MODERNISIERUNG WOHNANLAGE GARTENSTADT ATLANTIC
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MODERNISIERUNG WOHNANLAGE GARTENSTADT ATLANTIC
"....Die Jury lobte die behutsame Sanierung durch die Architekten, die dem Charakter und der architektonischen Qualität der Wohnanlage gerecht werde. Hervorgehoben wurde auch das multiethnische Kulturprogramm und die Mieterpartizipation. Die Modernisierung der Gartenstadt Atlantic hat nach Ansicht der Jury Vorbildfunktion und eine hohe Signalwirkung im Umgang mit historischer denkmalgeschützter Bausubstanz...." * MODERNISIERUNG WOHNANLAGE GARTENSTADT ATLANTIC, BERLIN BE . M ST R ER E T ZINGST SS ER S BRI RA HEIDE . ST R N NK N ER A Städtebauliches Vorbild der Planung war für Bauherr und Architekt die aus England stammende Bewegung der "garden city". Die Anlage gruppiert sich um 3 großzügige, helle Innenhöfe und erinnert in ihrer städtebaulichen Figur an ein riesiges Tortenstück. Grund genug die Anlage 1995 als Ensemble unter Denkmalschutz zu stellen. In Zeiten der Berliner Mauer verkümmerte das Umfeld zu einem Zonenrandgebiet. Nach dem Fall der Mauer wurde Wedding zu Mitte, der Gesundbrunnen zu einem zentralen Verkehrsknotenpunkt. Rund 75 Jahre nach dem Bau der Wohnanlage entschieden sich die neuen Eigentümer für eine umfassende Modernisierung. LL Historie: Am ersten Weihnachtsfeiertag 1929 wurde die "Lichtburg" eröffnet, ein Varieté- und Lichtspieltheater mit über 2000 Sitzplätzen. Die Lichtburg, direkt gegenüber dem Bahnhof Gesundbrunnen gelegen, wurde schnell zu einem neuen städtebaulichen Wahrzeichen. Nach wechselvoller Nachkriegsgeschichte wurde sie 1969 abgerissen. Sie war Bestandteil des städtebaulichen Ensembles "Gartenstadt Atlantic", welche in den Jahren 1925 bis 1928 von dem Architekten Rudolf Fränkel geplant und gebaut wurde. Von den ursprünglich 1.000 Wohneinheiten wurden jedoch nur knapp 500 Wohnungen mit insgesamt 36.750 m² und zusätzlichen 2.500 m² Gewerbeflächen realisiert. BEHMSTRASSE Bahnhof Gesundbrunnen oben: Lageplan der Gesamtanlage 1929: Die neuangelegte Heidebrinker Straße (ehemals Neue Eulerstraße) verband das Quartier mit dem Bahnhof Gesundbrunnen. In grau links: der Komplex Kino Lichtburg. Historische Nachtaufnahme der Lichtburg mit ihren Lichtfingern und dem imposanten Turm in der Straßenflucht. Die vertikalen Lichtfenster waren mit jeweils ca.1500 Glühbirnen bestückt. links: Die Ecke Zingster Straße / Bellermannstraße nach Modernisierung. In diesem ersten Bauabschnitt ist die historisierende Formensprache klar zu erkennen, hochgezogene Sockel, Erker, Dachüberstand und Lochfassade. In der Straßenflucht sieht man den Block B noch vor Modernisierung. Hüllensanierung: Zur Aufwertung der Gesamterscheinung der Wohnanlage wurden die Putze erneuert oder ausgebessert. Dabei haben wir ein Farbkonzept anhand des Originalbefundes entwickelt und in Anlehnung an die ursprünglichen Bauabschnitte variiert. Die Einheitlichkeit der Gesamtanlage bleibt erhalten. Die rote Sockelfarbe wird beim "Kopfbau" auf alle Geschosse erweitert, um die städtebauliche Dominanz zu betonen. Fassadenschmuck und Eingangsportale wurden wieder ergänzt, die Fenster in Anlehnung an das Original als Holzfenster ersetzt und an exponierten Stellen, Loggien, Erkern und Balkonen, als Doppelkastenfenster erhalten und in Stand gesetzt. Heidebrinker Straße 15: Diesem Haus fällt eine Sonderstellung zu. In den ursprünglichen Plänen und ganz im Sinne der Philosophie einer Gartenstadt sprach der Architekt von Reihenhäusern. Es war also nur konsequent ein Haus als Bestandsdokument originalgetreu zu restaurieren. Wie damals wurde eine durchgefärbter Putz mit Zuschlagsstoffen wie Glimmer-Quarz, manuell aufgebracht. Je nach Sonnenlichteinfall changiert die Putzoberfläche zwischen matt-grün und hell-gleißend. Die Materialsichtigkeit und Tektonik des handwerklichen lassen sich somit auf besonders eindrucksvolle Art und Weise nachvollziehen. oben: Baukünstlerisches Fassadenornament über einem Hauseingang. Die Fassaden wiesen vor Modernisierung erhebliche Schäden auf. Fenster wurden teilweise ohne Anlehnung an die Originalfenster durch Kunststoffund Aluminiumfenster ersetzt. Einige Loggien wurden verglast. links: Fassadenansicht der Behmstraße. Dieser Bauabschnitt ist der "jüngste". Klar erkennbar ist die Formensprache der klassischen Moderne: niedriger Klinkersockel, Fenster und Loggien sind zu horizontalen Fensterbändern zusammengefasst, der Dachüberstand ist verschwunden, die Eingänge sind funktional und verzichten auf jeglichen Dekor. Wohnungsmodernisierung: Als ein Beispiel des Reformwohnungsbaus waren die Wohnungen für die damalige Zeit erstaunlich modern. Jede Wohnung hatte einen Balkon oder eine Loggia und ein eigenes Bad. Zu Beginn der Sanierung fanden wir jedoch meistens noch den Standard von 1930 vor. Besonders die Technik war restlos veraltet. Zunächst haben wir die Grundrisse optimiert: Bäder und Küchen vergrößert, halbe Zimmer aufgelassen, die Haus und Elektrotechnik komplett erneuert. Durch den Einbau von Isolierglasfenstern und Estrichen haben wir den Schall - und Wärmeschutz entschieden verbessert. Türen, Geländer Einbauschränke, etc. wurden in Stand gesetzt oder nach historischem Vorbild nachgebaut. Die Dielenböden wurden abgezogen, Bäder und Küchen gefliest. Wände und Decken wurden neu tapeziert und gestrichen. Die Umstellung auf gasbefeuerte Heizzentralen führte zu deutlicher Energieeinsparung und Minderung des CO2 -Ausstoßes. Im Rahmen notwendiger Dachstuhlerneuerungen gelang es uns insgesamt 6 Maisonette - und 3 Loftwohnungen mit grandiosem Blick über Berlin zu realisieren. Letztere sind über neu geschaffene Aufzüge komfortabel erschlossen. Die Treppenhäuser wurden in Anlehnung an den Originalbefund renoviert. Mit installierten Gegensprechanlagen wird für ein Stück soziale Kontrolle gesorgt. Projektdurchführung: Der Ablauf der Modernisierung stellte für uns eine Herausforderung dar. Es musste vermieden werden, während der Bauarbeiten weitere Mieter zu verlieren. Die Modernisierung erfolgte in 2 Bauabschnitten mit jeweils 4 Modernisierungsstufen, die 6 Häuser mit 10 bis 15 Wohnungen umfassten. Die Bauarbeiten begannen in wöchentlichen Abständen: In Woche 0 erfolgte der Auszug, die Kernbauzeit in 7 Wochen und in Woche 8 wiederum der Rückzug. Dabei wurden die Mieter in möblierte Wohnungen umgesetzt und das Mobiliar zwischengelagert. Bis auf wenige Einzelfälle wurde der Zeitplan einhalten. oben: Die Bäder wiesen unmittelbar vor Modernisierung teilweise noch den Stand von 1930 auf (fehlendes Handwaschbecken). links: Beim Kopfbau, die städtebauliche Dominante der Anlage, zieht sich wieder der rote Putz über alle Geschosse hoch. Im 6. Obergeschoss sind 3 Loftwohnungen entstanden. Gewerbe - Kiezkultur: Desolate Rahmenbedingungen haben jegliches Kleinklima im Quartier Gartenstadt Atlantic verschwinden lassen. Wir haben die Siedlung und ihre zentrale Lage im Stadtraum neu- und umbewertet. Veränderte Bedürfnisse, optimale Verkehrsinfrastrukturen geben dem Standort eine hervorragende Perspektive. Für einen urbanen Mikrokosmos, eine Mischung aus Kleingewerbe und Kiezkultur mußten die Voraussetzungen entstehen, um die Gartenstadt an ihr Umfeld anzudocken. In unserem Gewerbekonzept wurden die verschiedenen räumlichen Potentiale innerhalb der Anlage untersucht und ausgebaut, Gewerbeeinheiten zusammengelegt, Haus- eingänge verschoben, Kellerdecken abgerissen. An exponierter Lage an der Behmstraße gibt es heute einen Platz, ein Entree für die Gartenstadt Atlantic und eine Zone urbaner Kommunikation für Lichtburg Café und Lichtburg Forum. Infostelen und ein Leitsystem führen die Kiezkundschaft zu einem Angebot des täglichen Bedarfs in die Quartierstraßen: Friseursalon, Arztpraxen, aber auch diverse Ateliers von namhaften Künstlern. In der verkehrsberuhigten Bellermann Straße haben wir Gewerbeeinheiten mit Zielverkehr angesiedelt: eine KITA, ein Jugendmuseum, die Hausverwaltung, ein Design-Atelier und eine Sozialstation. oben: Einheitliche Werbeschriften runden das Erscheinungsbild der Atlantic ab und knüpfen an die rote Schriftreklame der ehemaligen Lichtburg an. Gewerbeeinheiten waren Bestandteil der ursprünglichen Planung. Einige wurden nach dem Krieg in Wohnungen umgebaut. Schaufenster wurden zugebaut oder zugeklebt. Heute strukturieren die Schaufenster wieder die Straßen und laden zu verschiedensten Gewerbenutzungen ein. links: Das Lichtburg Forum mit seiner vollständig schallentkoppelten Innenschale erlaubt eine große Bandbreite an Veranstaltungen, Lesungen und Konzerte. Durch Abbruch von Zwischendecke und Mieterkellern entstand ein zweigeschossiges Raumvolumen. Auf der Straßenebene vermittelt ein Foyer zwischen dem Platz und dem tiefer gelegenem Veranstaltungsraum. Außenanlagen: Der Geist der Gartenstadtbewegung macht auch heute noch den besonderen Reiz der Gartenstadt Atlantic aus, einer Siedlung in zentraler Lage Berlins mit einem großen Angebot an Grün- und Lichtraum für seine Bewohner. Vorgärten, Plätze und Innenhöfe haben wir überwiegend auf die ursprüngliche Planung behutsam rückgebaut, ggf. an notwendige Bedürfnisse angepasst und gestaltet. In den Innenhöfen ergänzen mieterspezifische Angebote den Bestand: Kinderspielplätze, Sitzbänke, Fahrradabstellplätze, zentrale wirtschaftliche Müllentsorgung. Die straßenseitigen Vorgärten wurden wieder hergerichtet, zonieren vom öffentlichen (Straße) zum privaten (Treppenhaus) Raum und stiften somit Identität. Wasser und Licht prägen als Elemente einer Inszenierung bei Tag und Nacht den öffentlichen Raum der Wohnanlage: Brunnen, Sitz- und Lichtbänke und nicht zuletzt die Lichtarchitektur, das "Phantom Lichtburg", eine Reminiszenz an den Mythos des Großkinos Lichtburg, verleihen dem Ort eine unverwechselbare Präsenz. Mitten in der Großstadt haben Kinder wieder Platz zum Spielen, Mieter Grünraum zum Sitzen. Und auch das städtische Leben an der Gartenstadt Atlantic bietet Möglichkeiten der sozialen und kulturellen Begegnung. oben: An der Behmstraße ist ein Platz entstanden, der die südliche Lage nutzt und die Anlage mit dem Gesundbrunnencenter verbindet. Entlang des Platzes befinden sich das Café Lichtburg, das Lichtburgforum und der Hertha BSC Fanartikelshop. Das "Phantom" Lichtburg knüpft an die Geschichte des Ortes und erinnert an das abgerissene Großkino Lichtburg. Die Lichtarchitektur markiert nach außen die neue Philosophie der Gartenstadt Atlantic. links: Für die Gestaltung der Freianlagen wurden die ursprünglichen mit der Zeit verwischten Geometrien wieder aufgenommen und mit neuen, notwendigen Anlagen ergänzt: Spielplätze in den sonnigeren Bereichen, Fahrradstellplätze nahe der Hauseingängen und Müllplätze an den neu hergestellten Durchbrüchen in der geschlossenen Blockrandbebauung. Projektdaten: .....und außerdem noch wissenswert: Planung: Bauherr: Gartenstadt Atlantic AG, Berlin Bellermann Straße 21, D-13357 Berlin Fon +49(0)30.49988-13, Fax +49(0)30.49988-149 info@gartenstadt-atlantic.de Wohnungsmodernisierung: ........über 8 Kilometer Steigleitungen, das heißt 30 x den Berliner Fernsehturm übereinander gestapelt, 42 Kilometer Sockelleisten bzw. - fliesen, also einen Berlin - Marathon, insgesamt 135.000 qm Wand und Deckenflächen, mal eben à la Christo den Reichstag 10 x verhüllt, insgesamt 5 Fußballfelder an neuen Fußböden, 2750 neue Handgriffe oder z. B. 300.000 Fliesen verlegt, Treppenhäuser mit ca. 2 km Handläufen und rund 3500 Trittstufen ausgebessert, 500 Briefkästen und Klingelanlagen montiert...................... Generalplanung und Bauleitung: bf-architekten: Berlin / Würzburg: Objektbeschreibung: Die Wohnanlage ist in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bahnhof Gesundbrunnen in Berlin - Mitte gelegen. Städtische "Reihenhausanlage" mit begrünten Innenhöfen und starken Anklängen an die Ideale der aus England stammenden Reformbewegung "garden city". 1995 als Gesamtanlage unter Denkmalschutz gestellt. Planung und Bauzeit der Originalanlage: 1925 - 1927 Bauzeit der Modernisierung in 2 Abschnitten: 2001 - 2005 Architekt war der deutsch-jüdische Architekt Rudolf Fränkel. 50 Häuser mit 496 Wohnungen und 36.800 qm Wohnfläche mit ca. 1200 Mietern nach Modernisierung. 25 Gewerbeeinheiten mit insgesamt 2.500 qm Nutzfläche Baukosten (brutto): Gesamtkosten (KG 200-700): 32.500.000,- EURO davon Kosten Ausbau der Gewerbeeinheiten: 4.000.000,- EURO Baukosten pro Wohnfläche (KG 200-500): 670,- EURO/qm Kosten für Mieterbetreuung /-umsetzung: 20,- EURO/qm wichtige und interessante LINKS: www.gartenstadt-atlantic.de / www.lichtburgforum.de / www.lebendige-stadt.de / www.bundesbaublatt.de / www.alfred-herrhausen-gesellschaft.de Gewerbeeinheiten: .......um 2.500 qm neue Gewerbefläche zu realisieren, wurden bestehende GE zusammen gelegt, Hauseingänge verschoben, Kellerdecken abgerissen, der Schwamm verjagt, Lüftungs- und Brandmeldeanlagen eingebaut, neue Schaufensteranlagen montiert, ganze Häuser abgefangen, und ein Teil der Vorgärten in einen Platz umgewidmet........ Hüllensanierung: ........3.250 neue Fenster mit insgesamt 9.750 qm, knapp ein Fußballfeld und weitere 3,5 Felder, sprich 25.000 qm Fassadenputz, 7.500 qm Dächer, 3,5 km Dachrinnen und 1,5 Fallrohre erneuert oder repariert... Außenanlagen: .........3 Kinderspielplätze, 1 Kilometer neue Wege mit insgesamt 52 Pollerleuchten angelegt, 500 m neue Ligusterhecken, 4500 qm Rasenfläche und 45 neue Stauden gepflanzt, komplettiert durch insgesamt 55 Bäume............. Dipl.-Ing. Matthias Muffert, Architekt Dipl.-Ing. Benita Braun-Feldweg, Architektin M.Arch. Köpenicker Straße 48 /49, D-10179 Berlin Fon +49(0)30.308 62 776, Fax +49(0)30.308 62 778 Email: bf-arch@bf-berlin.de, www.bfstudio-architekten.de Dipl.-Ing. Jörg u. Sieglinde Braun-Feldweg, Architekten BDA Betpfad 6, D-97082 Würzburg Fon + 49(0)931.720 24, Fax +49(0)931.778 99 Email: bf-wue@t-online.de, www.bf-berlin.de Mieterbetreuung (II. BA): bf-architekten Berlin: Dipl.-Ing. Matthias Muffert, Architekt Dipl.-Ing. Benita Braun-Feldweg, Architektin M.Arch. Köpenicker Straße 48 /49, D-10179 Berlin Fon +49(0)30.308 62 776, Fax +49(0)30.308 62 778 Email: bf-arch@bf-berlin.de, www.bf-berlin.de Projektsteuerung (II.BA): Jörg Braun-Feldweg, Dipl. Ing. Architekt BDA Betpfad 6, 97082 Würzburg Fon + 49(0)931.720 24, Fax +49(0)931.778 99 Zitat auf dem Titelblatt * Textauszug des Juryprotokolls Auszeichnung durch die Stiftung "Lebendige Stadt" 2004
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