Stadtentwicklungsplan Verkehr Berlin

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Stadtentwicklungsplan Verkehr Berlin
Stadtentwicklungsplan Verkehr Berlin
Stadtentwicklungsplan Verkehr Berlin
Senatsbeschluss vom 29. März 2011
Inhalt
Vorwort....................................................................................................................................... 5
Zusammenfassung und Ergebnisse........................................................................................... I
I Die Aufgabe.............................................................................................................................. 7
I.1 Mobilität und Verkehr als Gestaltungsaufgabe...........................................................................................7
I.2 Integrationsanspruch des StEP Verkehr.........................................................................................................8
I.3 Arbeits- und Verfahrenskonzept.......................................................................................................................9
I.4 Probleme und verkehrspolitischer Gestaltungsbedarf......................................................................... 10
I.5 Wirkungsanspruch des StEP Verkehr............................................................................................................ 12
II Der Hintergrund: Daten, Fakten und Thesen zu bisherigen Trends und
Entwicklungserwartungen......................................................................................................14
II.1 Rückblick und Status quo................................................................................................................................ 14
II.1.1 Verkehrliche Entwicklungen....................................................................................................................... 14
II.1.2 Verkehrsbedingte Emissionen, Umweltbelastung, Gesundheitsgefährdung........................... 19
II.1.3 Wirkung der Maßnahmen des StEP Verkehr von 2003...................................................................... 21
II.1.4 Entwicklung wesentlicher Rahmenbedingungen.............................................................................. 23
II.1.5 Verkehrswissenschaftliche Kompetenz und Forschung................................................................... 28
II.2 Perspektiven und Quo vadis........................................................................................................................... 28
II.2.1 Soziodemographische und raumstrukturelle Entwicklungstrends.............................................. 29
II.2.2 Trends der Verkehrsentwicklung............................................................................................................... 32
III Das Leitbild und die Ziele....................................................................................................35
III.1 Das Leitbild.......................................................................................................................................................... 35
III.1.1 Funktion des Leitbilds.................................................................................................................................. 35
III.1.2 Berlin 2040... ................................................................................................................................................... 36
III.1.3 Ausblick: Anspruch und Wirklichkeit...................................................................................................... 43
III.2 Ziele der Mobilitäts- und Verkehrsentwicklung..................................................................................... 45
IV Das Handlungskonzept.......................................................................................................50
IV.1 Strategischer Ansatz........................................................................................................................................ 50
IV.1.1 Maßnahmen.................................................................................................................................................... 50
IV.1.2 Teilstrategien................................................................................................................................................... 50
IV.2 Gewichtungs- und Entscheidungsregeln................................................................................................. 52
IV.3 Finanzrahmen und zielorientierte Mittelzuordnung........................................................................... 53
IV.3.1 Entwicklung des finanziellen Rahmens................................................................................................. 53
IV.3.2 Finanzierungsbedarf für die Maßnahmen des StEP Verkehr......................................................... 55
IV.3.3 Abgleich Verfügungsrahmen und Finanzierungsbedarf................................................................ 57
IV.3.4 Schlussfolgerungen des Finanzabgleichs............................................................................................. 59
IV.4 Teilstrategien....................................................................................................................................................... 60
IV.4.1 Teilstrategie Förderung des Umweltverbundes................................................................................. 60
IV.4.2 Teilstrategie Unterstützung des Wirtschaftsverkehrs....................................................................... 63
IV.4.3 Teilstrategie Stadt-, Umwelt- und Lebensqualität............................................................................. 67
IV.4.4 Teilstrategie Mobilitäts- und Verkehrsmanagement......................................................................... 72
IV.4.5 Teilstrategie Innere Stadt (Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings)................................................. 75
IV.4.6 Teilstrategie Äußere Stadt und Verflechtung mit dem näheren Brandenburg....................... 79
IV.4.7 Teilstrategie Verkehrsverknüpfung der Hauptstadtregion Deutschland und Europa.......... 83
3
V Wirkungsschätzung..............................................................................................................85
V.1 Ziele und Vorgehen bei der StEP-Wirkungsschätzung......................................................................... 85
V.2 Ergebnisse der Wirkungsanalyse der Einzelmaßnahmen.................................................................... 86
V.3 Ergebnisse der Szenarien-Berechnung...................................................................................................... 89
V.3.1 Verkehrsentwicklung..................................................................................................................................... 92
V.3.2 Verkehrsfolgen................................................................................................................................................. 95
V.4 Schlussfolgerungen.........................................................................................................................................101
V.5 Abschätzung der Zielerreichung................................................................................................................101
V.5.1 Verfahren und Ergebnisse..........................................................................................................................101
V.5.2 Bewertung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen......................................................................106
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen...................................................................................................108
Abkürzungsverzeichnis.........................................................................................................................................109
Anhänge
I Maßnahmenkatalog bis 2025
II Technische Dokumentation Wirkungsschätzung
III Karten
4
Vorwort
Der vom Berliner Senat am 29. März 2011 beschlossene Stadtentwicklungsplan Verkehr für
Berlin schlägt ein neues Kapitel in der Berliner Verkehrspolitik auf und ist gleichzeitig ein
Zeichen für Kontinuität. Schon der erste StEP Verkehr von 2003 stellte eine Abkehr von der
wiedervereinigungsbedingten Konzentration der Verkehrspolitik auf neue bzw. wieder aufzubauende Verkehrsinfrastruktur dar. Er nahm Bezug auf neue Herausforderungen wie den
demographischen Wandel und den Klimaschutz, setzte neue Schwerpunkte bei der Förderung
des Fuß- und Radverkehrs und initiierte weitere innovative Rahmenplanungen wie die Radverkehrsstrategie oder das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept.
Diese grundsätzliche Ausrichtung wird beibehalten. Gleichzeitig haben sich in den letzten
Jahren viele neue Entwicklungen ergeben. Insbesondere ist die Trendumkehr bei der Verkehrsmittelwahl hin zu einer deutlichen Stärkung des „Umweltverbunds“ der stadt- und umweltverträglichen Verkehrsmittel ÖPNV, Rad- und Fußverkehr früher erreicht worden als erwartet.
Nur noch ein Drittel aller Wege der Berliner Bevölkerung werden heute mit dem Auto zurückgelegt. Neue Formen der Mobilität wie Carsharing oder öffentliche Fahrradverleihsysteme
haben an Bedeutung geworden, die Elektromobilität kann eine neue Perspektive für verschiedene Formen des Stadtverkehrs darstellen. Dennoch müssen wir immer noch erhebliche
Probleme mit den Umwelt- und Verkehrsfolgen der Autonutzung in der Stadt feststellen: der
Handlungsdruck bei Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung und Verkehrssicherheit bleibt daher
hoch.
Dies war Grund genug, auf der Basis neuer Daten den Stadtentwicklungsplan Verkehr neu aufzustellen und neue Prioritätensetzungen für die Mobilitäts- und Verkehrspolitik in Berlin zu
formulieren sowie Mittel und Wege zu finden, um die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und
Unternehmen in der Stadt sozial gerecht, den ökologischen und ökonomischen Gegebenheiten angepasst und zukunftsfähig zu befriedigen.
Der Stadtentwicklungsplan Verkehr 2025 ist ein „Kursbuch“ für die verkehrlichen Entwicklungen der nächsten Jahre. Auf der Basis umfangreicher Analysen und eines ambitionierten,
aber gleichwohl realistischen Leitbildes für Berlin im Jahr 2040 enthält er einen umfangreichen
Zielkatalog und als Kern ein strategisch ausgerichtetes und detailliertes Handlungskonzept mit
zahlreichen konkreten Maßnahmen. Dabei wurde auch die schwierige finanzielle Situation des
Landes berücksichtigt. Der StEP Verkehr hat auch hier einen Integrationsanspruch: Mobilitätsund Verkehrspolitik muss mehr den je intensiv in den Kontext weiterer Politikfelder der Stadtentwicklung wie Umwelt- und Energiefragen integriert werden.
Diese Fortschreibung ist erneut ein Ergebnis mehrjähriger intensiver Arbeit, die durch die
produktive und kooperative Zusammenarbeit von einem Wissenschaftlichen Beirat begleitet
und einem Runden Tisch unter Beteiligung von Wissenschaft, Politik, Verbänden und unterschiedlichsten Interessengruppen sowie den Bezirken unterstützt wurde. Allen Beteiligten gilt
mein herzlicher Dank für ihr großes Engagement.
Ingeborg Junge-Reyer
Senatorin für Stadtentwicklung
5
Zusammenfassung und Ergebnisse
Kurzfassung
Die Aufgabe
Nachhaltige Gestaltung von Mobilität und Verkehr
Seit der Erarbeitung des ersten Stadtentwicklungsplans Verkehr (2001–2003) ist es u. a. als
Ergebnis der Umsetzung zahlreicher Maßnahmen gelungen, den langjährigen Trend wachsender Automobilität zu brechen und die Anteile der umwelt- und stadtverträglichen Mobilitätsformen im Umweltverbund, bestehend aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, zu steigern. Damit ist
Berlin dem Ziel ein großes Stück näher gekommen, Mobilität zu gewährleisten, den Verkehrsfluss zu verbessern und gleichzeitig die unerwünschten Folgen des Verkehrs zu begrenzen.
Für die Zukunft besteht die verkehrspolitische Aufgabe darin, diese Entwicklung weiter voran
zu treiben. Es gilt, Mittel und Wege zu finden, um die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen
und Unternehmen in der Stadt sozial gerecht, den ökologischen und ökonomischen Gegebenheiten angepasst und zukunftsfähig zu befriedigen.
Integrativer strategischer Ansatz
Um Rahmenbedingungen der Entwicklung des Verkehrs aktiv gestalten zu können, muss
Verkehrspolitik noch stärker als bisher in den Kontext der verschiedenen weiteren Politikfelder
(Landesund Stadtplanung, städtebauliche Planung, Umweltplanung, Energieplanung etc.)
integriert werden. Damit sollen Gestaltungsspielräume eröffnet werden, die über den Handlungsrahmen der „klassischen“ Verkehrsplanung hinaus reichen. Eine besondere Rolle spielen
dabei die raumbezogenen Planungen. Diese schaffen die räumlichen Voraussetzungen dafür,
dass das Gesamtverkehrssystem entsprechend den Zielen der Stadt- und Verkehrsentwicklungsplanung ausgebildet werden kann. Darüber hinaus kann auch lokale Verkehrspolitik nur
in enger Abhängigkeit zur Bundes- und Europapolitik gestaltet werden.
Das Zusammenspiel aller Komponenten des Verkehrssystems (Rad- und Fußverkehr, ÖPNV,
motorisierter Individualverkehr (MIV), Wirtschaftsverkehr) muss langfristig so optimiert werden, dass jeder Verkehrsträger seine spezifischen Stärken zur Geltung bringen kann. Treten
dabei Zielkonflikte auf, so bedarf es der Abwägung und ggf. der Kompromissfindung. Ziel ist es,
durch die gefundene Lösung die Qualität des Stadtverkehrs und der städtischen Lebensbedingungen als Ganzes zu verbessern.
Darüber hinaus gilt es, den dauerhaften Einklang zwischen langfristigen strategischen
Planungen und kurz- bzw. mittelfristigen Maßnahmen zur Lösung akuter Problemstellungen
herzustellen.
Arbeits- und Verfahrenskonzept
In einem Politikfeld mit komplexem Zielsystem und unterschiedlichen Interessenslagen ist der
Weg der Konzepterarbeitung entscheidend für die Qualität und Akzeptanz des Ergebnisses.
Deshalb wurde das konsultative Arbeitsverfahren, das sich bereits bei der Erstellung des ersten
StEP Verkehr bewährt hat, für die Fortschreibung beibehalten.
Ein „Runder Tisch Verkehr”, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der politischen Fraktionen im Abgeordnetenhaus, der Bezirke, aus Verbänden sowie verschiedenen Interessengruppen mit ihren jeweilig unterschiedlichen stadt- und verkehrspolitischen Positionen,
begleitete den Arbeitsprozess in allen Phasen der Fortschreibung. Die insgesamt sieben
Sitzungen stellten wesentliche Meilensteine des Arbeitsprozesses dar, in denen die jeweils
aktuellen Arbeitsstände – von der Analyse der Rahmenbedingungen über die Neuformulierung von Leitbild und Zielen bis hin zur Erarbeitung der Teilstrategien und des Maßnahmenkatalogs – kritisch hinterfragt wurden. Der Runde Tisch hat dabei seine Rolle als „stadtgesellschaftlicher Resonanzboden“ erneut bestätigt, indem er die Fokussierung und Einbeziehung
aus seiner Sicht relevanter Themen einforderte sowie spezifische Interessenslagen artikulierte
und für die Projektgruppe offenlegte. Die Aufgabe der Projektgruppe war es, die eingebrachten Inhalte zu gewichten und in das Gesamtkonzept einzuordnen.
I
Darüber hinaus hat ein Wissenschaftlicher Beirat die Projektgruppe kontinuierlich beraten und
die bei der Fortschreibung angewandten methodischen und technischen Standards im Sinne
eines „Wissenschaftlichen Aufsichtsrates” gesichert.
Verkehrspolitischer Gestaltungsbedarf
1. Die Berliner Verkehrsinfrastruktur ist seit 1990 in großen Teilen erneuert, wiederaufgebaut
und ergänzt worden. Die Stadt verfügt heute im nationalen und internationalen Großstadtvergleich über eine insgesamt gute Infrastruktur mit teilweise erheblichen Kapazitätsreserven.
Nach wie vor gibt es jedoch Ost-West-Unterschiede in den Erreichbarkeitsverhältnissen. Örtlich
bestehen Funktionsprobleme durch permanente Überlastung und Umwegeverkehr mit
negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung und die Qualität der städtischen
Lebensräume.
2. Entgegen den Erwartungen zeigte die Verkehrsentwicklung der zurückliegenden Jahre
einen rückläufigen Trend. Im Einklang mit den formulierten stadt-, umwelt- und verkehrspolitischen Zielen sank vor allem das Aufkommen im MIV, wohingegen das Aufkommen im
Umweltverbund, und hier vor allem im Radverkehr, zunahm. Diese Trendwende in der Verkehrsmittelwahl ist Ergebnis der Veränderung relevanter verkehrsbeeinflussender Faktoren.
Die Entwicklungen spiegeln jedoch auch den Einfluss bzw. die Wirkung der im Stadtgebiet
umgesetzten verkehrlichen Maßnahmen wider.
3. Generell sind die raum- und siedlungsstrukturellen Bedingungen in Berlin weiterhin
relativ günstig, um eine nachhaltige Verkehrsentwicklung zu unterstützen. Eine geringe und
sich zudem kontinuierlich abschwächende Suburbanisierung sowie vergleichsweise kurze
Wege vor allem im Hinblick auf Nahversorgung und Freizeitgestaltung schaffen die notwendigen Voraussetzungen dafür, den eingeleiteten Trend weg vom MIV hin zum Umweltverbund
weiter zu unterstützen. Damit dies gelingen kann, ist die Vermeidung einer wegeverlängernden
Entwicklungsdynamik der Siedlungsstruktur weiterhin eine wesentliche Prämisse.
4. Für Berlin wird eine langfristig stabile Bevölkerungszahl erwartet, die jedoch mit einem
erheblichen Anstieg des Anteils der älteren Bevölkerungsgruppen einher geht. Obwohl zu
erwarten ist, dass die zukünftigen Seniorinnen und Senioren eine höhere MIV-Affinität aufweisen werden, führt das geringere spezifische Verkehrsaufkommen älterer Jahrgänge (vor
allem durch kürzere Wege) eher zu einem Verkehrsrückgang. Aus der demographischen
Entwicklung erwachsen zudem verkehrspolitische und planerische Herausforderungen in
Bezug auf Verkehrssicherheit, Barrierefreiheit und Zugänglichkeit des Verkehrssystems als
Voraussetzungen für die Gewährleistung einer eigenständigen Mobilität bis ins hohe Alter.
Dabei gilt es, Verkehrsangebote so zu gestalten, dass sie ausgewogen und bedarfsorientiert
sowohl den Ansprüchen älterer als auch jüngerer Menschen entsprechen.
5. In Berlin verfügt fast jeder zweite Haushalt über keinen Pkw, wobei viele Menschen durchaus freiwillig auf das Auto verzichten. Ein leistungsfähiger ÖPNV und eine hohe Attraktivität
von Fuß- und Radverkehr sind daher Grundvoraussetzungen für die Sicherung gleichwertiger
Mobilitätschancen für alle. Eine Steigerung der Attraktivität des ÖPNV ist jedoch nur in geringem
Maße über eine Ausweitung der Verkehrsleistung bzw. neue Streckeninfrastrukturen möglich,
so dass die Optimierung bestehender Angebote und die Erschließung neuer Fahrgastpotenziale
insbesondere aus den Reihen der Kfz-Nutzerinnen und -Nutzer von hoher Relevanz sind. Einen
Beitrag dazu kann die Schaffung intermodaler Verkehrsangebote leisten, vor allem die Verknüpfung von Fahrrad, Fußverkehr und ÖPNV. Der Ansatz, das „System Umweltverbund“ als
Ganzes zu stärken und als attraktive Alternative dem MIV gegenüber zu stellen, entspricht
zudem dem Integrationsanspruch des StEP Verkehr.
6. Trotz abnehmender Verkehrsmengen und bereits erzielter Entlastungen von Luft- und
Lärmemissionen ist noch immer eine große Anzahl Berlinerinnen und Berliner von den negativen Folgen des Verkehrs betroffen. Die Luftbelastung, insbesondere mit Feinstaub und Stick-
II
Kurzfassung
oxiden, überschreitet nach wie vor an vielen Hauptverkehrsstraßen die Grenzwerte. Neben der
hohen Hintergrundbelastung und Ferntransporten vor allem von Feinstaub trägt speziell der
lokale Verkehr zum Auftreten von Grenzwertüberschreitungen bei. Die Bereitschaft, Verkehrslärm
als stadttypisch zu tolerieren, hat zudem deutlich abgenommen. Der Schutz der Bevölkerung
vor negativen Folgen des Verkehrs bleibt als Daueraufgabe der Verkehrsentwicklungsplanung
bestehen. Dies gilt auch und insbesondere in punkto Verkehrssicherheit. Zwar konnte in den
letzten Jahren ein Rückgang bei den Unfallzahlen und bei der Unfallschwere erzielt werden,
die Bilanz ist jedoch nach wie vor nicht zufriedenstellend. Vor allem das hohe Unfallrisiko bei
jungen Erwachsenen, älteren Menschen sowie Radfahrerinnen und Radfahrern gibt Anlass zur
Sorge und macht weitere, intensive Anstrengungen nötig.
7. Der Ausstoß klimaschädlicher Gase hat im Stadtverkehr seit 2001 leicht abgenommen, im
Vergleich mit anderen Sektoren war diese Abnahme jedoch unterdurchschnittlich. Verkehrsrückgänge und weitere Fortschritte bei der Motorentechnik lassen zwar eine weitere Verringerung erwarten, es besteht jedoch die Gefahr, dass diese, wie in der Vergangenheit durch die
Entwicklungen im Flugverkehr, überkompensiert werden. Die Verminderung der Abhängigkeit
von natürlichen Ressourcen, deren absehbare Verknappung zu steigenden Energiepreisen
führen wird, ist ein weiteres wesentliches Handlungsfeld, in welchem sich Ökologie, Ökonomie
und soziale Anforderungen vereinen. Die Vorbereitung auf das Zeitalter der „postfossilen
Mobilität“ erfolgt in mehreren Schritten und schließt die Einführung und Erprobung neuer
Antriebstechnologien, Investitionen in Innovation und Technik sowie das Einwirken auf das
Verhalten der Menschen mit ein.
8. Sowohl im Schienenetz als auch in der Straßeninfrastruktur hat sich ein Rückstand bei
Netzpflege und Instandhaltung aufgebaut. Der Abbau des Instandhaltungsrückstands ist
bereits ein zentraler Bestandteil der Investitionsplanung im ÖPNV, doch auch für die Straße
sind zielgerichtete Investitionen in den Bestand nötig. Der Grundsatz „Bestandserneuerung vor
Ausbau“ hat daher insbesondere mit Blick auf die auf absehbare Zeit weiterhin sehr kritische
Finanzlage der Stadt Gültigkeit. Zudem besteht die Anforderung, die vorhandene Infrastruktur
noch intelligenter zu nutzen, indem vorhandene Organisations- und Managementinstrumente
weiter ausgebaut und zielgerichtet eingesetzt werden.
9. Beim Güter- und Wirtschaftsverkehr deutet sich eine vorsichtige Trendwende an. Bahn und
Binnenschiff haben im Güterfernverkehr hinzu gewonnen, dennoch dominiert die Straße nach
wie vor den Transport von Gütern von und nach Berlin sowie innerhalb der Region. Veränderte
Konsum- und Nachfragemuster, die kleinteilige, schnellere und weniger bündelungsfähige
Lieferungen bedingen, bewirken eine Zunahme straßengebundener Lieferverkehre im Stadtgebiet. Die Gestaltung eines stadtverträglicheren Güter- und Wirtschaftsverkehrs bleibt daher
weiterhin eine zentrale Aufgabe, um der Bedeutung des Sektors für Wertschöpfung und Wohlstand einerseits und den Anforderungen an Stadtqualität andererseits gerecht zu werden.
10. Die Intensivierung der Verkehrsverflechtungen mit dem Umland und dem (europäischen)
Ausland führten in den letzten Jahren auch zu einer Verstärkung der Verkehrsnachfrage im
Personen- und Güterverkehr auf Stadt-Umland-Relationen sowie im Fernverkehr. Die radialen
Strecken des Hauptverkehrsstraßennetzes, welche Stadt und Umland miteinander verbinden,
weisen hohe Verkehrsbelastungen auf, die sich negativ auf die Luft- und Lärmsituation und
damit auf die Lebensqualität in den angrenzenden Stadträumen auswirken. Ein gut ausgebautes Schienenverkehrsnetz im S- und Regionalbahnverkehr bietet hier attraktive Alternativen
insbesondere für Berufspendler und -pendlerinnen von und nach Berlin. Im Stadt-UmlandBusverkehr bestehen vereinzelte Mängel bei der Vertaktung und Anschlusssicherung. Im Fernverkehr gibt es noch infrastrukturelle Defizite in Richtung Ostseeraum, Polen und Tschechien,
die sich als Hindernis für das Zusammenwachsen des erweiterten Binnenmarktes erweisen
könnten.
III
Wirkungsanspruch
Die strategischen Aussagen des StEP Verkehr sind mittelfristig (bis 2025) orientiert, er stellt ein
Kursbuch der Berliner Verkehrspolitik dar. Entwickelt im Zusammenspiel der verschiedensten
Akteure zeigt er auf, welche Vorstellungen über den Verkehr der Zukunft in der Stadt herrschen
und wie diese verwirklicht werden können. Er dient als Rahmen für die ihm nachgeordneten,
konkreten und sektoralen Planungen, wie beispielsweise den Nahverkehrsplan, die Radverkehrs- und die Fußverkehrsstrategie oder das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept. Somit
stellt er sicher, dass die Einzelplanungen auf den gleichen Vorannahmen aufbauen und gezielt
ineinander greifen, um die abgestimmten Ziele zu erreichen. Gleichzeitig ist er keine starre
Sammlung von Vorgaben, sondern flexibel genug, um geänderte Rahmenbedingungen bzw.
durch verkehrspolitische Maßnahmen angestoßene Entwicklungen mit aufzunehmen. Regelmäßige Fortschrittsberichte ergänzt um Diskussionsforen als „Verlängerung des Runden
Tisches“ werden dazu dienen, den Umsetzungsprozess des StEP Verkehr zu begleiten, ihn
kritisch zu hinterfragen und ggf. nachzusteuern, sollten die Entwicklungen nicht den Zielen
entsprechen.
Das Leitbild und die Ziele
Das Leitbild
Funktion des Leitbilds
Das Leitbild gibt Antwort auf die Frage „Wohin wollen wir?“. Es dient der Vorbereitung auf ein
Verkehrssystem, das der Endlichkeit natürlicher Ressourcen und den Anforderungen des Klimaschutzes Rechnung trägt. Acht gleichwertige Bausteine enthalten Aussagen zum Verkehr der
Zukunft und darüber, wie Verkehr sich zukünftig in den gelebten Stadtalltag einbettet.
Leitbild des StEP Verkehr – Kurzfassung
Wir schreiben das Jahr 2040. Berlin ist eine vielfältige, lebendige und sozial gemischte Stadt
und Heimat für verschiedene kulturelle, soziale und ethnisch geprägte Milieus. Sie bietet Platz
für Begegnungen ebenso wie Orte des Rückzugs. Arbeitsorte und -zeiten sind weniger starr,
Versorgung und Freizeitaktivitäten finden an unterschiedlichsten Orten und zu unterschiedlichsten Zeiten statt. Dies hat dazu geführt, dass Mobilitätsbedürfnisse vielfältiger und flexibler
geworden sind. Den neuen Mobilitätsanforderungen stehen durch Finanzknappheit gekennzeichnete ökonomische Rahmenbedingungen gegenüber. In vielerlei – nicht nur verkehrlicher
– Hinsicht wurden Stadt und Bewohner zum Umdenken gezwungen, um zukunftsfähige
Mobilität für alle auf lange Sicht zu gewährleisten. Immer mehr Menschen organisieren ihre
Mobilität ohne Fixierung auf ein bestimmtes Verkehrsmittel und entscheiden täglich neu,
welche Kombination von Verkehrsmitteln ihren Bedürfnissen am besten entgegenkommt. Dies
hat vor allem in der Innenstadt zu einem Rückgang der Pkw-Nutzung und einem Anstieg von
Rad- und Fußverkehr sowie der Nutzung des öffentlichen Verkehrs geführt. Eine Mobilitätskultur des Miteinanders unterstützt die Bemühungen der Stadt, barrierefreie, sozial- und
bedürfnisgerechte sowie umweltverträgliche Mobilität zu gewährleisten.
Nutzungsmischung und kulturelle Funktionsvielfalt wurden ausgebaut. In der Innenstadt und
in den Außenbezirken sind neue Stadtquartiere entstanden, die polyzentrische Stadtstruktur
konnte gestärkt werden. Die Kieze haben ihre charakteristischen Eigenheiten bewahrt und verleihen so der Vielfältigkeit ihrer Bewohnerinnen und Bewohner Ausdruck. In den vergangenen
Jahren ist es gelungen, die Entfernungen zwischen den unterschiedlichen städtischen Funktionen weiterhin gering zu halten. Kompakte und verkehrssparsame Raumstrukturen ermöglichen insbesondere schwächeren Menschen eine aktive Verkehrsteilnahme und verbessern
die Bedingungen für das Zu-Fuß-Gehen und Radfahren. Diese lebenswerte Großstadt gilt als
eine der fußgängerfreundlichsten Metropolen Europas.
IV
Kurzfassung
Die attraktive Innenstadt ist für zahlreiche Menschen beliebter Wohn- und Arbeitsort. Die neu
entwickelten Gebiete um Hauptbahnhof und Spreeraum haben sich harmonisch in das Stadtgefüge integriert. Ehemals durch Autos dominierte Hauptachsen wurden zu vielfältig nutzbaren Boulevards umgestaltet, da die Bündelung und Ableitung von Verkehren nun auch das
östliche Zentrum von Durchgangsverkehren befreit haben. In der Innenstadt finden nur noch
die Pkw-Verkehre statt, die für ihre Funktion wichtig sind und nicht anders abgewickelt werden
können. Eine stadtverträgliche und effiziente Organisation des innenstadtorientierten Wirtschaftsverkehrs hält den Fluss an Waren und Dienstleistungen aufrecht und trägt zur Produktivität bei. Im Gegenzug fördert ein attraktives Umfeld mit hoher Aufenthaltsqualität Einzelhandel und Tourismus.
Als einer der ersten Innovationsschwerpunkte in der Stadt wurde der Wirtschaftsverkehr
effizient, effektiv und umweltbewusst gestaltet. Wesentliche Impulse gingen dabei von den
Unternehmen selber aus, die mit Verlagerung, Bündelung und der Effizienzsteigerung auf
anspruchsvolle umweltseitige Anforderungen sowie Kostensteigerungen bei Energiepreisen
reagierten. Der Bund und die Europäische Union haben ihrerseits die Wettbewerbsbedingungen
für Schiff und Schiene verbessert, so dass für viele Güterarten eine Trendumkehr bei der Verkehrsmittelwahl erzielt werden konnte. Neuansiedlungen von Betrieben berücksichtigen bei
ihrer Standortentscheidung verkehrliche Wirkungen, sowohl hinsichtlich zu transportierender
Güter als auch in Bezug auf Berufsverkehr und Personenwirtschaftsverkehr. Dabei haben neue
Wirtschaftsbereiche, wie der Kreativsektor, neue Trends gesetzt: Dienst- und Geschäftsreisen
werden über betriebliches Mobilitätsmanagement optimiert, Informations- und Kommunikationstechnologien finden dort Einsatz, wo ihr Potenzial am besten genutzt werden kann,
insbesondere für kleinere, schnelle Lieferungen im Stadtgebiet werden Fahrradkuriere eingesetzt. Kleinere Betriebe und Handwerker, die beispielsweise auf Materialtransporte angewiesen
sind, setzen auf effiziente, umweltfreundliche und bezahlbare Fahrzeuge.
Auch im Personenverkehr wurde in den letzten Jahren in Berlin eine breite Palette von Maßnahmen umgesetzt. Ergebnis ist ein Verkehrssystem, welches sauber, leise und postfossil ist.
Mobilität und Umweltschutz bilden in der Stadt keinen Widerspruch mehr. Auf Hauptverkehrsstraßen sorgt ein umweltorientiertes Verkehrsmanagement für die Unterschreitung der Grenzwerte für Luft- und Lärmbelastung. Bei der Realisierung von Infrastruktur-Neubauprojekten
wird den Ansprüchen von Stadt und Umwelt Vorrang eingeräumt. Dies ist auch Ergebnis einer
neuen ökonomischen Vernunft, die aus der Finanzlage der Stadt erwachsen ist und zur Verankerung des Grundsatzes führte, der Qualitätssicherung bei bestehenden Infrastrukturen
Vorrang zu geben. Ziel zahlreicher umweltseitiger Maßnahmen im Verkehrsbereich ist es,
Lebensqualität zu stärken und das Zeitalter der postfossilen Mobilität einzuläuten. Die
Berlinerinnen und Berliner tragen dieses Ziel mit. Unter anderem da im Verkehr Kostentransparenz und Kostenwahrheit herrschen, entscheidet sich eine wachsende Zahl von Haushalten für ein Leben ohne eigenen Pkw. Diesen vermissen sie auch nicht – dank des Vorhandenseins vielfältiger, leicht zu kombinierender Mobilitätsangebote: vom „klassischen ÖPNV“
über Carsharing mit emissionsarmen Autos und (flächenhaft verfügbaren Leih-)Fahrrädern bis
hin zu einer neu entdeckten Lust am Zu-Fuß-Gehen. Auch die Förderung der Elektromobilität
auf der Basis der Nutzung regenerativer Energien hat hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet.
Die Umsetzung des verkehrspolitischen Leitbildes wird durch die Entwicklung und Umsetzung
von Innovationen und neuen Verkehrstechnologien gefördert. Private und öffentliche Akteure
sowie die Nutzerinnen und Nutzer arbeiten gemeinsam daran, technische, organisatorische
und institutionelle Potenziale zu erschließen und für Stadt und Wirtschaft nutzbar zu machen.
Dazu beigetragen hat eine lokal und international vernetzte Verkehrs- und Mobilitätsforschungslandschaft, deren Verkehrsprodukte und Dienstleistungen „made in Berlin“ international nachgefragt werden und einen wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellen. Die Berlinerinnen und
Berliner selbst stehen Neuerungen offen gegenüber und testen sie im Alltag auf Praxistauglichkeit und Nutzerfreundlichkeit.
V
Berlin ist mehr als eine Stadt: Zusammen mit Brandenburg bildet sie einen vielfältigen,
kontrastreichen, integrierten Gesamtraum. Die gut vernetzte Metropolregion ist unter anderem
Ergebnis der gemeinsamen Landesentwicklungsplanung sowie einer zusammenhängenden
Betrachtung des gemeinsamen Verkehrsraums. Siedlungsgebiete befinden sich vornehmlich
entlang der Schienenachsen, ÖPNV-Angebote auf beiden Seiten der Stadtgrenze sind hervorragend vernetzt und Regionalverkehre verbinden die berlinfernen Gebiete untereinander und
mit der Hauptstadt. So konnten die Mobilitätschancen der Bewohnerinnen und Bewohner
aller Teilgebiete verbessert und der auf die Stadt einwirkende Zielverkehr in verträgliche
Bahnen gelenkt werden. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger erreichen gut die
Hauptstadt, wenn sie dort arbeiten, einkaufen oder die kulturellen Angebote nutzen wollen.
Die Berlinerinnen und Berliner profitieren im Gegenzug von der guten Erreichbarkeit des landschaftlich reizvollen Umlands; der Nahtourismus hat einen Aufschwung verzeichnet.
Stadt und Region als Wohnort, Reiseziel und Wirtschaftsstandort sind international erreichbar –
zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Der Flughafen Berlin Brandenburg ist ein wichtiger Standort im internationalen Flughafennetz. Über schnelle Schienenwege sind Berlin und Brandenburg mit den nationalen und europäischen Metropolregionen verbunden; das wirtschaftliche,
wissenschaftliche und kulturelle Miteinander hat dadurch einen Aufschwung erlebt. Dazu
beigetragen haben eine enge Vernetzung und Zusammenarbeit der Region Berlin mit seinen
europäischen Nachbarregionen insbesondere beim koordinierten Auftreten gegenüber dem
Bund und der Europäischen Union zur Beseitigung noch bestehender Infrastruktur- und
Angebotsdefizite im Schienenverkehr.
Die Ziele
Grundlage für den Zielkatalog des StEP Verkehr sind die bereits in den letzten Jahren verfolgten
Leitlinien nachhaltiger Mobilitäts- und Verkehrsentwicklung. Ausgehend von beispielsweise
rechtlich begründeten Handlungserfordernissen oder aufbauend auf bereits Erreichtem
wurden die Zielvorgaben für das Jahr 2025 weiter entwickelt. Die Ziele dienen als Grundlage
für die Entwicklung des Handlungskonzepts, dem die folgende 12 Qualitätsziele im Sinne in
vier Zieldimensionen zugrunde gelegt werden:
Ökonomische Zieldimension
1. Weitere Verbesserung der Fernerreichbarkeit und Ausnutzung der Lagequalität in Zentraleuropa an der Schnittstelle zwischen West- und Mittel-Ost-Europa durch bessere Einbindung
in die transeuropäischen Netze (Verbesserung der nationalen und internationalen Konkurrenzfähigkeit)
2. Weitere Verbesserung der Erreichbarkeit zwischen Berlin und den Siedlungsgebieten
entlang der von Berlin ausgehenden Achsen
3. Sicherung und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsverkehrs (Sicherung
ausreichender Anteile an der Kapazität der Verkehrsnetze, Bereitstellung notwendiger Infrastruktur)
4. Schaffung von Rahmenbedingungen zur Steigerung der Effektivität und ökonomischen
Nachhaltigkeit des Gesamtverkehrssystems
VI
Kurzfassung
Soziale Zieldimension
5. Herstellung gleicher Mobilitätschancen: Berücksichtigung unterschiedlicher Mobilitätsbedürfnisse aufgrund unterschiedlicher Lebensbedingungen
6. Stärkung der polyzentrischen Stadtstruktur: Verbesserung der Erreichbarkeit städtischer
Teilräume und Stadtteile untereinander sowie mit den innerstädtischen Hauptzentren
7. Erhöhung der raumstrukturellen Stadtverträglichkeit des Verkehrs (Begrenzung von
Schneisenwirkungen im Stadtraum, Reduzierung von Zäsuren, Aufwertung von Verkehrsräumen, Respektierung historischer Verkehrsnetzstrukturen)
8. Erhöhung der Verkehrssicherheit (alle Verkehrsarten, alle Stadträume)
Ökologische Zieldimension
9. Reduzierung des verkehrsbedingten Verbrauches natürlicher Ressourcen (Energie, freie
Fläche/Boden)
10. Entlastung der städtischen und globalen Umwelt von verkehrsbedingten Belastungen
11. Schaffung eines stadtverträglichen Verkehrs für sich verändernde Mobilitätsbedürfnisse
(Stärkung der Inter- und Multimodalität, Reduzierung des motorisierten Verkehrsaufwands)
Institutionelle Zieldimension
12. Integration von Aufgabenfeldern und Einbeziehung von Akteuren bei der Erarbeitung von
Zielen und Konzepten sowie der Umsetzung von Maßnahmen
Die Qualitätsziele werden durch insgesamt 44 jeweils zugeordnete und teilweise quantifizierte
Handlungsziele konkretisiert, um Anhaltspunkte für die Beurteilung der Zielerreichung zu
schaffen.
Das Handlungskonzept
Strategischer Ansatz
Den Kern des StEP Verkehr bildet das strategisch orientierte Handlungskonzept mit dem Zeithorizont 2025. Es besteht aus sieben Teilstrategien, die wichtige sachliche und räumliche
Handlungsfelder fokussieren. Das Handlungskonzept ist durch Analysen bisheriger und künftiger Entwicklungstrends fundiert. Es bündelt die formulierten Ziele für das jeweilige Handlungsfeld und beinhaltet die für deren Erreichung geeigneten Kernmaßnahmen des StEP
Verkehr. Der gesamte Maßnahmenkatalog enthält mit raumstrukturellen, preis- und ordnungsrechtlichen sowie ordnungspolitischen, organisatorischen, informations- und motivationsbezogenen sowie infrastrukturellen Maßnahmen unterschiedliche Maßnahmearten, für die
Kosten, zeitliche Einordnung und Zuständigkeit aufgeführt werden. Die Teilstrategien sind so
angelegt, dass Synergieeffekte zwischen den Maßnahmen erzielt werden. Gleichzeitig unterstützen und überlagern sich die Teilstrategien gegenseitig, so dass sie sich in ihrer Wirkung
ergänzen und dadurch bessere Wirkungsgrade erreicht werden.
VII
Gewichtungs- und Entscheidungsregeln
Im Handlungskonzept aufgeführt sind die Kernmaßnahmen des StEP Verkehr. Diese wurden
auf der Grundlage folgender relevanter Gewichtungs- und Entscheidungsregeln benannt,
welche zudem geeignet sind, bei notwendigen Auswahlentscheidungen im Rahmen der
Umsetzung eine Maßnahmenpriorisierung vorzunehmen:
n Die Maßnahme weist einen hohen Zielerreichungsgrad auf, d.h. sie leistet einen Beitrag
zur Erfüllung mehrerer im StEP Verkehr benannter Ziele.
n Die Maßnahme bewirkt hohe oder überdurchschnittlich hohe verkehrliche Effekte (u. a.
im Hinblick auf Verbesserung der Erreichbarkeit, die Erhöhung der Verkehrsqualität, die
Verbesserung der Verkehrssicherheit, die Steigerung der Zuverlässigkeit, ein positiver
Beitrag zur erwünschten Modal-Split-Wirkung etc.).
n Eine Realisierung der Maßnahme ist bevorzugt schnell (d.h. bis ca. 2017), grundsätzlich
jedoch innerhalb des gesamten Betrachtungszeitraums des StEP Verkehr möglich.
Finanzrahmen und zielorientierte Mittelzuordnung
Um sicher zu stellen, dass das Handlungskonzept und die Maßnahmen des StEP Verkehr auch
langfristig finanzierbar und damit umsetzbar sind, wurde ein Abgleich zwischen dem langfristig voraussichtlich verfügbaren Finanzvolumen und dem Mittelbedarf für die Maßnahmen
des StEP Verkehr vorgenommen. Dabei ist zu beachten, dass die Aussagen zur zukünftigen
Entwicklung des für Verkehrsmaßnahmen im Land Berlin zur Verfügung stehenden Finanzrahmens mit großen Unsicherheiten behaftet sind, da zahlreiche Faktoren die Mittelverfügbarkeit, aber auch Mittelbedarf beeinflussen, noch nicht mit ausreichender Sicherheit vorhersagbar sind. Aus diesem Grund wurde die Abschätzung des finanziellen Rahmens für die
Verkehrspolitik bis zum Jahr 2025 entlang eines optimistischen und eines pessimistischen
Eckszenarios vorgenommen. Ergänzt werden diese beiden Eckszenarien um ein mittleres
Szenario, das insbesondere angesichts der formulierten Unsicherheiten bei der langfristigen
Finanzbetrachtung als Orientierungshilfe für den Fall dient, dass im Laufe des Umsetzungsprozesses aufgrund ungünstiger Entwicklungen des Finanzrahmens Anpassungen bei der
Maßnahmenplanung vorgenommen werden müssen.
Betrachtet wurden dabei nur die Mittel, die „frei“ für Verkehrsaufgaben einsetzbar sind und
beispielsweise keiner anderen Zweckbindung unterliegen. Im Ergebnis wird für das optimistische Eckszenario ein Mittelvolumen von rund 7,6 Mrd. €, für das mittlere Szenario von rund
7 Mrd. € und für das pessimistische Eckszenario von rund 6,6 Mrd. € für den Zeitraum des StEP
Verkehr bis 2025 angesetzt.
Den Szenarien gegenüber gestellt wurden die Mittelbedarfe, wie sie sich gemäß dem StEPMaßnahmenkatalog darstellen. Den Schwerpunkt bilden die Kosten für die Bestellung von
Verkehrsleistungen sowie für die infrastrukturellen Maßnahmen. Dabei wurden nur diejenigen
Infrastrukturmaßnahmen betrachtet, für die es keinerlei Möglichkeit einer externen Förderung
(z.B. über den Bund) gibt. Zu den betrachteten Maßnahmen gehörten u. a. Investitionen in den
Bestand der Infrastruktur zum Abbau des Instandhaltungsrückstand, einige Straßenbahnneubaustrecken und Maßnahmen zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs.
Die Summe des Finanzierungsbedarfs der in die Bedarfsermittlung einbezogenen Maßnahmen
beträgt rund 7,5 Mrd. € für den Zeitraum 2010–2025. Bei Gegenüberstellung mit den o. g.
Szenarien liegt der Bedarf gemäß dem StEP-Maßnahmenkatalog ca. 130 Mio. € niedriger als
der Finanzrahmen beim optimistischen Eckzenario. Da außerdem denkbare weitere Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. Sonderprogramme) sowie die positiven Effekte von Effizienzstrategien
noch nicht mit einkalkuliert worden sind und intensiv mit dem Bund über eine auskömmliche
Gestaltung der zukünftigen finanziellen Rahmenbedingungen beraten wird, ist die abgeleitete
Aussage, dass die Kernmaßnahmen des StEP Verkehr grundsätzlich finanzierbar sind, trotz der
benannten Risiken aus heutiger Sicht plausibel.
VIII
Kurzfassung
Teilstrategien
Teilstrategie Förderung des Umweltverbundes
Die Aufgabe dieser Teilstrategie besteht darin, die Anteile der Verkehrsträger des Umweltverbunds am Verkehrsaufkommen weiter zu erhöhen. Aufbauend auf der bereits erreichten
Trendumkehr bei der Verkehrsmittelwahl scheint das Ziel, dass bis 2025 in der Gesamtstadt
75 Prozent, in der Innenstadt 80 Prozent der Wege der Berliner Bevölkerung mit dem ÖPNV,
dem Fahrrad und zu Fuß zurückgelegt werden, realistisch.
Die Strategie setzt auf die Wirkkraft siedlungsstruktureller Maßnahmen, die die Stärkung der
polyzentralen Stadtstruktur, kurze Alltagswege sowie die Ausrichtung von Standorten an
bestehenden hochwertigen ÖPNV-Anbindungen fördern. Zur Nachfrageerhöhung im ÖPNV
müssen bei gleichbleibender Mittelausstattung für die Leistungsbestellung Maßnahmen
umgesetzt werden, die die Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel steigern, z.B. Anpassung
der Angebote an zeitliche Nachfrage, mehr Flexibilität, kurze Reisezeiten, leichte Zustiegs- und
Umstiegsmöglichkeiten. Die dafür erforderlichen Leistungsvolumina lassen sich z.B. über die
Umsetzung von Beschleunigungsmaßnahmen im Oberflächenverkehr freisetzen. Netzergänzungen bzw. -erweiterungen sind auf einzelnen, nachfragestarken Relationen sowie mit Bezug
auf die Verbesserung der Netzverknüpfung vorgesehen. Darüber hinaus zielt die Strategie auf
eine stärkere Integration der Angebote des ÖPNV mit dem Rad- und Fußverkehr, aber auch mit
dem Carsharing ab. Erfolgversprechende Ansätze zur weiteren Steigerung des Radverkehrsaufkommens liegen darin, einen größeren Anteil am öffentlichen (Straßen-)Raum für diese
Verkehrsarten bereit zu stellen und die Infrastruktur für das gesamte „System Fahrrad” (Wege,
Wegweisung, Stellplätze, Service) auszubauen. Auch beim Fußgängerverkehr bestehen Steigerungspotenziale, wenn Sicherheit, Bequemlichkeit und Attraktivität der öffentlichen Räume
erhöht werden.
Teilstrategie Unterstützung des Wirtschaftsverkehrs
Aufgabe der Strategie ist es, einerseits den für das Funktionieren der Stadt wichtigen Wirtschaftsverkehr zielgerichtet zu unterstützen und auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass
die erforderlichen Verkehre stadtverträglich abgewickelt werden. Für den Güterverkehr wird
daher weiter das Ziel der Verlagerung von Transporten auf die Schiene und Wasserstraße
weiter verfolgt. Dafür sind der Erhalt und die Entwicklung von zukunftsfähiger Schienen- und
Wasserstraßeninfrastruktur sowie der intermodalen Schnittstellen in Stadt und Region von
strategischer Bedeutung. Für den Güter-, aber auch den Personenwirtschaftsverkehr auf der
Straße bleibt die (infrastrukturelle) Sicherung der Erreichbarkeit von Quellen und Zielen sowie
die Gewährleistung einer hohen Verkehrsqualität von Bedeutung. Geplante Netzergänzungen
zur Verbesserung der Erreichbarkeiten im Stadtgebiet sowie der Abbau einiger, noch bestehender Netzengpässe nutzen zudem auch dem (Straßen-)Wirtschaftsverkehr. Ein besonderer
Entwicklungsimpuls geht von der Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg aus. Um wirtschaftliche Potenziale für die Region nutzbar zu machen, sind u. a. Maßnahmen der Verkehrssteuerung vorgesehen, um anfallende Verkehre verträglich abzuwickeln. Zur Verminderung
der vom Wirtschaftsverkehr ausgehenden Umweltbelastungen dienen planerische Ansätze
(bessere Verzahnung von Flächennutzungsplanung, Gewerbeentwicklung und Verkehrsinfrastrukturplanung), infrastrukturelle Maßnahmen (Sanierung der Fahrbahnbeläge im Hauptverkehrsstraßen-Bestandsnetz) sowie die Ausnutzung technischer Potenziale (Erneuerung der
Fahrzeugflotten und die Nachrüstung mit Technologien zur Minderung von Emissionen).
Die zentrale Grundlage des planerischen Handlungsfelds aus Sicht der Stadt stellt das
„Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept“ dar. Es wird vor dem Hintergrund der sich wandelnden
Rahmenbedingungen fortgeschrieben.
IX
Teilstrategie Stadt-, Umwelt- und Lebensqualität
Die Aufgabe besteht darin, durch die zielorientierte Gestaltung und Organisation verkehrlicher
Abläufe die städtische Lebens- und Umweltqualität zu erhöhen. Die Strategie setzt auf die für
das Stadtgebiet gesamthaft prognostizierten Verkehrsrückgänge und die weitergehenden Veränderungen bei der Verkehrsmittelwahl auf. Durch diese werden bereits Entlastungseffekte bei
Luftschadstoffen und Lärmbelastung sowie eine Verminderung der verkehrsbedingten Gefährdungen für Gesundheit und Sicherheit erwartet. Die Maßnahmen des StEP Verkehr stützen
diese Entwicklungen und treiben sie weiter voran, wobei insbesondere bei der Verminderung
der Belastungen mit Schadstoffen (Feinstaub, Stickoxide) sowie Lärm eine enge Verzahnung
mit der Luftreinhalte- und Lärmaktionsplanung stattfindet. Aus verkehrlicher Sicht haben Maßnahmen, die eine schnellere Flottenerneuerung und -nachrüstung fördern, die Anpassung des
ÖPNV/SPNV an die Erfordernisse der Luftreinhaltung und Lärmminderung sowie die Fahrbahnsanierung unter Lärmgesichtspunkten und Initiativen, die die Verstetigung des Lärmschutzes
an Straßen- und Schienenwegen ermöglichen, eine hohe Priorität. Fahrleistungsrückgänge
bewirken auch einen Rückgang beim Ausstoß klimaschädlicher Gase sowie der Lärm-, Feinstaub- und Stickoxidemissionen. Zur weiteren Verstärkung des Klimaschutzes im Verkehr sowie
als Einstieg in die „CO2-arme Mobilität“ wird die Entwicklung und Anwendung neuer, schadstoffarmer Antriebstechnologien weiter gefördert. Eine besondere Rolle spielt hier die Förderung
der Elektromobilität. Dabei geht es um die bessere Ausnutzung der technischen Potenziale
und die Verknüpfung der Technologie mit neuen Konzepten zur Förderung der Intermodalität
(z.B. Integration von ÖPNV und Carsharing, Anwendung bei Leihfahrradsystemen) sowie die
Entwicklung neuer Logistikkonzepte zur umweltschonenden Versorgung von Stadt und Region.
Für mehr Umwelt- und Lebensqualität ist das Geschwindigkeitsniveau im Stadtgebiet mit
entscheidend. Um ein stadtverträgliches Tempo durchsetzen und vor allem „in den Köpfen
verankern“ zu können, sind – neben der Weiterentwicklung von Tempo-30-Zonen bzw.
Tempo-30-Abschnitten an Hauptverkehrsstraßen im Rahmen der Lärmminderungs- und Luftreinhalteplanung – Maßnahmen erforderlich, die diesbezüglich ein Umdenken befördern. Zur
Verbesserung der Verkehrssicherheit vor allem bei nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmern
wird neben den notwendigen kontinuierlichen Verbesserungen an der Infrastruktur ein
Schwerpunkt auf verhaltensbezogene Aufklärungsmaßnahmen gelegt. Ziel einer darauf ausgerichteten Verkehrssicherheitskampagne ist es, eine Art Verhaltenskodex aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer für kooperatives Verhalten (Motto: „Recht geben statt Recht
haben“) im Stadtverkehr neu zu etablieren.
Darüber hinaus ist Stadtqualität auch eine Frage der Aufenthaltsqualität in öffentlichen
Räumen. Durch Verkehrsrückgänge, Gestaltung des ruhenden Verkehrs und die Reorganisation
von Straßenräumen (mehr Platz für den Umweltverbund) können Stadtqualitäten zurück
gewonnen werden.
Teilstrategie Mobilitäts- und Verkehrsmanagement
Aufgabe der gesamtstädtischen Verkehrsplanung in Berlin und anderswo ist es, insbesondere
angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen möglichst effiziente Methoden zur Erreichung
strategischer verkehrspolitischer Ziele zu entwickeln. Besonders vielversprechend dafür sind
die Methoden und Maßnahmen des Mobilitäts- und Verkehrsmanagements. Ziel des Mobilitätsmanagement ist es, durch Maßnahmen der Information, Organisation, Kommunikation und
Koordination die Verkehrsnachfrage und vor allem die Verkehrsmittelwahl in Richtung einer
stärkeren Nutzung des Umweltverbundes zu beeinflussen. Die Rolle der Verkehrsentwicklungsplanung besteht darin, einen strategischen Rahmen zu schaffen, in den sich bestehende und
neue Beratungsangebote einpassen. So kann ebenfalls gewährleistet werden, dass Beratungsund Informationsangebote gleichzeitig die Mobilitätschancen des/der Einzelnen verbessern
und öffentliche sowie soziale Interessen bei der Beratung Berücksichtigung finden. Betriebliches Mobilitätsmanagement soll zur stadtverträglicheren Abwicklung der Wege zum Arbeitsplatz und des Personenwirtschaftsverkehrs beitragen. Zur Verbesserung der Verkehrsabläufe
bietet das Verkehrsmanagement ein Handlungsfeld mit hohem Innovationspotenzial gleicher-
X
Kurzfassung
maßen für den Personen- wie auch den Wirtschaftsverkehr. Der Berliner Ansatz konzentriert
sich auf die Nutzung bestehender Systeme (ggf. mit einzelnen technischen Ergänzungen) im
Rahmen einer gesamthaften Strategie. Im Zuge des Verkehrsmanagements müssen räumlich
differenzierte strategische Konzepte erarbeitet werden, die das Gesamtsystem im Blick haben.
Darüber hinausgehende Steuerungspotenziale liegen beim operativen Verkehrsmanagement,
durch das beispielsweise bei drohenden Grenzwertüberschreitungen der Luftschadstoffbelastungen kurzfristig Ableitungs- und Verflüssigungsstrategien umgesetzt werden können.
Teilstrategie Innere Stadt (Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings)
Die Aufgabe besteht darin, die innere Stadt weiter von nicht notwendigen Kfz-Verkehren zu
entlasten und die damit gewonnenen Handlungsspielräume zur Aufwertung des Lebens-,
Arbeits-, Aufenthaltsorts Innenstadt zu nutzen. Zentrale Stellschraube für die Reduzierung von
Pkw-Quell- und Zielverkehren ist die Parkraumbewirtschaftung. Diese soll – begleitet durch
eine Optimierung der Organisation von Planung und Umsetzung sowie durch die Begrenzung
des weiteren Zuwachses an privaten Stellplätzen unter Beachtung der Anforderungen unterschiedlicher Nutzungen und der Qualität der ÖPNV-Erschließung – weiter ausgedehnt werden.
Zur Verminderung der Durchgangsverkehre soll langfristig eine grundlegende Reorganisation
der Kfz-Verkehre in der Innenstadt durch ein Bündel von Maßnahmen erreicht werden. Großräumig wirkende Bündelungsmaßnahmen (z.B. Verlängerung der A 100) entlasten auch die
historische Mitte und die City-West von Verkehr und negativen Verkehrsfolgen. Darüber hinaus
bewirken sie kleinräumige – signifikant stärkere – Entlastungswirkungen im Straßennetz speziell
in den direkt benachbarten, hoch verdichteten innerstädtischen Stadtteilen (z.B. Neukölln und
Treptow-Köpenick). Die durch die Verlängerung der A 100 erreichten direkten Entlastungen
werden in den jeweiligen Straßen durch geeignete Maßnahmen (z.B. Umgestaltung von
Straßenquerschnitten) auch langfristig sichergestellt. Gleichzeitig erzielte Verkehrsrückgänge
in der Innenstadt ermöglichen es zudem, auch dort durch den Umbau von Straßenräumen
dem ÖPNV, dem Rad- und Fußverkehr sowie dem Wirtschaftsverkehr mehr Platz zu geben und
damit Nutzungen wie Wohnen, Aufenthalt und Einzelhandel zu stärken. Für den Tourismusverkehr in den zentralen Stadträumen wird ein Busverkehrsmanagement (eingebettet in ein
gesamtstädtisches Reisebuskonzept) eingerichtet. Ziel ist es, die Abläufe bei den Zubring- und
Abholfahrten an touristisch bedeutsamen Standorten besser zu koordinieren und damit dort
die Aufenthaltsqualität für Besucherinnen und Besucher sowie für Anwohnerinnen und
Anwohner zu verbessern.
Teilstrategie Äußere Stadt und Verflechtung mit dem näheren Brandenburg
Aufgabe ist es hier, in den sehr heterogenen Teilgebieten der äußeren Stadt die Voraussetzungen
für verbesserte Erreichbarkeiten, die Reduzierung überdurchschnittlicher Wegelängen und die
Verminderung des motorisierten Verkehrsaufwandes zu schaffen. Die äußeren Stadträume
sind für das Erreichen der verkehrlichen (und damit verbunden der ökologischen) Ziele des
StEP Verkehr von zentraler Bedeutung, da hier im Vergleich zur Innenstadt noch größere Potenziale zur Verfestigung der Trendwende im Modal Split liegen. Um diese zu nutzen, muss auf die
unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken eingegangen werden. Für die sich bereits dynamisch
entwickelnden Gebiete bzw. für Gebiete mit Entwicklungspotenzial (z.B. Adlershof, Buch, Flughafen Berlin Brandenburg) muss eine auch im Hinblick auf zukünftig zunehmende Fahrgastströme leistungsfähige verkehrliche Erschließung sichergestellt werden. In von Bevölkerungsrückgängen betroffenen Teilgebieten stehen Maßnahmen zur Stabilisierung bzw. Verbesserung der ÖPNV-Nachfrage sowie für die Förderung des Rad- und Fußverkehrs im Mittelpunkt.
Zielgruppenspezifische Informationsangebote und Mobilitätsberatung können darüber hinaus
auch in den Einfamilienhausgebieten mit steigendem Altersdurchschnitt einen Beitrag zur
Mobilitätssicherung ohne Auto leisten.
Einzelne Ergänzungen im Straßennetz sind zur Beseitigung von Störungen in der Netzstruktur
sowie für die Verbesserung der Erreichbarkeit u. a. von Standorten von Wirtschaft, Industrie
und Gewerbe sowie für die Entlastung von einzelnen hochbelasteten Straßenzügen weiterhin
notwendig.
XI
Die bereits erzielte enge Verflechtung zwischen Berlin und Brandenburg wird durch die Aufrechterhaltung der Qualitäten im Schienen- und Straßennetz, die Verbesserung von länderübergreifenden ÖPNV-Angeboten sowie durch ein gemeinsames strategisches Vorgehen
bei Maßnahmen, die für beide Länder hohe Relevanz haben (Überarbeitung der Park&RideKonzeption, Nutzung von Möglichkeiten des Verkehrsmanagements und neuer Technologien
zur Verkehrsführung etc.), weiter intensiviert.
Teilstrategie Verkehrsverknüpfung der Hauptstadtregion Deutschland und Europa
Die Aufgabe dieser Strategie besteht darin, die seit 1990 bereits erzielten Verbesserungen in
der Erreichbarkeit der Hauptstadtregion durch den Abbau noch bestehender Defizite in der
Anbindung an internationale Verkehrsnetze sowie durch die Sicherung der Qualität vorhandener Netze und Zugangsstellen langfristig auszubauen und zu festigen. Allerdings ist hier die
Handlungskompetenz der Berliner Landespolitik im Vergleich zu anderen Teilstrategien begrenzt
und liegt im Wesentlichen in der Mitwirkung an der Meinungsbildung, der Planung und der
Programmerstellung. Die Strategie beinhaltet drei Teilelemente. Erstens soll die für die transnationale Anbindung wichtige Erreichbarkeit im Schienenverkehr nach Skandinavien sowie
nach Polen, ins Baltikum, nach Russland, in die Ukraine und nach Südosteuropa verbessert
werden. Zweitens ist zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit im Güterverkehr auch weiterhin
eine umwelt- und raumverträgliche Modernisierung der Wasserstraßen unerlässlich (Projekt
Deutsche Einheit Nr. 17, Wasserweg nach Stettin/Ostsee). Drittens sind für den bereits im
Ausbau befindlichen Flughafen Berlin Brandenburg die Einbindung in die großräumigen und
überregionalen Schienenverkehrsverbindungen, eine gute Erschließung im öffentlichen
Verkehr sowie die straßenseitige Anbindung der inneren Stadt und des Süd-Ost-Raumes sowie
der Abschluss des Ausbaus des Bundesautobahn-Außenringes zur tangentialen Führung der
Transitverkehre besonders wichtig.
Wirkungsschätzung des Handlungskonzepts
Für einen wichtigen Teil der Maßnahmen des StEP Verkehr wurde eine Wirkungsschätzung
durchgeführt. Ziel war es, für diese Maßnahmen – einzeln und kombiniert in Szenarien –
Erkenntnisse zu Wirkungsgrad und Wirkungsrichtung vor allem in Bezug auf die Ziele des
StEP Verkehr zu gewinnen.
Die Auswahl der Maßnahmen, die – einzeln oder kombiniert – auf ihre Wirkung hin untersucht
worden sind, erfolgte zusammen mit dem Wissenschaftlichen Beirat und dem Runden Tisch
Verkehr. Aus dem Maßnahmenkatalog des StEP Verkehr wurden 15 Maßnahmen ausgewählt,
die entweder umstritten bzw. in ihrer Wirkung nicht eindeutig waren, oder aber als besonders
zielführend eingestuft wurden. Die Wirkungsschätzung erfolgte zunächst für Einzelmaßnahmen
und in einem zweiten Schritt für Maßnahmekombinationen anhand unterschiedlicher Szenarien
für das Jahr 2025.
Die in den Szenarien angestellten Berechnungen stellen nicht die Gesamtbilanz des StEP
Verkehr dar. Grundlage der Wirkungsschätzung für die Maßnahmen des StEP Verkehr ist die
Gesamtverkehrsprognose Berlin-Brandenburg (GVP 2025).
Der Aufbau der Szenarien ist in Tabelle K.1 dargestellt. Das StEP-Szenario wird als das in Bezug
auf die Umsetzung zielführendste Szenario erachtet, weswegen die nachfolgenden Bewertungen sich – soweit nicht anders vermerkt – im Wesentlichen auf dieses Szenario beziehen.
XII
Kurzfassung
Tabelle K.1: Szenarienaufbau für die StEP-Wirkungsschätzung
Maßnahmen
GVP 2025
StEPSzenario
„ohne A 100“
erweitertes
ÖV-Szenario
x
x
(BerlinBrandenburgSzenario)
1
Straßeninfrastruktur
x*
x
2
A 100 (16. + 17. BA)
x
x
x
3
TVO
x
x
4
Entlastungsdividende
5
ÖV 1 (finanzierbar)
6
ÖV 2 (wünschenswert)
7
Parkraumbewirtschaftung
x
x
x
8
Attraktivitätssteigerung ÖV
x**
x**
x***
9
Verkehrsmanagement
x
x
x
10
Mobilitätsmanagement(betrieblich und für Neubürger)
x
x
x
11
veränderte Flottenzusammensetzung
x
x
x
x
x
x
x
x
x*
* Maßnahmenauswahl des ersten StEP Verkehr
** Geschwindigkeitssteigerungen von 15 Prozent
*** Geschwindigkeitssteigerungen von 20 Prozent
Bei der Bewertung der Szenarienergebnisse ist zu berücksichtigen, dass die GVP für das Jahr
2025 bereits Rückgänge im Verkehrsaufkommen und damit korrespondierend Veränderungen
im Modal Split beinhaltet. Diese sind teils demographisch bedingt (geringere Mobilität älterer
Menschen), sie spiegeln aber auch die Wirkung der bereits im Basis-Szenario enthaltenen Maßnahmen des ersten StEP Verkehr wider.
Verkehrsentwicklung
n
n
In allen Szenarien können gegenüber dem Basis-Szenario weitere Abnahmen beim
MIV und Zunahmen beim Umweltverbund erzielt werden. Dabei sind die Unterschiede
zwischen den Szenarien nur gering. Hinter diesen Ergebnissen für die Gesamtstadt
können jedoch erhebliche teilräumliche Unterschiede stehen.
Im StEP-Szenario werden gegenüber dem Basis-Szenario noch weitere Verkehrsrückgänge
in der Innenstadt erreicht. Zudem werden erhebliche teilräumliche Entlastungen vor allem
durch die TVO (Tangentialverbindung Ost) erzielt. Die teilräumlich sowie in der Innenstadt
erzielbaren Rückgänge durch die Verlängerung der A 100 sind in beiden Szenarien
erkennbar.
n Beim ÖPNV wirken vor allem die bis 2025 als realistisch umsetzbar erachteten Maßnahmen
(Infrastrukturvorhaben des StEP Verkehr 2003 inkl. S21, U5, Straßenbahnstrecke Alexanderplatz – Kulturforum, Straßenbahnstrecke Nordbahnhof – Hauptbahnhof – Turmstraße).
Auf den entsprechenden Relationen sind Fahrgastgewinne zu verzeichnen, die sich
jedoch zum überwiegenden Teil aus Verlagerungen (vor allem vom Bus zu den attraktiveren Schienenverkehrsträgern) ergeben.
XIII
n Dass infrastrukturelle Maßnahmen nur bedingt Einfluss auf die absolute Nachfrage haben,
wird durch das erweiterte ÖV-Szenario nochmals bestätigt, in dem weitere Infrastrukturmaßnahmen ebenfalls zwar zu einer Verlagerung der Nachfrageströme auf die neuen
Angebote führen, die Nachfrage insgesamt jedoch im Wesentlichen konstant bleibt.
Anhand des Eckwertes ÖV-Anteil am Modal Split zwischen Basis- und StEP-Szenario lässt
sich zudem nachweisen, dass Maßnahmen, die auf eine Beschleunigung der Oberflächenverkehre sowie die Verbesserung der Umsteigebeziehungen zielen, in der Überlagerung
aller Maßnahmen deutlich effektiver sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht,
dass infrastrukturelle Einzelmaßnahmen keinen Nutzen haben. Diese liegen jedoch stärker
in der Attraktivitätssteigerung des Gesamtnetzes, in Komforterhöhungen und Zeitgewinnen
des ÖV insgesamt als in einer starken Zunahme der Fahrgäste.
Verkehrsfolgen
n Aufgrund der verkehrlichen Entlastungen im Stadtstraßennetz sind auch deutliche Rückgänge bei den Luft- und Lärmemissionen zu erwarten. Bei den Luftschadstoffen NO2 und
PM2,5 lassen sich nur geringe Unterschiede zwischen den Szenarien feststellen. Damit
ergibt sich hinsichtlich der Luftschadstoffbelastung für das Jahr 2025 eine deutlich bessere
Situation, als sie im Ausgangsjahr 2006 bestanden hat. Die Einhaltung der heute bzw.
absehbar geltenden Jahresgrenzwerte ist möglich. Zurückzuführen sind die positiven
Umwelteffekte auf Verkehrsrückgänge im Kfz-Verkehr und eine bessere Flottenzusammensetzung im Jahr 2025. Da die Luftqualitätsgrenzwerte bereits wesentlich früher einzuhalten
sind, kann an einigen Stellen dennoch ein kleinräumiges Nachsteuern erforderlich werden,
wenn z.B. der Tagesgrenzwert für Feinstaub unter Umständen nicht eingehalten werden
kann.
n Die CO2-Emissionen im Hauptverkehrsstraßennetz können bis 2025 ebenfalls deutlich
vermindert werden. In allen drei Szenarien ergibt sich eine Reduzierung klimaschädlicher
Emissionen von 2,6 Mio. Tonnen in 2006 auf ca. 1,6 Mio. Tonnen in 2025. Ursache dafür
sind der Rückgang der Fahrleistung, die Flottenerneuerung und die verbesserte Verkehrssituation.
n Auch bezüglich des Lärms sind deutliche Entlastungen zu erwarten. Im Vergleich zum
Ausgangsjahr nimmt die Zahl der hochbelasteten Straßenabschnitte in allen Szenarien
sowohl tagsüber als auch nachts ab.
n Die Erreichbarkeiten sowohl der Hauptzentren als auch der Stadtteilzentren konnten in
allen Szenarien gegenüber dem Ist-Zustand deutlich verbessert werden. Die gesamt
städtischen Effekte bei der Erreichbarkeit begründen sich u. a. anhand des rückläufigen
Verkehrsaufkommens; beim ÖPNV zeigen sich die Effekte der Beschleunigungsmaß
nahmen und bei MIV sowie ÖPNV wirken zudem auch die Infrastrukturmaßnahmen. Die
Unterschiede zwischen den Szenarien sind jedoch geringfügig.
Abschätzung der Zielerreichung
Auf Grundlage der Wirkungsanalyse in den Szenarien zusammen mit der bei der Zusammenstellung des Handlungskonzepts erfolgten Bewertung der Kernmaßnahmen ist es möglich,
den Umfang, in dem die Ziele des StEP Verkehr bis 2025 erreicht werden können, abzuschätzen. Dabei zeigt sich, dass durch die Umsetzung der Maßnahmen des StEP Verkehr für sämtliche Qualitätsziele Veränderungen in Zielrichtung erreicht werden können. Bei einzelnen oder
mehreren Handlungszielen wird die Zielerreichung als stark eingeschätzt, d.h. es kann damit
gerechnet werden, dass bis 2025 das jeweilige Ziel vollständig erreicht wird. Veränderungen
entgegen der Zielrichtung treten nicht auf.
1. Die Abschätzung der Zielerreichung wurde für die Gesamtstadt vorgenommen. Die
Wirkungen in den einzelnen Teilräumen der Stadt können dagegen unterschiedlich bzw.
stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Dies gilt insbesondere dort, wo Maßnahmen eher
teilräumliche Wirkung entfalten.
XIV
Kurzfassung
2. Dass die Zielerreichung auf Ebene der Qualitätsziele unter Zugrundelegung aller Kernmaßnahmen durchgängig positiv eingeschätzt wurde, ist u.a. ein Ergebnis der Kontinuität in
den planerischen Grundaussagen, die dieser StEP Verkehr im Vergleich zu seinem Vorgänger
aufweist. Leitbild und Ziele wurden im Prozess der Fortschreibung zwar an die mittlerweile
veränderten Rahmenbedingungen angepasst, in ihren Aussagen geschärft und durch neue
Aspekte ergänzt, sie enthalten jedoch nach wie vor zentrale Elemente und Handlungsvorgaben, die bereits in den Jahren zwischen 2003 und 2010 für die Verkehrspolitik und -planung
in Berlin maßgeblich waren. In diesem Zeitraum sind bereits zahlreiche Fortschritte erzielt
worden, beispielsweise bei der Verknüpfung der teilungsbedingt lückenhaften Netze, bei der
Verbesserung der Erreichbarkeit und im Bezug auf die erreichte Trendwende im Modal Split.
Negative Umweltfolgen konnten ebenfalls verringert werden, die Verkehrssicherheit wurde
erhöht. Auf diesen erzielten Ergebnissen baut der vorliegende StEP Verkehr auf; der Maßnahmenkatalog ist geeignet, weitere Verbesserungen zu erzielen.
3. Die u. a. demographisch bedingten Rückgänge des Verkehrsaufkommens sowie Trends der
Mobilitätsentwicklung (Intermodalität) wirken sich mit Hinblick auf eine Reihe von Handlungszielen positiv aus. Dass dennoch nicht von einer vollständigen Zielerreichung ausgegangen
wird, entspricht der realistischen Sichtweise des StEP Verkehr. Das Beharrungsvermögen des
gesamten städtischen Verkehrssystems ist nach wie vor erheblich, nicht alle Entwicklungsimpulse des StEP-Maßnahmenkatalogs werden daher mittelfristig eine volle Wirkung entfalten
können. Darüber hinaus sind nicht alle Ziele des StEP Verkehr durch die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs allein erreichbar.
4. Für die Zielerreichung des StEP Verkehr kommt anderen Politik- und Handlungsfeldern
ebenfalls eine hohe Bedeutung zu. Dies gilt beispielsweise für die Entwicklungen beim Energieverbrauch sowie hinsichtlich der CO2-Emissionen, die in einem engen Zusammenhang zur
Entwicklung des Flugverkehrs stehen, welcher im Handlungsspektrum des StEP Verkehr nicht
enthalten ist. Beim Personen- wie auch beim Wirtschafts- und Güterverkehr sind die räumlichen Planungen auf Ebene der Länder Berlin und Brandenburg mit entscheidend dafür, dass
Erreichbarkeiten und Standortqualitäten gesichert bleiben.
5. Die Ziele der ökonomischen Zieldimension weisen zudem einen engen Zusammenhang
zu den Entwicklungen auf nationaler Ebene auf. Die Herstellungen von mehr Transparenz bei
den Kosten von Verkehr und Verkehrsfolgen und die stärkere Einbeziehung der Nutzer bei der
Anrechnung dieser Kosten kann nicht durch Aktivitäten des Landes Berlin allein erzielt werden.
Dort, wo das Land eigene Spielräume hat – beispielsweise bei der weiteren Effektivitätssteigerung im ÖPNV und der Qualitätssicherung der Netze –, werden die Maßnahmen des StEP
Verkehr sowie die Zuordnung von Prioritäten bei der Umsetzung (Bestand vor Neubau)
hingegen als ausreichend für die Verwirklichung der Ziele eingeschätzt.
6. Die qualitative Bewertung der Maßnahmen unterstreicht ebenso wie die Wirkungsanalyse bei den Szenarien erneut die große Wirksamkeit nicht-infrastruktureller Maßnahmen.
Die bessere Ausnutzung der Potenziale beispielsweise beim Mobilitätsmanagement, bei der
Gestaltung des ruhenden Verkehrs, bei kommunikativen Maßnahmen zur Erhöhung der
Verkehrssicherheit etc. lässt sich über die intensivere Vernetzung der Akteure sowie über die
Optimierung der Umsetzung erzielen. Dies ist auch insofern von Bedeutung, als dass ein
wesentliches Umsetzungserfordernis im Vorhandensein ausreichender personeller Kapazitäten
sowie im gleichgerichteten Wirken der verschiedenen beteiligten Institutionen liegt.
XV
I Die Aufgabe
I.1 Mobilität und Verkehr als Gestaltungsaufgabe
Mobilität bedeutet für die Berlinerinnen und Berliner Freiheit und Lebensqualität und ist eine
wesentliche Grundvoraussetzung für die Teilhabe am öffentlichen Leben. Handel, Gewerbe,
Dienstleistung und Industrie sind darauf angewiesen, dass sowohl die Wege zur Arbeit und im
Berufsleben als auch der Güterverkehr möglichst reibungslos funktionieren. Die Mobilitätssicherung hat daher in Berlin eine besondere Bedeutung, denn sie gewährleistet den räumlichen und sozialen Zusammenhalt der größten Stadt Deutschlands und ist Grundlage für die
weitere Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Berlin hat in den letzten 20 Jahren einen erheblichen Wandel erlebt, der sich auch verkehrlich
ausdrückt. Die zunehmende internationale Arbeitsteilung, der europäische Binnenmarkt, die
Deutsche Einheit, die Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Staaten in die Europäische
Union, aber auch die raumstrukturellen Veränderungen in Berlin und der gesamten Metropolregion haben die Verkehrsverflechtungen intensiviert.
In der Vergangenheit zog dies einen kontinuierlichen Zuwachs an Personen-, Waren- und
Güterströmen nach sich. Damit einhergehend stieg der Verbrauch nicht regenerierbarer
Ressourcen. Die Belastung der Stadtbevölkerung mit umwelt- und gesundheitsschädlichen
CO2-, Schadstoff- und Lärmemissionen hat über lange Zeit ebenfalls zugenommen. Bei der
Verbesserung der Verkehrssicherheit konnten zwar Erfolge erzielt werden, jedoch nicht in dem
Maße, wie durch Politik und Planung angestrebt.
Die aktive Gestaltung des Verkehrs und die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen haben jedoch
dazu beigetragen, den langjährigen Trend wachsender Automobilität zu brechen. Im Gegenzug stiegen die Anteile der umwelt- und stadtverträglicheren Bewegungsarten, vor allem des
ÖPNV und des Rad- sowie Fußverkehrs. Damit ist Berlin dem Ziel ein großes Stück näher
gekommen, Mobilität zu gewährleisten und gleichzeitig die unerwünschten Folgen des
Verkehrs zu begrenzen.
Dennoch besteht auch zukünftig Handlungsbedarf, den Verkehr in Metropole und Region
zukunftsfähig zu gestalten. Bedingt wird dieser auf der einen Seite durch die demographische
Entwicklung, durch Prozesse des sozialen Wandels, den weitergehenden wirtschaftlichen
Wandlungsprozess sowie durch die städtebauliche und räumliche Weiterentwicklung von
Stadt und Region. Auf der anderen Seite setzen die finanzielle Haushaltslage ebenso wie die
steigenden Anforderungen im Bereich Umwelt und Klimaschutz neue Handlungsnotwendigkeiten. So werden die Qualitätsansprüche der Berlinerinnen und Berliner an ihren Lebensraum
Stadt in Teilbereichen weiterhin durch den ruhenden und fließenden Straßenverkehr beeinträchtigt. Die Zunahme extremer Wetterlagen als deutliches Anzeichen des Klimawandels gibt
ebenfalls Anlass zur Sorge.
Die Aufgabe der Politik besteht daher weiterhin darin, Mittel und Wege zu finden, um die
Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und Unternehmen in der Stadt sozial gerecht, den ökologischen und ökonomischen Gegebenheiten angepasst und zukunftsfähig zu befriedigen.
Dazu müssen die Rahmenbedingungen der Mobilität so gestaltet werden, dass für die
Menschen in Berlin die Erreichbarkeit sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Aktivitäten
gesichert bleibt und mit möglichst wenig und möglichst umwelt- und stadtverträglichem
Verkehrsaufwand verbunden ist.
Der Leitgedanke nachhaltiger Mobilitätspolitik besteht daher darin, die Ansprüche an die
Stadt- und Umweltverträglichkeit des Verkehrssystems mit Effizienzanforderungen und dem
Bedürfnis nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit zum Ausgleich zu bringen.
7
Die konkrete Umsetzung dieses Leitgedankens findet sich im Stadtentwicklungsplan Verkehr
(StEP Verkehr) wieder. Mit dem ersten StEP Verkehr wurden im Jahr 2003 die Grundlagen für
eine langfristig orientierte, strategisch ausgerichtete Verkehrsentwicklungsplanung in Berlin
geschaffen. Aufgabe der nunmehr vorliegenden Fortschreibung des Plans ist es, auf die
bewährten Grundsätze der Verkehrsentwicklungsplanung aufzubauen bzw. sie im Licht
geänderter Rahmenbedingungen kritisch auf ihre Wirksamkeit hin zu hinterfragen und sie
durch neue und innovative Aspekte anzureichern.
I.2 Integrationsanspruch des StEP Verkehr
Um den langfristigen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zielstellungen zu erreichen, vertritt der StEP Verkehr einen in mehrfacher Hinsicht integrativen
Ansatz.
Zum einen strebt er die Integration der Verkehrspolitik „nach außen“ an. Dies bedeutet, verkehrliche Entwicklungen noch stärker als bisher in den Kontext der verschiedenen weiteren
Politikfelder (Landes- und Stadtplanung, städtebauliche Planung, Umweltplanung, Energiekonzept etc.) zu integrieren. Damit sollen Gestaltungsspielräume eröffnet werden, die über
den Handlungsrahmen der „klassischen“ Verkehrsplanung hinaus reichen. Eine besondere
Rolle spielen dabei die raumbezogenen Planungen. Diese schaffen die räumlichen Voraussetzungen dafür, dass das Gesamtverkehrssystem entsprechend den Zielen der Verkehrsentwicklungsplanung gestaltet werden kann. Andererseits leisten Verkehrspolitik und -planung einen
wesentlichen Beitrag dazu, dass die Entwicklungen in Stadt und Region entsprechend den
Zielen der räumlichen Planung verlaufen. Stadt-, Regional- und Verkehrsplanung sind daher
unmittelbar zusammengehörige Handlungsbereiche. Darüber hinaus kann auch lokale
Verkehrspolitik nur in enger Abhängigkeit zur Bundes- und Europapolitik gestaltet werden. Der
StEP Verkehr greift daher relevante Vorgaben aus diesen Ebenen auf, setzt sie für Berlin um und
formuliert seinerseits Handlungs- und Integrationsbedarfe in Richtung Bund und Europäische
Union.
Zum anderen soll im Rahmen der „inneren Integration“ das Zusammenspiel aller Komponenten
des Verkehrssystems (Rad- und Fußverkehr, ÖPNV, MIV, Wirtschaftsverkehr) so optimiert werden,
dass jeder Verkehrsträger seine spezifischen Stärken zur Geltung bringen kann. Treten dabei
Zielkonflikte auf, so bedarf es der Abwägung und ggf. der Kompromissfindung. Ziel ist es, durch
die gefundene Lösung die Qualität des Stadtverkehrs und der städtischen Lebensbedingungen
als Ganzes zu verbessern. Weiterhin gehört zur „inneren Integration“ die stetige Überprüfung
und ggf. Neujustierung der Passfähigkeit der Verkehrsangebote auf die Anforderungen der
Nutzerinnen und Nutzer. Dafür gilt es, die Ursachen für die unterschiedliche Bedeutung der
verschiedenen Verkehrsträger in der Alltagsmobilität der Berlinerinnen und Berliner zu
identifizieren und über geeignete Maßnahmen Einstellungen und Nutzungsmuster im Einklang mit stadt- und verkehrspolitischen Zielstellungen zu beeinflussen.
Letztlich muss im StEP Verkehr auch eine „zeitliche Integration“ geleistet werden. Der Plan
realisiert dies, indem er unterschiedliche Zeithorizonte vereinigt und Erkenntnisse aus vergangenen Entwicklungen sowie aktuelle Problemlagen mit der im Leitbild beschriebenen,
langfristigen Vision des zukünftigen Stadtverkehrs verbindet. Kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur Lösung akuter Problemstellungen müssen auch hinsichtlich ihrer zukünftigen
Auswirkungen geprüft und betrachtet werden. Langfristige Handlungsoptionen (z.B. bei der
Gestaltung der Infrastruktur) müssen in den Bezug zu aktuellen Entwicklungserwartungen
gesetzt werden, da heutiges verkehrspolitisches Handeln die Weichen für langfristige Entwicklungen stellt.
Ziel dieses dreifachen Integrationsanspruchs ist es, den in der Berliner Verkehrspolitik mit
dem ersten StEP Verkehr eingeleiteten Übergang von punktuellen Ansätzen hin zu strategiegeleiteter Maßnahmeentwicklung und -umsetzung weiter voran zu treiben.
8
I Die Aufgabe
I.3 Arbeits- und Verfahrenskonzept
In einem Politikfeld mit komplexem Zielsystem und unterschiedlichen Interessenslagen ist der
Weg der Konzepterarbeitung entscheidend für die Qualität und Akzeptanz des Ergebnisses.
Deshalb wurde das konsultative Arbeitsverfahren, das sich bereits bei der Erstellung des ersten
StEP Verkehr bewährt hat, für die Fortschreibung beibehalten.
Ein „Runder Tisch Verkehr”, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der politischen Fraktionen im Abgeordnetenhaus, der Bezirke, von Verbänden sowie verschiedenen Interessengruppen mit ihren jeweilig unterschiedlichen stadt- und verkehrspolitischen Positionen, begleitete den Arbeitsprozess in allen Phasen der Fortschreibung. Die insgesamt sieben Sitzungen
stellten wesentliche Meilensteine des Arbeitsprozesses dar, in denen die jeweils aktuellen
Arbeitsstände – von der Analyse der Rahmenbedingungen über die Neuformulierung von Leitbild und Zielen bis hin zur Erarbeitung der Teilstrategien und des Maßnahmenkatalogs –
kritisch hinterfragt wurden. Der Runde Tisch hat dabei seine Rolle als „stadtgesellschaftlicher
Resonanzboden“ erneut bestätigt, indem er die Fokussierung und Einbeziehung aus seiner
Sicht relevanter Themen einforderte sowie spezifische Interessenslagen artikulierte und für die
Projektgruppe offenlegte. Die Aufgabe der Projektgruppe war es, die eingebrachten Inhalte zu
gewichten und in das Gesamtkonzept einzuordnen.
Die Arbeit des Runden Tisches hat zur Verbesserung der Qualität des Plans geführt. Zu hoffen
ist, dass die Mitwirkung der verschiedenen Akteure auch zu einer Erhöhung der Akzeptanz der
vorgeschlagenen Strategien beitragen kann.
Abbildung 1: Planungsprozess im Dialog
Verwaltung
rn
Dienstleister
Dienstleister
Dienstleister
ADFC, ADAC,
Agenda 21,
Umweltgruppen
Dienstleister
Runder
Tisch
(5)
Na
Moderator
V
hv BVG BB
er
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t
Fraktionen
Projektgruppe
Verwaltung
Be
IHK,
Fuhrgewerbe
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lte , n
Projektgruppe
Gesellschaftliche Grupen
Wissenschaftlicher
Beirat
Runder
Tisch
Verbände
Darüber hinaus hat ein Wissenschaftlicher Beirat die Projektgruppe kontinuierlich beraten. In
ihm vertreten waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen
mit Verkehrsbezug (Wirtschaftsforschung, Verkehrsforschung, Stadtentwicklung, Ökologie,
Wirtschaftsverkehr, Mobilitätsverhalten etc.). Der Beirat hat die Projektgruppe inhaltlich beraten
und die bei der Fortschreibung angewandten methodischen und technischen Standards im
Sinne eines „Wissenschaftlichen Aufsichtsrates” gesichert. Neben der Beteiligung der beiden
Gremien fanden intensive, bilaterale Abstimmungsgespräche innerhalb der Verwaltung sowie
vor allem mit dem Land Brandenburg (MIL) statt.
Der StEP Verkehr beinhaltet eine ausführliche Analyse und Bewertung vergangener Entwicklungen, eine Abschätzung aktueller und zukünftig wirksamer Trends sowie die daraus abgeleiteten Handlungsbedarfe im Hinblick auf die verkehrspolitischen Ziele des Landes, die aus dem
übergeordneten, integrativen Leitbild entwickelt wurden. Die Strategien und Maßnahmen
werden zudem hinsichtlich ihrer Wirkung und ihres Beitrages zur Zielerreichung eingeordnet.
9
Die szenarienbasierte Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen sowie der Abgleich vor
allem mit den finanziellen Rahmenbedingungen unterstreicht die grundsätzliche Realisierbarkeit der nunmehr vorliegenden Langfriststrategie für die Verkehrsentwicklungsplanung des
Landes Berlin.
Der StEP Verkehr ist mit dem Zieljahr 2025 zwar auf einen längeren Zeithorizont ausgerichtet,
es ist jedoch eine zentrale Aufgabe, unmittelbar mit seiner Umsetzung zu beginnen, um die
identifizierten Gestaltungsspielräume nutzen zu können. Aus diesem Grunde wurde zusätzlich
ein „Mobilitätsprogramm 2016“ erarbeitet. Dieses konkretisiert und bündelt die langfristigen
Strategien und Maßnahmen des StEP Verkehr für die nächsten fünf Jahre. Damit wird sicher
gestellt, dass die angesichts der aktuellen Handlungsnotwendigkeiten erforderlichen Maßnahmen aus den verschiedenen Handlungsfeldern möglichst schnell umgesetzt werden. Für
längerfristige Maßnahmen werden in diesem Zeitraum die für die Umsetzung nötigen Voraussetzungen geschaffen. Als erste Stufe der Umsetzungskonzeption ist das Mobilitätsprogramm
damit handlungsleitend für die nächsten Jahre und bildet einen Rahmen für die kontinuierliche Überprüfung und Bewertung der Wirksamkeit von Strategien und Maßnahmen.
I.4 Probleme und verkehrspolitischer Gestaltungsbedarf
Mobilität ist einem ständigen Wandel unterworfen. Große Veränderungen, wie sie in Berlin
seit 1990 stattgefunden haben, haben die Mobilitätsbedürfnisse und den Verkehr stark beeinflusst. Dafür verantwortlich sind Umbrüche in den sozialen, wirtschaftlichen, raum- und infrastrukturellen Verhältnissen ebenso wie die längerfristigen Veränderungen in der Lebens- und
Alltagsorganisation der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt.
Aus heutiger Betrachtung und mit Blick auf die wahrscheinliche Entwicklung wichtiger Rahmenbedingungen für Verkehr und Mobilität sind vor allem folgende Trends zu beschreiben, die den
weiteren verkehrspolitischen Gestaltungsbedarf deutlich machen:
1. Die Berliner Verkehrsinfrastruktur ist seit 1990 in großen Teilen erneuert, wiederaufgebaut
und ergänzt worden. Die Stadt verfügt heute auch im nationalen und internationalen Großstadtvergleich über eine insgesamt gute Infrastruktur mit teilweise erheblichen Kapazitätsreserven. Nach wie vor gibt es jedoch Ost-West-Unterschiede in den Erreichbarkeitsverhältnissen.
Örtlich bestehen Funktionsprobleme durch permanente Überlastung und Umwegeverkehr mit
negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung und die Qualität der städtischen
Lebensräume.
2. Entgegen den Erwartungen zeigte die Verkehrsentwicklung der zurückliegenden Jahre
einen rückläufigen Trend. Im Einklang mit den formulierten stadt-, umwelt- und verkehrspolitischen Zielen sank vor allem das Aufkommen im MIV, während der Umweltverbund,
und hier vor allem der Radverkehr, zunahm. Diese Trendwende in der Verkehrsmittelwahl ist
Ergebnis der Veränderung relevanter verkehrsbeeinflussender Faktoren. Die Entwicklungen
spiegeln jedoch auch den Einfluss bzw. die Wirkung der im Stadtgebiet umgesetzten verkehrlichen Maßnahmen wider.
3. Generell sind die raum- und siedlungsstrukturellen Bedingungen in Berlin weiterhin
relativ günstig, um eine nachhaltige Verkehrsentwicklung zu unterstützten. Eine geringe und
sich zudem kontinuierlich abschwächende Suburbanisierung sowie vergleichsweise kurze
Wege vor allem im Hinblick auf Nahversorgung und Freizeitgestaltung schaffen die notwendigen Voraussetzungen dafür, den eingeleiteten Trend weg vom MIV hin zum Umweltverbund
weiter zu unterstützen. Damit dies gelingen kann, ist die Vermeidung einer wegeverlängernden
Entwicklungsdynamik der Siedlungsstruktur weiterhin eine wesentliche Prämisse.
10
I Die Aufgabe
4. Für Berlin wird eine langfristig stabile Bevölkerungszahl erwartet, die jedoch mit einem
erheblichen Anstieg des Anteils der älteren Bevölkerungsgruppen einher geht. Obwohl zu
erwarten ist, dass die zukünftigen Seniorinnen und Senioren eine höhere Motorisierung aufweisen werden, führt das geringere spezifische Verkehrsaufkommen älterer Jahrgänge (vor
allem kürzere Wege) eher zu einem Verkehrsrückgang. Aus der demographischen Entwicklung
erwachsen zudem verkehrspolitische und planerische Herausforderungen in Bezug auf Verkehrssicherheit, Barrierefreiheit und Zugänglichkeit des Verkehrssystems als Voraussetzungen
für die Gewährleistung einer eigenständigen Mobilität bis ins hohe Alter. Dabei gilt es, Verkehrsangebote so zu gestalten, dass sie ausgewogen und bedarfsorientiert sowohl den
Ansprüchen älterer als auch jüngerer Menschen entsprechen.
5. In Berlin verfügt fast jeder zweite Haushalt über keinen Pkw, wobei viele Menschen
durchaus freiwillig auf das Auto verzichten. Ein leistungsfähiger ÖPNV und eine hohe Attraktivität von Fuß- und Radverkehr sind daher Grundvoraussetzungen für die Sicherung gleichwertiger Mobilitätschancen für alle. Eine Steigerung der Attraktivität des ÖPNV ist jedoch nur
in geringem Maße über eine Ausweitung der Verkehrsleistung bzw. neue Streckeninfrastruktur
möglich, so dass die Optimierung bestehender Angebote und die Erschließung neuer Fahrgastpotenziale insbesondere aus den Reihen der Kfz-Nutzerinnen und -Nutzer von hoher
Relevanz sind. Einen Beitrag dazu kann die Schaffung intermodaler Verkehrsangebote leisten,
vor allem die Verknüpfung von Fahrrad, Fußverkehr und ÖPNV. Der Ansatz, das „System
Umweltverbund“ als Ganzes zu stärken und als attraktive Alternative dem MIV gegenüber zu
stellen, entspricht zudem dem Integrationsanspruch des StEP Verkehr.
6. Trotz abnehmender Verkehrsmengen und bereits erzielter Entlastungen von Luft- und Lärmemissionen ist noch immer eine große Anzahl Berlinerinnen und Berliner von den negativen Folgen des Verkehrs betroffen. Die Luftbelastung, insbesondere mit Feinstaub und Stickoxiden, überschreitet nach wie vor an vielen Hauptverkehrsstraßen die Grenzwerte. Neben
der hohen Hintergrundbelastung und Ferntransporten vor allem von Feinstaub trägt speziell
der lokale Verkehr zum Auftreten von Grenzwertüberschreitungen bei. Die Bereitschaft,
Verkehrslärm als stadttypisch zu tolerieren, hat zudem weiterhin deutlich abgenommen.
Der Schutz der Bevölkerung vor negativen Folgen des Verkehrs bleibt als Daueraufgabe der
Verkehrsentwicklungsplanung bestehen. Dies gilt auch und insbesondere in punkto Verkehrssicherheit. Zwar konnte in den letzten Jahren ein Rückgang bei den Unfallzahlen und bei der
Unfallschwere erzielt werden, die Bilanz ist jedoch nach wie vor nicht zufriedenstellend. Vor
allem das hohe Unfallrisiko bei jungen Erwachsenen, Senioren sowie Radfahrern gibt Anlass
zur Sorge und macht weitere, intensive Anstrengungen nötig.
7. Der Ausstoß klimaschädlicher Gase hat im Stadtverkehr seit 2001 leicht abgenommen, im
Vergleich mit anderen Sektoren war diese Abnahme jedoch unterdurchschnittlich. Verkehrsrückgänge und weitere Fortschritte bei der Motorentechnik lassen zwar eine weitere Verringerung erwarten, es besteht jedoch die Gefahr, dass diese wie in der Vergangenheit durch die
Entwicklungen im Flugverkehr überkompensiert werden. Die Verminderung der Abhängigkeit
von natürlichen Ressourcen, deren absehbare Verknappung zu steigenden Energiepreisen
führen wird, ist ein weiteres wesentliches Handlungsfeld, in welchem sich Ökologie, Ökonomie
und soziale Anforderungen vereinen. Die Vorbereitung auf das Zeitalter der „postfossilen
Mobilität“ erfolgt in mehreren Schritten und schließt die Einführung und Erprobung neuer
Antriebstechnologien, Investitionen in Innovation und Technik sowie das Einwirken auf das
Verhalten der Menschen mit ein.
11
8. Sowohl im Schienenetz als auch in der Straßeninfrastruktur hat sich ein Rückstand bei
Netzpflege und Instandhaltung aufgebaut. Der Abbau des Instandhaltungsrückstands ist
bereits ein zentraler Bestandteil der Investitionsplanung im ÖPNV, doch auch für die Straße
sind zielgerichtete Investitionen in den Bestand nötig. Der Grundsatz „Bestandserneuerung vor
Ausbau“ hat daher insbesondere mit Blick auf die auf absehbare Zeit weiterhin sehr kritische
Finanzlage der Stadt Gültigkeit. Zudem besteht die Anforderung, die vorhandene Infrastruktur
noch intelligenter zu nutzen, indem vorhandene Organisations- und Managementinstrumente
weiter ausgebaut und zielgerichtet eingesetzt werden.
9. Auch beim Güter- und Wirtschaftsverkehr deutet sich eine Trendwende an. Bahn und
Binnenschiff haben im Güterfernverkehr hinzu gewonnen, dennoch dominiert die Straße nach
wie vor den Transport von Gütern von und nach Berlin sowie innerhalb der Region. Veränderte
Konsum- und Nachfragemuster, die kleinteilige, schnellere und weniger bündelungsfähige
Lieferungen bedingen, bewirken eine Zunahme straßengebundener Lieferverkehre im Stadtgebiet. Die Gestaltung eines stadtverträglicheren Güter- und Wirtschaftsverkehrs bleibt daher
weiterhin eine zentrale Aufgabe, um der Bedeutung des Sektors für Wertschöpfung und Wohlstand einerseits und den Anforderungen an Stadtqualität andererseits gerecht zu werden.
10. Die Intensivierung der Verkehrsverflechtungen mit dem Umland und dem (europäischen)
Ausland führten in den letzten Jahren auch zu einer Verstärkung der Verkehrsnachfrage im
Personen- und Güterverkehr auf Stadt-Umland-Relationen sowie im Fernverkehr. Die radialen
Strecken des Hauptverkehrsstraßennetzes, welche Stadt und Umland miteinander verbinden,
weisen hohe Verkehrsbelastungen auf, die sich negativ auf die Luft- und Lärmsituation und
damit auf die Lebensqualität in den angrenzenden Stadträumen auswirken. Ein gut ausgebautes Schienenverkehrsnetz im S- und Regionalbahnverkehr bietet hier attraktive Alternativen
insbesondere für Berufspendler und -pendlerinnen von und nach Berlin. Im Stadt-UmlandBusverkehr bestehen vereinzelte Mängel bei der Vertaktung und Anschlusssicherung. Im Fernverkehr gibt es noch infrastrukturelle Defizite in Richtung Ostseeraum, Polen und Tschechien,
die sich als Hindernis für das Zusammenwachsen des erweiterten Binnenmarktes erweisen
könnten.
I.5 Wirkungsanspruch des StEP Verkehr
Verkehrsentwicklungsplanung ist eingebunden in ein komplexes Zusammenspiel vielfältiger
Entwicklungen. Um langfristig Handlungsmöglichkeiten für das Erreichen der gesetzten
Ziele zu schaffen und diese nutzen und gestalten zu können, muss sie in der Lage sein, grundlegende Wirkungen und Wechselwirkungen zu verstehen und zu erläutern. Der StEP Verkehr
nimmt sich dieser Aufgabe an, indem er tatsächliche Entwicklungsverläufe im Verkehr und in
den Bereichen, die diesen beeinflussen, nachvollzieht, analysiert und darauf aufbauend
Abschätzungen über zukünftige Rahmenbedingungen und Anforderungen formuliert. Damit
bietet er eine Argumentationsgrundlage für eine dauerhaft zielorientierte Verkehrspolitik in
Berlin.
Den Analysen und Entwicklungsannahmen gegenübergestellt werden das Leitbild und der
verkehrspolitische Zielkatalog. Diese bilden einen prinzipiell konsensfähigen normativen
Orientierungsrahmen, von dem Strategien und Maßnahmen abgeleitet werden. Die Wirkungsanalysen bilden einen Rahmen, in dem der Wirkungsbeitrag, den die Strategien und Maßnahmen bzw. Maßnahmenbündel zur Zielerreichung leisten können, beurteilt werden kann.
Bei Zielkonflikten werden Gewichtungen vorgeschlagen, die der Politikberatung dienen.
Mit der Erläuterung von Wirkungszusammenhängen soll der StEP Verkehr dazu beitragen, eine
„pragmatische Beliebigkeit” bei verkehrspolitischen Einzelentscheidungen durch strategisch
orientiertes Handeln zu ersetzen.
12
I Die Aufgabe
Die strategischen Aussagen des StEP sind mittelfristig (bis 2025) orientiert. Sie bieten Kriterien
zur Beurteilung von Maßnahmen für die Zeitperspektive der Legislaturperiode und darüber
hinaus.
Der StEP stellt damit ein Kursbuch der Berliner Verkehrspolitik dar. Entwickelt im Zusammenspiel der verschiedensten Akteure zeigt er auf, welche Vorstellungen über den Verkehr der
Zukunft in der Stadt herrschen und wie diese verwirklicht werden können. Er dient als Rahmen
für die ihm nachgeordneten konkreten und sektoralen Planungen, wie beispielsweise den
Nahverkehrsplan, die Radverkehrs- und die Fußgängerstrategie oder das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept. Somit stellt er sicher, dass die Einzelplanungen auf den gleichen Vorannahmen aufbauen und gezielt ineinander greifen, um die abgestimmten Ziele zu erreichen.
Gleichzeitig ist er keine starre Sammlung von Vorgaben, sondern flexibel genug, um geänderte
Rahmenbedingungen bzw. durch verkehrspolitische Maßnahmen angestoßene Entwicklungen
mit aufzunehmen. Regelmäßige Fortschrittsberichte werden dazu dienen, die Ergebnisse der
Umsetzung des StEP zu überprüfen und ggf. nachzusteuern, sollten die Entwicklungen nicht
den Zielen entsprechen. Im Zusammenhang mit den Fortschrittsberichten ist vorgesehen, in
regelmäßigen Abständen tagende Diskussionsforen einzurichten, die – gleichsam als Verlängerung des Runden Tisches – den Umsetzungsprozess des StEP Verkehr begleiten, kritisch hinterfragen und Vorschläge zur Beschleunigung und Verbesserung der Umsetzung zentraler Maßnahmen entwickeln.
13
II Der Hintergrund: Daten, Fakten und Thesen zu bisherigen Trends und
Entwicklungserwartungen
Seit der Erarbeitung des ersten StEP Verkehr (2003) haben sich zahlreiche Rahmenbedingungen
für die Verkehrsentstehung, aber auch für die Verkehrsgestaltung in Berlin und im angrenzenden
Land Brandenburg erheblich verändert bzw. entgegen den damaligen Annahmen entwickelt.
Um für den Zeitraum bis 2025 geeignete Maßnahmen zu entwickeln, die den vorherrschenden
Realitäten und wahrscheinlichen Entwicklungen ausreichend Rechnung tragen, ist daher eine
gezielte Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen, bisherigen Trends sowie den
derzeit möglichen Annahmen zur zukünftigen Entwicklung unabdingbar. Aus diesen lassen
sich Schlussfolgerungen für die (langfristig) erwartbaren verkehrlichen Entwicklungen ableiten
sowie Gestaltungsspielräume und Handlungsbedarfe definieren.
Die nachfolgend dargestellten Annahmen sind jedoch nicht als unumstößlich anzusehen.
Zentrales Anliegen der Auseinandersetzung mit Status quo und langfristigen Perspektiven ist
es, das Verkehrssystem auf die Zukunft auszurichten, es robust gegen mögliche negative Trends
sowie flexibel für die Aufnahme neuer Entwicklungen zu gestalten. Sollten sich während der
Laufzeit des StEP Verkehr Veränderungen bei zentralen Annahmen bzw. neue strategische
Überlegungen abzeichnen und entsprechende Handlungserfordernisse hervorrufen, so
werden Politik und Planung im Land Berlin diese aufzunehmen und umzusetzen wissen.
II.1 Rückblick und Status quo
II.1.1 Verkehrliche Entwicklungen
Verkehrsinfrastruktur
Berlin verfügt über eine hochwertige und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur mit ausreichend Kapazitätsreserven, die durch die Infrastrukturmaßnahmen seit 1990 noch erweitert
wurde. Dafür wurden erhebliche Mittel bereitgestellt. Die Investitionsschwerpunkte lagen auf
der Verknüpfung der Netze in den beiden Stadthälften, d.h. Wiederinbetriebnahme von stillgelegten bzw. unterbrochenen Netzteilen, Netzverknüpfungen, Modernisierungen sowie
wenige jedoch kostenintensive Erweiterungen bei Straßen, U- und S-Bahn sowie Straßenbahn.
Bei der Regional- und Fernbahn stand vor allem der Neuaufbau im Vordergrund, zudem die
Wiederinbetriebnahme und Modernisierungen von Strecken und Bahnhöfen, ergänzt durch
den neuen Nord-Süd-Tunnel und den neuen Hauptbahnhof. Die Güterverkehrsinfrastruktur
wurde ebenfalls im Zusammenhang mit der Nachfrageentwicklung teilweise modernisiert und
über den Bau von Neuanlagen erweitert.
Nach wie vor weisen die Infrastrukturnetze jedoch die Spuren einer über 50 Jahre hinweg
getrennten Entwicklung auf:
n Das Straßennetz Berlins ist durch eine radiale Struktur mit relativ starker Bündelung
charakterisiert. Während im westlichen Teil der Stadt die auf die Innenstadt zulaufenden
Radialen durch Tangenten ergänzt und vernetzt werden, weisen die ausgeprägten
Magistralen im Ostteil nur geringe tangentiale Verknüpfungen der Außenräume auf.
n Die bis 1990 andauernde getrennte Entwicklung der beiden Stadthälften prägt auch
weiterhin das Straßenbahn- und U-Bahnnetz. Die Straßenbahn übernimmt in der östlichen Stadthälfte teilweise U-Bahnfunktionen bei geringerer Leistungsfähigkeit und
geringeren Geschwindigkeiten, jedoch mit besserer Feinerschließung.
14
II Der Hintergrund
Verkehrsentwicklung
Stadtverkehr (Personenverkehr)
Entgegen den Entwicklungsannahmen des ersten StEP Verkehr hat der Kfz-Verkehr im Stadtgebiet seit 2003 abgenommen (zwischen 8 und 10 Prozent auf Hauptstraßen). Die Rückgänge
vollzogen sich vor allem in der Innenstadt. Auf den radialen Hauptverkehrsstraßen und im
äußeren Stadtraum stieg die Verkehrsleistung dagegen noch leicht an.
Bei der Verkehrsmittelwahl liegt der Umweltverbund deutlich vor dem MIV. Die Ergebnisse der
im Rahmen der SrV 2008 durchgeführten Haushaltsbefragung in Berlin zeigen, dass ca. zwei
Drittel der Wege im Stadtgebiet mit dem ÖPNV, dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden.
Hinter diesen stadtweiten Ergebnissen liegen zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den
Bezirken (Abbildung 2). So sind in den innerstädtischen Bezirken die Anteile des Umweltverbundes deutlich höher als in der äußeren Stadt, was angesichts der mit zunehmender
Stadtrandlage steigenden Motorisierung übereinstimmt. Unterschiede in den stadt- und
bevölkerungsstrukturellen Gegebenheiten der Bezirke wirken sich ebenfalls auf die Mobilität
der Bewohnerinnen und Bewohner aus. In den dichter bebauten, stärker funktionsgemischten
und im Durchschnitt jüngeren Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Mitte sind
die Anteile des Rad- und Fußverkehrs deutlich höher als beispielsweise in Marzahn-Hellersdorf,
Reinickendorf oder Spandau.
Abbildung 2: Modal Split in den Bezirken
29
26
28
Reinickendorf
17
21
9
Pankow
30
32
7
32
Spandau
44
Verkehrsmittelwahl 2008
nach Bezirken
nMIV gesamt (%)
nZu Fuß (%)
nFahrrad (%)
nÖPNV gesamt (%)
25
44
26
22
8
22
29
Lichtenberg
35
Mitte
30
33
23
14
FriedrichshainKreuzberg
CharlottenburgWilmersdorf
26
24
23
12
Steglitz-Zehlendorf
17
29
38
25
31
32
6
21
29
32
40
MarzahnHellersdorf
14
13
TempelhofSchöneberg
Neukölln
29
32
27
Treptow-Köpenick
12
40
25
25
Daten: SrV 2008
15
11
Die Verkehrsmittelwahl ist ebenfalls abhängig vom Wegezweck. Auffällig ist, dass der MIVAnteil nur bei den „sonstigen“ Wegen dominiert, zu denen auch Dienst- und geschäftliche
Wege gehören, welche zumindest teilweise dem Personenwirtschaftsverkehr zuzurechnen
sind. Für alle anderen Wegzwecke favorisieren die Berlinerinnen und Berliner die Verkehrsträger des Umweltverbundes (Abbildung 3).
Abbildung 3: Verkehrsmittelwahl nach Wegezweck
30%
9%
13%
9%
25%
35%
29%
12%
0%
11%
16%
14%
21%
19%
40%
30%
31%
40%
60%
80%
100%
Des Weiteren bestehen Unterschiede im Mobilitätsverhalten zwischen den Altersgruppen. Am
mobilsten sind die 25- bis unter 45-Jährigen, die im Durchschnitt 3,5 Wege pro Tag erledigen.
Die geringste Mobilität weisen die über 65-Jährigen auf (2,5 Wege pro Tag).
Die Unterschiede im Mobilitätsverhalten zwischen den Geschlechtern sind in Berlin vergleichsweise gering ausgeprägt, jedoch weiterhin erkennbar. So sind in allen Altersgruppen bis 45 Jahre
die Frauen mobiler als die Männer, sie erledigen im Schnitt mehr Wege und vor allem mehr
Begleit- und Versorgungswege. Ab 45 Jahre ist die Wegehäufigkeit bei den Männern wieder
höher. Frauen nutzen nach wie vor eher den ÖV als Männer und sind häufiger im Besitz einer
Monatskarte, während Männer eher Einzelfahrausweise kaufen. Hinsichtlich Führerscheinbesitz
sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in den einzelnen Altersgruppen sehr unterschiedlich. In den jüngeren Altersklassen besitzen grundsätzlich mehr Menschen den Führerschein. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind in den höheren Altersgruppen
deutlich stärker ausgeprägt als bei den jüngeren Altersgruppen, wobei Männer deutlich häufiger
einen Führerschein besitzen als Frauen. Die Ausnahme bildet die Altersgruppe der 18- bis unter
25-Jährigen. Hier haben geringfügig mehr Frauen den Führerschein als Männer.
Der Kfz-Bestand im Stadtgebiet zeigt seit 2002 einen rückläufigen Trend, allerdings wurde im
Jahr 2009 wieder ein leichter Anstieg verzeichnet.
Die Motorisierungsrate in Berlin betrug 2009 324 Pkw pro 1.000 Einwohner und ist damit eine
der niedrigsten in Europa. Hinsichtlich der Motorisierung haben sich die Ost- und Westhälfte
der Stadt weitestgehend angeglichen. Es besteht jedoch ein deutliches Gefälle zwischen der
Innenstadt (teilweise unter 200 Kfz/1.000 Einwohner) und den äußeren Stadtgebieten (teilweise über 500 Kfz/1.000 Einwohner). Nach wie vor verfügen fast 50 Prozent der Haushalte in
Berlin nicht über einen eigenen Pkw.
Der öffentliche Personennahverkehr (Regionalbahn, S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn, Bus) verzeichnete ab Ende der 1990er Jahre wieder Fahrgastzuwächse. Insbesondere die S-Bahn profitierte hier von der Fertigstellung wesentlicher, fahrgastwirksamer Infrastrukturmaßnahmen,
vor allem dem Lückenschluss auf dem Stadtring. Bei der BVG wirkte die Einführung des Metronetzes fahrgaststabilisierend. Die Fertigstellung der Straßenbahnverbindung Alex II und die
Anbindung des Nordbahnhofs brachten relationsbezogene Fahrgastgewinne.
16
Zu Fuß (%)
Fahrrad (%)
ÖPNV gesamt (%)
MIV gesamt (%)
32%
31%
38%
20%
n
n
n
n
31%
67%
40%
8%
27%
Daten: SrV 2008
II Der Hintergrund
Abbildung 4: Führerscheinbesitz in Berlin nach Alter und Geschlecht
n männlich
n weiblich
15 bis unter
18 Jahre
18 bis unter
25 Jahre
25 bis unter
45 Jahre
45 bis unter
65 Jahre
65 bis unter
75 Jahre
75 Jahre und
älter
Daten: SrV 2008
Durch den Abschluss der Verkehrsverträge mit den Unternehmen und die Umsetzung des
Besteller-Ersteller-Prinzips im Berliner ÖPNV sollen wirtschaftlich bedingte Leistungsverringerungen, die zu einer Verschlechterung des Angebots für die Fahrgäste und damit zu einer
verminderten Attraktivität des ÖPNV geführt hätten, langfristig unterbunden werden. Das
Gesamtsystem ÖPNV hat sich dadurch bisher positiv entwickelt.
Erhebliche Einschränkungen mussten die Nutzerinnen und Nutzer des Berliner ÖPNV durch
die im Juni 2009 einsetzende Krise bei der S-Bahn und die darauf folgenden starken Leistungsreduzierungen bzw. den zeitweise kompletten Wegfall von S-Bahn-Angeboten hinnehmen.
Allerdings scheint sich dies nicht negativ auf die Attraktivität des ÖPNV auszuwirken, wie
steigende Zeitkartenverkäufe in den Jahren 2009 und 2010 belegen.
Die steigende Nutzung der nicht-motorisierten Verkehre übertraf die Erwartungen vor allem
beim Fahrradverkehr. Planerische Maßnahmen, wie die Schaffung und Verbesserung der
Radinfrastruktur (Radverkehrsanlagen, Abstellanlagen etc.) sowie generelle Verhaltenstrends
wirkten hier im Sinne der verkehrspolitischen Zielstellungen zusammen. Die Zuwächse in der
Innenstadt sind dabei deutlich stärker ausgeprägt als in den äußeren Stadträumen. Das Radfahren gewinnt zudem vor allem bei jüngeren Menschen an Beliebtheit. So zeigen Auswertungen der MiD für Berlin, dass in der hochmobilen Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen der
Radverkehrsanteil von 6 Prozent im Jahr 2002 auf 12 Prozent im Jahr 2008 gestiegen ist (Fußverkehr: Anstieg von 22 auf 26 Prozent, ÖPNV: Anstieg von 35 auf 42 Prozent, MIV (Fahrer und
Mitfahrer) Rückgang von 38 auf 21 Prozent).
Stadt-Umland-Verkehr
Durch die nachholende Wohn- und Wirtschaftssuburbanisierung hat sich seit den 1990er
Jahren der funktionale Verflechtungsbedarf zwischen Berlin und Brandenburg weiter vergrößert. Die Länder Berlin und Brandenburg trugen diesen Entwicklungen durch ein abgestimmtes planerisches Vorgehen im Zuge der Gestaltung des „Gemeinsamen Verkehrsraums“
Rechnung. Durch Investitionen in die Infrastruktur konnten die Qualitäten vor allem im
Schienenpersonennahverkehr verbessert sowie ein leistungsstarkes Straßennetz geschaffen
werden.
17
Schule/Ausbildung/Kindereinrichtung
Eigener Arbeitspaltz
0%
Die enge wirtschaftliche Verflechtung der Länder drückt sich auch in der zunehmenden Zahl
der Berufspendler aus. Im Jahr 2009 pendelten ca. 260.000 Menschen nach Berlin ein, und
ca. 137.000 Berlinerinnen und Berliner hatten ihren Arbeitsplatz außerhalb der Stadt. Zum weit
überwiegenden Teil kommen die Pendler aus bzw. fahren nach Brandenburg. Hinzu kommen
Fahrten zu Freizeit-, Einkaufs- und Erholungszwecken, die ebenfalls für eine Erhöhung der
Nachfrage an Stadt-Umland-Verkehren sorgen.
Güter- und Wirtschaftsverkehr
Das Güterverkehrsaufkommen unterliegt stark konjunkturellen Schwankungen. Für Berlin und
Brandenburg ist darüber hinaus der weitergehende wirtschaftliche Strukturwandel bestimmend
für die Entwicklung. Nach jahrelangen rückläufigem Transportaufkommen wurden 2008 infolge
der positiven konjunkturellen Entwicklung der Berliner Wirtschaft erstmals wieder Anstiege im
Güterverkehr verzeichnet. Die Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2009 bewirkte zwar
bundesweit eine erneute Verringerung des Transportaufkommens, doch bereits im ersten
Halbjahr 2010 wurden wieder Transportzuwächse bei allem Verkehrsträgern verzeichnet.
Aus verkehrlicher Sicht begrüßenswert ist die Tatsache, dass seit 2004 Bahn und Binnenschifffahrt gegenüber dem Straßengüterverkehr wieder anteilig zugenommen haben. Mit 11 Prozent
(Bahn) bzw. 9 Prozent (Binnenschiff) liegen sie jedoch immer noch deutlich hinter der Straße.
Berücksichtigt man den innerstädtischen Verkehr mit, so hatte die Straße 2007 einen Anteil von
85 Prozent, die Schiene 8 Prozent und das Binnenschiff 7 Prozent.
Nach wie vor dominiert bei der regionalen Verteilung des Straßengüterverkehrs der Güteraustausch mit Brandenburg. Berlin ist zudem weiterhin eher Konsum- und damit Empfangsregion,
was bedeutet, dass mehr Güterströme in die Stadt hinein als aus ihr heraus gehen.
Bei innerstädtischen Lieferverkehren lässt sich in den vergangenen Jahren eine gestiegene
Nachfrage nach schnellen und kleinteiligen Waren- und Güterlieferungen feststellen, die u. a.
das Ergebnis eines veränderten Konsum- und Einkaufsverhaltens der Bevölkerung sind
(beispielsweise durch E-Commerce). Die Abhängigkeit von global wirksamen Entwicklungen
wurde dabei auch hier sichtbar, vor allem im Bereich des KEP-Marktes (Kurier-, Express- und
Paketdienste/-unternehmen). Die schwierige wirtschaftliche Situation der Jahre 2008 und 2009
hat auch auf dem Berliner KEP-Markt zu zahlreichen Veränderungen geführt, die sich durch ein
verändertes Sendungsaufkommen auch verkehrlich in Form von Rückgängen niederschlagen.
Dennoch kann und muss sowohl im Bereich der B2B-(business-to-business), als auch der
B2C-(business-to-consumer) Sendungen mit einer Erholung der Situation und damit auch
einer weiter zunehmenden Verkehrsleistung in diesem Segment des Wirtschaftsverkehrs
gerechnet werden. Aufgrund der steigenden Bedeutung des Dienstleistungssektors und der
Dienstleistungsberufe in Berlin und der Region kann zukünftig von einer weiteren Zunahme
ausgegangen werden.
Die in Berlin gewerblich zugelassen Kraftfahrzeuge legen im Wirtschaftsverkehr täglich insgesamt rund 500 Tsd. Fahrten und ca. 11,5 Mio. Fahrzeugkilometer zurück. Etwa zwei Drittel
davon sind dem Personenwirtschaftsverkehr („Verkehr in Ausübung des Berufes” mit Aktentasche, Material etc.) zuzurechnen; aufgrund des Wachstums im Dienstleistungssektor ist hier
von einer noch steigenden Bedeutung auszugehen.
Personenfernverkehr von und nach Berlin
Der Personenfernverkehr von und nach Berlin zeigte bei allen Verkehrsträgern seit der Wiedervereinigung Deutschlands ein Wachstum. Während die Verkehrsträger Straße und Flugverkehr
generell am Wachstum teilhaben konnten, ergibt sich beim Verkehrsträger Schiene ein differenziertes Bild.
18
II Der Hintergrund
Auf den Relationen, auf denen durch Ausbau- bzw. Neubaumaßnahmen erhebliche Fahrzeitverkürzungen erzielt wurden, verzeichnete auch die Schiene ein wachsendes Fahrgastaufkommen. Teilweise kam es sogar zu Verlagerungen von Flug- und Straßenverkehren auf die
Schiene. So führte z.B. die Inbetriebnahme der ICE-Schnellbahnverbindungen Berlin – Hannover
und Berlin – Hamburg zur völligen Einstellung des Flugverkehrs auf diesen Relationen. Die
Fahrgastzahlen auf der Strecke Berlin – Hannover stiegen seit Inbetriebnahme der Hochgeschwindigkeitstrecke 1998 um über 40 Prozent (von täglich 19.000 auf 27.000 Fahrgäste).
Durch den Ausbau der Strecke Berlin – Hamburg auf 230 km/h (2004) sowie der Strecke Berlin
– Leipzig auf 200 km/h (2006) konnten hier kurze und attraktive Fahrzeiten von 1 ½ bzw.
1 Stunde angeboten werden. Dazu beigetragen hat auch die Fertigstellung des neuen NordSüd-Tunnels im Jahr 2006, durch den zusätzlich Fahrzeitgewinne von 20 bis 25 Minuten erzielt
werden konnten. Als Konsequenz stiegen die Fahrgastzahlen auf diesen Verbindungen seit
2004 um ca. 40 Prozent.
Weitere deutliche Zunahmen hat es beim Fahrgastaufkommen auf der ICE-Linie Berlin – Braunschweig – Frankfurt/Main – Basel/Stuttgart gegeben. Die Fahrgastzahlen auf der Verbindung
Berlin – Dresden – Prag konnten dank der Ausbaufortschritte auf der tschechischen Seite
stabilisiert werden.
Nachfragerückgänge zeigten sich demgegenüber dort, wo es keine Verbesserungen in der
Schienenverkehrsinfrastruktur bzw. bei den Erreichbarkeiten gab, während die Straßeninfrastruktur parallel ausgebaut wurde. Dies betraf vor allem die Relationen von Berlin in die ostdeutschen Mittel- und Oberzentren, z.B. Rostock, Halle (Saale), Cottbus, Magdeburg und Erfurt.
Der Rückgang der Nachfrage auf der Schiene führte auf einigen Strecken (z.B. von Berlin nach
Schwerin, Görlitz, Chemnitz, Gera und Suhl) sogar zur vollständigen Einstellung des Fernverkehrs. Als Verkehrsangebot für Fernreisende stehen nur noch Regionalzüge zur Verfügung.
Seit der Erweiterung der Europäischen Union im Mai 2004 ist auch im Personenverkehr von
und nach Berlin ein starkes Wachstum im Verkehr nach Polen zu beobachten, allerdings ausgehend von einer sehr niedrigen Ausgangsbasis. Diese Zuwächse fanden hauptsächlich auf
der Straße statt, bedingt durch einen noch schlechten Zustand der Schieneninfrastruktur, nur
wenigen Verbindungen und sehr langer Fahrzeiten.
Eine Ausnahme bildet der Städte-Direktverkehr Berlin – Warschau. Durch den Fahrzeitvorteil
der Bahn (5 ¾ Stunden gegenüber einer Pkw-Fahrzeit von über 10 Stunden aufgrund der
fehlenden durchgehende Autobahn (Fertigstellung geplant für 2012) und den guten Ausbauzustand der Bahnstrecke auf polnischer Seite) liegt ihr Anteil am gesamten Personenverkehr
bei 28 Prozent (gegenüber knapp 3 Prozent im Jahr 2007 auf anderen deutsch-polnischen
Verbindungsstrecken).
Im Flugverkehr von und nach Berlin gab es seit der Wiedervereinigung einen kontinuierlichen
Anstieg der Fluggäste von 8,6 Mio. im Jahr 1990 auf über 20 Mio. im Jahr 2010. Zugenommen
hat auch das Angebot an internationalen Direktverbindungen, z.B. nach Skandinavien, Italien,
Großbritannien und Irland sowie Österreich.
II.1.2 Verkehrsbedingte Emissionen, Umweltbelastung, Gesundheitsgefährdung
Verkehrsleistungsrückgänge sowie die durch die Umweltzone beschleunigte Verbesserung der
Fahrzeugflotte führten seit 1998 zu einem Rückgang der Luftschadstoffbelastung in der
Gesamtstadt. Leider hat sich die aus der Modernisierung der Fahrzeugflotte resultierende
Minderung der Stickoxidemissionen bei den üblichen städtischen Fahrbedingungen jedoch
nicht im erwarteten Maß realisiert. Daher gibt es nach wie vor mit Stickstoffdioxid (NO2) und
Schwebstaub (PM10, PM2,5) hoch belastete Straßenabschnitte vor allem im Innenstadtbereich,
auf stark befahrenen radialen Verbindungsstraßen und in einigen Ortszentren.
19
Auf über 200 km Hauptverkehrsstraßennetz wurde eine Immissionsbelastung mit PM10
oberhalb eines Jahresmittelwerts von 30 μg/m³ ermittelt. Die höchsten Werte traten in eng
bebauten Straßenabschnitten (Brückenstraße, Leipziger Straße, Mariendorfer Damm) auf.
Die Verteilung der NO2-Belastung ist weitestgehend mit der von PM10 vergleichbar. Auf rund
100 km Hauptverkehrsstraßennetz überschritt der Jahresmittelwert 40 μg/m³ für NO2.
Die Entwicklung der CO2-Emissionen in Berlin ist seit 1990 rückläufig, zwischen 1990 und 2007
ist eine Reduzierung von über 30 Prozent erreicht worden. Der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß des
Gewerbes verringerte sich, u. a. bedingt durch den Wegfall zahlreicher Produktionsstätten
nach der Wende, um bis zu 60 Prozent. Der Rückgang bei Handel, Gewerbe und Haushalten
etc. betrug 30 Prozent. Ca. ein Viertel der Klimagasemissionen Berlins werden – basierend auf
Berechnungen nach der Methode des Länderarbeitskreises Energiebilanzen – dem Verkehr
zugeordnet. Transitverkehre und Tanktourismus sind hierin noch nicht inbegriffen, die
CO2-Emissionen des elektrisch betriebenen ÖPNV und SPNV, die mittels eines bundesdurchschnittlichen Strommixes berechnet werden, dürften in Berlin aufgrund des bezogenen Strommix mit größeren Anteilen aus der Braunkohleverstromung etwas höher liegen. Der Verkehrssektor verzeichnete ausgehend vom Jahr 1990 insgesamt nur geringe CO2-Rückgänge. Die
diesbezüglichen Entwicklungen verliefen bei den einzelnen Verkehrsträgern sehr unterschiedlich. Dabei stehen einem teils erheblichen Absinken der Emissionen bei Straße (- 7 Prozent),
Schiene (- 40 Prozent) und Binnenschiff (- 52 Prozent) eine 160-prozentige Zunahme der
CO2-Emissionen des Luftverkehrs gegenüber.
Die Länge der tagsüber von Lärmbelastungen über 65 db(A) betroffenen Nutzungen an
Straßenseiten nahm seit 1998 zwar ab (von 1.305 km auf 1.228 km). Dennoch sind tagsüber
rund 273.000 Menschen zu hohen Lärmpegeln ausgesetzt. Zudem werden in Teilen des Hauptverkehrsstraßennetzes der Innenstadt, auf dem inneren Straßenring und in einzelnen
Abschnitten in Ortszentren, in denen meist eine sehr enge Bebauungssituation besteht
(z.B. Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg, Tiergarten) tagsüber Lärmbelastungen oberhalb eines Mittelungspegels von 65 dB(A) erreicht.
Auch nachts werden im Hauptverkehrsstraßennetz der Innenstadt sowie in einigen Teilbereichen der äußeren Stadt Mittelungspegel oberhalb des Orientierungswertes von 55 db(A)
erreicht. Ca. 340.000 Einwohnerinnen und Einwohner sind davon betroffen. Auf einigen hoch
belasteten Streckenabschnitten konnten durch die Einführung von Tempo 30 als zulässige
Höchstgeschwindigkeit über den gesamten Tag bzw. im Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr
Verbesserungen erzielt werden.
Durch den Schienenverkehr werden in Berlin weitere 23.000 Menschen tags und ca. 45.000
Menschen in der Nacht von zu hohen Lärmpegeln belastet. Nach Angaben des Lärmaktionsplans für Berlin verursachte im Jahr 2007 darüber hinaus der Flugverkehr für 21.600 Anwohnerinnen und Anwohner tagsüber Lärmbelastungen von über 65 db(A), nachts waren 12.600
Menschen von Lärmbelastungen über 55 db(A) betroffen (Angaben für Tegel sowie den mittlerweile geschlossenen Flughafen Tempelhof). Durch die Schließung des Flughafens Tempelhof
wurden die dort lebenden Menschen bereits erheblich entlastet. Die Schließung des Flughafens Tegel (geplant nach Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg) wird die
innerstädtische Betroffenheit von Fluglärm mehr als halbieren.
In der Gesamtbilanz bleiben die Entwicklungen in punkto Lärm jedoch weiter unbefriedigend.
Gleiches gilt auch für die Verkehrssicherheit. Der Verkehrssicherheitsbericht 2009 weist bei den
Straßenverkehrsunfällen seit 1999 einen Rückgang um rund 19 Prozent aus. Deutliche Rückgänge sind dabei auch bei den Getöteten und Schwerverletzten zu verzeichnen, wohingegen
die Zahl der leichtverletzten Personen nur bis 2005 Rückgänge verzeichnete und seitdem
geringfügig ansteigt.
20
II Der Hintergrund
Die stärksten Rückgänge bei den Unfallverletzten konnten bei den Autofahrerinnen und
-fahrern (inklusive Mitfahrern) erzielt werden. Auch im Fußverkehr gingen die Unfälle zurück.
Dem gegenüber stieg die Zahl der bei Unfällen verletzten motorisierten Zweiradfahrer sowie
Radfahrer an. Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln verzeichneten die ohnehin geringen Unfallzahlen einen weiteren Rückgang (von 63 auf 45 Verunglückte im Mittel der betrachteten Jahre).
Bei der Einordnung dieser Entwicklungen sind allerdings auch die gleichzeitig erfolgten Veränderungen bei der Verkehrsmittelwahl zu berücksichtigen, vor allem die starke Zunahme des
Radverkehrs.
Das Risiko, sich bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen zuzuziehen, ist bei den verschiedenen Verkehrsarten unterschiedlich verteilt: Vor allem Fußgänger und Radfahrer unterliegen einem erhöhten Unfallrisiko und werden bei Zusammenstößen mit motorisierten
Verkehrsteilnehmern häufiger und schwerer verletzt. In Bezug auf die verschiedenen Altersgruppen lässt sich feststellen, dass vor allem die mobilen und nicht-motorisierten Altersgruppen (junge Erwachsene zwischen 18–24 Jahre und ältere Kinder zwischen 11–14 Jahre)
von einem erhöhtes Unfallrisiko betroffen sind.
Weibliche Personen verunglücken insgesamt, wie in Bezug auf die meisten Alters- und Verkehrsteilnahmegruppen, seltener als männliche Personen und werden weniger häufig schwer
verletzt. Bezogen auf alle Verunglückten im Stadtgebiet lag der Anteil weiblicher Personen
2008 bei 40 Prozent, bei den Personen mit schweren Verletzungen bei 37 Prozent. Veränderungen sind seit 2000 kaum festzustellen. In der Tendenz scheint es jedoch, dass Mädchen und
Frauen leicht zunehmend in Unfälle verwickelt werden. Inwieweit die genannten Zusammenhänge auf geschlechtsspezifisch unterschiedliche Verkehrsleistungen, unterschiedliches
Mobilitäts- und Verkehrsverhalten oder andere Faktoren zurückzuführen sind, bleibt offen.
Grundsätzlich deuten die Ergebnisse jedoch darauf hin, dass vor allem Männer zwischen
18 und 64 Jahre ein erhöhtes Risikopotenzial aufweisen.
II.1.3 Wirkung der Maßnahmen des StEP Verkehr von 2003
Die Fortschrittsberichte zur Umsetzung des ersten StEP Verkehr (vom Januar 2006 und Juni
2008) dokumentieren detailliert die jeweiligen Umsetzungsstände der einzelnen Maßnahmen.
Darüber hinaus wurden seit dem letzten Fortschrittsbericht eine Reihe weiterer Maßnahmen
realisiert bzw. sie sind (bei langfristigen und Daueraufgaben) in der Realisierung vorangeschritten. Dazu gehören im Bereich Infrastruktur beispielsweise die behindertengerechte Ausstattung von Bahnhöfen, die Sanierung größere U-Bahn-Streckenabschnitte einschließlich der
zugehörigen Brückenbauwerke, die Eröffnung des ersten Teilabschnittes der U5-Verlängerung
(U55 vom Hauptbahnhof zum Bahnhof Brandenburger Tor), der Bau der Straßenbahnverbindung Adlershof-Wissenschaftsstadt, der Umbau des Bahnhofs Ostkreuz sowie die Anbindung
des Flughafens Berlin Brandenburg. Weitere Fortschritte wurden bei der Verbesserung der
Verknüpfung von Radverkehr und ÖPNV (Fahrradabstellanlagen an U- und S-Bahnhöfen,
Schaffung von Fahrradmitnahmekapazitäten in Fahrzeugen des ÖPNV/SPNV, u. a. durch den
Umbau der Mehrzweckabteile bei der S-Bahn) erzielt.
In organisatorischer Hinsicht wurde nach Abschluss des Verkehrsvertrages zwischen dem Land
Berlin und der BVG das Besteller-Ersteller-Prinzip im Berliner ÖPNV vollständig umgesetzt.
Durch die damit einher gehende bessere Steuerungsmöglichkeit des Landes ist es gelungen,
Angebotsqualitäten ohne Mehrkosten zu verbessern (z.B. Taktverdichtungen in nachfragestarken Abendstunden).
Zur Verbesserung der Bedingungen für den Radverkehr wurde verstärkt in den Ausbau des
Radverkehrsnetzes investiert. Netzlücken wurden geschlossen, es wurden zahlreiche Radfahrstreifen angelegt, Busspuren für die Mitnutzung durch den Radverkehr freigegeben sowie
Angebotsstreifen geschaffen. Darüber hinaus wurden verstärkt Einbahnstraßen für den Radverkehr freigegeben und Fahrradstraßen eingeführt (z.B. die Linienstraße in Mitte). Fahrrad-
21
taugliche Beläge in verkehrsberuhigten Zonen und Tempo-30-Zonen schaffen auch hier gute
Voraussetzungen für den Fahrradverkehr. Darüber hinaus haben die Bezirke begonnen, auch
wichtige Wege in bisher gesperrten Grünanlagen für Radfahrerinnen und Radfahrer zu öffnen.
Über die überregionalen Radfernwege wird Berlin im Radverkehr mit dem Umland verbunden.
Als Vorbereitung für weitere Maßnahmenumsetzungen wurde die Fußverkehrsstrategie des
Landes Berlin im Jahr 2010 vorgelegt, die Fortschreibung der Radverkehrsstrategie und des
Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzeptes sind in Vorbereitung.
Bereits in den Fortschrittsberichten konnte aufgezeigt werden, dass die verkehrlichen Entwicklungen, die sich seit dem Jahr 2003 im Stadtgebiet vollzogen haben (vgl. Kapitel II.1.1 bis II.1.4),
grundsätzlich den mit dem ersten StEP Verkehr angestrebten Zielen entsprechen. Dies betrifft
vor allem die Verringerung des Kfz-Verkehrs sowie die eingeleitete Trendwende im Modal
Split und die sich daraus ergebenden positiven umweltseitigen Folgen. Zu diesen gehört u. a.
die Verbesserung der Luftreinhaltung. Durch die erzielten MIV-Minderungen konnte eine Verringerung der Emissionen erzielt werden, die in etwa der Größenordnung der durch die
Umweltzone erreichten Reduktionen bei den Luftschadstoffen entspricht. Die Umweltzone als
Einzelmaßnahme trug noch einmal im selben Maße zur Verbesserung der Luftreinhaltung bei.
Da Verkehrsentwicklung jedoch Ergebnis des komplexen Zusammenspiels zahlreicher Faktoren
ist, ist es nicht möglich, den Beitrag, den der StEP Verkehr bzw. seine Einzelmaßnahmen dazu
geleistet haben, genau festzulegen. Aber auch ohne direkte Maßnahmen-Wirkungs-Zusammenhänge abzuleiten, kann festgehalten werden, dass die strategischen Grundsätze des ersten
StEP Verkehr in wesentlichen Punkten mit den raum- und bevölkerungsstrukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen übereinstimmten. Dadurch konnten wechselseitige
bzw. Synergie-Effekte erzielt werden, die einen Wirkungsgrad im Hinblick auf die Zielerreichung
ermöglichten, welcher teilweise über den Erwartungen des ersten StEP Verkehr lag. Ein Beispiel
dafür ist der Anstieg des Radverkehrs, der in seiner Gesamtheit als ein Ergebnis sich überlagernder Faktoren gesehen werden kann, darunter:
n Aufschwung aktiver, bewegungsorientierter Freizeittrends,
n Ausprägung neuer Lebensstile, die Spaßorientierung und Freude an der eigenen
Bewegung mit einem steigenden ökologischen Bewusstsein verknüpfen,
n Verlust des Symbolwerts bzw. der Statuskraft des Pkw,
n raumstrukturelle Entwicklungen, vor allem Stärkung der vielfältigen und funktional
gemischten Quartiere in der Innenstadt, Vorhandensein von günstigem Wohnraum auch
in guten, City-nahen Lagen für junge, fahrradaffine Bevölkerungsgruppen mit teilweise
geringerem Einkommen, z.B. Studierende, junge Familien etc.,
n steigende Kosten für Kraftstoffe, Stellplätze etc.,
n verkehrlich wirksame Maßnahmen, darunter Parkraumbewirtschaftung sowie die aktive
Förderung des Radverkehrs durch Infrastrukturmaßnahmen (Ausbau des Radwegenetzes
und der Radverkehrswegweisung, Umbau von Knotenpunkten) und Kommunikationsaktivitäten.
Allerdings muss auch festgehalten werden, dass nicht alle Entwicklungen im gleichen Maße in
die gewünschte Richtung gingen. Wenngleich der Zielhorizont des ersten StEP Verkehr, das
Jahr 2015, noch nicht erreicht ist, so zeichnet sich beispielsweise bei der Verkehrssicherheit,
beim Klimaschutz und bei der Emissionsreduktion sowie hinsichtlich der stadtverträglichen
Gestaltung des Wirtschaftsverkehrs ein Defizit bei der Zielerreichung ab. Auch hier sind die
Ursachen nicht allein bei Verkehrspolitik und -planung zu suchen. Individuelles Verhalten im
Verkehr (Missachtung von Verkehrsregeln, aggressiver Umgang der Verkehrsteilnehmerinnen
und Verkehrsteilnehmer miteinander), veränderte Konsummuster und Nachfrageentwicklung
(Zunahme von Flugreisen im Urlaubs- und Geschäftsverkehr, Zunahme des E-commerce und
kleiner, weniger bündelungsfähiger Lieferungen) sowie Entwicklungen der städtischen Wirtschaft spielen ebenso eine gewichtige Rolle.
22
II Der Hintergrund
Um bestehende Gestaltungsspielräume besser nutzen und neue eröffnen sowie um Risiken
rechtzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können, wurde bei der Fortschreibung des StEP
Verkehr aus diesem Grund die Auseinandersetzung mit den Faktoren, die Verkehrsentwicklung
beeinflussen und mit ihrem Zusammenspiel noch weiter intensiviert (vgl. nachfolgende
Abschnitte). Auch der „Blick in die Zukunft“, d.h. die Abschätzung von Trends und ihren verkehrlichen Auswirkungen (vgl. Kapitel II.1.5) ist darauf ausgerichtet, positiv wirkende Entwicklungen
zu erkennen und zu nutzen und die Folgen von potenziell (auf die Ziele des StEP Verkehr
bezogen) negativ wirkenden Entwicklungen zu minimieren.
II.1.4 Entwicklung wesentlicher Rahmenbedingungen
Raumstruktur, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit
Die Raum- und Siedlungsstruktur in Berlin und Brandenburg ist weiterhin und insbesondere im
Vergleich zu anderen deutschen und europäischen Städten „verkehrssparsam” organisiert. Zu
den prägnantesten Merkmalen der Berliner Stadtstruktur gehören die Polyzentralität der Stadt,
die kleinteilige Nutzungsmischung in vielen Quartieren sowie das spannungsvolle Verhältnis
zwischen den unterschiedlichen Stadträumen (Innere Stadt – Äußere Stadt – Umland).
Der nach dem Mauerfall einsetzende Schub (nachholender) Suburbanisierung hat in den letzten
Jahren spürbar nachgelassen. Zudem konzentrieren sich die Zuwächse im Berliner Umland auf
bestimmte Teilbereiche („Speckwürfel“ statt „Speckgürtel“). Dass die Tendenz zur Zersiedlung
in den Bereichen Wohnen und Arbeiten sich abgeschwächt hat, liegt einerseits in der Bevölkerungsentwicklung begründet. Andererseits ist dies jedoch auch den Instrumenten der
Gemeinsamen Landesplanung sowie der Berliner Stadtentwicklungsplanung zuzuschreiben,
die seit Ende der 1990er/Anfang 2000er Jahre besser gegriffen haben.
Darüber hinaus ist die raumstrukturelle Entwicklung Berlins seit dem Jahr 2000 durch eine
dynamische Innenentwicklung gekennzeichnet. Weniger als 10 Prozent der Flächeninanspruchnahme entfielen auf Stadterweiterungen. Auch weiterhin entstehen neue Gewerbeund Einzelhandelsflächen, vor allem in der Innenstadt bzw. im Zusammenhang mit der
bestehenden Zentrenstruktur. Der überwiegend in der Innenstadt konzentrierte Büroflächenbau verzeichnet hingegen einen rückläufigen Trend.
Der Wohnungsneubau beschränkt sich in Berlin seit einigen Jahren auf ein moderates Maß.
Neue Wohnungen werden überwiegend in den Außenbezirken gebaut, vor allem in Pankow,
Steglitz-Zehlendorf, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf. Wachsende Bedeutung
kommt neuen Wohnungen zu, die als Baumaßnahmen im Bestand entstehen. Ihr Anteil ist in
den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen und erreichte im Jahr 2008 einen Anteil von
22 Prozent an allen Fertigstellungen. Wohnungsneubau im Bestand findet vor allem in der
Innenstadt statt und beinhaltet neben einer Mehrzahl an Geschosswohnungen auch Townhouses bzw. einige wenige innerstädtische Ein- und Zweifamilienhäuser.
23
Tabelle 1: Entwicklung relevanter Strukturdaten 2000–2009
2000
2005
2009
Differenz
2000/2009
Berlin
3.382.169
3.395.189
3.442.675
+ 60.506
Brandenburg
2.601.962
2.559.483
2.511.525
- 90.437
Berlin und Brandenburg insgesamt
5.984.131
5.954.672
5.954.200
- 29.931
Berlin
1.822.800
1.897.900
1.988.000
+ 165.200
Brandenburg
1.160.500
1.218.300
1.245.300
+ 84.800
Berlin und Brandenburg insgesamt
2.983.300
3.116.200
3.233.300
+ 250.000
Berlin
454.900
447.800
421.500
- 33.400
Brandenburg
453.600
411.200
383.900
- 69.700
Berlin und Brandenburg insgesamt
908.500
859.000
805.400
- 103.100
7.200
5.600
4.900
- 2.300
285.700
219.700
215.900
- 69.800
Dienstleistung
1.282.500
1.317.700
1.444.700
+162.200
Berlin insgesamt
1.575.400
1.543.000
1.665.600
+ 90.100
1.862.766
1.881.837
1.894.564
+31.798
Bevölkerung (Personen)
Anzahl Haushalte
Anzahl Familien (mit Kindern, ohne Altersbegrenzung)
Erwerbstätige in Berlin (Personen)
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
Produzierendes Gewerbe
Wohnungen in Berlin
Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg
Die Bevölkerungszahlen haben sich seit Ende der 1990er Jahre in Berlin stabilisiert und steigen
derzeit entgegen dem Bundestrend leicht an. 2009 lebten im Stadtgebiet rd. 3,4 Mio. Menschen
(bei steigender Tendenz), in Brandenburg rd. 2,5 Mio. (bei gesamthaft leicht rückläufiger Tendenz,
wobei die unmittelbar an die Berliner Stadtgrenze angrenzenden Gebiete stabil sind bzw.
leicht wachsen, wohingegen die berlinfernen Räume Bevölkerungsrückgänge aufweisen).
Hauptgrund für das leichte Anwachsen der Berliner Bevölkerungszahlen ist ein positiver
Wanderungssaldo, d.h. Berlin zieht Wanderungen aus den anderen Bundesländern an und hält
die Zuwanderer im Stadtgebiet. Hinzu kommt ein leichter Anstieg der Geburtenzahlen (von
29.700 im Jahr 2000 auf 32.100 im Jahr 2010).
24
II Der Hintergrund
Ein wesentliches strukturelles Merkmal der Berliner Bevölkerung ist dennoch die Alterung der
Gesamtbevölkerung. Das Durchschnittsalter der Berliner Bevölkerung stieg von 41 Jahre (2000)
auf knapp 43 Jahre (2008). Der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre stieg im gleichen Zeitraum von 15 auf 19 Prozent.
Die demographische Entwicklung geht einher mit gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen. Lebensstile und Konsummuster ändern sich aufgrund veränderter Lebensmuster,
flexiblerer Arbeits- und Familienstrukturen sowie einer stärkeren Internationalisierung der
Stadtgesellschaft. Die Zahl der Menschen mit einer anderen als der deutschen Staatsangehörigkeit ist weiter steigend (von 435.100 im Jahr 2000 auf 473.200 im Jahr 2009, ebenso die
Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund (im Stadtgebiet 859.000 laut Mikrozensus 2009).
Die Zahl der Haushalte hat seit 2000 ebenfalls zugenommen (von 1,82 Mio. auf 1,98 Mio.),
wobei der größte Anstieg bei den Einpersonenhaushalten zu verzeichnen ist, deren Anzahl
die Zahl der Mehrpersonenhaushalte deutlich übersteigt. Während dies in Teilen in sozialen
Entwicklungen und der weitergehenden Differenzierung der Lebensstile begründet scheint,
lassen sich die größten Zuwachsraten jedoch auf die Zunahme älterer (verwitweter) Einpersonenhaushalte zurückführen. Die Zahl der Familien mit Kindern nahm demgegenüber
kontinuierlich ab.
Die Zahl der Erwerbstätigen stieg zwischen 2000 und 2009 auf 1,7 Mio. Treiber des Anstiegs
der Erwerbstätigkeit war vor allem die Dienstleistungsbranche. Die größten Zunahmen sind
absolut bei den Teilzeit- und marginal Beschäftigten zu verzeichnen. Von den bundesweiten
Folgen der Krise auf den Wirtschafts- und Finanzmärkten war Berlin deutlich weniger betroffen
als andere Bundesländer, wenngleich die Zuwächse bei der Erwerbstätigkeit 2009 geringer
ausfielen als in den Vorjahren.
Das durchschnittliche Einkommen vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer stieg in den vergangenen
Jahren ebenfalls leicht an. Zwischen den Branchen sowie zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten gibt es jedoch starke Unterschiede. Frauen verdienen im Durchschnitt nach wie vor
deutlich weniger als Männer. Die Einkommen bestimmen die für Verkehrsausgaben zur Verfügung stehenden Budgets der Haushalte. Bundesweit liegt der Anteil der Verkehrsausgaben
bei 14 Prozent des verfügbaren Hausaltseinkommens. Damit ist Verkehr (nach Wohnen) der
zweitgrößte Ausgabenposten privater Haushalte. Die Verkehrsausgeben nehmen dabei bis in
die Altersgruppen der 45 bis 55-jährigen kontinuierlich zu. Danach nehmen sie mit steigendem
Alter ab, wobei die Aufwendungen für den privaten Verkehr stärker sinken als für den ÖPNV.
Mobilitätschancen: Differenzen, Disparitäten und besondere Mobilitätsbedürfnisse
Räumliche und infrastrukturelle Disparitäten
Ob Mobilitätsbedürfnisse realisiert werden können, hängt von den zur Verfügung stehenden
Verkehrsmitteln, aber auch von der Angebotsverteilung, d.h. der Verteilung der Reiseziele im
Raum ab. (Groß-)Stadttypisch ist, dass die öffentlichen Verkehrsangebote in der Innenstadt
und in den verdichteten Stadträumen der äußeren Stadt generell besser sind als am dünner
besiedelten Stadtrand. Menschen ohne Zugang zu einem Pkw in den dünner besiedelten
Stadt-Außenräumen sind also stärker in ihrer Mobilität eingeschränkt als diejenigen, die über
einen Pkw verfügen können oder als autofrei lebende Personen in der Innenstadt.
Berlintypisch ist, dass nach dem vereinigungsbedingten Verlust vieler Arbeitsplätze in den
früheren Arbeitsplatzschwerpunkten im Osten und Südosten der Stadt die Arbeitsplatzverteilung weiterhin noch stark westlastig ist. Dadurch ergeben sich derzeit längere Arbeitswege,
vor allem für Bewohnerinnen und Bewohner der äußeren Stadträume im Nordosten, Osten
und Südosten. Berlintypisch ist ebenfalls, dass von einigen dieser Stadträume aufgrund der
Entfernung die innerstädtischen Zentren nur mit erhöhtem Zeitaufwand zu erreichen sind.
25
In den letzten Jahren ist in Berlin der Trend zur sozialräumlichen Polarisierung zu beobachten.
In bestimmten Quartieren (in der westlichen Innenstadt, den peripheren Großsiedlungen
im Osten sowie einigen Bereichen der westlichen Außenstadt) konzentrieren sich niedrige
Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit, ein überdurchschnittlicherer Anteil von Menschen mit
Migrationshintergrund, starke Abhängigkeit von Transferzahlungen und weitere damit zusammenhängende wirtschaftliche und soziale Problemlagen. Trotz aktiven Gegensteuerns u. a. im
Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ hat sich die Lage in vielen dieser Teilgebiete in den
letzten Jahren teilweise verfestigt, und es findet ein Auseinanderdriften von statushöheren
Gebieten auf der einen und Quartieren mit niedrigem Sozialstatus auf der anderen Seite statt.
Bislang kann davon ausgegangen werden, dass die Mobilitätschancen der Bewohnerinnen und
Bewohner auch statusniedrigerer Gebiete nicht wesentlich schlechter ist, da diese Gebiete aufgrund ihrer Lage gut in das ÖPNV-Gesamtsystem integriert sind. Eine Herausforderung für die
Zukunft besteht dennoch darin, die Erschließung in diesen Gebieten weiter zu verbessern,
trotz der angespannten Haushaltslage Angebotsqualitäten zu sichern, die mindestens der
Daseinsvorsorge entsprechen und über die gezielte Förderung der nicht-motorisierten Verkehrsarten weitere Mobilitätschancen zu eröffnen.
Lebenslagenbedingte Unterschiede
Unterschiedliche Lebenslagen bedingen unterschiedliche Mobilitätsanforderungen, auf die
das Gesamtverkehrssystem lange Zeit nicht ausreichend ausgerichtet war. Ein Großteil dieser
Unterschiede macht sich auch heute noch an der Differenz im Mobilitätsverhalten von
Männern und Frauen fest, wobei die Unterschiede nicht durch die Geschlechtszugehörigkeit
an sich, sondern durch die soziale Rollenverteilung bestimmt werden. Ein wesentlicher Punkt
ist dabei die Übernahme von Familienarbeit, d.h. die Versorgung, Begleitung und Pflege von
Kindern und (älteren und/oder kranken) Angehörigen, die zum weit überwiegenden Teil
durch Frauen erfolgt. Dadurch entstehen unterschiedlichen Mobilitätsmuster, die sich in einem
höheren Anteil von Wegeketten, mehr Versorgungs- und Begleitwege, ggf. von den Hauptverkehrszeiten abweichende Berufswege (z.B. bei Teilzeitarbeit) sowie in einer höheren Bedeutung
der barrierefreien Zugänglichkeit des Verkehrssystems aufgrund des Mitführens von Gepäck
und Kinderwagen ausdrücken. Die daraus entstehenden Anforderungen müssen sich mit den
vorhandenen Verkehrsangeboten umsetzen lassen, um Lebensqualität und die Teilhabe am
öffentlichen (Berufs-, Freizeit-, gesellschaftlichen) Leben zu sichern. Dies ist der wesentliche
Beitrag des Verkehrssektors zur Herstellung der Chancengleichheit von Frauen und Männern.
Das Thema Sicherheit vor Übergriffen sowie die Vermeidung von Angsträumen spielt vor allem
in Bezug auf Angebote des ÖPNV in nachfrageschwachen Zeiten und Räumen sowie bei der
Straßen- und Parkraumgestaltung eine wichtige Rolle.
Die vorliegenden Daten der SrV weisen für Berlin nur vereinzelte Unterschiede in der Verkehrsteilnahme von Männern und Frauen aus (vgl. Kapitel II. 1.1), die im Grundsatz die oben genannten Abweichungen in den Mobilitätsmustern von Frauen und Männern bestätigen. Die höhere
ÖPNV-Affinität von Frauen wurde im Nahverkehrsplan des Landes Berlin durch eine gendersensitive Analyse der Angebotsplanung und deren Umsetzung besonders berücksichtigt.
Aufgrund der hohen Netzdichte sowie der guten Angebotsqualität im ÖPNV ebenso wie im
Rad- und Fußverkehr bietet Berlin bereits jetzt Männern und Frauen in unterschiedlichen
Lebenssituationen hervorragende Mobilitätsbedingungen auch ohne Zugang zu einem
eigenen Pkw. Vereinzelt weiterhin noch bestehende Defizite bei der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit verkehrlicher Angebote sollen langfristig abgebaut werden.
Die Sicherung gleichwertiger Mobilitätschancen für Menschen jeden Alters und Familienstands, jeder Nationalität, in unterschiedlichen Berufsverhältnissen und mit verschiedenen
Einkommen bleibt damit erklärtes Ziel der Berliner Verkehrspolitik.
26
II Der Hintergrund
Besondere Mobilitätsbedürfnisse
Eine zielgruppendifferenzierte Mobilitätspolitik muss bei der Gestaltung der Verkehrsbedingungen besondere Bedürfnisse berücksichtigen, die abhängig vom Lebensalter sind oder sich
aus altersunabhängigen Mobilitätseinschränkungen ergeben.
In der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen (in Berlin im Jahr 2009 ca. 492.000 Personen
unter 18 Jahren, Tendenz abnehmend) ist Mobilität eine wichtige Voraussetzung für das
Erlernen von Selbstständigkeit und für soziales Lernen generell. In dicht besiedelten Innenstadtquartieren sind insbesondere Kinder jedoch häufig beim Entdecken und Ausleben ihrer
Mobilität eingeschränkt, weil dort der bereits geringere Bewegungs-Spielraum durch den
fließenden und ruhenden Verkehr weiter eingeschränkt wird (Parkraum statt Spielraum, Verkehrsunsicherheit). Ihre Situation hat sich durch die zunehmende Konkurrenz der Nutzungen
im öffentlichen Raum sowie durch den in manchen Innenstadträumen wachsenden Parkdruck
verschlechtert.
Von erheblicher Bedeutung für das spätere Mobilitätsverhalten ist, dass das Mobilitätslernen
durch die Angebotsbedingungen mit beeinflusst wird. Darüber hinaus spielt das Verhalten der
Eltern sowie sonstiger Bezugspersonen (Großeltern, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrende,
Freundeskreis) für die Entwicklung der Mobilitätsmuster und die Ausbildung von Einstellungen
und Routinen bereits in der Kindheit und Jugend eine erhebliche Rolle.
Besondere Merkmale des Mobilitätsverhaltens dieser Altersgruppen sind, dass
n größere Kinder und Jugendliche überdurchschnittlich mobil sind,
n junge Menschen überwiegend die Verkehrsmittel des Umweltverbundes nutzen,
n in einigen Teilbereichen der Stadt insbesondere unter 18-Jährige einem deutlich höheren
Risikopotenzial ausgesetzt sind zu verunglücken, als Fußgänger und Radfahrer.
Ältere Menschen (in Berlin im Jahr 2009 ca. 656.000 Personen über 65 Jahre, am stärksten
zunehmende Altersgruppe) wollen ihre bisherige Mobilität möglichst erhalten, obwohl das mit
zunehmendem Alter häufig nachlassende Leistungsvermögen dies erschwert. Die Mobilität
älterer Menschen wird darüber hinaus gekennzeichnet durch folgende Merkmale:
n Verringerung der Verkehrsteilnahme, insbesondere durch das Wegfallen von Berufswegen,
die auch durch leicht zunehmende Freizeit- und Einkaufswege nicht ausgeglichen
werden,
n mit abnehmender körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit Verringerung der Verkehrsteilnahme,
n hohe ÖPNV-Affinität, solange die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel möglich ist
(Barrierefreiheit, Erreichbarkeit),
n steigende Führerscheinbesitzquoten und damit steigende Möglichkeit zur Pkw-Nutzung
(sofern vorhanden).
Die Möglichkeit, selbstbestimmt mobil zu sein und zu bleiben, ist auch für Menschen mit
Mobilitätseinschränkungen (in Berlin 2009 je nach Definition zwischen 380.000 und 690.000
Menschen, Tendenz zunehmend) eine wesentliche Vorraussetzung für Teilhabechancen und
Lebensqualität. Besondere Herausforderungen begegnen diesen Menschen, wenn
n bauliche und gesellschaftliche Barrieren den Zugang zu Stadträumen und dem Verkehrssystem einschränken,
n das bauliche Umfeld oder das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer insbesondere gehund sehbehinderte, sehschwache oder blinde Menschen im Straßenverkehr gefährdet.
27
II.1.5 Verkehrswissenschaftliche Kompetenz und Forschung
Berlin weist eine überdurchschnittliche Dichte an etablierten Einrichtungen auf, die in den
Feldern Verkehrstechnologie und Mobilitätsforschung auf hohem Niveau arbeiten und internationales Ansehen genießen. Es findet einerseits Forschung in mehreren zukunftsträchtigen
Technologiefeldern, andererseits sozial-, kultur- und wirtschaftswissenschaftliche Mobilitätsforschung statt. Beide Forschungslandschaften sind aber bisher noch zu wenig integriert,
obwohl nichttechnische Aspekte der Mobilität sowohl für die Entwicklung innovativer Produkte
und Dienstleistungen als auch für deren marktmäßige Umsetzung von zentraler Bedeutung
sind.
Die vorhandenen verkehrswissenschaftlichen Kompetenzen wurden in den letzten Jahren verstärkt ausgeschöpft. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beteiligt sich an zahlreichen
nationalen und internationalen Forschungs- und Demonstrationsprojekten. Darunter waren
und sind solche, die sich mit aktuellen und für Berlin relevanten Themenstellungen befassen.
Zu diesen gehören beispielsweise die Einführung neuer Modelle der gemeinsamen Fahrzeugnutzung sowie Erprobung alternativer Antrieb (TELLUS, Modellregion Elektromobilität), Folgen
des demographischen Wandels für den Stadtverkehr und Handlungsmöglichkeiten der Städte
(Pro.Mode), Einsatzmöglichkeiten eines integrativen Verkehrs- und Umweltmanagements
(iQmobility), die Zukunft des Fahrrads im Stadtverkehr (Spicycles) sowie Förderung und Ausnutzung der Potenziale von Fahrradverleihsystemen (OBIS), Möglichkeiten zur Unterstützung
umweltfreundlicher Entwicklungen im Schienen- und Güterverkehr (Eco-Rails, citylog) sowie
die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen bei der Verkehrsplanung (YOUTH).
Dadurch konnten aktuelle Fragestellungen der Stadtverkehrsgestaltung wissenschaftlich
beantwortet und die Ergebnisse in die Arbeit der Verwaltung integriert werden. Durch die Teilnahme von Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Verwaltung an wissenschaftlichen
Veranstaltungen konnten darüber hinaus Wissens- und Informationsbedarfe der Praxis in Richtung Forschung formuliert werden. Strategisch bedeutsame Vorhaben der Verwaltung, z.B. die
Erstellung der Gesamtverkehrsprognose 2025, die Radverkehrsstrategie und nicht zuletzt die
Fortschreibung des StEP Verkehr, werden darüber hinaus durch jeweils einberufene beratende
Gremien unter wissenschaftlicher Beteiligung fachlich begleitet.
Kooperationsprojekte mit anderen Städten und Regionen (Rail Baltica, Via Regia, Oderpartnerschaft) sowie die Mitwirkung an internationalen Städtenetzwerken (Metropolis, IMPACTS,
POLIS) förderten und fördern den Austausch und die gemeinsame Positionierung der Städte
gegenüber dem Bund oder der Europäischen Union.
Nach wie vor bestehen jedoch Potenziale für eine stärkere Verzahnung von Wissenschaft, Verkehrs- und Stadtentwicklung und für die Politikberatung, die in den nächsten Jahren verstärkt
genutzt werden sollen.
II.2 Perspektiven und Quo vadis
Die Mobilitäts-Bedürfnisse und die Verkehrsnachfrage im Personen- und Güterverkehr sind
einem ständigen Wandel unterworfen, abhängig von großen Entwicklungslinien in Gesellschaft, Wirtschaft, Technik, Raumentwicklung u. a.
Diese „großen“ Entwicklungstrends sind auf kommunaler und landespolitischer Ebene nicht
bzw. nur geringfügig beeinflussbar. Durch Gestaltung der örtlichen Rahmenbedingungen
lassen sich die konkreten Auswirkungen im städtischen Verkehrsgeschehen jedoch durchaus
teilweise auffangen und verändern oder ggf. auch stützen. Die Analyse der absehbaren Entwicklungen in den relevanten Umfeldern von Mobilität und Verkehr ermöglicht es, die Einflussmöglichkeiten über die kommunalen und landespolitischen Instrumente besser zu beurteilen.
28
II Der Hintergrund
Verkehrsentwicklung ist das Ergebnis des Zusammenspiels mehrerer genereller Trends, die
Aufkommen und Struktur der Verkehrsnachfrage beeinflussen. Die heutigen Entwicklungserwartungen sind Grundlage der langfristigen Planung. Dass Trends sich verändern können
und Annahmen immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden sind, ist dabei unabänderlich. Daher müssen auch einmal formulierte Erwartungen stets kritisch hinterfragt und mit den
tatsächlichen Entwicklungen abgeglichen werden. Dies ist eine Daueraufgabe der Planung.
Der Versuch, einen Blick in die Zukunft zu werfen, ist unerlässlich, um dem Anspruch einer
Langfriststrategie gerecht werden zu können.
Abbildung 5: Auswirkung übergeordneter Trends auf die Verkehrsentwicklung
sozialstrukturelle
Entwicklung
demographische
Entwicklung und
ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung
technologische
Entwicklung/
Durchdringung
(insbesondere Telekommunikation)
globale Reorganisation
der Wirtschaft
Wohnflächennachfrageentwicklung und
Standortverhalten
Lockerung
von
Lockerung von
• räumlichen
und
zeitlichen
räumlichen und
zeitlichen
Bindungen
Bindungen
Verkehrsmittelfixierung
• Verkehrsmittelfixierung
teilweise rückläufiger Verkehrsaufwand
• höhere
zeitliche
teilweise
rückläufiger
höhere zeitliche
Flexibilitätsanforderungen
Flexibilitätsanforderungen
Verkehrsaufwand
• steigende Multi-/Intermodalität
-/Intermodalität
städtische
Umwelt
Veränderungen in
der Organisation
der Arbeitswelt
Verkehrskosten-,
Preisentwicklung
II.2.1 Soziodemographische und raumstrukturelle Entwicklungstrends
Die Bevölkerungszahl Berlins wird sich nach der aktuellen Bevölkerungsprognose bis 2030
insgesamt stabil entwickeln. Die Bevölkerungsprognose für Berlin 2007–2030 (Basis-Variante)
rechnet für die Gesamtbevölkerung mit einer Zunahme um 1,7 Prozent bis 2030 im Vergleich
zu 2007. Die Berliner Bezirke weisen dabei teils sehr unterschiedliche Entwicklungsmuster auf.
In insgesamt sechs Bezirken steigt die Bevölkerungszahl an, in fünf Bezirken sinkt sie. Pankow
(+ 13 Prozent) und Treptow-Köpenick (+ 5 Prozent) gehören dem bisherigen Trend folgend zu
den Bezirken, deren Bevölkerung stark wächst. Die stärksten Bevölkerungsrückgänge werden
für Reinickendorf (- 6 Prozent), Spandau (- 4 Prozent) und Tempelhof-Schöneberg (- 2 Prozent)
erwartet. Hinter den Gesamtergebnissen für die einzelnen Bezirke, die jeweils in ihrer Größe
einer mittleren Großstadt entsprechen, können differenzierte und zum Teil gegenläufige Entwicklungstendenzen in den einzelnen Ortsteilen stehen. So ist beispielsweise der für MarzahnHellersdorf prognostizierte, vergleichsweise geringe Rückgang der Gesamtbevölkerung
(- 1 Prozent) das Ergebnis anhaltender Verluste in den Großsiedlungen im Norden bei gleichzeitiger weiterer Bevölkerungszunahme in den durch Einzelhaus-Bebauung geprägten Nachverdichtungsbereichen im Süden des Bezirks.
Gravierender als die Entwicklung der Bevölkerungszahl sind jedoch die Veränderungen bei
der Altersstruktur. Bis 2030 wird sich das Durchschnittsalter in Berlin von 42,5 im Jahr 2007 auf
45,3 Jahre erhöhen. Rückgänge vollziehen sich in der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen
(- 13.000 Personen, entsprechend - 2,6 Prozent) sowie in der Gruppe der erwerbsfähigen
29
Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren (- 116.000 Personen, entsprechend - 5 Prozent).
Demgegenüber steht eine Zunahme der älteren Menschen über 65 Jahre um insgesamt
ca. 190.000 auf rund 820.000 Personen. Den stärksten Anstieg erlebt die Altersgruppe über
80 Jahre (+ 87 Prozent). Im Jahr 2030 werden in Berlin 256.000 Personen älter als 80 Jahre sein
(7,4 Prozent der Bevölkerung gegenüber 4 Prozent im Jahr 2007).
Auch hier folgt die Entwicklung in den Berliner Bezirken unterschiedlichen Mustern. Vor allem
in den Außenbezirken wird die Zahl älterer Menschen um 80 Prozent, teilweise sogar um über
100 Prozent zunehmen, während in den Stadtbezirken der inneren Stadt die Zuwachsraten bei
den Seniorinnen und Senioren geringer ausfallen.
Hinsichtlich der Entwicklung der Erwerbstätigenzahlen liegen derzeit keine gesicherten
Erkenntnisse vor. Berlin hat große Potenziale für eine positive Arbeitsplatzentwicklung in allen
Sektoren, die durch zahlreiche gemeinsame Initiativen von Wirtschaft, Politik und Verwaltung
weiter stimuliert werden sollen. Eine positive wirtschaftliche und Arbeitsplatzentwicklung
kann darüber hinaus zu einem Anstieg der Zuzüge nach Berlin führen. Auch können steigende
Einpendlerzahlen oder eine höhere Erwerbsbeteiligung dem demographischen Effekt (Rückgang der Anzahl von Personen im erwerbsfähigen Alter) entgegen wirken.
In Anlehnung an die Trends der letzten Jahre wird damit gerechnet, dass sich die Suburbanisierung in Zukunft auf niedrigem Niveau stabilisieren wird. Im Umland sieht die gemeinsame
Landesentwicklungsplanung Berlin-Brandenburg Entwicklungspotenziale vor allem im Zusammenhang mit bestehenden Siedlungsbereichen und definierten Mittel- und Oberzentren vor.
Ausreichende Flächenpotenziale im Stadtgebiet ermöglichen zudem auch in Zukunft einen
Verzicht auf Stadterweiterungen am Stadtrand.
Hinzu kommt die Attraktivität der Berliner Innenstadt als Standort für Arbeiten und Wohnen,
wobei letzteres insbesondere für Zuwandernde von außerhalb Berlins relevant ist. Ein Trend
zur Rückwanderung von Stadtrandbewohnerinnen und -bewohnern in die Innenstadt ist
hingegen nicht erkennbar. Von „Reurbanisierung“ kann in Berlin daher nur insofern gesprochen
werden, als dass es der Stadt gelingt, ihre Bewohnerinnen und Bewohner zu halten und einen
Ausgleich in den Bevölkerungsbewegungen zwischen Stadt und Umland zu erzielen.
Die raumbezogenen Planungen des Landes Berlin schaffen wesentliche Grundlagen für die
langfristige Entwicklung im Stadtgebiet mit Auswirkung auf Verkehrsnachfrage und -angebot.
Langfristig soll vor allem die polyzentrale Struktur der Stadt erhalten und gestärkt werden
(vgl. StEP Zentren). Darüber hinaus kommt der Sicherung der Nahversorgung in den Quartieren
aus sozialen, funktionalen, stadtentwicklungsplanerischen und verkehrlichen Gründen eine
hohe Bedeutung zu. Ebenfalls angestrebt ist eine Stärkung des produzierenden Gewerbes und
der Industrie auf geeigneten Flächen im Stadtgebiet. Der StEP Industrie und Gewerbe sowie
der Masterplan Industrie bilden hierfür den grundlegenden Rahmen. Inwieweit die strategischen Überlegungen und konkreten Maßnahmen der jeweiligen Planwerke innerhalb ihrer
Gültigkeitsdauer umgesetzt werden können, hängt – wie auch beim StEP Verkehr – zu nicht
unwesentlichen Teilen von der Entwicklung der einflussnehmenden Rahmenbedingungen im
gesamten Stadtgebiet und der Region ab.
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass der funktionale Zusammenhang innerhalb der
Hauptstadtregion noch enger werden wird. Die beiden Länder Berlin und Brandenburg bilden
wirtschaftlich wie sozial bereits jetzt eine enge Einheit, die die Voraussetzung dafür ist, im
nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Unterschiede zwischen
den Teilräumen bieten besondere Potenziale, so dass die Sicherung ihrer Erreichbarkeit sowohl
für die dort lebenden Menschen (Daseinsvorsorge) als auch für Investoren und die Stärkung
des Tourismus eine wesentliche Rolle spielt. Die Länder stimmen sich daher in ihren Planungen
intensiv ab.
30
II Der Hintergrund
Abzusehen ist, dass die räumliche Entwicklung der Arbeitsplätze sich unterschiedlich vollziehen wird. Vor allem in den Entwicklungsgebieten, z.B. Adlershof, im Umfeld des Flughafens
Berlin Brandenburg sowie in einigen Standorten der Innenstadt (Friedrichstraße, Umfeld des
Hauptbahnhofs) wird mit einem weiteren Anstieg der Arbeitsplätze vor allem im Dienstleistungsbereich gerechnet. Darüber hinaus ist beabsichtigt, den Flughafen Tegel nach dessen
Schließung als Standorf für Industrie und Gewerbe nachzunutzen. Die Zuordnung der Wohnund Arbeitsstandorte folgt damit weiterhin dem bisherigen Trend.
Die Entwicklung der Einkommen ist eng an die Entwicklung der Erwerbstätigkeit generell
gekoppelt. Bundesweit wird mit einer Zunahme der Zahl der Geringverdienenden gerechnet,
u. a. aufgrund des Anstiegs von Teil- und marginaler Erwerbstätigkeit. Daraus erwachsen weitere
Herausforderungen, denn ein geringes Einkommen heute führt zu einer geringen Rente in der
Zukunft, vor allem, da häufig keine oder nur unzureichende private Vorsorge getroffen werden
kann. Gleichzeitig wachsen mit dem Alter die notwendigen Ausgaben für die Gesundheit. Das
Risiko der Altersarmut wird daher für Teile der Berliner Bevölkerung zunehmen.
Im Zusammenhang damit ist zu erwarten, dass die Konsumbudgets und damit die für Verkehrsausgaben zur Verfügung stehenden Beträge in Zukunft nicht weiter anwachsen werden.
Zudem werden die privaten Haushalte mit höheren und zum Teil neuen Ausgaben für Altersvorsorge, Gesundheit etc. belastet und müssen allgemeine Preissteigerungseffekte auffangen.
Das heißt, dass zukünftig für die Befriedigung von Mobilitätsbedürfnissen selbst bei prozentualer Konstanz der Ausgaben diese absolut abnehmen werden. Dem gegenüber steht eine
erwartbare Verteuerung des Verkehrs aufgrund steigender Öl- und Energiepreise sowie der
Anforderung, Verkehrsteilnehmer stärker an den allgemeinen Kosten des Verkehrs zu beteiligen. Entscheidend wird unter anderem sein, wie sich das Nutzerkostenverhältnis zwischen
ÖV und MIV entfaltet.
Sich derzeit abzeichnende Veränderungen in der Einstellung zu Verkehrsmitteln können langfristig in Richtung der weiteren gewünschten Modal-Split-Verschiebung wirken. Insbesondere
bei jüngeren Menschen, die in Kernstädten mit einem guten ÖPNV-Angebot leben, verliert das
Auto an Bedeutung als Symbol- bzw. Statusobjekt. Wenngleich Einstellung und umgesetztes
Verhalten nicht in jedem Fall gleichgerichtet verlaufen, deutet auch der rückläufige Führerscheinbesitz bei den 18-Jährigen darauf hin, dass insbesondere junge Menschen freiwillig und
bewusst auf das eigene Auto verzichten. Noch ist der Zeitraum, in dem sich diese Entwicklungen
beobachten lassen, zu kurz, um Rückschlüsse darüber ziehen zu können, ob sich hier ein
stabiler Trend abzeichnet und welches Ausmaß dieser annehmen wird. Dennoch deutet alles
darauf hin, dass Schaffung attraktiver Alternativen zur Pkw-Nutzung (vor allem die Stärkung
des Umweltverbundes und die Entwicklung neuer Angebote, die intermodales Verhalten
ermöglichen) hier genau den „Zeitgeist“ treffen.
Wirtschaftliche und demographische Entwicklungen erfordern die Anpassung sozialer Infrastrukturen, vor allem Kindertagesstätten, Schulen, Altersresidenzen, Pflegeeinrichtungen und
Krankenhäuser. Aus verkehrlicher Sicht verändern sich damit auch Zielstandorte im Ausbildungs-, Einkaufs- und Freizeitverkehr. Langfristige Aussagen zu diesen Entwicklungen im
Stadtgebiet lassen sich jedoch derzeit nicht ableiten. Zudem zeichnen sich bereits jetzt gegenläufige Entwicklungen ab: In Teilgebieten mit sinkenden Schülerzahlen (z.B. periphere Großwohnsiedlungen der östlichen Außenstadt) werden Schulen geschlossen, während es in den
vergleichsweise „jungen“ Teilgebieten der Außen- und Innenstadt bereits jetzt zu Überlastungen
kommt.
31
II.2.2 Trends der Verkehrsentwicklung1
Im regionalen und örtlichen Personenverkehr wird mittelfristig mit weiteren verkehrsleistungsbezogenen Rückgängen gerechnet. Der Nachfragerückgang in Berlin und Brandenburg ist vor
allem demographisch begründet. Eine weitestgehend konstante Bevölkerung in Berlin sowie
eine mit Ausnahme des unmittelbaren Berliner Umlands rückläufige Bevölkerung in Brandenburg bei gleichzeitiger Zunahme der Bevölkerungsgruppen über 65 Jahre mit altersspezifisch
geringerer Mobilität führt dazu, dass im Durchschnitt weniger und kürzere Wege zurück gelegt
werden.
Die Verkehrsentwicklung vollzieht sich jedoch teilgebietsspezifisch differenziert. So wird in der
Innenstadt auch weiterhin mit einer hohen Verkehrsnachfrage im Quell-Ziel-Verkehr zu rechnen
sein. Die Stärkung der Hauptzentren erzeugt teils neue, teils verstärkte Verkehrsströme aus den
Einzugsgebieten zwischen den Teilräumen und in Richtung Innenstadt. Einrichtungen, die sich
nicht in die bestehende Zentrenstruktur einordnen, verschieben die Verkehrsnachfrage entsprechend. Weitere Veränderungen in den Verkehrsflüssen entstehen aufgrund der Entwicklungsgebiete in der äußeren Stadt sowie durch die Konzentration der Siedungsentwicklung in
den ausgewiesenen Siedlungsgebieten des Umlands, der Ober- und Mittelzentren der Metropolregion.
Zudem gestaltet sich die Verkehrsnachfrage aufgrund sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungen auch zukünftig weiterhin räumlich und zeitlich disperser. Dadurch werden Verkehrsspitzen gemildert und örtlich und zeitlich auftretende Kapazitätsengpässe im Individualverkehr (Stau) wie im öffentlichen Verkehr (Morgen- und Nachmittagsspitzen des Berufsverkehrs) nehmen weiter ab. In den innenstadtnahen Gebieten mit einem weiterhin hohen
Anteil von Kindern und Jugendlichen im schulfähigen Alter ist auch zukünftig mit ausgeprägten
Morgen- und Nachmittagsspitzen im Schülerverkehr zu rechnen, die sich teilweise mit dem
Berufsverkehr überlagern und die Bereithaltung ausreichender Kapazitäten vor allem im
öffentlichen Personennahverkehr erforderlich machen. Die Anforderungen an die Flexibilität
und Kombinierbarkeit der Verkehrsangebote des Umweltverbundes steigen insbesondere, da
die Nachfrage nach Verkehrsleistungen in ehemals nachfrageschwachen Zeiten und Räumen
zunimmt.
Die steigende Zahl der älteren Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer stellt besondere Anforderungen an die barrierefreie Ausgestaltung von Angeboten, an die Sicherung von
Mobilität im Sinne der Daseinsvorsorge und an die Verkehrssicherheit.
Absehbar steigende Preise für Verkehrsenergie bei gleichzeitig sinkender Verfügbarkeit von
Mitteln bei privaten und öffentlichen Haushalten erfordern preisgünstige, effektive und nachfragegerechte Lösungen im Verkehr.
Im Rad- und Fußverkehr wird mit weiteren Zunahmen gerechnet. Dieser Trend wird durch die
entsprechenden Maßnahmen des Landes Berlin (Radverkehrsstrategie, Fußverkehrsstrategie,
Integration von Radverkehr und ÖPNV etc.) weiter befördert. Eine weitere diesbezüglich
relevante Entwicklung ist die absehbare Zunahme von Elektrofahrrädern bzw. „Pedelecs“, die
mit Muskelkraft und elektrisch betrieben werden können.
Elektrische Antriebe werden sich zunehmend auch im Kfz-Bereich durchsetzen. Diese Entwicklung wird von Bund und Land gefördert, da elektrisch betriebene Fahrzeuge leiser und – in
Abhängigkeit vom Energieträgermix, der bei der Stromerzeugung zum Einsatz kommt – weniger
Emissionen verursachen. Eine Herausforderung stellt sich jedoch hinsichtlich der Schaffung der
für den Betrieb einer größeren Anzahl von Elektroautos notwendigen Infrastruktur.
1
Quelle: Gesamtverkehrsprognose Berlin-Brandenburg
2025
32
II Der Hintergrund
Im Fernverkehr wird auch weiterhin mit einer zunehmenden Nachfrage gerechnet, vor allem
im Flugverkehr. Bedingt wird dies durch den anhaltenden Trend zu Fernreisen im Urlaubsverkehr, durch die zunehmende internationale Verflechtung der Wirtschaft sowie durch das
Wachstum des sonstigen Privatverkehrs (Kurzreisen, Verwandten-/Bekanntenbesuche, u. a. von
Menschen mit Migrationshintergrund, zunehmender Reiseverkehr zwischen Freizeitwohnsitz
und Heimatwohnsitz). So wird für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg für 2012 mit bis zu
27 Mio. Passagieren gerechnet, 2020 soll bereits die 30 Mio.-Marke überschritten werden. Auch
für Fernreisen mit der Bahn sowie für die Kfz-Fernverkehre wird mit Zuwächsen gerechnet.
Die absehbare Liberalisierung des Fernbusverkehrs wird auch in Berlin zu einer erhöhten Nachfrage nach Busreisen führen. Durch organisatorische Maßnahmen kann die Kapazität des derzeitigen Fernbusterminal (Zentraler Omnibusbahnhof – ZOB) nur begrenzt ausgeweitet werden,
so dass die Schaffung der entsprechenden Kapazitäten für die Nachfrage ggf. andernorts
erfolgen muss. Bei der Einbettung eines neuen oder zweiten ZOB in das Verkehrsnetz sind u. a.
die verkehrlichen Anforderungen des Busbahnhofs (innerstädtische Lage, gute Anbindung an
das Autobahnnetz) mit den weiteren Anforderungen des städtischen Umfelds (gestalterische
Aspekte, keine Zunahme von Belastungen in sensiblen Gebieten, guter ÖPNV-Anschluss) in
Einklang zu bringen.
Die Entwicklungen im Wirtschaftsverkehr (Personenwirtschaftsverkehr und Gütertransport)
hängen stark vom weiteren strukturellen Wandel der Wirtschaft in der Hauptstadtregion, von
neuen Organisationsformen und logistischen Konzepten sowie nicht zuletzt auch von Veränderungen in den Nachfragestrukturen und -mustern auf Konsumentenseite ab. Die Förderung
von Wissenschaft, Dienstleistung und den Kreativbranchen sowie die steigende Beliebtheit
Berlins bei Touristinnen und Touristen lässt ebenfalls erhebliche Veränderungen in Waren- und
Dienstleistungsströmen sowie den damit einhergehenden Verkehren erwarten. Hier auftretende Entwicklungen werden in der Fortschreibung des Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzeptes berücksichtigt.
Grundsätzlich zeichnen sich jedoch zwei gegenläufige Trends ab. Im Bereich des Güterverkehrs
wird mit einer Zunahme des Transportaufkommens und der Transportmengen im Fernverkehr
gerechnet. Der Modal Split wird weiterhin von der Straße dominiert, doch auch die Bahn kann
leichte Zuwächse verzeichnen. Im regionalen Güterverkehr wird hingegen mit Abnahmen
gerechnet, u. a. aufgrund der veränderten Konsum- und Nachfragemuster einer Bevölkerung
mit deutlich höheren Anteilen älterer Menschen.
Für den Personenwirtschaftsverkehr wird mit weiteren Zunahmen gerechnet, die aus einem
weiterhin wachsenden Dienstleistungssektor und der hohen Service- und Dienstleistungsorientiertheit einer (alternden) Stadtgesellschaft resultieren. In welchem Maße der Modal Split
hierbei vom Pkw dominiert wird bzw. welche Rolle zukünftig auch der ÖPNV sowie der Radund Fußverkehr spielen können, lässt sich nur bedingt einschätzen.
Die Rolle der Luftfracht, die derzeit in der Summe der Berliner Wirtschaftsverkehre lediglich
marginal ist, kann sich durch die anstehende Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg
wandeln. Mit der zunehmenden Anzahl von interkontinentalen Direktflügen steigt das
Interesse der Logistik und der Verlader an der Transportoption Luftfracht.
Fahrleistungsrückgänge sowie fahrzeugtechnische Fortschritte bei Pkw und Bussen bewirken
eine weitere Teilentlastung der Umwelt und höhere Sicherheit im Verkehr. Bei Verkehrslärm und
Partikelemissionen sowie bei den klimaschädlichen Emissionen bleibt jedoch der erhebliche
Handlungsbedarf bestehen, vor allem, da sich die umweltseitigen und -rechtlichen Anforderungen an den Verkehr weiter verschärfen. Auch zukünftig werden bestimmte Streckenabschnitte in Berlin von hohen Luft- und Lärmbelastungen betroffen sein, wenn die erforderlichen Maßnahmen (Veränderung des Modal Split, Bündelung von Verkehren auf weniger
sensiblen Netzteilen) nicht konsequent umgesetzt werden.
33
Vor allem in dicht bebauten Gebieten mit hoher Nutzungsdichte bleibt die Flächenkonkurrenz
zwischen Kfz-Verkehr, öffentlichem und Rad- und Fußverkehr sowie anderen städtischen
Nutzungen ein wichtiges Handlungsfeld, um Lebensqualität zu steigern, aber auch weitere
Fortschritte bei der Erhöhung der Verkehrssicherheit zu gewährleisten.
Absehbar ist, dass der starke Wachstumstrend im Flugverkehr, trotz absehbarer technischer
Fortschritte bei Flugzeugen, zu einem weiteren Anstieg global wirkender klimaschädlicher
CO2-Emissionen führen wird. Der Verkehrssektor ist jedoch nicht nur Verursacher, sondern auch
Betroffener des Klimawandels. Die Zunahme extremer Wetterbedingungen (Starkregen, lange
Perioden extremer Hitze, Trockenheit) stellt neue Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur
hinsichtlich der Hitzebeständigkeit von Straßenbelägen, der Klimatisierung von Fahrzeugen
des ÖPNV, Überflutungen von in Senken gelegenen Straßenabschnitten und Unterführungen
etc. Anpassungsstrategien, wie sie beispielsweise der für Berlin derzeit in Erarbeitung befindliche StEP Klima vorschlägt (Erhöhung des „Albedo-Faktors“ durch den Einsatz von Baumaterialien mit höherem Reflexionsvermögen, Entsiegelung von Flächen im Straßenraum, Pflanzung von Straßenbäumen), weisen ebenfalls einen Zusammenhang mit der Entwicklung und
Gestaltung von Verkehr auf. Im Zuge der weiteren Konkretisierung und Umsetzung von Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist ein integriertes Vorgehen nötig.
34
III Das Leitbild und die Ziele
III.1 Das Leitbild
III.1.1 Funktion des Leitbilds
Das Leitbild nimmt im StEP Verkehr eine besondere Rolle ein – und das in mehrfacher Hinsicht.
Im Prozess der Planerstellung diente es den Akteuren aus Verwaltung, Wissenschaftlichem
Beirat und dem Runden Tisch dazu, die Verständigung über die Ziele stadtintegrierter Verkehrspolitik zu erleichtern. Klare Ziele sind Voraussetzung für gestaltendes politisches Handeln und
Grundlage für die Benennung konkreter Maßnahmen, die zur Erreichung der Ziele geeignet sind.
Inhalt des Leitbilds ist nicht allein der Verkehr der Zukunft. Vielmehr zeigt es auf, wie Verkehr
sich zukünftig in den gelebten Stadtalltag einbettet. Zusammenhänge, Wechselwirkungen,
Synergien, aber auch Konflikte und Risiken werden so vermittelt – von Stadtentwicklung über
Umweltschutz bis hin zu sozialen Themen.
Die beteiligten Akteure haben das Leitbild in einem gemeinsamen mehrstufigen Vorgehen
entwickelt. Daher kann es eine Verbindlichkeit entfalten, die bereits positiv auf den Planungsprozess gewirkt hat und die nachfolgende Umsetzung erleichtern soll. Über den Kreis der
unmittelbar am StEP-Prozess Beteiligten hinaus soll das Leitbild verkehrsplanerische Visionen
vermitteln, aber auch Grenzen und Möglichkeiten zu deren Umsetzung aufzeigen.
Das Leitbild des StEP Verkehr fußt auf den folgenden Grundsätzen:
n Es baut auf dem Leitbild des vorangegangenen StEP Verkehr auf – setzt aber neue Impulse.
n Es besitzt zahlreiche Schnittstellen zu anderen Politik- und Handlungsfeldern – vertritt
jedoch einen eigenen Gestaltungsanspruch.
n Es ist Wunschbild und Vision – und greift dabei aus den Rahmenbedingungen abgeleitete
Notwendigkeiten auf.
n Es dient als Arbeitshilfe – und ist ein Instrument zur Verständigung und Kommunikation.
n Es ist ambitioniert – aber realistisch.
Aus der Perspektive des Zeithorizontes 2040 präsentiert sich das Leitbild in Form einer Zukunftsvision. In dieser spiegeln sich veränderte Rahmenbedingungen von Wirtschaft, Finanzen,
Bevölkerung und Stadtentwicklung wider. Darüber hinaus stellen die energie-, umwelt- und
klimaschutzpolitischen Herausforderungen unserer Zeit weitere wichtige Wegweiser für die
städtische Verkehrsentwicklung dar. Diese Entwicklungen wirken in manchen Bereichen sehr
langfristig und weisen teilweise über den im StEP Verkehr betrachteten Zeitraum hinaus.
Das Leitbild gibt Antwort auf die Frage „Wohin wollen wir?“. Es dient der Vorbereitung auf ein
Verkehrssystem, das der Endlichkeit natürlicher Ressourcen und den Anforderungen des Klimaschutzes Rechnung trägt. Im Zusammenspiel mit anderen, die Funktionsweise der Stadt beeinflussenden Bereichen der Stadtentwicklung ist es ein wichtiger Schritt in Richtung „kohlenstoffarme Stadt“ – einer Stadt, die im Ergebnis einer langfristigen Entwicklung für die Erfüllung der
Mobilitätsbedürfnisse nur noch in möglichst geringem Umfang CO2 produziert („postfossile
Mobilität“). Veränderte Rahmenbedingungen und neue Anforderungen an den Stadtverkehr
können jedoch auch Risiken für die Gewährleistung der städtischen Mobilität bergen. Diese
sollen rechtzeitig erkannt und aufgefangen oder zumindest minimiert werden.
Das Leitbild besteht aus acht Bausteinen, die einen engen inhaltlichen Zusammenhang aufweisen. Sie thematisieren teils inhaltlich, teils räumlich fokussiert spezifische Funktionen des
Verkehrs im Stadtgebiet sowie darüber hinaus und zeigen auf, welche Entwicklungen erwartet
und welche Gestaltungsspielräume wahrgenommen werden können und sollen.
35
III.1.2 Berlin 2040...
... Zukunftsfähige Mobilität für alle
Berlin ist eine lebendige und sozial gemischte Stadt. Die Bevölkerung ist weltoffen, und es
existieren kulturell und ethnisch vielfältig geprägte Milieus. Die Menschen engagieren sich für
ihre Stadt, treten gegen soziale und räumliche Polarisierung ein und fühlen sich in den lebendigen, vielfältigen Nachbarschaften in ihrem Stadtteil, ihrem Kiez zu Hause.
Arbeitsorte und -zeiten, Freizeitgestaltung und die Versorgung mit den Gütern des täglichen
Bedarfs sind vielfältiger und flexibler geworden. Daher haben sich auch die Mobilitätsbedürfnisse weiter differenziert und der Verkehr ist räumlich und zeitlich stärker verteilt. Die daraus
entstandenen neuen Mobilitätsanforderungen konnten optimal erfüllt werden, da die Trends
der Lebens- und Mobilitätsgestaltung durch eine Umorientierung in der Priorätensetzungen
der Verkehrsplanung zielgerichtet aufgenommen wurden. Weiter unterstützt wurde dies durch
eine verstärkte Notwendigkeit zum wirtschaftlichen Handeln. Zusammen genommen führten
diese Entwicklungen unter anderem dazu, dass sich die Angebote im öffentlichen Nahverkehr
stärker an den konkreten Bedürfnissen der Menschen orientieren. Ihre hohe Qualität zu angemessenem Preis überzeugt Nutzerinnen und Nutzer jeden Tag aufs Neue, die daraus resultierenden hohen Fahrgastzahlen tragen zur Wirtschaftlichkeit bei. Die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der Verkehrsträger des Umweltverbundes bieten Flexibilität und Wahlfreiheit,
konsequentes und strategisch ausgerichtetes Mobilitätsmanagement ermöglicht informiertes
und bewusstes Handeln. Daher organisieren immer mehr Menschen ihre Mobilität ohne
Fixierung auf ein bestimmtes Verkehrsmittel. Sie verhalten sich „multimodal“. Abhängig vom
Verkehrsangebot, dem Ziel und der aktuellen Verkehrslage entscheiden sie immer wieder aufs
Neue, welche Verkehrsmittel (bzw. deren Kombination) für ihre momentanen Bedürfnisse am
geeignetsten sind. Längere Fahrstrecken werden mit dem ÖPNV schnell, zuverlässig und
bequem bewältigt, Wege von und zur Haltestelle lassen sich mit (dem eigenen oder einem
öffentlichen) Fahrrad schnell und flexibel überwinden, die Mobilität im Nahbereich wird durch
überall günstige Bedingungen für Fußgängerinnen und Fußgänger sowie für den Radverkehr
erleichtert. Insbesondere in der Innenstadt verzichten daher viele Menschen auf einen eigenen
Pkw. Wer gelegentlich ein Auto braucht, findet viele Möglichkeiten, einen Pkw mit anderen zu
teilen.
Berlin hat sich rechtzeitig auf die Veränderung der demografischen Rahmenbedingungen eingestellt. Planung und Gestaltung von Infrastruktur und Verkehrsangeboten folgen mit Selbstverständlichkeit dem Grundsatz der Barrierefreiheit. Die durchdachte Gestaltung von Haltestellen und öffentlichen Räumen, mehr Zeit für sicheres Ein- und Aussteigen und eine Mobilitätskultur des Miteinanders haben dazu geführt, dass trotz Autoverfügbarkeit ältere Jahrgänge zu
großen Teilen den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Selbstbestimmte Mobilität bis ins hohe Alter
ist für die Berlinerinnen und Berliner eine Selbstverständlichkeit. Durch passende Angebote, die
mehrsprachig sind und kulturelle Aspekte berücksichtigen, wird darüber hinaus die Integration
von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund unterstützt, auch zum Nutzen der
vielen internationalen Besucherinnen und Besucher der Stadt.
Eine hochentwickelte Planungs- und Beteiligungskultur bei allen verkehrsplanerischen
Prozessen und Entscheidungen stellt ein überdurchschnittliches Maß an Konsens in der Stadtgesellschaft sicher, der wesentlich zum Erfolg dieser zukunftsorientierten Politik der Mobilitätssicherung beiträgt.
Die vorhandenen Verkehrssysteme bzw. -angebote bewirken, dass die Berlinerinnen und
Berliner mobil sind und bleiben – und zwar unabhängig von Geschlecht, Alter, Lebenssituation
und den individuellen Alltagsanforderungen. Der Verkehrspolitik ist es damit gelungen, gleiche
Mobilitätschancen für alle zu sichern und damit die Grundvoraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben zu schaffen und zu erhalten.
36
III Das Leitbild und die Ziele
... Großstadt mit hoher Lebensqualität
Die Folgen der deutschen Teilung und des wirtschaftlichen Strukturumbruchs nach der
Wiedervereinigung sind endgültig überwunden. Viele neue Arbeitsplätze sind entstanden
und zwar zunehmend auch in den östlichen Stadtbezirken, wie zum Beispiel an den beiden
Forschungs- und Entwicklungsstandorten Adlershof und Buch. Durch die Entwicklung wichtiger
Bereiche im Stadtgebiet (u. a. im Lehrter Stadtquartier am Hauptbahnhof, im Spreeraum Friedrichshain-Kreuzberg sowie entlang des Süd-Ost-Korridors Richtung Flughafen Berlin Brandenburg und auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof sowie des ehemaligen Flughafens Tegel) wurden neue attraktive Wohn-, Arbeits- und Aufenthaltsorte geschaffen. Die
vitale und attraktive polyzentrische Gliederung des Berliner Stadtzentrums, das von der CityWest über den Potsdamer und Leipziger Platz und die historische Mitte bis zum Alexanderplatz
reicht, ist eine Berliner Besonderheit, die weiter entwickelt und baulich wie funktional gestärkt
werden konnte.
Auch jeder Bezirk und Stadtteil hat seine eigenen Stärken weiterentwickelt und verbindet
charakteristische Lebensräume mit hoher Aufenthalts- und Wohnqualität. Stadtgebieten, die
von Alterung überproportional betroffen waren, konnten neue Entwicklungsimpulse gegeben
werden. Durch den Ausbau der Funktionsvielfalt, Durchmischung der Wohnformen und Stärkung
quartiersspezifischer Besonderheiten wurden sie für neue Bewohnergruppen attraktiv. Im
Zuge des Umgangs mit dem demografischen Wandel sind zudem viele neue Wohnformen für
ältere Menschen, z.B. Alten-Wohngemeinschaften, in stadtintegrierter Lage entstanden. Auch
die Angebote für Familien mit Kindern zum Wohnen in der inneren Stadt sind vielfältiger,
attraktiver und bezahlbarer geworden. Die Gestaltung von Stadträumen, Straßen und Verkehrsbauwerken ermöglicht es allen Bewohnerinnen und Bewohnern, sich sicher und frei zu
bewegen. Klare Gliederungen und Wegeführungen, Beleuchtung und Gestaltung führen dazu,
dass sich die Menschen gefahrlos zu jeder Tages- und Nachtzeit bewegen können und dies
auch so wahrnehmen. Ein Ergebnis dieser vielfältigen Anstrengungen zur sozialen, ökologischen
und funktionalen Aufwertung des Wohnens in der Stadt ist, dass Menschen jeder Altersgruppe
gerne in der Stadt leben und nicht mehr so häufig ins Umland ziehen. Die „Reurbanisierung
made in Berlin“ gilt damit als Erfolgsprojekt.
Die typische Berliner Mischung mit weiterhin geringen Entfernungen zwischen den unterschiedlichen Nutzungen, wie Wohnen, Arbeiten, Bildung, Versorgung, Erholung hat dazu
beigetragen, dass die Wege im Stadtgebiet sich nicht weiter verlängert, sondern für viele
Menschen sogar verkürzt haben. Damit konnten der motorisierte Verkehr weiter begrenzt und
die Bedeutung des Fahrrads und des Zu-Fuß-Gehens weiter gestärkt werden. Entscheidend für
diese Entwicklung war, dass der langjährige Konzentrationsprozess im Einzelhandel gestoppt
werden konnte. Die Nutzungsmischung wurde ausgebaut, die Nahversorgung findet unmittelbar in den Quartieren statt, die Zentrenstruktur konnte auf allen Ebenen weiter gestärkt werden.
Verkehrsintensive große Bauvorhaben sind weitestgehend an integrierten Standorten innerhalb Berlins realisiert worden. Bei der Standortsuche der Unternehmen sowie bei der Planung
und Genehmigung von Vorhaben finden verkehrliche Kriterien stärker Berücksichtigung, so dass
Baustellenverkehre ebenso wie Verkehre nach Fertigstellung gut innerhalb des bestehenden
Netzes und mit den bestehenden Angeboten abgewickelt werden können.
Die kompakten und verkehrssparsamen Raumstrukturen ermöglichen besonders den schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern ein sicheres und aktives Fortkommen.
Grundsätzlich wird Verkehrssicherheit in Berlin groß geschrieben. Der Schutz des menschlichen
Lebens als höchstes Gut und damit das Ziel der Senkung der Zahl der Verkehrstoten und
Schwerverletzten auf Null wurden als Leitlinie durchgesetzt. Zur Zielerreichung wurde das
Zusammenspiel von Verkehrssystem- und Fahrzeuggestaltung verbessert, und auch die Gestaltung des öffentlichen Raums nimmt auf die Bedürfnisse insbesondere schwächerer und nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer explizit Bezug. Gestützt wird diese
37
Entwicklung durch die Umsetzung innovativer Konzepte zur Raumnutzung und -gestaltung.
Wo dies sinnvoll und möglich ist, wurden zusammen mit den Bezirken Räume geschaffen, die
eine gemeinsame Nutzung durch alle Verkehrsarten ermöglichen und offen sind für weitere
Funktionen. Durch die Durchsetzung einer Reihe von Maßnahmen, die die Eigenverantwortung aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer und das Bewusstsein für die eigene Rolle,
das eigene Verhalten im Stadtverkehr gestärkt haben, konnte die Verkehrsicherheit und der
Umgang miteinander weiter verbessert werden.
Von der Umsetzung dieser Maßnahmen haben vor allem Rad- und Fußverkehr profitiert und
ihre Anteile am Verkehrsaufkommen gesteigert. Berlin hat sich als eine der fußgängerfreundlichsten Großstädte Europas profiliert.
... Attraktive Berliner Innenstadt
Die Innenstadt ist als Wohn- und Arbeitsort hoch attraktiv. Die neu entwickelten Gebiete um
Hauptbahnhof und Spreeraum sowie an den ehemaligen Flughafenstandorten Tempelhof und
Tegel haben sich harmonisch in das Stadtgefüge integriert.
Das Straßennetz im Zentrum orientiert sich wieder am historischen Stadtgrundriss. Die Hauptachsen, in denen früher der Kfz-Verkehr dominierte, wurden zu städtebaulich integrierten
Boulevards entwickelt, die in ihrer Gestaltung ihrer Nutzungsvielfalt gerecht werden. Dank
einer Neustrukturierung des übergeordneten Straßennetzes konnte die östliche Innenstadt
weitgehend vom früheren Durchgangsverkehr befreit werden. Parkmöglichkeiten wurden
eingeschränkt, dem Fuß- und Fahrradverkehr sowie dem öffentlichen Verkehr wurde der Anteil
an den öffentlichen Verkehrsflächen zurückzugeben, der ihrer Bedeutung im Stadtverkehr
gerecht wird. Straßen und Plätze bilden ein attraktives Netz von Stadträumen, Qualität und
Schönheit der öffentlichen Räume sind so hoch wie nie zuvor.
Auf den Straßen der Berliner Innenstadt herrscht ein angenehmes Verkehrsklima. Die gefahrenen Geschwindigkeiten gewährleisten einen stetigen Verkehrsfluss und orientieren sich an
der Vielfalt der Nutzungen und den Sicherheitsbedürfnissen der nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Der Einsatz neuer Verkehrsmanagement-Techniken
bei der Organisation des Straßenverkehrs begrenzt den unerwünschten Durchgangsverkehr.
Öffentliche Fahrradleihsysteme, flächendeckende Radverkehrsnetze in den Nahbereichen,
attraktive Fahrradrouten über größere Distanzen sowie qualitativ hochwertige Abstellangebote
haben das Fahrradfahren sicherer und bequemer gemacht. Bei Fahrradpannen ist Hilfe heute
ebenso schnell zur Stelle wie beim Auto.
Das Umweltbewusstsein der Menschen und verkehrspolitische Maßnahmen haben dafür
gesorgt, dass nur noch der Pkw-Verkehr stattfindet, der für die Erfüllung der Funktionen der
Innenstadt erforderlich ist und nicht mit anderen Verkehrsmitteln abgewickelt werden kann.
Daher sind deutlich weniger Autos in der Innenstadt unterwegs als vor 30 Jahren. Die Luft ist
besser, der Verkehrslärm geringer, die Sicherheit größer.
Das attraktive Umfeld und das leistungsfähige Angebot des öffentlichen Verkehrs sowie die
hervorragenden Bedingungen für Rad- und Fußverkehr fördern Einzelhandel und Tourismus.
Von den verbesserten Verkehrsverhältnissen profitieren auch die touristischen Busverkehre.
Diese erreichen Sehenswürdigkeiten und Einrichtungen von besonderem touristischen
Interesse besser als früher, der ruhende Verkehr ist effizient organisiert. Entsprechend seiner
Bedeutung als Attraktivitäts- und Wirtschaftsfaktor für die Stadt werden die Belange des
Tourismusverkehrs in die Abwägung bei allen relevanten verkehrlichen und städtebaulichen
Maßnahmen einbezogen. Um Touristinnen und Touristen eine einfache und angenehmen
Orientierung und Bewegung in der Innenstadt zu ermöglichen, warten der öffentliche Raum
und die Verkehrsunternehmen mit mehrsprachigen Informationen auf.
38
III Das Leitbild und die Ziele
Der innenstadtorientierte Wirtschaftsverkehr organisiert sich stadtverträglich und effizient, die
Belieferung in besonderen Innenstadtlagen erfolgt in speziellen Zeitfenstern.
... Wirtschaftsverkehr – effizient und effektiv, umweltbewusst
Auch in Zukunft leistet der Wirtschaftsverkehr einen maßgeblichen und unverzichtbaren
Beitrag zum Funktionieren der Stadt. Die Leitlinie bei der Gestaltung und Organisation verkehrlicher Abläufe, die den Wirtschaftsverkehr betreffen, lautet, ihn in seiner Funktion zu stärken,
seine negativen Auswirkungen jedoch zu vermindern. Um dies zu erreichen, wurden die Erstellung und Umsetzung integrierter Wirtschaftsverkehrskonzepte, die mit den Strategien zur
Entwicklung des Personenverkehrs abgestimmt wurden, intensiviert.
Die Versorgung der Stadt mit Gütern erfolgt im Fernverkehr über alle drei Verkehrsträger:
Straße, Schiene und Wasserstraße. Die Energievorteile von Schiene und Schiff haben bei
etlichen Güterarten eine Trendumkehr bei der Verkehrsmittelwahl unterstützt. Dass beide
Transportmittel wieder an Bedeutung gewonnen haben, verdankt die Stadt dem Bund und der
Europäischen Union; sie haben die Wettbewerbsbedingungen dieser Verkehrsträger verbessert,
u. a. durch gezielte Infrastrukturmaßnahmen und durch Schaffung von Kostenwahrheit im
Transportsektor. Die langjährige Politik des Landes Berlin, die schienenseitige Erschließung von
Flächen zu sichern und ausreichend Anschlussstellen an das Gleisnetz vorzuhalten, hat sich
bewährt. So konnten an zentralen Standorten (z.B. Westhafen, Tempelhof) Güterverkehrssubzentren bzw. City-Terminals entwickelt werden. Transporte, die das Stadtgebiet als Ziel- oder
Startpunkt haben, werden auf der Schiene in die Stadt gebracht, die Feinverteilung erfolgt
mit schadstoffarmen und leisen Lieferfahrzeugen.
Die überregionalen Lkw-Verkehre umfahren das Berliner Stadtgebiet auf dem äußeren Ring.
Die Verknüpfung zwischen Berlin und dem Umland erfolgt über die Güterverkehrszentren
West (Wustermark), Süd (Großbeeren) und Ost (Freienbrink). Steigende Energiekosten und die
Internalisierung externer Kosten haben zu deutlichen Effizienzsteigerungen geführt, so dass
Ver- und Entsorgung angemessen und stadtverträglich abgewickelt werden (weniger Leerfahrten). Spezielle Routingprogramme für große Fahrzeuge berücksichtigen sensible Bereiche.
Unterschiedliche Entwicklungen, vom Anstieg der Kraftstoffpreise bis zu regulierenden Maßnahmen (z.B. umweltstandardbezogene Zufahrtsbeschränkungen), haben zu Flottenveränderungen geführt, wobei sich bezahlbare effizientere Fahrzeuge teilweise mit alternativen
Antrieben durchgesetzt haben.
Bei Neuansiedlungen von Betrieben berücksichtigen die Standortentscheidungen die verkehrlichen Wirkungen dieser Ansiedlung und die daraus resultierenden Kosten. Dies gilt sowohl
bezogen auf die transportierten Güter (Ver- und Entsorgung) als auch auf den Berufsverkehr
und den abzuwickelnden Personenwirtschaftsverkehr (Handwerker-, Kundenbesuche etc.), die
hierdurch erzeugt werden. Ein Beispiel: Die Anlieferung mit Büromaterialen und Ähnlichem
erfolgt gebündelt und teilweise in Kooperation zwischen unterschiedlichen, im gleichen
Gebiet ansässigen Unternehmen. In hoch frequentierten Geschäftsstraßen wurden Straßenkapazitäten, die dank rückläufigem MIV-Aufkommen nicht mehr benötigt wurden, in Ladezonen
umgewandelt. Diese sorgen dafür, dass Be- und Entladevorgänge reibungslos abgewickelt
werden können, d.h. ohne andere Verkehrsteilnehmerinnen oder Verkehrsteilnehmer zu beeinträchtigen bzw. durch diese beeinträchtigt zu werden. Für kleine, schnelle Lieferungen im
Stadtgebiet sind Fahrradkuriere häufig die erste Wahl bei Unternehmen und Privatkunden. Da
diese ihre Dienste auch gemeinsam mit den Betreibern im Regional- und Fernverkehr anbieten,
erfolgen zahlreiche kleinteilige Lieferungen von und nach Berlin nicht länger mit Pkw oder Lkw.
Das Berliner Fuhrgewerbe hat sich flexibel und erfolgreich auf Veränderungen in der Nachfrage
eingestellt. Die Speditionen und andere Unternehmen offerieren ihren Kunden eine breite
Palette von Lieferoptionen, die – neben Schnelligkeit und Direktheit der Transporte – auch
39
deren Bündelung, die Wahl zwischen verschiedenen Verkehrsträgern sowie die durch den
Transport generierten Emissionen als preisrelevante Elemente berücksichtigen. Privatkunden
und Unternehmen in Berlin nehmen diese Optionen an und wählen bewusst die für sie, aber
auch die für Stadt und Umwelt jeweils adäquate Variante.
Im Personenwirtschaftsverkehr haben neue Wirtschaftsbereiche, wie der Kreativsektor, eine
maßgebliche Rolle als Trendsetter bei der Abwicklung der berufsbedingten Wege gesetzt.
Hinzu kommt, dass ein verändertes Mobilitätsverhalten im privaten bzw. Alltagsverkehr sich
auch auf den Personenwirtschaftsverkehr auswirkt. Die Bundestagsabgeordnete auf dem
Fahrrad, der Jurist in der U-Bahn und die Konzernmanagerin in der S-Bahn, der Journalist im
elektrisch betriebenen Carsharing-Auto..., sie alle sind in Berlin eine Selbstverständlichkeit.
Größere Unternehmen und Verwaltungen haben ihr Geschäfts- und Dienstreisemanagement
im Rahmen des betrieblichen Mobilitätsmanagements optimiert. IV und ÖV spielen hier eine
gleichberechtigte Rolle. Kleine Betriebe und Selbstständige, die auf Materialtransport angewiesen sind (wie z.B. Handwerker), setzen auf effiziente, umweltfreundliche und bezahlbare
Fahrzeuge.
Der Lieferverkehr von Waren und Gütern an Privathaushalte hat einen deutlichen Aufschwung
genommen. Supermarktketten, Kaufhäuser, Unternehmen des großflächigen Einzelhandels
und das Fuhrgewerbe bieten für die Kunden maßgeschneiderte Liefervarianten an. Auch hier
werden je nach Warengruppe Fahrzeug- und Preisoptionen unterschiedlichster Art kombiniert.
Die bessere Abstimmung zwischen Kunde und Lieferant führt zur Vermeidung von Leer- bzw.
Mehrfachfahrten. Für die zunehmende Zahl von Patienten- und Hausbesuchen medizinischer
und sozialer Dienste finden emissionsarme Autos, die zum Teil durch diese Dienste auf ihre
Praxistauglichkeit hin erprobt werden, Anwendung.
... Sauber. Leise. Postfossil.
Berlin hat sich zur Hauptstadt „grüner Mobilität“ entwickelt. Um dies zu erreichen, wurde eine
breite Palette vielfältiger Maßnahmen und Strategien konsequent und unter Einbeziehung
aller Akteure in Stadt und Region umgesetzt. Der so angestoßene, langfristig wirkende Prozess
hat dazu geführt, dass Mobilität und Umweltschutz in der Stadt keinen Widerspruch mehr
bilden.
Die europaweite, mittlerweile gesetzlich verankerte Forderung, jedem Verkehrsmittel auch die
gesellschaftlichen Kosten zuzuordnen, die es verursacht, ist auch in Berlin umgesetzt worden.
Transparenz und Kostenwahrheit hatten zur Folge, dass immer mehr Menschen auf die günstigeren und umweltfreundlicheren öffentlichen Verkehrsangebote umgestiegen sind. Zudem
wirken sie als Anreiz für Fahrzeughersteller, alternative Energien und emissionsarme Antriebe
zu entwickeln und im großen Maßstab einzuführen.
Dies kommt der wachsenden Anzahl der in Berlin lebenden Haushalte ohne Pkw zu Gute. Sie
sind nicht weniger mobil als andere, z.B. durch eine Kombination aus innovativem Carsharing
mit emissionsarmen Autos und die regelmäßige Nutzung des ÖPNV sowie einer durch die
attraktiven Voraussetzungen neu gewonnenen Lust am Zu-Fuß-Gehen und Radfahren. Je nach
Wegezweck und -zeit nutzen sie dafür ihr eigenes Fahrrad oder eines der zahlreich verfügbaren
öffentlichen Leihräder. Die gestiegene Bewegungsfreudigkeit der Berlinerinnen und Berliner
wirkt sich zudem positiv auf ihre Gesundheit aus.
Die Emissionen der Fahrzeugflotte wurden nachhaltig verringert. Neu- und Altfahrzeuge sowie
Busse, die in der Stadt unterwegs sind, erfüllen höchste technische Standards im Bereich Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß. Die Förderung der Elektromobilität hat zu einem frühen
Anstieg elektrisch betriebener Privatautos und Lieferfahrzeuge geführt. Eine ausreichende
Anzahl von Ladestationen ist über das gesamte Stadtgebiet verteilt, die Anlagen integrieren
sich gut in das Stadtbild. Elektrofahrräder, die an U- und S-Bahnhöfen zur öffentlichen Nutzung
40
III Das Leitbild und die Ziele
bereit stehen, verbessern zudem die Verknüpfung mit dem ÖPNV. Die Energie für die elektrisch
betriebenen Fahrzeuge ebenso wie der Strom, der die schienengebundenen Verkehrsträger
antreibt, stammt zum überwiegenden Teil aus regenerativen Energiequellen, der Rest kommt
aus sauberen Kraftwerken. Die Hauptstadtregion hat sich zum Leitmarkt und -anbieter für
Elektromobilität entwickelt.
Auf Hauptverkehrsstraßen sorgt ein umweltorientiertes Verkehrsmanagement für niedrige
Luftschadstoff- und Lärmbelastungen. Leit- und Routensysteme sowie an das Verkehrsaufkommen angepasste Schaltungen bei Lichtsignalanlagen (LSA) haben den Verkehrsfluss
optimiert und die Belastungen verringert. Damit können in Berlin die gesetzlich vorgegebenen
Grenzwerte für Luftqualität und Lärm eingehalten werden. Bessere Luft und ein ruhigeres
Wohnumfeld wirken sich positiv auf die Gesundheit vor allem der Einwohnerinnen und Einwohner aus, die in verdichteten Quartieren mit ehemals hohen Belastungen zu Hause sind.
Bei der Planung und Umsetzung von Straßenbau-Projekten haben die Ansprüche der Stadt
und der Umwelt Priorität. Dies gilt zum Beispiel beim Bau neuer Straßen in Stadtgebieten mit
ehemals großräumigen Verbindungs- und Verknüpfungsdefiziten. Im Gegenzug für den Neubau einiger weniger Strecken wurden im übrigen Straßennetz deutlich Kapazitäten abgebaut.
Verkehrsflüsse wurden verlagert, was zu Entlastungen für eine Vielzahl von Berlinerinnen und
Berlinern geführt hat.
Generell gilt in Berlin jedoch der Grundsatz, das bestehende gute Straßen- und Schienennetz
nur noch punktuell zu optimieren und nach Abschluss wichtiger Ergänzungen in den Jahre
zwischen 2010 und 2030 nicht mehr zu erweitern. Der Vorrang für die Sicherung der Qualität
von bestehender Infrastruktur ist dabei vor dem Hintergrund der nach wie vor angespannten
Finanzlage der Stadt auch ein Gebot ökonomischer Vernunft.
Durch diese Elemente der Verkehrsplanung ist es gelungen, das Zeitalter der postfossilen
Mobilität vorzubereiten und einzuläuten. Die Akteure in Politik, Planung, Wirtschaft und die
Bevölkerung haben erkannt, dass die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und die Verwirklichung des Leitbilds der „kohlenstoffarmen Stadt“ nur in einem Prozess erreicht werden
können, in den sich alle zielorientiert einbringen. Gerade die Langfristigkeit dieses Prozesses
hat einen frühzeitigen Einstieg in diese Strategie erforderlich gemacht.
... Verkehrsinnovationen stärken Mobilität und Wirtschaft
Die Stadt hat sich zu einem erfolgreichen Experimentierfeld und international konkurrenzfähigen Standort für Innovationen und neue Verkehrstechnologien entwickelt. Innovationen
im Verkehrssektor dienen der Umsetzung des verkehrspolitischen Leitbilds, indem technische,
organisatorische und institutionelle Potenziale erschlossen und genutzt werden. Sie reichen
von der Erprobung neuer umweltfreundlicher Antriebstechnologien über anspruchsvolle
umfassende Informationsangebote bis zu transparenten integrierten Bezahlsystemen. Die
Entwicklung und Umsetzung von Innovationen geschieht im Zusammenspiel öffentlicher und
privater Akteure sowie der Nutzerinnen und Nutzer. Zudem schaffen Verkehrsinnovationen
Arbeitsplätze und stellen daher einen wesentlichen Faktor der städtischen Ökonomie dar. Um
dies zu erreichen, hat ein Schulterschluss zwischen Stadt und Wirtschaft stattgefunden.
Strategische Investitionen in Forschung und Entwicklung, Mut bei der Umsetzung innovativer,
auch kleinteiliger Maßnahmen im Kontext mit der Berliner Verkehrspolitik tragen zu einer
kontinuierlichen Verbesserung des Verkehrssystems bei.
Die Erreichung der umweltbezogenen Ziele der Verkehrsplanung wurde auch durch technische
Entwicklungen unterstützt, an denen die in der Stadt ansässigen Forschungseinrichtungen
ebenso beteiligt waren wie die Wirtschaft und die Bezirke, die Modellprojekten gegenüber
aufgeschlossen waren.
41
Die wichtigsten Akteure bei der Umsetzung innovativer Ideen und Produkte sind jedoch die
Berlinerinnen und Berliner, die offen für Neuerungen sind und diese im Alltag auf Praxistauglichkeit und Nutzerfreundlichkeit testen. Die in Berlin ansässigen Unternehmen unterstützen
diese neue Offenheit gegenüber innovativen Produkten und Konzepten. Sie beteiligen sich an
deren Entwicklung, testen diese offensiv in ihren eigenen Betrieben und beteiligen sich an
Weiterentwicklung und Vermarktung. Gerade der Wirtschaftsverkehr ist hier ein großes,
offenes Feld, in dem Neues erprobt, aber auch kritisch hinterfragt wird. Die Förderung von
Anwendungen der Elektromobilität im Personen- und Wirtschaftsverkehr ist hierfür ein gelungenes Beispiel auch hinsichtlich der engen Kooperation der Akteure aus Forschung, Wissenschaft und Verwaltung.
Verkehrsprodukte und Dienstleistungen „made in Berlin“ werden international nachgefragt
und sind zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden. Damit dies auch in Zukunft so
bleibt, wurde mit Unterstützung der Stadt die Verkehrs- und Mobilitätsforschungslandschaft
in Berlin weiterentwickelt und lokal und international hervorragend vernetzt.
... Vernetzte Metropolregion
Die Metropolregion Berlin-Brandenburg weist im nationalen und internationalen Vergleich
einige grundlegende Besonderheiten auf. Die Teilräume, deren funktionale Spannbreite von
Metropole bis ländlicher Raum reicht, bilden einen vielfältigen, kontrastreichen und integrierten
Gesamtraum. Die Hauptstadtregion kann sich hinsichtlich Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit national und international gut behaupten.
Berlin steht räumlich wie funktional im Zentrum der Region und ist mit allen Teilbereichen
gut vernetzt. Der Trend, an den Stadtrand ins Grüne zu ziehen, existiert noch, ist aber spürbar
schwächer geworden. Einen wesentlichen Beitrag dazu hat die gemeinsame Landesentwicklungsplanung in Berlin und Brandenburg geleistet. Im Einklang mit den raum- und verkehrsplanerischen Zielsetzungen sowie den aktuellen Nachfragetrends wurden Flächenreserven für
die Siedlungsentwicklung verkleinert und neu strukturiert. Siedlungsgebiete, die zu beiden
Seiten der Stadtgrenze entstanden sind, konnten im Wesentlichen an die Hauptachsen des
Schienenpersonenverkehrs in guter Erreichbarkeit bzw. mit guter Anbindung zu den Haltepunkten platziert werden. In den unmittelbar an die Berliner Stadtgrenze angrenzenden Teilräumen sind die Angebote des ÖPNV gut miteinander vernetzt. Landesgrenzenüberschreitende
Finanzierungsmodelle, koordinierte Planungsansätze und die gemeinsame Bestellung von
Verkehrsleistungen haben die Qualität der Stadt-Umland-Anbindung verbessert. So nutzen
auch viele Bewohner der Peripherie und des Umlands verstärkt den ÖPNV für Wege in das und
innerhalb des Stadtgebiets.
Die abgestimmten Planungen für den gemeinsamen Verkehrsraum Berlin-Brandenburg haben
eine stärkere Nutzung von Synergien zwischen den Ländern ermöglicht. Standort- und Verkehrsentwicklung werden koordiniert und im Zusammenhang betrachtet. Regelmäßige
Abstimmungen zwischen den Verwaltungen, eine zusammenhängende Infrastrukturplanung,
angeglichene Leit- und Informationssysteme sowie das abgestimmte Auftreten gegenüber
Verkehrsunternehmen und übergreifenden Planungen des Bundes haben die Metropolregion
planerisch wie verkehrlich weiter zusammenwachsen lassen, was sich ebenso positiv auf die
wirtschaftliche Entwicklung auswirkt.
Auch die berlinfernen Teilräume der Region sind untereinander und mit der Hauptstadt gut
vernetzt. Regionalverkehre und alternative Angebote in der Fläche erhöhen die Mobilitätschancen der dort lebenden Einwohner. Gleichzeitig eröffnen sie neue Potenziale für Tourismus
und Naherholung.
42
III Das Leitbild und die Ziele
Eine hervorragende Kombinationsmöglichkeit von Rad und Regionalzug und ein dichtes FernRadwegenetz mit verkehrssicherer Wegeführung hat die Mobilität der ÖPNV-Nutzer außerhalb
der Verdichtungsgebiete erhöht. Die Fernradwegenetze sind auch im ländlichen Raum mit
touristischer Infrastruktur ausgestattet. Im Ausflugs- und Freizeitverkehr der Berlinerinnen und
Berliner konnten dadurch eine Entlastung ökologisch sensibler Gebiete und eine Reduzierung
der Klimagasemissionen erreicht werden.
... International erreichbar
Berlin ist durch verbesserte und neu aufgebaute Routen über die Straße, die Schiene sowie
über Luft und Wasserwege in die transeuropäischen bzw. internationalen Netze weitgehend
vollständig eingebunden. Stadt und Region sind auch im Vergleich mit anderen europäischen
Metropolen aus allen Richtungen und mit allen Verkehrsträgern schnell erreichbar.
Der Flughafen Berlin Brandenburg ist ein wichtiger Standort im europäischen Flughafennetz.
Interkontinentale Direktflüge verbinden die Berliner Wirtschaft und die Bevölkerung mit der
Welt. Die Einbindung des Flughafen Berlin Brandenburg in die großräumigen und überregionalen Schienenverkehrsverbindungen gewährleistet für Passagiere und Güter eine gute
Erreichbarkeit des Flughafens mit dem öffentlichen Verkehr. Für Geschäftsreisende wie für
Touristinnen und Touristen relevant ist die hochwertige Anbindung des Flughafens ans Stadtgebiet. Sämtliche Zielpunkte – Hotels, Sehenswürdigkeiten, Unternehmen – sind schnell,
komfortabel und günstig zu erreichen.
Die Metropolregion ist hervorragend mit den nationalen und europäische Metropolregionen
und Städten vernetzt. Insbesondere die schnellen Schienenwege tragen dazu bei, dass das
wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Miteinander mit den benachbarten zentralund osteuropäischen Großstädten einen neuen Aufschwung erhalten hat. Dazu haben Infrastrukturmaßnahmen u. a. im Rahmen von Projekten auf EU-Ebene entscheidend beigetragen.
Die Reisezeiten mit der Bahn (z.B. zwischen Berlin und Breslau) konnten deutlich verkürzt
werden.
Berlin ist zum europäischen Bahnknoten geworden. Das System mehrerer Fernbahnhöfe hat
sich als ausgesprochen erfolgreich erwiesen. Ihre gut genutzten Kapazitäten ergänzen den
Hauptbahnhof, der als zentraler Umsteigepunkt die internationalen Verbindungen verknüpft.
Die Bedeutung des Fernreiseverkehrs von und nach Berlin auf der Schiene hat deutlich zugenommen, der Kurzstreckenflugverkehr konnte daher auf ein Minimum reduziert werden.
III.1.3 Ausblick: Anspruch und Wirklichkeit
Die im Leitbild vermittelte Vision für Stadt und Verkehr zeigt Spielräume und Wege für planerisches Handeln auf, formuliert aber auch die Anforderungen, die für eine erfolgreiche Umsetzung erfüllt werden müssen. Ob die hier vorgestellten Visionen erreicht werden können oder
nicht, ist von einer Reihe von Entwicklungen abhängig, die zum Zeitpunkt der Neuaufstellung
des StEP Verkehr nicht immer in letzter Konsequenz absehbar waren.
Dazu gehören übergeordnete Vorgaben der Europäischen Union sowie deren Umsetzung in
nationales Recht, vor allem hinsichtlich der Punkte Luftreinhaltung, Lärmminderung, Kostenwahrheit, Verkehrssicherheit und rechtliche Rahmenbedingungen zur Weiterentwicklung des
ÖPNV.
Der zentrale ausschlaggebende Punkt für die Verwirklichung ambitionierter Visionen ist die
Entwicklung des öffentlichen Haushalts bzw. der Investitions- und Ausgabekapazitäten der
öffentlichen Hand. Bei der Formulierung der Finanzszenarien für den StEP Verkehr ist berücksichtigt worden, dass angesichts der Haushaltslage des Landes Berlin die für Verkehrsmaßnahmen zur Verfügung stehenden Mittel sehr wahrscheinlich nicht ansteigen werden. Mittel-
43
bis langfristig besteht aber die reale Gefahr einer Reduzierung. Diese abzuwehren, erfordert
intensive politische Bemühungen. Bezogen auf den Verkehrssektor sind es vor allem die notwendigen Investitionen in Instandsetzung und Modernisierung von Straßen- und Schieneninfrastruktur, die die Möglichkeiten für die Umsetzung finanzintensiver Neubau-Maßnahmen
verringern. Darauf wurde bei der Leitbildentwicklung im Zusammenhang mit dem Anspruch,
ambitioniert aber realistisch zu sein, bereits Rücksicht genommen. Die Schwerpunktsetzung
bei nicht- bzw. geringinvestiven Maßnahmen sowie deren integrierte Betrachtung und Benennung von Synergieeffekten ist damit gleichermaßen Ausdruck einer zeitgemäßen Verkehrspolitik und haushaltspolitischer Notwendigkeit.
Die Entwicklung und Umsetzung neuer Innovationen bzw. die Durchsetzung und flächendeckende Anwendung neuer Technologien und Prozesse sind ebenfalls mit Unsicherheiten
behaftet. Außer der technischen Machbarkeit und Finanzierbarkeit gibt es zahlreiche weitere
Hürden, die vor einer umfassenden Umsetzung neuer Ansätze überwunden werden müssen.
Institutionelle Barrieren, das Zusammenspiel der Akteure und die Reaktion der Nutzerinnen
und Nutzer sind von zentraler Bedeutung, aber nicht einfach vorhersehbar, wenn es darum
geht, aus einer Innovation Alltagsrealität zu machen.
Die Nutzerperspektive ist durchgängig ein Schlüsselaspekt, der das Leitbild durchzieht. Sowohl
in den formulierten Anforderungen, gleichwertige Mobilitätschancen für alle zu erzielen, als
auch in Bezug auf die genannten Ziele und Maßnahme ist die Rückkopplung mit, vor allem
aber die Beteiligung der Berlinerinnen und Berliner, ein zentrales Element.
Und letztlich ist es Anspruch des Leitbildes, zu vermitteln, dass eine wie hier dargestellte Entwicklung nicht umsonst zu haben ist. Sie verlangt allen Akteuren – Politik, Verwaltung, Unternehmen, Verbänden und Nutzern – kontinuierliche Mitarbeit und ein gemeinsames Vorgehen
ab. Dies bedeutet auch, dass nicht alle Interessen immer reibungslos miteinander in Einklang
zu bringen sind, sondern dass ein Optimum gefunden werden muss, welches letztendlich den
unterschiedlichen Ansprüchen allen in der Stadt lebenden Menschen und ihren Besuchern
gerecht wird.
44
III Das Leitbild und die Ziele
III.2 Ziele der Mobilitäts- und Verkehrsentwicklung
Der folgende Zielkatalog bildet die Grundlage für das Konzept des StEP Verkehr. Unterschieden
werden 12 Qualitätsziele im Sinne von Oberzielen und 44 konkretisierte Handlungsziele, die
den Qualitätszielen zugeordnet sind. Die Gruppierung der Oberziele folgt den verschiedenen
Nachhaltigkeits-Dimensionen. In diese verwoben sind weitere Dimensionen (städtebauliche,
kulturelle etc.), auf deren separate Ausweisung verzichtet wurde, die sich jedoch in den Handlungszielen wiederfinden.
Zwischen einigen Qualitätszielen bzw. zwischen den Dimensionen der Nachhaltigkeit besteht
ein Spannungsverhältnis. Eine vorrangige Berücksichtigung nur einer Zieldimension führt
dazu, dass die anderen Zieldimensionen nur schlechter erreicht werden können. Im StEP Verkehr wird angestrebt, alle Zieldimensionen der Nachhaltigkeit in möglichst ausgeglichener
Weise zu erreichen.
Im Vergleich zum vorangegangenen StEP Verkehr hat sich im Bereich der Ziele folgendes
verändert:
n Der Zeithorizont hat sich vom Jahr 2015 verschoben auf das Jahr 2025.
n Einige Handlungsziele wurden nicht wieder berücksichtigt, da sie durch bereits durchgeführte Maßnahmen erfüllt wurden oder sie aufgrund veränderter gesellschaftlicher
Rahmenbedingungen keine Gültigkeit mehr haben.
n Der Gedanke der Erreichbarkeit wesentlicher Einrichtungen wurde als Bemessungs
kriterium für Maßnahmen zur besseren Anbindung beispielsweise vor dem Hintergrund
der Reduzierung von Reisezeitunterschieden zwischen IV und ÖV oder für Überlegungen
zu Netzergänzungen verwendet.
n Es wurde versucht, die Handlungsziele stärker zu operationalisieren, um eine Überprüfung
zur Zielerreichung der Maßnahmen bzw. des Gesamtkonzeptes zu vereinfachen.
n Es kommt zu einer stärkeren Berücksichtigung ökologischer Aspekte, die sich aus der
europäischen Gesetzgebung und den daraus resultierenden Planwerken ergeben.
45
Ziele (Qualitätsziele)
Handlungsziele
Ökonomische Zieldimension
1
2
3
4
Weitere Verbesserung der Fernerreichbarkeit und Ausnutzung der Lagequalität in Zentraleuropa an der Schnittstelle
zwischen West- und Mittel-Ost-Europa durch bessere Einbindung in die transeuropäischen Netze (Verbesserung der
nationalen und internationalen Konkurrenzfähigkeit)
Weitere Verbesserung der Erreichbarkeit zwischen Berlin
und den Siedlungsgebieten entlang der von Berlin ausgehenden Achsen
1.1
Weitere Verbesserung der Fernerreichbarkeit
a) auf Schienenwegen
b) auf Straßen
c) auf Wasserstraßen
d) im Luftverkehr
1.2
Bessere Vernetzung der regionalen, nationalen und internationalen Verkehrsnetze und Verkehrsangebote
2.1
Verbesserung wichtiger Verbindungen zwischen Berlin und
dem Umland sowie den größeren Orten und Städten in
Brandenburg entlang der von Berlin ausgehenden Achsen
einschließlich weiterer wichtiger Zentren
2.2
Gezielte Verbesserung der Schwachstellen in den Verknüpfungen Berlins mit den regionalen Zentren in Brandenburg
(Entwicklungsachsen)
Sicherung und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des
3.1
Wirtschaftsverkehrs (Sicherung ausreichender Anteile an der
Kapazität der Verkehrsnetze, Bereitstellung notwendiger
Infrastruktur)
3.2
Schaffung von Rahmenbedingungen zur Steigerung der
Effektivität und ökonomischen Nachhaltigkeit des Gesamtverkehrssystems
46
Sicherung des Zugangs zu Quellen und Zielen des Güterverkehrs
Sicherung des Zugangs zu Quellen und Zielen des
Personenwirtschaftsverkehrs
3.3
Sicherung, Ausbau und bessere Vernetzung logistischer
Schnittstellen (Sammel- und Distributionsstandorte)
4.1
Sicherung rechtskonformer Wettbewerbsbedingungen auf
dem Verkehrsmarkt
a) Wettbewerb zwischen ÖV-Trägern
b) Wettbewerb zwischen Güter- und Personenverkehr (um
Nutzung Infrastruktur etc.)
c) Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern des Güterverkehrs
4.2
Erhöhung der Transparenz bei den Kosten verschiedener
Verkehrsträger (stärkere Anrechnung von Wege- und
externen Kosten auf Preise für Verkehrsleistungen/Infrastrukturangebote (Straße, Schiene, Flug- und Schiffsverkehr))
4.3
Steigerung der Effektivität im ÖV bei Gewährleistung mindestens gleichbleibender Qualität der Angebote
4.4
Qualitätssicherung bei vorhandenen Angeboten und
Netzen und Ausnutzung verfügbarer Potenziale zur
Qualitätssteigerung (Prämisse: Bestandserhaltung vor
Neubau)
III Das Leitbild und die Ziele
Ziele (Qualitätsziele)
Handlungsziele
Soziale Zieldimension
5
6
7
Herstellung gleicher Mobilitätschancen:
Berücksichtigung unterschiedlicher Mobilitätsbedürfnisse
aufgrund unterschiedlicher Lebensbedingungen
Stärkung der polyzentrischen Stadtstruktur:
Verbesserung der Erreichbarkeit städtischer Teilräume und
Stadtteile untereinander sowie mit den innerstädtischen
Hauptzentren
Erhöhung der raumstrukturellen Stadtverträglichkeit des
Verkehrs (Begrenzung von Schneisenwirkungen im Stadtraum, Reduzierung von Zäsuren, Aufwertung von Verkehrsräumen, Respektierung historischer Verkehrsnetzstrukturen)
5.1
Ermöglichung von Mobilität unabhängig von Geschlecht
und Lebenssituation
5.2
Förderung eigenständiger und sicherer Mobilität von
Kindern und Jugendlichen
5.3
Gewährleistung gleichwertiger Mobilitätschancen von
älteren Menschen
5.4
Gewährleistung gleichwertiger Mobilitätschancen
mobilitätseingeschränkter Bevölkerungsgruppen
(Zugang und Nutzungsmöglichkeiten)
5.5
Gewährleistung gleichwertiger Mobilitätschancen
sozial und ökonomisch benachteiligter Gruppen
6.1
Angleichung der Reisezeiten im ÖPNV zwischen der Innenstadt und den westlichen äußeren Teilräumen einerseits und
den östlichen äußeren Teilräumen andererseits
6.2
Verbesserung der tangentialen Verbindungen in den
äußeren Stadträumen
6.3
Sicherung lageüblicher Erschließungsqualitäten in den
Gebieten städtebaulicher Entwicklung
7.1
Entlastung von sensiblen Bereichen (z.B. Wohngebiete, Ortsteilzentren, Innenstadt) vom Durchgangsverkehr
7.2
Wiederherstellung historischer Stadtstrukturen, die durch
Verkehrsanlagen überformt oder wesentlich beeinträchtigt
werden (insbesondere Straßendurchbrüche)
7.3
Verbesserte städtebauliche Integration von Verkehrsanlagen, insbesondere von Hauptverkehrsstraßen, umfeldgerechte Gestaltung von Verkehrsbauwerken
7.4
Verbesserung der Aufenthaltsqualität von Straßen und
Plätzen, dadurch bessere Nutzbarkeit des öffentlichen
Raums (Wohnumfeld, aber auch Räume für Einkaufen,
Tourismus, Freizeit)
47
Ziele (Qualitätsziele)
8
Handlungsziele
Erhöhung der Verkehrssicherheit (alle Verkehrsarten, alle
Stadträume)
8.1
Erhöhung der Sicherheit nicht-motorisierter Teilnehmer am
Straßenverkehr (insbesondere Kinder, Jugendliche, ältere
Menschen; mobilitätsbeeinträchtigte Menschen)
8.2
Reduzierung der Zahl der Verkehrsunfälle des Jahres 2008
um mindestens 20 Prozent bis 2025
8.3
Reduzierung der Zahl der Verletzten des Jahres 2008 um
mindestens 30 Prozent bis 2025
8.4
Reduzierung der Zahl der Verkehrstoten des Jahres 2008 um
mindestens 40 Prozent bis 2025
Ökologische Zieldimensionen
9
10
Reduzierung des verkehrsbedingten Verbrauches natürlicher 9.1
Ressourcen (Energie, freie Fläche/Boden)
Entlastung der städtischen und globalen Umwelt von verkehrsbedingten Belastungen
48
Reduzierung des verkehrsbedingten Energieverbrauches
des Jahres 2008 um 20 Prozent bis 2025 (Stadtgebiet einschließlich Flughafen Berlin Brandenburg)
9.2
Reduzierung der jährlichen zusätzlichen Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung durch Verkehrsinfrastruktur
9.3
Umnutzung tatsächlich auch zukünftig nicht mehr benötigter Verkehrsflächen
10.1
Senkung der verkehrsbedingten Klimagasemissionen um
25 Prozent von 2008 auf 2025
10.2
Senkung der verkehrsverursachten Luftschadstoffbelastung
(Benzol, Stickstoffdioxid, Feinstaub PM2,5 und PM10, Kohlenmonoxid, PAH) mit dem Ziel der deutlichen Unterschreitung
(25 Prozent) der in den EU-Richtlinien enthaltenen Grenzwerte bis 2025
10.3
Minderung der Lärmbelastung in Hauptnetzstraßen für
mindestens 100.000 Anwohner, die nächtlichen Pegeln
oberhalb 60 dB(A) ausgesetzt sind; keine Lärmbelastungen
oberhalb 65 dB(A) nachts
10.4
Minderung der Belastung durch Schienenlärm, vor allem
keine Überschreitung von 55 dB(A) nachts durch Straßenbahn
10.5
Reduzierung des Neubaus von Straßen mit Barrierewirkung,
dadurch Vermeidung der Beeinträchtigung des Natur- und
Landschaftsbildes
III Das Leitbild und die Ziele
11
Ziele (Qualitätsziele)
Handlungsziele
Schaffung eines stadtverträglichen Verkehrs für sich verän11.1
dernde Mobilitätsbedürfnisse (Stärkung der Inter- und Multimodalität, Reduzierung des motorisierten Verkehrsaufwands)
Veränderung des Modal Split im Personenverkehr bis 2025
auf mindestens 75 Prozent im Umweltverbund (Gesamtstadt), auf mindestens 80 Prozent im Umweltverbund in der
Innenstadt (innerhalb S-Bahn-Ring)
11.2
Steigerung des Anteils des öffentlichen Verkehrs am Modal
Split (Erschließung neuer Fahrgastpotenziale etc.) auf
gesamtstädtischer Ebene
11.3
Deutliche Steigerung des Anteils des Radverkehrs am Modal
Split auf gesamtstädtischer Ebene
11.4
Steigerung des Anteils des Fußverkehrs auf gesamtstädtischer Ebene
11.5
Reduzierung der Kfz-Verkehrsleistung (Fzgkm) um
10 Prozent bis 2025 auf gesamtstädtischer Ebene
12.1
Abteilungs- und ressortübergreifende Verknüpfung von
verkehrlich wirksamen Handlungsfeldern
12.2
Einbeziehung verkehrspolitischer Akteure in die Entscheidungsvorbereitung
12.3
Verbesserung der Maßnahmenplanung durch bessere
Beteiligung der Öffentlichkeit an Planungs- und Entscheidungsprozessen
12.4
Effizientere Umsetzung von Maßnahmen, z.B. durch kontinuierliche intensive Abstimmung zwischen der Senatsverwaltung und den Bezirken sowie durch Überprüfung und
ggf. Neufestlegung von Zuständigkeiten.
Institutionelle Zieldimensionen
12
Integration von Aufgabenfeldern und Einbeziehung von
Akteuren bei der Erarbeitung von Zielen und Konzepten
sowie der Umsetzung von Maßnahmen
49
IV Das Handlungskonzept
IV.1 Strategischer Ansatz
IV.1.1 Maßnahmen
Der StEP Verkehr ist ein strategisch orientiertes Handlungskonzept. Leitbild und Ziele münden
in konkrete Handlungsempfehlungen („Maßnahmen”). Im StEP Verkehr werden verschiedene
Maßnahmen identifiziert bzw. konzipiert und beschrieben, die zur Erreichung der Ziele erforderlich und geeignet sind. Für die Auswahl und Strukturierung der Maßnahmen gelten
folgende Prinzipien:
n Es wurden nur solche Maßnahmen aufgenommen, die durch landes- oder kommunalpolitische Akteure (Abgeordnetenhaus, Senat, Bezirke) beeinflussbar sind. Das Spektrum
der Intensität der Einflussnahme ist gleichwohl groß und reicht von der bloßen Anstoßoder Moderatorenfunktion über die Mitwirkung an bundes- und europapolitischen Entscheidungsprozessen bis hin zur Bezahlung bestellter Maßnahmen.
n Die Maßnahmen wurden folgenden Kategorien zugeordnet: 1) raumstrukturelle,
2) preis-/ordnungsrechtliche sowie ordnungspolitische, 3) organisatorische, 4) informations- und motivationsbezogene, 5) infrastrukturelle Maßnahmen. Die Maßnahmen aus
den verschiedenen Kategorien stehen nicht einzeln nebeneinander, sondern wirken
gemeinsam in Richtung der verkehrspolitischen Zielstellungen.
n Die Maßnahmen wurden konzeptionell plausiblen und wahrscheinlichen Realisierungszeiträumen zugeordnet: Das Handlungskonzept des StEP Verkehr benennt für alle infrastrukturellen Maßnahmen einen Zeithorizont, der im Hinblick auf übliche Realisierungszeiträume als „mittelfristig” gekennzeichnet werden kann („2025”). Darüber hinaus wurden
Langfristoptionen festgehalten, deren Verwirklichung abhängig ist von der Entwicklung
des Bedarfs sowie insbesondere der finanziellen Rahmenbedingungen. Die nicht-infrastrukturellen Maßnahmen weisen unterschiedliche Realisierungshorizonte auf, sind
jedoch grundsätzlich innerhalb der Laufzeit des StEP realisierbar.
n Das Handlungskonzept des StEP beinhaltet nicht den gesamten Katalog an Maßnahmen,
sondern trifft eine Auswahl an Kern- und unterstützenden Maßnahmen. Diesen wird
einerseits eine hohe Wirksamkeit im Sinne der Ziele zugemessen, andererseits werden sie
als realistischerweise finanzierbar angesehen. Grundlage für diese Bewertung sind die
getroffen Annahmen zur Entwicklung des finanzpolitischen Rahmens.
IV.1.2 Teilstrategien
Die Teilstrategien sind Bündelungen und Konkretisierungen von Handlungszielen zu sieben
verkehrspolitisch relevanten Themenfeldern. Den Handlungszielen sind zielführende Maßnahmen („Kernmaßnahmen“) zugeordnet. Die Teilstrategien bilden zusammen die Strategie
des Stadtentwicklungsplanes Verkehr und bilden somit das „Herzstück“ des StEP Verkehr
(Abbildung 6).
Als verbindendes Element stellen sie Ziele und Maßnahmen in einen Kontext und verknüpfen
sie mit den Ausgangs- und Rahmenbedingungen und damit mit den verkehrlichen wie planerischen Realitäten in der Stadt. Auf diese Weise unterstützen sie nicht nur die Maßnahmenentwicklung und -einordnung, sondern ermöglichen zu einem späteren Zeitpunkt auch eine
Bewertung der Umsetzung.
Die einzelnen Teilstrategien unterstützen und ergänzen sich gegenseitig; einzelne Maßnahmen
können deshalb auch gleichzeitig mehreren Teil-Strategien zugeordnet sein (Abbildung 7).
Innerhalb einer Teilstrategie wurden zielführende Maßnahmen unterschiedlicher Art
(z.B. organisatorische und investive Maßnahmen) so miteinander verknüpft, dass sie sich in
ihrer Wirkung ergänzen und dadurch bessere Wirkungsgrade erreicht werden. Verschiedene
Maßnahmen, die in gleicher Weise wirken, sind zu „Maßnahmenbündeln“ zusammengefasst.
50
IV Das Handlungskonzept
Abbildung 6: Strategie des Stadtentwicklungsplanes Verkehr
Förderung des Umweltverbundes
R / O / PO / B / I
StEP-Verkehr
R / O / PO / B / I
Unterstützung des
Wirtschaftsverkehrs
R / O / PO / B / I
Stadt-, Umwelt- und Lebensqualität
R / O / PO / B / I
R / O / PO / B / I
Mobilitäts- und Verkehrsmanagement
Maßnahme
Maßnahme
Maßnahme
Maßnahme
Maßnahme
Maßnahme
Maßnahme
Maßnahme
Innere Stadt
Maßnahmenkategorien:
R
= raumstrukturell
O
= organisatorisch
PO = preispolitisch, ordnungsrechtlich
B
= Verbesserung Information/Motivation
I
= Infrastruktur
Äußere Stadt
Verkehrsverknüfung
Abbildung 7: Strategie des Stadtentwicklungsplanes Verkehr – Überlagerung der Teilstrategien
Unterstützung
Wirtschaftsverkehr
Förderung
Umweltverbund
Stadt-, Umweltund Lebensqualität
Äußere Stadt
Innere Stadt
Mobilitäts- und
Verkehrsmanagement
Verkehrsverknüpfung
Standort
Berlin
51
IV.2 Gewichtungs- und Entscheidungsregeln
Aus der Bestandsaufnahme und Analyse verkehrlich relevanter Entwicklungstrends (vgl. Kapitel II) wurden Gewichtungs- und Entscheidungsregeln für Maßnahmen abgeleitet. Im Ergebnis
wurde eine Vorrangempfehlung für die in den Teilstrategien benannten Kernmaßnahmen
abgeleitet, die die nachfolgenden Kriterien in besonderem Maße erfüllen.
1. Zielerreichung der Maßnahme
Die Maßnahme weist einen hohen Zielerreichungsgrad auf, d.h. sie leistet einen Beitrag zur
Erfüllung mehrerer im StEP Verkehr benannter Ziele.
Ökonomische, ökologische, soziale und institutionelle Wirkungen werden dabei als gleichrangig gewertet.
2. Verkehrliche Wirksamkeit der Maßnahme
Die Maßnahme bewirkt hohe oder überdurchschnittlich hohe verkehrliche Effekte.
Zu den Wirkungsdimensionen verkehrlicher Maßnahmen gehören u. a. die Verbesserung der
Erreichbarkeit, die Erhöhung der Verkehrsqualität, die Verbesserung der Verkehrssicherheit, die
Steigerung der Zuverlässigkeit, ein positiver Beitrag zur erwünschten Modal-Split-Wirkung etc.
Die Einschätzung der Wirksamkeit erfolgte dabei – soweit möglich – schon in Relation zu dem
mit der Umsetzung der Maßnahme verbundenen finanziellen Aufwand.
3. Realisierbarkeit der Maßnahme
Eine Realisierung der Maßnahme ist bevorzugt schnell (d.h. bis ca. 2017), grundsätzlich jedoch
innerhalb der gesamten Betrachtungszeitraums des StEP Verkehr möglich.
Für die Bewertung dieses Kriteriums wurden Gründe berücksichtigt, die ggf. einer zügigen
Realisierung im Wege stehen. Dazu zählen unmittelbare Umsetzungshemmnisse, die beispielsweise aus fehlenden Grundlagen resultieren können oder daraus, dass notwendige, vorab
umzusetzende Maßnahmen noch nicht realisiert wurden. Auch ein erkennbar komplexer
Planungsprozess bzw. bereits absehbare Widerstände bei der Realisierung, die jeweils teils sehr
lange Umsetzungszeiträume bedingen könnten, wurden so weit wie möglich in die Bewertung
mit einbezogen.
Die unter 1. bis 3. benannten Kriterien wurden für alle Maßnahmekategorien angewendet,
d.h. für die infrastrukturellen wie für die nicht-infrastrukturellen Maßnahmen gleichermaßen.
Grundlage waren dabei die im Zuge der Wirkungsanalyse (vgl. Kapitel V) vorgenommenen
Abschätzungen und Berechnungen sowie ein weitergehender qualitativer Bewertungsansatz.
Dieser baut auf den zurückliegenden Erfahrungen mit der Maßnahmeumsetzung sowie
aktuellen Erkenntnissen aus der Wissenschaft und auf Erkenntnissen aus anderen Städten auf.
Einzelne Maßnahmen konnten nicht anhand der benannten Kriterien bewertet werden. Zu
diesen gehörten:
n Infrastrukturmaßnahmen im Bau bzw. in weit fortgeschrittener Realisierungsvorbereitung
n Maßnahmen außerhalb der Zuständigkeit Berlins
n Sammelmaßnahmen im Bereich Infrastruktur
n Pilotprojekte und Konzeptentwicklungen ohne ausreichende Wirkungserkenntnisse bzw.
mit Entscheidungsvorbehalt für spätere Umsetzung
n Politische Initiativen auf Bundesebene
Gleichwohl können diese Maßnahmen innerhalb des StEP Verkehr eine hohe Bedeutung
haben, weswegen sie in Teilen als unterstützende Maßnahmen auch in den Teilstrategien
benannt werden.
52
IV Das Handlungskonzept
IV.3 Finanzrahmen und zielorientierte Mittelzuordnung
Um sicher zu stellen, dass Handlungskonzept und Maßnahmen des StEP Verkehr auch langfristig finanzierbar und damit umsetzbar sind, ist der Abgleich zwischen Mittelbedarf und
Mittelverfügbarkeit unabdingbar. Aus diesem Grund wurden im Zuge der Fortschreibung des
StEP Verkehr eine Abschätzung hinsichtlich des voraussichtlich verfügbaren Finanzrahmens
vorgenommen und dem aus dem Maßnahmenkatalog ermittelten Finanzbedarf gegenübergestellt.
Dabei ist zu beachten, dass die Aussagen zur zukünftigen Entwicklung des für Verkehrsmaßnahmen im Land Berlin zur Verfügung stehenden Finanzrahmens u. a. aufgrund der langfristig
schwer einschätzbaren Finanzzuflüsse von der Bundesebene und der wirtschaftlichen Entwicklung mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Die nachfolgenden Abschätzungen sind daher
als vorläufig anzusehen, zumal auch die Entwicklungen bei zahlreichen Faktoren, die den
Mittelbedarf beeinflussen, noch nicht mit ausreichender Sicherheit vorhersagbar sind.
Dennoch ist die Auseinandersetzung mit den möglichen finanziellen Entwicklungslinien von
zentraler Bedeutung, um für die langfristige strategische Planung Spielräume aufzuzeigen,
sowie Restriktionen und Handlungserfordernisse rechtzeitig identifizieren und ausloten zu
können. Konkrete, auf kurzfristigere Handlungszeiträume und aktuelle Gegebenheiten ausgerichtete Finanzplanungen werden durch die nachfolgenden Berechnungen weder ersetzt
noch vorweg genommen.
IV.3.1 Entwicklung des finanziellen Rahmens
Die Abschätzung des finanziellen Rahmens für die Verkehrspolitik bis zum Jahr 2025 wurde
entlang eines optimistischen und eines pessimistischen Eckszenarios vorgenommen. Diese
beschreiben einen Korridor möglicher Entwicklungen hinsichtlich der Verfügbarkeit der Mittel,
die über den Landeshaushalt vergeben werden. Ergänzt werden diese beiden Eckszenarien um
ein mittleres Szenario, das insbesondere angesichts der formulierten Unsicherheiten bei der
langfristigen Finanzbetrachtung als Orientierungshilfe für den Fall dient, dass im Laufe des
Umsetzungsprozesses aufgrund ungünstiger Entwicklungen des Finanzrahmens Anpassungen
bei der Maßnahmenplanung vorgenommen werden müssen.
Grundlage für die Szenarienberechnung war die Entwicklung der Verkehrsausgaben des
Landes Berlin von 1995 bis 2009. Innerhalb dieses Zeitraums waren bis 2001 im Zuge der Haushaltskonsolidierung des Landes die Mittel zur Erweiterung, Grundsanierung und Instandhaltung
der Infrastruktur stark abgesenkt worden. Auch in den folgenden Jahren bis 2009 wurden
weitere Einsparungen vorgenommen, vor allem im Bereich Straßenneubau sowie bei den
Zahlungen für den ÖPNV an die BVG. Aufbauend auf die im Jahr 2009 aufgewendeten Mittel
und deren Finanzierungsquellen wurden in einem mehrstufigen Verfahren die Szenarien
schrittweise entwickelt. Einbezogen wurden zunächst sämtliche Mittel, die über den Landeshaushalt für Verkehrsmaßnahmen eingesetzt werden können, unabhängig davon, ob diese
einer Zweckbindung unterliegen. Für die langfristige Kalkulation wurden eine Reihe von
Annahmen zur Entwicklung der zur Verfügung stehenden Mittel zugrunde gelegt (Tabelle 2).
53
Tabelle 2: Gegenüberstellung der Annahmen zur Finanzentwicklung in den Szenarien
Optimistisches
Eckszenario
Mittleres
Szenario
Pessimistisches
Eckszenario
Landeshaushaltsmittel
Kein weiteres Absenken
GVFG-Nachfolgemittel
Höhe äquivalent zu heutigen
Mitteln (d.h. kein Absenken
auch nach Revision des Entflechtungsgesetztes 2014
bzw. nach Ablauf des Befristungszeitraums 2019)
Benannte Risiken bei Einnahmeentwicklung können
nur teilweise aufgefangen
werden.
Benannte Risiken bei Einnahmeentwicklung können
nur teilweise aufgefangen
werden.
Darstellung der Rückgänge
erfolgt nicht bezogen auf die
einzelnen Posten, sondern
gleichmäßig über die
Gesamtsumme.
Kumulation der Einnahmerisiken ab dem Jahr 2014,
daher Darstellung über einen
pauschalen und stufenweisen
Rückgang über alle Positionen von - 10 Prozent für den
Zeitraum 2010–2014 sowie
- 15 Prozent für den Zeitraum
2015–2025.
EFRE-Mittel
Auslaufen erst in der Förderperiode nach 2017, danach
Kompensation des Wegfalls
aus anderen Quellen
Regionalisierungsmittel
Konstanz der Mittel auch
nach 2014 (Überprüfung der
Höhe der Mittel) in der Summe ebenso, wie hinsichtlich
des Anteils der nicht-gebundenen Mittel
Aus heutiger Sicht stehen diesen Annahmen erhebliche finanzielle Risiken entgegen, die sich
beispielweise aus der Entflechtung der Finanzbeziehungen zwischen den Ländern und dem
Bund ergeben. Die im optimistischen Eckszenario angenommene Konstanz der zur Verfügung
gestellten Landesmittel, ebenso wie die Annahme, dass wegfallende Mittel anderweitig
kompensiert werden können, sind keineswegs als gesichert anzusehen. Berücksichtigt man
dies, so wird deutlich, dass bereits die im optimistischen Eckszenario angenommene Beibehaltung der Mittelhöhe beim Verfügungsrahmen als zuversichtlich gelten kann. Eine darüber
hinaus gehende Erwartung eines Mittelzuwachses wäre als unrealistisch anzusehen.
Neben den in der Tabelle aufgeführten Finanzierungsquellen ist davon auszugehen, dass –
ebenso wie in der Vergangenheit – auch zukünftig noch weitere als die hier betrachteten Mittel
für Verkehrsmaßnahmen zur Verfügung stehen werden, die beispielweise der Wirtschaftsförderung entstammen, aus anderen Haushaltstiteln zur Sicherung der Daseinsvorsorge im ÖPNV
aufgebracht oder vom Bund in die Netze investiert werden.
Um den zielorientierten Abgleich des Finanzierungsrahmens mit dem Mittelbedarf für die
Maßnahmen des StEP Verkehr zu ermöglichen, wurden im weiteren Vorgehen nur diejenigen
Mittel betrachtet, die „frei“ für Verkehrsaufgaben einsetzbar sind und beispielsweise keiner
anderen Zweckbindung unterliegen. Diese sind:
n Landesmittel (inkl. frei einsetzbare Kompensationsmittel des Bundes, z.B. Kfz-Steuerkompensation),
n frei einsetzbarer Anteil der Regionalisierungsmittel für Nahverkehrsinvestitionen (ohne
vorübergehend anfallende einbehaltene Bestellerentgelte für S-Bahnleistungen),
n Landesmittel nach Entflechtungsgesetz (GVFG-Nachfolge).
Im Ergebnis wird für das optimistische Eckszenario ein Mittelvolumen von rund 7,6 Mrd. €, für
das mittlere Szenario von rund 7 Mrd. € und für das pessimistische Eckszenario von rund
6,6 Mrd. € für den Zeitraum des StEP Verkehr bis 2025 angesetzt.
54
IV Das Handlungskonzept
IV.3.2 Finanzierungsbedarf für die Maßnahmen des StEP Verkehr
Den Szenarien gegenüber gestellt wurden die Mittelbedarfe, wie sie sich nach Vorliegen des
StEP-Maßnahmenkatalogs darstellen. Den Schwerpunkt bilden die Kosten für die infrastrukturellen Maßnahmen sowie für die Bestellung von Verkehrsleistungen. Die Kosten für organisatorische, preis- und ordnungsrechtliche, raumstrukturelle und kommunikative Maßnahmen
wurden nicht in die Berechnung einbezogen. Diese sind z.T. nicht bekannt, in der Regel jedoch
vergleichsweise gering und können nur schwerlich mit den infrastrukturellen Maßnahmen in
die direkte Abwägung gebracht werden.
Ebenfalls aus den Berechnungen ausgeklammert wurden zusätzliche Leistungsbestellungen,
die mit Netzerweiterungen im ÖPNV einhergehen würden sowie Infrastrukturerweiterungen,
die aus anderen Finanzierungsquellen als aus Landesmitteln finanziert werden können. Dies
betrifft bei Projekten im Bereich Straße (Neubau) vor allem Mittel aus dem Förderprogramm
GRW (Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur), die über die
Wirtschaftsverwaltung bewilligt werden. Für die Schiene (S- und Regionalbahn) bestehen
Finanzierungsmöglichkeiten über die LuFV (Leistungsund Finanzierungsvereinbarung
zwischen dem Bund und der DB AG). Gemäß der dortigen Anlage 8.7 können jedoch lediglich
20 Prozent der Mittel, die der Bund zur Verfügung stellt, für Investitionsmaßnahmen im Nahverkehr verwendet werden. Für bestimmte Infrastrukturmaßnahmen (z.B. für Bundesautobahnen) werden zweckgebunden Bundesmittel bereit gestellt. Des Weiteren erhält Berlin für
ausgewählte Maßnahmen Mittel aus dem GVFG-Bundesprogramm (z.B. für die S21).
Allerdings muss beachtet werden, dass mit dem Vorhandensein einer externen Finanzierungsmöglichkeit noch kein Finanzierungs- oder Realisierungsanspruch eines bestimmten Berliner
Projektes verbunden ist. Auch diese Finanzierungsquellen sind begrenzt. Die Mittel müssen in
der Regel einzeln beantragt werden und stehen in starker Konkurrenz zu anderen beantragten
Projekten.
Erste Berechnungen anhand dieser Kriterien ergaben einen Finanzbedarf, dessen Höhe den
Verfügungsrahmen aller drei Szenarien überschritt. Um dem Anspruch der Umsetzbarkeit und
Finanzierbarkeit gerecht zu werden, wurde daraufhin der Maßnahmenkatalog kritisch überprüft. Im Zuge dessen wurde für einen Teil der Maßnahmen eine Kostenanpassung vorgenommen, beispielsweise durch Verschiebung von Maßnahmen in die Langfristoptionen, durch
Reduzierung jährlicher Mittelvolumen für langfristige Maßnahmen oder durch Überprüfung
der externen Förderungsfähigkeit von Projekten. Im Ergebnis wurden die in Tabelle 3 aufgeführten Maßnahmen des StEP Verkehr den Szenarien zum verfügbaren Finanzvolumen gegenüber gestellt.
Ein Teil der betrachteten Maßnahmen gilt als „gesetzt“. Dies betrifft die Daueraufgaben (Erhalt
und Betrieb der Netze, Bestellung von Verkehrsleistungen), einen Teil der Straßenbahnneubauprojekte, die in der Planung bereits weit fortgeschritten sind sowie den Abbau des Instandhaltungsrückstands in allen Netzen. Für den öffentlichen Verkehr ist eine weitere Verschiebung
des Abbaus des Instandhaltungsrückstands keine Handlungsoption, da daraus weitere finanzielle und verkehrliche Risiken erwachsen würden (z.B. Attraktivitätsverlust des ÖPNV aufgrund
von Langsamfahrstellen, Ausfall von Fahrleistungen, höhere Betriebskosten für die Infrastruktur
sowie schleichende Ansammlung „kleiner“ Beträge für Not- und kurzfristige Reparaturmaßnahmen, deren Aufwendung keinerlei finanzielle Nachhaltigkeit aufweist). Wird der Instandhaltungsrückstand der Straße nicht gezielt abgebaut, werden die Kosten für die Beseitigung
unterlassener Instandhaltung ebenfalls immer höher. Zudem leidet auch hier die Leistungsfähigkeit des Netzes für den Personen- und Wirtschaftsverkehr, und es kommt aufgrund
schlechter Fahrbahnbeläge zu einer Steigerung der Lärmbelastung.
55
Tabelle 3: Aus Landesmitteln zu finanzierende Maßnahmen des StEP Verkehr bis 2025
StEP-Maßnahme
Kosten
(Mio. €)
Anmerkungen
Umgestaltung Leipziger Straße/Grunerstraße
16 ca. Landesanteil
Umgestaltung von Straßen als Komplementär zu Netzergänzungen (“Einlösung Entlastungsdividende”)
25 alle im StEP-Maßnahmenkatalog benannten Streckenabschnitte, Circa-Wert für Gesamt-Volumen
Verbindungsstraße zwischen Alt-Karow und B2
7 nur über Landesfinanzierung möglich
Erweiterung Hauptstraße (im Zusammenhang mit Umbau
Ostkreuz)
4
U5 Lückenschluss
Brandenburger Tor – Rotes Rathaus
383 Restkosten 433 Mio. € abzüglich 50 Mio. € aus Hauptstadtvertrag
Nordbahnhof – Hauptbahnhof
21 gesetzte Maßnahmen
Wühlischplatz – (Ostkreuz) – Marktstraße
13
Alexanderplatz – Kulturforum
47
Treskowstraße – Bahnhof Mahlsdorf
13
Hauptbahnhof – U-Bahnhof Turmstraße
25 nicht-gesetzte Maßnahmen
Wissenschaftsstadt – Schöneweide, Sterndamm
20
Umsetzung der Konzeption zur Förderung des Fußgängerverkehrs
50 zwischen 3 und 3,5 Mio. € jährlich; Maßnahme beinhaltet eine
Reihe Einzelmaßnahmen, u. a. Programm „Fußgängerüberwege“, Modellprojekte der Fußverkehrsstrategie, Programm zur
Barrierefreiheit öffentlicher Räume, Verstetigung von Förderprojekten
Umsetzung der Berliner Radverkehrsstrategie
100 Weiterführung der laufenden Maßnahmen sowie Umsetzung
neuer und Modellprojekte zur Förderung des Radverkehrs
Straße: Abbau Instandhaltungsrückstand
290 20 Mio. € jährlich zusätzlich ab 2012 plus Kosten für Aufbau
und Betrieb eines Systems zum Erhaltungsmanagement
(ab 2012)
ÖPNV: Abbau Instandhaltungsrückstand bei U-Bahn/Straßenbahn
800 ÖPNV-Investitionsmittel des Landes, die der BVG zur Verfügung
gestellt werden. Entsprechen in etwa jährlich 50 Mio. € für
U- und Straßenbahn
Straße: Betrieb, Unterhalt, Grundsanierung
2.240 140 Mio. € jährlich (fortgeschrieben aus vergangenen
Investitionen) (abgeschätzt, sichere Datengrundlage nicht
verfügbar)
56
IV Das Handlungskonzept
StEP-Maßnahme
Kosten
(Mio. €)
ÖPNV: Verkehrsleistung (U-Bahn, Straßenbahn, Bus, Fähre)
Anmerkungen
370 auf Basis des bestehenden Verkehrsvertrags (250 Mio. € p.a.,
abzüglich des Anteils, der aus den – hier nicht mitbetrachteten
2.800 – Regionalisierungsmitteln finanziert wird)
ÖPNV: Betrieb und Erhalt Infrastruktur (Basis VV)
Grunderwerb für Trassenfreihaltung
16 1 Mio. € pro Jahr (Fortschreibung der derzeit in etwa aufgebrachten jährlichen Summe (unterliegt Schwankungen))
ÖPNV: Weitere Investitionsvorhaben des Landes
235 Maßnahmen, die der Qualifizierung und Anpassung des ÖPNVNetzes an Nachfrage und verkehrspolitischen Zielen dienen
(z.B. Beschleunigung, Verbesserung der Zugänglichkeit,
Herstellung der Barrierefreiheit), Netzverknüpfung
Gesamt
7.475
in heutigen Preisen
Die Summe des Finanzierungsbedarfs der betrachteten Maßnahmen beträgt rund 7,5 Mrd. €
für den Zeitraum 2010–2025, wobei der überwiegende Anteil (ca. 7,2 Mrd. €) bereits für die als
„gesetzt“ bezeichneten Maßnahmen benötigt wird.
IV.3.3 Abgleich Verfügungsrahmen und Finanzierungsbedarf
Stellt man den ermittelten Finanzierungsbedarf von rund 7,5 Mrd. € den drei Szenarien gegenüber, so sind die Maßnahmen im Rahmen des optimistischen Eckszenarios finanzierbar. Der
Finanzierungsbedarf überschreitet jedoch das mittlere Szenario sowie das pessimistische
Eckszenario (Abbildung 8).
Abbildung 8: Finanzierungsbedarf für StEP-Maßnahmen bis 2025 vs. verfügbare Mittel (Szenarien)
8.000
7.000
7.475
7.606
7.000
6.576
6.000
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
0
in Mio. €
Finanzierungsbedarf
Gesamt
Verfügungsrahmen
„Optimistisches
Eckszenario“
Verfügungsrahmen
„Mittleres
Eckszenario“
Verfügungsrahmen
„Pessimistisches
Eckszenario“
Gesamtzeitraum 2010–2025, in heutigen Preisen
57
Die nähere Betrachtung der Zusammensetzung des Finanzierungsbedarfs bzw. der Anteile der
einzelnen Maßnahmen (vgl. Abbildung 9) zeigt, dass die als „Daueraufgabe“ bezeichneten Ausgaben für Betrieb und Instandhaltung der landeseigenen Netze (Straße und ÖPNV) sowie die
Bestellerentgelte für Verkehrsleistungen bei U-Bahn, Straßenbahn, Bus und Fähre bereits den
überwiegenden Teil des Mittelbedarfs ausmachen (ca. 72 Prozent)2. Weitere 15 Prozent des
Finanzbedarfs resultieren aus den angesetzten Summen für den Abbau des Instandhaltungsrückstands in allen Netzen. Die Neubauprojekte der Straßenbahn machen ca. 2 Prozent des
Finanzbedarfes aus, der Lückenschluss bei der U5 benötigt darüber hinaus ca. 5 Prozent der
Mittel. Weitere ÖPNV-Investitionen des Landes tragen mit etwa 3 Prozent, die Maßnahmen zur
Verbesserung des Rad- und Fußverkehrs mit zusammen ca. 2 Prozent zum Bedarf bei. Auf die
Maßnahmen im Bereich Straße (Neubau – soweit in dieser Zusammenstellung betrachtet –
sowie Auszahlung der Entlastungsdividende) und die Kosten für die Trassenvorhaltung entfällt
etwa 1 Prozent des Mittelbedarfs.
Abbildung 9: Zusammensetzung des Finanzierungsbedarfs der StEP-Maßnahmen bis 2025 vs. verfügbare
Mittel (in Mio. €)
Mittelbedarf für weitere
notwendige Maßnahmen:
ca. 263 Mio. €
„Gesetzte“
Maßnahme:
ca. 7.212 Mio. €
n Weitere notwendige Maßnahmen
- Rad-/Fußverkehr
- Einlösung Entlastungsdividende
- Weitere Neubaustrecken Straßenbahn
- Neubau von Straßen
- Grunderwerb Trassenfreihaltung
8.000
7.000
n
n
n
n
n
n
n
6.000
5.000
4.000
3.000
ÖPNV: Weitere Investitionsvorhaben des Landes
Neubaustrecken Straßenbahn (gesetzt):
- Alexanderplatz – Kulturforum
- Nordbahnhof – Hauptbahnhof
- Ostkreuz
- Treskowstraße – Bahnhof Mahlsdorf
U5 – Lückenschluss
ÖPNV Abbau Instandhaltungsrückstand
ÖPNV Daueraufgabe: Verkehrsleistung und Betrieb Infrastruktur (Verkehrsverträge)
Straße: Abbau Instandhaltungsrückstand
Straße: Daueraufgabe Betrieb, Unterhalt,
Grundsanierung
2.000
1.000
0
in Mio. €
Finanzierungsbedarf
Gesamt
„Optimistisches
Eckszenario“
„Mittleres
Eckszenario“
„Pessimistisches
Eckszenario“
Gesamtzeitraum 2010–2025, in heutigen Preisen
Nach Abzug aller „gesetzten“ Maßnahmen verbleibt im optimistische Eckszenario ein restlicher
Verfügungsrahmen in Höhe von rund 395 Mio. €. Dem gegenüber steht ein Mittelbedarf von
ca. 263 Mio. € für weitere zentrale Maßnahmen, die zwar nicht als „gesetzt“ betrachtet wurden,
die aber für die Erreichung der Ziele des StEP Verkehr eine hohe Bedeutung haben. Zu diesen
gehören weitere Straßenbahnstrecken, einige wenige nicht über GRW finanzierbare Straßenprojekte sowie sämtliche Maßnahmen im Rad- und Fußverkehr, die Einlösung der Entlastungsdividende und der Grunderwerb für die Trassenfreihaltung.
Im optimistischen Eckszenario sind die „gesetzten“ ebenso wie die weiteren Maßnahmen finanzierbar. Beim mittleren Szenario besteht bereits durch die „gesetzten“ Maßnahmen eine Unterfinanzierung von rund 212 Mio. € und beim pessimistischen Eckszenario von rund 635 Mio. €.
58
2
Hierfür wurden die im Verkehrsvertrag zwischen dem Land
Berlin und der BVG AöR (Laufzeit: Januar 2008 bis August
2020) vereinbarten Ausgleichszahlungen für Verkehrsleistung und Infrastrukturvorhaltung bis in das Jahr 2025
fortgeschrieben. Infrastrukturerhalt bei S- und Regionalbahn sowie Bestellerentgelte im SPNV sind nicht mit
betrachtet worden, da diese direkt bzw. über Trassenpreise
zweckgebunden aus Regionalisierungsmitteln finanziert
werden.
IV Das Handlungskonzept
IV.3.4 Schlussfolgerungen des Finanzabgleichs
Der Abgleich der (auf szenarischer Grundlage ermittelten) verfügbaren Mittel mit dem absehbaren Mittelbedarf für die Maßnahmen des StEP Verkehr bestätigt grundsätzlich die Finanzierbarkeit des Handlungskonzepts. Allerdings hängt dies stark davon ab, dass es gelingt, den
absehbaren Risiken auf der Einnahmeseite so zu begegnen, dass weiterhin Spielräume für die
Gestaltung des Stadtverkehrs bestehen und ausgenutzt werden können. Da der verfügbare
Finanzrahmen für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur aber unter den künftigen Rahmenbedingungen abnehmen, der Finanzbedarf hingegen eher noch zunehmen kann, liegt eine
weitere wesentliche Anforderung für die Verkehrsplanung der nächsten Jahrzehnte darin, die
Effizienz von eingesetzten Mitteln und Maßnahmen zu erhöhen, Synergieeffekte noch stärker
zu suchen und zu nutzen und vor allem diejenigen Maßnahmen zu priorisieren, die langfristig
verkehrlichen Nutzen, hohes Zielerreichungspotenzial und Wirtschaftlichkeit miteinander in
Einklang bringen.
In dieser Hinsicht kommt dem weiteren Abbau des Instandhaltungsrückstands eine wesentliche Bedeutung zu. Der „Werteverzehr“ durch unterbliebene Instandhaltung muss über eine
Verstetigung der zur Verfügung stehenden Finanzmittel gestoppt werden, um wirtschaftliche,
umweltfreundliche und den sozialen Zielstellungen des Landes entsprechende Verkehre anbieten zu können. Dafür ist die kontinuierliche Aufwendung der dafür notwendigen Finanzmittel zentrale Voraussetzung. Eine Streckung des Abbauzeitraums kann ggf. erforderlich
werden, wobei der Zustand der Netze die Bereitstellung angemessener Verkehrs- und Angebotsqualitäten nicht beeinträchtigen darf.
Wenngleich der Instandhaltung Priorität vor Neubau zugemessen wird, darf sich Verkehrspolitik nicht auf die Beibehaltung des Status Quo beschränken. Wo Netzqualifizierungen,
-anpassungen und -ergänzungen sinnvoll sind (für die Verbesserung von Verbindungsqualitäten, Abbau von Reisezeitdifferenzen, Herstellung notwendiger Erreichbarkeiten für
Personen- und Wirtschaftsverkehr, Bündelung von Verkehren etc.), müssen die erforderlichen
Investitionen auch weiterhin geleistet werden können.
Um derartige Gestaltungsspielräume zu erhalten oder zu öffnen, muss langfristig auch über
ergänzende Finanzierungsinstrumente für den Stadtverkehr nachgedacht werden.
59
IV.4 Teilstrategien
IV.4.1 Teilstrategie Förderung des Umweltverbundes
Analyse: Probleme und Handlungsbedarf
1. Den steigenden Anteilen des Umweltverbundes (öffentlicher Verkehr, Radverkehr, Fußverkehr) am gesamten Verkehr steht eine heterogene Entwicklung bei den einzelnen Verkehrsträgern sowie in Bezug auf die Teilräume der Stadt gegenüber. Auf gesamtstädtischer Ebene ist
insbesondere der Radverkehr stärker als erwartet gewachsen, der Fußverkehr zeigte einen
leichten Anstieg, der ÖPNV hat seinen Anteil gehalten. Vor allem in Teilgebieten der äußeren
Stadt ist die dominante Stellung des MIV jedoch – u. a. aufgrund seines Geschwindigkeitsvorteils bei Wegen aus bzw. in diese Räume – nach wie vor unangefochten. Ursachen dafür sind
ebenfalls die kleinräumige Funktionsentmischung, Dichtereduzierung vor allem in peripheren
Großsiedlungen sowie die Randwanderung der Bevölkerung und eine weitere Zunahme der
Berufspendler.
2. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen, wie Erwerbs- und Einkommensentwicklung, Flexibilisierung der Arbeitswelt und die Internationalisierung der Bevölkerung,
sind verkehrswirksam und verändern vor allem die zeitliche und räumliche Nachfrage nach
Verkehrsangeboten. Demographische Veränderungen, insbesondere die Zunahme älterer
und hochaltriger Menschen insgesamt und die bezirklich und kleinräumig sehr heterogen
verlaufenden Entwicklungen bei den Schülerzahlen, erhöhen die Anforderungen an Barrierefreiheit und schaffen Bedarf nach neuen Verkehrsangeboten.
3. Die Erschließung neuer Fahrgastpotenziale ist eine wesentliche Voraussetzung für die
weitere Stabilisierung und Erhöhung der Anteile des ÖPNV. Da die Ausgleichszahlungen für
den ÖPNV über den bestehenden Verkehrsvertrag gedeckelt sind, können Attraktivitätssteigerungen und Angebotsverbesserungen nur begrenzt durch Leistungsausweitungen erzielt
werden. Die Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung sowie steigender Bedarf für Investitionen in Erhalt und Grundsanierung der Infrastruktur schränken die finanziellen Handlungsspielräume weiter ein. Attraktivitätssteigerungen im ÖPNV lassen sich daher nur begrenzt und
fast ausschließlich über die Optimierung bestehender Angebote erreichen.
4. Vor allem in der Innenstadt sind aufgrund der überproportionalen Zunahme des Radverkehrs die Kapazitätsgrenzen der Radverkehrs-Infrastruktur teilweise erreicht. Bike+RideAnlagen, die die Kombinationsmöglichkeiten des Rads mit dem ÖPNV verbessern sollen, und
Fahrradabstellplätze an Haltestellen sowie an bestimmten, von Radfahrern hoch frequentierten
Zielorten sind häufig überfüllt. Radwege sowie vor allem Aufstellflächen an Knotenpunkten
sind häufig überlastet. Die Fahrradmitnahme ist insbesondere im SPNV auf einzelnen Streckenabschnitten und zu bestimmten Tageszeiten konfliktträchtig. Die Potenziale des Radverkehrs
als umweltfreundliches Verkehrsmittel besonders auf Kurzstrecken sind zugleich nicht ausgeschöpft.
5. Fast die Hälfte der in Berlin lebenden Haushalte besitzt keinen Pkw. Die Sicherung gleichwertiger Mobilitätschancen für Menschen mit und ohne Auto bleibt daher auch weiterhin ein
erklärtes Ziel der Berliner Verkehrspolitik. Darüber hinaus sollen vor allem wahlfreie Haushalte
mit Pkw dazu animiert werden, verstärkt den Umweltverbund zu nutzen. Um dies zu erreichen,
müssen bei Planung und Kommunikation auch emotionale Faktoren (Prestige, Komfort, Individualität etc.) adressiert werden.
Lösungsstrategie
1. Die strategischen Ansätze des FNP sowie die Vorgaben der Gemeinsamen Landesplanung
sind weiterhin zentrale Voraussetzungen, um eine Raumordnung und Siedlungsentwicklung
zu gewährleisten, welche die verkehrlichen Zielstellungen insbesondere für den Umweltverbund unterstützen. Nachverdichtungen sowie die Ausrichtung von Standorten für Wohnen,
60
IV Das Handlungskonzept
Gewerbe oder sozialer Infrastruktur an bestehenden und hochwertigen ÖPNV-Anbindungen
sind wichtige Stellschrauben zur Stärkung des Umweltverbundes. Im äußeren Stadtraum sowie
dem Umland soll die Entwicklung sich an schienenverkehrsnahen Standorten fokussieren.
Zudem müssen die Standortentscheidungen von Unternehmen und anderen großen Verkehrserzeugern weiterhin kontinuierlich im Hinblick auf ihre Folgen für die Verkehrsentwicklungsplanung betrachtet bzw. gestaltet werden. Durch Verbesserung der Zuordnung von Wohnen
und Arbeiten, die Stärkung der Polyzentralität und die Sicherung der Nahversorgung in den
Quartieren kann die Entstehung zusätzlichen Verkehrs weiterhin begrenzt bzw. die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass dieser mit dem Umweltverbund bedient werden kann.
Eine Einbeziehung des Brandenburger Umlandes in die strategische Entwicklung und Umsetzung ist dabei zwingend geboten, da groß- und kleinräumige Maßnahmen in verschiedenen
politischen Handlungsfeldern ineinander greifen müssen und Maßnahmen innerhalb und
außerhalb der Stadtgrenze komplementär wirken.
2. Verschiebungen in der zeitlichen Nachfrage müssen angebotsseitig aufgenommen und
umgesetzt werden. Dies bedeutet vor allem im ÖPNV eine Ausdehnung von Angeboten in den
Abendstunden und an Wochenenden auf nachfragestarken Relationen. Um mehr Flexibilität
und eine bessere Übereinstimmung mit den sich verändernden Mobilitätsansprüchen zu erzielen, ist eine stärkere Integration der Angebote der Verkehrsträger des Umweltverbundes
(ÖPNV, SPNV, Rad- und Fußverkehr sowie öffentliche Räder) untereinander sowie mit dem
Carsharing nötig. Durch die barrierefreie Aus gestaltung des Gesamtverkehrssystems können
ältere Menschen dem öffentlichen Verkehr als Fahrgäste erhalten bleiben bzw. neu hinzu
gewonnen werden. Durch gezielte Maßnahmen im Straßenraum können die entsprechenden
Möglichkeiten geschaffen werden, dass die Menschen auch im hohen Alter selbstbestimmt
mobil bleiben können. Ziel ist es, auch unter engen finanziellen Rahmenbedingungen der Vielfältigkeit der Lebenssituationen der Menschen im Stadtgebiet Rechnung zu tragen und gleichwertige Mobilitätschancen zu sichern.
3. Eine (gezielt geförderte) Ausweitung der ÖPNV-Nachfrage lässt sich z.B. durch kürzere
Reisezeiten, leichtere Zustiegs- und Umsteigemöglichkeiten und sozial verträgliche Fahrpreise
erreichen. In Teilen bedingt dies die Schaffung neuer Infrastruktur, vor allem für die weitere
Netzverknüpfung (z.B. Umbau des Bahnhofs Ostkreuz und dessen straßenbahnseitige Anbindung, Verschiebung des U-Bahnhofs Warschauer Straße). Bei hoher Nachfrage und entsprechend absehbarer Wirtschaftlichkeit sind auch Netzergänzungen sinnvoll. Dies betrifft zum
Beispiel bei der Straßenbahn die Strecken zwischen Nordbahnhof und Hauptbahnhof sowie
vom Alexanderplatz zum Kulturforum. Ebenfalls als fahrgastwirksam und nachfragesteigernd
eingeschätzt werden der Bau der S21 vom Westhafen und Wedding zum Hauptbahnhof und
weiter zum Potsdamer Platz, die schienenseitige Anbindung des Flughafens Berlin Brandenburg und die Verlängerung der U5 vom Hauptbahnhof zum Alexanderplatz. Bei der Erweiterung des An-gebotes an öffentlichen Verkehren erfordert der abnehmende Finanzierungsspielraum eine Schwerpunktverlagerung auf Maßnahmen mit hoher Verkehrswirksamkeit und baldiger Realisierbarkeit, die den Umweltverbund als Ganzes gegenüber dem MIV stärken. Eine
zentrale Maßnahme für die Steigerung der Attraktivität und Leistungsfähigkeit des ÖPNV ist
die konsequente Umsetzung der Beschleunigung bei Bus und Straßenbahn. Dabei gilt es, die
Anforderungen des Rad- und Fußverkehrs angemessen mit zu betrachten, so dass der Interessensausgleich bei der LSA-Steuerung in erster Linie zugunsten des Umweltverbundes erfolgt.
In zweiter Linie ist bei eventuell auftretenden Zielkonflikten zwischen ÖPNV, Rad- und Fußverkehr eine Abwägung zu treffen, die grundsätzliche strategische Erwägungen ebenso berücksichtigt, wie die jeweilige konkrete Situation an der betreffenden LSA. Neben der Schaffung von
Anreizen für das Umsteigen auf den Umweltverbund werden auch weiterhin Maßnahmen
notwendig sein, die als treibende Faktoren – durch Restriktionen oder negative Anreize – die
modale Verlagerung forcieren. Dies kann auch die Umverteilung von Flächen im öffentlichen
Straßenraum beinhalten.
61
4. Erfolgversprechende Ansätze zur weiteren Steigerung von Rad- und Fußverkehr liegen
darin, einen größeren Anteil am öffentlichen (Straßen-)Raum für diese Verkehrsarten bereit zu
stellen, die Infrastruktur für das gesamte „System Fahrrad” (Wege, Wegweisung, Stellplätze,
Service) auszubauen und die Möglichkeiten der Kombination von Fahrrad und öffentlichem
Verkehr zu verbessern. Auch beim Fußgängerverkehr bestehen Steigerungspotenziale, wenn
Sicherheit, Bequemlichkeit und Attraktivität der öffentlichen Räume erhöht werden. Eine
gestalterische Aufwertung der Straßenräume kommt auch den übrigen Nutzungen (Wohnen,
Einzelhandel etc.) und somit allen Bürgerinnen und Bürgern zugute.
5. Zur Unterstützung der o.g. Maßnahmen, die auf Verbesserungen der „hardware” setzen,
sind Strategien erforderlich, die die so genannten „weichen“ Faktoren von Mobilitätsentscheidungen gezielt berücksichtigen. Insbesondere soll den neu in die Stadt Zuziehenden sowie
Menschen in biographischen Umbruchsituationen (Wechsel von Schule ins Ausbildungs-/
Berufsleben, Familiengründung, Jobwechsel, Wohnortwechsel, Renteneintritt) die Möglichkeit
geboten werden, Routinen zu brechen und ihre Alltagsmobilität stärker auf den Umweltverbund auszurichten. Gleichzeitig muss beim Image des öffentlichen und des nicht-motorisierten
Verkehrs im Sinne einer „kulturellen Aufwertungsstrategie” angesetzt werden, so dass diese
Verkehre dem MIV als attraktive Alternative gegenüber stehen.
Die wichtigsten Maßnahmen zur Zielerreichung
n Nachverdichtung und Wiedernutzung brachgefallener bereits erschlossener Flächen
n Konsequente Konzentration der Siedlungsentwicklung auf Siedlungsachsen entlang von
Schienenkorridoren
n Stärkung der Nahversorgung in den bezirklichen Zentren durch Anwendung der Aus
führungsvorschriften für bezirkliche Zentrenkonzepte, Sicherung der Feinerschließung
n Entwicklung von Nachverdichtungsstrategien entlang vorhandener Schienenerschließung
im Stadtgebiet
n Gestaltung des ruhenden Verkehrs: „Masterplan Parken“, Parkraummanagement, Teilumwandlung von Parkplätzen in bewirtschafteten Gebieten (Ladezonen, Gehwege, Fahrradabstellplätze), Verordnung über Stellplätze unter Beachtung der Anforderungen unterschiedlicher Nutzungen und der Qualität der ÖPNV-Erschließung
n Fortschreibung und Weiterführung der Radverkehrsstrategie, Umsetzung des bewährten
Maßnahmerepertoires und Durchführung von Pilotprojekten, Erhöhung der Netzdichte
für den Radverkehr
n Entwicklung und Weiterführung der Fußverkehrsstrategie
n Maßnahmen zur Bevorrechtigung der Verkehrsträger des Umweltverbundes: Verstärkte
Berücksichtigung der Belange des Umweltverbunds gegenüber dem MIV bei der Konzeption bzw. Überarbeitung der Schaltpläne für LSA: Zielorientierte Abwägung zur Herstellung des notwendigen Interessensausgleichs zwischen ÖPNV, Fuß- und Radverkehr
n Verbesserung der verkehrsträger- und unternehmensübergreifenden Anschlusssicherung
im ÖPNV/SPNV
n Entwicklung einer Konzeption zur Unterstützung des Mobilitätsmanagements: ziel
gruppenspezifische Mobilitätsberatung (Senioren, Zu- und Umziehende etc.), betriebliches Mobilitätsmanagement
n Förderung der Kombination von Pkw- bzw. Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung: Bau zusätzlicher
und Ausbau vorhandener Fahrradabstellplätze, Ausbau des Angebots öffentlicher Leihfahrräder, Ausweitung des Carsharings
n Neubau von Straßenbahnstrecken und Netzergänzung tangentialer Straßenbahnstrecken
n Neubau von Strecken und Bahnhöfen für den S-Bahnverkehr
n Neubau von Strecken und Bahnhöfen für den Regionalverkehr
62
IV Das Handlungskonzept
IV.4.2 Teilstrategie Unterstützung des Wirtschaftsverkehrs
Analyse: Probleme und Handlungsbedarf
1. Wirtschaftsverkehr (als Summe von Personenwirtschaftsverkehr und Güterverkehr) weist
eine hohe Dynamik auf. Die Struktur des Wirtschaftsverkehrs sowie das daraus resultierende
Verkehrsaufkommen sind das Ergebnis gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen, die auf städtischer Ebene nur bedingt beeinflussbar sind. In Berlin und in der gesamten Hauptstadtregion
spielt darüber hinaus die Frage, inwieweit das vorhandene hohe Potenzial als Standort für
Industrie und Gewerbe besser ausgenutzt werden kann, eine wesentliche Rolle hinsichtlich
der zukünftigen Entwicklungen. Wirtschaftsverkehr wird maßgeblich durch die handelnden
Akteure gestaltet, d.h. durch die Unternehmen und ihre Beschäftigten. Dabei ist es nachvollziehbar, dass Unternehmen einen eher betriebswirtschaftlichen Fokus einnehmen, anstatt die
gesamtstädtische Sicht und das Allgemeinwohl der Berlinerinnen und Berliner in den Mittelpunkt zu stellen. Dieses unternehmenszentrierte Verhalten führt jedoch nur selten zu verkehrlich optimalen Lösungen im Sinne eines integrierten Gesamtsystems. Nichtsdestotrotz ist ein
funktionierender Wirtschaftsverkehr von zentraler Bedeutung für Berlin, dies gilt für den kleinteiligen Lieferverkehr bis hin zu Schwerlasttransporten, letzteres gerade auch vor dem Hintergrund der angestrebten Weiterentwicklung Berlins als Industriestandort. Die Interessen des
Personenverkehrs und des Wirtschaftsverkehrs gilt es daher gleichberechtigt bei der Bewertung von Problemen und Maßnahmen abzuwägen.
2. Der Wirtschaftsverkehr hat in den letzten Jahren erheblich von den umgesetzten Maßnahmen zur Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur profitiert, vor allem in Bezug auf die verbesserte
Anbindung der Innenstadt sowie hinsichtlich des Abbaus von Erreichbarkeitsdefiziten. Gleichwohl ist es für eine zukunfts- und wettbewerbsfähige Wirtschaft erforderlich, die nach wie vor
vorhandenen Defizite in der Erreichbarkeit von Wirtschaftstandorten, insbesondere im östlichen Stadtgebiet, abzubauen. Hinzu kommt, dass es u. a. aufgrund von vereinzelten Kapazitätsengpässen, fehlenden Netzverknüpfungen, aber auch wegen Konkurrenzen bei der Nutzung des Verkehrsraumes (mit privatem und öffentlichem Verkehr) auch weiterhin Stockungen
im Verkehrsfluss gibt. Diese werden durch den Wirtschaftsverkehr mit verursacht, er fällt ihnen
jedoch auch zum Opfer. Davon betroffen sind vor allem Hauptradialen in der äußeren Stadt,
einige Innenstadtstrecken und Verkehrsknoten. Zudem ist der Verkehr mit schweren Nutzfahrzeugen maßgeblich am Verschleiß städtischer Straßen und Brücken beteiligt. Daraus erwachsende notwendige Investitions-, Unterhalts- und Betriebskosten müssen zu überwiegenden
Teilen über den Landeshausalt abgedeckt werden. Auch die Schienenwege der DB AG und
nicht-bundeseigener Bahnen, Wasserwege sowie Umschlagstellen weisen in Teilen erhebliche
Instandhaltungs- und Modernisierungsrückstände auf.
3. Schienenwege für den Güterverkehr waren in den letzten Jahren weitgehend einer kurzfristigen Marktanpassung seitens der Eigentümer unterworfen. So wurde häufig Infrastruktur
dort, wo keine unmittelbare Nachfrage herrschte, aufgegeben. Ein Teil der ehemals bahnaffinen Gewerbestandorte ist mit Nutzungen belegt, für die auch in Zukunft keine Schienenanbindung mehr benötigt wird. Dennoch ist es gelungen, wichtige bahnseitige Infrastruktur zu
erhalten bzw. neue zu aktivieren (z.B. Westhafen). Für die in Berlin tätigen NE-Bahnen besteht
ein ausgebautes System an Zugangsstellen zum Netz der DB AG. Teilweise bestehen aber
Kapazitätsengpässe in der Infrastruktur, beispielsweise im Bereich des Güterbahnhofs Ruhleben.
Der langsame Ausbau der Binnenwasserstraßen und der zugehörigen Bauwerke lässt die
Investitionen hier erst sehr langfristig wirksam werden. Mittlerweile weisen alle Brücken aus
Richtung Westen bis zum Berliner Südhafen Spandau und dem Westhafen eine Brückendurchfahrtshöhen von mindestens 4,50 m auf, wodurch grundsätzlich ein zweilagiger Containerverkehr (beispielsweise vom/zum Hafen Hamburg) möglich ist und damit konkurrenzfähige
Angebote eher möglich werden.
63
4. Innerstädtischer Lieferverkehr wie auch der Personenwirtschaftsverkehr zeichnen sich
durch eine hohe Kfz-Affinität sowie absehbaren Wachstumstendenzen aus. Eine weiterhin
zunehmende Kleinteiligkeit und Diversifizierung von Lieferungen sowie die auf schnelle und
flexible Lieferung ausgerichteten Anforderungen der Konsumentinnen und Konsumenten
bedingen eine abnehmende Bündelungsfähigkeit von Lieferungen. Die hohe Bedeutung des
Dienstleistungssektors und eine steigende Nachfrage nach Serviceleistungen, für die sowohl
gewerbliche wie auch privat zugelassene Fahrzeuge zum Einsatz kommen, erhöhen absehbar
die hiermit verbundenen Verkehre. Allerdings wird bereits heute ein Teil der Wege im Personenwirtschaftsverkehr auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt. Bei überregionalen
Verkehren spielt die Bahn die entscheidende Rolle, da gerade für Dienst- und Geschäftsreisen
die schnellen Bahnverbindungen von und nach Berlin attraktive Alternativen zum MIV und
dem Flugzeug darstellen. Im Binnenverkehr können weitere Teile des Personenwirtschaftsverkehrs, die nicht durch intensive Materialmitnahme gekennzeichnet sind, (teilweise) auch
mit dem ÖPNV, dem Rad oder sogar zu Fuß abgewickelt werden.
5. Die wachsenden Übernachtungs- und Besucherzahlen machen den Tourismus zu einem
der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren für Berlin. Der Wirtschaftsverkehr beinhaltet dabei
auch Verkehre, die in direktem Zusammenhang mit Berlins steigender Bedeutung als europäischer Tourismusmetropole stehen. So hat das hohe Reisebusaufkommen an touristisch
attraktiven Orten sowie an innerstädtischen Standorten mit zahlreichen Hotels und Gaststätten – vor allem zu Stoßzeiten – Nutzungskonflikte an zentralen Zielorten zur Folge.
6. Die Berliner Wirtschaft ist funktional wie verkehrlich eng mit dem Land Brandenburg verflochten. Lebendiger Ausdruck dessen ist für den Güterverkehr auch die gute Entwicklung der
im Umland befindlichen Güterverkehrszentren (GVZ) und der wachsende Containerumschlag
an diesen Standorten. Der Güterumschlag auf umweltverträgliche und leistungsfähige Verkehrsträger bzw. eine Bündelung der Lieferungen in die Innenstadt blieb bislang jedoch hinter
den Zielvorstellungen des Landes Berlin zurück. Statt dessen haben sich transportintensive
(Groß-)Betriebe aus der Stadt heraus verlagert und an den GVZ Standorten konzentriert, was
zu einer Veränderung im Gefüge der schweren Güterverkehre führt. Die Verteilung in die Stadt
erfolgt (nahezu) ausschließlich über das Straßennetz und trägt damit noch nicht im gewünschten Maße zur verkehrlichen Entlastung Berlins bei.
7. Der mit Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg zu erwartende Anstieg der Luftfracht eröffnet wirtschaftliche Potenziale für die Region, birgt jedoch auch eine Reihe von
Herausforderungen für den Wirtschaftsverkehr. Einerseits betrifft dies die lokalen Lärm- und
Schadstoffemissionen durch den Lufttransport. Andererseits muss mit einem signifikanten
Anteil an Luftfracht-Ersatzverkehren gerechnet werden, d.h. mit einer Zunahme von als Luftfracht deklarierten Ladungen, die jedoch aus verschiedenen Gründen ganz oder teilweise über
die Straße mit (schweren) Nutzfahrzeugen abgewickelt werden (sogenanntes Trucking). Durch
diese zusätzlichen Verkehre im Netz werden weitere Kapazitätseinschränkungen und verkehrsbedingte Emissionen wirksam.
8. Wirtschaftsverkehr, vor allem auf der Straße, ist heute einer der Hauptverursacher von
Gesundheits- und Umweltbelastungen in der Stadt. Laut den Untersuchungen des Luftreinhalteplans stammen etwa zwei Drittel des lokal im Verkehr erzeugten Feinstaubs (PM10) aus
Lkw-Verkehren (Motoremissionen und Reifenabrieb). Dieselfahrzeuge, vor allem Lkw, verursachen zudem etwa die Hälfte der lokal im Verkehr erzeugten Stickstoffdioxid-Emissionen
(NO2). Auch der Straßenverkehrslärm wird wesentlich von Wirtschaftsverkehren mit beeinflusst.
Bereits bei einem Lkw-Anteil von 5 Prozent ist dessen Beitrag zur Gesamtlärmbelastung etwa
genauso hoch wie der des Pkw-Verkehrs. Verkehrszählungen für Berlin (u. a. im Rahmen der
Lärmaktionsplanung) weisen für ein Achtel des Untersuchungsnetzes Lkw-Anteile von über
5 Prozent auf.
64
IV Das Handlungskonzept
Lösungsstrategie
1. Für die Unterstützung des Wirtschaftsverkehrs auf der einen und seine stadtverträgliche
Gestaltung auf der anderen Seite ist es die Aufgabe der öffentlichen Hand, die entsprechenden
Ziele zu definieren und Rahmenbedingungen zu setzen. Darüber hinaus muss sie die notwendigen Anstöße geben, damit es auch aus Sicht der Stadt zu einer effizienten Abwicklung des
Wirtschaftsverkehrs kommen kann, welche sowohl der Bedeutung dieses Verkehrsbereichs für
Wertschöpfung und Wohlstand als auch den Anforderungen an Stadtqualitäten gerecht wird.
Das „Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept“ stellt die zentrale Grundlage des planerischen
Handlungsfelds aus Sicht der Stadt dar. Es wird vor dem Hintergrund der sich wandelnden
Rahmenbedingungen fortgeschrieben.
2. Die (infrastrukturelle) Sicherung der Erreichbarkeit von Quellen und Zielen des Wirtschaftsverkehrs sowie des Schwerlastverkehrs an ausgewählten Standorten (einschließlich der
Potentialflächen gemäß StEP Industrie und Gewerbe) ist und bleibt eine wichtige laufende Aufgabe. Geplante Netzergänzungen zur Verbesserung der Erreichbarkeiten im Stadtgebiet sowie
der Abbau einiger, noch bestehender Netzengpässe nutzen auch dem (Straßen-)Wirtschaftsverkehr. Darüber hinaus muss bei positiver wirtschaftlicher Entwicklung bzw. bei der Nachnutzung von Flächen und/oder Neuentwicklung von Standorten für Industrie und Gewerbe
eine angemessenen Erschließung, ggf. über Netzergänzungen, die derzeit nicht Bestandteil der
kurz- bis mittelfristigen Planung sind, gewährleistet werden. In dieser Hinsicht ebenfalls von
Relevanz ist der Abbau des Instandhaltungsrückstands sowie die kontinuierliche Pflege und
der Betrieb des Straßennetzes. Auf der Grundlage des Masterplans „Hafenentwicklung Berlin“,
des „Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzepts“ und des „Nationalen Hafenkonzepts für die
See- und Binnenhäfen“ werden eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der Binnenschifffahrt
weitergeführt bzw. begonnen. Dazu zählt die Verbesserung der wasser- und landseitigen
Anbindung der Binnenhäfen ebenso, wie die Berücksichtigung der hafenspezifischen Rahmenbedingungen (Umschlagmengen, Betriebszeiten, Lärmemissionen usw.) bei Planungsverfahren.
Die für die Sicherung und Neuschaffung der erforderlichen Schienen- und Wasserstraßeninfrastruktur notwendigen Investitionen können aber aufgrund der angespannten Haushaltslage
nicht allein durch das Land Berlin getätigt werden.
3. Zur Stärkung der Transportalternativen zum Straßengüterverkehr und zur Unterstützung
der Verkehrsverlagerung auf umweltverträgliche Verkehrsträger sind gerade auf dem Berliner
Stadtgebiet der Erhalt und die Entwicklung von zukunftsfähiger Schienen- und Wasserstraßeninfrastruktur sowie der intermodalen Schnittstellen im Stadtgebiet von strategischer Bedeutung. Für bahnaffine Gebiete bzw. Nutzungen des StEP Industrie und Gewerbe muss der Bahnanschluss unter Berücksichtigung der Entwicklung dieser Gebiete weiter vorgehalten werden.
Zudem ist darauf zu achten, dass auch für nicht-bundeseigene Bahnunternehmen, die am
Güterverkehrsmarkt immer mehr an Bedeutung gewinnen, der Zugang zum Netz und zu
Kunden gesichert wird. Das Land Berlin wird sich weiter für die Verbesserung der Rahmenbedingungen des Schienengüterverkehrs auf Bundes- und EU-Ebene einsetzen. Dazu gehört
die Initiative, die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene im Güterverkehr durch
ver-ursachergerechte Kostenanlastung zu verbessern. Durch eine bessere Vernetzung der
Logistikzentren der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg mit anderen internationalen Logistikzentren versuchen die Länder Berlin und Brandenburg mehr Güter auf die Schiene zu verlagern.
Dabei werden auch die Fördermöglichkeiten geeigneter EU-Programme (z.B. INTERREG, Marco
Polo) genutzt.
4. Bei Lieferverkehren existieren eine Reihe von einzelunternehmerischen Ansätzen zur effizienteren Abwicklung der städtischen Sammel- und Verteilverkehre. Dazu gehören beispielsweise im KEP-Bereich Veränderungen der innerbetrieblichen Prozesse, neue Antriebstechnologien und Fahrzeugkonzepte, Telematikanwendungen und Echtzeit-Verkehrsinformationen
sowie Veränderungen in der Organisation der Verkehre. Diese können aus gesamtstädtischer
Sicht zu einer Erhöhung der Systemeffizienz und zu einer Emissionsreduzierung führen. Bereits
jetzt werden die bestehenden Ansätze durch die Verwaltung begleitet und – wenn möglich –
65
unterstützt. Diese Zusammenarbeit soll weiter voran gebracht werden, z.B. bei der Verwendung alternativer Antriebe und Kraftstoffe im städtischen Lieferverkehr. Daher werden beispielsweise Pilotprojekte im Bereich der elektrischen Antriebe gezielt unterstützt. Eine möglichst stadtverträgliche Abwicklung des Personenwirtschaftsverkehrs kann seitens des Landes
Berlin u. a. durch attraktive Angebote im Bereich des Umweltverbundes forciert werden. Dabei
liegt der Fokus klar auf den Verkehren, die durch einen geringen Transportbedarf für Werkzeuge (klassische Werkzeuge, wie Hammer, Schraubendreher o. ä., aber auch Laptop) oder
Materialien (Ersatzteile, Akten) gekennzeichnet sind. Eine besondere Rolle spielt in diesem
Zusammenhang das betriebliche Mobilitätsmanagement. Damit können sowohl betriebliche
wie auch private Mobilitätsmuster und -routinen modifiziert werden und eine hohe, gesamtstädtische Wirkung erzielen. In allen genannten Bereichen werden die Aktivitäten intensiviert
und ein enger Austausch mit den Unternehmen sowie den Kammern und Verbänden gesucht,
um gemeinsam Strategien und zielgruppenspezifische Lösungsansätze zu entwickeln. Dabei
sollen auch die Fördermöglichkeiten geeigneter EU-Programme (z.B. 7. Forschungsrahmenprogramm, „Intelligent Energy Europe – IEE“) zur Untersuchung und Implementierung neuer
Maßnahmen und Lösungen genutzt werden.
5. Eingebettet in ein gesamtstädtisches Reisebuskonzept ist für den Tourismusverkehr in den
zentralen Stadträumen ein Busverkehrsmanagement einzurichten. Ziel ist es, durch den Einsatz
von Verkehrsmanagementtechnologien die Abläufe bei den Zubring- und Abholfahrten an
touristisch bedeutsamen Standorten besser zu koordinieren, um Störungen im gesamten Verkehrsablauf zu minimieren. Dadurch werden auch die Aufenthaltsqualität und die Attraktivität
dieser Räume für Besucherinnen und Besucher sowie für die Berlinerinnen und Berliner gestärkt.
6. Gemeinsam mit den Behörden des Landes Brandenburg und der Betreibergesellschaft der
GVZ Großbeeren, Wustermark und Freienbrink wird das Land Berlin die Bemühungen verstärken,
für Fernverkehre intermodale Angebote zu verbessern. So soll gemeinsam bewirkt werden,
dass ein größerer Anteil der regionalen Quell- und Zielverkehre von und zu den GVZ über die
Schiene oder die Wasserstraße erfolgt. Berlin sichert darüber hinaus Standorte für innerstädtische Güterverkehrssubzentren (GVSZ) und unterstützt deren Entwicklung. GVSZ bieten einen
guten Ausgangspunkt für die verkehrsmittelübergreifende Optimierung der innerstädtischen
Transportprozesse. Sie können zukünftig als neues Bindeglied zwischen Nah- und Fernverkehr
einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des konfliktreichen schweren Güterverkehrs im Innenstadtbereich leisten. Dies kann hauptsächlich zum Tragen kommen, wenn eine Bündelung der
Verkehre in das und vom GVSZ erfolgt und erst ab diesem Standort eine Feinverteilung mit
kleineren Fahrzeugen vorgenommen wird.
7. Die Luftfracht und die damit einhergehenden verkehrlichen Herausforderungen verlangen
ein regional abgestimmtes Handeln. Daher erfolgen bereits im Vorfeld zur Eröffnung und im
laufenden Betrieb Abstimmungsrunden mit den Akteuren in Berlin und Brandenburg, sei es
im Kontext der Flächenentwicklung und Vermarktung (ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH
(ZAB), Berlin Partner GmbH), mit den Unternehmen direkt oder im Bereich des Verkehrsmanagements. Gerade bei Letzterem werden, entsprechend der Teilstrategie Verkehrsmanagement, räumlich differenzierte, strategische Konzepte für den Flughafen als Quelle und Ziel
des Wirtschaftsverkehrs erarbeitet.
8. Zur Erhöhung der Stadtverträglichkeit des Verkehrs sollen Flächennutzungsplanung,
Gewerbeentwicklung und Verkehrsinfrastrukturplanung noch stärker verzahnt werden.
Dadurch kann erreicht werden, dass Standorte für gewerbliche Entwicklungen stärker nach
ihrer verkehrlichen Eignung bewertet und genutzt werden. Die verkehrsgerechte Standortplanung fällt jedoch auch teilweise in die Verantwortung der Unternehmen und Bezirke,
welche durch Informationsbereitstellung und Know-how-Transfer unterstützt werden. Die in
den vergangenen Jahren vernachlässigte Sanierung der Fahrbahnbeläge im Hauptverkehrsstraßen-Bestandsnetz ist aus Gründen des Lärmschutzes prioritär umzusetzen. Die Erneuerung
der Fahrzeugflotten und die Nachrüstung mit Technologien zur Minderung der Stickoxid-Emis-
66
IV Das Handlungskonzept
sionen soll durch die Anwendung geeigneter (rechtzeitig anzukündigender) Instrumente verstärkt werden. Luftreinhalte- und Lärmaktionsplanung werden im Rahmen der Fortschreibung
den Beitrag des Wirtschaftsverkehrs zu den Emissionen im Stadtgebiet erneut untersuchen
und – zusammen mit den verkehrsplanerischen Ansätzen – geeignete Lösungen zur weiteren
Minimierung der Belastungen entwickeln.
Die wichtigsten Maßnahmen zur Zielerreichung
n Integrierte Standortplanung bei Ansiedlung von Unternehmen mit erheblicher Verkehrserzeugung
n Gestaltung des ruhenden Verkehrs: Teilumwandlung von Parkplätzen in bewirtschafteten
Gebieten (Ladezonen, Gehwege, Fahrradabstellplätze), Verbesserung der Parkrauminformation über Großparkanlagen
n Neuorganisation von Reisebusverkehren
n Fortschreibung des Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzepts als Maßnahmenprogramm
zur stadtverträglichen Gestaltung des Wirtschaftsverkehrs
n Weiterentwicklung des intermodalen Verkehrsinformationssystems zu einem zielorientierten Verkehrsmanagement
n Aufbau eines stadtregionalen Wirtschaftsverkehrsinformationssystems
n Förderung und Ausbau des betrieblichen Mobilitätsmanagements
n Umsetzung des City-Terminal-Konzeptes
n Sicherung von Gleisanschlüssen sowie der regionalen Schieneninfrastruktur in der Zuständigkeit des Landes Berlin
n Straßenbaumaßnahmen im Zuge des mittleren Rings in Verbindung mit Entlastung der
Innenstadt vom Durchgangsverkehr, Weiterbau der Bundesautobahn A 100, 16. und 17. BA
n Straßenbaumaßnahmen zur Beseitigung struktureller Netzprobleme und zur Entlastung
von Wohngebieten
n Ausbau der Wasserstraßen
IV.4.3 Teilstrategie Stadt-, Umwelt- und Lebensqualität
Analyse: Probleme und Handlungsbedarf
1. Die städtische Lebens- und Umweltqualität wird durch Verkehr direkt oder indirekt mit
beeinflusst. Darüber hinaus sind Luftqualität, Lärmbelastung und Verkehrssicherheit auch als
unmittelbar gesundheitsrelevant einzustufen. Hier hat das Land einen Schutzauftrag gegenüber seinen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie deren Gästen. Die Verschärfung europäischer Richtlinien, z.B. zur Luftqualität und Lärmbelastung, verstärken den diesbezüglichen
Handlungsdruck. Aber auch die Nutzbarkeit und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum ist
entscheidend dafür, inwieweit eine Stadt als lebenswert angesehen wird. Für das Wohlbefinden der Menschen in der Stadt spielt dabei nicht nur die objektive Belastung eine Rolle,
sondern auch die eigene, subjektive Wahrnehmung. Das Bewusstsein für negative Beeinträchtigungen durch den Verkehr hat trotz objektiv erzielter Verbesserungen in den letzten Jahren
zugenommen. Verkehrsbedingte Einschränkungen in der Lebensqualität werden weniger oft
hingenommen, worauf auch die zunehmende Klagebereitschaft der Anwohnerinnen und
Anwohner hoch belasteter Straßen hindeutet.
2. Die Luftqualität in Berlin hat sich dank des rückläufigen Verkehrsaufkommens sowie aufgrund fahrzeugtechnischer Fortschritte und den damit verbundenen Emissionsminderungen
deutlich verbessert. Handlungsbedarf besteht weiterhin vor allem bei dieselbetriebenen Nutzfahrzeugen (Lkw und Busse) und bei der Nachrüstung älterer Kraftfahrzeuge des Bestands.
Ebenfalls weiterhin problematisch sind die hohen Schadstoffkonzentrationen bei Feinstaub
(PM10, PM2,5) und insbesondere Stickstoffdioxid an verkehrsreichen Straßen. Diese resultieren
zum Teil aus Reifenabrieb und Aufwirbelungen, so dass die Weiterentwicklung von Filtertechnologien bei Motoren keine ausreichend positiven Effekte hervorruft. Zudem trägt auch der
ÖPNV, und hier vor allem der Busverkehr, zu den Schadstoffkonzentrationen bei.
67
3. Der Verkehrsbereich hat bislang nur unterdurchschnittlich zur Einhaltung der Berliner
Klimaschutzverpflichtungen beigetragen. Die Abhängigkeit des Verkehrssektors von fossilen
Energieträgern ist weiterhin zu hoch, die Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz sind
weder im MIV noch im Schienenverkehr ausreichend ausgeschöpft. Aufgrund sinkender Verkehrsmengen werden die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs absehbar zurückgehen. Allerdings deutet alles daraufhin, dass der Flugverkehr mit seiner hohen Wachstumsdynamik diese
Rückgänge mehr als kompensieren wird. Für die CO2-Bilanz der Region ist der Flughafen Berlin
Brandenburg von zentraler Bedeutung. Die Länder Berlin und Brandenburg stehen hier
gemeinsam in der Verantwortung. Der Verkehrssektor ist jedoch nicht nur Mitverursacher,
sondern auch Betroffener des Klimawandels. Über mögliche Auswirkungen veränderter
Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse auf das Verkehrsgeschehen sowie über eventuelle
Anpassungserfordernisse bei der Infrastruktur muss zukünftig intensiver nachgedacht werden.
4. Beim Verkehrslärm wurden dank Fahrbahnsanierungen und technischer Verbesserungen
an Fahrzeugen Fortschritte erzielt. Dennoch ist die Zahl der lärmbelasteten Einwohnerinnen
und Einwohner Berlins weiterhin zu hoch. Problematisch ist, dass technische Möglichkeiten zur
Reduzierung von Verkehrslärm nur begrenzt wirksam sind, da neben den Motorengeräuschen
auch die Rollgeräusche der Fahrzeuge reduziert werden müssen. Zudem werden erreichte
technische Verbesserungen durch schwerere Fahrzeuge teilweise wieder kompensiert. Unangepasste Fahr- und Verhaltensweisen (z.B. schnelles Beschleunigen und Bremsen, überhöhte
Geschwindigkeiten etc.) führen zu weiteren Lärmbelästigungen, die oftmals als besonders
störend empfunden werden. Neben dem Straßenverkehr (Personen- und Wirtschaftsverkehr,
u. a. mit schweren Lkw) stellen auch die Schienenverkehrsmittel sowie der Flugverkehr Lärmquellen von (gebietsspezifisch) teils erheblicher Bedeutung dar.
5. Die Verkehrssicherheit in Berlin hat sich verbessert, allerdings nicht in einem zufriedenstellenden Maß. So hat die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten im Jahr 2009 zwar zum
dritten Mal in Folge einen historischen Tiefstand erreicht, gleichzeitig ist jedoch (mit Ausnahme
des Jahres 2009) kein nennenswerter Rückgang bei den Schwerverletzten festzustellen. Das
Verletzungsrisiko ist zwischen den Verkehrsarten weiterhin sehr ungleich verteilt und geht vor
allem zu Lasten derjenigen Verkehrsarten bzw. Bevölkerungsgruppen, die eines besonderen
Schutzes bedürfen (vor allem Radfahrerinnen und Radfahrer sowie Fußgängerinnen und Fußgänger, zu denen überdurchschnittlich viele Kinder, Jugendliche sowie ältere Menschen gehören). Die Ursachen für Verkehrsunfälle liegen sowohl in der Infrastruktur als auch im Verhalten (Unachtsamkeit, Regelverletzungen). Die häufigsten Unfälle, bei denen Radfahrerinnen
oder Radfahrer die Unfallverursacher sind, entstehen (unter Regelverletzung) auf Gehwegen.
Bei Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern haben Unfälle im Kreuzungs- und Einmündungsbereich
eine besondere Bedeutung (der Anteil dieses Unfalltyps an den Unfällen liegt bei über 40 Prozent). Weitere Hauptunfallursachen sind überschrittene und nicht angepasste Geschwindigkeiten sowie unzureichender Abstand (im Vergleich zum Jahr 2008 sind die Unfälle aufgrund
nicht angepasster Geschwindigkeit im Jahr 2009 um 30 Prozent gestiegen). Generell hat die
Bereitschaft zu Regelverstößen (z.B. das Nichtbeachten von Verkehrs- und Lichtzeichen) bei
Nutzerinnen und Nutzern aller Verkehrsarten (MIV, Fahrrad, Fußverkehr) deutlich zugenommen.
6. Die Aufenthaltsqualität der öffentlichen Räume wird an stark befahrenen Straßenabschnitten sowie in Gebieten mit hohem Parkdruck und entsprechenden Parksuchverkehren
erheblich vermindert. Emissionen, Lärm sowie durch ruhenden Verkehr beeinträchtigte
Straßen, Bürgersteige, Haltestellen und Überwege (die insbesondere, jedoch nicht nur, für
mobilitätseingeschränkte und Personen mit Kinderwagen die Zugänglichkeit erschweren)
wirken zudem negativ auf das Stadtbild und vermindern die Attraktivität und Schönheit von
Plätzen, Gebäuden und teilweise ganzen Quartieren. Davon betroffen sind vorwiegend innerstädtische Gebiete mit hoher Einwohner- und Besucherdichte.
68
IV Das Handlungskonzept
7. Städtische Lebensbedingungen sind jedoch nicht nur ein Umweltthema, sondern auch eine
Frage der sozialen Gerechtigkeit. Hohe Verkehrs-, Lärm- und Luftschadstoffbelastungen sowie
hohe Unfallgefährdung treten häufig an den stark befahrenen innerstädtischen Straßen auf.
Damit belasten diese negativen Auswirkungen vor allem die Menschen, die selber am wenigsten
motorisierten Verkehr erzeugen. Die Beeinträchtigungen der Lebensbedingungen könnten vor
allem an den stark betroffenen Hauptverkehrsadern selektive Abwanderungsprozesse und damit
die soziale Entmischung unterstützen. Weiterhin kann eine Verminderung der Lebensqualität
vor allem bei älteren Menschen, aber auch bei Kindern und Jugendlichen eintreten, wenn in
Folge (realer oder subjektiv empfundener) verminderter Verkehrssicherheit in Stadträumen mit
hoher Verkehrsdichte außerhäusige Aktivitäten reduziert oder verlagert werden. Bei älteren
Menschen führt dies unter Umständen zu einer Verringerung gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeiten. Bei Kindern und Jugendlichen können darüber hinaus Entwicklungseinschränkungen und -störungen auftreten, die sich z.B. in unterentwickelten Erfahrungen der Raumaneignung sowie in einem Defizit der motorischen Fähigkeiten und der sozialen Lernprozesse zeigen.
Lösungsstrategie
1. Da für das Stadtgebiet gesamthaft mit rückläufigem Verkehrsaufkommen gerechnet wird,
werden hinsichtlich der Emissionen und ihrer Auswirkungen bereits dadurch Entlastungseffekte
erwartet. Darüber hinaus tragen alle weiteren Maßnahmen zur Minderung des Kfz-Verkehrs
oder zur Verlagerung eines weiteren Teils des Kfz-Verkehrs auf Verkehrsmittel des Umweltverbundes unmittelbar zur Reduzierung der verkehrsbedingten Gefährdungen für Gesundheit
und Sicherheit bei.
2. Für die weitere Verbesserung der Luftqualität ist die Umsetzung der Maßnahmen des Luftreinhalte- und Aktionsplans für Berlin 2005–2010 weiterhin dringend erforderlich. Bei der
anstehenden Fortschreibung des Luftreinhalteplans sollten weitere Maßnahmen entwickelt
werden, die zur Ausschöpfung der Entlastungspotenziale im Verkehrsbereich beitragen. Dazu
zählt insbesondere die Reduzierung des motorisierten Verkehrs vor allem in der hoch belasteten Innenstadt sowie die Umsetzung von Maßnahmen des Verkehrsmanagements an hoch
belasteten Hauptverkehrsstraßen. Die Einhaltung der Luftqualitätsnormen insbesondere bei
Stickoxiden erfordert langfristig neben einer schnelleren Erneuerung der Flottenzusammensetzung auch die schnelle Nachrüstung der bestehenden Flotte (z.B. Steueranreize auf Bundesebene, Mautspreizung etc.). Die Anpassung des ÖPNV/SPNV an die Erfordernisse der Luftreinhaltung und Lärmminderung ist aufgrund der langen Nutzungsdauer der Fahrzeuge sowie
wegen des hohen Nachrüstungs- und Sanierungsaufwands ein langfristiges Projekt. Maßgeblich hierfür sind bei der Fahrzeugbeschaffung die Vorgaben des Nahverkehrsplans sowie die
Einbeziehung entsprechender Kriterien bei der zukünftigen Vergabe von Verkehrsleistungen.
3. Unter umweltpolitischen Gesichtspunkten (Emissionsreduzierung, Klimaschutz) wie auch
im Hinblick auf die Stärkung des „Innovationsstandorts Berlin“ ist die Entwicklung und Anwendung neuer, schadstoffarmer Antriebstechnologien weiter zu fördern. Dabei sollen die Erfahrungen, die derzeit im Rahmen der Modellregion Berlin/Potsdam in Bezug auf Elektromobilität
gemacht werden, dazu beitragen, den Einstieg in die „CO2-arme Mobilität“ voran zu treiben.
Die Steigerung der Marktdurchdringung der Elektromobilität im Personen- und Wirtschaftsverkehr auf der Basis regenerativ erzeugten Stroms leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung
der umwelt- und verkehrspolitischen Ziele des Landes Berlin, vor allem im Hinblick auf die
Gestaltung eines saubereren, leiseren und mithin umwelt- und stadtverträglicheren Verkehrs.
Dabei spielt die Verknüpfung der Technologie mit innovativen Konzepten zur Förderung
der Intermodalität (z.B. Integration von ÖPNV und Carsharing, Anwendung bei Leihfahrradsystemen) sowie mit der Entwicklung neuer Logistikkonzepte zur umweltschonenden Versorgung von Stadt und Region eine wichtige Rolle. Die Hauptstadtregion soll mittel- bis langfristig
thematisch und wirtschaftlich als Leitmarkt und -anbieter für Elektromobilität etabliert werden.
Dabei soll die gesamte Wertschöpfungskette von Forschung und Entwicklung über die Erprobung bis zur Produktion und Anwendung für das ganze Fahrzeugspektrum abgedeckt werden.
Zudem sollen Menschen in der Stadt für den Bereich Elektromobilität qualifiziert und ausge-
69
bildet werden. Die einmalige Dichte universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen der
Verkehrs- und Mobilitätsforschung bietet beste Voraussetzungen hierfür. Eine weiterhin hohe
Bedeutung haben die Entwicklungen im Umweltverbund. Hier gilt es, Energieeffizienz und
Energieträgermix bei ÖPNV und SPNV langfristig auf steigende Anforderungen hin auszurichten. Zukünftig muss sich der Verkehrssektor zudem auch mit Anpassungsmaßnahmen an
klimabedingt verstärkt auftretende Extremwetterereignisse (anspruchsvollere Vorgaben zur
Fahrzeugklimatisierung im ÖPNV, Verwendung wasserdurchlässiger Oberflächenmaterialien
etc.) auseinandersetzen. Eine erste Grundlage dafür bietet der StEP Klima des Landes Berlin.
4. Der derzeit gültige Lärmaktionsplan Berlin 2008 benennt schwerpunktmäßig Maßnahmen
für die Lärmquellen Straßenverkehr, Straßenbahn und oberirdische U-Bahn und setzt sich auch
mit der Lärmbelastung durch Schienenverkehr (Fern- und S-Bahn) und Fluglärm auseinander.
Von strategischer Relevanz sind dabei insbesondere Maßnahmen zur Durchsetzung und Überwachung bestehender Geschwindigkeitsregelungen, die prioritäre Sanierung schadhafter oder
lauter Fahrbahnbeläge (u. a. im Zuge des Abbaus des Instandhaltungsrückstands) sowie die
Umsetzung der Maßnahmen zur Verstetigung des Verkehrs, welche eine Reduzierung der
Lärmbelastung im (Haupt-)Straßennetz ermöglichen. Die Einführung verbesserter Techniken,
die zusätzliche Sicherheitsfortschritte und zusätzliche Umweltentlastungen ermöglichen
(insbesondere emissions- und lärmarme Antriebe, lärmarme bzw. abriebarme Reifen etc.) soll
über politische Initiativen (Bundesrat, EU) und über die Landesbeschaffungsrichtlinien forciert
werden.
5. Das Verkehrssicherheitsprogramm und dessen Monitoring sind wesentliche Grundlagen,
um Entwicklungen zeitnah erkennen, analysieren und über geeignete Maßnahmen steuern zu
können. Der integrative Ansatz des Programms, der Mensch, Infrastruktur, Verkehrsplanung
und Technik zusammenhängend betrachtet, erfordert auch weiterhin die enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren (Senatsverwaltung, Bezirke, VLB, Polizei, Träger der
Verkehrssicherheitsarbeit). Die sicherheitsorientierte Umgestaltung der Infrastruktur an
Straßen und Knotenpunkten wird durch die standardmäßige Anwendung des Sicherheitsaudits weiter unterstützt. Radverkehrs- und Fußverkehrsstrategie behandeln Verkehrssicherheit als Querschnittsthema, um das hohe Tötungs- und Verletzungsrisiko der nicht-motorisierten
Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer deutlich zu reduzieren. Aufgrund der hohen Bedeutung individuellen Verhaltens ist – neben den notwendigen kontinuierlichen Verbesserungen
an der Infrastruktur – ein Schwerpunkt auf verhaltensbezogene Aufklärungsmaßnahmen zu
legen. Damit sollen auch die Eigenmotivation und Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer im Hinblick auf verkehrssicheres Verhalten und Regeleinhaltung gestärkt werden. Ziel einer darauf ausgerichteten Verkehrssicherheitskampagne ist
es, eine Art Verhaltenskodex für kooperatives Verhalten (Motto: „Recht geben statt Recht
haben“) im Stadtverkehr neu zu etablieren. Parallel dazu soll über Verkehrsüberwachung und
Ahndung von Regelverstößen der „Kontrolldruck“ erhöht werden. Nicht nur für die Erhöhung
der objektiven Sicherheit, sondern auch zur Stärkung des individuellen Sicherheitsempfindens
und Verbesserung der Nutzungs- und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum ist das
Geschwindigkeitsniveau im Stadtgebiet mit entscheidend. Langfristig ist zu prüfen, welche
weiteren Schritte nötig sind, um außer mit der Einführung von Tempo-30-Zonen bzw.
-Abschnitten an Hauptverkehrsstraßen weitere positive Effekte zu erreichen. Hier ist auch die
Bundesgesetzgebung gefordert.
6. Die Reorganisation des ruhenden Verkehrs (über Parkraummanagement und die Teilumwandlung von Parkplätzen für Ladezonen, breitere Gehwege etc.) leistet einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Qualität des öffentlichen Raums. Das gesamthaft rückläufige
Verkehrsaufkommen sowie die Bündelung von Verkehrsströmen führen zu Entlastungen (nicht
nur) in der Innenstadt. Dadurch frei werdende Kapazitäten können genutzt werden, um dem
Umweltverbund mehr Raum zu geben, Ladezonen für den Wirtschaftsverkehr einzurichten
sowie um Nutzungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten von Straßen und Plätzen zu steigern.
Damit eröffnen sich Möglichkeiten, nicht nur Verkehr zu organisieren, sondern Stadtqualitäten
70
IV Das Handlungskonzept
zurück zu gewinnen. Um die sich bietenden Chancen angesichts knapper finanzieller Ressourcen
nutzen zu können, bedarf es zunächst eines Konzepts, welches die Grundlagen dafür schafft,
die entsprechenden Straßenräume zu identifizieren, lokal angepasste Maßnahmen für die
Umgestaltung zu entwickeln und die Umsetzung langfristig zu steuern.
7. Infrastrukturelle sowie verkehrsorganisatorische Maßnahmen sollten sich vor dem Hintergrund der Belastungssituation (Luft und Lärm) sowie der bestehenden Unfallrisiken zunächst
vor allem auf die dicht bebauten Innenstadtquartiere konzentrieren. Maßnahmen, die eine verbesserte Wohn- und Lebensqualität vor allem in sozial schwächeren Quartieren ermöglichen,
haben dabei hohe Priorität, da sie dazu beitragen, einer hohe Lebensqualität im gesamten
Stadtgebiet näher zu kommen. Der eingeschlagene Weg, die traditionell geübte „Verkehrserziehung“ bzw. „Verkehrsaufklärung“ (bei Erwachsenen) in eine integrative „Mobilitätserziehung“
zu überführen, die inhaltlich breiter angelegt ist und alle Verkehrsteilnehmer erreicht (in der
Schule, bei der Fahrausbildung, auch am Arbeitsplatz und bei den Motorsportverbänden),
wird fortgesetzt. Die zielgruppengerechte Ansprache soll die Mobilitätskompetenz aller Altersgruppen erhöhen.
8. Die Mitsprache und Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen bei der Gestaltung
ihres Lebensumfeldes im öffentlichen Raum werden durch geeignete Maßnahmen der Kinderund Jugendbeteiligung umgesetzt und als Bestandteil von Planungs- und Entscheidungsverfahren entwickelt und integriert.
Die wichtigsten Maßnahmen zur Zielerreichung
Stadt-, Umwelt- und Lebensqualität werden durch einen weiterer Rückgang des Verkehrsaufkommens sowie eine Veränderung des Modal Splits zugunsten des Umweltverbundes
direkt positiv beeinflusst. Darüber hinaus wirken die folgenden Maßnahmen auf alle angesprochenen Bereiche:
n Verbesserung der Kommunikationsaktivitäten für stadt- und umweltgerechte Mobilität
n Fortschreibung und Umsetzung des Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzepts
n Unterstützung und Mitwirkung bei Initiativen zur Reduzierung der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit auf Bundesebene (Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats beim
BMVBS)
Lärm/Luft/Klimaschutz
Zusätzlich zur Umsetzung der Maßnahmen des Lärmaktionsplans 2008 sowie des Luftreinhalte- und Aktionsplans 2005–2010 und der Fortschreibung beider Pläne:
n Maßnahmen zur Erneuerung und Nachrüstung von Fahrzeugflotten, kontinuierliche Überprüfung der Instrumente, die der Flottenerneuerung und Bestandsnachrüstung dienen
(z.B. Umweltzone) und ggf. Nachsteuerung; Umweltallianzen zur Verbesserung der technischen Standards bei Betrieben mit großen Flotten, Anpassung der Landesbeschaffungsrichtlinie für die Neubeschaffung von Fahrzeugen des Landes Berlin, Erprobung schadstoffärmerer Antriebstechnologien unter Berücksichtigung der Elektromobilität
n Weiterentwicklung des intermodalen Verkehrsinformationssystems zu einem zielorientierten Verkehrsmanagement
n Landespolitische Initiative: Unterstützung von Länderaktivitäten zur besseren finanziellen
Absicherung von Maßnahmen zum Lärmschutz an Schienenwegen und Straßen
n Erneuerungsmaßnahmen im Bestand der Verkehrsinfrastruktur, u. a. Abbau des Instandhaltungsrückstands bei den Straßen (Fahrbahnsanierung zur Lärmminderung)
71
Verkehrssicherheit
n Weiterentwicklung und kontinuierliche Umsetzung des Verkehrssicherheitsprogramms
n Maßnahmen zur Bevorrechtigung der Verkehrsträger des Umweltverbundes: Verstärkte
Berücksichtigung der Belange des Umweltverbunds gegenüber dem MIV bei der Konzeption bzw. Überarbeitung der Schaltpläne für LSA: Zielorientierte Abwägung zur Herstellung des notwendigen Interessensausgleichs zwischen ÖPNV, Fuß- und Radverkehr
n Weiterentwicklung der Verkehrs- und Mobilitätserziehung und der Fahrerausbildung zum
Mobilitätslernen
n Entwicklung und Durchführung zielgruppenspezifischer Kommunikationsmaßnahmen
n Entwicklung und Weiterführung der Fußverkehrsstrategie/Umsetzung der Konzeption zur
Förderung des Fußgängerverkehrs
n Fortschreibung und Weiterführung der Radverkehrsstrategie, Umsetzung mit dem
bewährten Maßnahmenrepertoire, Durchführung von Pilotprojekten
n Weiterentwicklung der Tempo-30-Konzeption
Stadträumliche Qualitäten
n Gestaltung des ruhenden Verkehrs: Schrittweise Weiterentwicklung, optimierte Organisation und konsequente Umsetzung der Parkraumbewirtschaftung; Teilumwandlung von
Parkplätzen in bewirtschafteten Gebieten
n Konzeptentwicklung für Straßenräume, in denen sich durch Rückgänge im Verkehrsaufkommen neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen
IV.4.4 Teilstrategie Mobilitäts- und Verkehrsmanagement
Gesamtstädtische Verkehrsplanung in Berlin und anderswo steht mehr denn je vor der Herausforderung, möglichst effiziente Methoden zur Erreichung strategischer verkehrspolitischer
Ziele zu entwickeln. Klassische Infrastrukturmaßnahmen im Sinne von Netzergänzungen oder
Netzausbau vermögen der Komplexität verkehrlicher Probleme nur noch selten gerecht zu
werden. Sie sind außerdem häufig weder im bestehenden Stadtraum umsetzbar noch finanziell realisierbar. Hier setzen die Methoden und Maßnahmen des Mobilitäts- und Verkehrsmanagements an. Mit ihrer Hilfe sollen sowohl bei der Entstehung der Nachfrage als auch bei
der Gestaltung des Angebots wesentliche Beiträge zur Erreichung der verkehrspolitischen
Ziele geleistet werden.
Mobilitätsmanagement richtet sich vorrangig an die individuellen Verkehrsteilnehmer und
Verkehrsteilnehmerinnen; setzt also direkt bei der Nachfrage an. Ziel ist es, durch Maßnahmen der
Information, Organisation, Kommunikation und Koordination die Verkehrsnachfrage und vor allem
die Verkehrsmittelwahl in Richtung einer stärkeren Nutzung des Umweltverbundes zu beeinflussen.
Als strategische Komponente wirkt Mobilitätsmanagement daher im Sinne der sozialen (Gewährleistung von Mobilität des Einzelnen) wie verkehrlichen und umweltseitigen Ziele des StEP Verkehr
(Verminderung motorisierten Verkehrsaufkommens, Reduzierung verkehrsbedingter Belastungen).
Im Rahmen des Mobilitätsmanagements werden nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Betriebe,
öffentliche Einrichtungen, Schulen u. ä. angesprochen, die auf das individuelle Verkehrsverhalten
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Einfluss nehmen können.
Verkehrsmanagement zielt auf die Entwicklung und Umsetzung von Ansätzen zur Verbesserung
von Verkehrsabläufen der unterschiedlichen Verkehrsträger. Zu unterscheiden ist dabei zwischen
dem strategischen und dem operativen Verkehrsmanagement. Im strategischen Verkehrsmanagement werden für planbare Ereignisse (z.B. Baustellen, 36. Tag der PM10-Tagesgrenzwert-Überschreitung, Großereignisse) Lösungen erarbeitet, vorgehalten und bei Bedarf eingesetzt. Im operativen
Verkehrsmanagement geht es um eine zeitnahe Steuerung des Verkehrs im Online-Betrieb, z.B.
durch Umleitungen des Busverkehrs bei Unfällen. Für ein effizientes Verkehrsmanagement können
im Einzelfall auch größere Investitionen in technische Infrastruktur sinnvoll sein.
72
IV Das Handlungskonzept
Analyse: Probleme und Handlungsbedarf
1. Qualität und Quantität der Verkehrsangebote in Berlin haben in den letzten Jahren zugenommen. Damit sind auch die Möglichkeiten, im Stadtgebiet mobil zu sein, vielfältiger
geworden, zum Teil jedoch auch unübersichtlicher. Als Folge wissen die Menschen nicht
immer, welches Angebot im Hinblick auf ihre individuellen Anforderungen am passfähigsten
ist. Die Möglichkeit und der Bedarf, hier gestaltend tätig zu werden, stellt sich daher gleich in
zweierlei Hinsicht. Zum einen soll es den Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern
ermöglicht werden, abseits eingeschliffener Routinen und insbesondere bei veränderten
Lebensumständen (durch Familiengründung, Umzug, Eintritt ins Rentenalter, Krankheit oder
körperlicher Eingeschränktheit) das Mobilitätsangebot wahrnehmen zu können, welches ihrer
Alltagsorganisation, dem verfügbaren Budget, dem bestehenden Zugang zu Verkehrsmitteln
sowie der eigenen Präferenz am ehesten entspricht. Zum anderen besteht hier die Möglichkeit,
in Richtung der Ziele der Verkehrsentwicklungsplanung auf das Verhalten der Menschen einzuwirken. In Berlin gibt es bereits eine Reihe von Einzelaktivitäten und -maßnahmen, die dem
Bereich des Mobilitätsmanagements zuzuordnen sind, es fehlt jedoch bislang an einer koordinierenden, gesamtstädtischen Strategie, die sich gleichermaßen an den Belangen der Menschen und den Aufgaben der verkehrspolitischen Akteure orientiert.
2. Verkehrsinfrastruktur und -angebote sind in Spitzenzeiten der Nachfrage (morgendliche
Berufs- und Schülerverkehre, Großveranstaltungen, Urlaubsverkehr, Omnibustourismus in der
Innenstadt etc.) teilweise überlastet, in den übrigen Zeiten gibt es dagegen zum Teil Kapazitätsreserven. Die Ungleichgewichtigkeit bei der Auslastung der Netze und Fahrzeuge ist in Berlin
zwar geringer ausgeprägt als in den meisten anderen Großstädten, verursacht für Nutzerinnen
und Nutzer aber dennoch Attraktivitätsminderung und Reisezeitverlängerung und für die
Betreiber von Netzen und Angeboten in der Regel zusätzliche Kosten.
3. Trotz der seit einigen Jahren rückläufigen Verkehrsmengenentwicklung ist die Verkehrsdichte in einigen Teilgebieten der Stadt unvermindert hoch oder hat sogar zugenommen.
Häufig betroffen sind dicht bebaute Streckenabschnitte in der Innenstadt, in denen eine Ausweitung der Infrastruktur nur in Ausnahmefällen möglich ist. Erhebliches Störpotential für Verkehrsabläufe, insbesondere bei straßengebundenen Verkehren, besteht zudem durch Baustellen
und hauptstadtbedingte Veranstaltungen (Demonstrationen, Staatsbesuche etc.) sowie durch
Unfälle. Die Zunahme des Tourismus und des Reisebusverkehrs in der Innenstadt sowie im Umfeld von Hotel- und anderen Übernachtungsstandorten verursacht ebenfalls Stockungen und
Stauungen. In der Folge wird die Verkehrsqualität auf den betroffenen Abschnitten erheblich
beeinträchtigt, die Leistungsfähigkeit des Netzes reduziert. Damit einher gehen ein erhöhter
Energie- und Kraftstoffverbrauch, steigende Umweltbelastungen, erhöhte Unfallrisiken, Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit im ÖPNV sowie längere Reisezeiten und Komfortverlust mit
negativen Auswirkungen auf Wirtschaftsentwicklung, urbane Qualitäten und soziale Wohlfahrt.
4. Der Straßengüterfernverkehr hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen und wird dies nach aktuellen Prognosen auch in Zukunft noch tun. Anforderungen
an die Funktionsfähigkeit, Qualität und Stadtverträglichkeit des Verkehrs steigen parallel dazu
(Ansprüche der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt, der Wirtschaft, der Touristen an die
gesicherte Qualität des täglichen Verkehrs; zunehmend schärfere gesetzliche Vorgaben zur
Luftreinhaltung, Lärmminderung und Klimagasemission des Verkehrs) und stehen im Widerspruch zu dieser Entwicklung.
5. Im Bereich des technikgestützten Verkehrsmanagements und der Verkehrstelematik
wurden in den vergangenen Jahren diverse Applikationen entwickelt, deren Nutzenpotenzial
noch nicht vollständig ausgeschöpft wurde. Für einige vielversprechende Pilotanwendungen
steht eine flächendeckende Durchsetzung u. a. aufgrund fehlender, ungenauer bzw. nur mit
hohem Kostenaufwand zu generierender Daten noch aus. Bislang war der Fokus außerdem
häufig nur auf einen Verkehrsträger ausgerichtet (z.B. zur Anschlusssicherung im ÖV oder auf
Verkehrsinformationssysteme für den Straßenverkehr).
73
Lösungsstrategie
1. Um Mobilitätsentscheidungen informiert und auf die eigene Lebenssituation passend
treffen zu können, benötigen die Berlinerinnen und Berliner besser vernetzte, aktuelle und
leicht verständliche Informationen. Durch spezifische Beratung, die auf die individuellen
Lebensumstände eingeht, lässt sich die Zugänglichkeit von Mobilitätsdienstleistungen erhöhen. Zudem können Wege aufgezeigt werden, Mobilitätsbedürfnisse stadtverträglich abzuwickeln. Aufgabe der Verkehrsentwicklungsplanung ist dabei, einen strategischen Rahmen
zu schaffen, in den sich bestehende und neue Beratungsangebote einpassen. So kann ebenfalls gewährleistet werden, dass öffentliche und soziale Interessen bei der Beratung Berücksichtigung finden. Eine entsprechende strategische Konzeption könnte daher vor allem folgende
Handlungsbereiche umfassen: Mobilitätsberatung für Einzelpersonen, Haushalte, Gruppen,
Information über Barrierefreiheit und besondere Mobilitätsdienste, Informationsvermittlung
im Rahmen von ÖPNV-Marketing, Mobilitätsberatung für Betriebe und öffentliche Einrichtungen unterschiedlicher Größenordnungen.
2. Die verkehrsträgerübergreifende Anschlusssicherung und die auf den Fahrgast orientierten Informationssysteme sollen verbessert und ausgebaut werden, um eine bessere Verknüpfung der Angebote, kürzere Reisezeiten und eine gleichmäßigere Verteilung der Auslastung zu erreichen. Die Bereitstellung intermodaler Routingangebote, die auch die nichtmotorisierten Verkehrsarten beinhalten, sowie ein spezielles ereignisbezogenes Informationsmanagement, z.B. im Vorfeld und Verlauf großer verkehrsträchtiger Veranstaltungen, kommen
auch der zunehmenden Affinität der Berliner Bevölkerung für inter- und multimodale Mobilitätsformen entgegen. Die nutzerfreundliche Bündelung der Informationsangebote über ein
kompaktes Endgerät (z.B. Mobiltelefon) ist weiterzuentwickeln. Grundsätzlich gilt für alle Informationsangebote, dass sie bedarfsorientiert verfügbar, leicht zu bedienen und verständlich
sowie barrierefrei nutzbar sein müssen. Die Schaffung weitgehender Barrierefreiheit nicht nur
bei den öffentlichen Verkehrsmitteln an sich, sondern auch bei den diesbezüglichen multimodalen Informationsund Leitsystemen ist zudem für die Zielgruppe der stark sehbehinderten
und blinden Mitbürgerinnen und Mitbürgern erforderlich, um auch ihnen vergleichbare Mobilitätschancen zu eröffnen. Aufgrund der Vielzahl der Menschen mit Migrationshintergrund, die
in Berlin leben, und der zunehmenden Internationalisierung der Stadt (Wirtschaft und Tourismus) sind darüber hinaus mehrsprachige Informationsangebote erforderlich.
3. Im Zuge des Verkehrsmanagements müssen räumlich differenzierte strategische Konzepte
erarbeitet werden, die das Gesamtsystem im Blick haben. Darüber hinausgehende Steuerungspotenziale liegen beim operativen Verkehrsmanagement, z.B. wenn es um Grenzwertüberschreitungen bei Schadstoffbelastungen geht. Eine Verkehrsmanagementstrategie für Berlin
dient somit zusammengefasst vorrangig folgenden Handlungsbereichen: Störungs- und Überlastungsmanagement durch vorbereitete Steuerungsstrategien, „Qualitätsmanagement“ im
Gesamtverkehr, d.h. kontinuierliche Optimierung des Verkehrszustandes im Hinblick auf
definierte Leistungsfähigkeits-, Sicherheits- und Umweltverträglichkeitsziele für alle Verkehrsteilnehmer und Verkehrsmittel.
4. Für den (Lkw-)Fernverkehr erfolgt eine Wegweisung über das Bundesautobahnnetz um
Berlin herum. Als Grundlage für weitere Maßnahmen sollen zunächst gesicherte Erkenntnisse
zum Anteil der Lkw-Durchgangsverkehre im Stadtgebiet gewonnen werden. Der Aufbau eines
stadtregionalen Wirtschaftsverkehrsinformationssystems schafft hierfür wesentliche Grundlagen.
5. Verkehrsmanagement ist ein Bereich mit hohem Innovationspotenzial. Der Berliner Ansatz
konzentriert sich auf die Nutzung bestehender Systeme (ggf. mit einzelnen technischen Ergänzungen) im Rahmen einer gesamthaften Strategie. Hierzu müssen verschiedene Ansätze und
Applikationen aus dem Bereich des strategischen und des operativen Verkehrsmanagements
gebündelt und in einen „Masterplan Verkehrstelematik“ überführt, koordiniert sowie durch
Informations- und Kommunikationsstrategien begleitet werden. Um dies zu erreichen, müssen
74
IV Das Handlungskonzept
eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt werden. Zu diesen gehören: Verfügbarkeit von verlässlichen technischen Systemen zur Verkehrsdatenbereitstellung sowie zur Erfassung, Berechnung und (kurzfristigen) Prognose der Verkehrslage im MIV und im ÖPNV, Systeme zur Datenübertragung und Kommunikation der aktuellen Verkehrslage (bei Störfällen wie bei Baustellen,
Veranstaltungen etc.), technisch und personell gut ausgestattete und miteinander vernetzte
Leitzentralen, klare gesetzliche Rahmenbedingungen für Informationsweitergabe und
-nutzung verkehrsrelevanter Informationen sowie eine enge institutionelle Zusammenarbeit
mit klar definierten Zuständigkeiten und Schnittstellen im metropolitanen Verflechtungsraum
Berlin-Brandenburg. Hinsichtlich der Gewährleistung von Praxisreife und der zielorientierten
Entwicklung neuer Anwendungen besteht für die Zukunft noch erheblicher Handlungsbedarf.
Daher müssen strategische Investitionen und Forschung und Entwicklung ermöglicht und
unterstützt werden. Hierbei ist die Zusammenarbeit zwischen der Politik, der öffentlichen
Hand und der Wirtschaft unter einer gemeinsamen Zielstellung erforderlich.
Die wichtigsten Maßnahmen zur Unterstützung der Teilstrategie
n Entwicklung einer Konzeption zur Unterstützung des Mobilitätsmanagements; Entwicklung, Förderung und Umsetzung von zielgruppenspezifischer Mobilitätsberatung,
Förderung und Ausbau des betrieblichen Mobilitätsmanagements
n Weiterentwicklung des intermodalen Verkehrsinformationssystems zu einem zielorientierten Verkehrsmanagement, Erweiterung der intermodalen Verkehrsinformation (Verkehrslage) für Zwecke des Informationsmanagements, Weiterentwicklung des zielorientierten (hoheitlichen) Verkehrsmanagements („gebietsbezogenes Verkehrsmanagement“)
n Bessere Ausnutzung bestehender Potenziale der Verkehrstelematik: „Masterplan Verkehrstelematik“, Intermodales Verkehrsmanagement für den Verkehr von/zum Flughafen Berlin
Brandenburg, Aufbau eines stadtregionalen Wirtschaftsverkehrsinformationssystems,
Aufbau eines stadtregionalen Wirtschaftsverkehrsinformationssystems
n Verbesserung der verkehrsträger- und unternehmensübergreifenden Anschlusssicherung
im ÖPNV/SPNV
n Gestaltung des ruhenden Verkehrs: Verbesserung der Parkrauminformation über Großparkanlagen
n Neuorganisation von Reisebusverkehren, Umsetzung des Reisebuskonzepts/Einrichtung
eines telematik-gestützten Reisebusverkehrsmanagement für die zentralen Stadtbereiche
und perspektivisch Ausdehnung auf das Stadtgebiet
n Bessere Fahrgastinformation im ÖPNV/SPNV: Ausweitung und Verbesserung dynamischer
Fahrgastinformationssysteme, Verknüpfung mit dem Fernverkehr
IV.4.5 Teilstrategie Innere Stadt (Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings)
Analyse: Probleme und Handlungsbedarf
1. In der inneren Stadt haben veränderte Rahmenbedingungen und die bisherigen verkehrspolitischen Gestaltungsmaßnahmen zu einem Rückgang des Kfz-Verkehrs geführt. Einzelne
Teilbereiche, z.B. Zentrenbereiche mit hoher Nutzungsdichte, und zum Teil auch die dicht
bebauten – überwiegend dem Wohnen dienenden Stadtteile – weisen jedoch nach wie vor
hohe Verkehrsdichten auf. Dies liegt unter anderem an dem hohen Anteil von Quell- und Zielverkehren. Die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung hat zwar zu einer Dämpfung des
Kfz-Zielverkehrs beigetragen, Berufspendler-, Einkaufsund Freizeitverkehre finden jedoch nach
wie vor in den Citybereichen ein großes Parkraumangebot vor (in Parkhäusern, im öffentlichen
Raum). Die bestehenden erheblichen Erweiterungspotentiale auf privaten Grundstücken
(Schätzungen gehen von bis zu 100.000 Stellplätzen aus) könnten bei Realisierung weitere
Kfz-Verkehre in die Innenstadt ziehen.
2. In der historischen Mitte ebenso wie in der West-City besteht zudem ein hoher Durchgangsverkehrsanteil wegen durchgängig großer Straßenkapazitäten und eines besonders im östlichen Teil radial auf die Mitte ausgerichteten hochleistungsfähigen Netzes von Zulaufstrecken.
75
Der Arbeitsplatzschwerpunkt City-West ist Ziel vieler Pkw-Fahrten aus den östlichen Stadträumen. In der Folge ist insbesondere der Gründerzeit-Wohngürtel als Transitraum teilweise
hoch belastet. Für die große Straßenkapazität in den zentralen Bereichen ist teilweise ein hoher
Preis in Form von stadträumlich sehr problematischen Durchbrüchen durch die historisch
gewachsenen Strukturen der Innenstadt bezahlt worden. Auf diesen Straßen ist der Verkehr
übermäßig stark gebündelt mit der Folge unverträglich hoher Belastungen für die Lebens- und
Aufenthaltsqualität in der Berliner Innenstadt. Andererseits stehen kaum leistungsfähige Routenalternativen mit ausreichenden Kapazitäten in weniger sensiblen Bereichen zur Verfügung.
3. Der motorisierte Individualverkehr, der Wirtschaftsverkehr (Güterverkehr), der im Straßenraum geführte ÖPNV (Bus, Straßenbahn) sowie teilweise auch der Radverkehr nutzen gemeinsam
das knappe Gut Straßenraum. Dabei kommt es häufig zu gegenseitigen Behinderungen, z.B.
durch Be- und Entladungsvorgänge im Lieferverkehr, zugeparkte Einfahrten und Lieferzonen,
Mitbenutzung der Busspuren durch Wirtschaftsverkehre etc. Hinzu kommt, dass der ruhende
und fließende Kfz-Verkehr auch Fußgängerinnen und Fußgänger sowie den Radverkehr beeinträchtigt und gefährdet. Attraktive öffentliche Plätze und Straßenräume werden durch zu viel
Verkehr in ihrer Qualität entwertet. Zusätzlich ruft ein hohes Reisebusaufkommen an touristisch
attraktiven Orten sowie an innerstädtischen Standorten mit zahlreichen Hotels und Gaststätten
vor allem zu Stoßzeiten Nutzungskonflikte im Straßenraum an zentralen Zielorten hervor.
4. Durch die Zunahme des Radverkehrs vor allem in der Innenstadt sind auf bestimmten
Strecken die Kapazitäten der Radverkehrsinfrastruktur ausgereizt. Eine weiterhin steigende
Zahl von Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrern macht die Ausweitung von Radverkehrsanlagen sowie mehr Abstellanlagen im öffentlichen Raum notwendig. Öffentliche Räder sowie
eine absehbar zunehmende Anzahl von Elektrofahrrädern und Pedelecs (Fahrradhybride, die
mit Elektromotor und Muskelkraft betrieben werden und höhere Geschwindigkeiten erreichen)
verlangen ebenfalls nach einer intensiven Befassung mit der Frage nach der angemessenen
Infrastruktur. Gleiches gilt für „Elektrotankstellen“ und Ladestationen, die für die weitere
Verbreitung von elektrisch betriebenen Pkw notwendig sind. Vor allem in dicht bebauten
Gebieten sind diese häufig nicht ohne weiteres in den Straßenraum integrierbar. Hier braucht
es innovative technische und gestalterische Ansätze, um die Potenziale der Elektromobilität im
städtischen Raum nutzbar zu machen. Auch in größeren privaten Stellplatzanlagen sollen
(geregelt über eine Anpassung der Berliner Bauordnung) Ladestationen für Elektroautos zur
Verfügung gestellt werden.
5. Besonders in der inneren Stadt bestehen Potenziale auch für den ÖPNV. Bedingt durch die
Bevölkerungsdynamik (nach Berlin Zuziehende lassen sich meistens zunächst in der inneren
Stadt nieder, die innerstädtischen und innenstadtnahen Bezirke weisen in den nächsten Jahren
noch eine positive natürliche Bevölkerungsentwicklung auf, das innerstädtische Netz ist bereits
dicht und attraktiv) sowie die Raumentwicklung (Nachverdichtungen, städtebauliche und
funktionale Weiterentwicklung z.B. Bebauung der Bereiche um den Hauptbahnhof etc.) kann
der ÖPNV hier langfristig neue Fahrgäste gewinnen, wenn es ihm gelingt, ein attraktives Netz
und attraktive Angebote vorzuhalten.
6. Der Verkehrslärm und die verkehrsbedingte Luftbelastung an bewohnten Hauptverkehrsstraßen in den dichten innerstädtischen Wohngebieten sind in den letzten Jahren durch verkehrliche und andere Maßnahmen (z.B. Fahrbahnsanierungen) verringert worden. Dennoch
belasten die noch vorhandenen negativen Auswirkungen ebenso wie die relativ hohe Unfallgefährdung hier vor allem die Menschen, die selber am wenigsten motorisierten Verkehr
erzeugen. Die Beeinträchtigungen der Lebensbedingungen könnten vor allem an den stark
betroffenen Hauptverkehrsadern selektive Abwanderungsprozesse und damit die soziale Entmischung unterstützen. Zudem herrscht in den dichten innerstädtischen Altstadtquartieren
auch bei geringer Motorisierung Parkraummangel für Anwohnende und ansässige Gewerbetreibende, der durch die Konkurrenz von Einkaufs-, Arbeitsplatz- und Freizeitzentren oder
verdrängte Parksuchverkehre anderer Ziele verschärft wird.
76
IV Das Handlungskonzept
Lösungsstrategie
1. Die weitere Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung auf alle innerstädtischen Zielgebiete des Pkw-Verkehrs mit starker Parkraumnachfrage und Nutzungskonkurrenz sowie auf
die unmittelbar daran angrenzenden Wohngebiete ist für die weitere Entlastung vom Kfz-Zielund Parksuchverkehr unverzichtbar. Dies sollte begleitet werden durch eine Optimierung der
Organisation von Planung und Umsetzung. Besonders der Pkw-Zielverkehr von Dauerparkern
kann so gedämpft werden. Der Zuwachs an privaten Stellplätzen soll unter Beachtung der
Anforderungen unterschiedlicher Nutzungen und der Qualität der ÖPNV-Erschließung
begrenzt werden, um die Wirkung der Parkraumbewirtschaftung zu unterstützen. Diese Maßnahmen werden eingebettet in den übergreifenden „Masterplan Parken“. Der „Masterplan
Parken“ enthält auch eine Abschätzung der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben, die mit
der geplanten Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung verbunden sind. Im Hinblick auf den
Überwachungsmodus wird die Berechnungsgrundlage für den notwendigen Personalbedarf
bei den Bezirken und der Bußgeldstelle der Polizei dargestellt.
2. Zur Verminderung der Durchgangsverkehre soll langfristig eine grundlegende Reorganisation der Kfz-Verkehre in der Innenstadt durch ein Bündel von Maßnahmen erreicht werden.
Großräumig wirkende Bündelungsmaßnahmen (z.B. Verlängerung der A 100) entlasten auch
die historische Mitte und die City-West von Verkehr und negativen Verkehrsfolgen. Darüber
hinaus bewirken sie kleinräumige – signifikant stärkere – Entlastungswirkungen im Straßennetz speziell in den direkt benachbarten Stadtteilen (z.B. Neukölln und Treptow-Köpenick). Die
durch die Verlängerung der A 100 erreichten Entlastungen werden in den jeweiligen Straßen
(z.B. Köpenicker Landstraße) durch geeignete Maßnahmen auch langfristig sichergestellt.
Gleichzeitig erzielte Verkehrsrückgänge in der Innenstadt ermöglichen es zudem, stadträumliche und stadtgestalterische Qualitäten durch den Umbau von Straßenräumen zurück zu
gewinnen und damit Nutzungen wie Wohnen, Aufenthalt und Einzelhandel zu stärken. In
einigen Bereichen der Innenstadt ist es sogar möglich, das Straßennetz neu zu dimensionieren
(z.B. Grunerstraße – Leipziger Straße). Es entstehen so Spielräume für städtebauliche Ergänzungen und „Reparaturen“. Im Zusammenhang mit der verstärkten Nutzung der Potenziale der
Verkehrstelematik können Kfz-Verkehre zudem belastungsabhängig, d.h. zeitlich und räumlich
unterschiedlich, gesteuert und geleitet werden (Pförtnerung), um so insbesondere den nicht
gewünschten Durchgangsverkehr zu begrenzen.
3. Nicht mehr benötigte (Straßen-)Kapazitäten können genutzt werden, um dem Umweltverbund mehr Raum zu geben. Dies kann beispielsweise über die weitergehende Schaffung
eigener Trassen für Bus und Straßenbahn oder den Ausbau von Radverkehrsanlagen geschehen.
Die Umwidmung von Stellplätzen in Gebieten mit Parkraumbewirtschaftung schafft mehr Platz
für Fahrradabstellplätze sowie Ladezonen für den Wirtschaftsverkehr, der so konfliktfreier für
alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer abgewickelt werden kann. Eingebettet in ein
gesamtstädtisches Reisebuskonzept ist, für den Tourismusverkehr in den zentralen Stadträumen
ein Busverkehrsmanagement einzurichten. Ziel ist es, die Abläufe bei den Zubringer- und
Abholfahrten an touristisch bedeutsamen Standorten besser zu koordinieren. Dadurch wird
mithin auch die Aufenthaltsqualität und die Attraktivität dieser Räume für Besucher, Einwohnerinnen und Einwohner gestärkt.
4. Die Ausweisung von mehr Fahrradstraßen als Teil der Weiterentwicklung des Radwegenetzes in der gesamten Innenstadt ist eine Maßnahme, die den Fahrradverkehr sicherer und
attraktiver machen wird. Zur Verbesserung der Bedingungen des Fußgängerverkehrs werden
neben der Fortführung bereits bestehender Programme, wie z.B. zur Verbesserung der Querungsmöglichkeiten von Hauptverkehrsstraßen, im Rahmen der Umsetzung der Fußverkehrsstrategie weitere Modellprojekte zu verschiedenen Themenfeldern des Fußgängerverkehrs
durchgeführt. Berlin und Potsdam sind bereits jetzt eine Modellregion für die Erschließung der
Potenziale der Elektromobilität. Infrastrukturelle Fragen, vor allem Ladestationen für Elektroautos und -fahrräder werden dabei genau so untersucht wie neue Nutzermodelle bzw. die
kombinierte Förderung von Elektromobilität und Carsharing. Auf Basis der Ergebnisse des
77
Modellprojekts können Schlussfolgerungen gezogen werden, wie die Chancen der Technik
genutzt und Risiken vermieden werden können.
5. Eine bessere Nutzung der Potenziale des Umweltverbundes ist über die Steigerung der
Attraktivität der einzelnen Verkehrsträger sowie über eine bessere Verknüpfung von ÖPNV,
Rad- und Fußverkehr erreichbar. Deren planerische, bauliche und tarifliche Integration soll
daher weiter voran getrieben werden. Kommunikative und interaktive Maßnahmen, die
beispielsweise verstärkt die Möglichkeiten zum Umsteigen vom Auto auf den ÖPNV oder auf
öffentliche Räder kommunizieren, können darüber hinaus das intermodale Mobilitätsverhalten
in der Innenstadt unterstützten. Weitere Leistungs- und Attraktivitätssteigerungen können
durch begrenzte Ergänzungen im Schienennetz, vor allem durch eine bessere Schienenanbindung der Innenstadt (S21, U5) und bessere Verknüpfung in Bereichen mit diesbezüglichen
Defiziten (Leipziger Straße, Invalidenstraße, Hauptbahnhof), erreicht werden. Die Beschleunigung der Verkehre von Straßenbahn und Bus trägt in besonderem Maße zur Attraktivitätssteigerung für die Fahrgäste bei. Die verkehrliche Anbindung neu entwickelter Stadtquartiere
(z.B. Umfeld Hauptbahnhof, ehemaliger Flughafen Tempelhof) sollte der gesamtstädtischen
Zielsetzung einer stadtverträglichen Mobilität für alle entsprechen. Planerische Ansätze, z.B.
Nutzungsmischung, und hohe Erschließungsqualitäten im Umweltverbund (Einbindung in die
gesamtstädtischen Netze, Feinerschließung) greifen hierbei ineinander und setzen eine enge
Zusammenarbeit der beteiligten Akteure voraus.
6. Die wachsenden Anforderungen aus anderen Handlungsfeldern bzw. neuen Rahmenrichtlinien und Gesetzgebungen (z.B. Lärmaktionsplan, Luftreinhalteplan), aber auch städtebauliche
Gründe machen weitere Maßnahmen zur Reduzierung und Umgestaltung des Kfz-Verkehrs erforderlich. Alle Maßnahmen, die der Reduzierung nicht-notwendiger Kfz-Verkehre dienen bzw.
die dazu beitragen, den MIV umweltfreundlicher und stadtverträglicher zu machen, erhöhen
die Lebensqualität in der Innenstadt. Dies trägt auch zur Erreichung sozialer Zielstellungen bei.
Die wichtigsten Maßnahmen zur Zielerreichung
n Nachverdichtung und Wiedernutzung brachgefallener, bereits erschlossener Flächen
n Stärkung der Nahversorgung und Sicherung der kleinteiligen Erschließung in den bezirklichen Zentren, u. a. auf Grundlage der Ausführungsvorschriften für bezirkliche Zentrenkonzepte und des StEP Zentren
n Integrierte Standortplanung bei Ansiedlung von Unternehmen mit erheblicher Verkehrserzeugung
n Gestaltung des ruhenden Verkehrs: „Masterplan Parken“, schrittweise Weiterentwicklung,
optimierte Organisation und konsequente Umsetzung der Parkraumbewirtschaftung, Teilumwandlung von Parkplätzen in bewirtschafteten Gebieten (Ladezonen, Gehwege, Fahrradabstellplätze), Verordnung über Stellplätze unter Beachtung der Anforderungen unterschiedlicher Nutzungen und der Qualität der ÖPNV-Erschließung, Bereitstellung von
ca. 1.000 Parkplätzen für Carsharing Autos sowie von Anlagen für öffentliche Räder, Entwicklung eines Leitfadens für Carsharing-Standorte, Entwicklung einer Standortkonzeption für Ladeinfrastruktur von Elektrofahrzeugen im öffentlichen Raum und bei größeren
privaten Stellplatzanlagen (Anpassung an Berliner Bauordnung), Verbesserung der
Parkrauminformation über Großparkanlagen u. a. für Reisebusse
n Fortschreibung und Weiterführung der Radverkehrsstrategie: Umsetzung mit dem
bewährten Maßnahmenrepertoire sowie Vorbereitung und Begleitung von Modell
projekten, Erhöhung der Netzdichte für den Radverkehr, Umsetzung von Pilotprojekten,
Ausbau des Angebots an öffentlichen Leihfahrrädern
n Entwicklung und Weiterführung der Fußverkehrsstrategie, Umsetzung der zur Förderung
des Fußverkehrs
n Neuorganisation von Reisebusverkehren: Entwicklung eines Reisebuskonzepts für die
Berliner Innenstadt und weitere touristisch bedeutsame Gebiete, Umsetzung u. a. durch
modellhafte Anwendung für die Museumsinsel, Einrichtung eines telematik-gestützten
Reisebusverkehrsmanagements für die zentralen Stadtbereiche
78
IV Das Handlungskonzept
n Schrittweise Umorganisation des übergeordneten Straßennetzes in der Innenstadt zur
Entlastung vom Durchgangsverkehr, Abstufung der Bundesfernstraßen und Anpassung
der Wegweisung
n Konzeptentwicklung für die Umgestaltung von Straßen, die durch Rückgänge im Verkehrsaufkommen entlastet wurden
n Erneuerung Bahnhof Ostkreuz
n Erneuerungsmaßnahmen im Bestand der Verkehrsinfrastruktur/Instandhaltungsrückbau
n Neubau von Straßenbahnstrecken, z.B. Nordbahnhof – Hauptbahnhof, Alexanderplatz –
Kulturforum
n Aus-/Neubau der U-Bahnstrecke Alexanderplatz – Hauptbahnhof/U5
n Straßenbaumaßnahmen in der Stadtmitte (z.B. Umgestaltung Leipziger Straße/Grunerstraße (u. a. Molkenmarkt), Straßenbau im Entwicklungsbereich, Umbau Invalidenstraße)
n Straßenbaumaßnahmen im Zuge des mittleren Ringes in Verbindung mit Entlastung der
Innenstadt vom Durchgangsverkehr (Weiterbau der Bundesbahn A 100 (16. und 17. BA))
IV.4.6 Teilstrategie Äußere Stadt und Verflechtung mit dem näheren Brandenburg
Analyse: Probleme und Handlungsbedarf
1. Die äußere Stadt besteht aus einer Vielzahl strukturell sehr unterschiedlicher Teilräume
(historische Siedlungskerne (Städte, Dörfer), Großsiedlungen, großflächige Siedlungsgebiete
geringer Dichte (Einfamilienhausgebiete)), welche zudem durch teils parallele, teils divergierende Entwicklungsdynamiken gekennzeichnet sind, die zu differenzierten Anforderungen an
die verkehrliche Entwicklung führen:
n Gebiete wie Adlershof, Teilbereiche um den (zurzeit noch in Bau befindlichen) Flughafen
Berlin Brandenburg sowie das Gebiet Berlin-Buch sind Motoren der Entwicklung der
äußeren Stadt, die leistungsfähige verkehrliche Erschließung für eine potenziell wachsende
Zahl von Menschen benötigen. Im Zuge der Nachnutzung soll auch der Flughafen Tegel
ab 2012 eine ähnliche Funktion übernehmen.
n In den von Bevölkerungsrückgängen besonders betroffenen Teilbereichen (periphere
Gebiete im Ost- und Westteil der Stadt, Großwohnsiedlungen) ist mit einem Rückgang der
Verkehrsnachfrage insgesamt zu rechnen. Aus verkehrlicher Sicht muss hier vor allem die
Sicherung der Daseinsvorsorge, die Stärkung der Nahmobilität und die Herstellung von
Barrierefreiheit im Fokus stehen.
n Außerhalb der Siedlungskerne und der verdichteten Gebiete besteht im größeren Teil der
äußeren Stadt, vor allem in den Einfamilienhausgebieten, eine relativ niedrige Nutzungsdichte und damit auch eine geringe Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsangeboten. Hier
kommen eine höhere Pkw-Affinität und eine weniger dichte Erschließung durch den
ÖPNV zusammen. Aufgrund der nachlassenden Suburbanisierung stabilisiert sich die Ausdehnung dieser Siedlungsflächenkulisse.
n Bezirks- und Ortsteilszentren, die auch als Verknüpfungspunkte mit dem ÖPNV-Netz
dienen, sind mit ihren Einzugsgebieten oft nicht zureichend verknüpft (vor allem Lücken
im Rad- und Fußwegenetz).
2. Nach wie vor bestehen in den Gebieten der östlichen äußeren Stadträume Defizite bei
den Arbeitsmöglichkeiten, teilweise fehlen auch zentrenrelevante Nutzungen und Freizeitgelegenheiten, was zu überdurchschnittlichen Wegelängen in den dortigen Gebieten führt.
Die Erreichbarkeit der Zentren im Stadtgebiet entspricht dank infrastruktureller und weiterer
angebotsseitiger Verbesserungen mittlerweile den Vorgaben, lediglich vereinzelt gibt es
Defizite. Abends, nachts und am Wochenende sind die ÖPNV-Angebote in einigen äußeren
Stadtgebieten zum Teil nachfragebedingt weniger dicht als in den innenstadtnahen Teilgebieten.
79
3. Folgende Disparitäten sind wegen der ehemaligen Teilung der Stadt, unterschiedlicher
Wirtschaftskraft und unterschiedlichen Infrastruktur-Ausbaustrategien bei der Verkehrsinfrastruktur in den östlichen Stadträumen gegeben:
n Der Ausbau des Schienennetzes ist noch nicht komplett abgeschlossen, u. a. im Zuge
der Anbindung an den Flughafen Berlin Brandenburg ist der weitere Ausbau derzeit in
Planung.
n Das Straßennetz ist weniger dicht. Leistungsfähige Radialen führen auf die Stadtmitte,
ihre Vernetzung durch Tangenten bzw. Tangentenabschnitte ist jedoch wenig dicht
geknüpft und im Vergleich zu den Radialen weniger leistungsfähig, eine unzureichende
Verknüpfung der Teilnetze besteht in West und Ost, insbesondere im Raum Ostkreuz/
Oberspree.
n Vereinzelt bestehen noch immer teilungsbedingte Netz-Lücken, vor allem bei den Oberflächenverkehren im ÖPNV und den Verknüpfungen der ÖPNV-Teilnetze untereinander.
n Die Erreichbarkeit der Stadtmitte westlich des Alexanderplatzes ist für ÖPNV-Nutzer
wegen notwendiger Umsteigevorgänge vergleichsweise kompliziert.
4. Der äußere Stadtraum ist teilweise Durchgangsraum für Verkehr zwischen innerer Stadt
und Umland bzw. Fernzielen. Vor allem die zunehmende funktionale Stadt-Umland-Verflechtung führt auf den radialen Strecken des Hauptverkehrsstraßennetzes zu stärkeren Verkehrsbelastungen und der Belastung der angrenzenden Stadträume durch starke verkehrsbedingte
Emissionen. Im Personenverkehr haben die in den vergangenen Jahren geschaffenen Park&RideAngebote nicht zu den erhofften Entlastungen bzw. MIV-Verringerungen im innenstadtorientierten Zielverkehr geführt.
5. Veränderungen der Raum- und Siedlungsstruktur innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen (vor allem durch Stadterweiterung, Auslagerung von Logistikfunktionen, Gewerbebetrieben und von großflächigen Einzelhandelsbetrieben) haben den funktionalen Verflechtungsbedarf zwischen Berlin und Brandenburg vergrößert. Die bereits erzielte enge Verflechtung zwischen Berlin und Brandenburg drückt sich verkehrlich vorrangig in der guten Qualität
der Verbindungen im Schienenpersonennahverkehr und einem leistungsstarken Straßennetz,
vor allem in den unmittelbar an die Hauptstadt grenzenden Teilbereichen der Metropolregion
aus. Es besteht jedoch weiterhin Handlungsbedarf hinsichtlich der folgenden Aspekte:
n Das Stadt-Umland-Schienennetz und das Angebot im Regionalverkehr auf der Schiene ist
in Ost-West-Richtung leistungsfähig, in Nord-Süd-Richtung besteht noch eine wesentliche
teilungsbedingte Lücke im Schienennetz (Nordbahn) mit der Folge von notwendigen
Umwegfahrten über den Berliner Außenring.
n Die Verknüpfung der Angebote des ÖPNV (vor allem Bus) weist zum Teil noch Defizite auf.
Insbesondere an den räumlichen Berührungspunkten der administrativen Zuständigkeitsbereiche verschiedener Aufgabenträger bestehen weiterhin Abweichungen in Qualität
und Quantität des Angebots bis hin zu Unterbrechungen von ÖV-Verbindungen.
n Die Länder Berlin und Brandenburg haben bereits Grundlagen für die Gestaltung des
gemeinsamen Verkehrsraums geschaffen (z.B. Gemeinsame Verkehrsprognose 2025,
Beteiligung an bundesweiten Erhebungen zum Mobilitätsverhalten). Die weitere Ver
tiefung der Zusammenarbeit soll auf Seiten beider Länder dafür sorgen, infrastrukturelle
und weitere Angebote verstärkt gemeinsam zu entwickeln und insbesondere ein
leistungsfähiges öffentliches Verkehrsangebot zu schaffen und zu sichern.
Lösungsstrategie
1. Mittel- und längerfristig können und sollen in den Teilgebieten der äußeren Stadt unter
Berücksichtigung der Grundsätze, die in den planerischen Instrumenten (vor allem Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg, Flächennutzungsplanung) verankert sind, die Voraussetzungen für verbesserte Erreichbarkeiten, die Reduzierung überdurchschnittlicher Wegelängen
und die Reduzierung des motorisierten Verkehrsaufwandes erreicht werden.
80
IV Das Handlungskonzept
n Die leistungsfähige verkehrliche Erschließung der großflächigen Gebiete mit Entwicklungspotenzial (z.B. Adlershof, Buch, Flughafen Berlin Brandenburg) ist auch im Hinblick
auf zukünftig zunehmende Fahrgastströme sicher zu stellen. Hier kann die Nachfrage
nach Angeboten des Umweltverbundes durch kommunikative und spezifische organisatorische Maßnahmen erhöht werden. Für die Anbindung verkehrsintensiver Nachnutzungen auf dem Gelände des Flughafens Tegel sind die erforderlichen Optionen offen zu
halten.
n In von Bevölkerungsrückgängen betroffenen Teilgebieten stehen Maßnahmen zur Stabilisierung bzw. Verbesserung der ÖPNV-Nachfrage als Voraussetzung für die angemessene
Aufrechterhaltung von Angeboten im Mittelpunkt. Hier ist über neue Mobilitätsdienstleistungen für die ältere Bevölkerung, insbesondere in Großsiedlungen nachzudenken. Zielgruppenspezifische Informationsangebote und Mobilitätsberatung können darüber
hinaus auch in den Einfamilienhausgebieten mit steigendem Altersdurchschnitt einen
Beitrag zur Mobilitätssicherung ohne Auto leisten.
2. Laufende Maßnahmen zur Verbesserung der Zuordnung von Arbeitsplätzen und Wohnorten, zur Stärkung der Zentren sowie zur Stabilisierung von Großwohnsiedlungen und zur
Verdichtung von Gebieten mit niedriger Siedlungsdichte werden weiterhin umgesetzt. Eine
über den FNP hinaus gehende Neuausweisung von Siedlungs- und Gewerbeflächen ist aufgrund
bestehender Flächenpotenziale sowie im Zusammenhang mit den Vorgaben der Gemeinsamen
Landesplanung Berlin-Brandenburg nicht nötig. Bei der Planung und Realisierung neuer Wohngebiete ist darauf zu achten, dass diese angemessen und mit dem ÖPNV erschlossen werden
können und dass die Straßen- und Wegeerschließung eine hohe Durchlässigkeit für den Radund Fußverkehr aufweist. Zur Verbesserung der Situation für den ÖPNV und den nicht-motorisierten Verkehr sind Organisations- und (kleinteilige) Infrastrukturmaßnahmen bereits kurzund mittelfristig wirksam. Dazu gehört vor allem die Sicherung von Anschlüssen bei längeren
Taktzeiten in der Neben- und Schwachverkehrszeit. Die Erreichbarkeit der Bezirks- und Ortsteilzentren ist zudem nicht nur zur Stärkung der Nahversorgung wichtig, sondern festigt auch
deren Funktion als intermodale Verknüpfungspunkte zwischen ÖPNV, Fuß- und Radverkehr.
3. Längerfristig besteht folgender Bedarf für die Ergänzung bzw. bessere Ausnutzung der
Verkehrsinfrastruktur:
n Für den ÖPNV erfordert die absehbare Zunahme der tangentialen Verkehrsnachfrage in
den äußeren Stadtregionen Berlins eine bessere Verknüpfung, Beschleunigung und
größere Kapazitäten; zu prüfen hinsichtlich Potenzial und Wirtschaftlichkeit sind tangentiale Netzschlüsse bzw. -erweiterungen im östlichen und südlichen Außenraum sowie eine
effiziente Nutzung der bestehenden Infrastrukturen.
n Ergänzungen des Straßennetzes sind dort erforderlich, wo Störungen in der Netzstruktur
zu Umwegverkehr in großem Umfang, zu permanenter Überlastung und zur Entwertung
wichtiger Stadträume und Wohngebiete führen (insbesondere Räume Köpenick, Oberspree,
Ostkreuz) und die Belastungen durch Netzergänzung reduziert werden können. Um
motorisierten Mehrverkehr mit Kraftfahrzeugen zu vermeiden, sollen Kapazitätsergänzungen oder -ausweitungen regelmäßig mit Beschränkungen bzw. Kapazitätsanpassungen in komplementären Entlastungsbereichen verbunden werden (Einlösung der
„Entlastungsdividende“).
4. Das im Berliner Südostraum (Anbindung Flughafen Berlin Brandenburg) begonnene
länderübergreifende Regionale Verkehrsmanagement (RVM) soll schrittweise auch für weitere
Verflechtungsbereiche mit Brandenburg institutionalisiert und betrieben werden. Ergänzende
verkehrsorganisatorische Maßnahmen sowie Maßnahmen des Verkehrsmanagements
(z.B. Information zu alternativen Routen) sind dort einzusetzen, wo die Belastungen aufgrund
von Durchgangsverkehren hoch sind. Dazu gehören insbesondere Maßnahmen zur Neuorganisation des Straßengüterverkehrs, der in der Innenstadt Quelle und/oder Ziel hat und die
äußeren Stadträume durchquert.
81
5. Den funktionalen Stadt-Umland-Verflechtungen mit zusätzlichem Verkehrsbedarf muss
durch eine qualitative Verbesserung der Stadt-Umland-Verknüpfung folgendermaßen Rechnung getragen werden:
n Ergänzung des regionalen und des Stadt-Umland-Schienenverkehrsangebotes und Attraktivitätssteigerung als Anreiz für Berufspendler-, Personenwirtschafts- und Freizeitverkehr,
n bessere Verknüpfung der öffentlichen Verkehrsangebote, insbesondere an den räumlichen Schnittstellen zwischen den Zuständigkeitsgebieten unterschiedlicher Aufgabenträger; Entwicklung gemeinsamer Bedien- und Finanzierungsmodelle,
n Sicherung und Umsetzung der schienen- und wasserseitig angebundenen Güterverkehrssubzentren als Ausgangspunkte für die Feinverteilung im Stadtgebiet, dadurch Entlastung
radialer StadtUmland-Straßen vom schweren Güterverkehr,
n Überarbeitung der P&R-Konzeption als gemeinsame Maßnahme der Länder Berlin und
Brandenburg,
n Nutzung von Möglichkeiten des Verkehrsmanagements und neuer Technologien zur
stadtverträglichen Führung des Schwerlast-Fernverkehrs zu den innerstädtischen Zielen.
Die wichtigsten Maßnahmen zur Zielerreichung
n Abbau des strukturellen Arbeitsplatzdefizits in den östlichen Stadtteilen mit dem Ziel der
Verkehrsvermeidung
n Konsequente Konzentration der Siedlungsentwicklung auf Siedlungsachsen entlang von
Schienenkorridoren
n Integrierte Standortplanung bei Ansiedlung von Unternehmen mit erheblicher Verkehrserzeugung
n Stärkung der Nahversorgung und Sicherung der kleinteiligen Erschließung in den bezirklichen Zentren u. a. auf Grundlage der Ausführungsvorschriften für bezirkliche Zentrenkonzepte und des StEP Zentren
n Fortschreibung und Weiterführung der Radverkehrsstrategie: Umsetzung mit dem
bewährten Maßnahmenrepertoire sowie Vorbereitung und Begleitung von Modell
projekten, Erhöhung der Netzdichte für den Radverkehr, Umsetzung von Pilotprojekten,
Ausbau des Angebots an öffentlichen Leihfahrrädern
n Entwicklung, Weiterführung und Umsetzung der Fußverkehrsstrategie
n Verbesserung der länderübergreifenden Verkehrsbeziehungen zwischen Berlin und
Brandenburg, Verbesserung der ÖV-Angebote vor allem im Busverkehr, Förderung von
Fahrgemeinschaften für Berufspendler
n Verbesserung der verkehrsträger- und unternehmensübergreifenden Anschlusssicherung
im ÖPNV/SPNV
n Mobilitätsdienstleistungen für die ältere Bevölkerung
n Neubau von Strecken und Bahnhöfen für den Regionalverkehr
n Neubau von Straßenbahnstrecken und Netzergänzung tangentialer Straßenbahnstrecken,
z.B. Wissenschaftsstadt – Schöneweide – Sterndamm
n Straßenbaumaßnahmen zur Verbesserung der Stadt-Umland-Verbindungen
n Straßenbaumaßnahmen im Zuge des mittleren Ringes in Verbindung mit Entlastung der
Innenstadt vom Durchgangsverkehr, Weiterbau der Bundesautobahn A 100 (16. und 17. BA)
n Umgestaltung diverser Straßen als Komplementärmaßnahmen zu Netzergänzungen,
z.B. Umgestaltung B 96a, Am Treptower Park, Puschkinallee, Grenzallee, Elsenstraße (südlich Am Treptower Park) als Komplementär zum 16. BA der A 100, Umgestaltung B 96a Am
Seegraben, Adlergestell, Grünauer Schleife, Schnellerstraße zur Stadtstraße als Komplementär zur A 113, Verkehrslösung Schöneweide
n Straßenbaumaßnahmen zur Beseitigung struktureller Netzprobleme und zur Entlastung
von Wohngebieten, z.B. Teilabschnitte der Süd-Ost-Verbindung, Teilabschnitte der Tangentialverbindung Ost, Teilabschnitt der Ost-West-Trasse (Nordumfahrung Köpenick)
n Förderung der Kombination von Pkw- bzw. Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung, Überarbeitung
der Park&Ride-Konzeption zusammen mit Brandenburg und Umsetzung (Berliner Teil),
Bau zusätzlicher und Ausbau vorhandener Fahrradabstellplätze, Ausbau des Angebots
öffentlicher Leihfahrräder mit tariflicher Integration in den ÖPNV
82
IV Das Handlungskonzept
IV.4.7 Teilstrategie Verkehrsverknüpfung der Hauptstadtregion Deutschland
und Europa
Analyse: Probleme und Handlungsbedarf
1. Dank großer Ausbauanstrengungen seit 1990 konnte die Fernerreichbarkeit Berlins erheblich verbessert werden. Allerdings bestehen weiterhin Defizite bei der Anbindung an internationale Verkehrsnetze sowie in der Qualität vorhandener Netze und Zugangsstellen. Diese
Defizite tragen dazu bei, dass die internationale Konkurrenzfähigkeit Berlins als Wirtschaftsmetropole immer noch beeinträchtigt ist. Eine gute Fernerreichbarkeit mit allen Verkehrsträgern ist ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmensentscheidungen. Der Wandel zur
„Wissensgesellschaft“ gelingt nur im internationalen Austausch. Die notwendige Umsetzung
der vorhandenen Wissenschafts- und Forschungspotenziale in produktionsnahe Dienstleistungen und in Produktion zur Steigerung der Wertschöpfung in Berlin setzen eine konkurrenzfähige Fernerreichbarkeit voraus. Die Verbesserung der Fernerreichbarkeit durch Infrastrukturausbau ist jedoch ein Anreiz zur Erhöhung des Verkehrsaufwandes und steht deshalb im
Konflikt mit den Zielen nachhaltiger Verkehrsentwicklung. Dieser Zielkonflikt zwischen Wirtschafts- und Verkehrspolitik ist nicht auflösbar, kann und muss aber durch Stärkung umweltverträglicher Verkehrsträger begrenzt werden.
n In Berlin enden die Hochgeschwindigkeitsstrecken im Schienenverkehr aus dem übrigen
Bundesgebiet. Der Netzzustand der Bahnstrecken in Richtung Norden (Skandinavien/
Öresund-Region), Osten und Südosten (Mittel-Ost-Europa) befindet sich noch auf einem
zu niedrigen Qualitätsniveau; das Zugangebot, die Fahrplanabstimmung und die Transparenz der Tarife sind insbesondere in Richtung der benachbarten polnischen Metropol
regionen unzureichend.
n Die Autobahnen nach Osten enden hinter der polnischen Grenze und die Autobahnanbindung an Mittel-Osteuropa ist nicht durchgängig vorhanden.
n Das bestehende Flughafensystem ist als internationales Drehkreuz noch nicht hinreichend
leistungsfähig. Direktverbindungen zu Fernzentren werden nicht ausreichend angeboten.
Durch den derzeit in Bau befindlichen neuen Flughafen Berlin Brandenburg wird die
Leistungsfähigkeit und Anbindung Berlins über die Luft stark verbessert.
n Die Wasserwege (Westanbindung und Verbindung mit Polen) sind zu wenig leistungsfähig; die Modernisierung der Westanbindung (Projekt 17) verzögert sich.
2. Berlin ist dem Ziel einer besseren internationalen Verknüpfung mit den neuen Bauten im
Schienenverkehr (der Nord-Süd-Verbindung und der Fernbahnhöfe) näher gekommen. Eine
weitere Entwicklung im Personenfernverkehr wird es mit der Eröffnung des Flughafens Berlin
Brandenburg geben. Die überregionalen Entwicklungen im Güterfernverkehr zeigen, dass der
Metropolraum Berlin überwiegend Quelle und Ziel von Waren- und Güterströmen und nur in
geringerem Umfang Umschlagort für Transitverkehre (mit keiner oder geringer Wertschöpfung) ist. Diese Funktionen werden vorwiegend im Umland und dort zum großen Teil in den
Güterverkehrszentren wahrgenommen. Diese Entwicklungen werden voraussichtlich auch
zukünftig andauern.
3. Das anhaltende Wachstum des Straßengüterfernverkehrs mit erheblichen Zielkonflikten
(Umweltbelastung, Ressourcenverbrauch, Gesundheitsgefährdung) ist auch Resultat nicht
ausreichend konkurrenzfähiger Alternativen durch Schienengüterverkehr und Binnenschiff
(Mängel bestehen beim Netz, bei den Umschlagstellen, im Kostengefüge und bei den Dienstleistungsqualitäten).
Lösungsstrategie
Anmerkung: Im Vergleich zu anderen Teilstrategien ist hier die Handlungskompetenz der
Berliner Landespolitik begrenzt und liegt im Wesentlichen in der Mitwirkung an der Meinungsbildung, der Planung und der Programmerstellung insbesondere des Bundes und der Abstimmung mit dem Land Brandenburg.
83
1. Zur Begrenzung des Zielkonfliktes zwischen notwendiger Erreichbarkeitsverbesserung
und unerwünschtem Verkehrszuwachs ist es notwendig, bessere Verknüpfungen zwischen den
Verkehrsnetzen herzustellen und umwelt- und stadtverträglichere Verkehrsträger mit Priorität
auszubauen. Dies ist für den Personen- und Güterverkehr vor allem das Eisenbahnnetz. Eine
besondere Bedeutung hat dabei die Qualifizierung der großräumigen West-Ost- und NordSüd-Verbindungen. Aus Umwelt- und Ressourcengesichtspunkten hat dabei vor allem für
mittlere Distanzen der Schienenverkehr Priorität vor dem Luftverkehr. Für die transnationale
Anbindung ist besonders die Erreichbarkeit im Schienenverkehr nach Skandinavien (über die
geplante Fehmarnbelt-Brücke und über die Ostseehäfen Rostock, Mukran und Swinemünde)
sowie nach Posen/Warschau/Baltikum/Russland (über den „Rail Baltica-Korridor“) und Breslau/
Ukraine/Südosteuropa (über den „Via Regia-Korridor“) zu verbessern. Berlin muss sich daher,
insbesondere im Rahmen der Oder-Partnerschaft mit den polnischen Partnern, weiterhin für
eine stärkere Priorisierung des Ausbaus der grenzüberschreitenden Verkehrsinfrastruktur und
für die Lösung aller organisatorischen Probleme in den Grenzbahnhöfen einsetzen. Operative,
kurzfristig zu realisierende Verbesserungen sollten im grenzüberschreitenden Personenverkehr
Vorrang haben.
2. Zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit im Güterverkehr ist auch weiterhin eine umweltund raumverträgliche Modernisierung der Wasserstraßen unerlässlich (Projekt Deutsche Einheit Nr. 17, Wasserweg nach Stettin/Ostsee). Durch die Entwicklung der Binnenwasserstraßen
kann die Anbindung der Metropolregion an das west- und osteuropäische Binnenwasserstraßennetz gesichert werden und eine bessere Erschließung von Gewerbestandorten durch
Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern erfolgen. Die Wasserstraße kann zudem für Hafenhinterlandverkehre eine Alternative zu Straße und Schiene darstellen.
3. Der Ausbau des Flughafens Berlin Brandenburg ist bereits in der Umsetzung, mit seiner
Fertigstellung wird der innerstädtische Flughafen Tegel geschlossen. Die Einbindung des
neuen Flughafens in die großräumigen und überregionalen Schienenverkehrsverbindungen
(auch nach Polen) gewährleistet eine gute Erschließung im öffentlichen Verkehr. Um attraktive
und kundennahe Zielpunkte des Fernverkehrs im Stadtgebiet gut erreichen zu können,
müssen mehrere Verknüpfungspunkte und/oder gute Anschlüsse an das regionale bzw. Nahverkehrsnetz vorhanden sein. Zur verbesserten Verknüpfung von Fern- und Nahverkehr
werden dienen:
n Verbesserung der ÖV-Anbindung des Hauptbahnhofes,
n der Bau einer schnellen Schienenanbindung des Flughafens Berlin Brandenburg an die
innere Stadt,
n die Sicherung und der Ausbau des Terminals für Busfernreisen.
4. Beim Ausbau des Bundesfernstraßennetzes sind die Anbindung der inneren Stadt und
des Süd-Ost-Raumes an den Flughafen Berlin Brandenburg sowie der Abschluss des Ausbaus
des Bundesautobahn-Außenringes zur tangentialen Führung der Transitverkehre besonders
wichtig.
Die wichtigsten Maßnahmen zur Zielerreichung
n Verbesserung der übergreifenden Verkehrsinformation zwischen Nah- und Fernverkehr
n Verbesserung der Bedingungen für den grenzüberschreitenden Schienenverkehr
(Deutschland/Polen), u. a. durch Unterstützung von organisatorischen Verbesserungen
des Bahnverkehrs, Optimierung von Fahrplänen und Tarifangeboten
n Landespolitische Initiative zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen zwischen
den Verkehrsträgern
n Fertigstellung des Flughafens Berlin Brandenburg und der Verkehrsanbindung
n Ausbau von Wasserstraßen
n Standortfindung und ggf. Entscheidung über Bau eines 2. ZOB
84
V Wirkungsschätzung
V.1 Ziele und Vorgehen bei der StEP-Wirkungsschätzung
Für einen wichtigen Teil der Maßnahmen des StEP Verkehr wurde eine Wirkungsschätzung
durchgeführt. Ziel war es, für diese Maßnahmen – einzeln und kombiniert in Szenarien –
Erkenntnisse zu Wirkungsgrad und Wirkungsrichtung vor allem in Bezug auf die Ziele des StEP
Verkehr zu gewinnen.
Die Einzelbewertung ausgewählter Maßnahmen dient dazu, ihre Einstufung im Handlungskonzept (Kernmaßnahme oder unterstützende Maßnahme, vgl. Kapitel IV.2) und im Maßnahmenkatalog anhand ihrer tatsächlichen Wirkkraft vorzunehmen und nicht auf Basis der an sie
gerichteten Erwartungen. Die Kombination von Maßnahmen und ihre gesamthafte Wirkungsuntersuchung in drei verschiedenen Szenarien zeigt darüber hinaus das Gestaltungs- und Veränderungspotenzial des StEP Verkehr auf. Mit Hilfe der Ergebnisse war eine Einschätzung bzw.
Einordnung der Zielerreichung des StEP Verkehr möglich (vgl. Kapitel V.5).
Die Auswahl der Maßnahmen, die – einzeln oder kombiniert – auf ihre Wirkung hin untersucht
worden sind, erfolgte zusammen mit dem Wissenschaftlichen Beirat und dem Runden Tisch
Verkehr. Aus dem Maßnahmenkatalog des StEP Verkehr wurden 15 Maßnahmen ausgewählt,
die entweder umstritten bzw. in ihrer Wirkung nicht eindeutig waren, oder aber als besonders
zielführend eingestuft wurden.
Im Planungsprozess stand die Wirkungsabschätzung nicht am Abschluss der Arbeiten, sondern
sie bildete einen Zwischenschritt zwischen der Erstellung der Teilstrategien und der endgültigen
Zusammenstellung des Maßnahmenkatalogs. Damit bot sie die Möglichkeit, noch im Prozess
Maßnahmen zu verändern, zu schärfen bzw. ggf. neue Ansätze zu ergänzen. Die Wirkungsschätzung erfolgte in zwei Schritten:
1. Zunächst wurde eine Abschätzung der Wirkung einzelner Maßnahmen bzw. gleichgerichteter Maßnahmenbündel vorgenommen. Die Untersuchung der Einzelmaßnahmenwirkung
erfolgte zum Teil mit Hilfe der Gesamtverkehrsprognose 2025 (GVP 2025). Darüber hinaus
wurden wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrungen anderer Städte und eigene Fachexpertisen
herangezogen.
2. Auf der Untersuchung der Einzelmaßnahmen aufbauend wurden drei Szenarien aus
unterschiedlichen Maßnahmenkombinationen entwickelt und auf Grundlage des Verkehrsmodells die verkehrlichen Effekte berechnet. Aus diesen lassen sich auch die Entwicklungen
hinsichtlich der abbildbaren Verkehrsfolgen (Luft, Lärm, Erreichbarkeit) ableiten.
Bei der Bewertung des Vorgehens und der Ergebnisse der StEP-Wirkungsschätzung muss
berücksichtigt werden, dass in Verkehrsmodellen grundsätzlich nicht alle Arten von Maßnahmen abgebildet werden können. Die modellhafte Berechnung ist sehr gut geeignet für die
Bewertung der bis 2025 als wesentlich angesehenen Infrastrukturmaßnahmen. Nicht-infrastrukturelle Maßnahmen lassen sich jedoch nur bedingt in gleicher Weise abbilden. Die in den
Szenarien angestellten Berechnungen stellen damit nicht die Gesamtbilanz des StEP Verkehr
dar.
Grundlage der Wirkungsschätzung für die Maßnahmen des StEP Verkehr ist die GVP 2025.
Diese trifft Aussagen zur erwarteten Verkehrsentwicklung für das Zieljahr 2025, basierend auf
einer Analyse der Trends und Entwicklungen bei den relevanten Einflussfaktoren der Verkehrsentstehung. Im Ergebnis lassen sich aus dem Modell der GVP 2025 für die Metropolregion
als Ganzes sowie für einzelne Teile die derzeit erwartbaren verkehrlichen Entwicklungen 2025
ablesen.
85
Im Rahmen der Wirkungsschätzung des StEP Verkehr bildet das „Berlin-Brandenburg-Szenario“
der GVP 2025 den Vergleichsfall (kurz „Basis-Szenario“, vgl. Kapitel V.3). Es zeigt an, welche Entwicklungen sich vollziehen, wenn Verkehrspolitik und -planung weiterhin auf Grundlage der
Ziele, Strategien und Maßnahmen des ersten StEP Verkehr agieren. Die darüber hinaus gehenden Maßnahmen des vorliegenden zweiten StEP Verkehr werden dem sowohl in einer (teilweisen) Einzelbewertung als auch in Form umfänglicher Szenarien gegenübergestellt. Eine
ausführliche Darstellung der Prognose, der verwendeten Daten sowie des Vorgehens bei der
Wirkungsschätzung findet sich in der technischen Dokumentation im Anhang.
V.2 Ergebnisse der Wirkungsanalyse der Einzelmaßnahmen
Folgende Einzelmaßnahmen bzw. Maßnahmenbündel wurden im ersten Schritt auf ihre
Wirkungen hin untersucht3:
n Attraktivitätssteigerung ÖV (Maßnahmenbündel enthält u. a. ÖPNV-Beschleunigung)
n Radverkehrsnetze im Nahraum
n Einlösung der „Entlastungsdividende“ (Querschnittsveränderungen in einzelnen Straßenräumen zugunsten der Verkehrsmittel im Umweltverbund infolge von Kfz-Verkehrsent
lastung)
n Veränderte Flottenzusammensetzung
n Gebietsbezogenes Verkehrsmanagement
n Parkraumbewirtschaftung/Anwendung der Verordnung über Stellplätze
n Variation der Lkw-Maut
n Mobilitätsmanagement und Informations-/Serviceangebote für NeubürgerInnen
n Betriebliches Mobilitätsmanagement
n Siedlungsstrukturell wirksame Maßnahmen zur Stärkung der Nahversorgung (Steuerung
der Verkaufsflächenentwicklung)
n Infrastrukturmaßnahmen (Straße und Schiene)
Für die Wirkungsanalyse des Maßnahmenbündels Attraktivitätssteigerung ÖPNV wurde untersucht, inwieweit sich durch Reisezeitverkürzungen (über ÖPNV-Beschleunigung, bessere Verknüpfung von Verkehrsangeboten etc.) eine Steigerung der Fahrgastnachfrage erzielen lässt.
Grundlage waren Untersuchungen der BVG sowie umfänglichen Studien aus Zürich. Eine Übertragung der Ergebnisse auf Berlin zeigte, dass bei einer Reisezeitverkürzung von 10 bis 20
Prozent zwischen 11.000 und 44.000 Fahrgäste werktags für den ÖPNV hinzu gewonnen
werden können. Auf Grundlage dieses Ergebnisses wurde den Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV im Handlungskonzept des StEP Verkehr sowie im Maßnahmenkatalog
eine hohe Priorität eingeräumt.
Die durch Parkraumbewirtschaftung erzielbaren Effekte bei der Verkehrsmittelwahl im Berufsverkehr wurden bereits in der GVP 2025 nachgewiesen. Dabei konnte gezeigt werden, dass
eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung innerhalb des S-Bahn-Rings zusammen mit
Preissteigerungen und flächendeckender Tempo-30-Ausweitung zu einem gesamtstädtischen
Rückgang im Verkehrsaufkommen führen kann. Darüber hinaus zeigen die Erfahrungen aus
anderen Städten sowie aus den Berliner Bezirken, in denen Parkraumbewirtschaftung bereits
eingeführt wurde, dass der Parkdruck sinkt, Parksuchverkehre zurückgehen und sich damit die
Wohn- und Lebensqualität in den Gebieten verbessert.
Im Hinblick auf die geplante Verordnung über Stellplätze haben Untersuchungen gezeigt,
dass bei einem deutlichen Anwachsen der Stellplatzzahlen in der Innenstadt die Quell- und
Zielverkehre im Kfz-Verkehr zunehmen würden. Die Folgen dieser Verkehrszunahme wären
Stauungen und Stockungen sowie die Erhöhung von Luft- und Lärmbelastung an Hauptverkehrsstraßenabschnitten.
86
Vorgehen und Ergebnisse der Einzelnmaßnahmenbewertung können hier nur zusammenfassend dargestellt werden.
Eine umfassende Erläuterung des Vorgehens und der
Methodik findet sich in der technischen Dokumentation im
Anhang.
3
V Wirkungsschätzung
Die Maßnahmen des Mobilitätsmanagements wurden mit Fokus auf die Zielgruppe der neu
ins Stadtgebiet Zuziehenden auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Grundlage dafür waren
Studien aus München, die auf die Berliner Situation (Zuwanderung, Modal Split) angepasst
wurden. Dafür wurden die in der Bevölkerungsprognose für Berlin ausgewiesenen Wanderungsbewegungen sowie der Modal Split der Berliner Gesamtbevölkerung (laut SrV 2008) als
Datengrundlagen verwendet. Die in München erzielten Effekte bei der Neubürgerberatung
wurden an das Berliner Beispiel angepasst. Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass durch die
Mobilitätsberatung bis zu 4 Prozent der MIV-Wege auf den Umweltverbund verlagert werden
können. Für die Wirkungsanalyse des betrieblichen Mobilitätsmanagements wurden Ergebnisse
aus Dresden herangezogen. Auf deren Grundlage wurde bei einer standortbezogenen Untersuchung für das betriebliche Mobilitätsmanagement bei Arbeitswegen ein Verlagerungspotenzial von 5 Prozent auf den Umweltverbund (Fuß/Rad und ÖV) ausgewiesen.
Die im StEP Verkehr enthaltenen Maßnahmen zur Erneuerung und Nachrüstung von Fahrzeugflotten wurden hinsichtlich ihres Beitrags zum gesamtstädtischen Rückgang von Luftschadstoffemissionen untersucht. Dabei wurde ermittelt, inwieweit durch planerische Maßnahmen
positive Effekte zusätzlich zu den aufgrund technischer Entwicklungen ohnehin erwartbaren
Rückgängen der NOx und Feinstaubbelastung erzielt werden können. Die Berechnungen
fanden auf Grundlage der aus dem Jahr 2004 stammenden Version4 der vom Umweltbundesamt herausgegebenen Datenbasis für die Emission von Kraftfahrzeugen statt. Inzwischen liegt
eine neue Emissionsdatenbasis mit zum Teil höherem Schadstoffausstoß für die momentan auf
der Straße befindliche Fahrzeugflotte, insbesondere für Euro 5/V- Fahrzeuge, vor. Andererseits
ist anzunehmen, dass die für 2025 ermittelten Verbesserungen bei den hier vorliegenden Rechnungen aufgrund der fehlenden Euro6/VI-Fahrzeuge eher unterschätzt wurden. Trotz unvermeidbaren Unsicherheiten, die sich aus der Verwendung der alten (bei Durchführung der
Wirkungsschätzung einzig vorliegenden) Datenbasis ergeben, kann davon ausgegangen
werden, dass infolge der weiteren Verbesserung der Fahrzeugflotte vor allem bei schweren
Nutzfahrzeugen und Bussen bis 2025 Minderungen in der Größenordnung von mindestens
3 Prozent bei den Stickoxidemissionen und von 5 Prozent bei den Partikelemissionen (Feinstaub) aus dem Auspuff der Fahrzeuge erzielt werden können.
Darüber hinaus können durch das gebietsbezogene Verkehrsmanagement in Teilgebieten mit
besonders hoher Entlastung weitere Rückgänge erzielt werden. Wie die Ergebnisse eines
Modellprojektes („IQ-Mobility“) zeigen, kann durch die Verstetigung des Verkehrsflusses (Beseitigung von Störsituationen im Verkehrsablauf) eine Minderung von Feinstaubemissionen um
bis zu 20 Prozent und von Stickoxiden um bis zu 15 Prozent erreicht werden. Gleichfalls können
die CO2-Emissionen auf den betroffenenmStrecken um bis zu 20 Prozent reduziert werden. Auf
Grundlage dieses Ergebnisses wurden beide Maßnahmen in den Teilstrategien als Kernmaßnahmen verankert.
Bei der Umsetzung der räumlichen Variation der Lkw-Maut im Verkehrsmodell konnten zwar
positive Effekte hinsichtlich der Durchgangsverkehre gezeigt werden, aber es wurden auch
negative Wirkungen auf die Quell- und Zielverkehre innerhalb des Stadtgebiets sichtbar. Für
eine verlässliche Modellierung der Maßnahmeneffekte fehlen derzeit wesentliche Datengrundlagen (beispielsweise zur tatsächlichen Höhe der Lkw-Durchgangsverkehre) sowie Kenntnisse
zu Preiselastizitäten und deren verkehrliche Wirkung. Die Maßnahme wurde im zweiten Schritt
der Wirkungsschätzung (Szenarienbildung) daher nicht weiter mit berücksichtigt. Hinzu kommt,
dass derzeit für die Umsetzung einer solchen Maßnahme die rechtlichen Grundlagen fehlen.
Die durch eine Förderung des Radverkehrs erzielbare positive Nachfrageentwicklung im Radverkehr wurde bereits in der GVP 2025 nachgewiesen. Die darüber hinaus gehende StEP-Maßnahme Radverkehrsnetze im Nahraum ließ sich jedoch im Modell nicht mit Sicherheit abbilden
bzw. die durch die Umlegung erzeugten Ergebnisse waren aufgrund fehlender Daten nicht
zweifelsfrei überprüfbar. Aus diesem Grund wird im Rahmen des StEP Verkehr noch darauf verzichtet, Radverkehrsumlegungen auszuweisen. Des Weiteren geht die Maßnahme nicht in die
87
4
Handbuch Emissionsfaktoren (HBEFA) Version 2.1 In dieser
fehlte beispielsweise die für die Schadstoffminderung ab
2015 entscheidende Generation der Fahrzeuge der neuen
Euro 6/VI Norm, die erst ab 2014 für die Fahrzeughersteller
verbindlich ist.
Szenarien ein. Dennoch ist sie weiterhin wesentlich für das StEP-Handlungskonzept, da sie u. a.
der Sicherung und Verbesserung der Feinerschließung in Quartieren dient und gesamthaft zu
einer weiteren Aufwertung des Radverkehrs beiträgt.
Um die Effekte siedlungsstrukturell wirksamer Maßnahmen zur Stärkung der Nahversorgung
(u. a. die Umsetzung der bezirklichen Zentrenkonzepte, Sicherung der kleinteiligen Erschließung etc.) abbilden zu können, wurde das Vorgehen der Wirkungsabschätzung gleichsam
„umgedreht“. Auf Grundlage der in der GVP 2025 hinterlegten Flächenkulisse für die Entwicklung von Verkaufsflächen wurde berechnet, mit welchen Effekten gerechnet werden muss,
wenn keine Maßnahmen zur Stärkung der Nahversorgung umgesetzt würden. Dafür wurden
im Modell in zwei Schritten eine flächendeckende Konzentration des Einzelhandels und eine
Reduktion der Nahversorgung abgebildet. Daraufhin wurde die Verkehrsnachfrage neu
berechnet. Es zeigte sich, dass eine erhöhte Einzelhandelskonzentration zu längeren Wegen
im Einkaufsverkehr führt. Dies geht vor allem zu Lasten der Anteile des Fuß- und Radverkehrs
und führt zu einem Anstieg der motorisierten Fahrten im ÖV, vor allem jedoch im IV. Darüber
hinaus weist das Modell Verlagerungen von Aktivitäten in das Umland aus. Das heißt, Pendler
verlagern ihren Einkauf von Berlin in die Zentren in Nähe ihres Heimatortes. Diese Ergebnisse
zeigen, wie wichtig es für die Erreichung der verkehrspolitischen Zielstellungen des StEP
Verkehr ist, durch Maßnahmen der Stadtentwicklung die Nahversorgung in den Quartieren zu
sichern, die Konzentration des Einzelhandels auf ein stadtverträgliches Maß zu reduzieren und
die polyzentrische Struktur Berlins zu erhalten.
Die Wirkungsanalyse der Maßnahme Einlösung der Entlastungsdividende (Umgestaltung
diverser Straßen als Komplementärmaßnahmen zu Netzergänzungen) zielte auf die Identifikation von Strecken im Haupt- und Nebenstraßennetz, die durch die Bündelung von Verkehren
infolge von Infrastrukturmaßnahmen entlastet und damit umgestaltet werden können (speziell
im Umfeld der Maßnahmen A 113, A 100 16. Bauabschnitt, TVO). Neben der Entlastungswirkung
wurde bei der Auswahl der Streckenabschnitte zudem berücksichtigt, dass auch bei einer
Umgestaltung des Straßenraums insbesondere in Spitzenstunden noch ausreichend Kapazitäten für den weiterhin auf diesen Strecken fließenden Verkehr vorliegen und dass Kapazitäten
für die Umgestaltung in beiden Fahrtrichtungen frei werden müssen. Die im Verkehrsmodell
vorgenommene Umlegung der Verkehrsströme, für die aufgrund der genannten Infrastrukturergänzungen Veränderungen absehbar sind, zeigte für die im Maßnahmenkatalog des StEP
Verkehr benannten Streckenabschnitte Entlastungen und damit Umgestaltungspotenziale zur
Einlösung der Entlastungsdividende an.
Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass aufgrund des rückläufigen MIV-Aufkommens
für weitere Strecken und Streckenabschnitte Entlastungen erwartet werden können. Diese
ermöglichen eine Neuorganisation des Straßenraums, vor allem hinsichtlich einer Umverteilung zugunsten des Umweltverbundes. Im Handlungskonzept des StEP Verkehr ist daher eine
Konzeptentwicklung für diese (noch zu identifizierenden) Streckenabschnitte voranzutreiben,
um die Voraussetzungen für Umbau und Reorganisation im Zuge obligatorischer Arbeiten im
Straßenraum zu schaffen.
Die sonstigen Infrastrukturmaßnahmen wurden blockweise in unterschiedlichen Varianten im
Verkehrsmodell abgebildet. Untersucht wurden die folgenden Infrastrukturblöcke:
n Straßeninfrastruktur mit A 100 16. und 17. BA, ohne TVO (sog. Basisset = GVP 2025)
n Straßeninfrastruktur ohne A 100 16. und 17. BA, ohne TVO
n Straßeninfrastruktur mit A 100 16. BA, ohne TVO
n Straßeninfrastruktur mit A 100 16. und 17. BA und mit TVO
n ÖV-Infrastruktur Priorität 1 (d.h. bereits in der Realisierung oder finanzierbar)
n ÖV-Infrastruktur Priorität 2 (d.h. wünschenswert, aber unter Finanzierungsvorbehalt)
88
V Wirkungsschätzung
V.3 Ergebnisse der Szenarien-Berechnung
Die Ergebnisse der Wirkungsschätzung für die Einzelmaßnahmen wurden im zweiten Schritt
zusammen mit verschieden kombinierten Bündeln von Infrastrukturmaßnahmen in drei
Szenarien auf ihre gesamtstädtische Wirkung hin untersucht und dem „Berlin-Brandenburg
Szenario“ der GVP 2025 gegenübergestellt. Der Aufbau der Szenarien ist in der nachfolgenden
Tabelle dargestellt.
Tabelle 4: Szenarienaufbau für die StEP-Wirkungsschätzung
Maßnahmen
GVP 2025
StEPSzenario
„ohne A 100“
erweitertes
ÖV-Szenario
x
x
(BerlinBrandenburgSzenario)
1
Straßeninfrastruktur
x*
x
2
A 100 (16. + 17. BA)
x
x
x
3
TVO
x
x
4
Entlastungsdividende
5
ÖV 1 (finanzierbar)
6
ÖV 2 (wünschenswert)
7
Parkraumbewirtschaftung
x
x
x
8
Attraktivitätssteigerung ÖV
x**
x**
x***
9
Verkehrsmanagement
x
x
x
10
Mobilitätsmanagement(betrieblich und für Neubürger)
x
x
x
11
veränderte Flottenzusammensetzung
x
x
x
x
x
x
x
x
x*
* Maßnahmenauswahl des ersten StEP Verkehr
** Geschwindigkeitssteigerungen von 15 Prozent
*** Geschwindigkeitssteigerungen von 20 Prozent
Das „Berlin-Brandenburg-Szenario“ (nachfolgend: Basis-Szenario) ist der Vergleichsfall für die
im Rahmen der Wirkungsschätzung des StEP Verkehr erarbeiteten Szenarien. Das Basis-Szenario
enthält bereits die wesentlichen Maßnahmen des ersten StEP Verkehr mit dem Zeithorizont
2015. Es bildet damit die Effekte der Fortführung der bisherigen Verkehrsplanung und Verkehrspolitik ohne die zusätzlichen Maßnahmen des StEP Verkehr mit Zeithorizont 2025 ab.
Das „StEP-Szenario“ enthält die Infrastrukturmaßnahmen, die als notwendig, realistisch und
finanzierbar erachtet werden. Darüber hinaus enthält es die nicht-infrastrukturellen Maßnahmen, denen in der Wirkungsschätzung der Einzelmaßnahmen eine wesentliche Wirkung im
Sinne des Zielkatalogs bescheinigt wurde.
Das Szenario „ohne A 100“ weist als einzigen Unterschied zum StEP-Szenario den Verzicht auf
die Verlängerung der A 100 sowie die TVO und die mit diesen beiden Netzergänzungen im
Zusammenhang stehende Umgestaltung entlasteter Streckenabschnitte als „Einlösung der
Entlastungsdividende“ auf. Der sonstige Maßnahmehintergrund ist identisch. Das Szenario
89
zeigt, welche Wirkungen der StEP Verkehr ohne die benannten Infrastrukturmaßnahmen entfalten würde. Es trägt damit der kontroversen Diskussion um eine Realisierung insbesondere
der Maßnahme „Verlängerung der A 100“ Rechnung.
Das „erweiterte ÖV-Szenario“ basiert ebenfalls auf dem StEP-Szenario und stellt dar, welche
Effekte sich aus einem stärkeren Ausbau der Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs ergeben
würden. Das Szenario beinhaltet Maßnahmen, die im Vorfeld hinsichtlich der Finanzierung als
schwierig eingestuft wurden. Dies gilt selbst dann, wenn die Infrastruktur aus anderen Haushalten, beispielsweise dem Bundeshaushalt, finanziert werden kann, da auch eine Ausweitung
der Bestellleistungen angesichts der Haushaltslage des Landes als unsicher gelten muss.
Bei der Bewertung der Szenarienergebnisse ist zu berücksichtigen, dass die GVP für das Jahr
2025 bereits Rückgänge im Verkehrsaufkommen und damit korrespondierend Veränderungen
im Modal Split beinhaltet. Diese sind teils demographisch bedingt (geringere Mobilität älterer
Menschen), sie spiegeln aber auch die Wirkung der bereits im Basis-Szenario enthaltenen Maßnahmen des ersten StEP Verkehr wider.
Die Differenz zwischen 2006 und 2025 lässt sich wie folgt zusammenfassen:
n Rückgang des Verkehrsaufkommens
n abnehmende Modal-Split-Anteile des Kfz-Verkehrs
n steigende Modal-Split-Anteile des Radverkehrs
n in etwa gleichbleibende Modal-Split-Anteile des Fußverkehrs sowie des ÖPNV
Die nachfolgende Abbildung 10 zeigt die Entwicklung des Straßenverkehrs im Basis-Szenario
2025 im Vergleich zum Ausgangsjahr 2006. Deutlich erkennbar sind die teils demographisch
bedingten Rückgänge im gesamten Verkehrsnetz inklusive der Innenstadt sowie auf den innerstädtischen Autobahnabschnitten. Ebenfalls erkennbar sind die Bündelungswirkung der Verlängerung der A 100 und die korrespondierenden Entlastungen im Hauptstraßennetz im SüdOst-Raum.
Darüber hinaus zeigt die Grafik für die Innenstadt vermeintliche Verkehrszunahmen an zwei
Stellen auf, welche aber aus einer Umorganisation im Netz resultieren bzw. Verlagerungseffekte darstellen. Dies betrifft zum einen die Hannah-Arendt-Straße. Im Jahr 2025 gibt es hier
Verkehr aufgrund des Lückenschlusses zur Französischen Straße, der im Jahr 2006 noch nicht
bestand.
Im Bereich Grunerstraße/Spandauer Straße dagegen ändern sich die Verkehrsströme aufgrund
des bis 2025 vorgesehenen Umbaus des Molkenmarkts und der damit einhergehenden Veränderung der Straßenführung. In der Abbildung wird die neue Führung als neue Strecke mit
neuem Verkehrsaufkommen ausgewiesen, für die alte Streckenführung werden abnehmende
Verkehre dargestellt (vgl. Detaildarstellung in Abbildung 10 oben rechts). Gesamthaft ergibt
sich für diesen Bereich ein deutlicher Rückgang der Verkehrsmengen gegenüber dem Jahr
2006.
90
V Wirkungsschätzung
Abbildung 10: Entwicklung des Straßenverkehrs 2025: Vergleich Basisszenario zu 2006
Die weiteren drei Szenarien der StEP-Wirkungsschätzung bauen auf diesen Entwicklungen auf.
Sie enthalten Maßnahmenbündel (vgl. Tabelle 4), mit denen verkehrs- und umweltpolitische
Ziele gesamtstädtisch und teilräumlich noch besser erreicht werden sollen. Das StEP-Szenario
wird als das in Bezug auf die Umsetzung zielführendste Szenario angesehen. Nachfolgend
werden daher die grundlegenden Aussagen der Wirkungsschätzung zwar für alle Szenarien
dargestellt, die detaillierteren Karten beziehen sich jedoch ausschließlich auf das StEP-Szenario.
Vergleichbare Angaben und Darstellungen zu den anderen beiden Szenarien finden sich in der
der Druckfassung beiliegenden elektronischen Dokumentation auf CD-ROM.
91
V.3.1 Verkehrsentwicklung
Als Indikator für die gesamtstädtische Wirkung der Maßnahmen werden die Ortsveränderungen und die zugehörige Verkehrsmittelwahl zugrunde gelegt. Nachstehende Abbildung 11
zeigt, wie sich im Vergleich zum Basis-Szenario die Ortsveränderungen nach Verkehrsmitteln
für die drei Szenarien entwickeln.
Abbildung 11: Szenarienvergleich: Ortsveränderungen 2025 nach Verkehrsmitteln
4.000.000
n
n
n
n
3.500.000
3.000.000
2.500.000
2.000.000
1.500.000
1.000.000
500.000
0
Wege/Tag
MIV gesamt
zu Fuß
Rad
ÖV gesamt
Gegenüber dem Basis-Szenario ergeben sich in allen drei Szenarien weitere Abnahmen beim
MIV und Zunahmen beim Umweltverbund. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Szenarien
nur gering. Hinter diesen Ergebnissen für die Gesamtstadt können jedoch erhebliche teilräumliche Unterschiede stehen.
Abbildung 12 zeigt die Verteilung der Kfz-Verkehrsbelastung im Netz (StEP-Szenario). Dabei ist
besonders hervorzuheben, dass – gegenüber der Verteilung im Basis-Szenario – Rückgänge in
der Innenstadt erzielt werden (Abbildung 13). Deutlich wird die weitergehende flächendeckende Entlastungswirkung, die auf die nicht-infrastrukturellen Maßnahmen (z.B. Parkraumbewirtschaftung) zurückgeführt werden kann. Ebenfalls erkennbar sind die teilräumlichen Entlastungswirkungen einzelner Maßnahmen und hier vor allem der TVO, die die einzige infrastrukturelle Veränderung zwischen Basis- und StEP-Szenario darstellt. Ihre Bündelungswirkung
zeigt sich an den rot dargestellten Zunahmen, die mit den (blau dargestellten) Entlastungen im
Umfeld korrespondieren.
92
n
n
n
n
n
n
n
n
n
n
n
n
Basis-Szenario
StEP-Szenario (inkl. A 100 und TVO)
erweitertes ÖV-Szenario
ohne A 100-Szenario
V Wirkungsschätzung
Abbildung 12: Kfz-Belastung 2025 – StEP-Szenario
Abbildung 13: Entwicklung der Kfz-Belastung 2025 – Vergleich StEP-Szenario gegenüber Basis-Szenario
(Ausschnitt Innenstadt)
93
Die Betrachtung des Aufkommens im ÖPNV (Abbildung 14) zeigt vor allem die Wirkung der bis
2025 als realistisch betrachteten Maßnahmen (Infrastrukturvorhaben des StEP Verkehr 2003
inkl. S21, U5, Straßenbahnstrecke Alexanderplatz – Kulturforum, Straßenbahnstrecke Nordbahnhof – Hauptbahnhof – Turmstraße). Auf den entsprechenden Relationen sind Fahrgastgewinne zu verzeichnen, allerdings ergeben sich diese eher aus Verlagerungen (vor allem vom
Bus zu den attraktiveren Schienenverkehrsträgern) als aus der Neugewinnung von Fahrgästen.
Dies wird durch die Gegenüberstellung des StEP-Szenarios mit dem erweiterten ÖV-Szenario
nochmals bestätigt (Abbildung 15). Hier führen die weiteren Infrastrukturmaßnahmen (u. a. die
Verlängerung der Straßenbahn nach Steglitz) ebenfalls zu einer Verlagerung der Nachfrageströme auf die neuen Angebote, insgesamt bleibt die Nachfrage jedoch im Wesentlichen
konstant. Anhand des Eckwertes ÖV-Anteil am Modal Split zwischen Basis- und StEP-Szenario
lässt sich zudem nachweisen, dass Maßnahmen, die auf eine Beschleunigung der Oberflächenverkehre sowie die Verbesserung der Umsteigebeziehungen zielen, in der Überlagerung aller
Maßnahmen deutlich effektiver sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass infrastrukturelle Einzelmaßnahmen keinen Nutzen haben. Diese liegen jedoch stärker in der Attraktivitätssteigerung des Gesamtnetzes, in Komforterhöhungen und Zeitgewinnen des ÖV insgesamt als in einer starken Zunahme der Fahrgäste.
Abbildung 14: ÖPNV-Aufkommen 2025 im StEP-Szenario
94
V Wirkungsschätzung
Abbildung 15: ÖPNV-Aufkommen 2025 – Vergleich erweitertes ÖV-Szenario gegenüber StEP-Szenario
V.3.2 Verkehrsfolgen
Aufgrund der verkehrlichen Entlastungen im Stadtstraßennetz sind auch deutliche Rückgänge
bei den Luft- und Lärmemissionen zu erwarten. Im Vergleich zu 2006 gibt es 2025 bei allen
betrachteten Schadstoffen (Stickoxide, Feinstaub) starke Abnahmen bei der Anzahl der belasteten Streckenabschnitte (Abbildung 16). Diese resultieren aus den generellen Verkehrsleistungsrückgängen sowie aus der verbesserten Flottenzusammensetzung.
Die Unterschiede zwischen den Szenarien sind gering (Abbildung 17). Bei den Luftschadstoffen
NO2 und PM2,5 stellt sich die Entwicklung in allen Szenarien fast gleich dar, lediglich die PM10Belastungen lassen sich im „ohne A 100“-Szenario nicht so stark reduzieren, wie in den beiden
anderen Szenarien.
95
Abbildung 16: Luftschadstoffbelastung 2006 zu 2025 (Szenarienvergleich)
2.500
Anzahl der bewohnten
Straßenabschnitte im
Hauptverkehrsstraßennetz
mit drohenden
Überschreitungen der
geltenden Grenzwerte
für Luftschadstoffe
in 2025
2.000
1.500
1.000
500
0
NO2
PM10
PM2
1.855
2.192
418
21
40
5
Analyse 2006
StEP-Szenario 2025 (inkl. A 100 und TVO)
21
40
4
Erweitertes ÖV-Szenario
24
67
5
Szenario ohne A 100
NO2: Jahresmittelwert 40 μg/m³ ab dem 01.01.2010 (unter Berücksichtigung von 10% Modellunsicherheit)
PM10: Jahresmittelwert 30 μg/m³ als Äquivalenzwert zum Tagesgrenzwert ab dem 01.01.2005
PM2,5: Jahresmittelwert 25 μg/m³ ab dem 01.01.2015
Abbildung 17: Luftschadstoffbelastung 2025 (Szenarienvergleich – Detail)
n n n StEP-Szenario (inkl. A 100 und TVO)
n n n erweitertes ÖV-Szenario
n n n ohne A 100-Szenario
80
70
60
50
40
30
20
10
0
NO2
PM10
96
PM2,5
V Wirkungsschätzung
Abbildung 18: NO2-Belastung in 2006
Abbildung 19: NO2-Belastung in 2025 – StEP-Szenario
97
Abbildung 18 und Abbildung 19 zeigen exemplarisch für NO2, wie sich die gesamthaft
erzielten Verbesserungen im Straßennetz darstellen. Die Reduzierung der Streckenabschnitte
mit Belastungen oberhalb der zulässigen Grenzwerte ist deutlich erkennbar. Damit ergibt sich
hinsichtlich der Luftschadstoffbelastung für das Jahr 2025 eine deutlich bessere Situation, als
sie im Jahr 2006 bestanden hat. Die Einhaltung der heute bzw. absehbar geltenden Jahresgrenzwerte ist möglich. Zurückzuführen sind die positiven Umwelteffekte auf Verkehrsrückgänge im Kfz-Verkehr und eine bessere Flottenzusammensetzung im Jahr 2025. An einigen
Stellen kann dennoch ein kleinräumiges Nachsteuern erforderlich werden, wenn Tagesgrenzwerte unter Umständen nicht eingehalten werden können.
Wie in Kapitel V.2 bereits erläutert, wurde für die Berechnung der Umweltfolgen die vom
Umweltbundesamt im Jahr 2004 veröffentlichte Datenbasis (HBEFA 2.1) verwendet, die von der
erst nach Fertigstellung der vorliegenden Rechnungen aktualisierten Datenbasis abweicht. Im
Rahmen der inzwischen begonnenen Fortschreibung des Luftreinhalteplans werden Rechnungen mit den neuen Emissionsdaten auf Grundlage einer aktualisierten Datenbasis des Verkehrsaufkommens in Berlin durchgeführt, bei der auch die Auswirkung der Umweltzone
berücksichtigt ist. Aufgrund der Änderung der methodischen Grundlagen und der Emissionsdaten sind die vorliegenden Abschätzungen mit den künftigen Rechnungen des Luftreinhalteplans nicht vergleichbar, sie stellen jedoch eine erste Orientierung für die erzielbare Wirkung
der Fahrzeugflottenverbesserung dar (betrifft Abbildungen 16 bis 19), die tatsächlich erzielbaren Effekte liegen wahrscheinlich höher.
Die CO2-Emissionen im Hauptverkehrsstraßennetz können bis 2025 ebenfalls deutlich vermindert werden. In allen drei Szenarien ergibt sich eine Reduzierung klimaschädlicher Emissionen
von 2,6 Mio. Tonnen 2006 auf ca. 1,6 Mio. Tonnen 2025. Ursache dafür sind der Rückgang der
Fahrleistung, die Flottenerneuerung und die verbesserte Verkehrssituation.
Auch bezüglich des Lärms sind deutliche Entlastungen zu erwarten. Nachfolgende Abbildung
20 und Abbildung 21 zeigen, wie sich die Lärmsituation gemäß der drei Szenarien im Jahr 2025
im Vergleich zu 2006 darstellen wird. Im Vergleich zu 2006 nimmt die Zahl der hochbelasteten
Straßenabschnitte sowohl tagsüber als auch nachts ab, die Zahl der geringer belasteten Straßenabschnitte steigt als Folge dieses Rückgangs an5.
Die Erreichbarkeiten sowohl der Hauptzentren als auch der Stadtteilzentren konnten in allen
Szenarien gegenüber dem Ist-Zustand deutlich verbessert werden (Abbildung 22 und Abbildung 23). Stadtteilzentren in der Innenstadt sind sowohl im MIV als auch im ÖPNV innerhalb
maximal 20 Minuten erreichbar. In den äußere Stadtträumen liegt die MIV-Erreichbarkeit der
Stadtteilzentren zudem überall unter 30 Minuten. Mit dem ÖPNV können fast alle Stadtteilzentren innerhalb 30 Minuten erreicht werden, nur für einige wenige periphere Gebiete am Stadtrand beträgt die Erreichbarkeit über 40 Minuten.
Beim MIV verbessern sich darüber hinaus Erreichbarkeiten im Süd-Ost-Raum aufgrund der Verlängerung der A 100 sowie der TVO deutlich.
Die gesamtstädtischen Effekte bei der Erreichbarkeit begründen sich u. a. anhand des rückläufigen Verkehrsaufkommens, beim ÖPNV zeigen sich die Effekte der Beschleunigungsmaßnahmen und bei MIV sowie ÖPNV wirken zudem auch die Infrastrukturmaßnahmen. Die Unterschiede zwischen den Szenarien sind jedoch geringfügig. Von Relevanz hinsichtlich der Zielstellungen des StEP Verkehr ist vor allem die Entwicklung des Reisezeitunterschiedes zwischen
ÖV und IV. Die Szenarien weisen vor allem für den ÖV eine deutlichere Verbesserung der Reisezeiten als für den MIV aus, der in punkto Erreichbarkeiten nach wie vor ein hohes Niveau aufweist, die Reisezeiten näheren sich mithin weiter an.
98
5
Die Ermittlung der Lärmbelastung erfolgte nach einer
bundesweit geltenden technischen Richtlinie, der RLS 90
(Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, Ausgabe 1990).
Dabei wurde für das gesamte Hauptverkehrsstraßennetz
die Lärmbelastung abschnittsweise in Form von Mittelungspegeln für den Tages- (6.00 bis 22.00 Uhr) und Nachtzeitraum (22.00 bis 6.00 Uhr) berechnet. Da in der Analyse
und in den Szenarien mit Ausnahme der Verkehrsstärke
gleiche Eingangsparameter (z.B. hinsichtlich der Fahrzeugtechnik und der Fahrbahnoberfläche) verwendet wurden,
bildet sich in den dargestellten Ergebnissen die mit den
geringeren Verkehrsbelastungen einhergehende Lärmminderung ab.
V Wirkungsschätzung
Abbildung 20: Lärmbelastung im Hauptstraßennetz 2006–2025 (Szenarien) – Tag
1.000
n
n
n
n
Analyse 2006
StEP-Szenario (inkl. A 100 und TVO)
erweitertes ÖV-Szenario
ohne A 100-Szenario
n
n
n
n
Analyse 2006
StEP-Szenario (inkl. A 100 und TVO)
erweitertes ÖV-Szenario
ohne A 100-Szenario
800
600
400
200
0
Straßenlänge
in km
bis 55
über 55
bis 60
über 60
bis 65
über 65
bis 70
über 70
bis 75
über 75
dB(A)
Abbildung 21: Lärmbelastung im Hauptstraßennetz 2006–2025 (Szenarien) – Nacht
1.000
800
600
400
200
0
Straßenlänge
in km
bis 45
über 45
bis 50
über 50
bis 55
über 55
bis 60
über 60
bis 65
über 65
bis 70
über 70
dB(A)
99
Abbildung 22: Erreichbarkeit der nächstgelegenen Stadtteilzentren im Straßennetz 2025 (StEP-Szenario)
Abbildung 23: Erreichbarkeit der nächstgelegenen Stadtteilzentren im ÖPNV-Netz 2025 (StEP-Szenario)
100
V Wirkungsschätzung
V.4 Schlussfolgerungen
Die auf Basis des Verkehrsmodells durchgeführte Wirkungsschätzung des StEP Verkehr bildet
nicht die Gesamtbilanz aller Maßnahmen ab, sondern zeigt für ausgewählte Maßnahmen bzw.
Maßnahmenbündel einzeln und kombiniert Wirkungsrichtung und -stärke an. Die Berechnungen setzen auf die erwarteten Entwicklungen auf, wie sie sich aus der GVP 2025 ableiten
lassen. Die dort bereits ausgewiesenen verkehrlichen Entwicklungen und ihre Folgen wirken
grundsätzlich bereits in die Zielrichtung des StEP Verkehr. Sie können durch die betrachteten
Maßnahmen noch einmal deutlich verstärkt werden.
Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Szenarien bezogen sich auf die jeweils mitbetrachteten Infrastrukturmaßnahmen. Da die Unterschiede zwischen den gesamtstädtischen
Ergebnissen in allen betrachteten Effekten eher gering ausfielen, lässt sich daraus die Schlussfolgerung ableiten, dass unter den gegebenen infrastrukturellen Bedingungen Berlins einzelne
zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen keine relevante Auswirkung auf das gesamtstädtische
Verkehrsverhalten haben. Allerdings erzielen sie in den jeweiligen Teilräumen teilweise deutliche Entlastungswirkungen und Erreichbarkeitsverbesserungen, die für die dort ansässige
Bevölkerung sowie die Wirtschaft einen hohen Nutzen bringen. Vor dem Hintergrund der
begrenzten finanziellen Ressourcen gewinnt aufgrund dieses Ergebnisses dennoch der Abbau
des Instandhaltungsrückstands weiter an Bedeutung. Die deutlich positive Wirkung nicht-infrastruktureller Maßnahmen konnte eindeutig nachgewiesen werden. Ihnen wird für die Erreichung der Ziele des StEP Verkehr weiterhin hohe Bedeutung beigemessen.
V.5 Abschätzung der Zielerreichung
V.5.1 Verfahren und Ergebnisse
Die vorstehenden Ergebnisse der (quantifizierten) Wirkungsanalysen ermöglichen es, zusammen mit der bei der Zusammenstellung des Handlungskonzepts erfolgten Bewertung der
Kernmaßnahmen (Kapitel IV.2), den Umfang, in dem die Ziele des StEP Verkehr erreicht werden
können, abzuschätzen. Diese Beurteilung ist, ebenso wie eine Reihe der Qualitäts- und Handlungsziele, qualitativ formuliert und bezieht sich auf das Jahr 2025 im Vergleich mit der Ausgangssituation. Das Maß der Zielerreichung wird anhand der nachfolgend benannten fünf
Kategorien aufgezeigt:
starke Veränderung in Zielrichtung
teilweise Veränderung in Zielrichtung
keine relevante Veränderung oder teils Veränderung in Zielrichtung,
teils gegen die Zielrichtung
teilweise Veränderung entgegen der Zielrichtung
starke Veränderung entgegen der Zielrichtung
Grundlage für den Abgleich der Zielerreichung ist die Annahme, dass im Jahr 2025 der Maßnahmenkatalog des StEP Verkehr insgesamt vollständig umgesetzt sein wird.
Die tabellarische Übersicht zeigt, dass für sämtliche Qualitätsziele durch die Maßnahmen des
StEP Verkehr im Jahr 2025 Veränderungen in Zielrichtung erreicht werden können. Bei einzelnen oder mehreren Handlungszielen wird die Zielerreichung als stark eingeschätzt, d.h. es
kann damit gerechnet werden, dass bis 2025 das jeweilige Ziel vollständig erreicht wird. Veränderungen entgegen der Zielrichtung treten nicht auf.
101
Ziele (Qualitätsziele)
Handlungsziele
Ökonomische Zieldimension
1
2
3
4
Weitere Verbesserung der Fernerreichbarkeit
und Ausnutzung der Lagequalität in Zentraleuropa an der Schnittstelle zwischen West- und
Mittel-Ost-Europa durch bessere Ein-bindung in
die transeuropäischen Netze (Verbesserung der
nationalen und internationalen Konkurrenzfähigkeit)
1.1
Weitere Verbesserung der Fernerreichbarkeit
a) auf Schienenwegen
b) auf Straßen
c) auf Wasserstraßen
d) im Luftverkehr
1.2
Bessere Vernetzung der regionalen, nationalen und
internationalen Verkehrsnetze und Verkehrsangebote
Weitere Verbesserung der Erreichbarkeit
zwischen Berlin und den Siedlungsgebieten
entlang der von Berlin ausgehenden Achsen
2.1
Verbesserung wichtiger Verbindungen zwischen Berlin
und dem Umland sowie den größeren Orten und
Städten in Brandenburg entlang der von Berlin ausgehenden Achsen einschließlich weiterer wichtiger
Zentren
2.2
Gezielte Verbesserung der Schwachstellen in den
Verknüpfungen Berlins mit den regionalen Zentren in
Brandenburg (Entwicklungsachsen)
3.1
Sicherung des Zugangs zu Quellen und Zielen des
Güterverkehrs
3.2
Sicherung des Zugangs zu Quellen und Zielen des
Personenwirtschaftsverkehrs
3.3
Sicherung, Ausbau und bessere Vernetzung logistischer
Schnittstellen (Sammel- und Distributionsstandorte)
4.1
Sicherung rechtskonformer Wettbewerbsbedingungen
auf dem Verkehrsmarkt
a) Wettbewerb zwischen ÖV-Trägern
b) Wettbewerb zwischen Güter- und Personenverkehr
(um Nutzung Infrastruktur etc.)
c) Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern des
Güterverkehrs
4.2
Erhöhung der Transparenz bei den Kosten verschiedener Verkehrsträger (stärkere Anrechnung von Wegeund externen Kosten auf Preise für Verkehrsleistungen/
Infrastrukturangebote (Straße, Schiene, Flug- und
Schiffsverkehr))
4.3
Steigerung der Effektivität im ÖV bei Gewährleistung
mindestens gleichbleibender Qualität der Angebote
4.4
Qualitätssicherung bei vorhandenen Angeboten und
Netzen und Ausnutzung verfügbarer Potenziale zur
Qualitätssteigerung (Prämisse: Bestandserhaltung vor
Neubau)
Sicherung und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsverkehrs (Sicherung
ausreichender Anteile an der Kapazität der
Verkehrsnetze, Bereitstellung notwendiger
Infrastruktur)
Schaffung von Rahmenbedingungen zur
Steigerung der Effektivität und ökonomischen
Nachhaltigkeit des Gesamtverkehrssystems
102
V Wirkungsschätzung
Ziele (Qualitätsziele)
Handlungsziele
Soziale Zieldimension
5
6
7
Herstellung gleicher Mobilitätschancen:
Berücksichtigung unterschiedlicher Mobilitätsbedürfnisse aufgrund unterschiedlicher Lebensbedingungen
Stärkung der polyzentrischen Stadtstruktur:
Verbesserung der Erreichbarkeit städtischer Teilräume und Stadtteile untereinander sowie mit den
innerstädtischen Hauptzentren
Erhöhung der raumstrukturellen Stadtverträglichkeit des Verkehrs (Begrenzung von Schneisenwirkungen im Stadtraum, Reduzierung von Zäsuren,
Aufwertung von Verkehrsräumen, Respektierung
historischer Verkehrsnetzstrukturen)
5.1
Ermöglichung von Mobilität unabhängig von
Geschlecht und Lebenssituation
5.2
Förderung eigenständiger und sicherer Mobilität
von Kindern und Jugendlichen
5.3
Gewährleistung gleichwertiger Mobilitätschancen
von älteren Menschen
5.4
Gewährleistung gleichwertiger Mobilitätschancen
mobilitätseingeschränkter Bevölkerungsgruppen
(Zugang und Nutzungsmöglichkeiten)
5.5
Gewährleistung gleichwertiger Mobilitätschancen
sozial und ökonomisch benachteiligter Gruppen
6.1
Angleichung der Reisezeiten im ÖPNV zwischen der
Innenstadt und den westlichen äußeren Teilräumen
einerseits und den östlichen äußeren Teilräumen
andererseits
6.2
Verbesserung der tangentialen Verbindungen in
den äußeren Stadträumen
6.3
Sicherung lageüblicher Erschließungsqualitäten in
den Gebieten städtebaulicher Entwicklung
7.1
Entlastung von sensiblen Bereichen (z.B. Wohngebiete, Ortsteilzentren, Innenstadt) vom Durchgangsverkehr
7.2
Wiederherstellung historischer Stadtstrukturen, die
durch Verkehrsanlagen überformt oder wesentlich
beeinträchtigt werden (insbesondere Straßendurchbrüche)
7.3
Verbesserte städtebauliche Integration von Verkehrsanlagen, insbesondere von Hauptverkehrsstraßen, umfeldgerechte Gestaltung von Verkehrsbauwerken
7.4
Verbesserung der Aufenthaltsqualität von Straßen
und Plätzen, dadurch bessere Nutzbarkeit des
öffentlichen Raums (Wohnumfeld, aber auch
Räume für Einkaufen, Tourismus, Freizeit)
103
Ziele (Qualitätsziele)
8
Handlungsziele
Erhöhung der Verkehrssicherheit (alle Verkehrsarten,
alle Stadträume)
8.1
Erhöhung der Sicherheit nicht-motorisierter Teilnehmer am Straßenverkehr (insbesondere Kinder,
Jugendliche, ältere Menschen; mobilitätsbeeinträchtigte Menschen)
8.2
Reduzierung der Zahl der Verkehrsunfälle des
Jahres 2008 um mindestens 20 Prozent bis 2025
8.3
Reduzierung der Zahl der Verletzten des Jahres
2008 um mindestens 30 Prozent bis 2025
8.4
Reduzierung der Zahl der Verkehrstoten des Jahres
2008 um mindestens 40 Prozent bis 2025
9.1
Reduzierung des verkehrsbedingten Energieverbrauches des Jahres 2008 um 20 Prozent bis 2025
(Stadtgebiet einschließlich Flughafen Berlin
Brandenburg)
9.2
Reduzierung der jährlichen zusätzlichen Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung durch
Verkehrsinfrastruktur
9.3
Umnutzung tatsächlich auch zukünftig nicht mehr
benötigter Verkehrsflächen
10.1
Senkung der verkehrsbedingten Klimagasemissionen um 25 Prozent von 2008 auf 2025
10.2
Senkung der verkehrsverursachten Luftschadstoffbelastung (Benzol, Stickstoffdioxid, Feinstaub PM2,5
und PM10, Kohlenmonoxid, PAH) mit dem Ziel der
deutlichen Unterschreitung (25 Prozent) der in den
EU-Richtlinien enthaltenen Grenzwerte bis 2025
10.3
Minderung der Lärmbelastung in Hauptnetzstraßen für mindestens 100.000 Anwohner, die nächtlichen Pegeln oberhalb 60 dB(A) ausgesetzt sind;
keine Lärmbelastungen oberhalb 65 dB(A) nachts
10.4
Minderung der Belastung durch Schienenlärm, vor
allem keine Überschreitung von 55 dB(A) nachts
durch Straßenbahn
10.5
Reduzierung des Neubaus von Straßen mit
Barrierewirkung, dadurch Vermeidung der Beeinträchtigung des Natur- und Landschaftsbildes
Ökologische Zieldimensionen
9
10
Reduzierung des verkehrsbedingten Verbrauches
natürlicher Ressourcen (Energie, freie Fläche/Boden)
Entlastung der städtischen und globalen Umwelt
von verkehrsbedingten Belastungen
104
V Wirkungsschätzung
Ziele (Qualitätsziele)
11
Schaffung eines stadtverträglichen Verkehrs für sich
verändernde Mobilitätsbedürfnisse (Stärkung der
Inter- und Multimodalität, Reduzierung des motorisierten Verkehrsaufwands)
Handlungsziele
11.1
Veränderung des Modal Split im Personenverkehr
bis 2025 auf mindestens 75 Prozent im Umweltverbund (Gesamtstadt), auf mindestens 80 Prozent
im Umweltverbund in der Innenstadt (innerhalb
S-Bahn-Ring)
11.2
Steigerung des Anteils des öffentlichen Verkehrs am
Modal Split (Erschließung neuer Fahrgastpotenziale
etc.) auf gesamtstädtischer Ebene
11.3
Steigerung des Anteils des öffentlichen Verkehrs am
Modal Split (Erschließung neuer Fahrgastpotenziale
etc.) auf gesamtstädtischer Ebene
11.4
Steigerung des Anteils des Fußverkehrs auf gesamtstädtischer Ebene
11.5
Reduzierung der Kfz-Verkehrsleistung (Fzgkm) um
10 Prozent bis 2025 auf gesamtstädtischer Ebene
12.1
Abteilungs- und ressortübergreifende Verknüpfung
von verkehrlich wirksamen Handlungsfeldern
12.2
Einbeziehung verkehrspolitischer Akteure in die
Entscheidungsvorbereitung
12.3
Verbesserung der Maßnahmenplanung durch
bessere Beteiligung der Öffentlichkeit an Planungsund Entscheidungsprozessen
12.4
Effizientere Umsetzung von Maßnahmen, z.B. durch
kontinuierliche intensive Abstimmung zwischen
der Senatsverwaltung und den Bezirken sowie
durch Überprüfung und ggf. Neufestlegung von
Zuständigkeiten.
Institutionelle Zieldimensionen
12
Integration von Aufgabenfeldern und Einbeziehung
von Akteuren bei der Erarbeitung von Zielen und
Konzepten sowie der Umsetzung von Maßnahmen
105
V.5.2 Bewertung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen
1. Die Abschätzung der Zielerreichung wurde für die Gesamtstadt vorgenommen. Die
Wirkungen in den einzelnen Teilräumen der Stadt können demgegenüber unterschiedlich bzw.
stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Dies gilt insbesondere dort, wo Maßnahmen eher teilräumliche Wirkung entfalten und beispielsweise Infrastrukturmaßnahmen die Erschließung
und Erreichbarkeit stark verbessern oder zu einer größeren Entlastung von Verkehr und negativen Verkehrsfolgen führen (vgl. Kapitel V.3.2).
2. Innerhalb des hier betrachteten Zeitraums bis 2025 geht es um die Gestaltung eines städtischen Gesamtverkehrssystems, das sich in vielfacher Hinsicht bereits auf einem sehr guten
Ausgangsniveau befindet. Die Ziele für die weitere Gestaltung und Verbesserung dieses Verkehrssystems formulieren gleichwohl erneut einen hohen Anspruch und sind darüber hinaus
in Teilen gegenüber dem ersten StEP Verkehr nochmals verschärft worden (beispielsweise
innerhalb der ökologischen Zieldimension sowie in Bezug auf die Verbesserung der Verkehrssicherheit). Aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen sind die Gestaltungsspielräume
eingeschränkt. Unter diesen Umständen ist der Zielkatalog als realistisch, aber ambitioniert zu
beurteilen.
3. Dass die Zielerreichung auf Ebene der Qualitätsziele unter Zugrundelegung aller Kernmaßnahmen durchgängig positiv eingeschätzt wurde, ist u. a. ein Ergebnis der Kontinuität in
den planerischen Grundaussagen, die dieser StEP Verkehr im Vergleich zu seinem Vorgänger
aufweist. Leitbild und Ziele wurden im Prozess der Fortschreibung zwar an die mittlerweile
veränderten Rahmenbedingungen angepasst, in ihren Aussagen geschärft und durch neue
Aspekte ergänzt, sie enthalten jedoch nach wie vor zentrale Elemente und Handlungsvorgaben, die bereits in den Jahren zwischen 2003 und 2010 für die Verkehrspolitik und -planung
in Berlin maßgeblich waren. In diesem Zeitraum sind bereits zahlreiche Fortschritte erzielt
worden, beispielsweise bei der Verknüpfung der teilungsbedingt lückenhaften Netze, bei der
Verbesserung der Erreichbarkeit und im Bezug auf die erreichte Trendwende im Modal Split.
Negative Umweltfolgen konnten ebenfalls verringert werden, die Verkehrssicherheit wurde
erhöht. Auf diesen erzielten Ergebnissen baut der vorliegende StEP Verkehr auf; der Maßnahmenkatalog ist geeignet, weitere Verbesserungen zu erzielen.
4. Die u. a. demographisch bedingten Rückgänge des Verkehrsaufkommens sowie Trends
der Mobilitätsentwicklung (Intermodalität) wirken sich mit Hinblick auf eine Reihe von Handlungszielen positiv aus. Zu diesen gehören die weitere Reduzierung des Kfz-Verkehrs, die Veränderung des Modal Splits zugunsten des Umweltverbundes sowie die Rückgänge bei den
verkehrsbedingten Emissionen und beim Lärm. Dass nicht von einer vollständigen Zielerreichung ausgegangen wird, entspricht der realistischen Sichtweise des StEP Verkehr. Das Beharrungsvermögen des gesamten städtischen Verkehrssystems ist nach wie vor erheblich,
nicht alle Entwicklungsimpulse des StEP-Maßnahmenkatalogs werden daher mittelfristig eine
volle Wirkung entfalten können. Darüber hinaus sind nicht alle Ziele des StEP Verkehr durch
die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs allein erreichbar.
5. Für die Zielerreichung des StEP Verkehr kommt anderen Politik- und Handlungsfeldern
ebenfalls eine hohe Bedeutung zu. Dies gilt beispielsweise für die Entwicklungen beim
Energieverbrauch sowie hinsichtlich der CO2-Emissionen, die in einem engen Zusammenhang
zur Entwicklung des Flugverkehrs stehen, welcher im Handlungsspektrum des StEP Verkehr
nicht enthalten ist. Beim Personen- wie auch beim Wirtschaftsverkehr sind die räumlichen
Planungen auf Ebene der Länder Berlin und Brandenburg mit entscheidend dafür, dass Erreichbarkeiten und Standortqualitäten gesichert bleiben.
106
V Wirkungsschätzung
6. Die Ziele der ökonomischen Zieldimension weisen zudem einen engen Zusammenhang
zu den Entwicklungen auf nationaler Ebene auf. Die Herstellungen von mehr Transparenz bei
den Kosten von Verkehr und Verkehrsfolgen und die stärkere Einbeziehung der Nutzer bei der
Anrechnung dieser Kosten kann nicht durch Aktivitäten des Landes Berlin allein erzielt werden.
Dort, wo das Land eigene Spielräume hat – beispielsweise bei der weiteren Effektivitätssteigerung im ÖPNV und der Qualitätssicherung der Netze – werden die Maßnahmen des StEP Verkehr sowie die Zuordnung von Prioritäten bei der Umsetzung (Bestand vor Neubau) hingegen
als ausreichend für die Verwirklichung der Ziele eingeschätzt.
7. Die qualitative Bewertung der Maßnahmen unterstreicht ebenso wie die Wirkungsanalyse
bei den Szenarien erneut die große Wirksamkeit nicht-infrastruktureller Maßnahmen. Die
bessere Ausnutzung der Potenziale beispielsweise beim Mobilitätsmanagement, bei der
Gestaltung des ruhenden Verkehrs, bei kommunikativen Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit etc. lässt sich über die intensivere Vernetzung der Akteure sowie über die
Optimierung der Umsetzung erzielen. Dies ist auch insofern von Bedeutung, als dass ein
wesentliches Umsetzungserfordernis im Vorhandensein ausreichender personeller Kapazitäten
sowie im gleichgerichteten Wirken der verschiedenen beteiligten Institutionen liegt.
107
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1 Planungsprozess im Dialog.........................................................................................................9
Abbildung 2 Modal Split in den Bezirken..................................................................................................... 15
Abbildung 3 Verkehrsmittelwahl nach Wegezweck................................................................................. 16
Abbildung 4 Führerscheinbesitz in Berlin nach Alter und Geschlecht.............................................. 17
Abbildung 5 Auswirkung übergeordneter Trends auf die Verkehrsentwicklung.......................... 29
Abbildung 6 Strategie des Stadtentwicklungsplanes Verkehr............................................................. 51
Abbildung 7 Strategie des Stadtentwicklungsplanes Verkehr – Überlagerung der
Teilstrategien................................................................................................................................. 51
Abbildung 8 Finanzierungsbedarf für StEP-Maßnahmen bis 2025 vs. verfügbare Mittel
(Szenarien)..................................................................................................................................... 57
Abbildung 9 Zusammensetzung des Finanzierungsbedarfs der StEP-Maßnahmen bis
2025 vs. verfügbare Mittel (in Mio. €)................................................................................... 58
Abbildung 10 Entwicklung des Straßenverkehrs 2025: Vergleich Basisszenario zu 2006............. 91
Abbildung 11 Szenarienvergleich: Ortsveränderungen 2025 nach Verkehrsmitteln..................... 92
Abbildung 12 Kfz-Belastung 2025 – StEP-Szenario..................................................................................... 93
Abbildung 13 Entwicklung der Kfz-Belastung 2025 - Vergleich StEP-Szenario gegenüber
Basis-Szenario (Ausschnitt Innenstadt)............................................................................... 93
Abbildung 14 ÖPNV-Aufkommen 2025 im StEP-Szenario........................................................................ 94
Abbildung 15 ÖPNV-Aufkommen 2025 – Vergleich erweitertes ÖV-Szenario gegenüber
StEP-Szenario................................................................................................................................ 95
Abbildung 16 Luftschadstoffbelastung 2006 zu 2025 (Szenarienvergleich)..................................... 96
Abbildung 17 Luftschadstoffbelastung 2025 (Szenarienvergleich – Detail)...................................... 96
Abbildung 18 NO2-Belastung in 2006............................................................................................................... 97
Abbildung 19 NO2-Belastung in 2025 – StEP-Szenario............................................................................... 97
Abbildung 20 Lärmbelastung im Hauptstraßennetz 2006–2025 (Szenarien) – Tag........................ 99
Abbildung 21 Lärmbelastung im Hauptstraßennetz 2006–2025 (Szenarien) – Nacht................... 99
Abbildung 22 Erreichbarkeit der nächstgelegenen Stadtteilzentren im Straßennetz
2025 (StEP-Szenario).................................................................................................................100
Abbildung 23 Erreichbarkeit der nächstgelegenen Stadtteilzentren im ÖPNV-Netz
2025 (StEP-Szenario).................................................................................................................100
Tabelle K.1 Tabelle 1
Tabelle 2
Tabelle 3
Tabelle 4
Szenarienaufbau für die StEP-Wirkungsschätzung........................................................XIII
Entwicklung relevanter Strukturdaten 2000–2009......................................................... 24
Gegenüberstellung der Annahmen zur Finanzentwicklung in den Szenarien..... 54
Aus Landesmitteln zu finanzierende Maßnahmen des StEP Verkehr bis 2025..... 56
Szenarienaufbau für die StEP-Wirkungsschätzung......................................................... 89
108
Abkürzungsverzeichnis
AIRVIS AöR Airportbezogenes Verkehrsinformationssystem
Anstalt öffentlichen Rechts
B2B B2C BBI Bhf. BImSchG BMVBS BVG B+R Business-to-Business
Business-to-Consumer
Flughafen Berlin Brandenburg International
Bahnhof
Bundesimmissionsschutzgesetz
Bundesministerium für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung
Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Anstalt des öffentlichen Rechts
Bike+Ride
CO CO2 Kohlenmonoxid
Kohlendioxid
dB(A) DB AG DTV Dezibel (Bewertungskurve A)
Deutsche Bahn AG
Durchschnittliche Tagesverkehrsstärke
EW Einwohner
FGSV FNP Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V.
Flächennutzungsplan
GRW
GVFG GVP 2025
Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
Gesamtverkehrsprognose Berlin-Brandenburg 2025
Hbf HVZ Hauptbahnhof
Hauptverkehrszeit
IV
IWVK Individualverkehr
Integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept
Kfz
Kraftfahrzeug
Lkw
LSA
Lastkraftwagen
Lichtsignalanlage
MiD
MIL
MIV
„Mobilität in Deutschland“ (bundesweite Haushaltsbefragung)
Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg
motorisierter Individualverkehr
NEB
NO2
NV
NVP
Nicht-bundeseigene Bahnen (auch NE-Bahnen)
Stickstoffdioxid
Nachtverkehr
Nahverkehrsplan
ÖPNV
ÖV
Öffentlicher Personennahverkehr
Öffentlicher Verkehr
109
PAH
PBefG
Pkw
PM10 PM2,5
P+R
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
Personenbeförderungsgesetz
Personenkraftwagen
Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser <10 Mikrometer
Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser < 2,5 Mikrometer
Park+Ride
RB RE RegG
RiLSA
RVM
RegionalBahn (Produktbezeichnung der DB Regio AG)
RegionalExpress (Produktbezeichnung der DB Regio AG)
Regionalisierungsgesetz
Richtlinien für Lichtsignalanlagen
Regionales Verkehrsmanagement
SenStadt
SO2 SrV StEP StEP Verkehr StVO Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Schwefeldioxid
System repräsentativer Verkehrserhebungen (länderübergreifende
HaushaltsBefragung)
Stadtentwicklungsplan
Stadtentwicklungsplan Verkehr des Landes Berlin
Straßenverkehrsordnung
VIZ VBB
VLB VMZ Verkehrsinformationszentrale
Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH
Verkehrslenkung Berlin
Verkehrsmanagementzentrale Berlin Betreibergesellschaft mbH
ZOB
Zentraler Omnibusbahnhof
110
Herausgeber
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Kommunikation
Am Köllnischen Park 3
10179 Berlin
www.stadtentwicklung.berlin.de
Verantwortlich
Land Berlin
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Abteilung VII – Verkehr
Projektbearbeitung durch
Projektgruppe StEP Verkehr
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Am Köllnischen Park 3, 10179 Berlin
Projektleitung
Burkhard Horn
Leiter Referat Grundsatzangelegenheiten der
Verkehrspolitik, Verkehrsentwicklungsplanung
Tel.: 030 9025-1650 Fax: -1675
Mail: burkhard.horn@senstadt.berlin.de
Projektgruppe
bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Dr. Friedemann Kunst
Birgit Beck
Hermann Blümel
Joachim Krey
Julius Menge
Dr. Jürgen Murach
Dr. Imke Steinmeyer
Horst Wohlfarth von Alm
Diana Runge, Center Nahverkehr Berlin (Prozessteuerung)
unterstützt durch
Dr. Christian Neuhaus
Daimler AG
Moderation Runder Tisch
VMZ Berlin Betreibergesellschaft mbH
Tempelhofer Damm 1 – 7
12101 Berlin
Tel.: 030 814 53-0 Fax: -150
Mail: office@vmz.berlin.com
Berlin, Juni 2011