Helixförmiger Schaft dämpft... CITplus
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CITplus Das Praxismagazin für Verfahrens- und Chemieingenieure Wirbelbrecher in der Strömung Helixförmiger Schaft dämpft Schwingungsanregung bei Thermometer-Schutzrohren © mmmx - Fotolia.com Mess-, RegelteSteuer-, Automachnik | Antrieb tion | stechni k Was haben eine Ölbohrplattform, ein Industrieschornstein und eine Autoantenne mit einem Thermometer-Schutzrohr gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, vergleicht man Zweck und Abmessungen. Aber der Grund für ihr physikalisches Versagen, sprich: einstürzen, abreißen oder brechen, kann identisch sein: Schwingungen. Was sich in der Offshore-Technologie, der Architektur und im Automobilbau bewährt hat, um Schwingungsanregungen auf ein gefahrloses Maß zu reduzieren, nutzt auch bei Schutzrohren: eine Helix. KONTAKT: WIKA Alexander Wiegand SE & Co. KG Alexander-Wiegand-Straße 30 63911 Klingenberg Tel.: +49 9372 132-0 · info@wika.de Weitere Themen ▪ Genau wissen was durchgeht S. 38 ▪ Prozesse optimiert - Kosten gesenkt S. 42 ▪ Freier Zugang zum Gasnetz S. 44 © mmmx - Fotolia.com Mess-, Steuer-, Regeltechnik | Automation | Antriebstechnik Wirbelbrecher in der Strömung Helixförmiger Schaft dämpft Schwingungsanregung bei Thermometer-Schutzrohren Was haben eine Ölbohrplattform, ein Industrieschornstein und eine Autoantenne mit einem Thermometer-Schutzrohr gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, v ergleicht man Zweck und Abmessungen. Aber der Grund für ihr physikalisches Versagen, sprich: einstürzen, abreißen oder brechen, kann identisch sein: Schwingungen. Was sich in der Offshore-Technologie, der Architektur und im Automobilbau bewährt hat, um Schwingungsanregungen auf ein gefahrloses Maß zu reduzieren, Kai Grabenauer, Produkt Manager Elektrische Temperaturmess technik 34 | 6 · 2015 nutzt auch bei Schutzrohren: eine Helix. Mess-, Steuer-, Regeltechnik | Automation | Antriebstechnik Abb 1.: Darstellung der Kármánsche Wirbelstraße hinter angeströmten Schutzrohr Wird ein Körper umströmt wie die Autoantenne vom Fahrtwind, eine Offshore-Steigleitung vom Meerwasser oder eben das Schutzrohr vom Prozessmedium, entwickelt sich in Folge die sogenannte Kármánsche Wirbelstraße. Bei diesem Phänomen bilden sich bei bestimmten Strömungsbedingungen hinter einem Körper, z. B. einem Thermometer-Schutzrohr in einer Rohrleitung, zwei Reihen von Wirbeln mit entgegengesetztem Drehsinn aus. Die Wirbel können sich phasenverschoben rechts und links am Schutzrohr ablösen und dieses zur Schwingung anregen, s. Abb.1. Ist die Ablösefrequenz der Wirbel gleich der Eigenfrequenz des Schutzrohres, kann dies zum Resonanzfall führen: Bei unzureichender Widerstandsfähigkeit ist der Körper der wechselnden Biegebeanspruchung, die durch das Aufschwingen entsteht, ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gewachsen und versagt in Bereich der Befestigung. Neuer Standard nach Reaktor-Unfall Techniker und Ingenieure arbeiten seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts an der Entwicklung von Berechnungsgrundlagen, um schwingungsbedingte Ausfälle von Schutzrohren zu verhindern. Verstärkt wurden diese Bestrebungen durch den Unfall im japanischen Atomkraftwerk Monju im Jahr 1995. In dem Reaktor trat eine große Menge Natrium durch ein Leck im Kühlkreislauf aus, das durch einen von Turbulenzen verursachten Schutzrohrabriss entstanden war. Die 2010 von der American Society of Mechanical Engineers (ASME) veröffentlichte PTC 19.3 TW-2010 wurde als Reaktion auf den Monju-Zwischenfall erstellt. Dieser „Performance Test Code“ gilt als international anerkannter Standard, um die Stabilität von Schutzrohren sowohl unter statischen als auch unter dynamischen Gesichtspunkten bei bestimmten Strömungsverhältnissen zu berechnen. Abb 2.: Darstellung der Funktionsweise des ScrutonWell-Design Beide Teile der Berechnung können mit einem negativen Ergebnis enden. Soll das Schutzrohr anschließend im Gültigkeitsbereich der ASME PTC 19.3 TW2010 optimiert werden, lässt dieser Standard nur zwei Möglichkeiten zu: das Kürzen der freien Einbaulänge oder das Verstärken des Schutzrohr-Durchmessers. Beide Alternativen weisen potenzielle Nachteile auf: Entweder ragt im Extremfall das Schutzrohr nicht mehr weit genug in die Rohrleitung hinein, um dem Temperaturfühler ein qualifiziertes Messergebnis zu ermöglichen. Oder der größere Durchmesser des Tauchschaftes beeinträchtigt durch seine dicke Wandstärke die Ansprechzeit des Thermometers. Um aus einer solchen Situation herauszukommen, greifen Anlagenbetreiber und Zulieferer weltweit häufig zu einer Abstützung im Flanschstutzen mittels Anker. Damit geben sie dem Schutzrohr zusätzlichen Halt und verringern auf diese Weise die freie Einbaulänge. Diese Lösung liegt jedoch außerhalb des Gültigkeitsbereichs der PTC 19.3 TW-2010. Außerdem fordert ASME für ein solches Konstrukt eine spielfreie Passung, den „interferrence fit“: Da jeder Stützanker Übermaß besitzt, muss er individuell in den Flanschstutzen eingepasst werden; ein zeitintensives und damit teures Vorgehen. Diese Methode verlangt ein äußerst exaktes Arbeiten. Wenn z. B.nur einige Zehntelmillimeter zu viel Material vom Anker abgetragen werden, war der Aufwand vergebens, und das Schutzrohr ist unbrauchbar. Design folgt Scruton Bei dieser Problematik können Anwender mittlerweile auf eine weitere Lösung zurückgreifen: Wika hat Schutzrohre im ScrutonWell-Design auf den Markt gebracht, die sich durch einen helixförmigen Schaft auszeichnen. Die Bezeichnung ScrutonWell liefert einen Hinweis, auf welchen Grundlagen das Schutzrohr-Design beruht. Der englische Wissenschaftler Christopher Scruton untersuchte 1963 in London die Stabilisierung von Gebäudestrukturen wie Schornsteinen bezüglich der Schwingungsanregung durch Wirbelablösung. Nach ihm ist die Scrutonzahl NSc benannt. Dieser Massedämpfungsparameter wird in der ASME PTC 19.3 TW-2010 zur Bewertung der dynamischen Berechnungsergebnisse verwendet. Die konstruktionstechnische Folge von Scrutons Forschung bestand darin, angeströmte zylindrische Körper mit einer Spirale zu umwinden. Typische Beispiele dafür sind, wie bereits erwähnt, Steigleitung und Auftriebskörper von Offshore-Bohrplattformen, metallene Industrieschornsteine oder Autoantennen. Auf das Schutzrohr übertragen bewirkt der „Scruton-Effekt“, dass die helixförmige Wendel die Strömung des Prozessmediums bricht und in verschiedene Richtungen ableitet. Auf diese Weise entstehen die Wirbelablösungen nicht mehr an der gleichen Stelle des Schutzrohrs und zugleich werden deren Amplituden reduziert. Somit kann das Schutzrohr nicht mehr in Schwingung versetzt werden. Die Ursache der meisten Schutzrohrausfälle, der dynamische Schwingungsbruch, wird somit verhindert, siehe Abb. 2 Tests an der TU Freiberg Wika hat die Wirksamkeit des neuen Schutzrohr-Designs wissenschaftlich untersuchen lassen. In unabhängigen Laborversuchen prüfte das Institut für Mechanik und Fluiddynamik der Technischen Universität Bergakademie Freiberg das dynamische Schwingungsverhalten von Schutzrohrmodellen mit konventionellem Tauchschaft und mit ScrutonWell-Design im Strömungskanal. Die Modelle waren aus Ersatzwerkstoffen mit genau definierten Parametern gefertigt, um die Ergebnisse auf gebräuchliche Edelstähle oder Sonderwerk- 6 · 2015 | 35 Mess-, Steuer-, Regeltechnik | Automation | Antriebstechnik stoffe übertragen zu können. Die Tests im Strömungskanal wurden auf zwei unterschiedliche Arten durchgeführt. Mit der Methode der „backlit illumination“ untersuchten die Wissenschaftler die Schwingungsbewegungen des Schutzrohres. Die genauen Strömungsverhältnisse des Fluids analysierten sie mit laserinduzierter Fluoreszenz. Die Ergebnisse beider Methoden zusammengenommen belegen, dass das neue ScrutonWell-Design die Anregung zur Schwingung um mehr als 90 % reduziert. Sie bestätigen damit den Inhalt eines bei der ASME publizierten Fachartikels „Experimental Investigations of the Efficiency of Round-Sectioned Helical Strakes in Suppressing Vortex Induced Vibrations“ der Norwegian University of Science and Technology. Die Universität hatte in umfangreichen Untersuchungen eine Dämpfung der Schwingungsamplitude von 96 % in der Hauptresonanz quer zur Fließrichtung und 97 % in der InLine Resonanz in Fließrichtung nachgewiesen. Das ScrutonWell-Design beugt zwar möglichen Schwingungen vor, bei der statischen Berechnung des Schutzrohrs gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die Wendel den Durchmesser des angeströmten Schutzrohrquerschnitts vergrößern. Dadurch erhöht sich die statische Biegelast am Übergang zum Prozessanschluss im Bereich des Wurzeldurchmessers. Auf die Druckbelastung der Wandstärke des Schutzrohrs wirkt sich das neue Design jedoch nicht aus. Diese beiden statischen Belastungsparameter des Schutzrohrschafts können auf Basis der ASME PTC 19.3 TW-2010 berechnet werden. Zwei Fertigungsarten Die Dimensionierung der Wendel im ScrutonWell-Design entspricht dem aktuellen Stand der Technik, wie er in unterschiedlichsten Patenten, Normen und Fachartikeln niedergelegt ist. So beschreibt zum Beispiel die DIN EN 1993-3-2 eine dreigängige Scruton-Spirale mit einer Steigung des fünffachen Schutzrohr-Durchmessers und einer Wendelabmessung von ca. 0,12 bis 0,15 des Durchmessers. Thermometer-Schutzrohre in ScrutonWell-Ausführung werden aus einem Stück oder mit aufgeschweißten Rundstäben gefertigt. Als Prozessanschlüsse kommen bevorzugt Flansche zum Einsatz, das Design eignet sich aber auch für Schutzrohre zum Einschrauben oder Einschweißen. Installation und Demontage sind ebenso schnell und unproblematisch wie bei Standard-Schutzrohren. Fazit Dass Schutzrohre mit helixförmigen Schaft tatsächlich eine effektive Alternative zu Ausführungen mit Stützanker, verkürzter freier Einbaulänge oder verstärktem Durchmesser bilden, hat sich wissenschaftlich bestätigt. Bei kritischen Messstellen können Anwender damit einem Kompromiss zwischen Stabilität und Anspruch an die Temperaturmessung vermeiden. Bei Betrachtung der Gesamtbetriebskosten stellen ScrutonWell-Schutzrohre trotz eines höheren Anschaffungspreises in Vergleich zum Standardmodell die beste Lösung dar, da aufwendige Montagearbeiten entfallen. Achema Halle D 11.1, Stand C3 Kontakt WIKA Alexander Wiegand SE & Co. KG Alexander-Wiegand-Straße 30 63911 Klingenberg Tel.: +49 9372 132-0 · info@wika.de ® Quality in vibrators Lockern Lösen Entleeren Abreinigen Findeva AG, Pneumatische Vibratoren für die Industrie Loostrasse 2, CH-8461 Oerlingen, Schweiz. Tel. +41 (0)52 319 25 61 www.findeva.com. Mail: info@findeva.com. Deutschland: www.aldak.de. Mail: alsbach@aldak.de 11.56.2