Nebennieren-Krise: Richtig erkennen - Richtig
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Nebennieren-Krise: Richtig erkennen - Richtig
Nebennieren-Krise: Richtig erkennen - Richtig behandeln Dr. Dr. med Urs Lichtenauer Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie Medizinische Klinik und Poliklinik IV LMU München Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Anatomische Lage der Nebennieren Adrenalin Cortisol Nebenniere Adrenalin Cortisol Nebenniere Adrenalin Cortisol Nebenniere Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Hypothalamus-HypophysenNebennieren-Achse Zirkardiane Rhythmik 750 600 Serum cortisol (nmol/L) Hypothalamus CRH Hypophyse ACTH 450 300 150 0 0 04 08 12 Normal physiologisch Nebennierenrinde Cortisol Physiologische Regulation 16 20 24 Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse Hypothalamus CRH CRH CRH Hypophyse ACTH ACTH ACTH Nebennierenrinde Cortisol Physiologische Regulation Cortisol M. Addison= Primäre NNR-Insuffizienz Cortisol Sekundäre/Tertiäre NNR-Insuffizienz Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Zona glomerulosa Zona fasciculata CRH Aldosteron Cortisol Zona reticularis Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse DHEA ACTH Cortisol Sekundäre/Tertiäre NNR-Insuffizienz Morphologie Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Zona glomerulosa Zona fasciculata CRH Aldosteron Cortisol Zona reticularis Hormonproduktion der Nebennierenrinde DHEA ACTH Cortisol M. Addison= Primäre NNR-Insuffizienz Morphologie Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Ersatztherapie Glukokortikoide Hydrocortison Tagesdosis (Hydrocortison) 15-25 mg Verteilung auf zwei bis drei Tagesdosen Ersatztherapie Mineralokortikoide Fludrocortison (Astonin H®) nur bei primärer NNRI 0.05-0.2 mg pro Tag als einzelne morgendliche Dosis Ersatztherapie Androgene DHEA-S (keine Standardtherapie) 25-50mg pro Tag als einzelne morgendliche Dosis Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Limitationen der Hydrocortison-Substitution 750 600 450 300 150 0 00 04 08 Normal physiologisch 12 16 20 Hydrocortison Substitutionstherapie 00 Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Präparate der Glukokortikoid-Substitution Wirkstärke Halbwertszeit Dosierung/Tag Pharmakol. (biol.) Dosierungsbeispiel Hydrocortison 1 1-2 h 3-4x/d Prednisolon 4-15 2-3 h (12-36h) 1-2x/d 5-0-2,5 mg Prednison 3,5-15 2-3 h (12-36h) 1-2x/d 5-0-2,5 mg Dexamethason 30-70 3,5 h (36-72h) 1x/d 0,5 mg 1x/d 20-0-0 mg Plenadren 1 1-2 h und 12-24h 15-5-5 mg Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Kortisolspiegel unter Plenadren® (nach Johannsson et al. JCEM 2011) 10 mg 5 mg 5 mg Kortisolspiegel im Blut (µg/dl) 30 Gesunde Personen NN‐Insuff Patient mit bisherigem HC NN‐Insuff Patient mit 20mg Plenadren® 20 10 0 8 00 12 00 16 00 20 00 Tageszeit 24 00 4 00 8 00 Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Probleme der aktuellen Therapie Hydrocortison: kurze Halbwertszeit, Einnahme 3-4x pro Tag (Ausnahme Plenadren), aber am „physiologischsten“ Prednison/Prednisolon/Dexamethason: Vorteil der längeren Halbwertszeit, aber häufig Überdosierung und keine feine Dosisabstimmung möglich Probleme bei allen: frühmorgendlicher Cortisolanstieg schwierig und aufwändig nachzuahmen Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Symptome/Folgen der Substitutionstherapie zu wenig Cortisol • • • • • • Müdigkeit, Leistungsmangel, Anorexie, Gewichtsverlust Übelkeit, Erbrechen, abdominale Schmerzen Myalgien, Gelenkschmerzen Hypoglykämieneigung ADDISON KRISE zu viel Cortisol • • • • • • Glukoseintoleranz Abdominaler Adipositas Koronarer Atherosklerose Schlaflosigkeit und beeinträchtigter Schlafqualität Osteoporose Cushing Syndrom Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Nebennierenkrise (Addison-Krise) Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Ein Fallbeispiel 24-jähriger junger Mann mit bekannter Nebenniereninsuffizienz Mittwoch bis Freitag Halsschmerzen, Husten, Grippegefühl, Leistungsverlust. Kein Fieber, kein Durchfall, kein Erbrechen Deutliche Besserung der Beschwerden nach 8 – 10 Tagen Ab Dienstag der Folgewoche erneutes Grippegefühl mit Leistungsverlust und Übelkeit Donnerstagmorgen Übelkeit, 1 x Erbrechen (auch der „Cortison“Morgentablette), extreme Schlappheit/Müdigkeit, Luftnot nach wenigen Metern -> Notarzt durch Freundin V.a. Nebennierenkrise -> ca. 1 h nach 100 mg Hydrocortison i.v. Beschwerdefreiheit - Die Nebennierenkrise entwickelt sich schleichend und kann innerhalb weniger Tage lebensbedrohlich werden! - In ca. 20% der Fälle ist kein auslösendes Ereignis erurierbar! Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Was ist eigentlich eine Nebennierenkrise? Es gibt keine offizielle Definition. Verhältnis von Angebot an Nebennierenhormon Bedarf des Körpers infolge einer „Stress-Situation“ zu niedrig. Verschlechterung des Allgemeinzustandes bei chronischer Nebennierenunterfunktion, oftmals Symptome wie Schwäche, sehr niedriger Blutdruck, Übelkeit, Unterzuckerung, hohes Kalium im Blut, niedriges Natrium im Blut. Potentiell lebensbedrohlich. Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Serum-Cortisol Spiegel bei einem größeren operativen Eingriff nach Plimpton et al, Anesthesia 1969 Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Häufigste auslösende Faktoren einer Nebennierenkrise Würzburger NNRI-Register Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Therapie der Addison-Krise (meist auf Überwachungs-/Intensivstation) Glukokortikoidsubstitution –100 mg Hydrocortison im Bolus i.v., dann 150 mg Hydrocortison über 24h i. v. (bei Erstmanifestation nach Blutentnahme zur Bestimmung des basalen ACTH und Cortisol) Reichliche Flüssigkeitszufuhr (NaCl 0.9% i.v.) Kreislaufmonitoring (je nach Klinik ggf. Intensiv-Monitoring) Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Vermeidung von Krisen bei Nebenniereninsuffizienz „Normaler psychologischer“ Stress (Prüfungen, Streit etc.): keine Dosiserhöhung nötig, aber auch keine wissenschaftlichen Untersuchungen vorliegend „Körperlicher“ Stress (fieberhafte Erkrankung, Unfall, Operation): Steigerung der „Cortison“-Therapie auf Stressdosen DARAN DENKEN !!! grundsätzlich: im Zweifel großzügige, kurzfristige Erhöhung der Tagesdosis NOTFALLAUSWEIS Substitutionsdosis belastungsabhängig erhöhen Bei Diarrhoe/Erbrechen: Zäpfchen oder i.v./i.m./s.c. Applikation Was ist im Notfall zu tun? Zeichen einer beginnenden Notfallsituation • Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen • Unterzuckerungen (Kaltschweißigkeit, Herzrasen, Hunger) • Niedriger Blutdruck, Schwindel • Antriebsarmut, Reizbarkeit oder Apathie • Gewichtsabnahme • Flüssigkeitsmangel • Langsamer Herzschlag • Kreislaufkollaps • Schock mit tiefer Bewusstlosigkeit • Verschiebung der Blutsalze ACHTUNG: Erbrechen und Durchfallerkrankungen sind besonders gefährlich, ggf. muss das Cortisonpräparat als Zäpfchen oder als eine Injektion verabreicht werden! „Normales“ Hydrocortison wirkt nur 6-8 Stunden und muss deshalb bei länger anhaltenden Problemen mehrfach täglich eingenommen werden ! zum Beispiel: - übliche Hydrocortison Dosierung 10-0-0 mg bei Verdopplung der Dosis: 10-10-0 mg Bei Plenadren gilt ähnliches: - übliche Plenadren Dosierung 20-0-0 mg bei Verdopplung der Dosis: 20-20-0 mg Fieber > 37,5°C > 38,5°C > 39,5°C doppelte Dosis dreifache Dosis vierfache Dosis, ARZT Geringe Erkältung 1,5 – fache Dosis Belastung Körperliche Belastung (z.B. weiter Spaziergang) Zahnarztbesuch Mittlere Schwere Infektionen Belastung Durchfall, Erbrechen Doppelte Dosis Körperliche Belastung (z.B. Bergwandern) Starke Schwerer Unfall Belastung Geburt Schock Bewusstlosigkeit Sepsis Operationen Ambulant (z.B. Zahnarzt) Stationär (Vollnarkose) fünf- bis zehnfache Dosis i.v. anschließend 100-200 mg Hydrocortison über 24h als Dauerinfusion, Intensivstation doppelte Dosis am OP-Tag Hydrocortisongaben OP-Tag: 200 – 300mg i.v. 1. Folgetag: 150 mg i.v. 2. Folgetag: 100mg i.v. 3. Folgetag: 50 mg i.v./ oral 4. Folgetag: doppelte Dosis © Herausgeber/ Autoren: PD Dr. Marcus Quinkler, Kathrin Zopf, (Klin. Endokrinologie; Charité Campus Mitte, Berlin) Version: November 2012 Krisen‐Prophylaxe bei NNR‐Insuffizienz Glukokortikoid‐ Notfallausweis !!! Krisen‐Prophylaxe bei NNR‐Insuffizienz Europäische Notfallkarte geplant: Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Besonderheiten Auslandsreisen: bei Fieber, Erbrechen, Durchfall Selbstmedikation mit Zäpfchen (Rectodelt®, i.m.- i.v.-Selbstmedikation Solu-Decortin®) Flugreisen (Jet-lag): bei Interkontinentalflügen Substitutionsdosis evtl. am Flugtag verdoppeln Hochgebirgstouren: bei Höhe ab 3000 Meter Substitutionsdosis verdoppeln, ab 4000 Meter verdreifachen Bei Leistungssport: individuelle Dosisschemata Bei sportlicherer Belastung Kohlenhydratzufuhr statt Glukokortikoiddosiserhöhung Rücksprache mit behandelndem Arzt Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Clin Endocrinol (Oxf). 2014 Sep 8. doi: 10.1111/cen.12609. [Epub ahead of print] Time lines in the management of adrenal crisis targets, limits and reality. Hahner S1, Hemmelmann N, Quinkler M, Beuschlein F, Spinnler C, Allolio B. All patients were equipped with an emergency card but only 23 (62%) with an emergency kit. Seven patients (19%) were trained in GC self-injection. The median time interval between contacting a health professional and arrival was 20 min (range 2-2880min); ≤45 min: n=32 (86%), <90 min: n=34 (92%), The median time interval between arrival and administration of GC was 30 min (range 2-2400min); ≤15 min: n=17 (46%), ≤30 min: n=20 (54%). “Wegen der aktuellen Versorgungssituation bei Nebennierenkrisen ist die Förderung/Verbreitung von Glukokortikoid Selbst-Injektionsverfahren indiziert.” Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Schulung ist wichtig !!! Anleitung für Patienten und Angehörige für Hydrocortison i.m. Gabe ! EU-AIR (European Adrenal Insufficiency Registry) Europäische multizentrische Studie zur Dokumentation von Patienten mit Nebenniereninsuffizienz • Ziel: Zur Erfassung der Langzeit-Sicherheit der Behandlung einer Nebennieren-Insuffizienz mit Plenadren® oder mit anderen Glukokortikoid-Ersatztherapien • Endpunkte: – Häufigkeit von Begleiterkrankungen – Häufigkeit von Nebennierenkrisen – Häufigkeit von Dosisanpassungen ambulante Untersuchung (entsprechend normaler Nachsorge) und Führen eines Patiententagebuchs Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Patiententagebuch Campus Innenstadt Medizinische Klinik – Schwerpunkt Endokrinologie Klinische Studien - Allgemein Immer freiwillig ! –Beginn –Beendigung jederzeit (ohne Nennung von Gründen) Keine Nachteile bei Nicht-Teilnahme –Häufig aber auch keine persönlichen sofortigen Vorteile Strenger Datenschutz –Ärztliche Schweigepflicht unberührt –„Pseudonymisierung“ Immer nur nach schriftlicher Einverständniserklärung –„Informed Consent“ Kontakt Dr. Dr. med Urs Lichtenauer Email: urs.lichtenauer@med.uni-muenchen.de Ambulanztermine: 089/4400-52330 (Stichwort „Addison-Studie“)