Pressestatement Martin Wansleben

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Pressestatement Martin Wansleben
Statement zur Frühsommer-Konjunkturumfrage 2015
von
Martin Wansleben, DIHK-Hauptgeschäftsführer,
zum Pressegespräch am 28. Mai 2015
Das Wachstum zieht an. Die Erwartungen der Unternehmen verbessern sich weiter.
Euphorie bleibt allerdings aus. An frühere Aufschwungphasen reichen die Geschäftserwartungen nicht heran. Die Unternehmen wollen ihre Investitionen und ihre
Beschäftigung ausweiten, mit der Entwicklung der Geschäftserwartungen halten die
Pläne allerdings nicht ganz mit. Bisherige Sonderfaktoren für die Konjunktur verlieren
an Kraft: Der Ölpreis steigt bereits wieder, und der Euro hat sich gefangen.
Der DIHK rechnet für 2015 mit einem Wachstum von 1,8 Prozent, etwas besser als
zu Jahresbeginn prognostiziert (1,3%). Erwartungen mit einer 2 vor dem Komma erfüllen sich für dieses Jahr nicht. Ein Wachstum in einer solchen Größenordnung ist
auch 2016 nur möglich, wenn die Investitionen endlich kräftiger anziehen. Beim Konsum kommen in diesem Jahr alle positiven Faktoren zusammen – das klappt so nicht
noch einmal, allein schon wegen des Ölpreises.
Die Beschäftigung steigt in diesem Jahr um rund 250.000 Stellen (Prognose Jahresbeginn 2015: 200.000). Möglich ist das, weil die Bevölkerung dank der Zuwanderung
wieder wächst. Die Zahl der Arbeitslosen geht 2015 um rund 100 Tausend auf
durchschnittlich 2,8 Millionen zurück (Prognose Jahresbeginn: 2,85 Mio.).
Das sind die wesentlichen Ergebnisse der DIHK-Konjunkturumfrage vom Frühsommer 2015. Grundlage sind mehr als 23.000 Unternehmensantworten, die von den
Industrie- und Handelskammern (IHKs) ausgewertet worden sind.
Zu den Ergebnissen im Einzelnen:
Die Lageeinschätzung der Unternehmen verbessert sich im Frühsommer 2015 unter dem Strich nicht weiter (Saldo: 32 Punkte). Eine Atempause hatten bereits die
verhaltenen Geschäftserwartungen in der Vorumfrage signalisiert. Auf die kommenden Monate blicken die Unternehmen nun allerdings optimistischer. Die Geschäftserwartungen verbessern sich spürbar (Saldoanstieg von 7 auf 13 Punkte).
Besonders in der Bauwirtschaft hellt sich die Stimmung weiter auf (Saldoanstieg
von -1 auf 13 Punkte). Der Wohnungsbau boomt dank anhaltender Niedrigzinsen.
Dieser konjunkturelle Sonderfaktor wirkt mit voller Kraft. Der Anstieg beim Bau ist
auch im saisonalen Vergleich kräftig und insbesondere stärker als im Vorjahr – damals war auf den milden Winter ein schwacher Frühsommer gefolgt.
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Das Wachstum ist derzeit außerdem stark vom Konsum geprägt: Beschäftigung und
Löhne steigen. Die Unternehmen halten die Preise stabil. Das Konjunkturprogramm
„Ölpreiseinbruch“ kommt deshalb in erster Linie den Verbrauchern zugute. Eine
spürbare Belebung verzeichnet der Handel (Saldoanstieg von 4 auf 11). Bei den
Dienstleistern gewinnt die Zuversicht ebenfalls an Gewicht (Saldo von 7 auf 12).
Hier dämpft allerdings die Verschlechterung einiger Rahmenbedingungen die Erwartungen, etwa der Anstieg von Lohnkosten und Bürokratielasten (v. a. Mindestlohn).
Die Geschäftserwartungen der Industrie steigen (Saldoanstieg von 11 auf 17 Punkte). Die Exporte gewinnen allmählich wieder an Schwung (Exportsaldoanstieg von
11 auf 17 Punkte). Gerade bisherige „Sorgenkinder“ laufen besser. Die Wirtschaft in
den Ländern der Eurozone bleibt auf dem Erholungspfad. Diese wichtigen Abnehmerländer setzen wieder verstärkt auf deutsche Erzeugnisse. Robust zeigt sich die
Wirtschaft in den USA. Weiterhin große Sorgen bereitet den Unternehmen die Entwicklung in Russland; zumindest zeichnet sich hier aber eine Bodenbildung ab. In
China ist das rasante Wachstum der vergangenen Jahre nicht mehr erreichbar. Dies
dürfte mit einem geringeren Anstieg deutscher Exporte einhergehen.
Die Investitionsabsichten hellen sich in allen Sektoren der Wirtschaft auf, auch
wenn der Durchbruch ausbleibt (Saldoanstieg von 9 auf 12 Punkte). Verbesserte Absatzperspektiven im In- und Ausland erlauben derzeit eine expansivere Planung. Die
Finanzierungsbedingungen sind für die Unternehmen nach wie vor ausgesprochen
günstig (Rückgang Risiko von 12 auf 11%).
Die Unternehmen stellen auch weiterhin zusätzliches Personal ein (Saldoanstieg
von 3 auf 5 Punkte). Bau und Handel schrauben ihre Beschäftigungspläne wieder
nach oben (Saldoanstieg von -2 bzw. -1 auf 3 Punkte). Die Industrie zeigt sich weiterhin expansiv (Saldoanstieg von 2 auf 3 Punkte). Zurückhaltend sind allerdings erneut die Dienstleister (Saldoanstieg von 5 auf 6 Punkte) – zuvor waren sie über Jahre Beschäftigungsmotor (Gastgewerbe, Reisevermittler, Post- und Kurierdienste, Informations- und Kommunikationstechnologie).
Die Einstellung zusätzlichen Personals wird vom wachsenden Fachkräftemangel
gebremst. Das Risiko erreicht den höchsten Wert seit Befragungsbeginn 2010 (aktuell 39%; 2010: 16%) – trotz steigender Löhne. Sie helfen zwar, zusätzliche Arbeitskräfte zu mobilisieren, bremsen aber den Expansionsdrang der Unternehmen. So
trägt das Werben um Arbeitskräfte neben dem Mindestlohn maßgeblich dazu bei,
dass das Arbeitskostenrisiko auf Rekordniveau liegt (42%). Im Osten sind die Arbeitskosten weiterhin Top-Risiko (49%). Hier wirkt der einheitliche gesetzliche Mindestlohn am breitesten, direkt und auch auf das Lohngefüge oberhalb von 8,50 Euro.
Sowohl Beschäftigungs- als auch Investitionspläne halten mit der Entwicklung der
Geschäftserwartungen nicht ganz Schritt. Gegen eine expansivere Planung sprechen
nach wie vor ungelöste internationale Konflikte (Russland, Naher Osten) oder die
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weiter schwelende Griechenlandfrage. Hinzu kommt die Unzufriedenheit mit den
wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen hierzulande (Risiko 43% nach zuvor
45%).
Alles in allem prägen momentan vor allem Sondereffekte wie die Niedrigzinsen, der
gesunkene Ölpreis und der Wechselkurs die gute Konjunktur. Zwei dieser drei Faktoren verlieren allerdings allmählich ihre positive Wirkung: Die Risikowahrnehmung bei
den Energie- und Rohstoffpreisen nimmt wieder (um drei Punkte) auf 30 Prozent
zu. Zuvor hatte sich dieses Risiko angesichts einbrechender Preise deutlich entspannt. Der Ölpreis hat die Talsohle durchschritten (Anstieg in Euro um mehr als
40% seit Jahresanfang). Unternehmen und Verbraucher können nicht mit weiterem
Schub von dieser Seite rechnen. Auch der Sondereffekt „Euro-Schwäche“ ist nicht
von Dauer. Der Euro hat zuletzt gegenüber dem US-Dollar um ca. fünf Prozent aufgewertet. Zudem verteuert bislang der schwache Euro die Importe. Betroffen sehen
sich insbesondere Hersteller von Möbeln, Textilien und Bekleidung. In der Exportindustrie steigt das Wechselkursrisiko insgesamt merklich an (von 18 auf 26%).
Die aktuell gute Konjunkturentwicklung darf angesichts der Risiken nicht darüber
hinwegtäuschen: Die Politik nimmt momentan eine Anleihe auf die Zukunft auf. Die
Investitionen sind strukturell deutlich schwächer als in anderen Industrieländern
(Deutschland seit 2004 etwa 18% des BIP, andere Industrieländer rund 21%). Bei
der öffentlichen Infrastruktur leben wir von der Substanz. Die Arbeitskosten steigen
merklich (z. B. Rente mit 63, Mütterrente, Mindestlohn, Frauenquote, Familienpflegezeit), die Energiekosten liegen höher als anderswo (ggü. den USA bis zu 3x teurer).
Mittlerweile investieren wieder mehr Unternehmen im Ausland, um Kosten zu sparen
(23%, 2013: 20%). Der heimische Standort verliert an Attraktivität.
Die Politik muss dringend wieder gegensteuern: kurzfristig mit einem Belastungsstopp und echtem Bürokratieabbau (Echtes „One in, one out“ statt “Ten in - None
out": Elektroschrottentsorgung, Frauenquote, Entgeltgleichheitsgesetz, Regulierung
bei Zeitarbeit und Werkverträgen, Mindestlohndokumentation – statt dessen Verkürzung der Aufbewahrungsfristen, Anhebung der Grenze für die Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter, monatliche Umsatzsteuervoranmeldung für Existenzgründer, Abschaffung des Formulars für die Einnahme-Überschuss-Rechnung) und mittelfristig mit deutlich mehr öffentlichen Investitionen sowie mit besseren Rahmenbedingen für private Investitionsprojekte.
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