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Verkehrsstudie Albisriederplatz, Zürich Die gute Gestaltung von Grosskreiseln auf hochbelasteten städtischen Knoten stellt aufgrund der grossen Zahl von Ansprüchen eine enorme verkehrstechnische Herausforderung dar. Am Beispiel des Albisriederplatzes in Zürich wird beschrieben, wie diese Aufgabe gelöst werden kann. Ausgangslage Der Albisriederplatz stellt einen wichtigen Quartierkern in der Stadt Zürich dar. Dennoch ist die Qualität des öffentlichen Raumes für Anwohner, angrenzende Geschäfte und Passanten eingeschränkt: Die frühere Haupteinfallsachse Badenerstrasse, die über den Platz führt, hat in den letzten Jahren zwar an Bedeutung verloren. Dennoch stösst der motorisierte Verkehr leistungsmässig an seine Grenzen, weil der als Grosskreisel ausgeführte Strassenknoten durch zwei Tramlinien und eine Reihe von Fussgängerstreifen gequert wird. In Spitzenzeiten staut sich der motorisierte Verkehr auf dem Platz und auf den Zufahrtsachsen. Entgegen den Vorschriften halten Lenker auch auf den Tramgleisen und den Fussgängerübergängen, die unklaren Vortrittsregeln führen zudem immer wieder zu Unfällen. Da der Platz als Quartierzentrum wichtige siedlungsplanerische Funktionen erfüllt und zudem als Kern des Fussgängerbereiches AlbisriederplatzLochergut im Verkehrsplan eingetragen ist, soll der heute stark verkehrsorientierte Platz zugunsten einer höheren Siedlungsqualität umgestaltet werden. Die ewp AG wurde damit beauftragt, in einer Verkehrsstudie aufzuzeigen, wie der Platz besser organisiert werden könnte, ohne gleichzeitig die Leistungsfähigkeit des motorisierten Verkehrs auf dem Platz weiter zu reduzieren. Analyse Ist-Zustand Die Analyse und Beurteilung des heutigen Zustandes ergab die folgenden zentralen Feststellungen: • • • Der Albisriederplatz stellt einen wichtigen Umsteigeknoten zwischen Tram und Bus dar. Die Zahl der ÖV-Passagiere übertrifft diejenige der Autoinsassen. Die die Kreisfahrbahn querenden Umsteiger beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit der Strassenanlage in hohem Mass. Die teilweise zweispurige Führung der Autos in der Kreisfahrbahn erhöht die Kapazität kaum, da Verflechtungsströme dominieren; zudem wird die Lesbarkeit des Knotenregimes reduziert. Zielsetzungen der Umgestaltung Die Anforderungen der verschiedenen Platzbenützer (MIV, ÖV, LV, Anrainer) wurden zusammen mit einer Begleitgruppe mit Vertretern der städtischen Fachstellen definiert. Daraus und aus der obigen Analyse wurden verkehrliche Leitsätze für den Albisriederplatz definiert: • Verkehrsregime intuitiv für alle erfass bar • Zielreine Haltestellen und sichere Umsteigebeziehungen • Effizienteres Verkehrsregime für den motorisierten Verkehr • Direkte und sichere Fahrrad- und Fussgängerverbindungen • Erhöhung Aufenthalts- und Umfeld qualität Definitionen MIV Motorisierter Individualverkehr ÖV Öffentlicher Verkehr LV Langsamverkehr Abendspitzenbelastungen und Verflechtungsströme des MIV 2004 PRO DOMO 38/2007 | 11 Die Auswirkungen der langfristigen Netzentwicklung der VBZ sind für die Gestaltung des Platzes an sich von grosser Bedeutung: Neu würden zwei zusätzliche Tramlinien die Hardstrasse mit den beiden Ästen der Badenerstrasse verbinden. Die damit einhergehende Umgestaltung ist aber so grundlegend, dass eine Berücksichtigung bei der anstehenden Sanierung nicht als zweckmässig erachtet wurde. Variantenstudium Es wurden zwei Stossrichtungen für eine neue Platzorganisation verfolgt: Die konzentrierte Anordnung der ÖVHaltestellen sowie ein effizienteres und verständlicheres Verkehrsregime für den motorisierten Verkehr. Es wurden insgesamt sechs Varianten entwickelt, die jeweils aus Ansätzen der beiden Stossrichtungen kombiniert wurden. Dabei wurden die folgenden Ansätze geprüft: • Konzentration der ÖV-Haltestellen in der Platzmitte • Konzentration der ÖV-Haltestellen am Platzrand • Heutige Haltestellenlage • Führung des motorisierten Verkehrs in einspurigem Grosskreisel • • Variantenvergleich Diese Varianten wurden einander anschliessend mittels Vergleichswertanalyse gegenüber gestellt. Die Indikatoren für den Variantenvergleich basieren auf den obigen Leitsätzen. Dabei zeigte sich, dass eine Konzentration der ÖV-Haltestellen sowohl in der Mitte als auch am Rand kaum machbar ist. Ebenso ist ein Systemwechsel beim Regime zu einer LSA-Steuerung nicht leistungsfähig genug. Die integrale Steuerung des Knotens mit einer einzigen Anlage ist aufgrund der langen Räumzeiten nicht leistungsfähig und für eine Auflösung in zwei Teilknoten reichen die Stauräume nicht aus, wenn die geforderte Priorisierung des öffentlichen Verkehrs umgesetzt werden soll. Es wurden daher zwei Varianten zur weiteren Bearbeitung empfohlen, die nur geringe Änderungen gegenüber heute vorsehen: Variantenvergleich mittels Vergleichswertanalyse 12 | PRO DOMO 38/2007 LSA-Steuerung mit integraler ÖVBevorzugung Hybridlösungen (Kombinationen aus Kreisverkehr und LSA) • • • • Reduktion der Kreisfahrbahn auf eine Spur Durchgehender Radstreifen auf der Kreisfahrbahn Änderungen der Vortrittsberechtigung Lage der Bushaltestellen Verkehrsflusssimulation und Optimierung Gleichzeitig wurde empfohlen, die beiden Varianten, deren Leistungsfähigkeit anhand der Kreisverkehrsnorm SN 640 024 nur grob abgeschätzt wurde, einer vertieften verkehrstechnischen Beurteilung zu unterziehen. Da es sich beim Albisriederplatz um einen Grosskreisel mit querenden, vortrittsberechtigten Tramlinien und Fussgängerquerungen handelt, erlaubt nur eine Verkehrsflusssimulation Aufschluss über den realen Verkehrsablauf. Aufgrund der Simulation mit der Software VISSIM 4.30 von PTV musste eine der beiden empfohlenen Varianten (K5a) ausgeschieden werden, weil die Leistungsfähigkeit nicht gegeben war. Die andere Variante (K6) konnte aufgrund der Simulation optimiert werden. Es zeigte sich, dass die durchgehend einstreifige Führung im Grosskreisel für die Einfahrten auf der Hard- und der Albisriederstrasse (und damit auch für die darauf verkehrenden Busse) zu hohe Zeitverluste verursacht. Daher wurde im Rahmen der Optimierung ein Bypass aus der Hardstrasse in die Badenerstrasse angeordnet. Dieser Bypass ermöglicht einen ungehinderten Abfluss der Rechtsabbieger und reduziert so den Rückstau auf der Hardstrasse. Auf der anderen Platzseite kann dadurch auch der Verkehr aus der Albisriederstrasse besser in die Kreisfahrbahn einfahren. Der Vergleich der Resultate (vgl. Diagramm) zeigt, dass die totale intermodale Verlustzeit der optimierten Variante 6 sogar tiefer liegt als im heutigen Zustand. Fazit und Empfehlungen Die durchgeführte Verkehrsflusssimulation ermöglicht ein besseres Verständnis des komplexen Zusammenspieles von vortrittsberechtigten und -belasteten Strömen von Verkehrsmitteln mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf sehr engem Raum. Einerseits konnte dadurch das Verständnis von Planern und Bauherrschaft für den Verkehrsablauf im heutigen Zustand verbessert werden, andererseits gelang es, die Bestvariante so zu optimieren, dass die höheren Anforderungen erfüllt werden konnten. Veränderung der Verluste durch Umgestaltung und Optimierung Verkehrsflusssimulation macht den Verkehr greifbar Die optimierte Bestvariante stellt einen guten Ansatz für die Organisation des Albisriederplatzes dar. Der Rückbau der Kreisfahrbahn ermöglicht grosszügigere Freiräume, verkürzt die Fussgängerquerungen und damit die Konflikte zwischen motorisiertem Verkehr und Fussgängern. Das Verkehrsregime wird durch die einspurige Führung zudem verständlicher. Die Bushaltestellen sind neu zielrein angeordnet, was die Orientierung für die Fahrgäste erleichtert. Die mittleren Verlustzeiten über alle Verkehrsteilnehmer verändern sich gegenüber heute kaum. Allerdings steigen die Verluste für den Busverkehr um etwa 60%, was einer mittleren Verlustzeit von 30 Sekunden entspricht. Es bleibt der politischen Entscheidfindung vorbehalten, die negativen Aspekte und die zusätzlichen Kosten der Umgestaltung und die Vorteile einer klareren Verkehrsführung und eines grösseren Gestaltungsspielraumes gegeneinander abzuwägen. Stephan Erne Beteiligte Auftraggeber Tiefbauamt Stadt Zürich Verkehrsplaner ewp AG Effretikon Optimierte Bestvariante K6 PRO DOMO 38/2007 | 13