Marketing & Consumer Research | WU

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Marketing & Consumer Research | WU
Arbeitspapier
Selbstrelevante Wirkungen der
Markenpersönlichkeit bei einem Produkt des
täglichen Bedarfs: Die moderierende Rolle von
Motivation und Fähigkeit zu zentraler
Verarbeitung
Andreas Strebinger, Thomas Otter und Günter Schweiger
Abteilung Werbewissenschaft und Marktforschung
Wirtschaftsuniversität Wien
Wien, im Oktober 1997
Abteilung Werbewissenschaft und Marktforschung, Wirtschaftsuniversität Wien
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1 EINLEITUNG ........................................................................................................................................ 3
2 DER MECHANISMUS DES SELBSTKONGRUENZEFFEKTS .......................................................... 5
2.1 ASPEKTE DES SELBSTBILDS .............................................................................................................. 5
2.2 DAS SELBST ALS HIERARCHISCHES, MULTIDIMENSIONALES EINSTELLUNGSSYSTEM MIT HALOTENDENZ . 6
2.3 FUNKTIONEN DER MARKENPERSÖNLICHKEIT ...................................................................................... 9
2.3.1 Selbstergänzung durch die Markenpersönlichkeit............................................................... 10
2.3.2 Selbstdarstellung durch die Markenpersönlichkeit .............................................................. 12
2.4 ANTEZEDENZBEDINGUNGEN DER WIRKUNG DER MARKENPERSÖNLICHKEIT: DER MODUS DER
INFORMATIONSVERARBEITUNG .............................................................................................................. 15
3 METHODE .......................................................................................................................................... 17
3.1 WAHL DER PRODUKTKATEGORIE ..................................................................................................... 18
3.2 AUSKUNFTSPERSONEN ................................................................................................................... 19
3.3 MESSUNGEN UND ABLAUF DER ERHEBUNG...................................................................................... 19
4 ERGEBNISSE .................................................................................................................................... 24
4.1 MOTIVATION UND FÄHIGKEIT ........................................................................................................... 24
4.2 EINSTELLUNGEN ZU DEN MARKEN ................................................................................................... 26
4.3 MARKENPERSÖNLICHKEITEN ........................................................................................................... 27
4.4 ÜBERPRÜFUNG DER HYPOTHESEN IN ISOLIERTER BETRACHTUNG DER MARKEN ................................ 32
4.5 ÜBERPRÜFUNG DER HYPOTHESEN UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DER KONKURRENZBEZIEHUNGEN ...... 36
5 DISKUSSION...................................................................................................................................... 39
6 MARKENPERSÖNLICHKEIT UND DAS MANAGEMENT VON MARKEN ..................................... 42
7 LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................................... 45
2
1
Einleitung
Wohl einer der am unzureichendsten untersuchten Einflußfaktoren auf das
Konsumentenverhalten ist die Rolle des Selbst in der Entscheidungsfindung. Das
quantitativ im Vergleich zu anderen Forschungsbereichen eher dürftige Ausmaß an
Studien zu diesem Thema kontrastiert dabei in besonders augenfälliger Weise mit
der wichtigen Rolle, welche dieser Faktor in der Kaufentscheidung spielt.
Zwei Forschungsrichtungen, die sich eher durch ihre terminologische und
perspektivische Ausrichtung als durch ihre inhaltliche Grundidee unterscheiden,
haben sich bislang dieses Bereichs angenommen: (a) die Forschung zur Selbst(Image-)Kongruenz und (b) die Forschung zur Markenpersönlichkeit.
Bis in das vorige Jahrhundert (Veblen 1973/1899) zurückverfolgbar, knüpft der
Forschungszweig der Image-Kongruenz (Selbst-Kongruenz) an die akademische
Forschung zum Selbst an. Kerngedanke ist die Annahme, daß die Einstellung
gegenüber einem Produkt von der Kongruenz zwischen dem Produktimage und dem
Bild, das der Konsument von sich selbst hat bzw. anderen vermitteln möchte,
beeinflußt wird. Obwohl noch nicht ganz geklärt ist, welche Teile des Selbst in
welcher Weise zu diesem Match beitragen, ist diese "Imagekongruenz"-Hypothese
durch mehrere empirische Studien in ihrer Substanz gut abgesichert (z. B. Dolich,
1969; Ericksen, 1996; Graeff, 1996; Landon, 1974; Malhotra, 1988; Ross, 1971;
Sirgy, 1985; Sirgy & Danes, 1982; Sirgy & Samli, 1985; Sirgy, Johar, Samli, &
Claiborne, 1991; Sirgy et al., 1997).
Mehr Idee der Praxis als der Wissenschaft, bietet die Analogie der Marke als Person
eine leicht verständliche Sprache, in der Markenmanager, Werbeagenturen,
Marktforschungsinstitute und Auskunftspersonen aus der Reihe der Konsumenten
jene Teile des Markenimages ausdrücken können, welche sonst nur Menschen
zugeschrieben werden. Die Markenpersönlichkeit wird in diesem Rahmen anhand
von Eigenschaften wie beispielsweise Extrovertiertheit, Freundlichkeit, Kultiviertheit
oder Ehrlichkeit beschrieben. Während diese Analogie zu einer Person für Marketer
3
und Werbeagenturen eine Technik darstellt, einen konsistenten und daher
glaubwürdigen Markenauftritt zu entwickeln, erleichtert sie in der Marktforschung den
befragten Konsumenten die Artikulation nichtproduktbezogener Eigenschaften der
Marke und wurde bei zahlreichen Konsumgütern wie z. B. Autos (J. Aaker, 1997),
Produkten der Unterhaltungselektronik (J. Aaker, 1997; Batra, Lehmann & Singh,
1993),
Bekleidung
(J.
Aaker,
1997),
Parfum
(Sentis
&
Markus,
1986),
Dienstleistungen wie z. B. Hotels (J. Aaker, 1997), Kaufhäusern (J. Aaker, 1997;
Duboff, 1986), Kreditkarten (Blackston, 1993) und sogar bei Ärzten in Bezug auf die
verschriebene Medikamentenmarke (Hurell, Collins & Williams, 1997) eingesetzt.
Zumindest der veröffentlichte Teil dieser Forschung arbeitete jedoch oft losgelöst von
der Imagekongruenzforschung. Erst in den letzten Jahren erfolgte eine verstärkte
theoretische und methodische Anbindung des Konzepts an die akademischer
Selbstforschung (z. B. J. Aaker, 1997; Sentis & Markus, 1986).
Obwohl die Forschung demnach gezeigt hat, daß (a) die Konsumenten im
allgemeinen
keine
Schwierigkeiten
haben,
bei
Marken
auch
in
Begriffen
menschlicher Charakterzüge zu denken, und (b) nachgewiesen wurde, daß die
Kongruenz dieses Teils der Markenwahrnehmung mit Aspekten des Selbst Einfluß
auf Einstellung und Kauf einer Marke hat, sind viele Fragen noch weitgehend
ungeklärt.
Unbeantwortet
ist
beispielsweise,
welcher
Modus
der
Informationsverarbeitung die Wirkung der Selbstkongruenz der Markenpersönlichkeit
begünstigt (J. Aaker, 1997). Das Elaboration-Likelihood Modell (ELM) von Petty und
Cacioppo (z. B. Cacioppo, Petty, Kao & Rodriguez, 1986; Petty und Cacioppo,
1986a, 1986b, Petty, Cacioppo & Schumann, 1983) unterscheidet zwischen zwei
Arten der Informationsverarbeitung: Beim zentralen Weg, der unter hoher Motivation
und
Fähigkeit
zur
Beurteilung
eines
Objekts
eingeschlagen
wird,
werden
Einstellungen gegenüber einem Objekt auf Basis der Bewertung diagnostischer
Argumente bzw. Informationen gebildet. Fehlen Motivation und/oder die Fähigkeit zu
einer genauen Beurteilung des Objekts, verläßt sich der Beurteilende stärker auf
periphere Hinweisreize wie z. B. Glaubwürdigkeit oder Sympathie des Senders. Ziel
des vorliegenden Beitrags ist es, die Rolle der Imagekongruenz in einer
diesbezüglich noch nicht untersuchten Produktkategorie zu bestätigen und darauf
aufbauend die Wirkung unterschiedlicher Ausprägungen von Motivation und
Fähigkeit zu einer sorgfältigen Beurteilung des Produkts auf die Stärke dieses
4
Imagekongruenz-Effekts zu untersuchen. Nach einem theoretischen Überblick, der
den Wirkungsmechanismus der Kongruenz zwischen Markenpersönlichkeit und
Selbst zum Inhalt hat, werden die Ergebnisse eines mit diesen Zielen durchgeführten
empirischen Projekts präsentiert.
2
Der Mechanismus des Selbstkongruenzeffekts
2.1 Aspekte des Selbstbilds
Ebenso wie seine Mitmenschen kann man auch sich selbst zum Gegenstand von
Betrachtungen machen. Die Gesamtheit der Gedanken und Gefühle eines
Individuums in bezug auf sich selbst als Objekt werden als Selbstkonzept bezeichnet.
Innerhalb dieser Gesamtheit lassen sich verschiedene Aspekte unterscheiden: Trotz
uneinheitlicher Terminologie werden in den bisherigen Arbeiten der psychologischen
Forschung wie auch der Selbstkongruenzforschung im Marketingbereich zwei
Dimensionen
angeführt,
die
eine
im
Kerngedanken
einheitlich
vertretene
Strukturierung dieser Aspekte erlauben (z. B. Higgins, 1987, 1989; Ross, 1971;
Sirgy, 1982, 1985; Sirgy & Samli 1985; Sirgy et al. 1997; Staudinger & Greve, 1997).
1. Die Perspektive oder der Standpunkt: Prinzipiell gibt es zwei Standpunkte: den
eigenen Standpunkt (d. h. so sehe ich mich) und den vermuteten Standpunkt von
einem oder mehreren bedeutsamen Anderen (so vermute ich, von anderen gesehen
zu werden), welcher als soziales Selbst bezeichnet wird. Diese konzeptionelle
Differenzierung in eigenes und soziales Selbst sollte jedoch nicht den Blick dafür
verdecken, daß es zwar nur ein eigenes Selbst, jedoch eine Vielzahl von sozialen
Selbstbildern gibt, und zwar soviele, als eine Person unterschiedliche bedeutsame
Andere oder Gruppen bedeutsamer Anderer hat (Higgins, 1987; James, 1890). Das
bedeutet, daß im Endergebnis neben dem eigenen Standpunkt eine Reihe von
wahrgenommenen Standpunkten für unterschiedliche "Zielgruppen" bestehen.
Beispielsweise kann man je ein soziales Selbst für die Familie, die Arbeitskollegen,
die Eltern und bestimmte Gruppen von Freunden und Bekannten bilden.
5
2. Selbstdomänen: Das aktuelle Selbst repräsentiert den wahrgenommenen IstZustand, während das ideale Selbst eine Art Soll-Zustand darstellt.1 Dieser SollZustand kann von einer Reihe von Motiven wie z. B. der Erfüllung internalisierter
Normen, dem Wunsch nach sozialen Kontakten (Affiliationsmotiv) oder der
Anpassung an die Ansprüche von Personen, die über wichtige Ressourcen (wie z. B.
der Entscheidungsmacht über Karrierechance) verfügen, getragen sein.
Aus diesen zwei Dimensionen ergeben sich 2 x 2 prinzipielle Selbstbilder: (a) das
aktuelle Selbst (wie man sich selbst tatsächlich sieht), (b) das ideale Selbst (wie man
selbst sein möchte), (c) das (aktuelle) soziale Selbst (wie man glaubt, von anderen
Personen wahrgenommen zu werden) und (d) das ideale soziale Selbst (wie man
von anderen wahrgenommen werden möchte). Wie erwähnt, sind die Selbstbilder
aktuelles soziales Selbst und ideales soziales Selbst nicht nur zweimal, sondern so
oft vorhanden, als das Individuum bedeutsame Andere (Einzelpersonen oder
Gruppen) mit unterschiedlichen Wahrnehmungen und Ansprüchen ausmacht.
Um einen konkreten Effekt einer bestimmten Markenpersönlichkeit zu analysieren, ist
es notwendig, die einzelnen Aspekte weiter zu differenzieren und als ein
multidimensionales, hierarchisches Einstellungssystem zu betrachten, wobei für jede
Zielgruppe (d. h. man selbst als Zielgruppe sowie für jede Gruppe bedeutsamer
Anderer) eine eigene Struktur gebildet werden kann.
2.2 Das
Selbst
als
hierarchisches,
multidimensionales
Einstellungssystem mit Halotendenz
Für jede Zielgruppe besteht eine Struktur, die sich als Hierarchie aus drei Elementen
darstellen
läßt:
(a)
den
Selbsteindrücken,
(b)
den
diese
Selbsteindrücke
zusammenfassenden Selbstbildkomponenten und (c) dem globalen Selbstwert
1
Teilweise wird innerhalb des Soll-Selbst zwischen idealem und einem von sich selbst oder von anderen
vermeintlich geforderten Selbst (Higgins, 1987, 1989) unterschieden. Da sich ideales und gefordertes Selbst nur
in der Stärke der Konsequenz von Diskrepanzen zum aktuellen Selbst unterscheiden, wird in diesem Beitrag auf
die weitere Differenzierung innerhalb der Selbststandards (self-guides) verzichtet und für jede Form eines
Sollzustands der Begriff des idealen Selbst verwendet.
6
(Fleming & Courtney, 1984; Hoge & McCarthy, 1984; Markus & Wurf, 1987; Marsh,
1986 und 1993; Pelham 1991)2.
In dem hierarchischen System ist der globale Selbstwert eine Funktion einer Reihe
von
Selbstbildkomponenten.
Als
empirisch
gefundene
Beispiele
für
solche
Selbstbildkomponenten werden in der (meist auf Studenten bezogenen) Literatur z.
B. die Einschätzung der physischen Fähigkeiten, der sozialen Fähigkeiten/der
Beliebtheit, der akademischen Leistungen, des sozialen Status, der physischen
Attraktivität, der kulturellen Fähigkeiten, der Intelligenz, der Maskulinität/Femininität
oder der Ehrlichkeit beschrieben (siehe z. B. Fleming & Courtney, 1984; Hoge &
McCarthy, 1984; Markus & Wurf, 1987; Marsh, 1986; Pelham, 1991; Sentis &
Markus, 1986). Welche dieser oder anderer Komponenten für die Definition des
Selbst relevant sind, ist von Person zu Person unterschiedlich (Greenwald &
Praktkanis, 1984), allerdings dürften in bestimmten Gruppen zumindest gemeinsame
Basiskomponenten existieren (z. B. akademische Leistungen in der Gruppe der
Studenten).
Die Beurteilung der eigenen Position auf einer dieser Komponenten ist wiederum
eine Funktion der Selbsteindrücke (z. B. der wahrgenommenen Englischfähigkeiten
für die Selbstbildkomponente akademische Fähigkeiten).
Für die Integration der Selbsteindrücke zu den Selbstbildkomponenten und der
Selbstbildkomponenten zum globalen Selbstwert sind jeweils zwei Dinge notwendig:
1. Eine Bewertungsfunktion, welche die Wahrnehmung der eigenen Position in einer
bestimmten
Eigenschaft
in
einen
positiven
oder
negativen
Beitrag
zum
übergeordneten Konzept transformiert. In der Regel wird hier implizit ein
Vektormodell unterstellt, d. h. je mehr einer Eigenschaft, desto besser bzw. desto
schlechter (z. B. je besser die Englischfähigkeiten, desto besser auch die
Selbstbildkomponente akademische Fähigkeiten). Es sind aber auch Fälle denkbar,
in denen das Idealpunktmodell anzuwenden sein könnte, bei dem es ein bestimmtes
Maß gibt, das als optimal wahrgenommen wird (z. B. bei der Extrovertiertheit).
2
Diese dreistufige Hierarchie hat selbstverständlich nur konzeptionellen Charakter, da es bei wichtigen und
stark elaborierten Selbstbildkomponenten mehr als drei Hierarchieebenen geben kann.
7
2. Eine Gewichtung der hierarchisch untergeordneten Elemente, welche den Einfluß
der Bewertung eines hierarchisch untergeordneten Elements auf das jeweils
übergeordnete Element bestimmt (z. B. könnte eine Person die Englischkenntnisse
für die Bestimmung ihrer akademischen Fähigkeiten als sehr wichtig betrachten,
während die künstlerischen Fähigkeiten eher als wenig aussagekräftig für die
Selbstbildkomponente "akademische Fähigkeiten" angesehen werden; vgl. Marsh,
1993).
Die Wahrnehmung der aktuellen Position bei den Selbsteindrücken wird durch
verschiedene Hinweise oder "Cues" erschlossen. Markus und Wurf (1987)
unterscheiden vier Typen von Cues: (a) Inferenzen von internen physiologischen
Reaktionen, Kognitionen, Emotionen und Motivationen (interne Cues); (b) direktes
Testen der eigenen Position; (c) sozialer Vergleich und direkte Interaktion; und (d)
Wahrnehmung des eigenen Verhaltens3. In einem generellen DiagnostizitätsAkzessibilitäts-Rahmen (Feldman & Lynch, 1988; Lynch, Marmorstein & Weigold
1988) unterscheiden sich die einzelnen Cues hinsichtlich ihrer Aussagekraft für den
Selbsteindruck
und
ihrer
kognitiven
Zugänglichkeit.
Im
allgemeinen
sind
Wahrnehmungen des eigenen Verhaltens weniger diagnostisch als insbesondere die
internen Cues (Bem, 1972; Fazio, 1987).
Durch das Motiv, einen positiven Selbstwert aufrechtzuerhalten bzw. eine positive
Wertschätzung bedeutsamer Anderer wahrzunehmen, kann es sowohl im Bereich
der Wahrnehmung als auch bei der Integration der Elemente zu halo-ähnlichen
Effekten kommen. Das bedeutet, daß das Endergebnis - ein positiver Selbstwert solange als möglich konstant gehalten bzw. verbessert wird und zu diesem Zweck
Wahrnehmung und darunterliegende Hierarchieebenen entsprechend angepaßt
werden. Bei einem negativen Feedback durch einen Leistungstest aus Englisch kann
etwa die Diagnostizität des Tests durch Abwertung der Glaubwürdigkeit und
Kompetenz des Prüfers sowie durch eine situationale Attribution ("ich war heute nur
nicht gut drauf") herabgesetzt werden, die Zugänglichkeit kann intentional
3
Diese vier Typen sind vorrangig auf die Erschließung des eigenen Selbstbildes zugeschnitten. Für die
Erschließung des sozialen Selbst, d. h. jenes Bildes, das ein oder mehrere bedeutsame Andere von einem selbst
haben, kann nicht auf interne Cues zurückgegriffen werden.
8
herabgesetzt werden (Verdrängen), die Bedeutung der Englischfähigkeiten für die
Selbstbildkomponente akademische Fähigkeiten kann reduziert werden, die
Selbstbildkomponente akademische Fähigkeiten kann insgesamt weniger Gewicht in
der Bestimmung des Selbstwerts erhalten bzw. in ähnlicher Weise eine andere
Selbstbildkomponente aufgewertet werden ("dafür bin ich sozial kompetent"). Weiters
können aktiv neue Cues für die Eigenschaft Englischkenntnisse gesucht bzw.
hergestellt werden (vgl. die Selbstergänzungsprozesse bei Gollwitzer & Wicklund,
1985).
Welche dieser Möglichkeiten gewählt wird, hängt von einem spezifischen KostenNutzenverhältnis ab, in dessen Rahmen die jeweils effektivste Variante gesucht wird
(vgl. dazu die umfangreiche Debatte zu Selbstwerterhöhung vs. Selbstkonsistenz, z.
B. Brown, Collins & Schmidt, 1988; Dauenheimer, Stahlberg & Petersen, 1997). Ist z.
B. die Glaubwürdigkeit des Prüfenden schwierig herabzusetzen, da sie durch eine
Vielzahl von anderen, sehr diagnostischen Cues abgesichert ist, deren Umkodierung
schwierig wäre, werden andere Möglichkeiten wie die Abwertung der Bedeutung der
Englischfähigkeiten bzw. der akademischen Fähigkeiten als ganzes gewählt werden.
Der umgekehrte Fall tritt auf, wenn die besondere Wichtigkeit der Englischfähigkeiten
oder der akademischen Fähigkeiten insgesamt beispielsweise durch internalisierte
Normen schwieriger anzupassen ist als die Glaubwürdigkeit des Prüfers.
2.3 Funktionen der Markenpersönlichkeit
Die Wahrnehmung der eigenen Position entlang bestimmter Selbsteindrücke bzw.
Selbstbildkomponenten wird anhand der Bewertungsfunktion in einen Beitrag zum
Selbstwert transformiert. Dort, wo sich die aktuelle Wahrnehmung von jenem Punkt
unterscheidet, dem durch die Bewertungsfunktion der höchste Wert zugeordnet wird
(d. h. dem idealen Selbst bezüglich eines bestimmten Selbsteindrucks bzw. einer
Selbstbildkomponente), entsteht ein Potential zur Verbesserung des Selbstwerts
durch Änderung der Wahrnehmung des Selbst, welches die Möglichkeit eines
Zusatznutzens durch die Markenpersönlichkeit eröffnet. Je nach Adressat lassen sich
9
zwei Funktionen unterscheiden: Selbstergänzung und Selbstdarstellung4. Sofern
ideales (eigenes) und ideales soziales Selbst in bestimmten Beurteilungskriterien
übereinstimmen, kann eine einzige Handlung wie z. B. der Kauf einer Marke beiden
Zielen gleichzeitig dienen (vgl. Greenwald & Pratkanis, 1984). Konzeptionell sind die
beiden Ziele jedoch getrennt zu behandeln.
2.3.1 Selbstergänzung durch die Markenpersönlichkeit
Selbstergänzung ("self-completion", Gollwitzer & Wicklund, 1985) durch die
Markenpersönlichkeit bedeutet den Versuch, durch den Kauf einer bestimmten
Marke das Bild, das man von sich selbst hat, zu verbessern. Zielgruppe dieser
Selbstergänzung ist man selbst.
Damit der Kauf einer bestimmten Marke zur Verringerung einer Diskrepanz zwischen
der aktuell wahrgenommenen und der idealen Position bei einem bestimmten
Selbsteindruck beitragen kann, muß die Markenpersönlichkeit näher an der idealen
Position liegen als die aktuelle Selbstwahrnehmung. Im besten Fall stellt die Marke
eine Art "Idol" für den Konsumenten dar. Für die Möglichkeit einer Selbstergänzung
müssen jedoch noch weitere Bedingungen erfüllt sein. Durch Kauf, Besitz und
Verwendung einer Marke fügt man den bislang vorhandenen Cues für die
Selbstwahrnehmung entlang einer bestimmten Dimension einen weiteren Cue hinzu.
Wie sich aus der obigen Darstellung ergibt, steht dieser neue Cue bezüglich
Diagnostizität und Akzessibilität in Konkurrenz zu den bisherigen Cues. Wie erwähnt,
dürften von den vier Typen von Cues (interne Cues, direkter Test, sozialer Vergleich
und Wahrnehmung des eigenen offenen Verhaltens) vor allem die direkten
Rückschlüsse aus internen Cues und der direkte Test diagnostischer als die beiden
4
Eine mögliche dritte Funktion der Markenpersönlichkeit liegt in Inferenzen von bestimmten
Charaktereigenschaften der Marke auf Produktattribute. Beispielsweise könnte der Konsument von der der
Markenpersönlichkeit zugeschriebenen Eigenschaft Ehrlichkeit auf die Zuverlässigkeit eines Produkts schließen.
Da diese Funktion keine Relevanz für das Selbst besitzt und im empirischen Projekt nicht untersucht wurde,
wird sie hier nicht weiter diskutiert. Sehr wohl im Rahmen der Selbsttheorie erklärbar sind hingegen
motivationale Verzerrungen der Wahrnehmung funktionaler Produkteigenschaften durch die Selbstkongruenz,
wie sie beispielsweise von Sirgy und Samli (1985) und Sirgy, Johar, Samli und Claiborne (1991) nachgewiesen
wurden. Sie stellen aber nur eine Folge der genannten beiden Funktionen und keine eigenständige Wirkung dar.
10
anderen sein. Kauf, Verwendung und Besitz einer Marke erlauben jedoch vorrangig
Rückschlüsse aus einem Verhalten oder aus dem offenen bzw. vermuteten
Feedback von bedeutsamen Anderen. Aus diesem Grund kann der Kauf einer
bestimmten Marke nur dann zur Schließung einer Lücke zwischen der aktuellen und
der idealen Position führen, wenn die internen Cues bzw. direkte Tests schwach,
mehrdeutig oder uninterpretierbar sind (Bem, 1972; Fazio, 1987). Andernfalls würden
die kognitiven Kosten einer Umdeutung (Rekodierung) dieser diagnostischeren Cues
den Nutzen der Selbstergänzung übersteigen bzw. vollständig verunmöglichen. Der
Kauf einer als besonders jugendlich geltenden Automarke wird also - insoweit er an
die Zielgruppe "eigene Person" gerichtet ist - nur in einer Phase interessant sein, in
der diagnostische Cues wie interne Gefühle oder direkte Leistungstests mehrdeutige
Signale aussenden (wie z. B. in der klassischen Midlife Crisis). Für eine Person, die
anhand diagnostischer Cues als sicher davon ausgeht, (noch) jung zu sein, wird ein
solcher Kauf ebenso wenig zu einer Änderung des Selbstbildes beitragen können wie
für eine Person, der die internen Cues und direkten Tests keinen Spielraum für eine
Änderung des Selbstbildes lassen.
Andererseits müssen Kauf, Besitz und Verwendung einer Marke sowie deren
Markenpersönlichkeit leicht zugänglich sein und als diagnostisch für die untersuchte
Dimension wahrgenommen werden können. In bezug auf die Zugänglichkeit der
Entscheidung für eine bestimmte Marke dürften dabei insbesondere wichtige
Produkte, bei denen die Kaufentscheidung besonders gut zugänglich ist, sowie
häufig verwendete Produkte im Vorteil sein. Eine hohe Diagnostizität ergibt sich
dann, wenn die Markenpersönlichkeit ein unzweideutiges Signal entlang der zu
beeinflussenden Dimension aussendet (d. h. klar als "jung" oder "sportlich"
wahrgenommen wird; vgl. Batra, Myers & D. Aaker, 1995) und der Kauf auf die
Ichnähe der Marke (im Gegensatz zu einer besonders hohen Produktqualität oder
situativen Umständen) zurückgeführt werden kann ("personalizability", vgl. Sirgy,
1982).
Da jede Markenpersönlichkeit mehrere Dimensionen aufweist (J. Aaker, 1997), ergibt
sich das gesamte Potential zur Selbstergänzung aus der Summe aller nach dem
aufgezeigten Mechanismus möglichen Wirkungen in einzelnen Dimensionen (z. B.
der Summe der Wirkungen in den Dimensionen sozialer Status, Extrovertiertheit,
11
Jugendlichkeit, Kultiviertheit etc.). Dabei kann es auch dazu kommen, daß die
Differenz
zwischen
Selbstwahrnehmung
und
Wahrnehmung
der
Markenpersönlichkeit entlang einer bestimmten Dimension negativ bewertet wird.
Das ist dann der Fall, wenn die Wahrnehmung der Markenpersönlichkeit in dieser
Dimension weiter von der Idealwahrnehmung entfernt ist als die aktuelle
Selbstwahrnehmung.
Wenn
dieser
negative
Effekt
nicht
durch
ein
Selbstergänzungspotential in anderen Dimensionen ausgeglichen wird, führt die
Markenpersönlichkeit insgesamt zu einer Verschlechterung der Beurteilung der
Marke. Starke Markenpersönlichkeitseffekte wurden deshalb auch und gerade für die
Letztpräferenz in einem bestimmten Produktbereich festgestellt (z. B. Dolich, 1969).
2.3.2 Selbstdarstellung durch die Markenpersönlichkeit
Die zweite Funktion, welche die Markenpersönlichkeit für den Konsumenten erfüllen
kann, liegt in der Instrumentalisierung von Kauf, Besitz und Verwendung einer Marke
zur Verbesserung des Bildes, das bedeutsame Andere von einem selbst vermeintlich
haben5.
Die
Markenpersönlichkeit
dient
hier
der
Schließung
bzw.
der
Nichtentstehung von Diskrepanzen zwischen aktuellem und idealem sozialen Selbst.
Für ein bestimmtes Produkt kann es dabei eine oder mehrere Zielgruppen geben, bei
der das vermeintliche Bild der eigenen Person verbessert oder gehalten werden soll.
Für die Bedingungen, unter denen Kauf, Besitz und Verwendung einer bestimmten
Marke funktional für das Ziel der Selbstdarstellung sind, gilt im Prinzip ähnliches wie
bei der Selbstergänzung. Allerdings sind die Ausgangsbedingungen für die
handelnde Person insofern deutlich schwieriger, als sie zu allen Voraussetzungen
des Mechanismus Hypothesen über die Wahrnehmung und Bewertungskriterien der
bedeutsamen Anderen entwickeln muß. Benötigt werden daher (a) Hypothesen über
die Wahrnehmung der eigenen Person und der Markenpersönlichkeit entlang eines
bestimmten Eindrucks bzw. einer bestimmten Selbstbildkomponente, (b) Hypothesen
über die Bewertung dieser Wahrnehmungen und die Gewichtung in der Bildung eines
Gesamturteils und (c) Hypothesen über die relative Akzessibilität und Diagnositizität
5
Diesen Effekt verbindet eine enge Verwandtschaft mit dem in der deutschsprachigen Literatur verwendeten
Begriff des "Geltungsnutzens".
12
der Entscheidung für die Markenpersönlichkeit gegenüber anderen Cues, welche die
Zielgruppe hat, um diesen Teil des Selbst zu beurteilen.
Stärker noch als bei der Selbstergänzung dürften diese Elemente motivational
verzerrt sein, da für die Wahrnehmung des Bilds, das die Zielgruppe der
Selbstdarstellung von einem selbst hat, wichtige Arten von Cues fehlen und die
kognitiven Kosten einer selbstwertsteigernden Rekodierung daher geringer sind.
Anders ausgedrückt: Da man in andere Menschen nicht hineinsehen kann, fällt es
leichter, die äußeren Hinweise ihrer Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen
Person in einer für den eigenen Selbstwert vorteilhaften Weise zu deuten. Nicht
verwunderlich ist folglich, daß das wahrgenommene Fremdbild (d. h. die
Vermutungen, wie man von anderen wahrgenommen wird) und das tatsächliche
Fremdbild (d. h. die tatsächliche Wahrnehmung der anderen) oft recht weit
auseinander liegen (z. B. Hayes & Dunning, 1997). Recht genau werden in der
Selbstdarstellung auch die "Falsifikationsmöglichkeiten" der Zielgruppe einkalkuliert
(Frey, 1978, 1997). Hat eine bestimmte Zielgruppe keine Möglichkeit, die Wahrheit
einer bestimmten Selbstdarstellung zu überprüfen, wird die Selbstdarstellung deutlich
positiver.
Betreffend die Zugänglichkeit von Kauf, Besitz und Verwendung einer Marke sind
Produkte, die in irgendeiner Form öffentlich konsumiert werden, klar im Vorteil.
Zudem stehen zahlreiche Techniken zur Verfügung, um die Zugänglichkeit des Kaufs
einer bestimmten Marke aktiv zu beeinflussen (z. B. "zufällige" Gespräche über die
Entscheidung für eine bestimmte Handelskette, Probefahren des neuen Wagens mit
Personen der Zielgruppe, häufiges Einladen von Gästen nach dem Kauf von neuen
Einrichtungsgegenständen etc.).
Welche dieser Funktionen - Selbstdarstellung oder Selbstergänzung - in welchen
Situationen dominant sind, ist zur Zeit noch offen. Greenwald und Pratkanis (1984)
argumentieren, daß situationale Einflüsse (wie z. B. die Öffentlichkeit des Verhaltens,
Vorhandensein eines Spiegel vs. einer Kamera etc.), individuelle Unterschiede (wie
öffentliche
vs.
private
Selbstaufmerksamkeit,
Selbstüberwachung,
Leistungsorientierung und Wunsch nach sozialer Anerkennung) und deren
Interaktion darüber bestimmen, ob eigenes Selbst oder soziales Selbst wichtiger ist.
13
Der, wie erwähnt, aussichtsreichste Kandidat unter den situationalen Einflußfaktoren,
die soziale Sichtbarkeit des Konsums, wurde zwar mehrfach untersucht, die
Ergebnisse sind aber uneinheitlich (Graeff, 1996; Dolich, 1969; Ross, 1971). Unserer
Ansicht nach könnte das daran liegen, daß die Untersuchungen konzeptionell an
einer ungeeigneten Dimension des Selbstbilds ansetzen. Sie überprüfen die
moderierende
Wirkung
der
sozialen
Sichtbarkeit
auf
den
Effekt
von
Idealselbstkongruenz und Aktualselbstkongruenz (und damit die Domänen des
Selbst) anstelle der Wirkung auf unterschiedliche zu beeinflussende Standpunkte (d.
h. den eigenen Standpunkt vs. jenen von bedeutsamen Anderen; vgl. dazu auch die
Spekulationen von Ross, 1971, S. 48). Von den individuellen Einflußfaktoren wurde
bislang nur die Tendenz zur Selbstüberwachung6 auf eine moderierende Rolle für
den Einfluß unterschiedlicher Selbstaspekte untersucht. In einer experimentellen
Überprüfung
fand
Graeff
(1996),
daß
Personen
mit
hoher
Selbstüberwachungstendenz sich nur bei öffentlich konsumierten Produkten stärker
an der Selbstkongruenz der Marke orientieren als Personen mit niedriger
Selbstüberwachungstendenz. Eher auf eine allgemeine Fähigkeit als auf den
Wunsch nach Verbesserung eines bestimmten Selbstbildes bezieht sich der von
Malhotra (1988) gefundene Einfluß der kognitiven Differenzierungsfähigkeit, d. h. der
Prädisposition, in der Informationsverarbeitung wenige bzw. viele Dimensionen zu
verwenden. In seiner experimentellen Untersuchung der Kaufentscheidung bei
Häusern erwiesen sich Personen mit hoher kognitiver Differenzierungsfähigkeit als
erfolgreicher in der Findung selbstkongruenter Alternativen.
Keine eigenständige dritte Funktion, sondern aus den Motiven der Selbstergänzung
und Selbstdarstellung abgeleitet, ist der von Sirgy und Samli (1985) sowie von Sirgy
et al. (1991) nachgewiesene Biasing-Effekt. Bei diesem Biasing-Effekt wirkt die
Selbstkongruenz nicht direkt auf die Markenwahl ein, sondern beeinflußt die
Wahrnehmung der funktionellen Attribute, welche ihrerseits die Markenwahl
bestimmen. Sirgy und seine Kollegen erklären diesen Effekt damit, daß die
Selbstkongruenz bereits vor der funktionalen Beurteilung einer Alternative aktiviert
wird und in der Folge die Wahrnehmung und Bewertung funktionaler Attribute
6
Unter Selbstüberwachung ("self-monitoring", Snyder, 1974) versteht man das Ausmaß, in dem eine Person
motiviert und fähig ist, ihre Selbstdarstellung zu steuern. Für eine kritische Auseinandersetzung mit diesem
Konstrukt siehe Schiefele (1990).
14
beeinflußt. In Summe ergeben sich demnach zwei Wirkungspfade, mittels derer die
Selbstkongruenz Einfluß auf die Kaufentscheidung nimmt. In einem Fall kann sie
direkt auf Einstellung und Verhalten wirken, im anderen indirekt über die
Beeinflussung der Wahrnehmung und Bewertung funktionaler Attribute.
2.4 Antezedenzbedingungen
Markenpersönlichkeit:
der
Wirkung
Der
der
Modus
der
Informationsverarbeitung
Wie erwähnt, ist die Attribution von Kauf, Verwendung und Besitz einer Marke auf
deren Ichnähe (gegenüber beispielsweise einer hohen Produktqualität oder situativer
Umstände) eine Voraussetzung für die Möglichkeit der Selbstdarstellung und
Selbstergänzung. Neben diesem eher indirekten Einfluß der Produkteigenschaften,
welcher darüber bestimmt, ob der Kauf einer Marke überhaupt zur Selbstdarstellung
oder Selbstergänzung dienen kann, steht die Kongruenz einer Markenpersönlichkeit
mit dem idealen Selbst und dem idealen sozialem Selbst noch in einer direkteren
Form der Konkurrenz zu den Produktattributen.
Im Rahmen des Elaboration Likelihood Modells (ELM) unterscheiden Petty, Cacioppo
und Kollegen (z. B. Cacioppo, Petty, Kao & Rodriguez, 1986; Petty und Cacioppo,
1986a, 1986b, Petty, Cacioppo & Schumann, 1983; für einen Überblick und die
Abgrenzung zu ähnlichen Ansätzen siehe Denes-Raj & Epstein, 1994, Eagly &
Chaiken,
1993,
sowie
Herkner,
1991)
zwei
prinzipielle
Arten
der
Informationsverarbeitung: den zentralen und den peripheren Weg. Zentrale
Verarbeitung findet statt, wenn sowohl Motivation als auch Fähigkeit zur Verarbeitung
von diagnostischen Informationen hoch sind. In diesem Fall wird die Einstellung
einem Objekt gegenüber auf Basis einer sorgfältigen Bewertung der Informationen
bzw. der Qualität der Argumente gebildet. In der Beurteilung der Qualität eines
Produktes bedeutet das, daß der Konsument sowohl fähig als auch motiviert sein
muß,
sich
mit
konkreten
Produkteigenschaften
auseinanderzusetzen.
Beim
peripheren Weg, der bei Fehlen einer solchen Motivation oder Fähigkeit
eingeschlagen wird, geht der Konsument weniger sorgfältig vor und verläßt sich
15
stärker auf periphere Cues wie z. B. der Glaubwürdigkeit oder Sympathie des
Herstellers.
Unter den peripheren Cues unterscheiden Eagly und Chaiken (1993, S. 307) drei
Arten von leicht verarbeitbaren Hinweisreizen, die sich für eine periphere
Informationsverarbeitung eignen: (a) kognitive wie z. B. die Expertenschaft des
Sprechers, (b) affektive wie z. B. Cues auf Basis klassischer oder operanter
Konditionierung, und (c) Cues auf Basis von Selbstdarstellung und Selbstergänzung.
Die Markenpersönlichkeit wäre dieser Einteilung zufolge ein peripherer Cue, welcher
der letzten Kategorie zuzuordnen ist. Demgegenüber nimmt J. Aaker (1997) keine
einfache Einordnung der Markenpersönlichkeit in den Kreis der peripheren Cues vor,
sondern schlägt drei mögliche Wirkungspfade vor: (a) die Markenpersönlichkeit
fungiert als peripherer (heuristischer) Cue und beeinflußt die Markenbewertung vor
allem unter niedriger Motivation oder Fähigkeit, (b) die Markenpersönlichkeit selbst
erfordert eine systematische Verarbeitung, (c) die Markenpersönlichkeit übt einen
indirekten Effekt auf die Einstellungsbildung aus, indem sie die Verarbeitung der
Informationen zu den Produkteigenschaften beeinflußt.
Unserer Ansicht nach dürfte die Art der Wirkung der Markenpersönlichkeit vor allem
von der untersuchten Produktkategorie abhängen. So sind Fälle vorstellbar sind, in
denen die Kongruenz bzw. Inkongruenz der Markenpersönlichkeit mit Aspekten des
Selbst zentral verarbeitet werden (z. B. beim Kauf eines Autos), während in anderen
(beispielsweise bei Gütern des täglichen Bedarfs) die Markenpersönlichkeit den
Charakter eines peripheren Cues ausweisen könnte, der die Bildung der Einstellung
vor allem in Abwesenheit von Motivation und Fähigkeit zur Produktbeurteilung
beeinflußt.
Für
letztere
Sichtweise
spricht
auch
die
Annahme,
daß
die
Selbstkongruenz eher implizit und auf unbewußtem Niveau wahrgenommen wird und
eine "billigere" Einstellungsbildung erlaubt als funktionale Cues (Sirgy et al., 1991;
Sirgy & Samli, 1985), was vor allem bei Produkten des täglichen Bedarfs von
Bedeutung sein sollte.
Die unterschiedlichen theoretischen Ansichten legen jedoch eine empirische Prüfung
der Art der Wirkung der Markenpersönlichkeit nahe. In ihrem Beitrag regt J. Aaker
(1997) daher weitere Forschung betreffend die Art der Verarbeitung der
16
Markenpersönlichkeit an. In Einklang mit dieser Anregung wurde im Rahmen der
vorliegenden Arbeit eine empirische Studie durchgeführt, welche für ein Produkt des
täglichen
Bedarfs
zunächst
den
Einfluß
selbstrelevanter
Wirkungen
der
Markenpersönlichkeit bestätigen und darauf aufbauend untersuchen sollte, ob, und
wenn ja, in welcher Weise, dieser Einfluß durch die Motivation und Fähigkeit zu einer
sorgfältigen Produktbeurteilung moderiert wird. Für diese beiden Fragen wurden zwei
Hypothesen formuliert:
H1:
Die
Kongruenz
zwischen
Markenpersönlichkeit
und
der
eigenen
Selbstwahrnehmung übt einen signifikanten Einfluß auf die globale Beurteilung
einer Marke aus. Je größer die Selbstkongruenz der Markenpersönlichkeit,
desto besser ist auch die Einstellung gegenüber dieser Marke.
Da diese Beziehung für ein Produkt des täglichen Bedarfs untersucht wurde, wurde
für die Wirkung von Motivation und Fähigkeit zu sorgfältiger Produktbeurteilung
folgende Hypothese formuliert:
H2:
Motivation und Fähigkeit zu einer sorgfältigen Beurteilung des Produkts üben
einen moderierenden Einfluß auf die Wirkung der Markenpersönlichkeit aus.
Wenn der Konsument sowohl fähig als auch motiviert ist, eine genaue
Beurteilung des Produkts vorzunehmen, verringert sich der Einfluß der
Selbstkongruenz der Markenpersönlichkeit auf die globale Beurteilung einer
Marke.
Aus statistischer Sicht bedeuten diese beiden Hypothesen einen Haupteffekt der
Wahrnehmung der Selbstkongruenz einer Markenpersönlichkeit auf die Einstellung
zu dieser Marke (H1) und eine 3-fach-Interaktion zwischen Wahrnehmung der
Selbstkongruenz, Motivation und Fähigkeit (H2), da sowohl die Motivation als auch
die Fähigkeit zu sorgfältiger Produktbeurteilung gegeben sein müssen, um den Effekt
der Selbstkongruenz zu verringern.
3
Methode
17
3.1 Wahl der Produktkategorie
Für den Test dieser beiden Hypothesen wurde der Produktbereich Mineralwasser in
Österreich ausgewählt. Zwei Gründe waren für diese Wahl entscheidend. Erstens
konnte von einer ausreichenden Varianz der Markenpersönlichkeiten österreichischer
Mineralwassermarken ausgegangen werden. Während die Positionierungen der
anbietenden Marken bis etwa Anfang der 70er Jahre von einer starken
Gesundheitsorientierung geprägt waren, wurde in der Folge verstärkt versucht, durch
imageorientierte Werbung eine affektive Bindung der Konsumenten an einzelne
Marken zu schaffen. Vor allem der Erfolg des heutigen Marktführers Römerquelle,
dessen Werbung mit erotischen Themen und der Darstellung gehobenen Lebensstils
ein starkes Markenimage aufbauen konnte, zwang auch andere Anbieter, in den
Aufbau einer Markenpersönlichkeit zu investieren. In einer qualitativen Vorstudie
unter
78
österreichischen
Konsumenten
konnten
daher
ausgeprägte
Markenpersönlichkeiten festgestellt werden. In die Untersuchung einbezogen wurden
die vier umsatzstärksten Marken des Produktbereichs.
Die in der qualitativen Untersuchung festgestellten Markenpersönlichkeiten dieser vier Marken lassen
sich in Kürze beschreiben als:
Römerquelle:
junge Person der Oberschicht, extrovertiert, intelligent, teilweise aber
auch oberflächlich und arrogant
Vöslauer:
Person mittleren Alters, gehört der Mittelschicht an, familiär,
sympathisch, jedoch eher langweilig
Waldquelle:
Person aus ländlicher Gegend, meist als älterer Mann beschrieben,
naturverbunden, traditionell
Juvina:
Person mit geringem sozialen Status, ungepflegt, eher unintelligent,
privat und beruflich wenig erfolgreich
Der zweite Grund für die Wahl des Produktbereichs Mineralwasser liegt in einer
erwarteten
ausreichenden
Streuung
von
Motivation
und
Fähigkeit
zur
Produktbeurteilung. Neben niedrig motivierten Konsumenten wurden auch Käufer
erwartet, die sich durch eine höhere Motivation zu einer genauen Produktbeurteilung
beispielsweise aufgrund einer größeren Bedeutung der Gesundheitsaspekte oder
des Geschmacks des Wassers auszeichnen, sich aber ihrerseits wieder in der
18
subjektiv wahrgenommenen Fähigkeit zu einer richtigen Beurteilung dieser
Produktattribute unterscheiden.
3.2 Auskunftspersonen
371 Personen aus dem Raum Wien nahmen an der Untersuchung teil. Die
Auskunftspersonen wurden nach einem Quotenverfahren ausgewählt, welches dazu
beitragen sollte, daß auch auf Seiten der Auskunftspersonen ausreichend Varianz in
der Selbstkongruenz gegenüber unterschiedlichen Marken besteht. Die Stichprobe
bestand zu je 50% aus weiblichen und männlichen Auskunftspersonen, 37% von
ihnen waren zwischen 18 und 30 Jahre alt, 40% zwischen 31 und 50 Jahre, 23%
älter als 50 Jahre. Mit 53% verfügte etwas mehr als die Hälfte der befragten
Personen
über
Matura-
(Abitur-)
Abschluß.
In
der
Erhebung
wurden
39
Interviewerinnen und Interviewer eingesetzt.
3.3 Messungen und Ablauf der Erhebung
Da das Produkt vorwiegend zuhause konsumiert wird, wurde die Kongruenz
zwischen Markenpersönlichkeit und Auskunftsperson als Kongruenz zu aktuellem
und idealem Selbst (im Vergleich zu aktuellem sozialen und idealem sozialen Selbst)
konzeptualisiert.
In der Messung der Selbstkongruenz weist die Literatur eine relativ uneinheitliche
Vorgangsweise auf. Es sind vor allem zwei Bereiche, in welchen sich die bisherigen
methodischen
Ansätze
unterscheiden:
(a)
die
Technik
zur
Messung
der
personennahen Eigenschaften der Marke und (b) die Form der Ermittlung der
Selbstkongruenz (d. h. globale Messung vs. Summierung einzelner Facetten der
Selbstkongruenz).
(a) Technik zur Messung der personennahen Eigenschaften der Marke
19
Während ein Teil der Forscher zur Messung personennaher Eigenschaften keine
Unterscheidung zwischen diesen Eigenschaften und anderen, sich auf das Produkt
beziehenden Teilen des Markenimages vornimmt (z. B. Dolich, 1969, Sirgy et al.,
1991, Studie 2 und 4), verwenden andere Forscher spezielle Techniken zur
Hervorrufung personennaher Charakteristika der Marke. Die zwei am häufigsten
angewandten dieser Techniken sind (a) die Frage nach dem typischen Verwender (z.
B. Ross, 1971; Sirgy, 1985; Sirgy & Samli 1985; Sirgy et al., 1991, Studie 3; Sirgy et
al., 1997) und (b) die Frage nach der Markenpersönlichkeit (z. B. J. Aaker, 1997;
Batra et al., 1993; Blackston, 1993; Hurrell, Collins & Sykes; Sentis & Markus, 1986).
Beide Techniken können dabei in verschiedenster Weise eingesetzt werden (z. B.
offene
vs.
geschlossene
Fragestellung,
mit
Stimulusmaterial
vs.
ohne
Stimulusmaterial etc.). Während die Verwendung einer speziellen Technik zur
Ermittlung der personennahen Eigenschaften einer Marke sinnvoll scheint, um die
Gedanken der Auskunftsperson auf diesen Bereich zu fokusieren, wird die
Entscheidung zwischen dem typischen Verwender und der Markenpersönlichkeit in
der veröffentlichten Literatur kaum thematisiert. Der wesentliche Unterschied
zwischen diesen beiden Techniken liegt unserer Ansicht nach zum einen darin, daß
bei der Erhebung der Persönlichkeitseigenschaften des typischen Verwenders die
Attribution des Kaufs einer Marke auf die Selbstkongruenz zwischen der
wahrgenommenen Persönlichkeit der Marke und dem aktuellen oder idealen Selbst
des
Konsumenten
bereits
angenommen
wird,
während
die
Technik
der
Markenpersönlichkeit nur die Existenz der Wahrnehmung einer Markenpersönlichkeit
voraussetzt7. Zum anderen gehen wir davon aus, daß die Frage nach dem typischen
Verwender stärker als die direkte Frage nach der Markenpersönlichkeit den sozialen
Aspekt der Kaufentscheidung betont. Da die vorliegende Studie gerade eine
Trennung der Persönlichkeitseigenschaften von den Produktattributen voraussetzt
und sich aufgrund des privaten Konsums des untersuchten Produkts auf die
7
Ein kurzes Gedankenexperiment mag diesen Punkt verdeutlichen. Man stelle sich zwei Zeitschriften A und B
vor, die sich darin unterscheiden, daß Zeitschrift A mehr Wirtschaftsinformationen enthält und gleichzeitig als
sozial höherstehend eingeschätzt wird. Je nachdem, ob der befragte Konsument davon ausgeht, daß man
Zeitschriften wegen ihres Inhalts oder zur Selbstdarstellung kauft, wird er den typischen Verwender einmal als
"jemand, der für seinen Beruf Wirtschaftsinformationen benötigt" oder als "jemand, der gerne wichtig aussehen
möchte" beschreiben. Trotz dieses Effekts dürfte die Entscheidung zwischen typischem Verwender und
Markenpersönlichkeit jedoch immer eine umfassende Analyse des Einzelfalls erfordern.
20
Kongruenz der persönlichkeitsnahen Eigenschaften der Marke zu aktuellem und
idealem Selbst (in Abgrenzung zu den Aspekten des sozialen Selbst) beschränkt,
erschien es uns ratsam, die Technik der Markenpersönlichkeit zu wählen.
(b) Form der Ermittlung der Selbstkongruenz
Als zweite Frage in der Messung der Selbstkongruenz ist festzulegen, in welcher
Form diese ermittelt wird. Mit Ausnahme von Landon (1974) und Sirgy et al. (1997)
wurde in den diesbezüglichen Untersuchungen ein differentieller Ansatz gewählt, der
zuerst die Kongruenz zwischen einzelnen Persönlichkeitseigenschaften (z. B.
Extrovertiertheit) von Marke und Auskunftsperson mißt und diese dann in irgendeiner
Weise zu einer allgemeinen Selbstkongruenz summiert. Sirgy et al. (1997)
argumentieren, daß diese Vorgangsweise einige methodische Schwächen aufweist,
da 1. die dazu notwendige Differenzbildung neben anderen Problemen eine geringe
Reliabilität des Differenzscores verursacht (Peter, Churchill & Brown, 1993), 2. die
unterschiedliche Wichtigkeit der vorselektierten Eigenschaften in der Regel nicht
berücksichtigt wird und 3. in der Summenbildung eine kompensatorische Beziehung
zwischen Kongruenzen bei einer Eigenschaft und Inkongruenzen bei einer anderen
unterstellt wird. Sirgy und seine Kollegen stellen deshalb dieser differentiellen
Messung eine neue Form dimensionaler Messung gegenüber, die sich auf die direkte
und globale Messung der Kongruenz zwischen der Marke einerseits und dem
aktuellen und idealen Selbstbild beschränkt. In einer Serie von Studien konnten sie
die Überlegenheit dieser neuen Technik zur Ermittlung der Selbstkongruenz
hinsichtlich der Vorhersagevalidität für die Markenpräferenz und andere abhängige
Variablen des Kaufverhaltens bestätigen8. Aus ähnlichen Gründen wurde auch für
die vorliegende Studie zugunsten eines dimensionalen Meßansatzes entschieden,
wenngleich sich der hier gewählte Ansatz in der Elizitationstechnik (Sirgy et al.
fragten nach dem typischen Verwender) und der Formulierung der Items vom Ansatz
von Sirgy et al. (1997) unterscheidet.
8
Die diesbezügliche Diskussion bezieht sich nur auf jene Untersuchungen, die sich ausschließlich mit
verallgemeinerbaren Effekten der Selbstkongruenz beschäftigen. Für alle anderen Zwecke, insbesondere die
praktische Anwendung zur Auffindung oder Analyse einer Markenpersönlichkeit ist eine differentielle Messung
unerläßlich.
21
Unabhängige Variablen
Selbstkongruenz
Zur Messung der Selbstkongruenz wurden die Auskunftspersonen gebeten, sich die
Marke als Person vorzustellen. Die Reihenfolge der vier Marken konnte dabei von
den Auskunftspersonen selbst gewählt werden, um die Gefahr einer Verzerrung der
Zugänglichkeit und sozial erwünschter Antworten zu minimieren. Nach den Fragen
zur Zugänglichkeit der Markenpersönlichkeit wurden zur Messung der affektiven und
konativen Elemente der Selbstkongruenz folgende Items anhand von siebenstufigen
Likertskalen von "trifft völlig zu" bis "trifft überhaupt nicht zu" gemessen: (a)
Kongruenz zwischen Markenpersönlichkeit und idealem Selbst: "Diese Person wäre
mir sehr sympathisch" und "Wenn diese Person leben würde, würde ich sie gerne
kennenlernen"; (b) Kongruenz zwischen Markenpersönlichkeit und aktuellem Selbst:
"Ich wäre ihr sehr sympathisch" und "Sie würde mich gerne kennenlernen". Diese
Form der Messung baut auf Gedanken von Blackston (1992, 1993) und der
Forschung zur interpersonalen Anziehung auf und hat seine Begründung in
folgendem Gedanken: Man stelle sich eine Person vor, deren ideales Selbst sehr
nahe an der Markenpersönlichkeit einer bestimmten Automarke liegt (z. B.
erfolgreich, sportlich etc.), deren aktuelle Selbstwahrnehmung aber deutlich davon
entfernt ist. In diesem Fall würde die Messung der Kongruenz zwischen
Markenpersönlichkeit und aktuellem Selbst eine große Distanz ergeben (die
Markenpersönlichkeit würde mich nicht gerne kennenlernen, ich wäre der
Markenpersönlichkeit weniger sympathisch), jedoch eine geringe Distanz bei der
Messung der Kongruenz zwischen Markenpersönlichkeit und idealem Selbst (diese
Markenpersönlichkeit würde ich gerne kennenlernen, die Person wäre mir sehr
sympathisch).
Motivation
Die Motivation zu einer sorgfältigen Produktbeurteilung wurde anhand dreier Items
eines siebenstufigen semantischen Differentials gemessen: Die Entscheidung "ist
eine sehr wichtige - völlig unwichtige Entscheidung", "erfordert sorgsame Überlegung
22
- kann ohne viel nachzudenken getroffen werden" und "bei der Auswahl des falschen
Produkts kann man viel verlieren - es ist eigentlich nicht so wichtig, welches Produkt
man wählt".
Fähigkeit
Die Messung der Fähigkeit zu einer sorgfältigen Produktbeurteilung wurde mit Hilfe
zweier Items eines siebenstufigen semantischen Differentials durchgeführt: "Ich kann
die Produkte in diesem Bereich sehr gut beurteilen - ich kann die Produkte in diesem
Bereich sehr schlecht beurteilen" und "Es ist sehr einfach, in diesem Bereich das
beste Produkt herauszufinden - es ist sehr schwierig, in diesem Bereich das beste
Produkt herauszufinden".
Abhängige Variable
Einstellung zur Marke
Die Messung der globalen Einstellung zu den vier untersuchten Marken wurde
anhand von drei Items auf einer siebenstufigen Likertskala von "trifft völlig zu" bis
"trifft überhaupt nicht zu" vorgenommen. Für jede Marke war dabei von der
Auskunftsperson das Zutreffen folgender Items anzugeben: "beurteile ich sehr
positiv", "habe insgesamt ein gutes Gefühl gegenüber der Marke" und "ist
wünschenswert". Die Einstellungsmessung wurde für alle vier Marken vor der
Messung der Variablen zur Markenpersönlichkeit vorgenommen (vgl. Graeff 1996).
Die Auswahl des Items, mit dem begonnen wurde, erfolgte dabei zufällig. Um
künstliche
Konsistenzeffekte
gering
zu
halten,
war
weiters
zwischen
Einstellungsmessung und Messung der Variablen zu den Markenpersönlichkeiten
eine etwa 15 Minuten dauernde Ablenkungsaufgabe zu erfüllen.
23
4
Ergebnisse
4.1 Motivation und Fähigkeit
Die durchschnittliche Motivation der Auskunftspersonen bei der Entscheidung im
Produktbereich Mineralwasser ist eher gering, die eigenen Fähigkeiten bei dieser
Entscheidung
werden
im
Durchschnitt
als
mittelmäßig
eingeschätzt.
Die
Standardabweichungen der Items zeigen jedoch, daß Motivation und Fähigkeit im
Zusammenhang
mit
der
Entscheidung
im
Produktbereich
Mineralwasser
interindividuell deutlich unterschiedlich ausgeprägt sind (vgl. Tabelle 1). Damit ist
eine notwendige Voraussetzung zur empirischen Überprüfung des moderierenden
Einflusses von Motivation und Fähigkeit auf den Effekt der Markenpersönlichkeit auf
die Einstellung (H2) erfüllt.
Tabelle 1
Motivation und Fähigkeit bei der Entscheidung im Produktbereich Mineralwasser
Arithmetischer Mittelwerta
Standardabweichung
n
sehr wichtige
Entscheidung
2,60
1,95
371
erfordert sorgsame
Überlegung
1,88
1,79
371
bei der Auswahl des
falschen Produkts kann
man viel verlieren
1,74
1,73
371
ich kann die Produkte in
diesem Bereich sehr gut
beurteilen
3,62
1,85
371
es ist sehr einfach, in
3,58
diesem Produktbereich
das beste Produkt
herauszufinden
Skala 1 - 7, höhere Werte bedeuten stärkere Zustimmung
1,99
371
Motivation
Fähigkeit
a
Zur Validierung unserer Operationalisierungen der Konstrukte Motivation und
Fähigkeit
Ausgehend
wurde
eine
von
der
explorative
Hauptkomponentenanalyse
Korrelationsmatrix
der
fünf
Items
durchgeführt.
erklärt
die
Zweikomponentenlösung rund 78 % der Gesamtvarianz. Das Item "bei der Auswahl
des
falschen
Produkts
Zweikomponentenlösung
mit
kann
68
man
%
viel
erklärter
verlieren"
wird
(standardisierter)
durch
die
Varianz
am
24
schlechtesten abgebildet. Für alle anderen Items liegt die erklärte (standardisierte)
Varianz über 78 %. Die Eigenwerte der ersten, zweiten und dritten Hauptkomponente
betragen 2,717; 1,158 und 0,450. Insgesamt wird die Zweikomponentenlösung mit
den beiden Faktoren Motivation und Fähigkeit durch die Daten unterstützt.
Nachdem das Elaboration Likelihood Modell (ELM) die beiden Dimensionen
Motivation und Fähigkeit als unterscheidbare, aber nicht als unabhängige
Determinanten des Verarbeitungsmodus der Konsumenten postuliert, wurden die
Hauptkomponenten schiefwinkelig rotiert. Nach Rotation laden die drei Items zur
Messung der Motivation stark positiv auf die erste Hauptkomponente und die beiden
Items zur Messung der Fähigkeit stark positiv auf die zweite Hauptkomponente (vgl.
Tabelle 2).
Tabelle 2
Komponentenladungen nach schiefwinkeliger Rotationa
Komponente
a
Motivation
Fähigkeit
sehr wichtige
Entscheidung
0,836
0,120
erfordert sorgsame
Überlegung
0,928
-0,127
bei der Auswahl des
falschen Produkts kann
man viel verlieren
0,802
0,059
ich kann die Produkte in
diesem Bereich sehr gut
beurteilen
0,081
0,862
-0,052
0,922
es ist sehr einfach, in
diesem Produktbereich
das beste Produkt
herauszufinden
die Analyse basiert auf der Korrelationsmatrix
Die Korrelation zwischen den beiden Komponenten beträgt 0,354. Eine positive
Assoziation zwischen Motivation und Fähigkeit entspricht den Erwartungen, da eine
höhere Motivation zu einer sorgfältigen Produktbeurteilung auch die Aneignung der
dafür notwendigen Fähigkeiten fördern sollte.
Für die weitere Analyse wurden die drei Items "sehr wichtige Entscheidung",
"erfordert sorgsame Überlegung" und "bei Auswahl des falschen Produkts kann man
25
viel verlieren" durch Bildung des arithmetischen Mittels zu einer Motivationsskala
zusammengefaßt (standardisiertes Cronbachs Alpha = 0,8273). Die beiden Items
"ich kann die Produkte in diesem Bereich sehr gut beurteilen" und "es ist sehr
einfach, in diesem Produktbereich das beste Produkt herauszufinden" werden
ebenfalls nach Bildung des arithmetischen Mittels zur Messung der Fähigkeit
herangezogen (Produkt-Moment Korrelation = 0,6162).
4.2 Einstellungen zu den Marken
Die Marke Römerquelle wird hinsichtlich der drei erhobenen Einstellungskriterien am
besten beurteilt. Vöslauer wird entlang aller drei Indikatoren zur Messung der
Einstellung etwas schlechter als Römerquelle bewertet. Mit deutlichem Abstand folgt
die Marke Waldquelle, welche ihrerseits etwas besser als die Marke Juvina
eingeschätzt wird (vgl. Tabelle 3). Die Zahl der gültigen Antworten schwankt
geringfügig. Nahezu alle Auskunftspersonen in der Stichprobe verfügen über eine
Einstellung gegenüber den Marken Römerquelle und Vöslauer. Ungefähr 3% (4%)
der Befragten äußerten keine Einstellung gegenüber Juvina (Waldquelle).
26
Tabelle 3
Einstellung gegenüber den untersuchten Mineralwassermarken
Arithmetischer Mittelwerta
Standardabweichung
n
ist wünschenswert
4,58
1,58
370
beurteile ich sehr positiv
4,82
1,42
371
habe insgesamt ein gutes
Gefühl gegenüber der
Marke
4,96
1,31
371
ist wünschenswert
4,17
1,55
369
beurteile ich sehr positiv
4,39
1,46
370
habe insgesamt ein gutes
Gefühl gegenüber der
Marke
4,56
1,40
370
ist wünschenswert
2,84
1,82
355
beurteile ich sehr positiv
3,06
1,82
357
habe insgesamt ein gutes
Gefühl gegenüber der
Marke
3,27
1,87
356
ist wünschenswert
2,43
1,83
360
beurteile ich sehr positiv
2,79
1,85
360
habe insgesamt ein gutes
2,91
Gefühl gegenüber der
Marke
Skala 1 - 7, höhere Werte bedeuten stärkere Zustimmung
1,93
361
Römerquelle
Vöslauer
Waldquelle
Juvina
a
Für jede Marke wurde aus den entsprechenden drei Items zur Messung der
Einstellung
durch
Mittelwertbildung
eine
Einstellungsskala
gebildet.
Die
standardisierten Alpha-Koeffizienten sind für alle Marken sehr hoch (Juvina 0,9195;
Römerquelle 0,9228; Vöslauer 0,8955; Waldquelle 0,9308).
4.3 Markenpersönlichkeiten
Im großen und ganzen zeigt sich bei der Beurteilung der mit den Marken assoziierten
Persönlichkeiten ein ähnliches Ergebnis wie bei der Einstellungsmessung. Allerdings
treffen
die
Aussagen
zur
Messung
der
Kongruenz
zwischen
der
27
Markenpersönlichkeit und dem aktuellen Selbst ("Ich wäre ihr sehr sympathisch" und
"Sie würde mich gerne kennenlernen") etwas stärker auf die mit der Marke Vöslauer
assoziierte Person zu als auf die "Römerquelle-Person" (vgl. Tabelle 4). Dieses
Ergebnis bestätigt indirekt die oben geschilderte qualitative Beschreibung der
Persönlichkeiten der untersuchten Marken. Die mit dem Marktführer Römerquelle
assoziierte Person wurde dort als junge Person der Oberschicht, extrovertiert,
intelligent, teilweise aber auch als oberflächlich und arrogant beschrieben. Die für
diese Person empfundene Sympathie und der Wunsch, sie kennenzulernen, sind im
Vergleich mit den anderen "Marken-Personen" sehr stark ausgeprägt, was auf eine
hohe Idealselbstkongruenz hindeutet. Umgekehrt wird von dieser Person weniger
erwartet, daß man ihr sympathisch ist bzw. diese Person den Wunsch hat, einen
selbst kennenzulernen, weil die Entfernung zwischen der "Römerquelle-Person" und
dem aktuellen Selbst groß ist.
Weiters trifft die Aussage "Diese Person wäre mir sehr sympathisch" stärker auf die
mit Juvina assoziierte Person zu als auf die "Waldquelle-Person" (vgl. Tabelle 4).
Dieser Befund widerspricht als einziger dem sonst durchgängigen Muster, daß die
Marke Waldquelle, sowohl was die Einstellung als auch die Beurteilung der
assoziierten Person betrifft, besser als die Marke Juvina abschneidet.
Die Zahl der fehlenden Werte bei der Beurteilung der Markenpersönlichkeiten ist
teilweise erheblich. Bezogen auf die Zahl der gültigen Antworten bei der Messung
der Einstellung zu den untersuchten Marken ergeben sich als Anteile fehlender
Werte für die Beurteilung der Markenpersönlichkeit von Römerquelle, Vöslauer,
Waldquelle und Juvina ungefähr 7%; 19%; 27% und 30% (vgl. Tabelle 4).
28
Tabelle 4
Beurteilung der Markenpersönlichkeiten der untersuchten Mineralwassermarken
Arithmetischer Mittelwerta
Standardabweichung
n
Diese Person wäre mir
sehr sympathisch
4,71
1,68
344
Wenn diese Person leben
würde, würde ich sie
gerne kennenlernen
4,08
1,94
344
Ich wäre ihr sehr
sympathisch
3,65
1,71
343
Sie würde mich gerne
kennenlernen
3,46
1,90
343
Diese Person wäre mir
sehr sympathisch
4,03
1,44
303
Wenn diese Person leben
würde, würde ich sie
gerne kennenlernen
3,77
1,69
303
Ich wäre ihr sehr
sympathisch
3,82
1,58
302
Sie würde mich gerne
kennenlernen
3,58
1,73
301
Diese Person wäre mir
sehr sympathisch
3,66
1,78
261
Wenn diese Person leben
würde, würde ich sie
gerne kennenlernen
3,30
2,00
261
Ich wäre ihr sehr
sympathisch
3,46
1,78
261
Sie würde mich gerne
kennenlernen
3,31
1,87
261
Diese Person wäre mir
sehr sympathisch
3,91
1,80
253
Wenn diese Person leben
würde, würde ich sie
gerne kennenlernen
2,85
2,01
253
Ich wäre ihr sehr
sympathisch
3,15
1,74
253
Sie würde mich gerne
3,07
kennenlernen
Skala 1 - 7, höhere Werte bedeuten stärkere Zustimmung
1,82
253
Römerquelle
Vöslauer
Waldquelle
Juvina
a
Angesichts der teilweise hohen Zahl fehlender Werte zur Beurteilung der
Markenpersönlichkeit stellt sich die Frage, inwieweit die Sichtweise, daß es sich
dabei um einen leicht zugänglichen und verarbeitbaren Cue handelt, aufrechterhalten
29
werden kann. In jedem Fall müßte diese Annahme korrigiert werden, wenn
Motivation und Fähigkeit Ursachen für gültige Antworten bei der Beurteilung der
Markenpersönlichkeit darstellen, also nur Auskunftspersonen mit höherer Motivation
und Fähigkeit in der Lage sind, die Markenpersönlichkeiten zu beurteilen.
Zur empirischen Überprüfung dieser Frage wurde versucht, aus der erfolgten / nicht
erfolgten Beurteilung der Markenpersönlichkeiten der vier untersuchten Marken die
Motivation und die Fähigkeit einer Auskunftsperson vorherzusagen. Die MANOVAAnalyse mit vier zweistufigen unabhängigen Faktoren (Markenpersönlichkeit
Römerquelle, Vöslauer, Juvina und Waldquelle beurteilt / nicht beurteilt) und
Motivation und Fähigkeit als abhängigen Variablen zeigt multivariat Motivation und
Fähigkeit unabhängig von der Tatsache, ob die Markenpersönlichkeiten beurteilt
wurden oder nicht (alle p > 0,10). Bei getrennter Betrachtung von Motivation und
Fähigkeit erweist sich die Motivation als unabhängig von der Tatsache, ob die
Markenpersönlichkeiten beurteilt wurden oder nicht (alle p > 0,10). Die Fähigkeit der
Auskunftspersonen, welche keine Beurteilung zur "Römerquelle-Person" und die
derjenigen, welche keine Beurteilung zur "Juvina-Person" abgaben, ist signifikant
größer als die der Auskunftspersonen, die die jeweilige Person beurteilt haben (p <
0,05). Gleichzeitig weisen Auskunftspersonen, welche für Römerquelle und Juvina
Beurteilungen der Markenpersönlichkeiten abgaben, höhere Fähigkeit auf als
diejenigen, welche nur eine der beiden Markenpersönlichkeiten beurteilten (p < 0,05).
Die Fähigkeit von Auskunftspersonen, die sowohl die Markenpersönlichkeit von
Römerquelle als auch die von Juvina beurteilt haben, liegt auf dem gleichen Niveau
(p > 0,10) wie die Fähigkeit der Auskunftspersonen, die keine der beiden
Markenpersönlichkeiten beurteilt haben. Insgesamt zeigt die Analyse jedoch, daß der
Zusammenhang zwischen Motivation, Fähigkeit und der Tatsache, ob die Beurteilung
einer Markenpersönlichkeit erfolgt oder nicht, eher schwach ausgeprägt ist. Die
Richtung des Effekts deutet etwas höhere Fähigkeit für Auskunftspersonen an,
welche die Markenpersönlichkeit nicht beurteilt haben. Die Hypothese, daß es sich
bei der Markenpersönlichkeit um einen ohne besondere Motivation und Fähigkeit
zugänglichen und verarbeitbaren Cue handelt, kann demnach vorläufig aufrecht
erhalten werden.
30
Aus theoretischer Sicht bilden die Beurteilung der Markenpersönlichkeit durch die
Auskunftspersonen ("Diese Person wäre mir sehr sympathisch"; "Wenn diese Person
leben würde, würde ich sie gerne kennenlernen") und die Einschätzung, wie die
Markenpersönlichkeit die Auskunftsperson beurteilt ("Ich wäre ihr sympathisch"; "Sie
würde
mich
gerne
kennenlernen"),
unterschiedliche
Konstrukte
-
Idealselbstkongruenz und Aktualselbstkongruenz. Die aus Tabelle 4 ersichtlichen
und am Beispiel von Römerquelle diskutierten Mittelwertunterschiede zwischen den
Indikatoren zur Messung der Idealselbstkongruenz und den Indikatoren zur Messung
der Aktualselbstkongruenz unterstützen zusammen mit einer statistisch signifikanten
Interaktion zwischen beurteilter Marke und Art der gemessen Kongruenz (F [6, 180] =
7,109; p < 0,05) diese Konzeptualisierung empirisch. Das bestätigt, daß die
Konsumenten für die untersuchten Marken zwischen der Frage, ob eine
Markenpersönlichkeit nahe am aktuellen Selbst liegt, und der Frage, wie sehr diese
ihrem idealen Selbstbild entspricht, differenzieren.
Allerdings erwiesen sich die Korrelationen zwischen den vier Indikatoren zur
Beurteilung der Markenpersönlichkeit für alle vier untersuchten Marken als sehr
hoch. Nach Bildung des arithmetischen Mittelwertes aus den jeweiligen zwei
Indikatoren zur Messung der Idealselbstkongruenz und der Aktualselbstkongruenz
betragen die Korrelationen zwischen den resultierenden Skalen für Römerquelle,
Vöslauer, Waldquelle und Juvina 0,641; 0,533; 0,723; und 0,648. Die Einbeziehung
von Idealselbst- und Aktualselbstkongruenz als getrennte Prädiktoren in das unten
dargestellte Regressionsmodell würde daher zu Multikollinearitätsproblemen führen.
Nachdem
aus
dem
ELM
für
beide
Dimensionen
der
Markenpersönlichkeitsbeurteilung die gleichen Wirkungsbedingungen abgeleitet
werden können, wurden die jeweiligen vier Indikatoren durch Mittelwertbildung zu
einer Skala zusammengefaßt. Die standardisierten Alpha-Koeffizienten dieser Skala
betragen für Römerquelle, Vöslauer, Waldquelle und Juvina 0,8652; 0,8343; 0,9131
und 0,8974.
31
4.4 Überprüfung der Hypothesen in isolierter Betrachtung der
Marken
Zur Überprüfung der beiden Hypothesen wurde in einem ersten Schritt für jede
Marke ein isoliertes Regressionsmodell geschätzt. Zur Abbildung von interaktiven
Effekten wurden Produktterme gebildet (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1
constant
b0
Markenpersönlichkeit
b1
Motivation
b2
Fähigkeit
b3
Einstellung zur
Marke
b4
usw.
Motivation x Fähigkeit
zeta
b5
Motivation x Markenpersönlichkeit
b6
b7
Fähigkeit x Markenpersönlichkeit
Motivation x Fähigkeit x Markenpersönlichkeit
Theoretische Erwartungen bezüglich der Koeffizienten:
b1:
positiv, je positiver die mit der Marke assoziierte Person beurteilt wird,
desto positiver sollte die Einstellung zur Marke sein (H1);
b2:
keine Vorhersage, abhängig davon, wie die untersuchte Marke entlang
aller anderen nicht gemessenen Eigenschaften inklusive der
wahrgenommenen Produktqualität gesehen wird und wie die Marke im
Vergleich mit anderen Marken, der durch höhere Motivation
wahrscheinlicher
wird,
abschneidet;
keine
über
Marken
verallgemeinerbare Vorhersage;
b3:
keine Vorhersage, abhängig davon, wie die untersuchte Marke entlang
aller anderen nicht gemessenen Eigenschaften inklusive der
wahrgenommenen Produktqualität gesehen wird und wie die Marke im
Vergleich mit anderen Marken, der durch höhere Fähigkeit vereinfacht
wird, abschneidet; keine über Marken verallgemeinerbare Vorhersage;
32
b4:
siehe Kommentar zu b2 und b3;
b5:
keine Vorhersage, je größer die Motivation, desto wichtiger sollten
andere
Kriterien
im
Verhältnis
zum
peripheren
Cue
Markenpersönlichkeit werden, gleichzeitig führt aber hohe Motivation im
Falle niedriger Fähigkeit möglicherweise zu einer Verstärkung des
Effektes der Markenpersönlichkeit;
b6:
negativ, je größer die Fähigkeit, desto wichtiger sollten andere Kriterien
im Verhältnis zum peripheren Cue Markenpersönlichkeit werden;
b7:
negativ, je größer Motivation und Fähigkeit, desto geringer sollte der
Einfluß des peripheren Cues Markenpersönlichkeit werden (H2);
Aus den Zielsetzungen der Untersuchung heraus sind nur die Koeffizienten b1 und
b7 von Interesse. b1 überprüft, ob von der Selbstkongruenz der Markenpersönlichkeit
ein Haupteffekt auf die Einstellung zur untersuchten Marke ausgeht (H1). b7 dient
der Überprüfung der Frage, ob dieser Einfluß in Form der hypothetisierten 3-fachInteraktion von der Motivation und Fähigkeit zu einer sorgfältigen Beurteilung des
Produkts moderiert wird (H2). Die Koeffizienten b2 - b6 sind im Modell enthalten, um
eine Konfundierung nicht vorhergesehener Effekte mit b1 und b7 zu vermeiden. Zur
Verringerung der Korrelationen der Produktterme im Modell mit deren Bestandteilen
wurden die entsprechenden Variablen vor Bildung der Produktterme zentriert
(Jaccard, Turrisi & Wang, 1991).
Die für jede Marke getrennt gerechneten Regressionen ergeben für alle Marken
multiple Korrelationskoeffizienten signifikant größer als Null. Die Konstanten (b0) aller
vier Regressionen sind signifikant von Null verschieden. Die Haupteffekte (b1) der
Beurteilung
der
Markenpersönlichkeit
auf
die
Einstellung
zu
den
Marken
Römerquelle, Vöslauer, Waldquelle und Juvina sind statistisch signifikant positiv (alle
p < 0,01). Diese Koeffizienten beschreiben den Effekt der Verbesserung der
Beurteilung der Markenpersönlichkeit um eine Einheit auf die Einstellung zur
jeweiligen Marke bei mittlerer Motivation und Fähigkeit9 und zeigen, daß der Effekt
von der Beurteilung der Markenpersönlichkeit auf die Einstellung zu einer Marke
deutlich ausgeprägt ist (vgl. Tabelle 5). Damit kann der von der H1 postulierte Einfluß
9
Vor Bildung der Produktterme zur Modellierung interaktiver Beziehungen wurden die jeweils in das Produkt
eingehenden Variablen zentriert. Wenn Motivation und Fähigkeit ihren mittleren Wert annehmen, resultiert für
die entsprechenden Produktterme der Wert Null und der Effekt der Verbesserung der Beurteilung der
Markenpersönlichkeit um eine Einheit auf die Einstellung beträgt b1-Einheiten auf der Einstellungsskala.
33
der Markenpersönlichkeit für das untersuchte Produkt Mineralwasser bestätigt
werden. Eine höhere Selbstkongruenz der Markenpersönlichkeit führt demnach zu
einer signifikanten Verbesserung der Einstellung gegenüber einer Marke.
Tabelle 5
F-Werte und Regressionskoeffizienten (t-Werte in Klammern)
Römerquelle
Fa
7,523 (7; 333)
Waldquelle
Juvina
8,010 (7; 292)
8,548 (7; 251)
12,272 (7; 245)
b0
3,98500 (13,699) 3,40100 (10,239)
2,52200 ( 6,198)
2,04300 ( 5,187)
b1
0,27400 ( 5,981)
0,28600 ( 5,166)
0,42400 ( 6,953)
0,52800 ( 8,702)
b2
0,06583 ( 1,338)
0,13700 ( 2,710)
0,07393 ( 1,028)
0,00479 ( 0,069)
b3
0,06749 ( 1,471)
0,06219 ( 1,360) -0,09323 (-1,361) -0,09194 (-1,431)
b4
-0,00523 (-0,197) -0,06174 (-2,189)
b5
a
Vöslauer
0,00448 ( 0,111)
0,00026 ( 0,007)
0,00411 ( 0,135) -0,02823 (-0,730) -0,02885 (-0,666)
0,00919 ( 0,203)
b6
-0,00644 (-0,218)
b7
0,00582 ( 0,360)
0,00114 ( 0,032)
0,08140 ( 1,969)
0,04830 ( 1,215)
0,04477 ( 2,213) -0,02558 (-1,176)
0,01279 ( 0,523)
In Klammern Hypothesen und Residualfreiheitsgrade.
Fettgedruckte Werte sind statistisch signifikant (p < 0,05).
Der Effekt der Motivation auf die Einstellung zur Marke Vöslauer (b2, Vöslauer) ist
signifikant positiv. Dieser positive Effekt wird mit zunehmender Fähigkeit der
Auskunftspersonen schwächer. Der Koeffizient der Produktvariablen Motivation x
Fähigkeit (b4, Vöslauer) ist signifikant negativ. Im Fall von Waldquelle verstärkt sich
der positive Effekt der Markenpersönlichkeit auf die Einstellung mit zunehmender
Fähigkeit der Auskunftspersonen. Der Koeffizient der Produktvariablen Fähigkeit x
Markenpersönlichkeit (b6, Waldquelle) ist signifikant positiv.
Der Koeffizient der 3-fach-Interaktion Motivation x Fähigkeit x Markenpersönlichkeit,
b7, erreicht nur im Modell zur Erklärung der Einstellung gegenüber Vöslauer
statistische Signifikanz. Allerdings ist das Vorzeichen von b7 in diesem Modell im
Gegensatz
zur
theoretischen Vorhersage der H2 positiv. Der Effekt der
Markenpersönlichkeit von Vöslauer auf die Einstellung gegenüber Vöslauer verstärkt
sich mit zunehmender Motivation und Fähigkeit.
34
Zur Analyse der Sensitivität der Koeffizientenschätzungen infolge substantieller
Korrelationen zwischen den als Prädiktoren einbezogenen Variablen wurde
zusätzlich für jede Marke ein auf die theoretisch bestimmbaren Koeffizienten
reduziertes Modell geschätzt. Diese Modelle beziehen nur eine Konstante, die
Markenpersönlichkeit
und
den
Produktterm
Motivation
x
Fähigkeit
x
Markenpersönlichkeit ein (vgl. Tabelle 6).
Tabelle 6
F-Werte und Regressionskoeffizienten (t-Werte in Klammern)
Römerquelle
a
Vöslauer
Waldquelle
Juvina
Fa
22,681 (2; 338)
17,776 (2; 297)
26,413 (2; 255)
40,541 (2; 250)
b0
4,38600 (19,456)
4,011 (14,450)
2,28000 ( 7,987)
1,57500 ( 5,982)
b1
0,29500 ( 6,630)
0,29400 ( 5,280)
0,43400 ( 7,193)
0,54100 ( 8,982)
b7
0,01528 ( 1,121)
0,04374 ( 2,342) -0,04460 (-2,306)
0,01065 ( 0,469)
In Klammern Hypothesen und Residualfreiheitsgrade.
Fettgedruckte Werte sind statistisch signifikant (p < 0,05).
Die Koeffizienten für den einfachen Effekt der Markenpersönlichkeit auf die jeweilige
Einstellung verändern sich dabei nur geringfügig. Bezüglich der 3-fach-Interaktion
zwischen Motivation, Fähigkeit und Markenpersönlichkeit bestätigt sich der entgegen
den theoretischen Erwartungen verstärkende Effekt von Motivation und Fähigkeit auf
den Einfluß der Markenpersönlichkeit von Vöslauer auf die Einstellung gegenüber
der Marke Vöslauer. Im vereinfachten Modell zur Vorhersage der Einstellung
gegenüber der Marke Waldquelle erreicht der Koeffizient der 3-fach-Interaktion
ebenfalls statistische Signifikanz, ist hier aber entsprechend den Vorhersagen der H2
negativ.
Die Ergebnisse der Analyse auf Markenebene zeigen bezüglich der Eigenschaften
der Markenpersönlichkeit als peripherem Cue im Sinne des ELM kein einheitliches
Ergebnis. In den Modellen zur Erklärung der Einstellung gegenüber Römerquelle und
Juvina erweist sich die Einflußstärke der Markenpersönlichkeit auf die Einstellung
gegenüber diesen Marken als unabhängig von Motivation und Fähigkeit. Im Fall von
Vöslauer
verstärken
Motivation
und
Fähigkeit
sogar
den
Einfluß
der
35
Markenpersönlichkeit auf die Einstellung zu Vöslauer. Nur im Modell zur Erklärung
der Einstellung gegenüber Waldquelle zeigt sich, daß die Einflußstärke der
Markenpersönlichkeit mit zunehmender Motivation und Fähigkeit abnimmt.
4.5 Überprüfung der Hypothesen unter Berücksichtigung der
Konkurrenzbeziehungen
Die auf Markenebene durchgeführten Analysen zeigen, daß die Markenpersönlichkeit
die Einstellung gegenüber einer Marke signifikant beeinflußt (H1). Bezüglich der Art
dieses Einflusses (H2) weisen die für die einzelnen Marken isoliert geschätzten
Modelle jedoch kein einheitliches Bild auf. Eine mögliche Erklärung dafür liegt darin,
daß diese isolierten Modelle das Verhalten der Konsumenten bezüglich der
Einstellungsbildung als Antezedenzvariable für die Auswahlentscheidung ohne die
explizite Berücksichtigung der Konkurrenzbeziehungen zwischen den Marken
abbilden. Da sowohl die Einstellungen zu den Marken als auch die Beurteilung der
Selbstkongruenz der untersuchten Marken untereinander zum Teil beträchtlich
korreliert sind, liegt es nahe, diese Konkurrenzbeziehungen in die Analyse
miteinzubeziehen. Daher wurde ein Regressionsmodell formuliert, welches als
abhängige Variable die Unterschiedlichkeit der Einstellungen gegenüber den Marken
aus der Unterschiedlichkeit in der Beurteilung der Markenpersönlichkeiten ableitet.
Die Unterschiedlichkeit in den Einstellungen zu den Marken und in den Beurteilungen
der Markenpersönlichkeiten wurde als Varianz der entsprechenden Bewertungen
einer Person operationalisiert (vgl. Abbildung 2).
36
Abbildung 2
constant
b0
Var(P[R], P[V], P[W], P[J])a
b1
Motivation
b2
Fähigkeit
b3
b4
usw.
Var(E[R], E[V], E[W], E[J])b
zeta
Motivation x Fähigkeit
b5
Motivation x Var(P[R], P[V], P[W], P[J])
b6
b7
Fähigkeit x Var(P[R], P[V], P[W], P[J])
Motivation x Fähigkeit x Var(P[R], P[V], P[W], P[J])
a
b
Var(P[R], P[V], P[W], P[J]): Varianz der Beurteilungen der Markenpersönlichkeiten von
Römerquelle, Vöslauer, Waldquelle und Juvina einer Auskunftsperson
Var(E[R], E[V], E[W], E[J]): Varianz der Einstellungen zu Römerquelle, Vöslauer, Waldquelle
und Juvina einer Auskunftsperson
Theoretische Erwartungen bezüglich der Koeffizienten:
b1:
positiv, je unterschiedlicher die mit den vier Marken assoziierten
Personen beurteilt werden, desto unterschiedlicher sind die
Einstellungen bezüglich der vier untersuchten Marken (H1);
b2:
positiv, je höher die Motivation bei der Entscheidung, desto
wahrscheinlicher werden die Marken auch bezüglich über die
Markenpersönlichkeit hinausgehender Kriterien verglichen, was zu
größeren Unterschieden zwischen den Einstellungen zu den Marken
führt;
b3:
positiv, je höher die Fähigkeit zur Entscheidung, desto einfacher wird
der Vergleich zwischen Marken auch bezüglich über die
Markenpersönlichkeit hinausgehender Kriterien, was zu größeren
Unterschieden zwischen den Einstellungen zu den Marken führt;
b4:
positiv, höhere Motivation sollte den Effekt der Fähigkeit auf die
Berücksichtigung von über die Markenpersönlichkeit hinausgehenden
Unterschieden zwischen den untersuchten Marken verstärken und
umgekehrt;
b5:
keine Vorhersage, je größer die Motivation, desto wichtiger sollten
Unterschiede bezüglich anderer Kriterien zwischen den Marken im
Verhältnis zur Unterschiedlichkeit bezüglich des peripheren Cues
37
Markenpersönlichkeit werden, gleichzeitig führt aber hohe Motivation im
Falle niedriger Fähigkeit möglicherweise zu einer Verstärkung des
Effektes der Unterschiedlichkeit der Markenpersönlichkeiten;
Die
b6:
negativ, je größer die Fähigkeit, desto wichtiger sollten Unterschiede
bezüglich anderer Kriterien im Verhältnis zu Unterschieden bezüglich
des peripheren Cues Markenpersönlichkeit werden;
b7:
negativ, je größer Motivation und Fähigkeit, desto weniger sollten
Unterschiede bezüglich des peripheren Cues Markenpersönlichkeit
unterschiedliche Einstellungen zwischen den untersuchten Marken
verursachen (H2);
multiple
Korrelation
zwischen
allen
Prädiktoren
und
dem
Kriterium
"Unterschiedlichkeit der Einstellungen gegenüber den Marken" ist statistisch
signifikant. Der Effekt der Unterschiedlichkeit der Markenpersönlichkeiten auf die
Unterschiedlichkeit der Einstellungen ist, wie erwartet, signifikant positiv und bestätigt
neuerlich H1. Der Effekt der Motivation ist bei zweiseitigem Test tendenziell
signifikant (p < 0,10) und zeigt, daß mit höherer Motivation die Unterschiede
zwischen den Einstellungen zu den Marken größer werden. Der Effekt der 3-fachInteraktion Motivation x Fähigkeit x Unterschiedlichkeit der Markenpersönlichkeiten
ist bei zweiseitigem Test ebenfalls tendenziell signifikant (p < 0,10; einseitig: p <
0,05) und weist in dieser die Konkurrenzbeziehungen berücksichtigenden Analyse in
die von H2 vorhergesagte Richtung. Mit zunehmender Motivation und Fähigkeit zu
einer sorgfältigen Beurteilung des Produkts wird der Effekt der Unterschiedlichkeit
der Markenpersönlichkeiten auf die Unterschiedlichkeit der Einstellungen gegenüber
den Marken schwächer (vgl. Tabelle 7).
38
Tabelle 7
F-Werte und Regressionskoeffizienten
(t-Werte in Klammern)
a
Fa
6,148 (7; 178)
b0
0,33400 ( 0,545)
b1
0,62200 ( 5,239)
b2
0,23600 ( 1,741)
b3
0,17100 ( 1,337)
b4
-0,05583 (-0,729)
b5
0,00070 ( 0,008)
b6
-0,04037 (-0,505)
b7
-0,07606 (-1,702)
In Klammern Hypothesen und Residualfreiheitsgrade.
Fettgedruckte Werte sind statistisch signifikant (p < ,05).
Das Ergebnis dieser die Konkurrenzbeziehungen berücksichtigenden Analyse deutet
darauf hin, daß der Einfluß der von der Markenpersönlichkeit im Prozeß des
Vergleiches zwischen den vier untersuchten Marken ausgeht, eher peripherer Natur
ist und mit zunehmender Motivation und Fähigkeit zu einer sorgfältigen
Produktbeurteilung abnimmt.
5
Diskussion
Die gefundenen Ergebnisse liefern eine weitere Bestätigung der Image-KongruenzHypothese. Die Übereinstimmung der Eigenschaften der Markenpersönlichkeit mit
dem eigenen Selbst übt, wie die Daten zeigen, einen konsistenten und auch in seiner
Stärke beachtlichen Einfluß auf die Einstellung gegenüber einer Marke aus. Die
ermittelten einfachen Korrelationskoeffizienten zwischen Selbstkongruenz und
Einstellung zur Marke liegen zwischen r=0,30 und r=0,49 und damit etwa in jenem
Bereich, der in der Literatur auch bei anderen Produkten berichtet wird. Der starke
39
Einfluß der Markenpersönlichkeit bei der Letztpräferenz vieler Verbraucher, der
Marke Juvina, zeigt auch, daß die Markenpersönlichkeit nicht nur für die Zuwendung
zu einer Marke, sondern gerade auch für die Ablehnung einer Marke entscheidend
ist.
Überraschend ist die Stärke der Beziehung zwischen aktueller und idealer
Selbstkongruenz. Die Konsumenten unterscheiden zwar inhaltlich zwischen diesen
beiden Formen der Selbstkongruenz, dennoch gibt es aber einen starken
Zusammenhang zwischen ihnen. Zwei Ursachen können dafür verantwortlich sein. In
methodischer Sicht läßt sich anmerken, daß die auf einem Gedanken von Blackston
(1992) aufbauende Messung der beiden Konstrukte noch keinem ausreichenden
Test der Validität unterzogen wurde. Es läßt sich demnach nicht ausschließen, daß
die hohe Korrelation einer nicht validen Messung zuzuschreiben ist. Eine inhaltliche
Erklärung des starken Zusammenhangs zwischen den beiden Konstrukten könnte
darin liegen, daß sich große Unterschiede zwischen der aktuellen und idealen
Selbstkongruenz
auf
Dauer
nicht
aufrechterhalten
lassen.
Im
Sinne
der
Dissonanztheorie von Festinger (1957) könnte bei einer zu großen Distanz der Marke
zum aktuellen Selbst entweder die Wahrnehmung der Marke in den diskrepanten
Eigenschaften oder die Bewertung dieser Diskrepanz angepaßt werden. Wenn
beispielsweise eine Marke als sozial (zu) hochstehend wahrgenommen wird, könnte
der
Konsument
mit
einer
Umkodierung
der
Eigenschaft
selbst
(die
Markenpersönlichkeit gibt sich nur als sozial hochstehend) oder mit einer
Neubewertung dieser Eigenschaft (sozial hochstehend heißt arrogant) reagieren, um
das kognitive Gleichgewicht wieder herzustellen und die eigene Selbstbewertung
nicht herabsetzen zu müssen.
Die Ergebnisse, welche die Untersuchung des moderierenden Effekts von Motivation
und Fähigkeit zu einer sorgfältigen Beurteilung des Produkts erbracht haben, liefern
einen uneinheitlichen Eindruck. Obwohl bei einer Analyse unter Berücksichtigung der
Konkurrenzbeziehungen
zwischen
den
untersuchten
Marken
die
für
den
Mineralwasserbereich hypothetisierte moderierende Rolle dieser beiden Faktoren in
ihrer Tendenz bestätigt werden konnte, deuten die Ergebnisse der isolierten Analyse
darauf hin, daß die Rolle der Markenpersönlichkeit auch bei Produkten des täglichen
Bedarfs komplexer sein könnte als durch eine einfache Einordnung als peripherer
40
Cue angenommen. Im Rahmen des ELM bieten sich neben der Wirkung als
peripherer Cue noch zwei anderen Effekte einer Variable an: (a) das Wirken als
zentraler Cue in der Verarbeitung und (b) eine Veränderung der Verarbeitung an sich
(Petty & Cacioppo, 1986a und 1986b).
Als zentraler Cue könnte die Markenpersönlichkeit dann wirken, wenn das
eigentliche Ziel des Kaufs nicht im Erwerb eines guten Produkts liegt, sondern primär
der Befriedigung affektiver oder sozialer Bedürfnisse des Konsumenten dient und zu
diesem Zweck eine bewußte Auseinandersetzung mit der Markenpersönlichkeit
stattfindet. Während ein solcher Einfluß bei Produkten wie etwa Bekleidung oder
bestimmten Konsumentensegmenten des Automarkts leicht vorstellbar ist, dürfte der
Grad
der
Bewußtheit
der
Markenpersönlichkeit
bei
den
untersuchten
Mineralwassermarken das dafür notwendige Niveau im Regelfall nicht übersteigen.
Dennoch ist denkbar, daß ein Teil der befragten Mineralwasserkäufer die
Einstellungsbildung zu den untersuchten Marken auf diese Weise vorgenommen hat.
Denkbar ist auch, daß durch die Selbstkongruenz einer Markenpersönlichkeit der
ganze Ablauf der Informationsverarbeitung beeinflußt wird. In diesem Fall könnte die
Markenpersönlichkeit etwa die Motivation zur Verarbeitung von Produktinformationen
beeinflussen, jedoch in einer Art, die vor allem der Rechtfertigung der Entscheidung
für eine besonders ichnahe Marke oder gegen eine besonders ichferne Marke dient.
Während das Endergebnis einer besseren oder schlechteren Einstellung gegenüber
einer Marke unabhängig davon ist, ob die Markenpersönlichkeit einen direkten
peripheren Schluß auf die Einstellung oder einen indirekten Einfluß über eine
verzerrte Produktbeurteilung hervorruft, lassen sich in letzterem Fall keine
moderierenden Wirkungen von Motivation und Fähigkeit feststellen. Die vorhandenen
Daten lassen es jedoch nicht zu, zwischen diesen beiden Effekten zu trennen.
In
Summe
zeigen
die
Daten,
daß
eine
ausschließliche
Einordnung
der
Markenpersönlichkeit als peripherer Cue zur Erklärung ihrer Wirkung zu kurz greifen
könnte. Zukünftige Forschung sollte daher zeigen, welche Art von Kaufentscheidung
und welche persönlichkeitsabhängigen Variablen über Art und Ausmaß der Wirkung
der Markenpersönlichkeit entscheiden.
41
6
Markenpersönlichkeit und das Management von
Marken
In der akademischen Forschung lange Zeit vernachlässigt, zeigen die letzten Jahre
ein steigendes Interesse an der Rolle des Selbst in der Kaufentscheidung des
Konsumenten. Die veröffentlichten Forschungsergebnisse zu diesem Thema weisen
für eine Vielzahl von Produkten einen konsistenten und im Vergleich zur Wirkung
konkreter Produktattribute auch beachtlichen Einfluß der Markenpersönlichkeit nach.
Wie der vorliegende Beitrag zeigt, läßt sich die Art dieser Wirkung auch für ein häufig
gekauftes Verbrauchsgut nicht ausschließlich auf einen peripheren Einfluß
beschränken, sondern dürfte das Urteil der Konsumenten in vielfacher und
komplexer Weise beeinflussen.
Der Aufbau einer Markenpersönlichkeit sollte demzufolge auch ein zentrales
Anliegen des Managements einer Marke sein. Besondere Bedeutung dafür dürfte der
Werbung für eine Marke zukommen, die durch ihre visuelle und akustische
Gestaltung, Symbole und auch die Persönlichkeit ihrer Presenter zwischen den
Zeilen auch immer etwas von der Persönlichkeit der Marke vermittelt. Gerade für die
große Gruppe der Personen mit relativ hoher Selbstüberwachungstendenz zeigen
die Experimente von Snyder und Debono (1985) die starke Wirkung dieser
Gestaltungsvariablen auf das tatsächliche Wahlverhalten und die Preisbereitschaft.
Zusätzlich ergibt sich aus einem stärkeren Bezug zum Selbst eine höhere Effizienz
der Werbung, da selbstrelevantes Material leichter dekodiert und besser gespeichert
wird ("Selbstreferenzeffekt", z. B. Markus & Wurf, 1987; Symons & Johnson, 1997;
spezifisch für Werbung siehe Shavitt & Brock, 1986) und daher weniger
Wiederholungen der Werbeeinschaltung notwendig sind. Weitere Instrumente zur
Schaffung einer Markenpersönlichkeit liegen etwa in einem markenspezifischem
Design des Produkts, einem mit der Marke verbundenen Preisniveau, der Gestaltung
der Verpackung oder der Betonung persönlichkeitsrelevanter Stereotype der
Produktherkunft.
Wenngleich die Beziehungen zwischen diesen Elementen in ihrer Wirkung auf die
persönlichkeitsnahen Eigenschaften einer Marke noch nicht geklärt sind, liegt nahe,
42
daß sich die einzelnen Elemente zu einem für den Konsumenten konsistenten Bild
zusammenfügen müssen, da sonst die Markenpersönlichkeit unklar (Batra, Myers &
D. Aaker, 1995) und damit undiagnostisch für das Selbst wird.
In
der
Praxis
vielleicht
noch
schwieriger
als
die
Gestaltung
einer
Markenpersönlichkeit, für die vor allem in Werbeagenturen eine lange Tradition
besteht,
dürfte
die
davor
liegende
Auffindung
einer
erfolgversprechenden
Positionierung der Markenpersönlichkeit sein. Dazu ist es notwendig, wichtige
Dimensionen
der
Selbstwahrnehmung
aufzudecken,
in
denen
die
Markenpersönlichkeit zu Selbstergänzung und Selbstdarstellung beitragen kann.
Besonders erfolgversprechend ist das dort, wo Diskrepanzen zwischen der aktuellen
und der idealen Wahrnehmung des eigenen oder eines sozialen Selbst bestehen und
die vorhandenen Cues undiagnostisch oder ambivalent sind (z. B. bei Personen mit
angesehenem Beruf, aber zu niedrigem Einkommen, bei Personen in der MidlifeCrisis etc.). Der Aufbau bzw. die Neugestaltung einer Markenpersönlichkeit kann
jedoch auch ohne Diskrepanzen zwischen aktuellem und idealem Selbst notwendig
sein, sofern die Markenpersönlichkeit Gefahr läuft, in einer wichtigen Dimension zu
einer Verschlechterung des Selbstbilds beizutragen. In der Marktforschungspraxis
gestaltet sich die Erhebung selbstrelevanter Dimensionen und der personennahen
Eigenschaften einer Marke jedoch insofern schwierig, als die Konsumenten diese
Teile der Kaufentscheidung oft nicht ausreichend artikulieren können oder wollen.
Der Einsatz qualitativer Techniken ist daher vor allem im ersten Schritt der
Aufdeckung der selbstrelevanten Effekte der Markenpositionierung empfehlenswert.
Klarheit für die Gestaltung der Markenpersönlichkeit sollte auch darin geschaffen
werden, an welche Zielgruppe sich die Selbstergänzung bzw. Selbstdarstellung
richtet. Bei Produkten, die sich an mehrere Zielgruppen gleichzeitig richten (z. B. das
Auto als Mittel der Selbstergänzung sowie der Selbstdarstellung gegenüber
einerseits vertrauten Personen aus dem Bekanntenkreis und andererseits gegenüber
Geschäftspartnern), sollten diese Prozesse getrennt untersucht und dahingehend
überprüft werden, ob sich für diese Zielgruppen (a) eine Kompromißlösung finden
läßt (bzw. wie beim Auto aufgrund budgetärer Beschränkungen vielfach gefunden
werden muß) oder (b) eine auf die unterschiedlichen Zielgruppen abgestimmte
Mehrmarkenstrategie entwickelt werden muß (beispielsweise bei Zigaretten oder
43
Lebensmitteln, die einerseits privat konsumiert, andererseits bei Restaurantbesuchen
öffentlich konsumiert oder bei Gastbesuchen serviert werden etc.). Eine besondere
Herausforderung
an
die
Aufdeckung
und
Gestaltung
einer
erfolgreichen
Markenpersönlichkeit werfen auch multipersonale Kaufentscheidungen auf, die der
gleichzeitigen Selbstergänzung oder Selbstdarstellung mehrerer Personen dienen
wie z. B. Einrichtungsgegenstände oder Autos.
Von Seiten der akademischen Forschung besteht in all diesen Fragen noch
erheblicher Bedarf an weiterer Forschung, welche die Entscheider in der Praxis bei
der Lösung dieser Probleme unterstützen könnte. Die steigende Zahl an Arbeiten zu
diesem Thema, welche in den letzten Jahren veröffentlicht worden sind, läßt hoffen,
daß die Rolle des Selbst auch in der akademischen Forschung in Zukunft jenen Platz
einnehmen wird, der ihrem Einfluß in der Kaufentscheidung gerecht wird. Nicht
zuletzt dadurch ließe sich jene Lücke, die zwischen einer stark an Produktattributen
orientierten Wissenschaft und einer seit langem - wenn auch oft eher intuitiv als auf
Basis empirischer Daten - mit der Selbstkongruenz zwischen Marke und Konsument
arbeitenden Praxis schließen.
44
7
Literaturverzeichnis
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Research, XXXIV, 3, 347-356
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Personality Component of Brand Goodwill: Some Antecedents and
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Jersey, 83-96
Batra, Rajeev, John G. Myers und David A. Aaker (1995), Advertising Management,
Fifth Edition, Prentice Hall, Upper Saddle River, New Jersey
Bem, Daryl J. (1972), Self-Perception Theory, in: Berkowitz L. (Hrsg.), Advances in
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1-62
Blackston, Max (1992), Observations: Building Brand Equity by Managing the Brand
Relationships, in: Journal of Advertising Research, May/June
Blackston, Max (1993), Beyond Brand Personality: Building Brand Relationships, in:
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