgu.de www.zbc.kgu.de/Bioenergetik