Die 6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst

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Die 6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst
Die 6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst präsentiert ★
The 6th Berlin Biennale for Contemporary Art presents
La monnaie vivante ★ The Living Currency ★ Die lebende Münze
Nach ★ After Pierre Klossowski
Inszeniert von ★ Staged by Pierre Bal-Blanc
17., 18., 19. Juni 2010, 19.30 – 00.30 Uhr ★ June 17, 18, 19, 2010, 7.30 pm – 00.30 am
HAU 1, Stresemannstraße 29, 10963 Berlin
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Die 6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst präsentiert ★
The 6th Berlin Biennale for Contemporary Art presents
La monnaie vivante ★ The Living Currency ★ Die lebende Münze
Nach ★ After Pierre Klossowski
Inszeniert von ★ Staged by Pierre Bal-Blanc
17., 18., 19. Juni 2010, 19.30 – 00.30 Uhr ★ June 17, 18, 19, 2010, 7.30 pm – 00.30 am
HAU 1, Stresemannstraße 29, 10963 Berlin
Mit Performances und anderen Arbeiten von ★ Featuring performances and
other works by Marie Cool Fabio Balducci, George Brecht, Robert Breer,
Pier Paolo Calzolari, André du Colombier, Ceal Floyer, Simone Forti, Prinz Gholam,
Jens Haaning, Sanja Iveković, Tadeusz Kantor, Jir̆í Kovanda, Teresa Margolles,
Roman Ondák, Christodoulos Panayiotou, Gianni Pettena, Pratchaya Phinthong,
Santiago Sierra, Annie Vigier & Franck Apertet (les gens d’Uterpan),
Franz Erhard Walther, Franz West, Artur Żmijewski; sowie mit Partituren von ★
as well as scores by Cornelius Cardew und ★ and Christian Wolff,
dirigiert von ★ conducted by Jean-Jacques Palix
Das sich wandelnde und wandernde Ausstellungsprojekt La monnaie vivante ist dem
Vorhaben gewidmet, die vielfältigen gegenwärtigen, aber auch historischen Thematisierungen des Körpers in der bildenden Kunst mit den Körperauffassungen im Bereich
von Tanz, Musik und Theater in Dialog treten zu lassen. 2006 in einem Pariser Tanzstudio
konzipiert, war die Ausstellung bereits 2007 auf der Bühne des STUK kunstencentrum
in Löwen, Belgien, sowie 2008 in der Turbinenhalle der Tate Modern in London zu sehen.
In Kooperation mit dem Museum für Moderne Kunst in Warschau entstand Anfang 2010
eine neue Version für das dortige Teatr Dramatyczny, eine klassische Guckkastenbühne.
Im Rahmen der 6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst wird eine Weiterentwicklung
von La monnaie vivante im Hebbel am Ufer präsentiert, einem Theater, das vergleichbare Bühnenverhältnisse aufweist.
La monnaie vivante liegt eine Praxis des Ausstellungsmachens zugrunde, die das
Gedächtnis nicht als Archiv auffasst. Das Projekt hat zum Ziel sich gesetzt, dies am
Beispiel der Performance aufzuzeigen sowie anhand älterer und neuerer Arbeiten von
Künstlerinnen und Künstlern aus dem Bereich der bildenden Kunst, die sich mit dem
Verhältnis des Körpers zu einer ökonomisch geprägten Lebenswirklichkeit auseinandersetzen. Es sind Werke, die sich nicht auf das Prinzip eines materiellen Objekts oder
Dokuments als Zeugnis einer Aktion reduzieren lassen, sondern durch ihre körperliche
Präsenz im Jetzt in die Gegenwart gebracht werden. Die Künstlerinnen und Künstler,
die sich einer linearen Sicht von Geschichte verweigern, reagieren auf den „unreinen“,
unfertigen Charakter des Jetzt, indem sie Objekte, Protokolle, Szenarien, Partituren
oder Regeln thematisieren, die in unserem Alltag wiederkehren, und den Betrachter in
jene paradoxe Situation der sozialen „Interpassivität“ verstricken, die unsere Gegenwart prägt. Das Konzept der Ausstellung erforscht diese aktive Dimension der Werke –
ein Ansatz, der zur Überwindung musealer Zwänge führt, die den Zugang zu den
Kunstwerken „neutralisieren“, um ihre Überlieferung zu garantieren, und der außerdem
eine Umgehung der Kriterien des Marktes darstellt, der den Einsatz solcher künstlerischen Strategien zugunsten marktkonformer Produkte zu verhindern sucht. Die durch
das Ausstellungsprojekt herbeigeführte Situation stellt sich einer normativen Realität
entgegen, die sich als alleingültiges Modell ausgibt. Mit der Vervielfachung des
Reservoirs an Vorgaben, vermittelt über die Objekte, Protokolle, Szenarien und Partituren, weist es über die Dekonstruktion der Realität hinaus und plädiert stattdessen
für eine Strategie der Wirklichkeitskonstruktion.
La monnaie vivante hebt die Trennung zwischen Zuschauer- und Bühnenraum des
Theaters auf. Die Präsentationsweise der Werke unterläuft die traditionellen Codes einer
Aufführung zugunsten einer unmittelbaren Erfahrung. Die Inszenierung wird zu einem
Gemeinschaftsakt, einem Werk, das in Echtzeit von Kurator, Künstlerinnen und Künstlern
und Mitwirkenden entwickelt wird, bestimmt von dem Rhythmus, in dem das Publikum
sich durch den Raum bewegt. Sie findet im Hier und Jetzt statt, ohne Rücksicht auf eine
Chronologie der Werke; auch die übliche Trennung zwischen Proben und Aufführung
auf der Bühne wird nicht vollzogen. Die Ereignisse können aufeinanderfolgen oder
simultan geschaltet sein, das Ausmaß ihrer Sichtbarkeit sowie ihre Interpretation hängen
von der Aufmerksamkeit ab, die ihnen von den Mitwirkenden entgegengebracht wird.
Der Betrachter wird zum Akteur eines Prozesses, dessen Dauer er selbst bestimmt –
eine Stunde oder ein ganzer Abend, an einem einzigen oder auch noch am darauffolgenden Tag.
Pierre Bal-Blanc
The evolving and itinerant exhibition project La monnaie vivante, characterized by an
unstable format and an open content, strives to establish a dialogue between the
manifold current and historic examinations of the body in the fine arts as well as with
notions of the body within the domains of dance, music, and theater. Developed in 2006
in a Paris dance studio, the exhibition was presented in 2007 on the stage of STUK
kunstencentrum in Leuven (Belgium) as well as in 2008 in London, at Tate Modern’s
Turbine Hall. In early 2010, a new variation was created in cooperation with Warsaw’s
Museum of Modern Art for the local Teatr Dramatyczny, a classic proscenium stage.
This version will be performed as part of the 6th Berlin Biennale for Contemporary Art
at Hebbel am Ufer, a theater that offers a comparable stage set-up.
La monnaie vivante is based on a practice of exhibition making that postulates that
memory is not an archive. The project’s goal is to demonstrate this through performance
as well as through both older and more recent works by visual artists that explore the
relationship between the body and a reality shaped by economic systems. These are
works that cannot be reduced to material objects or to the documentation of an action.
Instead, they are brought into the present through their bodily presence in time and
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space. The artists, who refuse a linear view of history, react to the “impure” and unfinished character of the present by exploring objects, protocols, scenarios, scores, or
regulations that recur in our daily routine. Thus the artists bring the viewers into the
paradoxical situation of a social “inter-passivity,” which influences our present. The
exhibition’s concept investigates the works’ active dimension—an approach that results
in overcoming museum constraints that “neutralize” access to the artworks in order to
guarantee their historical record. In addition, this is also a way to circumvent market
criteria. The latter attempts to prevent such artistic strategies in favor of products that
do conform to the market. The situation that the exhibition project creates is opposed to
a normative reality that claims to be the only valid model. By multiplying the reservoir
of parameters—conveyed through the objects, protocols, scenarios, and scores—the
project points beyond the deconstruction of reality and instead pleads for a construction
of reality.
La monnaie vivante unsettles the division between audience and stage in the theater.
The mode of appearance of the works dissolves the codes of theater through the reality
of a live experience. The staging becomes a collaborative work in real time between the
curator, the artists, and the participants, one which is determined by the rhythm with
which the audience moves through the space. The exhibition takes place in the “here
and now,” divorced from the chronological relationship with the works and in distinguishing the successive stages of production, from the rehearsal to the live performance.
The events either follow one another or take place simultaneously; their visibility and
their reading depend on the intensity of the relations between the participants. The
visitor becomes the actor in a process, and he or she decides its duration—an hour, an
entire day, or perhaps returning the next day.
Pierre Bal-Blanc
Marie Cool Fabio Balducci
*1961 in Valenciennes, Frankreich ★ France; lebt und arbeitet ★ lives and works in Paris
*1964 in Ostra, Italien ★ Italy; lebt und arbeitet ★ lives and works in Pergola, Italien ★ Italy
Untitled (Baumwollfaden, Feuer ★ cotton thread, fire), 2004
Untitled (4 DIN-A-4-Blätter, Tisch ★ 4 x DIN A4 paper sheets, table), 2005
Untitled (2 DIN-A-4-Blätter, Biafine ★ 2 x DIN A4 paper sheets, biafine), 2004
Untitled (Klebeband, Tisch ★ adhesive tape, table), 2004
Die französisch-italienischen Künstler Marie Cool Fabio Balducci, die seit 1995 zusammenarbeiten, präsentieren eine Serie von Arbeiten, die einen schlichten, einfachen
Moment erfassen und dabei mit dem Banalen und Profanen spielen. Dennoch sind die
Stücke keine Aktionen des täglichen Lebens, da sie sich weder auf erlebte Erfahrungen
noch auf systematische Reproduktionen routinierten Verhaltens beziehen. Die Präzision,
mit der sie umgesetzt werden, erinnert vielmehr an mathematische Gleichungen.
Das Dreieck, der Kreis, das Quadrat, das Rechteck sind die Formen, in denen sich die
Stücke artikulieren. Während die Arbeiten auf der einen Seite als einfache, im Labor
durchgeführte Experimente betrachtet werden könnten, wird der wissenschaftliche
Impuls auf der anderen Seite dadurch außer Kraft gesetzt, dass weder der Versuch
unternommen wird, zu irgendeinem Ergebnis zu gelangen, noch die Notwendigkeit
besteht, den Nachweis für eine Hypothese zu erbringen. Eine mögliche Entdeckung
schafft Raum für Beweise.
★
Working together since 1995, the French-Italian artists Marie Cool Fabio Balducci
present a series of pieces that capture a simple moment while flirting with the banal
and the mundane. Still, the pieces are not actions of everyday life since they do not
relate to a lived experience or to a systematic reproductibility of routine behavior. The
painstakingly precise choreography rather alludes to mathematical equations. The
triangle, the circle, the square, the rectangle are the forms in which the pieces are
articulated. Still, if on one hand the works could be seen as simple experiments carried
out in a lab, on the other the scientific impulse is negated as no attempt is made to
arrive at any kind of result, neither is there the necessity to demonstrate an assumption.
A possible discovery leaves place to evidence.
Courtesy Marie Cool Fabio Balducci
George Brecht
*1926 in New York, USA; † 2008 in Köln, Deutschland ★ Cologne, Germany
Drip Music (Drip Event), 1959–1962
Incidental Music, Sommer ★ summer 1961
Piano Piece n°1 / Composition pour piano n°1, 1962
String Quartet, 1962
Solo for Violin, 1962
Drip Music (Drip Event), 1959–1962
Für eine einfache oder mehrteilige Performance. Eine Quelle fließenden Wassers und ein
leeres Gefäß, das so platziert ist, dass das Wasser hineinfließen kann. ★ For a simple
or multiple performance. A source of flowing water and an empty recipient posed in a
way that allows the water to fall into the recipient.
Incidental Music, Sommer ★ summer 1961
Fünf Klavierstücke, eine beliebige Anzahl davon wird nacheinander, gleichzeitig, in beliebiger Reihenfolge und Kombination, miteinander oder mit anderen Stücken gespielt.
1. Der Klavierhocker ist geneigt und an einen Teil des Klaviers gelehnt.
2. Incidental Music, Teil 2. Hölzerne Blöcke: Ein einzelner Block wird im Klavier
platziert. Ein Block wird auf diesen Block gestellt, dann ein dritter auf den zweiten,
und so weiter, bis mindestens ein Block von der Säule fällt.
3. Fotografieren der Klavier-Situation.
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4. Drei getrocknete Erbsen oder Bohnen werden nacheinander auf das Klavier geworfen. Jede Hülsenfrucht, die auf dem Klavier liegen bleibt, wird mit Klebeband an
der Taste oder den Tasten in ihrer Nähe befestigt.
5. Der Klavierhocker wird passend eingestellt, und der Performer setzt sich darauf.
★
Five piano pieces, any number of which may be played in succession, simultaneously,
in any order and combination, with one another or with other pieces.
1. The piano seat is tilted on its base and brought to rest against a part of the piano.
2. Incidental Music, Part 2. Wooden blocks: A single block is placed inside the piano.
A block is placed upon this block, then a third upon the second, and so forth, singly,
until at least one block falls from the column.
3. Photographing the piano situation.
4. Three dried peas or beans are dropped, one after another, onto the keyboard.
Each such seed remaining on the keyboard is attached to the key or keys nearest it
with a single piece of pressure-sensitive tape.
5. The piano seat is suitably arranged and the performer seats himself.
Piano Piece n°1 / Composition pour piano n°1, 1962
Eine Blumenvase auf einem Klavier. ★ A vase of flowers on a piano.
String Quartet, 1962
Hände schütteln. ★ Shaking hands.
Solo for Violin, 1962
Polieren. ★ Polishing.
George Brecht, amerikanischer Konzeptkünstler und Avantgarde-Komponist, war einer
der Begründer der Fluxus-Bewegung. Am bekanntesten sind seine „Event-Partituren“,
in denen er sich auf triviale Objekte oder Situationen konzentrierte und dadurch die
Grenzen zwischen der künstlerischen und der realen Sphäre verwischte.
★
Considered one of the creators of the Fluxus movement, George Brecht was an
American conceptual artist and avant-garde composer most famous for his “event
scores” through which he focused on trivial objects or situations thus blurring the
boundaries between the artistic and the real.
Courtesy Herta Brecht
Robert Breer
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*1926 in Detroit, USA; lebt und arbeitet ★ lives and works in Tucson, USA
Rug, 1968
Robert Breer ist sowohl Filmemacher als auch Bildhauer. Seit den 1960er Jahren hat er
eine beeindruckende Bandbreite und Vielfalt kinetischer Skulpturen mit scheinbar harmlos klingenden Titeln wie „creepy“ (gruselig), „rug“ (Teppich) oder „float“ (Floß)
geschaffen. In der Gestalt umgestürzter Teetassen, zerknitterter Folie oder anderer
abgenutzter Gebrauchsgegenstände schlängeln sie sich automatisch im Schneckentempo voran und ändern ihre Richtung, wenn ihnen etwas im Wege steht. In allen
Konstruktionen Breers lässt sich eine leidenschaftliche Hinwendung zum Technischen,
zu Material und Handwerk ablesen, wie bei anderen minimalistischen und seriellen
Skulpturen seiner Zeit. Im Gegensatz zu diesen tendiert Breers Werk jedoch zum
Unerwarteten und Parodistischen, dem spielerisch außer Kontrolle Geratenen.
★
Robert Breer is both a film-maker and a sculptor. Using innocent names like “creepy,”
“rug,” or “float,” Breer has, since the 1960s, created kinetic sculptures in a dazzling
array of scale and multiplicity. Designed to resemble overturned teacups, crumpled
sheeting, or other vaguely utilitarian detritus, the objects meander automatically at
a snail’s pace, altering direction when obstructed. In all of Breer’s constructions we
see both a keen attention to engineering, materials, and craft, like other minimalist
and serial sculpture of his time. But Breer’s work tends toward the unexpected, the
parodic—playfully out of control.
Courtesy Robert Breer; gb agency, Paris
Pier Paolo Calzolari
*1943 in Bologna, Italien ★ Italy; lebt und arbeitet ★ lives and works in Fossombrone, Italien ★ Italy
La Sveglia [Day after Day. A Family Life], 1972
Una rosa legge un libro ad un’altra rosa ★ Eine Rose liest einer anderen Rose ein
Buch vor ★ A rose reads a book to another rose
Una donna attende una sveglia ★ Eine Frau wartet auf den Wecker ★ A woman
awaits the alarm clock
Un bambino suona l’armonica ★ Ein Kind spielt Akkordeon ★ A child plays the accordion
Lettere di Tiziano [Day after Day. A Family Life], 1974
Aeroplano [Day after Day. A Family Life], 1973–1974
Day after Day. A Family Life von 1972 ist ein Lexikon alltäglicher Vorkommnisse und Teil
von Pier Paolo Calzolaris wachsamen Selbstbeobachtungen. In diesem Canto sospeso
(unterbrochenes Lied) beschreibt Calzolari mittels Schnappschüssen und kurzen
Filmstreifen eine Sequenz elementarer Abläufe sowie die Art und Weise, wie diese
ausgeführt werden. In der Folge wurde das gesammelte Material durch kollektive
Aktionen, die in den frühen 1970er Jahren in verschiedenen italienischen Museen durchgeführt wurden, zu einem organischen Vorgang transformiert. Seitdem sind die
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performativen Arbeiten Calzolaris, einer Randfigur der Arte Povera, trotz oder gerade
wegen ihrer leichten, unspektakulären und nahezu universalen Erzählweise größtenteils unerforscht geblieben.
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Day after Day. A Family Life of 1972 is a lexicon of everyday occurrences registered as
part of Pier Paolo Calzolari’s watchful self-observations. Through this Canto sospeso
(suspended song) Calzolari recounts, with snapshots and short filmstrips, a sequence
of elementary actions and ways of performing them. The material collected became an
organic procedure in subsequent collective actions that were implemented at different
Italian museums in the early 1970s. Since then the performative works by Calzolari,
a peripheral figure of the Arte Povera, have stayed largely unexplored, despite or
maybe exactly because of their light, unsensational, and almost universal narration.
Courtesy Pier Paolo Calzolari
Dank an ★ Thanks to Marie Cool Fabio Balducci
Cornelius Cardew
*1936 in Winchcombe, Großbritannien ★ United Kingdom; † 1981 in London
Auswahl aus ★ Selection from
Nature Study Notes, 1969:
HSDN01
MC11
CCAR17
HSBR34
The Great Learning, “Paragraph 7,” 1971
Treatise, 1963–1967
Nature Study Notes, 1969
Für das Scratch Orchestra komponierte Stücke, von Cornelius Cardew und anderen
Mitgliedern der Gruppe, unter anderem: Howard Skempton, Phil Dadson, Christopher
Hobbs, Michael Chant und Carole Finer. ★ Pieces composed for the Scratch Orchestra by
Cornelius Cardew and other members of this group, amongst others: Howard Skempton,
Phil Dadson, Christopher Hobbs, Michael Chant, and Carole Finer.
HSDN01, 1969
Eine beliebige Anzahl an Trommeln. Takteinführung. Halten des Takts. Abweichung durch
Betonung, Dekoration, Kontradiktion. ★ Any number of drums. Introduction of the
pulse. Continuation of the pulse. Deviation through emphasis, decoration, contradiction.
MC11, 1969
Nimm die Maße von Länge, Breite und Höhe des Raums der Performance unter Berücksichtigung aller vorhandenen Vorsprünge. Verwende die Maße auf alle möglichen
Arten, um Töne zu erzeugen. ★ Measure length, breadth and height of room of performance, taking account of any consistent prominences. Use the figures in any way
to organize sounds.
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CCAR17, 1969
Nach Aufforderung fangen alle Musiker an, eine kontinuierliche Begleitung zu spielen.
Ihrer Empfindung entsprechend, stehen einzelne Musiker auf und beginnen, Solos zu
spielen. Nach dem Solo ausruhen. Nach dem Ausruhen erneutes Spielen der Begleitung
(dieselbe wie zuvor oder eine andere). Auf ein Signal hin, aufhören zu spielen.
Definition: Eine Begleitung ist Musik, die ermöglicht, dass ein Solo – während es
gespielt wird – als solches wertgeschätzt wird. ★ At a signal, all players commence
playing a continuous accompaniment. As the spirit moves them, individual players rise
and play solos. After soloing, rest. After resting, play more accompaniment (the same
as before or different). Cease playing at a signal. Definition: An accompaniment is music
that allows a solo—in the event of one being played—to be appreciated as such.
HSBR34, 1969
Sechs tiefe Atemzüge … ★ Six deep breaths …
The Great Learning, “Paragraph 7,” 1971
Gesangsstück um einen Konfuzius-Text, für eine unbegrenzte Zahl von Sängern und
Nicht-Sängern komponiert. ★ Vocal piece composed for unlimited number of singers
and non-singers, around a Confucius text.
Treatise, 1963–1967
Grafische Partitur für eine unbegrenzte Anzahl von Musikern, unbestimmte Dauer. ★
Graphic score for unlimited number of musicians, undeterminated duration.
Cornelius Cardew ist zweifelsohne einer der bedeutendsten Komponisten, den die
zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Sein radikaler Umgang mit der
Komposition machte ihn zum Initiator einer der wichtigsten Versuche, die demokratischen Ansprüche der Avantgarde zu etablieren. Das Scratch Orchestra, welches aus
Cardews Unterricht 1968 am Morley College in Süd-London hervorging, stellte die
sozialen Bedingungen und Reglements von Kunst- und Musikproduktion als Domäne
von spezialisiertem Wissen und Erfahrung grundsätzlich infrage. Indem ausgebildete
Musikerinnen und Musiker mit Nicht-Musikerinnen und -Musikern zusammenarbeiten,
überschreitet das Scratch Orchestra heute die traditionellen Grenzen und Hierarchien,
die Komponisten, Performer und Zuhörer voneinander trennen.
★
Cornelius Cardew is undoubtedly one of the major composers to have emerged in the
second half of the twentieth century. His radical approach to composition led him to
instigate one of the most important attempts to establish the democratic claims of
avant-garde culture. The Scratch Orchestra, which grew out of classes Cardew taught
at Morley College (South London) in 1968, radically questioned the social limitations of
art and music making as realms of specialized knowledge and experience. Combining
both trained musicians and non-musicians, the present Scratch Orchestra transgresses
the traditional boundaries and hierarchy separating the composer, performer, and
listener.
Courtesy Horace Cardew
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André du Colombier
*1952 in Barcelona, Spanien ★ Spain; † 2003 in Paris
La farine et la bouillote, 1976
André du Colombier könnte als einer der letzten Vertreter der künstlerischen Bewegung
namens Dada betrachtet werden. Während seiner gesamten Laufbahn war das Pariser
Leben der unmittelbare konzeptuelle Bezugsgrund seiner künstlerischen Praxis. In
vielen Fällen basieren seine Arbeiten auf Gesprächen in Bars, alltäglichen Gesten und
Objekten. La farine et la bouillote von 1976 folgt einer visuellen Anleitung, abgebildet
auf drei Fotografien: Die erste zeigt eine Mehltüte (farine) und eine Wärmflasche
(bouillote). Auf dem zweiten Foto füllt eine Hand akribisch Mehl in die Wärmflasche.
Die dritte Aufnahme zeigt, wie die Wärmflasche, die nun mit Mehl gefüllt ist, zusammengedrückt und dadurch eine weiße Staubwolke produziert wird.
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André du Colombier could be considered as the last exponent of the artistic movement
named Dada. Throughout Colombier’s career Parisian life formed the direct contextual
basis of his overall artistic practice. In many cases his works were thus based on conversations in bars, everyday life gestures and objects. La farine et la bouillote (1976)
follows a visual instruction conveyed over three photographs: the first image shows a
flour package (farine) and a hot-water bottle (bouillote), on the second photo a hand
meticulously puts the flour in the hot-water bottle, whereas the third image shows the
act of pressing the hot-water bottle, now full of flour, thus producing white clouds of
dust.
Courtesy Galerie Patricia Dorfmann, Paris
Ceal Floyer
*1968; lebt und arbeitet ★ lives and works in Berlin
Garbage Bag, 1996
Ceal Floyers Kunst versetzt häufig unauffällige oder einfache Materialien in einen neuen
Zustand, stellt so ihren Status zur Diskussion und bringt das Publikum dazu, über ihre
Form nachzudenken. Garbage Bag von 1996 besteht aus einer Mülltüte, gefüllt mit Luft
aus dem Raum, in dem sie ausgestellt wird. Diese Arbeit kann als das unangemessene
Eindringen eines gewöhnlichen Gegenstandes in den Ausstellungsraum verstanden
werden. Sie kann aber auch dazu anregen, über die Doppeldeutigkeit der Tüte, die
voll und gleichzeitig leer ist, nachzusinnen; eine Situation, die wiederum Licht auf die
Ökonomie des Ausstellungsraums als Ort des Überflüssigen (garbage) wirft.
★
Ceal Floyer’s art often brings humble or ordinary materials to a different stage through
questioning their status and making the audience contemplate their form. The work
Garbage Bag (1996) consists of a rubbish bag filled with air from the space in which it
is presented. It can thus be perceived as an incongruent intrusion of an ordinary object
into the exhibition space. However, it can also allow one to ponder on the bag’s
duplicity of being full and at the same time void—a situation that yet again sheds
light on the economy of the exhibition space hosting the superfluous, the garbage.
Courtesy Ceal Floyer; Galerie Esther Schipper, Berlin
Simone Forti
*1935 in Florenz, Italien ★ Florence, Italy; lebt und arbeitet ★ lives and works in Los Angeles, USA
Inszeniert von Annie Vigier & Franck Apertet und les gens d’Uterpan: Sophie Demeyer,
Déborah Lary, Stève Paulet, David Zagari und Denis Robert, beraten von Claire Filmon ★
Performed by Annie Vigier & Franck Apertet and les gens d’Uterpan: Sophie Demeyer,
Déborah Lary, Stève Paulet, David Zagari, and Denis Robert, with the advice of
Claire Filmon
Huddle (dance construction), 1961
In der Arbeit Huddle von 1961 kommen sechs bis sieben Tänzerinnen und Tänzer zusammen, um eine menschliche Skulptur zu formen. Indem sie sich gegenseitig festhalten
und mit den Füßen stabil auf dem Boden stehen, bilden sie eine Art Gitter. An einem
bestimmten Punkt verlässt eine Tänzerin/ein Tänzer die Gruppe, die sich als Reaktion
darauf scheinbar noch weiter verdichtet, und beginnt, auf die Gruppe zu klettern. In
gleichmäßigem Tempo klettern die Tänzerinnen und Tänzer einer nach der/dem anderen
über die dichte Gruppe und schaffen damit eine organische Skulptur aus sich bewegenden Körpern. Es wird mit dem Geben und Nehmen von Gewicht gearbeitet, wie
auch mit dem gegenseitigen Tragen und Halten. Simone Forti wurde in Italien geboren,
zog jedoch bereits in jungen Jahren in die USA und gilt als eine der wichtigsten postmodernen Choreografinnen. Sie arbeitet mit einfachen Alltagsgesten und groben oder
fast nicht vorhandenen Anweisungen für die beteiligten Tänzerinnen und Tänzer.
★
In Huddle (1961), a group of six to seven dancers gather to form a human sculpture.
While making a grid by holding each other tight and having their feet planted solidly
on the ground, at a point a dancer separates from the crowd seemingly making the
sculpture tighten further as a response, and starts climbing the huddle. The dancers,
one after the other, climb over the packed group at a steady pace, thus creating an
organic sculpture of moving bodies. Huddle is working with the giving and taking of
weight, and the simple carrying of each other. Born in Italy, Simone Forti moved to the
USA at a young age and is considered one of the core postmodern American choreographers working with basic everyday gestures and rough, or almost non-directions
for the involved dancers.
Courtesy Simone Forti
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Prinz Gholam
*1969 in Leutkirch, Deutschland ★ Germany; *1963 in Beirut, Libanon ★ Lebanon
leben und arbeiten ★ live and work in Berlin
Ein Ding mehr (One More Thing), 2006
Das Künstlerduo Prinz Gholam arbeitet seit 2000 zusammen und beschäftigt sich häufig
mit ikonischen Bildern der Kunstgeschichte, wobei deren statisches visuelles Erbe stets
auf Neue hinterfragt und verhandelt wird. In La monnaie vivante wird die Performance
Ein Ding mehr (2006), die eigens für diese Veranstaltung konzipiert wurde, jeden Tag
wiederholt. Die Künstler übernehmen Posen und Ausdrucksweisen, die in Traditionen
von Bildrepräsentation und anatomischem Idealismus verwurzelt sind, und reaktivieren
deren Konventionen. Das Resultat ist ein künstlerisches Spiel, das sich im Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, etwas erneut nachzustellen, und der physischen
Unmöglichkeit, dies zu tun, bewegt. Während die Körperhaltungen der Künstler
künstlerische Traditionen zitieren, wird dennoch deutlich, dass die Posen aus ihrem
ursprünglichen Kontext gelöst sind.
★
Working together since 2000, the artist duo Prinz Gholam often works around the
iconic imagery of art history, negotiating and reviving this often static visual legacy.
In La monnaie vivante, a performance especially created for this exhibition event,
Ein Ding mehr (One More Thing) (2006), is repeated each day. The artists adopt poses
and expressions rooted in traditions of pictorial representation and anatomical idealism,
reinstating their conventions. It results in an artificial game, playing out the tension
between the urge to reconstruct something and the physical impossibility to do so.
While the artists’ postures evoke artistic traditions, it remains clear that the poses are
out of context.
Courtesy Prinz Gholam; Galerie Jocelyn Wolff, Paris
Jens Haaning
*1965 in Hørsholm, Dänemark ★ Denmark; lebt und arbeitet ★ lives and works in Kopenhagen ★ Copenhagen
Näherei Nebtex, 2010
Kabul Time, 2010
Die Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Rhythmen, Funktionen, Gesetzen und
sozialen Sitten steht im Mittelpunkt von Jens Haanings künstlerischem Schaffen. In
La monnaie vivante präsentiert er zwei Werke: Mit der Arbeit Näherei Nebtex (2010),
die speziell für die 6. Berlin Biennale produziert wurde, bringt er einen Teil einer
Berliner Schneiderei in den Theaterraum. Die Näherinnen, die ihre tägliche Arbeit, zeitlich leicht versetzt, auf der Bühne ausführen, bilden mit ihrer andauernden Produktion
eine Readymade-Routine, die sich über den Tag hinweg entwickelt und den Zuschauer
mit Bedeutungen und Maßstäben, die außerhalb des Theaterraums gelten, konfrontiert.
In einer weiteren Arbeit, Kabul Time (2010), spielt Haaning damit, geografisch und
politisch unterschiedliche Orte miteinander zu verbinden, indem er die afghanische Zeit
in unseren temporalen Kontext einführt. Damit ermöglicht er es den Zuschauern, in ihrer
Vorstellung in diese Stadt und ihren individuellen und kollektiven Zustand einzutauchen.
★
Society and its various rhythms, functions, legislations, and social mores are focal to
Jens Haaning’s artworks. In La monnaie vivante he presents two pieces: In the work
Näherei Nebtex (2010), produced especially for the 6th Berlin Biennale, he shifts a part
of a Berlin sewing factory into the theater space. Laboring their daily hours on stage,
slightly altered in time, the seamstresses and their continuous production thus form
a readymade routine developing throughout the day that is again confronting the
spectator with means and measures dealt with outside the theatrical setting. In his
other work, Kabul Time (2010), Haaning plays with connecting geographical and political diverse locations by introducing, in our temporal context, the Afghan hours, thus
offering the viewers a chance to immerse themselves in their imaginations of this
city and its individual and collective standards.
Courtesy Jens Haaning; Galleri Nicolai Wallner, Kopenhagen ★ Copenhagen
Die Arbeit Näherei Nebtex wird realisiert in Zusammenarbeit mit Nebtex Berlin. ★ The work Näherei Nebtex is
realized in cooperation with Nebtex Berlin.
Sanja Iveković
*1949 in Zagreb; lebt und arbeitet ★ lives and works in Zagreb
Eve’s Game, 2009
Seit Mitte der 1970er Jahre beschäftigt sich Sanja Iveković mit zeitgenössischen politischen und sozialen Machtverhältnissen und bedient sich dabei einer Vielzahl an
Formaten, vor allem Performances sowie Aktionen im öffentlichen Raum. Ivekovićs
Performance Eve’s Game (2009) für La monnaie vivante basiert auf einer 1963 im
Pasadena Art Museum aufgenommenen Fotografie, die Marcel Duchamp beim Schachspiel mit der jungen, nackten Eve Babitz zeigt. Dieses ikonische Bild wird reaktiviert
und die Rollen werden vertauscht, indem die Künstlerin physisch den Platz von Duchamp
einnimmt und der für ihre Einladung zur Ausstellung verantwortliche Kurator ihr nackt
gegenübersitzt. Für die Aktion wurde das Schachspiel durch einen Dialog ersetzt,
der auf einem späten Interview mit Babitz basiert und durch das Ticken einer Schachuhr getaktet ist. In diesem Spiel mit dem Rollentausch schafft Iveković eine LiveArchäologie, die die vielen Schichten, welche im ursprünglichen Bild verborgen sind,
freilegt. Die Performance endet mit der Projektion eines YouTube-Amateurvideos des
Liedes „Strange Idea of Love“, gesungen von Eve Babitz.
★
Since the mid-1970s, Sanja Iveković has worked around contemporary power relations
through a variety of media with a main emphasis on performance and actions in public
space. For La monnaie vivante, Iveković’s performance Eve’s Game (2009) is based on
a photograph of Marcel Duchamp playing chess with a young, naked Eve Babitz taken
in 1963 at the Pasadena Art Museum. This iconic image is reactivated and the roles are
13
14
switched as the artist physically takes the place of Duchamp and places the curator,
responsible for inviting her to exhibit, naked in front of her. For this action, the game
of chess has been replaced with a dialogue taken from a late interview made with
Babitz, which in turn is punctuated by clicks on a chess clock. In this play of changing
roles, Sanja Iveković offers a live archeology of the many levels concealed in the
original image. The performance concludes with the projection of an amateur YouTubestream of the song “Strange Idea of Love,” sung by Eve Babitz.
Courtesy Sanja Iveković
Tadeusz Kantor
*1915 in Wielopole Skrzyńskie, Polen ★ Poland; † 1990 in Krakau, Polen ★ Cracow, Poland
Dividing Line, 1966
Aufgeführt von ★ Performed by Anka Ptaszkowska
(left-hand side)
underdeveloped
self-righteous
seated
sitting
judges
jurors
opinionating
adjudicating
continuing
nursing
their line
and their
individuality
coquettes
pseudo avant-garde …
(right-hand side)
what is scarce
unofficial
neglected
defying prestige
unafraid
of ridiculousness
taking risk …
Draw the dividing line immediately and irrevocably! Making the line of 4 meters during
45 minutes, I mainly felt satisfaction from this generalized but also ruthless fact, 1966
15
Tadeusz Kantor arbeitete mit künstlerischen Theorien der Avantgarde und ist bekannt
für seine revolutionären Theater-Performances sowohl in Polen als auch im Ausland.
Die Partitur für Dividing Line von 1966 (siehe oben) wurde als Teil von Kantors
Happening-Cricotage auf der Krakauer Konferenz der Kunsthistoriker-Vereinigung im
Januar 1966 aufgeführt. Sie dauerte 45 Minuten. Für La monnaie vivante wird die
Idee, die hinter Dividing Line steckt, von seiner langjährigen Kollegin und Freundin
Anka Ptaszkowska neu belebt.
★
Working with vanguard artistic theories, Tadeusz Kantor is renowned for his revolutionary theatrical performances in Poland and abroad. The score for Dividing Line (1966),
that is inserted above, was carried out as part of Kantor’s Happening-Cricotage at
Cracow’s conference for the Association of Art Historians in January 1966. It lasted
for forty-five minutes. For La monnaie vivante the idea behind Dividing Line is revived
by his long-term colleague and friend, Anka Ptaszkowska.
Jir̆í Kovanda
*1953 in Prag ★ Prague; lebt und arbeitet ★ lives and works in Prag ★ Prague
Untitled, 2009
Jir̆í Kovanda ist vor allem durch seine minimalistischen Aktionen und „AktionsInterventionen“ aus den 1970er Jahren bekannt, die oftmals so subtil waren, dass sie
fast unbemerkbar blieben. Für La monnaie vivante wird der Inhalt einer in der Nachbarschaft gekauften Cognacflasche in einer Ecke des Ausstellungsraums ausgeschüttet.
Die Arbeit wurde ursprünglich konzipiert für die Ausstellung The Death of the Audience
2009 in der Wiener Secession, kuratiert von Pierre Bal-Blanc.
★
Jir̆í Kovanda is mainly known through his minimalist actions and “action-interventions”
from the 1970s, often so subtle that they were almost imperceptible. For La monnaie
vivante the contents of a bottle of cognac bought in the neighborhood is spilt in a
corner of the room where the work is exhibited. The work was originally created for
the exhibition The Death of the Audience at Secession in Vienna in 2009, curated by
Pierre Bal-Blanc.
Courtesy Jir̆í Kovanda; gb agency, Paris
16
Teresa Margolles
*1963 in Culiacan, Mexiko ★ Mexico; lebt und arbeitet ★ lives and works in Mexiko-Stadt ★ Mexico City
En el Aire / In the Air, 2003
In zahlreichen Arbeiten von Teresa Margolles werden Flüssigkeiten aus dem Leichenschauhaus von Mexiko-Stadt benutzt, um die gewalttätige Realität der Stadt zu kommentieren. In La monnaie vivante bläst eine Maschine Seifenblasen in den Ausstellungsraum, hergestellt aus einer Mischung, die Wasser enthält, mit denen die Körper von
Mordopfern nach ihrer Autopsie gewaschen wurden. Die Seifenblasen, die im Bühnenraum schweben, entstehen aus Wasser, das die Spuren von politischer und sozialer
Brutalität in sich trägt. Durch die Benutzung dieses speziellen Mediums kreiert die
Künstlerin ein flüchtiges Monument für den beständigen Strom und die steigende Zahl
von Opfern, die aufgrund ihrer niedrigen sozialen Position in der Regel wenig oder
keine Aufmerksamkeit erhalten.
★
In numerous works by Teresa Margolles, fluids from the laboratories of the Mexico City
morgue are utilized as statements on the city’s violent reality. For La monnaie vivante,
a machine blows bubbles into the exhibition space using a mixture made with water
used to wash the bodies of murder victims following their autopsies. The soap bubbles
that spill on to the stage thus have been made with water that bears traces of political
and social brutality. By using this specific medium, the artist creates an ephemeral
monument for the continuous flow, and increasing number of victims, who usually
receive little or no attention due to their fragile, social position.
Courtesy Teresa Margolles; Galerie Peter Kilchmann, Zürich, Schweiz ★ Zurich, Switzerland
Roman Ondák
*1966 in Z̆ilina, Slowakische Republik ★ Slovak Republic; lebt und arbeitet ★ lives and works in Bratislava
Teaching to Walk, 2002
Mit seinen künstlerischen Eingriffen verwischt Roman Ondák häufig die Grenzen
zwischen Kunst und Realität. Für Teaching to Walk (2002) wird während der Veranstaltungslaufzeit täglich eine Mutter in den Theaterraum eingeladen, um mit ihrem Kind
die ersten Schritte zu üben. Die Arbeit erinnert an einen kurzen, aber essenziellen
Moment im Leben eines Menschen. Ondák lässt uns diesen Augenblick nicht durch
Abbildung ergründen, sondern durch unsere unmittelbare Teilhabe. Deshalb verzichtet
er auf jedes künstlerische Vermittlungswerkzeug und lässt stattdessen das Leben direkt
in den Kunstraum Einzug halten. Indem er einen Kontext in einen anderen verschiebt,
wird das (bereits zu einem Ausstellungsraum verwandelte) Theater Schauplatz eines
17
besonderen, doch gewöhnlichen Bestrebens. Als Publikum sind wir dazu eingeladen,
die Bühne als Ort ewigen Lernens zu betrachten.
★
Roman Ondák often uses his artistic interventions to blur the boundaries between art
and reality. For Teaching to Walk (2002), every day during this exhibition a mother is
invited to come to the theater space and to help her child to take its first steps. The
work thus evokes a short-lived but essential moment in the life of a human being.
Ondák wants us to discover this instant, not by representing it, but by involving us in it.
As an artist he therefore declines to use any specific mediatory tool: he prefers to let
life enter the art space directly. By shifting one context to another, the theater (which
in this situation has already been transformed into an exhibition space) becomes the
setting for a particular trivial pursuit; hence, we, the public, are invited to view the
stage as the venue of an eternal apprenticeship.
Courtesy Roman Ondák; gb agency, Paris; Galerie Martin Janda, Wien ★ Vienna; Johnen Galerie, Berlin
Christodoulos Panayiotou
*1978 in Limassol, Zypern ★ Cyprus; lebt und arbeitet ★ lives and works in Paris
Judy Garland: A Biography, 2007
Die Arbeiten von Christodoulos Panayiotou, der Tanz und darstellende Künste studiert
hat, sind Performances, die jedoch auch zahlreiche Berührungspunkte mit anderen
Formaten haben. In Judy Garland: A Biography (2007) werden die erste und die letzte
Aufnahme von Judy Garlands symbolträchtigem, 1939 geschriebenem Lied „Somewhere
Over the Rainbow“ einander gegenübergestellt. Die Arbeit, die in einem Theater mit
gemaltem Bühnenvorhang aufgeführt wird, schlägt eine alternative Garland-Biografie
vor und spekuliert über die vielfältigen politischen Konnotationen, die dem ikonenhaften Lied im Laufe des 20. Jahrhunderts anhafteten und hier zu bis zu einem gewissen
Grad reaktiviert werden.
★
Originally trained in dance and performing arts, Christodoulos Panayiotou’s works are
performance-based yet touch upon a large range of other media. In Judy Garland:
A Biography (2007) the very first and last recordings of Judy Garland’s emblematic song
“Somewhere Over the Rainbow,” originally written in 1939, are juxtaposed. The work,
presented at the theater with the stage curtain drawn, is a proposed biography of
Garland while it speculates about, and to a certain extent reactivates, the various
political connotations that this iconic song had over the twentieth century.
Courtesy Christodoulos Panayiotou; Rodeo, Istanbul
18
Gianni Pettena
*1940 in Bozen, Italien ★ Bolzano, Italy; lebt und arbeitet ★ lives and works in Fiesole, Italien ★ Italy
Applausi, 1968
Der Künstler trägt einen in identische Hälften geteilten Koffer, beide versehen mit
demselben Schriftzug („APPLAUSI“), aus dem hinteren Bühnenraum in den Vordergrund,
öffnet ihn und stellt die Hälften, während die Schriftzüge bereits von hinten beleuchtet
aufblinken, an die Seite der Bühne vor das Publikum. Wie andere emblematische
Gesten von Gianni Pettena stellt diese Arbeit eine humorvolle und dennoch radikale
Art der Publikumsprovokation dar, indem sie selbiges zu bloßen Fernsehzuschauern
reduziert. Zusammen mit Archizoom, Superstudio und Ufo gehört Pettena seit den
1960er Jahren einer Kerngruppe der radikalen Bewegung in Italien an, die einen tiefgehenden Einfluss auf aktuelle Experimente in Architektur und Design ausübte und
noch immer ausübt.
★
A suitcase split into two identical halves with the same word (“APPLAUSI”) written on
each. The artist carries it from the back of the stage to the apron and, after opening
it, places the two halves with the word already flashing on and off on the sides of
the stage, in front of the audience. Along with other emblematic gestures by Gianni
Pettena, this work constitutes a humorous, yet radical way of provoking the audience
by reducing it to the mere level of television viewers. Together with Archizoom,
Superstudio and Ufo, Pettena has, since the 1960s, belonged to the core group of the
radical movement in Italy, which exerted and still exerts a profound influence on
current experiments in architecture and design.
Courtesy Gianni Pettena
Pratchaya Phinthong
*1974 in Bangkok, Thailand; lebt und arbeitet ★ lives and works in Bangkok
No Patents on Ideas, 2005
Pratchaya Phinthong verweist mit seiner Arbeit auf die kulturelle Kapitalisierung oder
Kolonialisierung der Bedeutungen und Vorstellungen von Kunst. No Patents on Ideas
(2005) bezieht sich auf einen Brief von Thomas Jefferson aus dem 18. Jahrhundert, der
die Frage nach intellektuellem Eigentum und der Vermarktung von Ideen stellt. Das für
das Poster verwendete Blaudruckverfahren führt zum Verschwinden der Farben, wenn
es dem Tageslicht ausgesetzt wird. „Ich mag die Idee eines verschwindenden Bildes,
das sanft in unsere Erinnerung verlagert wird. Der Blaudruck ermöglicht diesen Effekt.
19
Wenn man die Seiten gegen das Licht hält, verschwindet das Bild nach und nach, abhängig von der Intensität des Lichtes und der Länge der Belichtung. Sonnenlicht kann
das Bild zum Beispiel schneller verschwinden lassen – das bedeutet, je sichtbarer
man es macht, desto schneller verschwindet es.“
★
Throughout his works, Pratchaya Phinthong points to the cultural capitalization or
colonization of the meaning and the images of art. No Patents on Ideas (2005) refers
to a letter written by Thomas Jefferson in the eighteenth century on the question of
the intellectual property and the marketing of ideas. The blueprint process makes the
colors on the poster vanish when it is exposed to the daylight. As the artist states,
“I like the idea of a disappearing image that moves gently into our memory, the blueprint gives that effect; when you hold the page against the ambient light, the image
disappears little by little, depending on the strength of the light and the length of
exposure. For example, sunlight can make the image disappear quickly, which means
that the more visible you make it, the more it disappears.”
Courtesy Pratchaya Phinthong; gb agency, Paris
Santiago Sierra
*1966 in Madrid; lebt und arbeitet ★ lives and works in Mexiko-Stadt ★ Mexico City und ★ and Madrid
111 CONSTRUCCIONES HECHAS CON 10 MÓDULOS Y 10 TRABAJADORES /
111 CONSTRUCTIONS MADE WITH 10 MODULES AND 10 WORKERS, 2004
111 CONSTRUCTIONS MADE WITH 10 MODULES AND 10 WORKERS (2004) ist beispielhaft für Santiago Sierras Werk. Für viele seiner Arbeiten engagiert Sierra Menschen,
oft Arbeiter, die besonders von Ausbeutung betroffen sind, und bezahlt sie für die
Ausführung bestimmter Tätigkeiten. Der Künstler reproduziert die ökonomische Idee
des Kapitalismus, stetig den Profit zu maximieren. Für La monnaie vivante ist das
Ergebnis eine kritische und formale Auseinandersetzung mit der Sicht des Künstlers
auf die Kunstgeschichte durch die monotone Aktivierung minimalistischer und dabei
provisorischer Rigips-Module durch eine Gruppe von Arbeitern. Die ursprünglich 2004
entwickelte Arbeit ist beeinflusst durch das Werk von Franz Erhard Walther, Sierras
Lehrer und Mentor.
★
111 CONSTRUCTIONS MADE WITH 10 MODULES AND 10 WORKERS (2004) is representative of Santiago Sierra’s oeuvre. When creating a work, Sierra often hires people or
workers vulnerable to exploitation, and pays them for doing certain jobs. Thus the
artist reproduces the economic idea of capitalism constantly seeking to increase profits.
For La monnaie vivante, the result is a critical and formal engagement with the artist’s
view on art history through the monotonous activation of minimal yet makeshift
plasterboard modules by a group of workers. The originally conceived piece from 2004
is further influenced by the legacy of Franz Erhard Walther, Sierra’s teacher and mentor.
Courtesy Santiago Sierra
20
Annie Vigier & Franck Apertet (les gens d’Uterpan)
*1965 in Gonesse, Frankreich ★ France; *1966 in Flumet, Frankreich ★ France
leben und arbeiten ★ live and work in Paris
les gens d’Uterpan: Sophie Demeyer, Déborah Lary, Stève Paulet,
David Zagari, Denis Robert
Parterre, 2009
Das Stück Parterre (2009) zielt darauf ab, mit einem vorgefertigten Programm überall
dort in der Stadt einzugreifen, wo es gerade aufgeführt wird (Theater, Auditorium,
Konferenzhalle). Die Performance bleibt unkalkulierbar, und selbst wenn sie in den
Einladungen und Informationsmaterialien der Veranstalter angekündigt wird, sollen
Tag und Ort der Aufführung bis zur letzten Minute geheim bleiben, auch für die Veranstalter selbst. Die Performance findet inmitten des Publikums statt. Die Aktion besteht
aus Tänzerinnen und Tänzern, die von hinten über die Stuhllehnen und über die Körper
der Zuschauer gleiten, bis sie vor dem Publikum angekommen sind. Die Länge des
Stücks hängt von dem Umfang der vorhandenen Bestuhlung ab (circa zehn Minuten).
Seit einigen Jahren untersuchen die Choreografen Annie Vigier und Franck Apertet
mit ihrer Arbeit die Normen, welche Tanz und Live-Kunst definieren, und erforschen
dabei unter anderem den menschlichen Körper und insbesondere unsere Beziehung
zu diesem im 21. Jahrhundert.
★
The piece Parterre (2009) is meant to interfere with a pre-established program
anywhere (theater, auditorium, conference hall) in the city in which it occurs. The performance remains unexpected, and even if it is announced in the invitation and
information material provided by the producer, the day and place it will occur should
remain confidential up until the last minute—for the producers as well as for the public.
The performance takes place among the audience. The action consists of the dancers
progressively sliding over the backs of the seats and over the spectators’ bodies,
down toward the front of the audience. The length of the piece is determined by the
size of the seating arrangement (around ten minutes). For several years now the
works by the choreographers Annie Vigier and Franck Apertet examine the norms that
define dance and the live arts exploring amongst other things the human body, and in
particular our relation to this in the twenty-first century.
Courtesy Annie Vigier & Franck Apertet (les gens d’Uterpan)
21
Franz Erhard Walther
*1939 in Fulda, Deutschland ★ Germany; lebt und arbeitet ★ lives and works in Halstenbek,
Deutschland ★ Germany
Dreiteiliges Standstück (Standing Piece in Three Sections), 1975
Seit den 1960er Jahren betrachtet Franz Erhard Walther die Aktion als Werkform.
Die Serie Standstücke betont den Prozess als künstlerischen Gestus. Auf der Theaterbühne werden Teile der Serie Dreiteiliges Standstück (1975) in beliebigen, unregelmäßigen Anordnungen, jedoch relativ nah aneinander, ausgelegt. Zunächst durch das
Publikum aktiviert, werden die Standstücke zu einem bestimmten Zeitpunkt von zwei
nackten Modellen betreten. Ein Mann und eine Frau stehen bewegungslos, bis sie
zusammen in eine andere Sektion wechseln. Die Eisenstücke haben jeweils zwei Flächen,
die aufgrund ihrer ungleichen Größe ein Gefühl von Links und Rechts betonen. Die
Person, die im größeren Segment steht, hat theoretisch eine gewisse Bewegungsfreiheit, jedoch wird er/sie in der Praxis eher versuchen, eine stabilere Position einzunehmen, und gleichzeitig entscheiden, ob er/sie näher an der anderen Person oder
weiter entfernt von ihr stehen will.
★
Since the 1960s, Franz Erhard Walther has been considering the action as the “form
of the artwork” (Werkform). The series of Standing Pieces emphasizes the process
as artistic gesture. On the theater stage, the parts of the Dreiteiliges Standstück
(Standing Piece in Three Sections) (1975) are laid out in optional, irregular forms, but
relatively near to one another. At first activated by the public, the standing pieces are
at some point entered by two nude models: male and female standing motionless,
till together they move to another section. The iron pieces each have two spaces that
due to their inequal size pronounce a feeling of left/right. The person who stands in the
larger segment theoretically has a certain freedom of movement, however, in practice
he or she will usually assume a stable posture, although still deciding whether to be
closer or further away from the other person.
Courtesy Franz Erhard Walther; Galerie Jocelyn Wolff, Paris
Franz West
*1947 in Wien ★ Vienna; lebt und arbeitet ★ lives and works in Wien ★ Vienna
In den frühen 1970er Jahren begann Franz West, kleine Assemblagen aus gefundenen
Materialien wie Karton, Verbandsmaterial und Draht anzufertigen, die er dann mit
einer Schicht Gips und weißer Farbe bedeckte. Er nannte diese Skulpturen Paßstücke.
West ist der Auffassung, dass der Betrachter sich mit der Skulptur auseinandersetzen
oder sie anfassen muss, um ihre „ergonomische“ Natur voll und ganz zu erfassen.
Diese frühen Skulpturen stehen stellvertretend für eine initime Version der extremen
Spektakel des Wiener Aktionismus der Mitte der 1970er Jahre.
★
22
In the early 1970s, Franz West began making small-scale assemblages incorporating
found materials such as cardboard, bandages, and wire, which he then covered with a
coat of plaster and white paint. He called these sculptures Paßstücke. West maintained
that the viewer must engage with, or handle, the sculptures in order to fully experience
their “ergonomic” nature. Subsequently Paßstück has been translated as “adaptive”
but this does not fully capture its original source as a technical term meaning “parts
that fit into each other.” These early sculptures function as prosthetics for an intimate
version of the extreme Actionist spectacles of the mid-seventies in Vienna.
Christian Wolff
*1934 in Nizza, Frankreich ★ Nice, France; lebt und arbeitet ★ lives and works in Royalton, USA,
und ★ and Hanover, USA
Auswahl aus ★ Selection from
Prose Collection, 1968–1971:
Stones
Play
Looking North
X for Peace Marches
Stones, 1968–1971
Erzeuge Töne mit Steinen, hole Töne aus Steinen heraus, verschiedene Größen und
Arten (und Farben) verwendend; meistens diskret, manchmal in schnellen Sequenzen.
Meistens Steine aufeinandergeschlagen, aber auch Steine auf andere Oberflächen
geschlagen (zum Beispiel in einer offenen Trommel) oder anderes als geschlagen
(beispielsweise gestrichen oder verstärkt). Nichts zerbrechen. ★ Make sounds with
stones, draw sounds out of stones, using a number of sizes and kinds (and colors);
for the most part discretely; sometimes in rapid sequences. For the most part striking
stones with stones, but also stones on other surfaces (inside the open head of a
drum, for instance) or other than struck (bowed, for instance, or amplified). Do not
break anything.
Play, 1968–1971
Spiele, produziere Töne in kurzen Stößen, zum größten Teil klar gegliedert; Ruhe; zwei
oder drei Mal so laut wie möglich werden, höre jedoch sofort auf, wenn du dich selbst
oder einen anderen Spieler nicht mehr hören kannst. Lass verschiedene Lücken im
Spiel zu (zwei, fünf Sekunden, unbestimmt); lass manchmal verschiedene Vorgänge
überlappen. Spiele ein, zwei, drei, vier oder fünf Mal einen langen Ton, Komplex oder
23
eine Sequenz von Tönen. Spiele manchmal unabhängig, manchmal in Abstimmung mit
anderen Spielern (wenn sie beginnen oder aufhören oder während sie spielen oder
sich bewegen), oder ein Spieler sollte auf ein Signal (Start oder ein langer Ton, Start
und Stopp oder nur Stopp) hin spielen (oder innerhalb von zwei oder fünf Sekunden
eines Signals), über das er keine Kontrolle hat (nicht weiß, wann es kommen wird).
Verwende an einigen Stellen oder durchweg Elektrizität. ★ Play, make sounds, in short
bursts, clear in outline for the most part; quiet; two or three times move toward as
loud as possible, but as soon as you cannot hear yourself or another player stop directly. Allow various spaces between playing (two, five seconds, indefinite); sometimes
overlap events. One, two, three, four or five times play a long sound or complex or
sequence of sounds. Sometimes play independently, sometimes by coordinating with
other players (when they start or stop or while they play or when they move) or a
player should play (start, with long sounds, start and stop or just stop) at a signal (or
within two or five seconds of a signal) over which he has no control (does not know
when it will come). At some point or throughout use electricity.
Die Arbeiten des weitgehend autodidaktisch ausgebildeten Komponisten Christian
Wolff werden mit denen von John Cage, Morton Feldman und Earle Brown assoziiert
und gemeinsam mit diesen als New York School gefeiert. Er ist außerdem aktiver
Performer und Improvisateur und arbeitet in Live-Performances mit zahlreichen
Musikerinnen und Musikern zusammen.
★
Largely self-taught as a composer, Christian Wolff’s work has been associated with
that of John Cage, Morton Feldman, and Earle Brown, celebrated jointly as the
New York School. He is also an active performer and improviser and has collaborated
in live performances with numerous musicians.
Courtesy Christian Wolff
24
Artur Żmijewski
*1966 in Warschau ★ Warsaw; lebt und arbeitet ★ lives and works in Warschau ★ Warsaw
William Shakespeare: Sonette, 2010
Auf ebenso abstrakte wie konkrete Weise erforscht Artur Żmijewski die offenkundige
soziale und individuelle Unfähigkeit zur Kommunikation. Żmijewski engagiert unter
anderem eine Person mit türkischem Migrationshintergrund und geringen Deutschkenntnissen, um 16 Sonette von Shakespeare in Übersetzung vorzutragen. Diese Vorführung verdeutlicht den Reibungsverlust, der zum einen durch die Veränderung des
Textmaterials bei der Übersetzung vom Englischen ins Deutsche und zum anderen durch
den mündlichen Vortrag entsteht. Die Stimme einer einzelnen Person wird zu konkreter
Musik, die in scharfem Gegensatz zur zeitlosen Perfektion und unerreichbaren Schönheit der klassischen englischen Poesie steht.
★
Both abstract and more concrete, Artur Żmijewski investigates the overtly human social
as well as individual hindrances and disabilities of communication. To read sixteen
sonnets by Shakespeare in their translated form, Żmijewski among others engages a
person with a migrant Turkish background, barely speaking German. Thus the performance of Shakespeare’s sonnets expresses the friction, changing the text material in
both the written alternation from English to German and when meeting the personal
parole. The singular person’s voice thus assembles concrete music that contrasts sharply
with the timeless perfection and the inaccessible beauty of the classical English poetry.
Courtesy Artur Żmijewski
Musikalische Inszenierung ★ Musical Staging: Jean-Jacques Palix
*1952 in Paris; lebt und arbeitet ★ lives and works in Paris
Jean-Jacques Palix ist Komponist, Archivar und Liebhaber seltener Musik sowie realer
Sounds. Nach seinen radikalen Produktionen für das experimentelle „Radio Nova“ in den
frühen 1980er Jahren in Paris, hat er an zahlreichen Projekten, die von experimentellem
Tanz bis zu bildender Kunst, Film, Video und Mode reichen, mitgearbeitet. 1992 gründete er ein unabhängiges Plattenlabel, bei dem neben anderen David Coulter und
Vincent Segal veröffentlicht haben. Er hält regelmäßig Vorträge und veranstaltet Gesangskonzerte und Noise-Events. In jüngster Zeit ist er als Produzent und Regisseur
mehrerer Filme, unter anderem zu John Cages Lecture on Nothing (1949), sowie als
Co-Kurator der Ausstellung Cornelius Cardew and the Freedom of Listening (2009–2010)
in Erscheinung getreten.
★
Jean-Jacques Palix is a composer, an archivist, and a lover of rare music and real sounds.
After making radical productions at the experimental “Radio Nova” in Paris in the early
1980s, he has collaborated on projects in a broad variety of genres from experimental
dance to contemporary art, film, video, and fashion. In 1992, he founded an independent
record label releasing David Coulter, Vincent Segal et. al. Currently lecturing and conducting vocal concerts and noise events, he has produced and directed numerous movies,
among others a film on John Cage’s Lecture on Nothing (1949), and recently co-curated
the traveling exhibition Cornelius Cardew and the Freedom of Listening (2009–10).
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Impressum ★ Imprint
Team La monnaie vivante ★ The Living Currency ★ Die lebende Münze
Kurator und Inszenierung ★ Curator and Staging: Pierre Bal-Blanc
Kordinatorin ★ Coordinator: Rhea Gaardboe Dall
Projektassistentin ★ Project Assistant: Henriette Sölter
Assistenz ★ Assistance: Katrin Dölle, Anna Grossherr, Ulrike Jordan, Iris
Ströbel
Mitwirkende ★ Participants
111 CONSTRUCTIONS: Polnische Arbeiter ★ Polish workers: Bogdan Bryudor,
Adam Geochowski, Michal- Gross,
Arkadiusz Horasymowicz, Marian Irynka, Robert Kazusek, Wiktor Kazusek,
Zemoitel Lenon, Andrzej Madzia,
Artur Paszkiewicz, Sebastian Siekielecki, Grzegorz Wojtaszek, angeleitet
von ★ instructed by -Lukasz Mojsak
Brecht-Stücke ★ Brecht pieces: Maximilian Zahl
Dreiteiliges Standstück: Aktmodelle ★ Nude models: Josef Berisvili, Karin
Nilsson
La Sveglia: Frau ★ Woman: Silke Mock, Junge ★ Boy: Julius Petrick, Mann
★ Man: Michi Siebert
Lesung ★ Reading William Shakespeare, Sonette: Andreas Ivangean, Melehat
Kaçar
Näherei Nebtex: Näherinnen ★ Seamstresses: Sibylle Nebel, Margit Seeger
Orchester ★ Orchestra: Benjamin L. Aman, Andreas Führer, Benjamin
Heiss, Maria Kamutzki, Richard Lockett,
Anders Meldgaard, Laura Mello, Dominik Noe, Margo Zalite
Teaching to Walk: Mütter und Kinder ★ Mothers and children: Christin
& Anton Herm, Urte & Eduard Jürgens,
Natascha & Anton Soukhova
Team HAU
Matthias Lilienthal, Katrin Dod, Susanne Görres sowie ★ as well as Ingo
Ruggenthaler, Jörg Fischer,
Piotr Rybkowski, Thomas Schmidt, Uli Kellermann, Anna Lienert, Matthias
Kirschke
Team CAC Brétigny
Isabelle Dinouard, Delphine Goutes, Julien Duc-Maugé, Nadine Monfermé
, Sophie Mugnier,
Céline Semence, Pierre Simon
Broschüre ★ Brochure
Redaktion und Texte ★ Editing and Texts: Pierre Bal-Blanc, Rhea Gaardboe
Dall, Ana Janevski
Übersetzungen ins Deutsche ★ Translations into German: Katrin Dölle
Übersetzung ins Englische, S. 27 ★ Translation to English, p. 27: Jeanne
Haunschild
Lektorat, Korrektorat und Übersetzung ★ Copyediting, Proofreading, and
Translation:
Eileen Daly, Katrin Dölle, Ulrike Jordan, Katrin Sauerländer, Iris Ströbel,
Renate Wagner, Tina Wessel
Danksagung ★ Acknowledgments
La monnaie vivante hätte nicht realisiert werden können ohne die Unterstütz
ung von ★ would not have
been possible without the support of Christophe Martin, Eva Wittocx,
Catherine Wood, Vanessa Desclaux,
Ana Janevski, Joanna Mytkowska und ★ and Kathrin Rhomberg.
Besonderer Dank an ★ Special thanks to agnès b. und ★ and Christian
Boltanski
www.berlinbiennale.de
www.cacbretigny.com
www.hebbel-am-ufer.de
Umschlag ★ Cover: Pratchaya Phinthong, No Patents on Ideas, 2005; Installatio
n, La monnaie vivante,
Museum of Modern Art, Teatr Dramatyczny, Warschau ★ Warsaw, April
2010; Foto ★ Photo: Jan Smaga
© 2010 6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, KW Institute for Contempo
rary Art, die Autor/innen
26
La monnaie vivante ★ The Living Currency ★ Die lebende Münze, nach Pierre Klossowski, wird inszeniert von
Pierre Bal-Blanc für die 6. Berlin Biennale und realisiert in Zusammenarbeit mit dem Hebbel am Ufer (HAU) und
dem Centre d’art contemporain de Brétigny (CAC Brétigny).
La monnaie vivante ★ The Living Currency ★ Die lebende Münze, after Pierre Klossowski, is staged by Pierre
Bal-Blanc for the 6th Berlin Biennale and realized in cooperation with Hebbel am Ufer (HAU) and Centre d’art
contemporain de Brétigny (CAC Brétigny).
Mit großzügiger Unterstützung von ★ With generous support of CULTURESFRANCE, Paris
und ★ and agnès b. endowment fund, Instytut Adama Mickiewicza, Warschau ★ Warsaw, The Danish Arts
Council’s Committee for International Visual Arts, Kopenhagen ★ Copenhagen, The State Corporation for
Spanish Cultural Action Abroad (SEACEX), Madrid und ★ and Italienisches Kulturinstitut Berlin.
Das Werk Näherei Nebtex von Jens Haaning wird realisiert in Zusammenarbeit mit Nebtex Berlin. ★ The work
Näherei Nebtex by Jens Haaning is realized in cooperation with Nebtex Berlin.
27
Für die 6. Berlin Biennale inszeniert Pierre Bal-Blanc gemeinsam mit über zwanzig
Künstlerinnen und Künstlern drei Tage lang eine organische Bestandsaufnahme unserer
von Ökonomie und Rentabilität bestimmten Gegenwart. Als Teil der von Kathrin
Rhomberg kuratierten Ausstellung was draußen wartet thematisiert das Ausstellungsprojekt La monnaie vivante ★ The Living Currency ★ Die lebende Münze aus unterschiedlichen Blickwinkeln und durch verschiedene Zugänge zum menschlichen Körper
die Ausrichtung unserer Wahrnehmung. Die 6. Berlin Biennale wendet sich in ihrer
Konzeption gegen die eindimensionale Wahrnehmung einer Wirklichkeit, die sich nicht
länger mit einfachen Welterklärungsmodellen beschreiben und erfassen lässt. Technologische Entwicklungen sowie die globalen ökonomischen, politischen und sozialen
Krisen der Gegenwart haben unserer Wirklichkeit Risse zugefügt, haben den Abstand
vergrößert zwischen der Welt, über die geredet wird, und der Welt, die tatsächlich
da ist.
Die in der 6. Berlin Biennale präsentierten Arbeiten verweigern sich den in der Kunst
zunehmend zu beobachtenden Tendenzen zur Abkehr von der Realität und hin zu
kunstimmanenten und formalen Fragestellungen. Sie widersetzen sich diesen Tendenzen
durch die Behauptung eines offenen Blicks auf unsere Gegenwart und ihre Wirklichkeit.
La monnaie vivante ★ The Living Currency ★ Die lebende Münze wird in diesem
Gesamtzusammenhang zum Testfeld für die verschiedenen Ansätze und Manifestationen
des künstlerischen Formats Performance und das ihm immanente Wechselspiel zwischen
Alltag und künstlerischer Transformation. Drei Tage lang wird im HAU überprüft, wie es
sich mit unserer Beziehung zu dem Draußen, dem Alltag, der sogenannten Realität
„wirklich“ verhält.
For the 6th Berlin Biennale, Pierre Bal-Blanc, together with over twenty artists, is
staging a three-day organic survey of our present that is largely driven by economics
and efficiency. As part of the exhibition what is waiting out there, curated by Kathrin
Rhomberg, the exhibition project La monnaie vivante ★ The Living Currency ★
Die lebende Münze thematizes our perceptual orientation from different angles across
a wide range of ways of viewing the human body. Through its concept, the 6th Berlin
Biennale aims to challenge a one-dimensional perception of a reality that today no
longer exists and to which simple explanatory models of the world no longer sufficiently
apply. Technological developments and the current global economic, political, and
social crises have inflicted cracks on our reality, thus enlarging the gap between the
world we talk about and the world as it really is.
The works presented in the 6th Berlin Biennale reject the increasing tendencies in visual
art that renounce reality and turn toward aesthetic and formal issues. In a countermovement, these works go beyond such approaches by establishing an open view onto
our present-day world. In this overall context, La monnaie vivante becomes a test-bed for
the different modes and manifestations of performative practice as well as for investigating the immanent interaction between everyday life and artistic transformation.
During three days at the HAU, our relationship to the outside world—so-called reality—
will be tested as to how it “really” is constituted.
6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst
6th Berlin Biennale for Contemporary Art
11.6.– 8.8.2010
www.berlinbiennale.de
Diese Broschüre erscheint anlässlich der
6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst,
kuratiert von Kathrin Rhomberg.
This brochure is published in conjunction with the
6th Berlin Biennale for Contemporary Art,
curated by Kathrin Rhomberg.
Orte ★ Venues
1 KW Institute for Contemporary Art
Auguststraße 69, D-10117 Berlin
2 Oranienplatz 17, D-10999 Berlin
3 Dresdener Straße 19, D-10999 Berlin
4 Kohlfurter Straße 1, D-10999 Berlin
5 Mehringdamm 28, D-10961 Berlin
6 Alte Nationalgalerie | Old National Gallery
Bodestraße 1–3, D-10178 Berlin (Museumsinsel)
Öffnungszeiten ★ Opening Hours
Dienstag bis Sonntag 10 –19 Uhr
Donnerstag 10 – 22 Uhr
Tuesday to Sunday 10 am – 7 pm
Thursday 10 am– 10 pm
Öffnungszeiten ★ Opening Hours
Alte Nationalgalerie | Old National Gallery
Dienstag bis Sonntag 10 –18 Uhr
Donnerstag 10 – 22 Uhr
Tuesday to Sunday 10 am – 6 pm
Thursday 10 am– 10 pm
Veranstalter / Kontakt ★ Organizer / Contact
KW Institute for Contemporary Art
Auguststraße 69, D-10117 Berlin
Phone 0049 (0)30-24 34 59-0
Fax 0049 (0)30-24 34 59-99
office@berlinbiennale.de, press@berlinbiennale.de
www.kw-berlin.de, www.berlinbiennale.de
Die Berlin Biennale wird organisiert durch die KW Institute for Contemporary Art
und gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.
The Berlin Biennale is organized by KW Institute for Contemporary Art
and funded by the German Federal Cultural Foundation.
La monnaie vivante ★ The Living Currency ★
Die lebende Münze
Tickets: 14 € / 7 € ermäßigt ★ concession
Tageskasse ★ Box Office HAU 2
Hallesches Ufer 32, D-10963 Berlin
Phone 0049 (0)30-25 90 04-27
Täglich 12 – 19 Uhr ★ Daily 12 – 7 pm
Die Abendkasse im HAU 1 (Stresemannstraße 29)
öffnet eine Stunde vor Vorstellungsbeginn.
The Box Office at HAU 1 (Stresemannstraße 29)
opens one hour before the start of the event.
Die Performances finden zwischen 19:30 – 00:30 Uhr
in beliebiger Reihenfolge statt. Der Eintritt ist jederzeit
möglich.
Performances run from 7.30 pm – 00.30 am without a
regular order. It is possible to enter at any time.