Native Elektrophorese von Membranproteinen

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M ETHODEN & ANWEND UNG E N
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Proteomanalyse
Native Elektrophorese von
Membranproteinen
ILKA WITTIG
ZENTRUM DER BIOLOGISCHEN CHEMIE, MOLEKUL ARE BIOENERGETIK,
JOHANN WOLFGANG GOETHE-UNIVERSITÄT FRANKFURT
Native Elektrophoresesysteme und Kombinationen mit weiteren nativen
und denaturierenden Gelen haben sich für die Proteomanalyse von Membranproteinkomplexen bewährt. Neuere Weiterentwicklungen werden
vorgestellt.
Native electrophoresis separates native membrane proteins and protein
complexes.
ó Membranproteine und Membranproteinkomplexe haben als Enzyme, Rezeptoren,
Transport- und Verbindungsproteine essenzielle Funktionen z. B. bei Zellatmung, Photosynthese, Signaltransduktion, Immunantwort
und Zell-Zell-Kontakten. Da Membranproteine in der klassischen auf 2-D IEF/SDS-PAGE
basierenden Proteomanalyse unterrepräsentiert sind, ist oft eine Vorfraktionierung komplexer Mischungen durch chromatografische
Verfahren, Dichtegradientenzentrifugation
oder native Elektrophorese notwendig.
Die Blau-Nativ-Elektrophorese (BNE oder
BN-PAGE) wurde von Hermann Schägger
ursprünglich zur Isolierung von Membranproteinkomplexen aus Mitochondrien entwickelt[1, 2]. Heute ist die BNE die Basis für viele biologische, biochemische und klinische
Untersuchungen von Proteinkomplexen, vor
allem von Membranproteinkomplexen[3].
Probenvorbereitung – Wahl des
Detergens-Typs
Milde neutrale Detergenzien lösen Membranproteinkomplexe in einem Puffer niedriger Ionenstärke und neutralem pH aus Zellorganellen, der Plasmamembran und Zellbzw. Gewebehomogenaten[4]. Für die Solubilisierung eignen sich vor allem neutrale Detergenzien mit niedriger kritischer Mizellenkonzentration (CMC). Am häufigsten finden
Dodecylmaltosid (DDM) und Triton X-100 Verwendung, z. B. zum Herauslösen von mitoBIOspektrum | 05.08 | 14. Jahrgang
chondrialen Komplexen in Form der stabilen
individuellen Komplexe I–V (Abb. 1). Digitonin, ein noch milderes Detergens, ist dagegen optimal für die Isolierung von labileren
Superkomplexen (Abb. 2).
Die BNE trennt Proteinkomplexe nach ihrer
Größe in einem Acrylamid-Gradientengel.
Ein 4–13%iges Acrylamidgel ist z. B. für den
Bereich von 10 kDa bis 1 MDa geeignet (Abb.
1). Ein 3–13%iges Gel ermöglicht die Trennung von Superkomplexen im Bereich von
1–10 MDa (Abb. 2A). Die Proteine wandern
im Gradientengel kontinuierlich langsamer,
bis sie bei einer limitierenden Porengröße
stehen bleiben. Die meisten Proteinkomplexe bleiben intakt und enzymatisch aktiv. Bei
ausreichender Proteinmenge sind sie als
blaue Banden sichtbar. Elektroeluate der
blauen Banden werden für massenspektrometrische Proteinidentifizierungen, elektronenmikroskopische Einzelpartikelanalysen
und zur Herstellung polyklonaler Antikörper verwendet.
1-D Nativ-Elektrophoresesysteme –
Isolierung von Membranproteinkomplexen
Der anionische blaue Farbstoff Coomassie
Brilliant Blue G-250, der für die BNE benötigt wird, wird der gelösten Probe und dem
Kathodenpuffer zugesetzt. Er bindet an hydrophobe Proteinoberflächen und bewirkt damit
eine Beladung mit Anionen und einen charge
shift. Hydrophobe Proteine mit vielen gebundenen Farbstoffmolekülen sind dadurch weitgehend gegen Aggregation geschützt, und sie
werden dadurch wasserlöslich. Ein Zusatz
von Detergenzien zum Gel, der zu Instabilität
und Dissoziation von Komplexen führen könnte, ist daher weder sinnvoll noch notwendig.
Wegen der negativen Aufladung wandern
Coomassie-Proteinkomplexe in der BNE zur
Anode. Der Farbstoff bindet auch an basische
Aminosäuren von wasserlöslichen Proteinen.
Deswegen können sehr basische Proteine wie
das Cytochrom c mit einem pI von 10,7 bei
neutralem pH im Gel zur Anode wandern. Es
gibt jedoch einige neutrale und basische wasserlösliche Proteine, die keinen Farbstoff binden. Diese Proteine wandern nicht ins Gel ein
und sind somit verloren.
˚ Abb. 1: Molekulargewichtsstandards für
die 1-D BNE. Rinderherz-Mitochondrien wurden in Lysepuffer (50 mM Imidazol, 50 mM
NaCl, 2 mM Aminocapronsäure, 1 mM EDTA,
pH 7) mit 2,5 g/g DDM aufgelöst und 15 min
bei 100.000 g zentrifugiert. Die mit BNE
getrennten mitochondrialen Komplexe I–V
(I–V) sind als Eichproteine zur Massenbestimmung von Membranproteinkomplexen
geeignet.
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MET H ODE N & AN WE N DU NGEN
¯ Abb. 2: 2-D
BN/SDS-PAGE von
Superkomplexen der
Atmungskette. A,
Superkomplexe der
Atmungskette (S,
1,5–2,3 MDa), dimere und monomere
ATP-Synthase (VD
und VM) und die
Atmungskettenkomplexe I, III und IV (I,
III, IV) wurden mit
Digitonin aus Mäuseherz-Mitochondrien
gelöst und mittels
BNE getrennt. B, Die
mitochondrialen
Membranproteinkomplexe zerfallen in
der 2-D SDS-PAGE in
ihre Untereinheiten.
¯ Abb. 3: 4-D
Elektrophorese einer
mitochondrialen ATPSynthase. A, Rattenherz-Mitochondrien
wurden mit Digitonin
solubilisiert und die
Proteinkomplexe
mittels 1-D BNE
getrennt. B, Zusatz
von DDM bei der 2-D
BNE dissoziiert
Superkomplexe in
Einzelkomplexe. C,
dSDS-PAGE der in B
rot markierten ATPSynthase. Die hydrophoben Untereinheiten (a, c) sind von
der Diagonale der
hydrophileren Untereinheiten getrennt.
Die Verwendung des Coomassie-Farbstoffs
kann auch störende Auswirkungen haben.
Die Kombination des für die Solubilisierung
der Membranproteine verwendeten Detergens mit dem Farbstoff generiert nämlich
anionische Mischmizellen, die labile Untereinheiten von den Proteinkomplexen ablösen
oder Superkomplexe dissoziieren können.
Der Farbstoff stört auch In-Gel-Aktivitätstests
für verschiedene Enzyme[3] und unterdrückt
Signale von Fluoreszenzfarbstoffen und fluoreszierenden Proteinen (GFP). Für solche
Anwendungen hat sich die clear nativeElektrophorese (CNE) bewährt. Die Probenvorbereitung ist identisch wie für die BNE,
jedoch erfolgt kein Zusatz des anionischen
Farbstoffs. Die Proteine werden also nicht
negativ aufgeladen. Allein die Eigenladung
der Proteine entscheidet, in welche Richtung
die Proteine während der Elektrophorese
wandern. Die CNE trennt also nur Proteine
mit pI < 7. Proteine mit pI > 7 wandern in
den Kathodenpuffer und sind dort verloren.
Die CNE ist für die Fluoreszenzdetektion im
Gel und für die In-Gel-Bestimmung von
Enzymaktivitäten viel sensitiver als die BNE,
und sie ist milder als alle anderen NativElektrophoresesysteme. Labile Superkomplexe bleiben während der elektrophoretischen Trennung besser erhalten[5]. Diesen
Vorteilen stehen eine reduzierte Trennleistung, die Gefahr von Proteinaggregationen
und die Limitierung auf die Trennung von
sauren Proteinen gegenüber. Dies hat dazu
beigetragen, dass die CNE selten verwendet
wird.
Die neu entwickelte high resolution-CNE
(hrCNE) vereint die Vorteile von BNE und
CNE[6]. Hier verleihen Mischmizellen aus neutralen und anionischen Detergenzien den Proteinen negative Ladungen. Membranproteine wandern also unabhängig von ihrer Eigenladung zur Anode, ähnlich wie bei der BNE.
Die Trennleistung ist vergleichbar mit BNE,
In-Gel-Enzymaktivitäten und Fluoreszenzdetektion sind vergleichbar mit CNE. Leider ist
die hrCNE nicht so mild wie die CNE. Durch
den Einsatz der detergenshaltigen anionischen Mischmizellen können labile Interaktionspartner von den Proteinkomplexen dissoziieren, ähnlich wie bei der BNE.
Dem Anwender stehen nun drei native
Gelelektrophoresen zur Verfügung. hrCNE ist
optimal für die Fluoreszenzdetektion und InGel-Enzymaktivitätstests. Solange diese
Anwendungen nicht im Vordergrund stehen,
verwenden wir die robuste BNE. Für die Isolierung und Charakterisierung physiologiBIOspektrum | 05.08 | 14. Jahrgang
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scher Überstrukturen ist die CNE am besten
geeignet.
Molekulargewichtsstandards für BNE
Für die Bestimmung der nativen Proteinmassen und des oligomeren Zustands von
Proteinkomplexen reichen wenige Mikrogramm der solubilisierten Proteine aus. Als
Molekulargewichtsstandard wird gern ein
Solubilisat aus Rinderherz-Mitochondrien
mit den mitochondrialen Komplexen I–V
verwendet (Abb. 1). Einige wasserlösliche
Proteine eignen sich, mit Einschränkungen,
als Eichproteine für die Massenbestimmung[2]. Für die Analyse von Membranproteinen werden am besten Membranproteine zur Eichung verwendet, die mit dem
gleichen Detergens solubilisiert wurden.
Die gebundenen Farbstoff- und Lipidmengen scheinen dann vergleichbar.
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Front (Abb. 3B, unten). Zur Identifizierung
dieser Proteine können Streifen aus dem 2D Nativ-Gel ausgeschnitten werden und in
einem 3-D SDS-Gel (nicht gezeigt, analog
zu Abb. 2) aufgetrennt werden. Die im 2-D
BN/BN-Gel verbliebenen intakten Komplexe (z. B. ATP-Synthase, rot markiert in Abb.
3B) werden besser mithilfe der doppelten
SDS-PAGE (dSDS-PAGE, Abb. 3C) weiter aufgetrennt. In diesem aus zwei orthogonalen
SDS-Gelen bestehenden System sind die
sehr hydrophoben Proteine, getrennt von
allen hydrophileren Proteinen, oberhalb der
Diagonale der hydrophilen Proteine zu finden[9]. Die damit erreichte Trennung von
hydrophoben und hydrophilen Proteinen
hat die Identifizierung von hydrophoben
Proteinen mit Massenspektrometrie (MALDI-MS) entscheidend verbessert.
ó
Literatur
2-D Gele – Reduktion der Komplexität einer Probe
Die 2-D BN/SDS-PAGE ist die am häufigsten
genutzte Technik (Abb. 2). Sie wird zur
Bestimmung von nativer Masse, Oligomerisierungsgrad, Proteinzusammensetzung
und zur Quantifizierung von Proteinkomplexen verwendet. Für die SDS-PAGE in der
zweiten Dimension hat sich die Tricin-SDSPAGE durchgesetzt[7]. Die einzelnen Proteine können massenspektrometrisch, mit
Western Blots oder anhand ihrer charakteristischen Proteinmuster in gefärbten Gelen
identifiziert werden. 2-D BNE/SDS-Gele eignen sich auch für die densitometrische
Quantifizierung von Proteinkomplexen, z.
B. in der Diagnostik mitochondrialer
Erkrankungen[8].
Ein völlig anderer Typ von 2-D Gelen ist
die 2-D BNE/BNE, die sich aus zwei orthogonalen
nativen
Elektrophoresen
zusammensetzt (Abb. 3A und B). Mit einem
1-D BN-Gel (Detergens Digitonin) werden
zunächst größere physiologische Membranproteinkomplexe und Superkomplexe
getrennt. Ein anschließendes 2-D BN-Gel
(mit Zusatz des Detergens DDM zum Kathodenpuffer) reduziert die Komplexität der
Probe, denn die Superkomplexe zerfallen
in ihre Einzelkomplexe (Abb. 3A und B).
3-D und 4-D Elektrophoresen –
Trennen von hydrophoben und
hydrophilen Proteinen
Labile Interaktionspartner von Proteinkomplexen findet man in 2fach nativen
BN/BN-Gelen an der elektrophoretischen
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Analysis of molecular masses and oligomeric states of protein complexes by blue native electrophoresis and isolation
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4: 2567–2571.
Korrespondenzadresse:
Dr. Ilka Wittig
Molekulare Bioenergetik, ZBC
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Theodor-Stern-Kai 7, Haus 26
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