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Studie: Arbeitssituation und Arbeitsklima für Deutsche in der Schweiz „ In die Schweiz kommt man nicht als Deutscher, sondern man wird in der Schweiz erst zum Deutschen gemacht“ Ergebnisbericht Dr. Thomas Köllen Kooperationspartner: WU Wien Department Management thomas.koellen@wu.ac.at http://wu.ac.at/diversity/mitarbeiter/koellen April 2015 / © Dr. Thomas Köllen Hintergrund der Studie Die Deutschen sind in der gesamten Schweiz mit etwa 300.000 Personen nach den ItalienerInnen die aktuell zweitgrößte Ausländergruppe. Im Kanton Zürich haben sie seit 2007 die ItalienerInnen als größte Gruppe abgelöst. In der Vergangenheit waren vor allem das Abkommen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU, das hohe Gehaltsniveau in der Schweiz sowie die gemeinsame Sprache die Hauptfaktoren, die für einen kontinuierlichen Zuzug von Deutschen sorgten. Aktuell scheint sich der Zuzug allerdings einzubremsen. Gründe dafür können zum einen in der Beschränkung des Freizügigkeitsabkommens durch die Schweiz und in der aktuell positiven wirtschaftlichen Lage in Deutschland gefunden werden. Zum anderen können diese Gründe aber auch in klimatischen Bedingungen in der Schweiz gesucht werden, die gegenüber ausländischen Zuwanderern, und in einer besonderen Weise gegenüber deutschen Zuwanderern, häufig eine nur eingeschränkte Aufgeschlossenheit von Seiten der Schweizer Bevölkerung zum Ausdruck bringen. Die Annahme der Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ kann als ein Ausdruck dieses Klimas interpretiert werden. Deutsche stellen eine sehr spezielle Ausländergruppe für die Schweiz dar. Gegenüber westeuropäischen MigrantInnen herrscht zwar eine wesentlich positivere Einstellung als gegenüber anderen Einwanderergruppen, jedoch sind die Deutschen innerhalb der Gruppe der Westeuropäer mit Abstand am unbeliebtesten (Helbling 2011). Der Zuzug von Deutschen in die Deutschschweiz bzw. deren dortige Präsenz wird in der Schweiz häufig sehr emotional diskutiert. Ein Schwerpunkte des Diskurses liegt dabei auf der Konkurrenzsituation mit Deutschen (z.B. um Professuren und sonstige Hochschularbeitsplätze oder um Wohnraum) sowie auf genereller „Überfremdungsangst“ (Imhof 2008). Es scheint ein teilweise latentes, aber dennoch stabiles Bild vorzuherrschen von „dem Deutschen“ als „einem Schwaben, einer unschönen Mischung aus nie ganz überwundenem Nazi, aus preußischer Zackzack-Mentalität und biederem Schaffer“ (Müller 2010: 105). Bichsel (2003) spricht sogar lange nach dem Krieg noch von Deutschland als einer Art von verinnerlichtem „Feindbild“ der SchweizerInnen (Bichsel 2003: 165). SchweizerInnen grenzen sich häufig bewusst von Deutschen und Deutschem ab, um ihr schweizerisches Identitätsgefühl bzw. Selbst-Bewusstsein zu stärken: „Nicht-Deutscher zu sein macht einen so merkwürdig hohen Teil meines nationalen Selbstgefühls aus, dass sich dieses einige Zweifel gefallen lassen muss“ (Muschg 2003: 178). Die Abgrenzung bekommt somit einen identitätsstiftenden Charakter: „Schweizer-Sein ist dann vor allem Nicht-Deutscher-Sein“ (Bichsel 2003: 165). Die Abgrenzungs- und Abwehrhaltung vieler SchweizerInnen gegenüber Deutschem zeigt sich besonders auf der Sprachebene. Das Schweizer (Hoch-)Deutsch und die Verwendung von Helvetismen werden dann häufig zur Grenzziehung gegenüber Deutschen eingesetzt (Altwegg 2010). Der Einsatz des Schweizerdeutschen auch in förmlichen Situationen in der Schweiz nimmt seinen Ursprung im Abgrenzungsbedürfnis gegenüber „Deutschland“ in der Zeit des Nationalsozialismus (Theiler 2004). Dies hat natürlich Auswirkungen auf das Leben der in der Schweiz lebenden Deutschen. Deren Situation ist bisher allerdings noch nie wissenschaftlich-systematisch erfasst worden. Vor diesem Hintergrund hat die vorliegende Studie das Ziel, die klimatischen Bedingungen für Deutsche in der Schweiz sowohl am Arbeitsplatz als auch im Alltag näher zu analysieren. Dieser Bericht enthält einige deskriptive Ergebnisse der Studie. 1 Stichprobe Bei der 2014 durchgeführten online-Befragung haben etwa 1000 in der Schweiz arbeitende Deutsche teilgenommen. Die TeilnehmerInnen wurden über viele verschiedene Wege eingeladen, wobei der Schwerpunkt auf den sozialen Online-Netzwerken Xing und facebook lag. Etwa 60% der TeilnehmerInnen sind männlich, 82% der TeilnehmerInnen haben als höchsten Bildungsabschluss mindestens das Abitur und 65% der Befragten haben einen Hochschulabschluss. 38% der TeilnehmerInnen sind zwischen 26 und 35 Jahre alt, 36% zwischen 36 und 45 und 20% zwischen 46 und 55 Jahre. Die Herkunft innerhalb Deutschlands und der aktuelle Wohnort innerhalb der Schweiz kann den nachfolgenden Grafiken entnommen werden. Die deutschen Bundesländer sind in etwa ihrer Größe entsprechend repräsentiert, wobei das an die Schweiz angrenzende Baden-Württemberg etwas stärker vertreten ist. Bei den Kantonen in denen die befragten Deutschen wohnen und arbeiten ist Zürich mit großem Abstand am stärksten vertreten. Wohnkanton in der Schweiz Deutsches HerkunftsBundesland (in %, N = 890) (in %) GrenzgängerIn Sonstige Zug Uri Thurgau St. Gallen Solothurn Schwyz Schaffhausen Obwalden Nidwalden Luzern Graubünden Glarus Freiburg Bern Basel Appenzell Aargau Zürich 1,1 0,8 2,5 0,2 3,5 6,3 1,8 2,7 0,6 0,2 0,6 2,4 1,1 0,1 0,4 6,9 2,9 0,2 8,2 Thüringen Schleswig-Holstein 20,0 1,8 Sachsen-Anhalt 3,4 Sachsen 6,4 Saarland 1,5 Rheinland-Pfalz 2,6 Nordrhein-Westfalen 17,3 Niedersachsen 5,5 Mecklenburg-… 1,7 Hessen 8,5 Hamburg 3,6 Brandenburg 2,3 Berlin 4,7 Bayern 40,0 13,9 Baden-Württemberg 57,5 0,0 4,5 60,0 22,4 0,0 2 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 Zuzugsmotive Gründe für die Einwanderung in die Schweiz (in %, N= 890, Mehrfachnennung möglich) Studium 6 politische Situation 6 Attraktivität des Wohnortes 13 Landschaft 14 Lebensgefühl 16 finanzielle Gründe 18 Familie/Beziehung/Liebe 27 Arbeit 75 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Bei den Gründen für die Einwanderung in die Schweiz geben die meisten Befragten die Arbeit als Hauptmotiv an1. 1 Wenn den nachfolgenden Tabellen und Grafiken teilweise leicht unterschiedlich große Stichprobenumfänge zugrunde liegen (abgekürzt mit N) kann dies entweder an als „ungültig“ gewerteten Antworten liegen oder am Abbruch der Umfrageteilnahme durch einzelne TeilnehmerInnen im Fragebogenverlauf. Die meisten Angaben sind Prozentangaben – hier können Rundungseffekte auf ganze Zahlen dazu führen, dass von der Summe von 100% um einen Prozentpunkt abgewichen wird. 3 Alltagserfahrungen von Deutschen in der Schweiz Ist Ihnen eine der folgenden Situationen jemals in der Schweiz passiert? Was wird von Ihnen als Hauptgrund angesehen? (Angaben in %, N = 857) Wurde Ihnen jemals ungerechterweise die Miete oder der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung von einem Makler oder Eigentümer verweigert? 3 21 76 Wurde Ihnen jemals ungerechtfertigterweise eine Anstellung verweigert? 1 15 15 78 Wurden Sie jemals ungerechtfertigt von der Polizei angehalten, durchsucht, befragt oder bedroht? 10 3 86 Haben Sie jemals in einem Wohnviertel gelebt, in welchem die Nachbarn Ihnen oder Ihrer Familie das Leben schwer gemacht haben? 5 14 80 13 – 24% der Deutschen haben die hier abgefragten Ungleichbehandlungen in der Schweiz bereits erlebt. Als Hauptursache dafür wird ganz klar ihre Nationalität identifiziert, d.h. ihr Deutsch-Sein. 4 Wie häufig passieren Ihnen folgende Dinge in Ihrem Alltag in der Schweiz? Sie erhalten in Restaurants und Geschäften einen schlechteren Service als andere Menschen (in %). 60 50 40 30 20 10 0 50 46 48 2 1 2 5 4 4 6 8 7 fast jeden Tag einmal pro Woche mehrmals pro Monat männlich (n = 494) 30 25 20 15 10 5 0 16 13 15 mehrmals pro Jahr weiblich (n = 314) 21 28 24 weniger als einmal pro Jahr nie Gesamt (N = 808) Sie werden weniger höflich behandelt als andere Menschen (in %). 29 28 28 23 22 23 22 25 23 6 7 7 10 8 9 9 10 10 fast jeden Tag einmal pro Woche mehrmals pro Monat mehrmals pro Jahr weniger als einmal pro Jahr nie Sie werden mit weniger Respekt behandelt als andere Menschen (in %). 40 30 20 10 0 30 25 20 15 10 5 0 5 5 5 9 6 8 10 9 10 fast jeden Tag einmal pro Woche mehrmals pro Monat 21 21 21 22 25 23 mehrmals pro Jahr weniger als einmal pro Jahr 33 33 33 nie Manche Menschen verhalten sich Ihnen gegenüber, als hielten diese Menschen sich selbst für etwas Besseres (in %). 28 25 26 24 23 23 22 23 21 10 10 10 fast jeden Tag 7 7 7 einmal pro Woche 11 13 12 mehrmals pro Monat 5 mehrmals pro Jahr weniger als einmal pro Jahr nie Sie werden beleidigt oder beschimpft (in %). 60 50 40 30 20 10 0 48 55 51 31 27 29 14 13 13 2 2 2 2 2 2 4 2 3 fast jeden Tag einmal pro Woche mehrmals pro Monat männlich (n = 494) mehrmals pro Jahr weiblich (n = 314) weniger als einmal pro Jahr nie Gesamt (N = 808) Was denken Sie, ist der Hauptgrund für diese Erfahrungen? (in %, N = 808) 8 7 8 Mein Bildungsstand oder Einkommen Mein Aussehen 2 2 2 Mein Gewicht 1 2 0 Meine Körpergröße 1 1 1 Mein Alter 1 1 2 85 84 86 Meine Nationalität (z.B. identifiziert durch meine deutsche Aussprache) 1 3 0 Mein Geschlecht 0 Gesamt 20 weiblich 40 60 80 100 männlich Wie die vorangegangenen Grafiken zeigen, werden die verschiedenen Arten von Zurücksetzung oder Ungleichbehandlung im Schweizer Alltag in unterschiedlicher Intensität erlebt. Werden sie wahrgenommen, dann werden sie jedoch zumeist mit dem eigenen Deutsch-Sein in Verbindung gebracht. 6 Deutsch-Sein in der Schweiz Wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen zu? (Antworten in %, N = 677) 9 14 Beim Umgang mit SchweizerInnen habe ich das Gefühl, dass sie mein Verhalten ständig daraufhin interpretieren, dass ich deutsch bin. 12 13 12 6 14 10 Die meisten SchweizerInnen bewerten Deutsche nicht auf Basis ihrer Nationalität. 17 17 14 9 5 23 17 11 Die meisten SchweizerInnen haben eine wesentlich stärkere anti-deutsche Einstellung, als sie es mir gegenüber tatsächlich ausdrücken. 27 18 10 Ich denke fast nie daran, dass ich deutsch bin, wenn ich mit SchweizerInnen zu tun habe. 10 14 12 13 20 20 12 5 13 Ich denke oft, dass SchweizerInnen ungerechtfertigterweise beschuldigt werden, deutschenfeindlich zu sein. 13 14 Ich bin niemals besorgt drüber, dass mein Verhalten als 'typisch deutsch' angesehen wird. 10 10 21 20 19 17 19 9 5 18 13 10 0 29 16 15 20 stimme völlig zu stimme zu stimme eher zu weder noch stimme eher nicht zu stimme nicht zu 25 30 stimme überhaupt nicht zu Viele Deutsche nehmen im Schweizer Alltag eine gewisse anti-deutsche Grundstimmung wahr. Die damit zusammenhängenden unterschiedlichen Ebenen von Anti-Germanismus werden von vielen auch am Arbeitsplatz erlebt, wie die nachfolgenden Ergebnisse zeigen. Schweiz 7 von Deutschen in der Die Arbeitsplatzsituation von Deutschen in der Schweiz Wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen über Ihren Arbeitsplatz in der Schweiz zu? (Angaben in %, N = 762 bis 793) „An meinem Arbeitsplatz...“ 10 haben viele Leute Vorurteile über Deutsche und behandeln mich so, als wären diese wahr. 32 13 23 22 7 habe ich das Gefühl, dass andere mich aus ihren Aktivitäten ausschließen, weil ich deutsch bin. 21 15 werden SchweizerInnen und Deutsche gleich behandelt. 19 37 31 31 7 23 9 13 habe ich manchmal das Gefühl, dass DeutschSein ein Defizit ist. 34 11 7 habe ich manchmal das Gefühl, dass andere versuchen mich am Weiterkommen zu behindern, weil ich Deutsch bin. 17 15 14 26 19 45 12 ist meine deutsche Aussprache eine Beeinträchtigung. 27 14 20 9 blicken andere auf mich herab, wenn ich mich so verhalte, wie es in Deutschland üblich ist. 17 6 ist das Erzählen anti-deutscher Witze üblich. 0 5 14 28 23 20 19 21 stimme eher zu weder noch stimme eher nicht zu 8 40 10 15 20 25 30 35 40 45 50 stimme voll zu stimme überhaupt nicht zu 31 „An meinem Arbeitsplatz...“ nehme ich das ständige Polarisieren zwischen Deutschem und Schweizerischem als belastend wahr. 24 26 11 13 26 15 müssen sich Deutsche ständig legitimieren bzw. dafür rechtfertigen in der Schweiz zu sein. 10 18 11 gelten abwertende Kommentare über Deutsche nicht als politisch inkorrekt. 27 15 19 20 9 sind meine Entlohnung und Karriereentwicklung negativ durch meine Nationalität beeinflusst. 12 4 enthalten mir meine TeamkollegInnen gewisse arbeitsbezogenen Informationen vor, die sie mit Schweizer KollegInnen teilen. 29 35 21 16 11 14 42 18 52 31 kommen SchweizerInnen und Deutsche gut miteinander zurecht. 3 18 habe ich manchmal das Gefühl, dass SchweizerInnen sich Deutschen unterlegen fühlen. 12 werden politische oder sportliche Ereignisse ständig herangezogen, um zwischen Deutschem und Schweizerischem zu polarisieren. 16 15 10 35 17 18 16 0 20 25 28 30 stimme voll zu stimme eher zu weder noch stimme eher nicht zu stimme überhaupt nicht zu 9 40 14 12 40 50 60 Welches Verhalten von SchweizerInnen nehmen Sie Ihnen gegenüber an Ihrem Arbeitsplatz wahr? (Angaben in %, N = 729 bis 733) Von mir wird verlangt, dass ich rechtfertige, warum ich in der Schweiz lebe. 8 3 4 27 19 Bei externen Ereignissen (Sport, Politik, etc.) wird national polarisiert. 7 5 Mir wird ein Gefühl des 'NichtDazugehörens' vermittelt. 7 8 Mir wird mit abwertender Körpersprache, Tonfall, Mimik oder Gestik begegnet. 8 2 2 2 Meine Aussprache wird kommentiert oder imitiert. 4 0 8 8 10 40 21 19 36 20 18 11 12 6 3 4 Ich werde aufgefordert, doch wieder 'nach Hause' zu gehen. 31 10 7 6 8 Mir gegenüber herrscht ein reserviertes Verhalten. 43 23 19 55 19 70 16 42 21 17 20 30 40 50 nie weniger als einmal pro Jahr mehrmals pro Jahr mehrmals pro Monat einmal pro Woche fast jeden Tag 60 70 80 Ihr Deutsch-Sein ist auch am Arbeitsplatz für etwa die Hälfte der Deutschen in der Schweiz ein mittleres bis großes Thema, das zum Teil auch mit negativen Ausschlusserfahrungen und Abwertungen einhergeht. Ein zentrales Element ist dabei die Sprache bzw. die Aussprache. In diesem Zusammenhang spielen die nationale Zusammensetzung des KollegInnenkreises und auch die Arbeitssprache eine wichtige Rolle. 10 Der Umgang mit Anti-Germanismus am Arbeitsplatz Mit diesen Erfahrungen bzw. mit der Erwartung dieser Erlebnisse gehen die deutschen Beschäftigten in unterschiedlicher Weise um. Dies zeigen die folgenden Ergebnisse. Wie häufig kommt folgendes Verhalten bei Ihnen am Arbeitsplatz vor? „Ich...“ (Angaben in %, N=730) 1 4 versuche durch mein Verhalten bestimmten positiven deutschen Stereotypen zu entsprechen. 2 rede manchmal weniger oder gar nicht, damit ich aufgrund meiner deutschen Aussprache nicht als Deutscher identifiziert werde. 8 1 erzähle von Freizeitaktivitäten, die ich mit SchweizerInnen unternommen habe, um zu zeigen, wie gut ich integriert bin. 76 23 5 2 versuche Gesprächsthemen zu vermeiden, die einen Deutschlandbezug haben. 5 66 28 6 versuche anti-deutsche Kommentare zu überhören. 66 23 68 14 38 2 3 versuche zu verbergen, dass ich deutsch bin. 2 verstelle mein Verhalten, um 'weniger deutsch' zu wirken. vertrete eine Deutschland-kritische Meinung in Bezug auf Politik oder Sport, um meine KollegInnen davon zu überzeugen, dass ich ja gar nicht 'allzu deutsch' bin. 1 0 fast immer/immer 19 43 15 81 6 31 6 10 häufig 61 39 20 30 40 manchmal 54 50 60 70 80 90 nie Viele Deutsche versuchen durch bewusst gesteuertes Verhalten, Geringschätzungen zu entgehen, bzw. „Bonuspunkte“ zu sammeln. Diese Vorwegnehmen und Abwehren von auf anti-deutschen Ressentiments basierenden Anfeindungen wird nicht von allen praktiziert. Dennoch ist es für sehr viele Deutsche ein Thema, dem allerdings auch offensiver begegnet werden kann. Dass dies jedoch nur von einem Teil der Deutschen getan wird, zeigt die nächste Grafik. 11 Wie häufig kommt folgendes Verhalten bei Ihnen am Arbeitsplatz vor? „Ich...“ 2 stelle vor meinen KollegInnen 'deutsche' Eigenschaften als etwas Positives dar. 8 korrigiere andere, wenn sie annehmen, dass ich nicht deutsch bin. 50 19 11 34 36 14 wehre mich gegen abwertende Verallgemeinerungen in Bezug auf Deutsche. 23 50 13 11 beziehe offen Stellung gegen anti-deutsche Witze und Vorurteile. 19 43 26 3 suche besonders den Kontakt zu deutschen KollegInnen. 0 fast immer/immer 40 häufig 16 10 20 manchmal 39 41 30 40 50 60 nie Die anti-deutschen Ressentiments bzw. der im Arbeitsalltag und in der Freizeit erlebte - teilweise verdeckte und teilweise recht offene - Anti-Germanismus führt auf Seiten der Deutschen zu unterschiedlichen Arten der emotionalen Bindung oder Distanzierung an die bzw. zur Schweiz. Dies zeigen die nächsten Ergebnisse. 12 Persönliches Empfinden zur Schweiz Wie sehr fühlen Sie sich in der Schweiz willkommen? (in %, N = 638) 35 40 20 10 27 24 30 9 4 0 gar nicht wenig etwas stark sehr stark Wie sehr ist die Schweiz für Sie zur Heimat geworden? 40 30 20 10 0 29 28 18 12 gar nicht wenig 13 etwas stark sehr stark Wie sehr fühlen Sie sich in der Schweiz als Fremde/Fremder? 40 29 31 22 20 10 7 0 gar nicht wenig etwas stark sehr stark Als wie stark empfinden Sie die ständige Polarisierung zwischen Deutschem und Schweizerischem im Alltag? 30 24 28 25 20 10 13 9 0 gar nicht wenig etwas stark sehr stark Etwa 30% der in der Schweiz lebenden Deutschen fühlen sich in der Schweiz nicht willkommen und als nicht dazugehörig. Weitere 30% teilen diese Empfindung zumindest zum Teil. 13 Persönlicher Bezug zur Schweiz (Mittelwerte; 1 = gar nicht, 5 = sehr stark) 3,13 3,17 3,09 2,83 3,02 2,19 Zürich (n=371) 3,00 3,07 2,87 3,13 3,00 2,20 Zug (n=15) 3,05 3,10 3,43 3,19 3,24 1,95 Thurgau (n=21) 2,88 2,80 3,17 2,95 3,00 2,22 St. Gallen (n=41) 3,43 1,64 Solothurn (n=14) 3,00 2,93 3,30 1,65 Schwyz (n=20) 3,50 3,36 2,90 3,35 3,25 2,40 Luzern (n=15) 2,93 3,21 3,09 2,86 2,95 2,21 Basel (n=19) 2,25 Aargau (n=51) 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 3,27 3,27 3,33 3,27 3,02 2,16 Bern (n=43) 3,65 2,50 2,63 3,11 3,00 2,95 3,05 3,00 3,18 3,04 2,94 2,86 3,00 3,50 Als wie stark empfinden Sie die ständige Polarisierung zwischen Deutschem und Schweizerischem im Alltag? Wie stark ist in Ihnen der Wunsch vorhanden, die Schweiz so bald wie möglich zu verlassen? Wie sehr fühlen Sie sich in der Schweiz als Fremde/Fremder? Wie sehr ist die Schweiz für Sie zur Heimat geworden? Wie sehr fühlen Sie sich in der Schweiz willkommen? Wie sehr fühlen Sie sich emotional mit der Schweiz verbunden? 14 4,00 Wie hat sich Ihr Gesamtbild, das Sie von der Schweiz haben, vom Zeitpunkt Ihres Zuzuges bis heute verändert? 70 Anzahl der Nennungen (N=617) 60 50 40 30 20 10 0 3 6 9 12 15 18 21 25 28 31 34 37 40 43 46 49 52 56 59 62 65 68 71 74 77 80 83 86 89 92 95 99 0 Bewertung (0 = sehr zum Negativen; 50 = gar nicht; 100 = sehr zum Positiven) Die Intensität der permanent ablaufenden Polarisierungs-, Abgrenzungs-, und teilweise auch Abwertungstendenzen in Bezug auf ihre Nationalität überrascht viele Deutsche, die in die Schweiz kommen. Sowohl im Arbeitsalltag als auch in ihrer Freizeit werden sie oftmals, sobald als Deutsche identifiziert (z.B. durch die deutsche Aussprache), auf ihre Nationalität reduziert wahrgenommen und mit zum Teil wenig schmeichelhaften Attributen und den dazugehörigen Erwartungshaltungen an ihr Verhalten belegt. Verdichten lässt sich diese Erfahrung, die viele Deutsche in der Schweiz machen, mit der folgenden Aussage, die nur von einem geringen Teil der befragten Deutschen wirklich abgelehnt wird. Wie sehr stimmen Sie der folgenden Aussage zu? "In die Schweiz kommt man nicht als Deutscher, sondern man wird in der Schweiz erst zum Deutschen gemacht" (in %, N = 617) stimme voll zu 15 stimme eher zu 34 weder noch 19 stimme eher nicht zu 16 stimme überhaupt nicht zu 16 0 5 10 15 15 20 25 30 35 40 Literatur Altwegg, J. (2010). 'Keine Mauer am Rhein', in J. Altwegg, R. de Weck (Hrsg.), Sind die Schweizer die besseren Deutschen? Der Hass auf die kleinen Unterschiede, Zürich: Nagel & Kimche. Bichsel, P. (2003). 'Wie deutsch sind die Deutschen?', in J. Altwegg, R. de Weck (Hrsg.), Kuhschweizer und Sauschwaben. Schweizer, Deutsche und ihre Hassliebe, München: Nagel & Kimche. Helbling, M. (2011). 'Why Swiss-Germans dislike Germans: Opposition to culturally similar and highly skilled immigrants', European societies, 13: 1, 5-27. Imhof, K. (2008). 'Die Schweiz wird deutsch! Eine Medienanalyse', in D. Müller-Jentsch (Hrsg.), Die neue Zuwanderung. Die Schweiz zwischen Brain-Gain und Überfremdungsangst, Zürich: Verlag Neue Züricher Zeitung. Müller, G. (2010). 'Heimatort: Deutschland', in J. Altwegg, R. de Weck (Hrsg.), Sind die Schweizer die besseren Deutschen? Der Hass auf die kleinen Unterschiede, Zürich: Nagel & Kimche. Muschg, A. (2003). 'Was ist des Deutschen Vaterland?', in J. Altwegg, R. de Weck (Hrsg.), Kuhschweizer und Sauschwaben. Schweizer, Deutsche und ihre Hassliebe, München: Nagel & Kimche. Theiler, T. (2004). 'The origins of Euroscepticism in German-speaking Switzerland', European Journal of Political Research, 43: 4, 635-656. 16