Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina

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Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Bestandsaufnahme und Empfehlungen
August 2005: Steffen Emrich
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
2
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Bestandsaufnahme und Empfehlungen
Eine Studie im Auftrag des Deutschen Auswärtigen Amtes
finanziert mit Mitteln des Stabilitätspaktes
durchgeführt von Steffen Emrich
August 2005
3
Autor:
Steffen Emrich, Dipl. Ing. Stadt- und Regionalplanung,
Trainer und Coach, selbstständiger Berater im
Entwicklungsdienst.
Von 9/2001 bis 10/2004 Projektleiter (Friedensfachkraft) von „Schüler Helfen Leben“ Sarajevo.
Kontakt:
Steffen Emrich
Brucknerstr. 7
63477 Maintal
Germany
semrich@procorde.net
www.procorde.net
Tel.: +49 (0)176-23542060
Abbildungsnachweis:
Copyright für alle Fotos bei Steffen Emrich
Grafik S. 24 mit freundlicher Genehmigung der OSZE
Titelbild: Brücke in Groažde
Diese Studie wurde mit Mitteln des Stabilitätspaktes für
Südosteuropa erstellt. Der Inhalt und die Empfehlungen dieser
Studie liegen in der Verantwortung des Verfassers und geben nicht
die Meinung des deutschen Auswärtigen Amtes, der deutschen
Botschaft Sarajewo oder des Stabilitätspaktes für Südosteuropa
wieder.
EINFÜHRUNG
7
1. METHODIK
10
4. INTERNATIONALES ENGAGEMENT –
FÖRDERPRAXIS
49
4.1
Monitoring Best and Bad Practices
2. RAHMENBEDINGUNGEN IN BOSNIEN
UND HERZEGOWINA
12
4.2
Finanzierung und materielle Standards 50
4.3
Exit Strategie
50
2.1
Politische Rahmenbedingungen
12
4.4
Antragslyrik und lokale „Ownership“
51
2.2
Arbeit mit Jugendlichen
14
4.5
Mitarbeiterfluktuation
51
16
4.6
Koordination
52
16
16
18
18
4.7
Zielformulierungen
53
4.8
Teilnehmerauswahl
53
4.9
Empfehlungen
54
20
21
22
5. SCHLUSSBETRACHTUNGEN
3. FÖRDERBEREICHE
3.1
3.2
Jugendpolitik
3.1.1
Problemanalyse
3.1.2
Erfahrungen
3.1.3
Empfehlungen
3.2.4
3.2.5
3.2.6
3.2.7
Schulbildung
Zustand der Schulen
Das Bildungssystem
Unterrichtssprache/Common
Core Curriculum
Lehrerausbildung
Schüler- und Lehrermitbestimmung
Berufsvorbereitung
Empfehlungen
24
25
26
27
27
3.3.1
3.3.1
Hochschulbildung
Situation im Bereich Hochschulwesen
Empfehlungen
28
28
31
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.3
3.4
Arbeitsmarktsituation/
berufliche Bildung
3.4.1
Problemanalyse
3.4.2
Erfahrungen
3.4.3
Empfehlungen
3.8
3.9
5.1
Wissensmanagement – Koordination
56
5.2
Wichtige Themenbereiche
57
5.3
Interessante Forschungsthemen
58
ABKÜRZUNGEN
59
LITERATUR
60
DANKSAGUNG
62
ANHANG
32
32
34
35
1. JUGEND IN SERBIEN UND
MONTENEGRO & IN KROATIEN
63
Probleme von Jugendlichen
37
37
37
38
40
1.2
Schulsysteme in Kroatien und Serbien
Montenegro
64
1.3
Jugend und politische Bildung
65
1.4
Einstieg ins Berufsleben
68
Freizeit: Sport, Kultur
3.6.1
Freizeitmöglichkeiten in BuH
3.6.2
Empfehlungen
40
40
43
1.5
Kurze Schlussbemerkung
69
Gesundheit: Ernährung,
HIV/Aids, Drogen
3.7.1
Empfehlungen
43
45
Internationale Begegnungen
3.8.1
Erfahrungen
3.8.2
Empfehlungen
46
47
48
3.5.1
3.5.2
3.5.3
3.5.4
3.7
56
1.1
3.5
3.6
49
3.9.1
3.9.1.
Zivilgesellschaft/Außerschulische,
politische Bildung
Zivilgesellschaft
Präventive Arbeit
Demokratie
Empfehlungen
Traumaarbeit
Erfahrungen
Empfehlungen
48
47
48
63
2. LISTE DER GESPRÄCHSPARTNER /
INTERVIEWPARTNER
70
3. LISTE VON AKTIVEN
ORGANISATIONEN
71
4. LISTE DER ZUSTÄNDIGEN MINISTERIEN
FÜR BILDUNG UND JUGEND
71
5. AUSGEWÄHLTE JUGENDLOBBYGRUPPEN UND NETZWERKE
72
5. DEUTSCHE ORGANISATIONEN /
PROJEKTE DEUTSCHER TRÄGER
73
6. MATERIALLISTE
76
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
6
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Einführung
Abb.: Spielende Kinder in Goražde. Die
Behelfsbrücke wurde während des Krieges gebaut,
um die Drina vor Granatangriffen geschützt
überqueren zu können.
Mit der Unabhängigkeit der Republik
Bosnien und Herzegowina (BuH) von
Jugoslawien am 1. März 1992 betrat ein
neuer Staat die politische Bühne
Südosteuropas.
Bereits kurz nach der Staatsgründung wurde
Bosnien und Herzegowina mit einem Krieg
konfrontiert, der erst mit der Ratifizierung in
Dayton/Ohio und der Unterzeichnung des
Friedensabkommen in Paris (kurz Dayton
Peace Agreement – DPA) Ende 1995 formal
sein Ende fand. Die Folgen dieser
konfliktreichen, kriegerischen Entstehungsgeschichte des Landes sind heute noch
überall zu merken und werden Bosnien und
Herzegowina auch in den kommenden Jahrzehnten massiv in seiner Entwicklung behindern und in den Menschen noch über
Generationen nachwirken.
Parallel zu der schwierigen Entwicklung
eines Nachkriegslandes sieht sich BuH mit
den Herausforderungen eines Transformationslandes vom jugoslawischen Sozialismus
zu einer kapitalistischen Gesellschaft in
Südosteuropa konfrontiert. Dass Bosnien
und Herzegowina als Staat mit seiner spezifischen Geschichte und seinen drei
konstituierenden Bevölkerungsgruppen trotz
aller Referenzen an historische Vorbilder
seine Identität erst finden muss, erschwert
diesen Prozess erheblich.
Von diesen Entwicklungen mit am stärksten
betroffen sind Kinder, Jugendliche und
junge Erwachsene. Geprägt von einer Zeit
des Krieges und der extremen sozialen Verunsicherung leben sie heute in einer in weiten Teilen orientierungslosen Gesellschaft
und haben in ihrer wichtigen Jugendzeit
kaum Sicherheiten, an denen sie sich festhalten können. Gleichzeitig haben die
meisten von ihnen schon in frühster Kindheit tief greifende traumatische Erlebnisse
durchlebt, unabhängig davon, ob sie direkt
im Kriegsgebiet, auf der Flucht in der
Region oder im Ausland gewesen sind.
Diese Generation, die an den Ereignissen im
ehemaligen Jugoslawien und im neu
gegründeten Bosnien und Herzegowina
7
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
keinerlei Schuld trifft und die zugleich von
zentraler Bedeutung für die Entwicklung des
Landes ist, steht im Mittelpunkt der
vorliegenden Arbeit.
Nur wenn es gelingt, diese jungen Menschen
im Land zu halten, ihnen eine berufliche
Perspektive zu geben und sie von einer demokratischen Zukunft ihres Landes zu
überzeugen, besteht die Hoffnung, dass sich
Bosnien und Herzegowina mit seiner ethnischen Vielfalt, seiner landschaftlichen
Schönheit und seinem kulturellen Reichtum
langfristig von den Problemen eines
Nachkriegslandes
befreien
und
ein
prosperierendes Land inmitten Europas
werden kann. Bis dahin ist es noch ein
weiter Weg.
Der Vorsitzende des bosnischen Ministerrates Adnan Terzić betont: „Bosnia and
Herzegovina has capable and competent
young people who will play a key role in the
EU integration process!”1 Aber der Eindruck bleibt, dass es sich hierbei um bloße
Lippenbekenntnisse handelt. Die Jugendpolitik in Bosnien und Herzegowina führt
(wenn überhaupt vorhanden) ein Schattendasein. Daran ist nicht nur der extrem komplexe und teilweise undurchschaubare Aufbau der politischen Institutionen schuld,
sondern vor allem das fehlende Bewusstsein
in der Politik und der Gesellschaft für die
Bedeutung, welche die heranwachsende
Generation für das Land hat. Die
Jugendlichen haben keine Lobby und ihre
Probleme kommen in der öffentlichen
Debatte kaum vor. Dabei stellen die jungen
Menschen unter 30 Jahren fast 20 Prozent
der wahlberechtigten Bevölkerung und fast
ein Viertel aller Einwohner von Bosnien und
Herzegowina.2
Die katastrophale wirtschaftliche Lage des
Landes hat direkte Auswirkungen auf das
Bildungswesen und die Kultur. Über 60
Prozent der jungen Menschen geben an, das
Adnan Terzić 9/2003 Newsletter of the EU
Es wird geschätzt das im Jahr 2000 etwa 900.000
junge Menschen (zwischen 14 und 29 Jahren) in
Bosnien und Herzegowina gelebt haben. Dies
entsprach 23 % der Bevölkerung. Genaue Zahlen
liegen allerdings nicht vor.
1
2
8
Land vorübergehend oder für immer
verlassen zu wollen und ein nicht
unerheblicher Anteil von ihnen hat diesen
Schritt bereits vollzogen. So wird geschätzt,
dass allein zwischen 1996 und 2001 etwa
92 000 junge Menschen das Land verlassen
haben und bis 2004 sogar rund 120 0003. Mit
diesen Menschen geht eine zentrale
Ressource und ein Teil der Gesellschaft dem
Land zumindest teilweise verloren, der für
den Aufbau von neuen demokratischen
Strukturen und für die soziale Zukunft des
Landes von unschätzbarem Wert ist.
Viele Millionen Euro sind in den letzten
Jahren in Bosnien und Herzegowina investiert worden und doch ist es schwierig zu
evaluieren, wohin dieses Geld geflossen ist
und was für Auswirkungen die Investitionen
mittel- und langfristig auf die Jugend im
Land haben werden.
10 Jahre nach dem Friedensvertrag von
Dayton und nach unzähligen Projekten und
Programmen im Bereich der Jugendarbeit ist
es Zeit eine Zieljustierung vorzunehmen
und eine abgestimmte Strategie im Bereich
der Jugendförderung zu entwickeln. Dies ist
umso wichtiger in einer Zeit, in der immer
mehr
ausländische
Hilfsprogramme
eingestellt werden und stabile nationale
Jugendförderprogramme nicht existieren.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich diese
Studie. Sie möchte sowohl inhaltliche als
auch strukturelle Anregungen für die
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
geben, aber vor allem zu einer Diskussion
und einem Austausch unter den beteiligten
Akteuren anregen.
Aufbau der Studie
Nach einem kurzen Überblick über die
methodische
Herangehensweise
dieser
Arbeit werden in Kapitel 3 die wichtigsten
Bereiche in der Jugendarbeit genauer
analysiert. Aufbauend auf einer kurzen Einführung wird beispielhaft beleuchtet, wie
Internationale Organisationen sich dem jeweiligen Thema angenommen haben. Im
Anschluss daran werden Empfehlungen für
die entsprechenden Bereiche skizziert.
3
OIA Country Brief 2005
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Das Kapitel 4 setzt sich mit den spezifischen
Ausgangsbedingungen und Problemen internationaler Organisationen der Jugendarbeit auseinander und versucht sowohl, ein
Bewusstsein für die besonderen Rahmenbedingungen der internationalen Jugendarbeit
zu schaffen, als auch Vorschläge für eine
bessere Koordination und eine verstärkte
Nutzung von möglichen Synergieeffekten zu
erarbeiten.
Das abschließende Kapitel 5 endet mit generellen Ideen und Vorschlägen für die
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina.
Der ausführliche Anhang dient als kleines
Nachschlagewerk und bietet konkrete
Ansatzpunkte für die Weiterarbeit. Im ersten
Kapitel wird ein kurzer Überblick über die
Situation der Jugend in den beiden
Nachbarländern Serbien Montenegro und
Kroatien gegeben, deren Geschichte eng mit
Bosnien und Herzegowina verbunden ist.
Den Schluss bilden verschiedene Listen mit
Kontaktadressen, Webadressen und eine
Literatur-/Materialliste.
Einschränkungen
Die vorliegende Arbeit basiert zum großen
Teil auf Erkenntnissen und Erfahrungen aus
der praktischen Arbeit. Sie erhebt nicht den
Anspruch, Jugendprojekte zu evaluieren
oder zu bewerten. Die gewählten Beispiele
sollen vor allem das Spektrum der
möglichen Ansätze aufzeigen. Ein klarer
Schwerpunkt bei den Interviews und
Befragungen wurde auf die deutschen
Organisationen gelegt sowie auf die lokalen
Organisationen, die von deutschen Fördergeldern direkt unterstützt werden und die
wichtigsten Internationalen Organisationen,
die im Jugendbereich arbeiten. Deutschland
als größtes Aufnahmeland von Kriegsflüchtlingen aus Bosnien und Herzegowina
und als eines der wichtigsten Geberländer ist
mit einer großen Anzahl an Hilfsorganisationen und vielen Projekten im
Land vertreten. Obwohl die Reduzierung
auf Organisationen aus einem Land für eine
abgestimmte Jugendpolitik augenscheinlich
zu wenig ist, hat sie sich als hilfreich
erwiesen. Die dadurch schwerpunktmäßig
erfassten Organisationen sind zum Teil
schon vernetzt. Zwischen ihnen lässt sich
der Kontakt und ein Diskussionsprozess
leichter herstellen. Auch kann davon
ausgegangen werden, dass sich die
aufgezeigten Ansätze, Erfolge und Probleme
in ähnlicher Form auch bei Organisationen
anderer Länder wieder finden. Eine
Ausweitung
auf
möglichst
viele
Organisationen der Jugendarbeit war aus
Kapazitätsgründen nicht möglich, erscheint
aber für eine weitere Studie durchaus
sinnvoll.
Viele Bereiche und Themen mussten in
dieser Arbeit unberücksichtigt bleiben4. Dies
ist keine Wertung, zeigt aber auf, dass diese
Bereiche derzeit keine Schwerpunkte der
interviewten Organisationen sind. Gleichwohl sind es Bereiche, die unbedingt der
Aufmerksamkeit bedürfen. Stellvertretend
sei hier der Umgang mit jungen Menschen
mit Entwicklungsbeeinträchtigung genannt.5
Ähnliches gilt für den Umgang mit jugendlichen Gewaltopfern.
Abb. Graffiti in Mostar
4 Vgl. hierzu auch „interessante Forschungsfragen“
Kapitel 5.3
5
Der
Begriff
„Mensch
mit
Entwicklungsbeeinträchtigung“ steht für das
Anliegen an eine ganzheitliche Sicht des Menschen
und seiner Entwicklung. Er beschreibt Menschen
deren
Entwicklungsfähigkeit
und
die
Entwicklungsmöglichkeiten aus bestimmten Gründen
beeinträchtigt sind. Die Gründe können im
somatischen oder im psychischen Bereich liegen. Sie
können aber auch im sozialen Bereich liegen, beim
betroffenen Menschen oder bei seiner Umwelt.
9
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
1.
Methodik
Die vorliegende Studie wurde im Zeitraum
Mai bis August 2005 mit Mitteln des Stabilitätspaktes für Südosteuropa erstellt. Sie
basiert auf einer ausführlichen Materialrecherche von vorhandenen Studien zum
Themenbereich Jugend sowie 33 leitfadengestützten Experteninterviews. Darüber
hinaus wurden über 80 Fragebögen6 an
Organisationen in BuH verschickt, die sich
mit dem Thema Jugend befassen. An den
Hochschulstandorten Sarajevo und Mostar
Ost wurden Befragungen mit Germanistikstudierenden durchgeführt. Die Studie
wurde von Steffen Emrich durchgeführt,
ohne inhaltlich oder methodisch durch den
Auftraggeber, der deutschen Botschaft
Sarajevo, beeinflusst zu sein.
Der Überblick über die Situation von
Jugendlichen in den beiden Nachbarländern
von Bosnien und Herzegowina, Serbien
Montenegro und Kroatien (Anhang 1),
basiert zu großen Teilen auf der Arbeit von
Bojana Pajić-Rickerts, die für diese Studie
angefertigt wurde.
Neben den wichtigen deutschen und internationalen Organisationen sind noch vereinzelte nationale Organisationen angesprochen
worden, die seit Jahren im Bereich Jugend
und Bildung arbeiten. Konkret war damit
auch der Wunsch verbunden, eine andere,
regionale Perspektive mit einzubeziehen.
Neben den speziell für diese Studie
durchgeführten Erhebungen fließen auch
Erfahrungen ein, die der Autor in seiner Zeit
als Projektleiter von Schüler Helfen Leben
mit Sitz in Sarajevo (11/2001 – 10/2004)
vor Ort gesammelt hat.
Datensammlung
Die Daten wurden auf fünf verschiedenen
Wegen erfasst:
Semistrukturierte Experteninterviews mit
Vertretern der verschiedenen Organisationen.
6 Die Fragebögen wurden in deutscher, in englischer
und in lokaler Sprache verschickt.
10
Diese Interviews wurden in der Regel mit
den Leitern der Organisation und/oder den
Projektleitern der entsprechenden Jugendprojekte durchgeführt und haben die folgenden Bereiche abgedeckt:
⇒ Was hat die Organisation in der
Vergangenheit im Jugendbereich
gemacht?
⇒ Wo liegen die gegenwärtigen
Arbeitsschwerpunkte?
⇒ Was sind die wichtigsten
Arbeitsregionen?
⇒ Welche Visionen bestehen für die eigene
Arbeit?
⇒ Welche Perspektiven existieren für die
Jugendarbeit in Bosnien Herzegowina?
⇒ Welches sind zentrale Themen für die
Jugendarbeit in BiH?
⇒ Welches sind die wichtigsten
Akteure/Stakeholder?
⇒ Welches sind die wichtigsten
Aufgabenfelder?
⇒ Was sind die größten Erfolge?
⇒ Gibt es Projektberichte, Evaluationen,
Follow ups, klar fixierte Zielvorgaben?
Die Gespräche wurden mit Organisationen
in den Städten Sarajevo, Mostar, Banja
Luka, Tuzla, Zenica, Trebinje und Jajce
geführt. Weitere geplante Termine in Livno
und Bijelina sind aufgrund kurzfristiger
Absagen der angefragten beteiligten
Organisationen nicht zu Stande gekommen.
Der größte Teil der Interviews fand in
Sarajevo statt, da hier die meisten internationalen Organisationen ihren Hauptsitz
haben. Die Sondersituation von Sarajevo ist
dem Autor aufgrund seiner mehrjährigen
Erfahrung in dem Land bewusst und wird
im Laufe der Studie immer wieder
Erwähnung finden.
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Anonymisierte Fragebögen für
Organisationen
Mit Fragebögen wurde zum einen versucht,
über die Interviews hinaus ein umfassendes
und
vergleichbares
Bild
der
unterschiedlichen
Organisationen
im
Jugendbereich zu erstellen. Zum anderen
sollten auch die Organisationen zu Wort
kommen, die nicht besucht werden konnten.
Um möglichst auch unbequeme bzw. selbstkritische Anmerkungen zu erfahren, wurden
diese Fragebögen in einen öffentlichen Teil
und in einen nicht öffentlichen Teil
unterteilt. Die Ergebnisse aus dem
nichtöffentlichen Teil fanden zwar Eingang
in die Studie, wurden aber anonymisiert.7
Insgesamt
80
Fragebögen
wurden
verschickt, 15 Fragebögen kamen ausgefüllt
zurück.
Fragebögen zu Organisationsaufbau,
Schwerpunktregion und Schwerpunktthema
Um eine möglichst vollständige Übersicht
über die Organisationen im Jugendbereich
zu erstellen, wurde an die 80 Organisationen
ein zweiter Fragebogen verschickt mit der
Bitte um Angaben zu Zielgruppe, Thema,
Region und Organisationsaufbau.8
Insgesamt 12 Fragebögen wurden zurückgeschickt.
Fragebögen und kleine Arbeitseinheiten
an den germanistischen Fakultäten in
Sarajevo und Mostar-Ost
Mit freundlicher Genehmigung und
Unterstützung der dortigen Deutschlektoren
wurde eine Arbeitseinheit bei den
Germanistikstudierenden durchgeführt, um
weitere Eindrücke, Ideen und Meinungen zu
generieren.9
Alle Interviews mit Vertretern von Organisationen fanden in deutscher oder englischer
Sprache statt. Die Interviews mit den
Jugendlichen fanden zum Teil in ihrer
Muttersprache statt.
Weitere Informationsquellen
Weiterhin wurde auf Primärliteratur und
Internetrecherchen
zurückgegriffen,
vorrangig auf deutsch- und englischsprachiges Material und Literatur. Nur in
Ausnahmefällen konnte das Material aus der
jeweiligen Regionalsprache übersetzt werden
und in die Studie aufgenommen werden.
Eine CD mit wichtigen Texten, die als
kostenloser Download im Internet stehen,
wird dieser Studie beigelegt, bzw. kann beim
Verfasser der Studie bestellt werden.
Auch wurden ausführliche Gespräche mit
Jugendlichen geführt, deren Ergebnisse mit
in die Studie eingegangen sind.
Qualität und Interpretation der
Daten
Die Antworten bei den semi-standardisierten Interviews führten meistens zu vergleichsweise normativen Aussagen, die dem
gängigen Diskurs entsprachen. Die Aussagen im Text der Studie basieren eher auf
einer Interpretation des Gesagten als auf
einer überprüfbaren Datengrundlage.
Die Anzahl der Fragebögen, die direkt an
Jugendliche verteilt wurden, ist zu klein und
zu zufällig, um an vergleichsweise objektive
Daten zu gelangen. Gleichwohl bot die
Auswertung wichtige Anregungen, die in
die Experteninterviews eingeflossen sind
und auch die Sichtweise des Autors
maßgeblich erweitert haben.
Die Aussagen aus den Fragebögen, die
direkt an die Organisationen gegangen sind,
können im Gegensatz dazu als vergleichsweise harte Fakten angesehen werden und
wurden auch als solche behandelt und ausgewertet. Allerdings ist das Sample an
Fragebögen, die ausgefüllt zurückgekommen
sind, zu klein um statistisch haltbare
Aussagen daraus ziehen zu können.
7 Der anonymisierte Fragebogen ist im Anhang
beigelegt
8Der Fragebogen ist im Anhang beigelegt.
9 Für diese Möglichkeit möchte ich mich ausdrücklich
bei dem DAAD-Lektor Christan Koller sowie dem
Bosch-Lektor Christian Wochele bedanken sowie bei
den Studierenden der Germanistik, die mit großem
Engagement ihre Meinungen eingebracht haben.
11
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
2.
Rahmenbedingungen in Bosnien und Herzegowina
2.1 Politische
Rahmenbedingungen
Bosnien und Herzegowina ist noch weit
davon entfernt, ein „normaler“ Staat zu sein.
Als Ergebnis des Friedensvertrags von
Dayton (DPA), das die Ergebnisse des
Krieges festgeschrieben hat, ist Bosnien
nach einem ethnonationalen Prinzip machtpolitisch-, territorial und gesellschaftlich
geteilt und den Kollektivrechten der
„konstitutiven Völker“ wird ein Vorrang vor
den Individualrechten eingeräumt.
Eine Selbstdefinition entlang nationaler,
ethnischer und religiöser Linien hat an
Bedeutung gewonnen und beeinflusst die
Chancen in der Politik oder auf dem
Arbeitsmarkt nach wie vor radikal. Im Fall
von Bosnien und Herzegowina ist das
besonders stark zu spüren, existiert in
ähnlicher Form aber auch in den anderen
Nachfolgestaaten
des
ehemaligen
Jugoslawiens. Der Schwerpunkt in der
kulturellen Selbstdefinition in all diesen
Ländern liegt auf den jeweiligen individuellen Eigenarten und nicht auf dem Verbindenden.
Größere Teile der kroatischen und der serbischen Bevölkerung sehen Bosnien-Herzegowina nicht als ihren Heimatstaat an. Die
ethnische Zugehörigkeit bestimmt das
politische und gesellschaftliche Leben. 10
Dabei waren die religiösen Unterschiede im
Fall von Bosnien und Herzegowina sicher
nicht die eigentliche Konfliktursache, sind
aber für den Verlauf der Auseinandersetzung sehr wichtig geworden.
Die durch das DPA festgelegte staatliche
Verwaltungsstruktur führt zu einer weltweit
einmaligen Konstruktion mit insgesamt 13
Regierungen und einem Sonderbezirk
(Brčko) innerhalb eines Staates mit weniger
als 4 Millionen Einwohnern. Zwei konstitutive Landesteile (Entitäten), die bosniakisch10
Altmann, Franz-Lothar (2005) S. 28
12
kroatisch bosnische Föderation (FBuH) und
die serbisch bosnische Republik Srpska (RS),
zehn kantonale Regierungen innerhalb der
Föderation sowie die gesamtstaatliche Regierung führen zu einem nur schwer überschaubaren Regierungsapparat, der sich
häufig selbst blockiert und Veränderungen
massiv erschwert. Fehlende gesamtstaatliche
Institutionen wie Bildungs- oder Kultusministerium behindern eine einheitliche und
schnelle Entwicklung.
Die für die Überwachung der zivilen
Implementierung des DPA zuständige internationale Verwaltung unter Führung des
Office of the High Representative (OHR)
mit seinen vielfältigen Eingriffsrechten führt
zu der einmaligen Situation eines Halbprotektorats.
Abb.: Minenwarnung bei Mostar
Ökonomische
Rahmenbedingungen
In Bosnien und Herzegowina leben rund 20
Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze.11 Der „Early warning Report“, der
vierteljährlich im Auftrag der UNDP veröffentlicht wird, spricht sogar von rund 60
Prozent der Bevölkerung, die mit einem
Haushaltseinkommen von weniger als 500
11 Weltbank (9/2004) Bosnia and Herzegovina
Country Brief 2004; www.wordbank.ba
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
KM (ca 260 €) auskommen müssen und
damit als arm zu bezeichnen sind.12
Hinter diesen statistischen Angaben, die im
Einzelnen nur schwer zu überprüfen sind,
aber eine deutliche Tendenz aufzeigen, verbirgt sich ein materielles Elend, das vor
allem auch die Kinder und Jugendlichen
betrifft, auf die sich Armut wesentlich intensiver auswirkt als auf Erwachsene.
Wertewandel
Mit dem Zusammenbruch Jugoslawiens und
den Folgekriegen der 90er Jahre sowie den
politischen Veränderungen in ganz Osteuropa hat sich für die Gesellschaft in
Bosnien und Herzegowina der bis dahin
gültige Orientierungsrahmen aufgelöst. „An
die Stelle klarer politischer Vorgaben und
Zwänge trat eine nicht gekannte individuelle
Freiheit. Gefragt sind nunmehr eigene
Entscheidungen, auf deren Grundlage ein
persönliches Lebenskonzept Gestalt annehmen soll. Allerdings steht das neue
Angebot in eklatantem Widerspruch zur
ökonomischen Situation des Einzelnen.“13
Stadt-Land
Die zunehmende wirtschaftliche Ungleichheit verstärkt in Bosnien und Herzegowina
wie auch in vielen anderen Transitionsländern das ohnehin große Stadt-Landgefälle. Das Gesamtpaket an mangelnden
Bildungschancen, ungenügender Zugang
zum ohnehin begrenzten Arbeitsmarkt14 bei
gleichzeitiger
Auflösung
familiärer
Strukturen führt insbesondere bei Jugendlichen aus ländlichen Regionen zu großer
UNDP 2005: Early Warning System, IV Quarterly
Report October-December 2004. In dem Report
wird auch deutlich, dass die Einkommensverteilung
extrem zwischen den ethnischen Gruppen variiert.
Während rund 65 Prozent der Bosniaken und der
serbischen Bosnier mit einem Haushalteinkommen
von unter 500 KM auskommen müssen, trifft das nur
auf knapp über 20 Prozent der kroatischen Bosnier
zu. Das führt dazu, dass die Gesamtzufriedenheit zur
Lage im Land insgesamt bei den kroatischen
Bosniern insgesamt am höchsten und ihr Interesse
das Land zu verlassen relativ gesehen am geringsten
ist.
13 Jochen Köhler (2002): GTZ Jahresbericht 2002, S.
39
14(Familiäre) Kontakte sind sehr wichtig um Chancen,
insbesondere auf dem Arbeitsmarkt zu haben
12
Perspektivlosigkeit und Frustration. Insbesondere radikalen nationalistischen Gruppen
bietet das einen guten Nährboden, um die
Jugendlichen für ihre Belange zu instrumentalisieren.
Gender
Geschlechtsspezifische Benachteiligung ist
ein in der Diskussion um die Jugend in
Bosnien ein meist gering beachteter
Aspekt15. Leider gibt es zu diesem Bereich
nur sehr wenige Untersuchungen16 und
besondere Förderprogramme für Frauen
sind die Ausnahme.
Gewalt gegen Frauen, innerfamiliäre Gewalt
oder sexuelle Gewalt sind weitestgehend
Tabuthemen in der bosnischen Gesellschaft
und es gibt kaum Anlaufstellen für Mädchen
und junge Frauen, die Gewalt ausgesetzt
sind.
Auch beruflich sehen die Chancen für
Frauen oft schlechter aus als für Männer.
Bestehende Jugendeinrichtungen werden in
vielen Fällen von männlichen Jugendlichen
mehr genutzt als von weiblichen Jugendlichen. Dabei unterscheidet sich auch hier
die Situation zwischen Stadt und Land in
extremer Art und Weise. Die patriarchale
Struktur zwingt die Frauen insbesondere auf
dem Land (aber durchaus auch in
städtischen Regionen) häufig in eine untergeordnete Rolle.
Kaum eine der untersuchten Organisationen
betonte von sich aus den Genderaspekt.
Hier sind weitere Untersuchungen unbedingt notwendig und gezielte Programme
für junge Frauen sowohl im Bereich Berufsförderung als auch im Bereich Gesundheit
im weitesten Sinne scheinen unbedingt
geboten.
So konzentriert sich zum Beispiel die UNDP
Jugendstudie ausschließlich auf ethnische und
geographische Unterscheidungen und ignoriert
geschlechtspezifische Unterschiede.
16 Die Untersuchung von Star Pilot Research ist eine
der seltenen Ausnahmen. (Bakšić-Muftić, Jasna u.a.)
15
13
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
2.2 Arbeit mit Jugendlichen
Die Bedeutsamkeit der Zielgruppe
Die politische Bedeutung der Jugendförderung in der Entwicklungshilfe und der
Konfliktprävention ist unbestritten. Sie sind
häufig eine zentrale Zielgruppe in der Arbeit
internationaler Organisationen. Jugendliche
bieten Potential für gesellschaftliche Innovationen und sind Hoffnungsträger in ihrem
Land, in dem sie nicht aktiv am Krieg beteiligt gewesen sind. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Jugendlichen leichter für
(interethnischen) Dialog zu gewinnen sind
und Lagerdenken leichter überwinden
können.17 Gleichzeitig sind Jugendliche
besonders anfällig für extremes nationalistisches und rassistisches Gedankengut und
lassen sich leicht für entsprechende
Gruppen instrumentalisieren.
Gleichzeitig sind Jugendliche aber auch
besonders anfällig für extremes nationalistisches und rassistisches Gedankengut und
lassen sich relativ leicht für entsprechende
Gruppen instrumentalisieren.
So oder so sind Jugendliche die Bevölkerungsgruppe, die in späteren Jahren die
Verantwortung für ihr Land übernehmen
werden. Ihre Wichtigkeit kann somit kaum
überbewertet werden.
Diese Studie geht davon aus, dass Jugendlichen eine Schlüsselrolle bei der sozialen
Transformation einer Nachkriegsgesellschaft
zukommt. In Anlehnung an Y. Kemper18
wird eine Verknüpfung von Rechtsgrundlagen
(Rechtssicherheit),
wirtschaftsorientierten Ansätzen und sozio-politischen
Ansätzen in der Jugendarbeit für notwendig
gehalten. Dabei sollten die Jugendlichen
nicht primär als Opfer, ausgebeutete
Ressource oder Hemmnis gesehen werden,
sondern vielmehr ihr Potential als sozialer
und ökonomischer Akteur sowie als
Friedensförderer im Vordergrund stehen.
Vgl. Fischer, Tummler 2001, S. 1
Yvonne Kemper 2005:Youth in War-to-Peace
Transitions – Apporaches of International
Organizations, Berghof Forschungszentrum für
konstruktive Konfliktbearbeitung, Berghof Report
Nr. 10
17
Definition der Zielgruppe
Jugendliche sind eine sehr heterogene
Gruppe. Auch im internationalen Vergleich
gibt es keine eindeutige inhaltliche
Definition dieser Altersgruppe, da die
Lebensumstände in den unterschiedlichen
Regionen nur selten vergleichbar sind.
Abweichend von der UN-Definition, die
Menschen zwischen 14 und 25 Jahre als
Jugendliche definiert19, betrachtet diese
Studie
junge
Menschen
in
einer
transformativen Phase zwischen Kindheit
und Erwachsensein als Jugendliche. Dieses
Stadium ist extrem abhängig von dem entsprechenden soziokulturellen Umfeld. Im
Fall Bosnien kann aufgrund der Kriegsgeschehnisse nicht von einer geregelten
Transformationsphase ausgegangen werden.
Angelehnt an die UNDP Jugendstudie von
2003 wird darum in dieser Studie das Altersspektrum von 15-30 Jahre (und damit fast
25 % der gesamten bosnischen Bevölkerung) behandelt20, wobei die Zielgruppe
abhängig von Lebensstil und familiärer
Situation situativ anders eingegrenzt wurde.
Diese Altersgruppe war zu Kriegsbeginn
zwischen 2 und 17 Jahre alt und somit in der
Regel nicht aktiv in Kriegshandlungen involviert. Ausnahmen (insbesondere bei den
heute Ende 20-Jährigen) bestätigen aber
auch hier die Regel.
Viele der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bosnien und Herzegowina haben
während und nach dem Krieg eine wichtige
Phase ihrer Sozialisation im westeuropäischen Ausland verbracht und sind dort
mit einem komplett anderen Sozial- und
Konsumverhalten konfrontiert worden.
Nach einer in vielen Fällen unfreiwilligen
Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina
stehen sie nun oft orientierungslos zwischen
zwei Systemen: glorifizieren häufig das Eine
und sind frustriert über das Andere. Durch
Fernsehen, Internet, andere Medien und ihre
eigenen Erfahrungen sind sie mit dem westlichen Konsumverhalten vertraut und wünschen es herbei, verlieren aber gleichzeitig
18
14
19 UN General Assembly Resolution no. 40/14 von
und 50/81 von 1995
20 UNDP (2003), S. 7
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
auch die realistische Einschätzung der
Situation in ihren jeweiligen Gastländern.
Der häufig geäußerte Wunsch, nach Westeuropa oder Nordamerika auszuwandern, ist
zum Teil darauf zurückzuführen. Die von
der UNDP publizierten und von Prism
Research Institut ermittelten Zahlen von fast
65 % ausreisewilligen Jugendlichen sind
dabei aber mit Vorsicht zu interpretieren.
Zahlen zwischen 60 und 70% ausreisewilligen jungen Menschen werden seit Jahren als
ein zentrales Argument in der Debatte um
Jugendliche in Bosnien
und Herzegowina von
der
internationalen
Gemeinschaft genannt.
Bei dieser Argumentation
wird übersehen (und das
ist der Fall in fast allen
vorliegenden
Studien),
dass diese hohe Quote in
der betreffenden UNDP
Studie
sehr
wohl
differenziert wird.
Bei der 2003 erstellten
Befragung antworteten
von 1000 Befragten
(zwischen 15 und 30
Jahren) insgesamt knapp
25 % 21, sie würden das
Land gerne für immer
verlassen, und rund 40 % 22 erklären, sie
würden gerne zeitweise zum Arbeiten ins
Ausland gehen. Zu Studienzwecken würden
gerne weitere rund 12 % zeitweise ins
Ausland gehen23. Von denjenigen, die das
Land gerne für immer verlassen würden,
gaben rund die Hälfte (50,8 %)
grundsätzliche Perspektivlosigkeit und über
42,2 % ökonomische Gründe an. Nur 3,3 %
hatten
politische
und
2,5
%
Sicherheitsgründe angeführt..
Auch zeigt die Studie, dass nur ein geringer
Teil der Befragten (17,6 %) bereits konkrete
Schritte unternommen hat um das Land zu
verlassen.24
Diese Zahlen zeigen sehr deutlich, das der
weitaus größte Teil der Jugendlichen, die das
FBiH 24,8 %; RS 23,7 %
FBiH 34,7 %; RS 49,2 %
23 FBiH 14,7 %; RS 9,5 %
24 UNDP 2003: Annex S. 49
21
Land zumindest temporär verlassen wollen,
dies aus ökonomischen Gründen tun würde.
Gleichzeitig spielen „nur“ rund 25 % mit
dem Gedanken, das Land endgültig zu
verlassen. Aber auch 25 Prozent sind eine
relevante und beängstigend große Zahl, die
sehr ernst genommen werden muss. Diese
Zahlen zeigen vor allem die Wichtigkeit der
ökonomischen Perspektiven für die Jugendlichen und damit einen sehr konkreten Ansatzpunkt für die Förderpolitik.
Abb.: Sonntags für den
Einkaufsstraße in Zvornik
Verkehr
gesperrt.
Fakt ist die extrem hohe Unzufriedenheit
junger Menschen und die scheinbare Lösung
dieser Probleme durch Wegzug. Diese
Perspektive behindert in starker Weise
Investitionen in das eigene Land und das
eigene Umfeld.
Fast alle der befragten Organisationen benennen fehlende Energie, Lethargie und
mangelnde Eigeninitiative als ein große
Probleme bei der Arbeit mit der Zielgruppe.
Erklärungsversuche wie Perspektivlosigkeit,
Traumatisierung und massive soziale und
finanzielle Probleme gehen vermutlich in die
richtige Richtung, aber eine genauere Untersuchung fehlt hier.
22
15
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.
Förderbereiche
Junge Menschen müssen ernst genommen
werden und systematisch in die Verantwortung
genommen
werden.
Viele
Organisationen versuchen, Jugendliche in
ihre Programme zu integrieren bzw. legen
gezielt Jugendprogramme auf. Häufig
basieren diese Programme aber eher auf
zufälligen ad hoc Entscheidungen. Wirkliche
Strategien zum Umgang mit jungen
Menschen in Nachkriegsländern liegen
hingegen kaum vor.
Bosnien und Herzegowina braucht eine
Jugendpolitik. Bisher gibt es keine überregional oder gar national verankerten politischen Gremien, die sich originär für
Jugendliche und junge Erwachsene zuständig fühlen und für diese Gruppe einsetzen.
Zwar existieren auf Entitätsebene mittlerweile offiziell zuständige Stellen (das
Bildungsministerium in der RS sowie das
Ministerium für Bildung, Wissenschaft,
Kultur und Sport in der FBuH), aber diese
treten kaum öffentlich in Aktion und sind
auch personell schwach besetzt. Auf
zentralstaatlicher Ebene ist das Ministerium
für Zivile Angelegenheiten zuständig,
allerdings gehen von hier kaum Impulse aus.
Auch die Internationalen Organisationen
haben keinen ausdifferenzierten Ansatz für
die Jugendarbeit.
In diesem Kapitel werden unterschiedliche
Arbeitsfelder der Jugendarbeit in Bosnien
und Herzegowina kurz skizziert und beispielhaft Arbeitsansätze von Jugendorganisationen vorgestellt. Zu jedem Bereich
werden Empfehlungen gegeben, die überwiegend auf den Interviews und Gesprächen
basieren.
3.1 Jugendpolitik
3.1.1
Problemanalyse
Noch immer gibt es in Bosnien Herzegowina keine staatliche Koordination und
kein klar formuliertes Jugendprogramm. Die
im Sommer 2005 gegründete Kommission
16
zur Koordinierung von Jugendbelangen
(unter anderem von der GTZ unterstützt)
soll in diese Richtung arbeiten.
Minister Halilović vom Ministerium für
Zivile Angelegenheiten hat die GTZ im
März 2004 beauftragt, einen Vorschlag für
eine staatliche Institution zur Erarbeitung
einer youth policy zu machen. Die GTZ hat
daraufhin einen Vorschlag erarbeitet, der
u.a.
die
Gründung
einer
Jugend
Kommission empfohlen hat und diesen
Vorschlag mit UNDP, Weltbank und
anderen
relevanten
Akteuren
im
Jugendbereich beraten.
Basierend auf diesem Vorschlag der GTZ
wurde im Sommer 2005 vom Ministerium
für Zivile Angelegenheiten die Gründung
der Kommission zur Koordinierung von
Jugendbelangen beschlossen.
Die Kommission beschäftigt sich neben der
Jugendarbeit vor allem mit Jugendförderung
d.h. mit allen Angelegenheiten, die die
Jugend betreffen von Arbeitslosigkeit,
Jugendbeschäftigung bis hinzu Mobilität.
Ziel der Kommission ist es eine youth policy
und
ein
Jugendförderprogramm
zu
erarbeiten. Die Kommission setzt sich
zusammen aus je einem Vertreter aus der
Präsidentschaft, des Ministerrats von BuH,
des Ministeriums für zivile Angelegenheiten,
des Außenministeriums, der Direktion für
europäische
Integrationen,
der
Distriktverwaltung Brčko, der Regierung der
RS und der Regierung der FBiH. Weiterhin
gehören
10
Jugendvertreter
der
Gesamtgruppe
an,
die
von
Jugendorganisationen
ausgewählt
und
vorgeschlagen wurden. Noch bleibt
abzuwarten wie erfolgreich dieser Versuch
letztlich sein wird. Gleichwohl unterstreicht
dieser erste staatlich getragene Ansatz die
Wichtigkeit einer abgestimmten Youth
Policy und zeigt gleichzeitig wie schwer dies
unter
den
derzeitigen
politischen
Verhältnissen in BuH zu erreichen ist.
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Jugendpolitik (Youth Policy) steht für das
Verhältnis der Regierung(en) zur Jugend.
Um ein sinnvolles Jugendkonzept und eine
Entwicklungsstrategie für die Jugendpolitik
im Land zu haben, müssen Regierungs- und
Verwaltungsstrukturen geschaffen werden.
Die Kommission zur Koordinierung von
Jugendbelangen ist dafür ein erster Schritt.
Es ist sehr schwer, die Werte und Bilder aus
der sozialistischen Vergangenheit trotz der
vielfältigen Demokratisierungsprozesse zu
verändern. Die Jugend ist mehr oder
weniger aus den politischen Strukturen
ausgeklammert und allgemein sehr wenig
oder überhaupt nicht an Politik interessiert,
geschweige denn politisch engagiert. Politik
ist schon fast ein Schimpfwort und wird oft
mit
Korruption
und
Nationalismus
gleichgesetzt. Die Jugendlichen setzen
gesellschaftliches
Engagement,
Umweltengagement etc. meist nicht in einen
politischen Kontext. Politik wird in der
Regel
parlamentarischer
Politik
gleichgesetzt.
In Bosnien und Herzegowina gibt es keine
Tradition von aktiver und partizipativer
Teilhabe von Jugendlichen an der Gesellschaft, keine langjährigen Erfahrung von
Schulparlamenten oder von vom Staat unabhängige Jugendorganisationen. Es ist deswegen für die Jugendlichen sehr schwer,
selbstständig eigene neue Ansätze zu
entwickeln bzw. die Instrumentarien das
durch die Internationale Gemeinschaft
(International Community, IG) in die
Länder gebracht wurde, schnell zu
akzeptieren und aktiv zu benutzen.
Beteiligung Jugendlicher
Die Beteiligung Jugendlicher und junger
Erwachsener an der Entwicklung der
Jugendpolitik muss zu einer Selbstverständlichkeit werden. Aktive Teilhabe von jungen
Menschen an Aktionen und Entscheidungsprozessen auf lokaler und regionaler Ebene
ist von zentraler Bedeutung beim Aufbau
einer demokratischen Gesellschaft. Darüber
hinaus müssen die lokalen und regionalen
Autoritäten sich aktiv für die Förderung von
Jugendbelangen einsetzen.25
Jugendpolitik in diesem Zusammenhang
beinhaltet alle Bereiche, die die Entwicklung
junger Menschen innerhalb der Gesellschaft
betreffen sowie die Schaffung eines
positiven Lebensumfeldes. Konkret betrifft
das die Bereiche formale und informelle
Bildung, Sozialpolitik, Gesundheitsvorsorge
(auch
im
Bereich
Familienplanung/Verhütung), Beruf, Kultur, Sport,
Freizeit und andere.
Die Berichte der UNDP von 2000 und
200326 kommen zu dem Ergebnis, das sich
die jungen Menschen marginalisiert und von
Entscheidungsprozessen
ausgeschlossen
fühlen. Auch wenn sich die Situation langsam bessert, ist die Situation nach wie vor
bedenklich. Die geringe Teilhabe an politischen Prozessen und die geringe Aufmerksamkeit, die diese Gruppe erfährt, sind wichtige Gründe für die vielbeschworene
Apathie und Frustration (nicht selten
Depression), unter der die jungen Menschen
leiden.
Öffentlichkeit
Die Probleme der jungen Menschen finden
in der Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit.
Jugendthemen sind in den bosnischen
Medien kaum vertreten. Zwar schaffen es
einzelne Projekte aufgrund ihrer Größe
und/oder ihrer guten Öffentlichkeitsarbeit
immer wieder, in den Medien repräsentiert
zu werden. Dabei geht es aber meist um die
Aktion respektive das konkrete Projekt, die
dahinter liegende Problematik bleibt aber
unberücksichtigt. Das Bewusstsein für die
schwierige Situation junger Menschen in
BuH ist darum in der Öffentlichkeit kaum
vorhanden. Gleichzeitig fühlen sich die
jungen Menschen weder in den Medien
noch
in
der
Politik
ausreichend
repräsentiert.
25 OSZE und CoE 2002: European Charter on youth
participation in local and regional life, 2002 und
UNDP 2004: JAZVAC Javno zagovaranje za akcioni
plan mladih na lokalnom nivou, S. 5
26 UNDP 2000: Human Development Report Bosnia
and Herzegowina 2000, Youth, S. 5 und UNDP
2003: Youth in BiH, S. 7
17
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.1.2
Erfahrungen
Ansätze der Internationalen
Gemeinschaft
Verschiedene Organisationen versuchen
diese Themenkomplexe aufzugreifen.
Ein weiteres Beispiel ist der Ansatz der
GTZ, ein Netz von Jugendpflegern
auszubilden
und
in
ausgewählten
Gemeinden zu etablieren.
Im
Gegensatz
zu
anderen
Multiplikatorenprogrammen bildet die GTZ
als erste und bisher einzige Organisation in
BiH,
kommunale
Mitarbeiter
der
Administration zu Jugendpflegern bzw.
Youth
Officern
(Referenten
für
Jugendfragen) aus.
Der Kurs wurde von der GTZ entwickelt
und durchgeführt. Bis dato sind 20 Personen
ausgebildet. Der Kurs wurde von einer
italienischen Organisation, die auch mit
Jugendlichen arbeitet, für weitere 30
Gemeinden übernommen.
Das weiter oben erwähnte Youth Council ist
ein Ansatz. Ein weiteres Beispiel ist der
Ansatz der GTZ, in einer Beispielregion ein
Netz von Jugendpflegern auszubilden und in
ausgewählten Gemeinden zu etablieren. Die
UNDP vertritt das Modell der Youth
Officer, die in die derzeit 5 Municipalities
sogenannte Youth Info Center betreiben. In
der Vergangenheit hat die UNDP mit der
Omladinska Informativna Agencija (OIA)
Jugendparlamente gefördert, die heute keine
Relevanz mehr haben. Das stark von der
OSZE getragene LOV Programm der
lokalen
Jugendvertretungen
(Lokalne
27
Omladinski Vijećne) zur Koordination auf
kantonaler Ebene ist ein weiterer Ansatz,
der versucht, lokale Koordinationsstrukturen
zu
etablieren
und
die
Jugendpolitik zu stärken.
Das LOV Programm wurde von den meisten
Befragten als gut gemeinter, aber gescheiterter Ansatz
angesehen. Der Versuch, sich auf regionaler Ebene
zu koordinieren, sei grundsätzlich zu begrüßen, aber
oft mangels Geld (Fahrtkosten), fehlender
Vernetzung (fehlender Telefonanschluß oder
Internetzugang) oder Personal (fehlende feste
Jugendarbeiter) gescheitert. Der Wunsch der IG hat
die Voraussetzungen im Land nicht genug
berücksichtigt.
27
18
Unzählige Trainingsseminare versuchen
Jugendarbeiter mit der Problematik vertraut
zu machen. Gleichwohl fehlt ein koordinierender Ansatz. Viele Ausbildungsprogramme sind selbstgestrickt und arbeiten
zum Teil ohne Absprachen in der gleichen
Region (teilweise wissen sie nicht von einander), während andere Regionen komplett
unberücksichtigt bleiben. So engagiert diese
Programme oft starten, scheitern sie oft an
dem Punkt, an dem das ausländische Engagement ausbleibt. Oft versuchen diese
Ansätze ein neues System zu etablieren, das
die bestehenden lokale Strukturen nur ungenügend berücksichtigt und nach dem Rückzug der internationalen Geldgeber wieder
zusammenbricht.
3.1.3
Empfehlungen
Um die Situation der Jugendlichen im
Bewusstsein der Öffentlichkeit besser zu
verankern und ihre Wahrnehmung im
politischen System zu verbessern, werden
folgende Vorschläge gemacht:
⇒ Förderung von gesamtstaatlichen und
von der Regierung getragenen Konzepte
zur Formulierung und Implementierung
einer einheitlichen Youth Policy
⇒ Austauschprogramme und Partnerschaften mit deutschen Behörden und
mit Jugendeinrichtungen.
Ziel: Praktikumsmöglichkeiten für
Jugendarbeiter aus Bosnien Herzegowina
in deutschen Organisationen. Bereitstellung von fachlichem Know How für
die Behörden.
⇒ Entwicklung eines mit den lokalen
Behörden abgestimmten Konzepts für
Jugendinfobüros und Jugendzentren.
Ziel: Einrichtungen, in denen sich
Jugendliche informieren können und die
ihnen als Anlaufstelle dienen. (abgestimmt mit Ansätzen von GTZ, UNDP
u.a.) Eine langfristige Finanzierung und
eine Verankerung in lokale Strukturen
muss gesichert sein.
⇒ Ausbildung von Jugendarbeitern.
Ziel: Qualifizierte Jugendarbeiter im
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
ganzen Land. Erstellung eines Ausbildungskonzepts, das von bosnischen
Organisationen mitentwickelt wird und
mittelfristig von diesen umgesetzt
werden kann. Den Hochschulen kommt
hier eine Schlüsselrolle zu.
⇒ Lobbying auf internationaler Ebene
durch große Organisationen (UNDP,
OSZE, CoE, OHR, Weltbank)
Ziel: Aufbau von Jugendministerien bzw.
klaren Zuständigkeiten in den
bestehenden Ministerien. Vereinheitlichung der Jugendgesetzgebung und
Aufbau eines eigenen Budgets für
Jugendförderung.
⇒ Ausbildung und Förderung von (jungen)
Journalisten nd Politikerprogramme
gezielt zum Thema Jugend und Junge
Erwachsene.
Ziel: Die Sichtbarkeit der Jugendlichen
zu erhöhen und ihre spezifische Situation und ihre Probleme ins Bewusstsein
der Öffentlichkeit zu bringen.
19
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.2 Schulbildung
Das Recht auf Bildung ist ein Grundrecht.28
Die Schulbildung spielt dabei eine herausragende Bedeutung. Investitionen in diesem
Bereich sind der beste und direkteste Weg
eines Landes zur Förderung seines ökonomischen und sozialen Gewinns und zudem
zentraler Baustein einer demokratischen
Gesellschaft.29 Das Verhältnis von Bildung
und ökonomischer Situation eines Landes
steht in direkter Korrelation. Es ist unumstritten, dass das Recht auf Bildung die
Grundlage bei der Entwicklung von zivilen,
kulturellen, politischen, sozialen und ökonomischen Werten einer Gesellschaft
darstellt.
Bildung und Kultur spielen eine zentrale
Rolle, wenn es darum geht, das gegenseitige
Verständnis und Vertrauen zwischen verschiedenen Völkern zu stärken. Dies trifft
insbesondere auch auf Bosnien und Herzegowina zu. Dabei ist die Erziehung zur
demokratischen Staatsbürgerschaft von
besonderer Bedeutung.30 Eine funktionierende
Demokratie
braucht
gut
informierte,
verantwortungsbewusste,
28 Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte, Artikel
26.
(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Der
Unterricht muss wenigstens in den Elementar- und
Grundschulen unentgeltlich sein. Der
Elementarunterricht ist obligatorisch. Fachlicher und
beruflicher Unterricht sollen allgemein zugänglich
sein; die höheren Studien sollen allen nach Maßgabe
ihrer Fähigkeiten und Leistungen in gleicher Weise
offen stehen.
(2) Die Ausbildung soll die volle Entfaltung der
menschlichen Persönlichkeit und die Stärkung der
Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten
zum Ziele haben. Sie soll Verständnis, Duldsamkeit
und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen
rassischen oder religiösen Gruppen fördern und die
Tätigkeit der Vereinten Nationen zur
Aufrechterhaltung des Friedens begünstigen.
(3) In erster Linie haben Eltern das Recht, die Art der
ihren Kindern zuteil werdenden Bildung zu
bestimmen
29 UNICEF 2000: The state of Worlds´s children
2000, UNICEF Report S. 47
30 Vgl. Council of Europe, Final Declaration of the
Heads of State and Government der Mitgliedsstaaten
des CoE. Straßburg, 11. Oktober 1997 S. 1 ff
www.coe.int.
20
engagierte und kritische Bürgerinnen und
Bürger, denen bewusst ist, dass das Leben in
einer Gemeinschaft auch bestimmte Pflichten miteinschließt.
Die „zentrale Aufgabe aller pädagogischen
und andragogischen Aktivitäten muss deshalb sein, heutige und zukünftige Bürger für
ihre aktive Mitwirkung an und ihren Beitrag
zur Gemeinschaft bei der Gestaltung ihrer
Angelegenheiten und bei der Lösung ihrer
Probleme zu befähigen.“ 31
Bildung in Bosnien und
Herzegowina
Das Schul- und Bildungssystem in Bosnien
und Herzegowina ist einem starken Wandel
unterworfen. Der Wechsel von einem sehr
direktiven Schulsystem zu einem eher
demokratischen, partizipativen System stellt
sowohl Lehrer als auch Schüler vor viele
Probleme.
Das Thema Bildung ist in BuH viel zu spät
mit der notwendigen Aufmerksamkeit
bedacht worden. Die Architekten des DPA
scheinen die zentrale Bedeutung der Bildung
überhaupt nicht beachtet zu haben, dabei
kann die Wichtigkeit eines modernen und
gerechten Bildungssystems bei der Entwicklung eines demokratischen Staatswesens
kaum überschätzt werden. Im Frühjahr 2002
erklärte der 1. Stellvertreter des Hohen
Repräsentanten Donald Hays in einer Rede:
„Wir bearbeiten dieses Thema sehr spät,
eines, das als ein zentrales Thema für die
Nachkriegserholung
BuHs
angesehen
werden sollte und das definitiv den Erfolg
oder Misserfolg aller Anstrengungen für ein
freies, demokratisches und stabiles BuH
beeinflussen wird.“32
Die OSZE bekam 2002 die Aufgabe übertragen, die Bildungsreform zu koordinieren.
Ihre Aufgabe ist, als vermittelnde und
koordinierende Instanz zwischen den
landesweit insgesamt 14 (2 Entitiäten, 10
Kantone, Brćko und Gesamtstaat) für
Bildung zuständigen Ministerien aufzutreten.
31
32
Dürr ua.a. 2004: S. 11
Zitiert nach Perry 2003: 3. Übersetzung Emrich
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.2.1
Abb: Karneval in Mostar
Dieses Nachkriegsbildungssystem ist zum
gegenwärtigen Zeitpunkt extrem unübersichtlich aufgebaut. Die rechtliche und
curriculare Verantwortung ist in der Föderation verteilt auf die 10 kantonalen Ministerien. Das Ministerium für Bildung,
Wissenschaft, Kultur und Sport der
Föderation übernimmt eine überwiegend
koordinierende Rolle ohne größeren Einfluss. In der RS wird der Bildungsbereich
zentral über das Bildungsministerium in
Banja Luka geregelt. Zusätzlich gibt es noch
das Amt für Bildung im unabhängigen
Distrikt Brčko. Ein gesamtstaatliches
Ministerium fehlt derzeit noch und die Aufgabe wird vom Ministerium für zivile Angelegenheiten mit übernommen. Das daraus
resultierende Bildungssystem ist nicht nur
fragmentiert, sondern hat auch qualitativ
stark eingebüßt: so sind die Lehrmethoden
und Curricula des alten Jugoslawiens in
weiten Teilen übernommen worden33 und
haben sich seit den 80iger Jahren nicht
weiterentwickelt.
Die Rolle der Lernenden ist häufig auf die
Rolle des Zuhörers reduziert, der das auswendig lernen soll, was er vorgesetzt
bekommt. Der Lernprozess wird nicht interaktiv gestaltet, die Kenntnisse der Lernenden werden nicht aktiv mit einbezogen.
Für eine Demokratieerziehung ist es jedoch
von absoluter Wichtigkeit, dass die
Lernenden auch in der Schule befähigt
werden sich ein eigenes Bild zu machen,
eigene Gedanken zu formulieren und ihre
Urteilskraft zu stärken.
33
Vgl. UNDP2003: S. 8
Zustand der Schulen
Der Zustand an den 295 weiterführenden
Schulen mit ihren rund 170.000 Schülern in
Bosnien ist nur schwer in ein paar Sätzen
zusammenzufassen. Es gibt, insbesondere in
den
großen
Städten,
hervorragend
ausgestattete Schulen und motivierte Lehrer.
Gleichzeitig gibt es aber nach wie vor viele
Schulen, die weit hinter jedem europäischen
Standard zurückfallen und kaum adäquate
Lehr- und Lernmöglichkeiten bieten.
Grundsätzlich kann sowohl von einer
regionalen Ungleichheit gesprochen werden
(so ist laut OSZE die Situation im Kanton 5
noch wesentlich schlechter als in anderen
Landesteilen) als auch vor allem von einem
massiven Stadt- Land-Gefälle, mit einer
wesentlich schlechteren Ausstattung der
Schulen in den ländlichen Regionen. Dazu
kommt die spezielle Situation von nach wie
vor 5434 Schulen in der Föderation, die
jeweils eine bosniakische und eine kroatisch
bosnische Schule beherbergen, aber von der
Administration, dem Lehrkörper und dem
Curriculum her völlig unabhängig funktionieren (2 Schulen unter einem Dach). In
manchen Städten sind die Schulen so überbelegt, dass die Schüler nur im
Schichtbetrieb die Schule besuchen können.
Dazu kommt die extrem komplexe Frage
der
Curriculumsentwicklung
unter
Berücksichtigung
der
sprachlichen
Unterschiede und der so genannten „vitalen
nationalen Interessen“.
Eine OSZE-Erhebung vom Herbst 2003
bestätigt, dass eine erhebliche Anzahl von
Schulen über völlig unzureichende Bedingungen verfügen. Leider wurde diese
Untersuchung, die alle Schulen in BuH ein34 Stand 5/2005 Die Schulen sind in den Kantonen:
Zenica-Doboj (Canton 4); Central Bosnien (Canton
6) und Herzegovina-Neretva (Canton 7). In diesen
Schulen haben die überwiegend bosniakischen bzw.
kroatisch Bosnischen Schüler und Lehrer praktisch
keinen direkten Kontakt. In einigen Schulen betreten
die Schüler die Räumlichkeiten durch getrennte
Eingänge. In den meisten Fällen sind beide Schulen
auch juristisch komplett getrennte Rechtspersonen
(Ausnahmen sind die Schulen in Vareš und Žepče
sowie das erste Gymnasium in Mostar). Weiterhin
gibt es viele Schulen in der FBuH die ursprünglich
zusammen gehört haben und nun auch räumlich
getrennt sind.
21
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
schloss und umfangreiche Daten über den
materiellen Zustand der Schulen umfasst,
nie adäquat ausgewertet. Insgesamt hat die
Qualität des Schulsystems durch den Krieg
und die Kriegsfolgen in allen Bereichen
massiv gelitten.35
Eine unzureichende Bildungs- und Schulpolitik führt zu Frustration und verstärkt die
vielfach beklagte Apathie sowohl bei
Schülern als auch bei Lehrern.
3.2.2
Das Bildungssystem
Die Verwaltungsebenen konkurrieren miteinander bzw. behindern sich gegenseitig.36
Das Bildungssystem ist deswegen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern
extrem ineffizient und teuer. (UNDP
2003:83)
Bislang scheiterte die Umsetzung von
Reformvorhaben oft an der mangelnden
politischen Bereitschaft. So wichtig die
politischen Bekenntnisse zu einem einheitlichen modernen bosnischen Bildungssystem
sind, so schwierig gestaltet sich die praktische Umsetzung. Im Schulbereich wurde
zwar mittlerweile ein Rahmengesetz auf der
Bundesebene erlassen, das ein einheitliches
Rahmencurriculum für alle Schulen in BiH
und erweiterte Partizipationsmöglichkeiten
Tageszeitung San vom 17.08.2003 / Seite 3
Es kann nur angenommen werden, wie viele
Analphabeten es in BuH gibt, weil niemand genaue
Angaben hat. Es gibt allerdings einige Hinweise
darauf, dass sich die Zahl sich um etwa 25 % von der
gesamten Bevölkerung bewegt. Eine noch
alarmierendere Einschätzung ist, dass in BuH zur
Zeit etwa 20 % der Kinder des Lesens und
Schreibens unkundig sind.
36 In der RS wurde die Zuständigkeit dem
Bildungsministerium der Entität übertragen. In der
FBiH sind die zehn kantonalen Bildungsminister
zusammen mit den Gemeinden und dem
Föderationsministerium für Bildung, Wissenschaft,
Kultur und Sport zuständig. Der Distrikt Brčko hat
zudem eine eigenständige Bildungsverwaltung.
Zusammen mit dem Ministry for civil affairs auf
Gesamtstaatlicher Ebene sind so
in BosnienHerzegowina insgesamt 14 Ministerien für Bildung
zuständig,
ohne
dass
eine
nennenswerte
Koordination stattfindet.
von Eltern, Schülern und Lehrern vorsieht37,
aber die Ratifizierung und die Umsetzung
gestaltet sich als äußerst problematisch. Das
ist auch im Herbst 2003 durch die Verweigerung der gesetzlich vorgesehenen administrativen Vereinigung der Grund- und
Mittelschulen in gemischten bosniakisch –
kroatisch bosnischen Gebieten deutlich
geworden.
Die Internationale Gemeinschaft hat unter
der Leitung der OSZE in den letzten Jahren
versucht in diesem Bereich einen Reformprozess einzuleiten. Obwohl die OSZE intensiv versucht die unterschiedlichen Interessensgruppen aktiv in den Prozess einzubeziehen, kann bisher kaum von einem Erfolg
gesprochen werden. Teilweise scheint es
sogar, dass die OSZE Verantwortungsbereiche der zuständigen Ministerien
übernommen hat bzw. Verantwortungsbereiche auf die OSZE übertragen wurden,
die sie qua Mandat gar nicht umsetzen kann.
Die Komplexität der Bildungssituation wird
gut in der Grafik auf der nächsten Seite
deutlich:
35
22
37 Framework Law on Primary and Secondary
Education in Bosnia and Herzegovina 2003: Artikel
51.
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Abb: Struktur des Bildungssystems in Bosnien und Herzegowina 38
Mit freundlicher Genehmigung der OSZE. Entnommen OSZE 2005: Raising Debate: Is BiH Respecting its
international commtments in the field of Education. Questions for the Citizens of BiH”; S. 21
38
23
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.2.3
Unterrichtssprache /
Common Core
Curriculum
Aufgrund der Vereinbarungen im Dayton
Peace Agreement haben die Schüler in BuH
das Recht, in ihrer eigenen Sprache unterrichtet zu werden. Dies führt, sollten die
Lehrer, Eltern, Schüler und Ministerien
nicht kooperationsbereit sein, teilweise zu
sehr großen Hindernissen.
In direkter Folge zum Europaratbeitritt 2002
ist im Jahr 2003 ein so genanntes „Common
Core Curriculum“ verabschiedet worden,
das als Rahmengesetz der Vereinheitlichung
und der Überwindung ethnischer Differenzen zwischen den Volksgruppen dienen soll.
Von einem landesweit einheitlichen Schulsystem jedoch, in dem ohne Diskriminierung unterrichtet wird, kann bei weitem
nicht geredet werden. Aus OSZE-Kreisen
ist außerdem eine Reduzierung des Engagements im Bildungsbereich im Hinblick auf
die nähere Zukunft zu vernehmen.
Das Rahmencurriculum, das auch erweiterte
Partizipationsmöglichkeiten von Eltern,
Schülern und Lehrern vorsieht, ist nach wie
vor nicht von allen zuständigen Ministerien
ratifiziert.39
Die Fächer Geographie, Geschichte,
Sprache/Literatur,
Gesellschaftskunde,
Politik, Musik und Kunst wurden durch
Kernlehrpläne zwar teilweise angeglichen,
aber nach wie vor bleiben große Teile in der
Verantwortung der jeweiligen pädagogischen
Institute. 40 Offiziell wurden auch die Einzugsbereiche der Schulen klar geregelt, aber
noch immer ist es keine Seltenheit, dass
Eltern ihre Kinder lieber in Schulen
schicken, in denen ihre jeweilige Volksgruppe die Mehrheit bildet und sie dafür
lange Wege in Kauf nehmen.
Der Unterricht erfolgt in der Föderation
abhängig von der ethnischen Mehrheit der
39 Framework Law on Primary and Secondary
Education in Bosnia and Herzegovina 2003
40 Die Kinder und Jugendlichen lernen heute häufig
nur noch jeweils "ihre" Seite der Wirklichkeit kennen,
d.h. kroatische Kinder die kroatische, bosniakische
die bosniakische etc. Die Kultur ihrer Nachbarn
kennen sie nicht.
24
Schüler in bosnisch oder kroatisch und
richtet sich entsprechend nach den Lehrplänen der entsprechenden Ministerien. In
der Republika Srbska findet der Unterricht
ausschließlich in serbischer Sprache und
nach eigenen RS Lehrplänen statt. Wie in
der vorausgegangenen Grafik deutlich wird,
beziehen sich die Schulen je nach Region
u.U. selbst innerhalb eines Kantons auf
unterschiedliche Pädagogische Institute.
Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass in
Schulen Sonderklassen eingerichtet werden,
wenn 20 oder mehr Schüler einer ethnischen
Minderheit im gleichen Alter vorhanden
sind, in denen sie dann in ihrer Muttersprache unterrichtet werden.
Das Problem geht weit über die praktische
Frage der richtigen Unterrichtssprache
hinaus. Fragen sind z.B.: In welcher Schrift
lernt mein Kind das Schreiben? Welche
Schreibweise wird richtig und welche als
fehlerhaft bewertet? Wie lernt mein Kind bei
einem Schulortwechsel die möglicherweise
neue Sprache/neuen Worte? Was für ein
Geschichtsbild bekommt mein Kind
vermittelt? Wird mein Kind vorurteilsfrei
unterrichtet? In welcher Form kann mein
Kind religiöse Feiertage begehen bzw. wie
wird darauf Rücksicht genommen? (z.B.
Essenszeiten während des Ramadan) etc.
Sonderfall: Kultur der Religionen
Aufgrund der besonderen Relevanz der
Religionen in Bosnien Herzegowina wurde
mit relativ großem Aufwand und unter der
Koordination der OSZE und dem Goethe
Institut versucht, das Fach „Kultur der
Religionen“ als Ergänzungsfach zum bestehenden Religionsunterricht zu etablieren.
Mit einem sehr detailliert ausgearbeiteten
Curriculum wurde 2003 begonnen, 20
Lehrer aus ganz Bosnien für dieses Fach
weiterzubilden, die dann in den 10. Klassen
ihrer Schulen mit einer Wochenstunde dieses Fach unterrichten sollten. Das Angebot
war freiwillig und richtete sich an
interessierte Schulen. Aufgrund einer
Blockade der katholischen Kirche gelang es
nicht, kroatisch-bosnische Lehrer in dieses
Projekt zu integrieren. Nach vielen Anlaufschwierigkeiten wurde im Schuljahr
2004/2005 an 5 Schulen mit dem Unterricht
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
begonnen, wovon die 3 teilnehmenden
Schulen in Sarajevo nach einem eigenen
Curriculum unterrichten. Für das nächste
Jahr ist eine weitere Ausbildungsstaffel geplant, aber die Zukunft des Projektes ist
noch vollkommen unklar.
Schulbücher
Eine sehr große Bedeutung kommt hier
auch den Schulbüchern zu. „Schulbücher
und andere Lernmaterialien wirken über den
Klassenraum hinaus. Sie vermitteln nicht
nur Faktenwissen, sondern auch dominante
Geschichtsbilder, Raum- und Zeitvorstellungen. Sie enthalten Bilder historischer
Akteure und politische und soziale Werte,
die eine Gesellschaft an die nächste Generation weitergeben will. Sie tragen dazu bei,
nationale Selbst- und Fremdbilder zu
konstruieren. In der Geschichte sind Schulbücher immer wieder für die Kriegsführung
instrumentalisiert worden“41. Auch nach
dem Krieg in Bosnien Herzegowina werden
sie zum Teil gezielt für nationalistische Propaganda und Geschichtsfälschung und
häufig zu einer sehr einseitigen Darstellung
missbraucht.
Davon unabhängig erschweren die unterschiedlichen Schulbücher den Schülern
einen problemlosen Wechsel zwischen den
Schulen.
3.2.4
Lehrerausbildung
Das hohe Niveau der Ausbildung an
Schulen und Berufsschulen von der Zeit vor
dem Krieg konnte nicht gehalten werden.
Viele (Hochschul-)Lehrer haben das Land
verlassen, arbeiten für internationale Organisationen oder in der freien Wirtschaft, zumal
die Gehälter vor allem in staatlichen Einrichtungen und damit auch Schulen nach
wie vor sehr schlecht sind. Mit der Veränderung des Schulsystems und der pädagogischen Erfordernisse kommt es auch in den
Schulen zu massiven Veränderungen des
Lehrstils, die von vielen, vor allem älteren
Lehrern, nicht mitgetragen werden. Aber
auch die Ausbildungsstätten für Pädagogen
41
Georg
Eckert
Institut,
Braunschweig:
http://www.gei.de/deutsch/index1.shtml (Zugriff
am 18.08.2005)
sind noch nicht ausreichend mit den neuen
partizipativen Lehrstilen vertraut. Weiterhin
gibt es nur unzureichende Bildungsmöglichkeiten für Schüler, die einer besonderen Förderung bedürfen.
Eine Weiterentwicklung insbesondere im
pädagogischen Bereich hat praktisch nicht
stattgefunden. Frontalunterricht, lehrer- und
nicht schülerzentrierter Unterricht, häufig
veraltete Lehrinhalte und unmotivierte bis
frustrierte Lehrer führen dazu, dass die
Qualität an das alte Niveau nicht mehr
anknüpfen kann. Die Lehrerausbildung
fokussiert stark auf theoretisches, inhaltliches Wissen und hat nur einen geringen
pädagogischen und didaktischen Anteil.42
Die Pädagogischen Institute (7 in der FBuH
und 1 in der RS) sind jeweils nur für eine
ethnische Gruppe zuständig. Eine Studie der
OSZE kommt zu dem Ergebnis, dass an
keinem der Pädagogischen Institute alle im
Bildungsrahmengesetz verankerten Verordnungen übernommen wurden.43
Das bestehende Bildungssystem verfestigt
die Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen und produziert eher Vorurteile, als dass es sie abbaut.
Das Bildungssystem ist für Kinder aus
gemischten Ehen besonders problematisch.
Die ethnische Zusammensetzung des Lehrkörpers ist, insbesondere in den ländlichen
Regionen, extrem unausgeglichen mit einer
Tendenz zu national homogenen Lehrerteams. Dazu kommen teilweise nationalistisch/rassistische Lehrbücher und Lehrinhalte.
Von verschiedenen Organisationen (Step by
Step, Civitas, CoE, EC, KulturKontakt)
werden Lehrerweiterbildungen angeboten.
Aber hier, wie in den meisten anderen
Bereichen, finden keine regelmäßigen
Absprachen zwischen den Anbietern statt:
42 Erschwerend kommt hinzu, das ein großer Teil der
alten Lehrer aufgrund ökonomischer Gründe
(Wechsel der Arbeitsstelle) oder Emigration den
Schulen nicht mehr zur Verfügung stehen.
43 OSZE 19.April 2005: „Raising Debate: Is BiH
Respecting its International Commitments in the
Fields of Education: Questions fort he Citizens of
BiH.“ Appendix 2
25
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
weder in regionaler noch in inhaltlicher
Hinsicht. Auch arbeiten die Anbieter von
Lehrerweiterbildung nur in Ausnahmefällen
mit den Pädagogischen Ausbildungsstätten
des Landes zusammen. Dies beeinflusst
sowohl die Nachhaltigkeit der Weiterbildung
(wenn die Organisationen ihre Projekte
reduzieren oder einstellen werden auch die
entsprechenden Strukturen verschwinden)
als auch die Inhalte. So entsteht eine gewisse
Willkür, die der jeweiligen Donatorenlogik
unterliegt, aber nicht unbedingt mit den
zuständigen Behörden abgesprochen ist.
Weiterhin genügen die Lehrpläne oft nicht
mehr den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Insbesondere im Umgang mit
Computern und Nutzung des Internet sind
starke Missstände zu beklagen. Noch lange
nicht jede Schule verfügt über einen Internetanschluss geschweige denn einen Computerraum.
Das Verhältnis von berufsbildenden und
allgemeinbildenden Schulen (Gymnasien) ist
unausgewogen. Das derzeitige Verhältnis
von ca. 80:20 weicht stark von der Situation
in den EU Ländern (50:50) ab44.
3.2.5
Schüler- und
Lehrermitbestimmung
Die Demokratisierung der Schule wird von
der
internationalen
Steuerungsgruppe
EISSG45 als ein wichtiger Bestandteil der
Reform im Bildungssektor verstanden.46 Vor
diesem Hintergrund kennt das neue
Rahmengesetz für den Schulbereich neue
Schulgremien bzw. neue Befugnisse. Speziell
die Mitbestimmung aller Beteiligten an
schulischen Prozessen und eine größere
Autonomie der Schule sollen Bestandteil des
Schulalltages werden. Die Minister aller
Worldbank Report 2004: Worldbank Report for
Bosnia and Herzegovina, S. 183
45 Education Issues Set Steering Group. Einberufen
von OHR und OSCE zur Koordinierung der
Bildungsreform
46 Vgl. dazu UNDP 2003: 81: “As a result of the
fragmented and ideologised education system in BiH,
some of the principles that have become sine qua
non of education in most European countries have
been pushed to the background. These include a
democratisation of education.”
44
26
Bildungsebenen erklärten die aktive Teilhabe
in einer demokratischen Gesellschaft (ECTAER 2003:9) zu einem der primären
Ausbildungsziele. Das neue Rahmengesetz
sieht aus diesem Grund sowohl eine
Schülervertretung (vijeće učenika) als auch eine
Elternvertretung (vijeće roditelja) sowie eine
gewählte Schulkonferenz als höchstes
Gremium der Schule vor.47
Auch wenn in vielen Schulen mittlerweile
Eltern- und Schülervertretungen formal
existieren, ist das Wissen über diese
Gremien oft minimal und es hat teilweise
den Anschein, als ob diese Gremien nur der
internationalen Gemeinschaft zuliebe bzw.
aufgrund von äußerem Druck gebildet
wurden, aber völlig sinnentleert sind.
Schüler Helfen Leben arbeitet seit 1999 im
Bereich Schülervertretung und ist mittlerweile einer der zentralen Ansprechpartner
in diesem Bereich geworden. Durch die
gezielte Förderung und Weiterbildung von
aktiven Schülern, internationalen Seminaren
mit Schülervertretern aus anderen Ländern,
Erstellung eines SV Handbuchs und Vernetzung von aktiven Schülervertretungen
konnten viele Jugendliche beim Aufbau
einer SV in ihrer Schule unterstützt und das
Bewusstsein für Schülervertretungen insgesamt erhöht werden.
Die Maßnahmen werden alle von den
zuständigen Ministerien und von der jeweiligen Schulleitung genehmigt. Mittlerweile
fragen Lehrer und Schulleitungen aktiv bei
SHL an und bitten um Informationen. Aber
es gibt auch viele Schulleitungen, die dem
Engagement kritisch gegenüber stehen.
Der von SHL verfolgte Peer-Ansatz konnte
in diesem Bereich erfolgreich eingesetzt
werden.
Einschränkend muss bemerkt werden, dass
eine landesweite Vernetzung trotz intensiver
Bemühungen bisher nicht erreicht werden
konnte und viele Schülervertretungen nach
einiger Zeit auch wieder verschwinden. Über
regelmäßige Kontakte mit den aktiven
Schülern wird versucht dieser Entwicklung
entgegenzuarbeiten.
47
Vgl. Emrich, Rickerts: 2005
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.2.6
Berufsvorbereitung
Eine Vorbereitung auf die Zeit nach der
Schule, Unterstützung bei Bewerbungsverfahren
sowie
Hilfe
bei
der
Berufsentscheidung fehlen fast vollständig.
Auch sind die Lehrer nicht ausreichend
qualifiziert, um den Schülern dabei zu helfen
sich auf die Zeit nach der Schule
vorzubereiten. (vgl. dazu den Abschnitt
Hochschule und Berufsbildung)
Berufsqualifizierende Praktika existieren
praktisch nicht.
Schüler der berufsbildenden Schulen haben
meist keine oder unzureichende Möglichkeiten, die Praxisanteile ihrer Ausbildung zu
absolvieren. Die Curricula orientieren sich
kaum am aktuellen Bedarf. Moderne IToder Wirtschaftsberufe werden überhaupt
nicht ausgebildet. Dies verringert die Berufschancen auf dem inländischen wie ausländischen Arbeitsmarkt, so dass viele
Schüler aus Perspektivlosigkeit die Motivation verlieren, eine höhere Ausbildung zu
Ende zu bringen. Ohnehin stellen Schulund Hochschulabsolventen, d.h. junge
Menschen auf der Suche nach ihrer ersten
regulären Arbeitsstelle, derzeit über 50 %
der Arbeitslosen. Das im alten Jugoslawien
unbekannte Konzept der Berufspraktika hat
sich bisher nicht durchsetzen können. Junge
Arbeitnehmer haben darum kaum die
Möglichkeit, außerhalb einer Anstellung
Berufserfahrungen zu sammeln.
Die Praktika in den Berufsschulen werden
häufig nicht als hilfreich oder praxisnah eingestuft. Nicht selten reduziert sich die
Praktikumsphase auf Kaffeekochen oder
Saubermachen. Ausnahmen bestätigen hier
wie überall die Regel.
3.2.7
Empfehlungen
⇒ Weiterbildung der Multiplikatoren/Lehrer im Bereich Demokratieerziehung, Menschenrechte (EDC)
⇒ Unterstützung von (berufsbegleitender)
Lehrerweiterbildung in interaktiven und
partizipativen Lehrmethoden, auch mit
Blick auf die Anforderungen der
modernen Informationsgesellschaft.
Etablierung einer Lehreraus- und Weiterbildung mit Blick auf moderne Lehrmethoden und neue Curricula.
⇒ Unterstützung beim Aufbau von
Schüler- und Elternvertretungen
⇒ Hilfe bei der Ausstattung von Schulen in
abgestimmten Aktionen (insbesondere
im ländlichen Raum) und unter Einbeziehung der lokal zuständigen Autoritäten.
⇒ Unterstützung im Bereich Schulbuchentwicklung
⇒ Hilfe bei der Erstellung von Lehrplänen,
Unterrichtseinheiten und Seminarprogrammen zur politischen Bildung.
Ziel: Die Jugendlichen müssen auf ihre
Rolle als aktive Bürger vorbereitet
werden.
⇒ Entwicklung von Programmen zur
Menschenrechtserziehung. (vgl. Human
Rights School, Helsinki Committee
Belgrad)
Ziel: Das Bewusstsein der Jugendlichen
für Menschenrechte und Grundfreiheiten muss entwickelt werden und diese
Werte internalisiert werden.
⇒ Erarbeiten von Seminarprogrammen für
interkulturelle Fragen, Antirassismus,
Friedenspädagogik, Toleranz.
Ziel: Die Jugendlichen in Bosnien
Herzegowina müssen wieder eine gegenseitige Achtung für die kulturelle Vielfalt
ihres Landes entwickeln. Der Segregation in den Schulen und auch im Freizeitbereich muss aktiv entgegengewirkt
werden und ein Wissen um die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten gefördert werden.
⇒ Umsetzung der Ziele der Internationalen
Gemeinschaft: Freie Schulwahl, gemischte Schulen, Sensibilisierung für die
spezifischen Probleme von Minderheiten
(z.B. Roma) usw.
⇒ Unterstützung bei der Erstellung und
Implementierung eines landesweiten
Rahmengesetzes.
27
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
⇒ Maßnahmen zur Entpolitisierung des
Bildungssystems
Ziel: Die nationalistische Instrumentalisierung der Schulen verhindern.
Abb.:Jugendliche in Križevići
3.3 Hochschulbildung
3.3.1
Situation im Bereich
Hochschulwesen
Nach Beendigung der weiterführenden
Schulen besteht die Möglichkeit, an einer der
sieben Hochschulen in BuH zu studieren.
Das Studium dauert in der Regel vier Jahre
(Medizin sechs) und der Abschluss ist in
etwa mit einem deutschen Diplom, Staatsexamen oder Magister vergleichbar. Diese
Abschlüsse berechtigen allerdings nicht
direkt zur Promotion. Vor einer möglichen
Promotion steht noch ein Postgraduiertenstudium, das mit dem Titel Magister abgeschlossen wird. Die Promotion ist eher mit
unserer Habilitation vergleichbar, da man
damit an den Hochschulen prüfungs- und
unterschriftenberechtigt ist.
28
An den sieben bosnischen Hochschulen
studieren rund 67 000 Vollzeitstudierende.
Die Situation an der Hochschule ist in
vielerlei Hinsicht geprägt durch den vergangenen Krieg und den politischen Bedingungen der Nachkriegszeit. Viele Fakultäten
führten Ihren Lehrbetrieb während des
Krieges unter sehr schwierigen Bedingungen
fort – obwohl viele Kollegen ins Ausland
flohen, viele Gebäude zerstört wurden und
oftmals die Ausstattung komplett verloren
ging. Die primäre Aufgabe der Nachkriegsjahre war zunächst der materielle Wiederaufbau. Der zweite Schritt besteht darin
technische Ausstattung, Forschungslabore
etc. wieder zu erlangen. Wichtige Hilfen gibt
es im Programm „Akademischer Wiederaufbau Südosteuropas“ im Rahmen des
Stabilitätspaktes, unter anderem unter
Federführung des Deutschen Akademischen
Austauschdienstes
(DAAD).
Tempus
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
fördert von europäischer Seite aus Projekte
des Wiederaufbaus, allerdings ist das
erforderliche Antragsvolumen sehr hoch
und die Antragsprozedur sehr langwierig.
Teilweise versuchen Akademiker, die im
Ausland geblieben sind, von dort aus Netzwerke zur materiellen und intellektuellen
Unterstützung aufzubauen, so gibt es nicht
nur mit deutschen, sondern z.B. mit schwedischen Universitäten wichtige Kooperationen.
Das schwerwiegendste Problem heute
scheint nicht unbedingt die Ausstattung zu
sein, sondern der Mangel an Hochschullehrenden einerseits, die Abhängigkeit der
Hochschulbildungslandschaft von politischen Gegebenheiten andererseits. Beides
bedingt sich gegenseitig. Ein drittes wichtiges Thema sind die Reformbemühungen
im Sinne des Bologna Prozesses. Das stark
verschulte System ließe durchaus die
Modifizierung in einen Bachelor-Studiengang zu, viele bürokratische Hindernisse
müssen aber beseitigt werden.
Die Zahl der Studierenden steigt kontinuierlich. Einerseits werden immer mehr außerordentliche Studierende aufgenommen, die
der Universität hohe Studiengebühren
zahlen müssen. Andererseits sehen Schulabgänger immer weniger eine dritte Alternative
neben dem Studium oder der Arbeitslosigkeit. Dem steht die Lehrsituation diametral
gegenüber. Es gibt wenige Professoren und
einen oft hochbegabten Nachwuchs, der
allerdings noch nicht prüfungsberechtigt ist.
Der Mittelbau fehlt an vielen Abteilungen
infolge von Krieg und Emigration fast komplett. Die älteren Professoren stehen nach
jahrzehntelanger Lehre Innovationen des
Hochschulwesens nicht immer offen gegenüber, sind aber für die Fortführung der
Abteilungen unersetzlich. Frontalunterricht
und Wissensvermittlung sind die Regel,
Anleitung zum kritischen wissenschaftlichen
Denken die Ausnahme. Die Studierenden
sind ähnlich wie an den Schulen an einen
hierarchischen Frontalunterricht gewöhnt
können mit Freiheiten im Studium nur
schlecht umgehen.
In vielen Fällen können die Professoren
kaum in die Rente entlassen werden, da für
sie keine Nachfolger zur Verfügung stehen.
Auf dem akademischen Nachwuchs
(Assistenten) liegt ein hoher Druck, sehr
viele Aufgaben zu übernehmen und dabei
sehr zügig zu promovieren, um dann die
ältere Generation ersetzen zu können.
Selbst wenn es die Möglichkeit zur Promotion im Ausland gibt, gibt es oft Probleme,
ob dieser Titel anerkannt wird. Hier gibt es
keine durchschaubaren Regelungen. Teilweise scheitern Stipendienprogramme zur
Förderung des akademischen Nachwuchses
daran, dass zwar postgraduales Studium im
Ausland gefördert wurde, dann aber das
Geld zur Nostrifizierung der Abschlüsse
fehlt.
Die Problematik der fehlenden Hochschullehrer wurde verschärft, indem sich nach
dem Krieg immer mehr Fakultäten und
Lehrstühle gründeten. Ausschlaggebend sind
nicht der Bedarf oder die Realisierungsmöglichkeiten (Lehrkörper und Ausstattung,
Bibliotheken), sondern der politische Wille.
Oft wird dann die Wahl des Studienortes
nach ethnischen Zugehörigkeiten entschieden. Besonders brisant ist dieses Problem in
Mostar mit seinen zwei Universitäten in Ost
und West. Viele Abteilungen gibt es an
beiden Universitäten, obwohl Ausstattung
und Hochschullehrer schon für eine nicht
reichen würden.
Gelöst wird der Dozentenmangel oft durch
Gastprofessoren. Zum Einen gibt es Gastprofessoren aus dem Ausland, die dann
kompakt in einigen Tagen den Lehrstoff
eines Semesters oder gar Studienjahres vermitteln. Um damit umgehen zu können,
wäre eine Modularisierung des Curriculums
notwendig. Zum Anderen wird sich mit
Reiseprofessoren aus BuH und aus der
Region beholfen. Erfreulich ist daran, dass
die Notwendigkeit ethnische Grenzen zum
Teil außer Acht lässt und zum Beispiel
Gastprofessoren aus Kroatien und Serbien
an die Universität Tuzla reisen. Verheerend
ist daran, dass es oft ein mangelndes
Verantwortungsbewusstsein gegenüber den
Studierenden gibt und die Reisedozentur vor
allem als guter Nebenverdienst geschätzt
wird.
29
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
funktioniert oft besser als die innerhalb des
Landes. Hier wäre dringend eine Steuerungsfunktion durch die Donatoren erforderlich. Bei Gerätespenden etwa sollte
diskutiert werden, wie und von wem Geräte
am ergiebigsten genutzt werden können. Es
kann nicht sinnvoll sein, dass beispielsweise
alle
landwirtschaftlichen
Fakultäten
autonom voneinander agieren wollen und
alle die gleichen Geräte anschaffen müssen –
mit internationaler Hilfe. Ein Einfordern
von Kooperationen zur sinnvollen Ausnutzungen neuer Labore etc. ist zumindest für
die beiden Universitäten in Mostar sowie die
Universität in Sarajevo und in Sarajevo Ost
sinnvoll.
Das Modell der „außerordentlichen
Studierenden“ zeigt deutlich, wie verschult
und rein wissensorientiert das Studiensystem
ist: Durch eine Art Fernstudium können
Studierende (gegen relativ hohe Bezahlung)
ihr Studium absolvieren ohne an Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Das Studium
besteht darin, die angegebenen Leselisten
abzuarbeiten und das Wissen aus den
Büchern möglichst exakt wiedergeben zu
können. Eigenständige Arbeiten werden
während des Studiums außer bei der
Diplomarbeit nicht erwartet
Studierende beklagen häufig die fehlende
Motivation ihrer Dozenten, selbst Bestechlichkeit bei der Notengebung ist ein häufig
benanntes Problem. Viele Studierende gehen
nur mit einer geringen Ausgangsmotivation
in das Studium. Häufig ist das Studium eine
Möglichkeit, der drohenden Arbeitslosigkeit
für ein paar Jahre zu entfliehen. Mangels
Studienberatung erfolgt die Studienwahl oft
eher willkürlich und die mangelnden Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt sind ein
weiterer Grund für die fehlende Motivation.
Durch das Fehlen größerer Förderprogramme müssen viele Studierenden neben
dem Studium arbeiten und versuchen, das
Studium mit einem möglichst minimalen
Aufwand zu absolvieren.
Trotz der oft sehr schlechten Studienbedingungen, einem oft sehr streng hierarchischen Verhältnis zwischen Lehrenden und
30
Studierenden und hohen Frustration kommt
es praktisch nie zu einem Protestverhalten
der Studierenden. Streiks, autonome
Seminare - wie in manchen anderen Ländern
– kommen praktisch nicht vor.
Insbesondere von Seiten der OSCE und von
WUS Austria (World University Service),
aber auch von den politischen Stiftungen
und im Bereich von Studentenzeitungen von
SHL wurde viel zur Unterstützung von
Studentenvertretungen getan. Oft scheitert
diese Arbeit jedoch an dem geringen
Bewusstsein der Studierenden davon, dass es
Möglichkeiten gibt, Kritik zu artikulieren
und Rechte einzufordern.
Ein erfolgreiches Beispiel einer selbstorganisierten überregionalen Plattform ist das
„prvi studentski portal za slobodnu i
besplatnu razmjenu informacija na podruèju
ex-yu“ (das erste Studentenportal für den
freien und kostenfreien Informationsaustausch im Gebiet Ex-Yugoslawiens“. (
www.4study.info )
Ein großes Problem ist das Fehlen einer
einheitlichen Rahmengesetzgebung für den
Hochschulbereich.
Eine
landesweite
Gesetzgebung war für Mitte 2004 vorgesehen, konnte aber aufgrund einer „extremen
Politisierung“ bisher nicht durchgesetzt
werden. Im Juni 2004, haben kroatisch
bosnische Politiker mit dem Argument „der
bedrohten vitalen nationalen Interessen“ die
Annahme des neuen Hochschulrahmengesetzes verhindert. Daraufhin verweigerte
die Weltbank den für die Bildungsreform
bereits zugesagten Kredit über 12 Mio. US
Dollar. In diesem Vakuum haben einige
Bildungsministerien angefangen die Gesetzesvorlagen an ihre Vorstellungen anzupassen und teilweise auch zu ratifizieren
(z.B. Kanton West-Herzegowina). Die regionale Implementierung von Gesetzen
erschwert aber die geplante Harmonisierung
auf Bundesebene, die dringend notwendig
ist. Eine einheitliches Gesetzgebung und
entsprechendes Monitoring ist auch für die
Einhaltung der Bologna Vorgaben (gegenseitige Anerkennung von Studienabschlüssen)
dringend
notwendig.
Bosnien
Herzegowina ist zwar im September 2003
dem Bologna Prozess beigetreten, aber bis-
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
her ist nur in einzelnen Hochschulen und
Fakultäten ein Bemühen zu spüren, die
damit verbundenen Vorgaben auch zu
erfüllen. Bisher ist nur die Universität Tuzla
eine einheitliche autonome Institution. Im
übrigen Land sind bisher die einzelnen
Fakultäten
eigenständige
juristische
Personen und folgen teilweise eigenen
Interessen was unter anderem zu einer teilweise sehr undurchsichtigen Finanzpolitik
führt.
Der DAAD und die Boschstiftung haben
Lektorenstellen an Germanistikabteilungen
in Banja Luka, Mostar und Sarajevo. Im
Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa fördert der DAAD trilaterale Hochschulkooperationen
zwischen
einem
deutschen
und
einem
bosnischen
Hochschulpartner und mindestens einem
weiteren in der Region. Weiterhin werden
über den DAAD über 400 Stipendien für
Studierende im Abschlußjahr, Promovierende und Hochschullehrer vermittelt. Es
gibt verschiedene Sonderprogramme wie
Sachmittelprogramme
und
alumniprogramme.
Mit
dem
„GoEast“Programm wird versucht, der einseitigen
Wanderungsbewegung von Südosteuropa
nach Deutschland entgegenzuwirken. Bei
Austauschprogrammen der Hochschulen ist
ein hohes Interesse bei den Studierenden aus
Südosteuropa zu verzeichnen, dem ein
relativ geringes Interesse bei den deutschen
Studierenden gegenübersteht.
Weitere Stipendienprogramme gibt es von
der Konrad Adenauer Stiftung und von der
Heinrich Böll Stiftung. Im Gegensatz zum
DAAD zielen diese Programme darauf ab,
junge Eliten durch Stipendien im Land zu
fördern. Dies geschieht durch die Vergabe
von Stipendien und die Förderung der
Stipendiaten durch inhaltliche Seminare.
Seit 1997 führt die Konrad Adenauer
Stiftung Programme zur Förderung von
Postgraduierten
aus
Bosnien
und
Herzegowina durch, die seit 2002 durch ein
allgemeines Stipendienprogramm für Studierende erweitert wurde. Diese so genannten
Sur-Place-Stipendien werden als wichtige
Maßnahme gegen die andauernde Abwanderung
von
hochqualifizierten
jungen
Menschen gesehen und durch begleitende
Seminare zu gesellschaftspolitisch relevanten
Themen ergänzt. Die KAS konzentriert sich
dabei auf potentielle Führungskräfte überwiegend aus Politik, Jura und wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen und will
diese dabei unterstützen, sich in die Gestaltung des Gemeinwohls einzubringen. Für
Graduierte gibt es Stipendien für Aufbaustudiengänge in Deutschland und die
Möglichkeit für bis zu drei Monate ein
Forschungsstipendium zu erhalten.
Das Regionalbüro der Heinrich Böll
Stiftung in Sarajevo bietet seit 2001 ein
Studienstipendienprogramm für Studierende
aus ganz Bosnien und Herzegowina an, das
sich an Studierende der Geistes- und
Naturwissenschaften wendet. Die bisher 100
Stipendiaten und Stipendiatinnen bekommen ein Grundstipendium und regelmäßige
interdisziplinäre Begleitseminare, die sie
dazu bewegen und dabei unterstützen sollen,
sich für den Aufbau eines demokratischen
Landes zu engagieren. Ein weiteres Ziel des
Programms ist es, der Tendenz entgegenzuwirken, dass junge Menschen aus Bosnien
und Herzegowina ihr Land verlassen.
3.3.1
Empfehlungen
⇒ Förderung von Kooperationsprojekten
verschiedener Hochschulen innerhalb
BuHs und der Region Südosteuropa.
Sinnvoll wäre zum Beispiel die bessere
Vernetzung der einzelnen Abteilungen
des Landes untereinander (z.B. aller
Maschinenbaufakultäten):
⇒ Austauschprogramme auch bei Sachund Gerätespenden. Ziel: Gemeinsame
Nutzung von bestimmter Infrastruktur
z.B. im Laborbereich
⇒ mehr Sur Place-Stipendien, vor allem für
die Förderung des akademischen Nachwuchses (nach Stiftungsvorbild:
Kopplung von akademischem Nachwuchspotential und gesellschaftlichem
Engagement)
31
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
⇒ Förderung von aktiven Studentenvertretungen
Ziel: Unterstützung beim Aufbau einer
demokratischen Hochschule. Aktiven
Rückhalt geben.
⇒ Alumniarbeit, Netzwerke von ehemaligen Geförderten der verschiedenen
deutschen Organisationen etablieren und
als Innovationsnetzwerk fördern
⇒ Austauschprogramme für Hochschullehrer
Ziel: Vernetzung im internationalen
Rahmen. Konfrontation mit internationalen Standards Unterstützung bei der
Curricularentwicklung und Modularisierung
⇒ Unterstützung von Hochschulpartnerschaften
⇒ Infrastrukturelle Unterstützung von
Hochschulen
⇒ Unterstützung bei der Einhaltung der
Bologna Bestimmungen
3.4 Arbeitsmarktsituation /
berufliche Bildung
Ein Arbeitsplatz und ein eigenes Einkommen sind zentrale Anliegen von jungen
Bosniern nach Beendigung der Ausbildungszeit. Diese machen maßgeblich den
Status eines Erwachsenen aus, beeinflussen
das Selbstwertgefühl und beweisen die
Unabhängigkeit.
Jugendliche, die vom Arbeitsmarkt abgeschnitten sind, büßen häufig die Möglichkeit
ein, neue Perspektiven zu entwickeln und
sich positiv in die Gesamtgesellschaft zu
integrieren.
Aus diesen Gründen ist der Förderung von
beruflichen
Perspektiven
für
junge
Menschen ein besonders hoher Stellenwert
zuzurechnen.
3.4.1
Problemanalyse
Im Vergleich zu den westeuropäischen
Ländern sind die Phasen der Vorbereitung
auf das Berufsleben und die damit
verbundenen Prozesse in BuH bisher kaum
32
untersucht. Das Problem des Berufseinstiegs
wurde sowohl von den staatlichen als auch
von den nichtstaatlichen Organisationen
hauptsächlich mit den akuten Problemen der
Arbeitslosigkeit verbunden. Die Situation
auf dem Arbeitsmarkt ist geprägt von der
ökonomischen Transformation hin zu
Kapitalismus und Marktwirtschaft. Zudem
herrscht die Vorstellung vor, dass Schule
und Universität als Vorbereitung auf das
Arbeitsleben ausreichen. Der Eintritt ins
Berufsleben sollte somit die logische
Fortsetzung der Schul- und Hochschulbildung sein, was er aber in der Realität nur
in Ausnahmefällen ist.
Die Jugendarbeitslosenzahlen schwanken
zwischen 45 und 60 Prozent.48
Stellensuche
Die bosnische Gesellschaft ist derzeit kaum
imstande, ihrer Jugend konkrete Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt anzubieten. Im
Gegenteil, die grundsätzlich hohe Arbeitslosigkeit in Bosnien und Herzegowina trifft
die Berufsanfänger besonders hart. Dabei
besteht die Gefahr, in einen Teufelskreis aus
Arbeitslosigkeit,
Marginalisierung
und
Unzusozialer Spaltung zu geraten.49
reichende Berufsperspektiven, ein sehr geringes Lohnniveau und unbefriedigende
Arbeitsbedingungen sind wichtige Gründe
für die hohe Unzufriedenheit, Perspektivlosigkeit und Apathie bei jungen Menschen.
Verstärkt wird dieses Problem durch eine
relativ geringe Mobilität innerhalb des
Landes (u.a. aus familiären und ethnischen
Gründen) und die immer noch häufig auf
Beziehungen
und
familiären
Verpflichtungen beruhende Einstellungspolitik.
Neben der Qualifikation und dem Wohnort
sind ethnische Zugehörigkeit, aber auch
familiärer Hintergrund häufig Gründe, die
über Einstellung oder Nichteinstellung entscheiden. Weiterhin sind familiäre Verpflichtungen bzw. Verbindlichkeiten und
Stellung und Position innerhalb der GesellVgl. OIA 2005, basierend auf Angaben der UN
WPAY Youth Unit
http://www.un.org/esa/socdev/unyin/documents/
wpaysubmissions/bosnia.pdf Zugriff: 20.09.2005
49 Vgl. Europäische Kommission (2002) Weißbuch,
S. 49
48
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
schaft (Partei, religiöse Gruppe etc.)
Gründe, die oft noch vor der fachlichen
Kompetenz den Ausschlag für eine
Einstellung geben können. „Ohne Vitamin
B (stela) bekomme ich sowieso keine Arbeit“
ist ein häufig gebrauchtes Argument für die
fehlende Motivation bei Bewerbungen.
Berufseinstieg
Junge Menschen werden fast orientierungslos in die Berufswelt entlassen. Unterstützung bei der Berufswahl, bei der
Arbeitssuche, bei der Entwicklung von
eigenen berufsrelevanten Ideen oder beim
Start eines eigenen Unternehmens ist
praktisch nicht vorhanden.
Veraltete Lehrmethoden, schlechte Praktikumsstellen und weltfremde Übungsbeispiele während der Schulzeit sowie eine
kaum vorhandene Berufsberatung erschweren den jungen Leuten den Einstieg in die
Arbeitswelt zusätzlich. Bietet ihnen die
Schule noch einen gewissen Schutzraum,
sind sie nach Beendigung der Schulzeit
komplett auf sich allein gestellt. In der
Übergangsphase erhalten sie praktisch
keinerlei Unterstützung. Da sie auch keine
Berechtigung auf staatliche Unterstützung
haben, bleiben viele Jugendliche zu Hause
wohnen und versuchen sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Je länger
diese Phase dauert, desto schwerer wird es
ihnen später fallen, sich in einem regulären
Beruf zurecht zu finden. Die Tatsache, dass
insbesondere öffentliche Arbeitgeber eine
mindestens zweijährige Arbeitserfahrung
erwarten, macht den Einstieg teilweise gar
unmöglich. So bleibt nur noch der Weg in
die Schwarzarbeit und in Jobs, die weit unter
dem Qualifikationsniveau der Berufseinsteiger liegen.
Selbstständigkeit
Selbständigkeit ist eine Möglichkeit, die nur
für einen kleinen Teil der Berufseinsteiger
eine Option darstellt. Nichtsdestotrotz oder
gerade deswegen ist es richtig, den
Unternehmergeist der Jugendlichen zu
fördern und ihnen dabei zu helfen Selbstvertrauen zu entwickeln, darüber hinaus ihre
unternehmerischen Ideen umzusetzen und
sich und gegebenenfalls anderen Stellen zu
kreieren.50 Auch bei einer freiberuflichen
Tätigkeit ist der Einstieg für junge
Menschen extrem schwer. Probleme, mit
denen sie konfrontiert werden sind: Fehlendes Wissen in grundlegenden betriebswirtschaftlichen Fragen, hohe Hürden bei der
Beantragung von Krediten sowie hohen
Steuern, teilweise eine auch für Fachleute
undurchschaubare Bürokratie.
Ausbildung
Dem Bereich Berufsausbildung wird in BuH
noch viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Die Berufsschulen arbeiten nur selten
eng mit den Betrieben zusammen. Es gibt
praktisch keine richtigen Ausbildungsbetriebe. Einzelne Firmen nehmen regelmäßig
oder unregelmäßig (Tage- oder Stundenweise) Berufsschüler auf. Seit der wirtschaftlichen Transformation sind die früheren
staatlichen Strukturen für die staatlich organisierte Berufsausbildung nicht mehr vorhanden. Betriebspraktika oder Betriebstage
für Berufsschüler sind von höchst unterschiedlicher Qualität, und auf Grund der
schwachen Wirtschaft oft gar nicht vorhanden. Entsprechend ist das vermittelte
Wissen in den Berufsschulen kaum an der
Praxis orientiert. Zwischen Fachtheorie und
Fachpraxis besteht keine ausreichende Verbindung. Dabei ist das theoretische Wissen
oft sehr gut, kann dann aber nicht angewandt werden.
Kreativität, eigenständiges Denken und
selbstständige Arbeit werden nicht gefördert.
Es fehlen hier, wie in dem gesamten
Bildungsbereich, Institutionen und klare
Konzepte. Dabei geht es nicht unbedingt
darum neue Strukturen zu schaffen, sondern
eher die Vorhanden auszuweiten und zu
nutzen. Ideal wäre es, diese Struktur landesweit abzustimmen. Auch fehlen abgestimmte und anerkannte Konzepte für eine
methodische, fachliche oder pädagogische
Lehrerfortbildung.
50 Vgl. UN 2003: Youth in BiH 2003: Are you part of
the problem or part of the solution? S. 15 ff
33
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.4.2
Erfahrungen
Im Bereich Berufsförderung und Berufsbildung engagieren sich einige der deutschen
Organisationen:
die
deutsche
Caritas/AGEF, IPAK in der ostbosnischen
Gemeinde Križevići, die GTZ, um nur
einige zu nennen. Wenn man den Bereich
Internetkurse, Trainings in Projektmanagement oder Moderation dazunimmt, sind fast
alle Jugendorganisationen mehr oder
weniger in diesem Sektor aktiv.
Die deutsche Caritas und die AGEF haben
zum Beispiel im Rahmen des Projektes „Der
Jugend eine Chance“ in Berufspädagogischen Zentren innerhalb der Jugendzentren Banja Luka, Presnace, Prijedor und
Kotor Varoš insgesamt über 400 Jugendliche in die Lage versetzt, arbeits- und
berufspädagogische Arbeit zu leisten.
Weiterhin wurden Workshops für die
Arbeitsverwaltungen in Tuzla, Sarajevo,
Banja Luka und Mostar organisiert.
Über eine Bewerberdatenbank sowie durch
Investitions- und Lohnkostenzuschüsse
konnten Arbeitsplätze für Rückkehrer aus
Deutschland geschaffen werden. Existenzgründungstrainings überwiegend für
Rückkehrer haben dieser Zielgruppe bei der
Kreditbeantragung, bei Businessplänen und
dem Start in die eigene Selbstständigkeit
unterstützt.
Für Jugendliche wurden gezielte Weiterbildungen über einen Zeitraum von 6 bis 7
Monaten angeboten. Vom Bereich Landwirtschaft, Landwirtschaftsmaschinen und
-technik über Bauhauptgewerbe, Baunebengewerbe, Technisches Zeichnen bis hin zu
Büroadministration und Bürokommunikation wurden Praktika in ausgewählten
Betrieben angeboten. Außerdem wurden
Praktika im Bereich Holzverarbeitung,
Schreinerei, Druckerei, Textilverarbeitung,
Kochen und Alten- und Krankenpflege
durchgeführt. Nach den Praktika konnte ein
großer Teil der Jugendlichen durch gezielte
Maßnahmen bei der Arbeitssuche unterstützt oder über spezielle Förderprogramme
vermittelt werden.
34
Durch Infrastrukturhilfen zugunsten der
Schulen und anderer Bildungseinrichtungen
konnte auch Jugendlichen außerhalb des
Programms geholfen werden.
Als zentral für das Gelingen der durchgeführten Projekte wurde u.a.
die sorgfältige Auswahl der Praktikumsstellen
die ständige Betreuung durch Jugendsozialarbeiter
Motivation und Selbstbewusstsein durch
Auswahl für den Kurs, bestandene Tests
und deutsches Zertifikat
genannt. Auch wird angegeben, dass die
„deutsche Trägerschaft“ der Kurse eine
erhebliche Rolle gespielt hat.
Die GTZ ist seit 2004 ebenfalls im Ausbildungsbereich aktiv. Basierend auf Sektorenanalysen at sie die Schwerpunktbereiche
Holzverarbeitung, Metalltechnik und Elektrotechnik ausgewählt. Das Wirtschaftsförderungsprogramm der GTZ arbeitet in den
Branchen Holz- und Möbel, Metallverarbeitung, Automobilzulieferindustrie, Textil
und Schuhe sowie Tourismus. Im Rahmen
dieses Programms wurden Existenzgründungsseminare durchgeführt und ein eigener
Verband entwickelt.
Das GTZ Berufsbildungsprojekt unterstützt die Bildungsministerien in BiH bei der
Umsetzung der Berufsbildungsreform. Ziel
des Projektes ist es, die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen/ innen staatlicher
Berufsmittelschulen zu erhöhen. Der
Schwerpunkt des Ansatzes liegt dabei auf
Wirtschaftsorientierung, und der Beteiligung
der Wirtschaft. Die Durchführung erfolgt im
Rahmen einer multiplen Trägerstruktur
gemeinsam mit den zuständigen Bildungsministerien, ausgewählten Berufsmittelschulen
und
Unternehmen
sowie
Unternehmerorganisationen.
Zu den Projektmaßnahmen zählen z.B.:
• Neuentwicklung oder Modernisierung
von Lehrplänen (Curricula), arbeitsprozess- und kompetenzorientiert
• Training von Lehrpersonal in modernen
Unterrichtsmethoden, sowie in
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
fachlichem know-how, Verzahnung von
Theorie und Praxis - Handlungsorient
Umsetzung von Konzepten und Methoden zur Verbesserung der Berufsausbildung, -Qualitätsmanagement
Zertifikate sowohl bei Teilnehmern als auch
beispielsweise bei Arbeitgebern.
Durch die Etablierung von Berufsbildungsdialogen, in denen Vertreter von Staat und
verfasster Wirtschaft gemeinsam an der
Gestaltung betriebsnaher und wirtschaftsorientierter Berufsbildung arbeiten, sollen
die Ergebnisse und Erkenntnisse auf
mehreren Ebenen einwirken.
Bisher sind ausgewählte Berufsmittelschulen
aus Banja Luka, Gradiška, Bijeljina, Živinice,
Stolac und Livno im Projekt beteiligt. Bei
allen Projektmaßnahmen wird auf einen
entitätsübergreifende
Herangehensweise
geachtet.
⇒ Entwicklung von Modellen für die
Arbeitsbeschaffung.
Ziel: in diesem zentralen Bereich müssen
gemeinsame Anstrengungen aller
Akteure gebündelt werden und den
Jugendlichen Perspektiven aufgezeigt
werden.
Die Konzepte der verschiedenen Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Praktikaprogramme sind nur wenig koordiniert.
Absprachen mit lokalen Ausbildungsanbietern oder mit pädagogischen Einrichtungen existieren längst nicht bei allen
Projekten, wobei hier eine Verbesserung
bereits zu erkennen ist. Eine landesweit
anerkannte Zertifizierung von Praktika oder
Weiterbildungen und Ausbildungen existiert
in der Regel nicht.
Viele der Organisationen machen es sich bei
der Ausstellung von Teilnahmebestätigungen relativ leicht. Da dies für alle Internationalen Anbieter in diesem Feld zutrifft
verlieren diese Bestätigungen, Zertifikate,
Urkunden etc massiv an Wert und an Relevanz. Eine Zertifizierung durch einen qualitätsgeprüften Träger würde hier gute
Dienste tun.
Die Weiterbildungskurse des IIZZ DVV51
sind durch die Weiterbildung Test Systeme
Frankfurt (WBT) im Bereich Sprache und
durch Xpert Business Skills resp.Telc im
Bereich Management und Computer
zertifiziert. Diese anerkannten Zertifizierung
garantieren ein einheitlich hohes Niveau der
Kurse und damit eine Akzeptanz der
⇒ Unterstützung von potentiellen Jungunternehmern. Förderung von Unternehmergeist und Vermittlung von betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen. Ziel:
Förderung von Eigeninitiative und
Schaffung von positiven Beispielen.
51 Institut für Internationale Zusammenarbeit des
Deutschen Volkshochschulverbandes
52 Vgl. Europäische Kommission (2002) Weißbuch S.
88
•
3.4.3
Empfehlungen
⇒ Beratung für Berufseinsteiger und Hilfe
bei der Arbeitssuche u.U Kopplung von
Jobcentern an die Arbeitsämter Ziel:
Jugendliche unmittelbar nach ihrer
Schulzeit nicht alleine lassen, sondern sie
entsprechend ihrer Eignung weiterfördern.
⇒ Vermittlung grundlegender betriebswirtschaftlicher Kenntnisse und unternehmerische Initiativen u.a. an Schulen
und Hochschulen52
⇒ Entwicklung und Verbreitung von Ideen
für Existenzgründer. Bedarfsanalysen
und Hilfe bei der Projektauswahl.
⇒ Verbindung von beruflicher Förderung
mit politischer Bildung
⇒ Konzepte für eine methodische, fachliche und pädagogische Lehrerfortbildung
an berufsbildenden Schulen.
⇒ Gründungsdarlehen, Mikrokreditlinie
speziell für die Zielgruppe junge
Berufseinsteiger mit gezielter Förderung
und zielgruppenspezifischer Beratung
sowie Monitoring (ähnliches gibt es für
inhaltliche Bereiche – z.B. spezielle
35
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Förderung im Bereich Landwirtschaft,
oder Büro- und Verwaltungstätigkeiten)
⇒ Kleinprojektförderung durch Kredite
und Zuschüsse für Projekte unter
2 . 500,-€ (Die meisten Förderlinien
setzen erst bei rund 2 500,- € an, was für
junge Berufseinsteiger oft ein zu großes
Risiko darstellt)
⇒ Gezielte Förderung von
Ausbildungsberufen für Mädchen und
Junge Frauen
⇒ Förderung genossenschaftlicher Arbeitsansätze (gemeinsame Nutzung von
Maschinen, gemeinsamer Vertrieb etc.)
⇒ Förderung einer infrastrukturellen
Grundausstattung (gebrauchte
Maschinen, evtl. Partnerschaften mit
deutschen Organisationen). Mittlerweile
sind Strukturen vorhanden, die diese
Hilfe aufnehmen können.
⇒ Entwicklung von Ausbildungsstandards
Ziel: Schaffung anerkannter Ausbildungen für ganz BuH oder noch besser
angelehnt an EU Standards.
⇒ Zertifizierung von Aus- und Weiterbildungsangeboten. Idealerweise eine
Anerkennung durch bosnische
Strukturen. (Ministerium, pädagogisches
Institut, Wirtschaftskammer, Arbeitsamt,
36
oder das in Entstehung begriffene
Bildungsinstitut -vormals Center for
Standards and assessments- etc.).
⇒ Erstellung von Unterrichtsmaterial und
Sammlung bisher erstellter Materialien
(HBS, Caritas, GTZ, UNDP u.a.)
Abb: Jugendzentrum Dom Mladih in Trebinje
Inhaltliche Schwerpunktbereiche
Wirtschaft
Von den meisten Organisationen werden die
folgenden Bereiche für die Berufsausbildung
bevorzugt:
⇒ Holzverarbeitung
⇒ Elektro
⇒ Metallverarbeitung
⇒ Landwirtschaft
⇒ Textil
⇒ Büro- und Verwaltungsarbeit (bzw.
Angebote gezielt für Frauen)
⇒ Tourismus (hier allerdings mit
Einschränkungen aufgrund der Minenproblematik und nur punktuell vorhandener Infrastruktur sowie der großen
Konkurrenz durch die Nachbarländer)
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.5 Zivilgesellschaft / Außerschulische, politische
Bildung
Da Jugendliche traditionell nicht als aktive
Teilnehmer in der Gesellschaft wahrgenommen werden und gleichzeitig sehr
massiv von den sozial-politischen Resultaten
der Transformationsprozesse in der Region
betroffen sind, müssen sie eine neue aktive
Rolle in der Politik und der Gesellschaft
bekommen und bei der Entwicklung des
eigenen Potentials unterstützt werden.
Politische Bildung ist dabei ein wichtiges
Instrument, um Jugendliche auf die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen
vorzubereiten, Werte der Demokratie zu
vermitteln und die eigene Rolle in der
Gesellschaft zu stärken.
3.5.1
Zivilgesellschaft
Der ursprünglich vom italienischen Theoretiker Antonio Gramsci entwickelte Begriff
der Zivilgesellschaft bezeichnet die Gesamtheit aller nichtstaatlichen Organisationen,
die auf den „Alltagsverstand und die öffentliche Meinung“ Einfluss haben. Heute wird
mit diesem Begriff meist die Gesamtheit des
Engagements der Bürger eines Landes
jenseits von staatlichen Entscheidungsprozessen bezeichnet. Dazu gehören alle
Aktivitäten, die nicht profitorientiert und
unabhängig von parteipolitischen Interessen
sind.
Die Institutionen der Zivilgesellschaft sind
demokratisch strukturiert. Verschiedene
Politikwissenschaftler beschreiben die Zivilgesellschaft als Komponente, die neben dem
Staat und den Kräften des Marktes notwendig ist, um eine ideale pluralistische Gesellschaft von engagierten Bürgern zu schaffen.
In der Geschichte Jugoslawiens wie in den
meisten anderen Ländern Ost- und Südosteuropas wurde das zivilgesellschaftliche
Engagement außerhalb der Einflusssphäre
des Staates nicht gefördert und teilweise
sogar massiv unterbunden. In der
Nachkriegszeit förderte die IG, die zum Teil
vertraglich verpflichtet war, mit lokalen
Organisationen zu kooperieren, in massiver
Art und Weise den Aufbau zivilgesellschaftlicher Organisationen. Im Zuge
dessen ließen sich zeitweise über 10 000
lokale
Nichtregierungsorganisationen
(NROs) in BuH registrieren.
Für viele von ihnen bot sich vor allem die
Möglichkeit eine bezahlte Stelle oder
zumindest ein Projekt zu bekommen.
Häufig war die inhaltliche Ausrichtung
Nebensache und wurde je nach Funding
Line auch gerne verändert. In nicht unerheblichem Maße wurden Gelder veruntreut
und für private Belange ausgegeben. An
dieser Entwicklung hat die IG eine gehörige
Mitverantwortung, hat sie doch durch
fehlende Absprachen, fehlende Kenntnisse
der lokalen Situation und fehlendes
Monitoring diese Entwicklung teilweise
sogar ungewollt gefördert.
Gleichwohl soll daraus kein Generalverdacht abgeleitet werden. Viele Organisationen arbeiten hervorragend und die
Tatsache, dass mit einer lokalen Stelle in
einer NRO der Lebensunterhalt gesichert
werden kann, ist weder verwerflich noch
lässt er Schlüsse auf die Qualität der Arbeit
zu.
Außerdem soll auch an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, daß in der
Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen
und der Förderung lokaler Projekte und
Strukturen einer der zentralen Schlüssel für
den Aufbau einer funktionierenden Zivilgesellschaft gesehen wird. Aber es hat nach
dem Krieg einige Jahre gedauert, um ein
gewisses Fundament an Strukturen zu
schaffen und die Förderpolitik der IG hat in
einer Anfangsphase vielfach zu schnell und
zu unkontrolliert Gelder an unerfahrene
NGOs vergeben.
3.5.2
Präventive Arbeit
Bei der Konzentration auf schulische
Belange und den Anstrengungen im ökonomischen Bereich dürfen die kulturellen
Präventionsmechanismen nicht außer Acht
gelassen werden. „Eine kulturelle Krisenprävention allein erscheint unrealistisch,
37
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
doch sie muss mitentwickelt werden, wenn
wirtschaftliche, soziale, militärische und
auch kulturelle Faktoren international
zusammengeführt werden“53 Es muss endlich mit aller Sensibilität auf warnende
Stimmen aus der jeweiligen Region gehört
werden, wenn es langfristig zu einer funktionierenden Krisenprävention kommen
soll, die auf unterschiedlichen Wahrnehmungsmechanismen basieren.
Ethnische Zuordnungen entwickeln sich
früh. Sobald sich positive oder negative
Vorurteile gebildet haben, haben sie die
Tendenz, sich mit der Zeit zu verstärken.
Erfahrungen der frühen Sozialisation sind
aus diesem Grund mitentscheidend für die
Bildung einer ethnischen Einstellung. Auch
wenn das Hochschulwesen oder die
Berufsausbildung modernen und liberalen
Anforderungen genügen würden, reicht das
nicht aus. Wenn die Studenten aus einem
dogmatischen und politisierten Schulsystem
in ein liberales System wechseln, sind die
Grundlagen ihrer politischen Entwicklung
bereits gelegt und unter Umständen bereits
gefestigt.54
3.5.3
Demokratie
Demokratie ist mehr als eine Regierungsform und ein politisches System, das darauf
basiert, dass der Staatsbürger zur Wahl geht.
Sie muss als eine Lebensform verstanden
werden, die nur dann sinnvoll wird, wenn
aktiver
Gebrauch
von
bestimmten
politischen Freiheitsrechten gemacht wird
und wenn die Bürger bewusst und aktiv an
der Entwicklung dieser Rechte und Pflichten
mitarbeiten. „Die Bereitschaft von Bürgern
sich zu engagieren, zur Freiwilligenarbeit
und zum Gemeinschaftssinn hängt direkt
mit
der
demokratischen
Stabilität
zusammen.“55 Aber ohne ein Mindestmaß
an politischer Bildung ist Demokratie nicht
denkbar.56 Demokratie muss regelrecht
gelernt werden und stellt sich insbesondere
in einem komplizierten Staatsgebilde wie
Bosnien und Herzegowina nicht von alleine
ein.
Jugendliche müssen mit Wissen, Fähigkeiten
und Kompetenzen ausgestattet werden, die
für eine aktive Beteiligung in der bosnischen
Gesellschaft erforderlich sind. Eine demokratische Erziehung muss Gelegenheiten
bieten für Dialog und Diskurs, Konfliktlösung und Konsens, Kommunikation und
Interaktion und muss ein Bewusstsein für
Rechte
und
Pflichten
sowie
für
Verhaltensnormen und Werte, für ethische
und moralische Fragen innerhalb der
Gesellschaft schaffen. Dabei muss sowohl
die kognitive Dimension (Wissenserwerb
über Ideen, Konzepte, System), die soziale
Dimension (die Fähigkeit Demokratie in
verschiedenartigen
Formen
und
Lebensgebieten zu erkennen und auszuüben,
z.B. in der Schule oder der Ausbildung) und
die affektive Dimension (Erkennen und
Verinnerlichen von Werten) berücksichtigt
werden.57
Für viele Jugendliche in BiH ist Politik ein
Schimpfwort: Der überwiegende Anteil der
für diese Untersuchung befragten jungen
Erwachsenen gab an, bei der letzten Wahl
nicht gewählt zu haben. Hauptgrund für den
Wahlboykott war das fehlende Vertrauen in
die bestehenden Parteien. Unklare Politikkonzepte, teilweise fragwürdige Kandidaten
und die zwangsweise ethnische Zuordnung
waren für viele der Grund, der Wahl fern zu
bleiben. Auch die unklare politische Situation mit dem OHR an der Spitze des
politischen Systems macht für viele der
befragten Jugendlichen die Wahl uninteressant. Letztere wird zwar meist als wichtig,
aber auch als undurchschaubar angesehen
und bietet keine Motivation für ein
politisches Engagement.58
Breit, Schiele 2004, S. 3
Vgl. Dürr u.a. (2004) S. 12
58 Zum Beispiel ist es (August 2005) nach wie vor
unklar, ob und in welcher Form der OHR nach der
Jahreswende weiter in BuH präsent sein wird. Frank
Hofmann berichtet in der taz vom22.8.2005 auf S. 9:
Nach Angaben aus Diplomatenkreisen in Bosniens
Hauptstadt Sarajevo sollen diese Woche zahlreiche
56
57
Koschnik 2001: S. 86.
Vgl. Kenneth D. Bush; Diana Saltarelli „The Two
Faces of Education in Ethnic Conflict“ UNICEF
2000. übernommen von Valery Perry 2003: S. 5
55 Dürr u.a. 2004. S. 11
53
54
38
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Bosnien und Herzegowina ist genauso wie
Serbien Montenegro und Kroatien an der
„Education for Democratic Citizenship“
beteiligt. Dieses Programm hat der Europarat 1997 entwickelt59. Es zielt ab auf die
Stärkung der demokratischen Entwicklung
in den Ländern durch die Stärkung von
demokratischen Werten in der Ausbildung.
Education for Democratic Citizenship
(EDC) ist ein Ansatz, um Schülern, Jugendlichen und Erwachsenen das Wissen und die
Kompetenzen zu vermitteln, „die sie befähigen, aktiv und verantwortungsvoll am Entscheidungsbildungsprozess
in
ihren
Gemeinschaften mitzuwirken, zu ihrem
eigenen Wohl und zum Wohl der Gesellschaft als Ganzes.“60 Bildungsaktivitäten –
u.a.
zu
den
Themenbereichen
Menschenrechte, Demokratie, Entwicklung
und Frieden – sollen Menschen auf eine
informierte, aktive und verantwortungsbewusste Partizipation in einer Demokratie
vorbereiten, die auf der Achtung der
universalen Menschenrechte, der Gleichheit,
Gerechtigkeit und des Pluralismus beruht.
Es geht nicht darum, junge Menschen zu
loyalen Bürgern zu erziehen, sondern ihnen
zur Mündigkeit zu verhelfen und einen
offenen Blick für soziale Marginalisierung
und Ungerechtigkeiten zu schulen.
Die Organisation D@dalos arbeitet seit
Mitte 1997 in Südosteuropa. Neben anderen
Arbeitsbereichen stellt sie über eine Internet
gestützte Datenbank Lehrern und anderen
Multiplikatoren in Südosteuropa eine riesige
Auswahl an Informationen zu den
Themengebieten
Demokratieerziehung,
Menschenrechte und Zivilgesellschaft in den
jeweiligen Landessprachen zur Verfügung.
Die Materialien können sowohl online (ca
internationale und nationale Beschäftigte informiert
werden, dass ihre Ende 2005 ablaufenden Verträge
nicht verlängert werden. Ein Sprecher Ashdowns
wollte den Schritt nicht bestätigen: "Wir
kommentieren keine Fragen zu unserer Struktur",
sagt Mario Brkic. (….)Auf dem internationalen
Parkett wird über eine Fortführung des BosnienEngagements der internationalen Gemeinschaft
verhandelt.
59 mehr auf: http://www.coe.int/T/E/Cultural_Cooperation/education/E.D.C/
60 Dürr u.a. (2004) S. 13
150 000 Besucher monatlich) als auch offline
über eine CD ROM abgerufen werden und
kostenlos weiterbenutzt werden. Weit über
2000 Lehrer und Lehrerinnen wurden
bereits in die Nutzung dieser Datenbank
eingeführt und ein regionsweites Netzwerk
etabliert. Weiterhin werden in Kooperation
mit der deutschen Partnerorganisation
AGORA Trainings für Multiplikatoren in
der politischen Bildung angeboten. Über
mehrere Trainingsmodule werden Trainer
aus der ganzen Region Südosteuropa sowohl
didaktisch als auch inhaltlich in der
politischen Bildungsarbeit weiter gebildet.
Die meisten Programme in Bosnien und
Herzegowina berücksichtigen mehr oder
weniger bewusst diese Dimension. Sie zielen
auf die Ausbildung von Multiplikatoren,
Aufbau und Arbeit von Schülervertretungen,
Förderung von Jugendmedien, Arbeit mit
Jungen Politikern etc.
Die kognitive Dimension steht in der Regel
im Vordergrund der Bemühungen, eine
systematische Herangehensweise findet
nicht statt, und der Austausch der jeweiligen
Akteure untereinander fehlt ebenso.
Schüler Helfen Leben hat sich seit 1999
stark auf die Bereich Schülervertretung und
Jugendmedien konzentriert. Eine der
Hauptmotivationen für den Bereich Schülervertretung war die Überzeugung, das
Schülervertretungen ein wichtiges Lernfeld
bieten, sich bereits in der Schule aktiv mit
Demokratie zu beschäftigen. Es reicht nicht
einen Klassensprecher zu wählen, sondern
SV heißt: sich für Themen einsetzen, diese
aktiv in die Schulpolitik einbringen und vertreten. Folgerichtig sind Einheiten über
Menschenrechte und Demokratie integrale
Bestandteile der SHL Arbeit im Bereich
Schülervertretung.
Die Programme der verschiedenen Organisationen finden in der Regel unkoordiniert
voneinander statt, dabei würde es in vielen
Situationen Sinn machen, komplementäre
Angebote anzubieten, interessierte Teilnehmer weiter zu vermitteln etc.
39
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Neben anderen haben sich die politischen
Stiftungen gezielt der Förderung von jungen
Multiplikatoren verpflichtet. Insbesondere
mit Nachwuchspolitikern werden intensive
Weiterbildungen und Trainings durchgeführt.
Der Sonderfall EUFOR
Fast unbeachtet von den Organisationen der
Jugendarbeit und kaum vernetzt mit der
Jugendarbeit in BuH erstellt die deutsche
EUFOR und früher die SFOR im Lager
Butmir die größte Jugendzeitschrift auf dem
Balkan.
In Vierfarbendruck und mit einer Auflage
von über 150 000 Exemplaren wurde
zehnmal jährlich die Zeitschrift Mirko
herausgegeben. Mirko berichtete über große
Jugendveranstaltungen im Land, aber vor
allem
auch
über
internationale
Jugendthemen von Britney Spears über
Formel 1 bis zum neusten Mobiltelefon.
Die Zeitschrift wurde in lokaler Sprache in
kyrillischer und lateinischer Schrift sowie in
einer kleinen Anzahl auch in deutsch und in
englisch publiziert und überwiegend an
Schulen verteilt. Neben dem zivilen Aspekt,
der
Themensetzung
im
Bereich
Minenbewusstsein,
Toleranz
und
Versöhnung, war es ein Anlegen der
Zeitschrift, die ausländischen Truppen im
Land besser zu positionieren. Die zu ihrer
Zeit größte Jugendzeitschrift der Region
wurde Ende 2005 ersatzlos gestrichen.
3.5.4
Empfehlungen
⇒ Förderung von Programmen
politischen Bildung
⇒ Unterstützung von Strukturen
Selbstorganisation
⇒ Unterstützung und Förderung
Jugendzentren
⇒ Unterstützung von Jugendmedien
⇒ Förderung von jungen Politikern
Multiplikatoren
⇒ Weiterbildung von Lehrern
Multiplikatoren der Jugendbildung
der
der
von
und
und
3.6 Freizeit: Sport, Kultur
3.6.1
Freizeit ist ein zentraler Aspekt jugendlichen
Lebens. Jugendliche ihre Interessen vor
allem in ihrer Freizeit aus.61 Eine qualitativ
hochwertige Freizeitgestaltung ist darum
essentiell für eine gute und gesunde
Entwicklung eines jungen Menschen. Im
Gegenzug
kann
eine
ungenügend
befriedigende Freizeitgestaltung auch dazu
führen, dass sich die jungen Menschen mit
destruktiven Formen der Freizeitgestaltung
auseinandersetzen.
Neben der Schule bietet die Freizeit eine
Möglichkeit sich sportlich oder kulturell zu
betätigen und soziale Fähigkeiten zu erlernen.
Die Möglichkeiten für eine angeleitete
positive Freizeitgestaltung in BuH sind
extrem gering. Dazu kommt, dass viele
Jugendliche auch nicht proaktiv ihre Freizeit
selbst in die Hand nehmen bzw. eigene
Ideen entwickeln. Schaufensterbummel,
Einkaufen, Freunde treffen, Kaffee trinken
werden am häufigsten als Freizeitaktivitäten
von Jugendlichen genannt, die in den
Städten wohnen. Auf dem Land reduziert
sich der Freizeitbereich oft auf Fernsehen
und falls möglich Café-Besuche.
Freizeiteinrichtungen wie Sportvereine,
Kultureinrichtungen
(Theater,
Kinos),
Jugendzentren etc. existieren fast ausnahmslos in den großen Städten und selbst
hier in der Regel nicht in ausreichender
Zahl. Mittelgroße Städte wie Zvornik, Foča,
Livno oder Goražde verfügen praktisch über
keine nennenswerten Jugendeinrichtungen.
Wenn es einzelne Einrichtungen gibt wie
z.B. das Dom Mladih in Trebinje oder das
COD in Jajce sind diese normalerweise
weder mit Material noch mit Infrastruktur
ausreichend ausgestattet. Die vor dem Krieg
verbreiteten Häuser der Jugend (Dom
Mladih) und Häuser der Kultur (Dom
Kultura) haben nur in wenigen Fällen wieder
ihre alte Funktion übernommen und werden
61
40
Freizeitmöglichkeiten in
BuH
Deutsche Shell (Hrsg.) 2002: Jugend 2002, S. 76
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
meist wenn überhaupt nur sporadisch
genutzt.
Am ehesten noch sind Internetcafés oder
normale Cafés zu zentralen Treffpunkten
der Jugendlichen geworden. Die freie Zeit
wird von vielen vor dem elterlichen Fernseher verbracht.
Dem fehlenden Antrieb der Jugendlichen
(der psychologisch durchaus zu erklären ist)
wird viel beklagt, aber es wird kaum
gegengesteuert. Die vorhandene Frustration
und latente Depression oder gar Apathie
wird durch das fehlende Freizeitangebot
eher verstärkt.
Die Gemeinden nehmen dieses Problem
nicht ernst. Nur in seltenen Fällen stellen
sich die lokalen Autoritäten von sich aus
dieser Problematik. Bei ausreichendem
Druck von Initiativen und Jugendgruppen
kommt es aber immer mehr dazu, dass in
einem erstem Schritt zumindest Räume
kostenlos oder günstig zur Verfügung gestellt werden. (Dom Mladih Fojnica, COD
Jajce u.a.). Viele Jugendzentren oder Begegnungsräume, die nach dem Krieg von der
Internationalen Gemeinschaft gestartet
wurden, mussten aufgrund der fehlenden
Finanzierung wieder schließen oder sich
massiv verkleinern. Projekte, die mit viel
Anfangskapital und zum Teil hohen Mieten
ins Leben gerufen wurden, haben es nicht
geschafft, sich eigenständig weiter zu entwickeln. Wiederum andere Projekte, die mit
international bezahltem Personal gestartet
wurden, mussten radikal eingeschränkt
werden, nachdem die Finanzierung aus dem
Ausland ausblieb. Bei den wenigsten Projekten wurde von Anfang an auf eine lokale
Anbindung gedrängt. Zum Teil hängt das
mit den in vielen Fällen extrem unkooperativen Behörden zusammen, zum Teil liegt
hier aber auch ein klares Versäumnis von
Seiten der IG vor. Erwartungen, die bei den
Jugendlichen geweckt wurden konnten so
nicht erfüllt werden.
Der Mangel an Jugendeinrichtungen führt
unter anderem dazu, dass die Jugendlichen
ein einfaches Ziel für extreme Gruppen
werden (religiöse und politische Gruppen),
die in manchen Städten als Einzige den Jugendlichen eine Anlaufstelle bieten.
Sport
Sportangebote sind ebenfalls dünn gesät in
BuH. Obwohl ein großes Interesse am
Leistungssport (v.a. Basketball und Fußball)
vorhanden ist, fristen auch Sportvereine
eher ein Schattendasein. Unzureichende
Sportstätten, insbesondere fehlende Sporthallen oder schlecht ausgestattete Schwimmbäder und Schulsporthallen bestimmen das
Bild. Wie in allen anderen Bereich betrifft
dies in extremer Weise die ländlichen Regionen, wo es praktisch kein Sportangebot gibt.
Kultur
Häufig wird eine „Provinzialisierung“ der
Stadt bemängelt. Durch den Wegzug eines
beträchtlichen Teils der Bevölkerung ins
Ausland bzw. der internen Migration hat die
Kulturszene in den größeren Städten extrem
gelitten. Ein eigenständiges Kulturleben
findet nur noch selten statt und ist nur noch
ein Abklatsch früherer Tage. Die
Kulturhäuser (Dom Kultura), wenn
überhaupt noch vorhanden, werden nur
spärlich genutzt. Theaterprogramme und
entsprechend auch Theatergruppen, Tanz
etc. werden nur in Banja Luka, Sarajevo,
Mostar und bedingt in Tuzla regelmäßig
angeboten und auch das nur in bescheidenem Ausmaß.
Abb: Filmfest Sarajevo –Eingang Nationaltheater
Die wenigen Kinos spielen überwiegend
Blockbuster. Anspruchsvollere internationale Filme sind außer beim Sarajevo Filmfest, dem Kurzfilmfestival in Mostar und bei
seltenen Spezialveranstaltungen der IG in
Banja Luka, Mostar oder Sarajevo kaum zu
sehen. Dabei darf aber auch nicht übersehen
werden, das gelegentliche Festivals wie das
41
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Jazzfest, Theaterfest, Filmfest u.a. vor allem
in Sarajevo hochrangige Akzente setzen.
Aber die Konzentration auf die Hauptstadt,
die zu einem großen Teil auch der IG zu
verdanken ist und von dieser in großem
Maße genutzt wird, reicht bei weitem nicht
aus.
Es gibt nur wenige Musikschulen und
privater Musikunterricht ist für einen großen
Teil der Bevölkerung nicht bezahlbar.
Ganz schlecht sieht die Situation in den
ländlichen Regionen aus, wo praktisch überhaupt kein kulturelles Angebot besteht.
Projekte wie der Mobile Kultur Container,
der jetzt in Mostar seine permanente Bleibe
gefunden hat, sind die Ausnahme und auch
nur temporär.
Das von Freimut Duve (OSZE Beauftragter
für die Freiheit der Medien) initiierte Projekt
mobile.culture.container bereiste mit
insgesamt 16 Containern 2001 und 2002
verschiedene Städte in Bosnien und Herzegowina, Kroatien und dem damaligen
Jugoslawien. Die Container blieben für
jeweils fünf Wochen in den Städten und
boten den Jugendlichen vor Ort ein
abwechslungsreiches Angebot. Leider war
auch dieses Projekt nicht nachhaltig in einer
Form, dass es zu einer ständigen
Einrichtung wurde, aber der Ansatz, abseits
der
großen
Städte
ein
qualitativ
hochwertiges Kultur und Freizeitangebot
anzubieten, ist unbedingt unterstützenswert.
Das in Sarajevo ansässige Goethe Institut
möchte im Bereich Kultur gezielt auch junge
Leute ansprechen. Das Angebot reicht von
der Unterstützung von Jugendprojekten
oder der gezielten Förderung von qualitativ
hochwertiger lokaler Musik als Gegenpol
zum häufig nationalistischen Turbo Folk zu
Imagekampagnen für Bosnien Herzegowina.
Das Goethe Institut bemängelt wie viele
andere der untersuchten Organisationsvertreter das fehlende Engagement junger
Menschen und die Schwierigkeit entsprechendes Zielpublikum zu den Veranstaltungen zu bekommen. Deshalb konzentriert
42
es sich im Kulturbereich gezielt auf gesellschaftliche Eliten und will damit potentielle
Multiplikatoren erreichen und Themen
anregen. Über Medienkampagnen wird versucht eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.
Kulturelle Großveranstaltungen
In den letzten Jahren sind unabhängig von
der Internationalen Gemeinschaft verstärkt
große Events durchgeführt worden, die auf
das ganze Land ausgestrahlt haben. Die
Rolle von großen Musikveranstaltungen in
Bosnien insb. die Konzerte von Dino Merlin
(Burek Konzert in Sarajevo 2004) mit mehr
als 50 000 Besuchern oder Bijelo Dugme
(Revivial Tournee 2005 in Sarajevo, Zagreb
und Belgrad) mit gesamt weit über 300 000
Besuchern
zogen
Fans
aus
allen
Bevölkerungsgruppen und aus der ganzen
Region an, die unabhängig von ihrer
kulturellen und regionalen Herkunft
zusammen gefeiert haben. Dies zeigte, was
für ein gutes Medium Kulturveranstaltungen
im Bereich Versöhnung sein können. Auch
Sportveranstaltungen
können
diese
Funktion übernehmen. Im Gegenstück zu
den Sportveranstaltungen wie z.B. den
Fußballländerspielen zwischen Bosnien
Herzegowina und Serbien Montenegro, bei
denen es immer wieder zu gewalttätigen
Auseinandersetzungen kommt, hatte zum
Beispiel das Fußballqualifikationsspiel gegen
Dänemark um die letztlich verpasste
Teilnahme an der Europameisterschaft ein
enorm verbindendes Moment. Nicht nur
kamen Fans aus dem ganzen Land und aus
ganz Europa zum Spiel zusammen nach
Sarajevo, auch das eigens komponierte Lied
Haj'mo Bosno i Hercegovino62 wurde zur
inoffiziellen Nationalhymne des ganzen
Landes. Gleiches gilt für den Oscar von
Danis Tanović für Nićija Zemlja (No man`s
land) der das ganze Land auf eine besondere
Art miteinander verbunden hat. Diese
Beispiele zeigen, was für ein Potential sich
hinter Kultur- und Sportveranstaltungen
versteckt. Ein Potential, das durchaus auch
in kleinerem Rahmen genutzt werden kann.
62
MP3
Version
des
Liedes
unter:
http://www.sarajevo-x.com/mp3/hajdebosno.mp3
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Das von Viakult veranstaltete Kid´s
Festival ist die größte Einzelveranstaltung
in Bosnien und Herzegowina, die explizit
Kinder und Jugendliche anspricht. 2005
zum zweiten Mal veranstaltet erreicht
Viakult innerhalb einer Woche rund 30 000
junge Menschen (überwiegend Kinder).
Mit der klaren Zielsetzung Versöhnung
und
Vertrauensbildung
der
Nachkriegsgeneration
werden Kinder und Begleitpersonen aus
allen
Landesteilen
nach
Sarajevo
eingeladen. Durch einen gemeinsamen
Erlebnisraum
sollen
konkrete
Berührungspunkte
und
gemeinsame
Erinnerungen geschaffen und Vorurteile
abgebaut werden. (Über die Zielgruppe
Kinder sollen auch die Begleitpersonen,
Lehrer, Pädagogen, Polizei erreicht
werden). Über gratis Kinderzüge und
Busse wird auch Kindern aus abgelegenen
Orten die Möglichkeit gegeben einmal nach
Sarajevo zu kommen. Das Kid’s Festival
bietet eine Vielzahl von Aktivitäten,
Workshops und Rahmenveranstaltungen.
Über Kooperation mit Regierungs- und
Nichtregierungsorganisationen
werden
inhaltliche
Schwerpunkte
wie
z.B.
Menschenrechtserziehung kindgerecht dem
jungen Publikum nahe gebracht.
3.6.2
Empfehlungen
⇒ Förderung und Erhalt bestehender
Jugendeinrichtungen sowie Aufbau und
Etablierung neuer Jugendeinrichtungen
(mit local Ownership und in enger
Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden)
⇒ Aus- und Weiterbildung von Jugendarbeitern (in Absprache mit lokalen
Ausbildungsinstitutionen, falls vorhanden)
Ziel: Schaffung eines staatlich anerkannten Berufsbildes
⇒ Förderung von langfristigen dezentralen
Angeboten (mobile Projekte). Spielmobil, fahrbare Bibliotheken etc.
Ziel: dezentrales Jugendangebot und
Möglichkeiten Jugendliche auf dem Land
gezielt anzusprechen und zu fördern.
⇒ Förderung von jungen Trainern (Peer
Ansatz) und Jugendprogrammen
⇒ Austausch mit internationalen Jugendgruppen
⇒ Förderung von Kulturaustauschprogrammen. Evtl. Aufbau von Organisationen analog zum DeutschFranzösischen Jugendwerk.
⇒ Austausch mit Jugendgruppen und
gemeinsame Projekte mit Jugendlichen
aus den Nachbarländern.
⇒ Förderung und Aufbau von Sport- und
Freizeitangeboten auf dem Land (langfristige Angebote).
3.7 Gesundheit:
Ernährung, HIV/Aids,
Drogen
Das Thema Gesundheit umfasst ein breites
Spektrum an Themen von Ernährung und
Hygiene über den Umgang mit Empfängnisverhütung, Prävention von Geschlechtskrankheiten (insbesondere HIV/Aids),
Umgang mit Suchtmitteln bis hin zu psychischen Krankheiten.
Die Zuständigkeit für den Bereich Gesundheit ist ähnlich wie bei der Bildung auf 14
Ministerien verteilt.
An erster Stelle steht das Ministerium in
Banja Luka für die RS und die Ministerien
auf Kantonalebene in der FBuH.
Das führt dazu, dass auch in diesem Bereich
nicht von einer einheitlichen Qualität im
ganzen Land gesprochen werden kann. Die
Versorgung unterliegt einem starken StadtLand-Gefälle, insbesondere qualifizierte
Ärzte sind im ländlichen Bereich kaum zu
finden.63 Zudem sind grundlegende
Hygienestandards wie zum Beispiel der
Zugang zu sauberem Trinkwasser und
sauberen Hygieneeinrichtungen (Bäder,
Toiletten) ist noch lange nicht im ganzen
Land gewährleistet. Noch 2003 waren nur
63
UNDP 2003: Millenium Goals, S. 61ff
43
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
rund 50 % der Haushalte an ein Abwassersystem angeschlossen.64
Die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher,
die Unzufriedenheit mit ihrer Lebenssituation, Probleme in der Schule und in der
Familie, das Leben in oft sehr beengten
Verhältnissen und das Fehlen von Jugendeinrichtungen, in denen sie sich Unterstützung holen könnten, führen bei einer erheblicher Zahl von jungen Menschen zu
psychischen Problemen (Depressionen)
und/oder zu Fluchtversuchen aus diesem
Teufelskreis.
Suchtverhalten
Neben der viel beschriebenen Flucht ins
Ausland, die mit der Hoffnung auf eine
Verbesserung ihrer gesamten Lebenssituation verbunden ist, ist die Flucht in ein
Suchtverhalten bisher noch recht wenig
beleuchtet. Offizielle Zahlen existieren nicht
bzw.
basieren
auf
unzureichenden
Erhebungen. Dabei gibt es ein breites
Spektrum an Süchten, in die sich junge
Menschen flüchten: Kaffee und Nikotinkonsum sind dabei gesellschaftlich zwar
akzeptiert, aber insbesondere der Anteil an
Rauchern liegt weit über dem Durchschnitt
anderer europäischer Länder.
Spielsucht/Computerspiele und ein extrem
hoher Fernsehkonsum sind ebenfalls nicht
zu unterschätzen: Die Konsumenten fallen
zwar im öffentlichen Raum nicht auf, aber
der Rückzug von vielen jungen Menschen
aus dem öffentlichen Raum in die privaten
vier Wände und damit der sukzessive Rückzug aus der Gesellschaft werden langfristige
Folgen haben. Der Alkoholkonsum ist
extrem hoch und wird von vielen Jugendlichen selbst als Problem benannt, allerdings
liegen hier ebenfalls keine gesicherten Daten
vor. In diesen Zusammenhang gehören auch
Ess-Störungen wie Magersucht und
Essbrechsucht65, die kaum untersucht sind,
Ebda. S. 65 f
Die Unterscheidung zwischen Anorexie und
Bulemie ist dabei oft schwierig. Zeichnet sich die
Magersucht/Anorexie
durch
einen
rasanten
Gewichtsverlust aus ist Bulemie von abwechselnden
Eßanfällen und Maßnahmen zur Gewichtsreduktion
(z.B. erbrechen) gekennzeichnet. Die Übergänge
zwischen beiden Störungen ist dabei fließend. Treten
64
65
44
aber insbesondere bei jungen Frauen ein
großes Problem darstellen.
Neben „legalen“ Drogen nimmt der
Konsum von illegalen Rauschdrogen, wie
Jugendliche bestätigen, immer weiter zu.
Halluzinogene (insbesondere Marihuana)
sind dabei am leichtesten zu erwerben, am
weitesten verbreitet und auch am wenigsten
stigmatisiert66 . Opiate, insbesondere Heroin,
stellen nach Angabe vieler Jugendlicher ein
Problem dar. Weiterhin scheint der Zugang
zu Designerdrogen67 (Extacy, Happy Pills,
Speed) relativ leicht zu sein. Über Schnüffelstoffe68 gibt es keinerlei Untersuchungen,
realistisch ist von einem relativ hohen
Konsum
auszugehen.
Trotz
dieser
problematischen Situation gibt es kaum
Einrichtungen, die sich offensiv mit diesem
Thema befassen. Auffällig werden die
Nutzer der illegalen Drogen nur in den
Polizeistatistiken bzw. im Zusammenhang
mit Beschaffungskriminalität.
Da dieses Thema nach wie vor weitestgehend tabuisiert ist, gibt es praktisch keine
qualifizierten Beratungen für Betroffene und
deren Angehörige. Antidrogenkampagnen
der internationalen Gemeinschaft setzen in
der Regel bei einer Ächtung der Drogen an
bzw. versuchen auf die Gefahren der
Drogen hinzuweisen. Dies geschieht zumeist
in einer sehr pauschalen Art und Weise und
hilft den Konsumenten nur wenig.
sie gemeinsam auf wird auch von Bulemanoroxie
gesprochen.
66 Angaben basieren auf einer Vielzahl von
Gesprächen mit Jugendlichen und jungen Erwachsen,
geben aber letztlich einen subjektiven Eindruck des
Verfassers wieder.
67
Als Designerdrogen werden Substanzen
bezeichnet, die auf chemischem Weg hergestellt
wurden und ähnliche Eigenschaften wie natürliche
oder halbsynthetische Drogen haben.
68 Als Schnüffelstoffe werden Dämpfe bezeichnet,
die durch das Einatmen im Gehirn Rauschzustände
auslösen. Die Wirkungen reichen von innere Unruhe
bis zur Erregtheit reicht, bei Fortdauern des
Rauschzustandes aber zumeist in einen als angenehm
empfundenen Entspannungszustand übergeht. Die
eingeatmeten Lösungsmittel findet man u.a. in
Klebstoffen, Lacken, Farbverdünnungen,
Putzmitteln, Haarsprays etc.
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Die auf Initiative der Schweizer Ordensschwester
Madeleine
Schildknecht
(Schwester Magdaleine) gegründete Organisation Narko Ne ist eine der wenigen
Organisationen, die sich explizit diesem
Thema annehmen. Über Jugendprogramme
und
Patenschaftsprogramme
versucht
Narko Ne ein Bewusstsein über die negativen Folgen von Drogenkonsum und Sucht
zu entwickeln und über aktive Jugendarbeit,
jungen Menschen andere Perspektiven zu
eröffnen. Das Programm ist allerdings sehr
regional verankert und nur für eine kleine
Zielgruppe zugänglich. Durch die gute regionale Verankerung, Zusammenarbeit mit
Behörden und die intensive Einbeziehung
von bosnischen Freiwilligen ist davon auszugehen, dass sich das Programm auch perspektivisch durchsetzen kann. Narko Ne
setzt dabei sehr stark auf Prävention. Für
aktive Konsumenten ist Narko Ne nur
bedingt ein qualifizierter Ansprechpartner.
Immerhin besteht durch eine telefonische
Hotline die Möglichkeit einer anonymen
Kontaktaufnahme.
HIV/AIDS
Die Anzahl an HIV infizierten Menschen
nimmt in Bosnien stark zu. Eine 2003
durchgeführte Untersuchung von Weltbank
und IBHI69 kommt zu dem erschreckenden
Ergebnis, dass zwar weit über 90 Prozent
der jungen Frauen70 von HIV/Aids gehört
haben, aber nur rund 27 Prozent der 15- bis
19-Jährigen und rund 36 Prozent der 20- bis
29-Jährigen ausreichend wissen, wie sie sich
davor schützen können.71 Genaue Zahlen
über die Anzahl der HIV-Infizierten liegen
nicht vor.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass
es für junge Menschen mit einer homosexuellen Orientierung praktisch überhaupt keine
Möglichkeiten der Information gibt. Homo69
World Bank/IBHI 2003: Youth Initiative
Assessment, Sarajevo, Annex 2, S. 8ff
70 Die Befragung hat sich leider bei dieser Frage auf
Frauen beschränkt
71 Der Zugang zu Kondomen ist in großen Städten
relativ problemlos möglich. In kleinen Städten ist
zum Einen der Zugang zu Kondomen oft schwieriger
und zum Anderen ist es dort kaum möglich anonym
an Kondome zu gelangen.
sexualität ist gesellschaftlich hochgradig
geächtet und gibt es offiziell nicht.
Eine Untersuchung der UNDP72 kommt zu
dem Ergebnis, dass 63 Prozent der befragten jungen Menschen mehr Aufklärung im
Bereich Sucht und Verhütung für notwendig
halten. Auch bei den Befragungen für diese
Studie wurde das Interesse bestätigt, allerdings fehlt es an ausgebildeten Jugendarbeitern und Lehrern oder anderen Multiplikatoren, die diese Aufgabe übernehmen
können.
3.7.1
Empfehlungen
⇒ Unterstützung von Gesundheitskampagnen
⇒ Beratungsangebote im Bereich
Empfängnisverhütung und Vorbeugung
von Geschlechtkrankheiten
⇒ Beratungsmöglichkeiten für traumatisierte Jugendliche
⇒ Niederschwellige Angebote in der
Drogenberatung. Evtl. Angebote der
akzeptierenden Drogenarbeit in
Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden und der Polizei
⇒ Erarbeitung von Konzepten für die
Drogenprävention
⇒ Informationsmöglichkeiten für Drogenkonsumenten und deren Angehörige
(Webseiten, Infobroschüren, Beratungstelefon)
⇒ Ausbildung von Psychologen, aber auch
von Jugendarbeitern und Lehrern im
Umgang mit Traumatisierten
72
UNDP 2004, Jazvavac, S. 19
45
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.8 Internationale
Begegnungen
Austausch mit jungen Menschen aus
anderen Ländern ist ein wichtiger Beitrag
zum Aufbau einer weltoffenen Jugend.
Jugendbegegnungen fördern freundschaftliche Beziehungen zwischen den Jugendlichen, unterstützen ein tolerantes Miteinander und die Neugierde auf andere Kulturen
und Lebensweisen. Sie ermöglichen die Welt
aus der Perspektive eines anderen Menschen
zu entdecken. So wird bei der internationalen Zusammenarbeit immer wieder auf den
Zusammenhang von Versöhnung, Solidarität zwischen den Völkern und auch die
Wichtigkeit hinsichtlich einer gesamteuropäischen Entwicklung betont.73
Sowohl der Austausch mit den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens als auch
der Austausch mit den EU-Staaten ist von
großer Wichtigkeit für die jungen Menschen
Abb: Straßenschilder in Bratunac
Partnerschaften,
Kooperationen,
Austauschprogramme, internationale Konferenzen und Seminare in Bosnien und Herzegowina und darüber hinaus auch mit dem
(europäischen) Ausland sind eine Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.
Einseitige Informationen über das Ausland
führen oft zu einseitigen Zuschreibungen,
Vgl. z.B. Präambel zum Vertrag zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Französischen
Republik über die Deutsch-Französische
Zusammenarbeit. vom 22.01.1963
http://www.dfjw.org/page.php?nav=commun/script
s/pages_dyn.php?page=accord.htm&lng=de
73
46
die Probleme in Ländern wie Deutschland
ausklammern. Insbesondere solange eine
Visumspflicht für Bosnier besteht, ist es
wichtig einen Austausch zu fördern und den
jungen Menschen die Möglichkeit zu geben,
Kontakte in andere Länder zu knüpfen. Das
fördert sowohl das Wir-Gefühl innerhalb
der bosnischen Gruppe, als auch Interesse
und Neugier anderen Nationen gegenüber.
Viele junge Menschen haben bereits aufgrund ihrer persönliche Geschichte als
Kriegsflüchtlinge und durch Verwandte, die
im Ausland leben und arbeiten vielfältige,
zumeist positive Erfahrungen in anderen
europäischen Ländern gemacht. Aber auch
durch das Fernsehen flimmern dank Satellit
täglich Bilder aus Deutschland in viele
Haushalte. Insbesondere in Bezug auf eine
Europäische Vereinigung, die früher oder
später auch Bosnien und Herzegowina mit
einschließen wird, wäre es unverantwortlich,
dieses positive Verhältnis nicht weiter zu
fördern. Die Auseinandersetzung mit den
kulturellen Werten und Besonderheiten in
anderen Ländern Europas ist für bosnische
Jugendliche ein wichtiger Impulsgeber. Im
umgekehrten Fall ist es für junge Menschen
aus der EU ein oft einmaliges Erlebnis und
eine große Erfahrung, sich mit dem kulturell
so heterogenen BuH auseinanderzusetzen
und die Probleme, aber auch die Schönheiten dieses häufig unbekannten europäischen Nachbarn zu entdecken.
Was der ehemalige deutsche Außenminister
Joschka Fischer für Deutschland formuliert,
gilt mindestens im selben Maß für Bosnien
und Herzegowina: „Ohne Austausch, ohne
Neugier,
ohne
grenzüberschreitende
Vernetzung werden wir in Wissenschaft und
Wirtschaft verkümmern und kulturell
verarmen.“74 Geistige Isolierung ist ein
wichtiger Auslöser für übersteigerten
Nationalismus,
Rassismus
und
Fremdenfeindlichkeit in BuH wie auch in
vielen anderen Ländern.
Partnerschaften und Austausch zwischen
Organisationen und dadurch eine Einbettung in internationale Kreise, aber auch
Fischer, Joschka 2001: Sensibel in der Form, fest in
der Sache In: KulturAustausch 2/01; ifa, S. 25
74
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
das Lernen voneinander und aktive Integration sind wichtige Aspekte für eine
Integration von BuH in das demokratische
Europa. In einer so schwierigen Transitionsphase ist dies u.a. auch für die Multiplikatoren, Jugendarbeiter, Trainer und Lehrer
von elementarer Wichtigkeit.
Ein großes Hemmnis bei internationalen
Austauschprogrammen ist die Schwierigkeit
insbesondere für bosniakische und serbisch
bosnische Jugendliche, ein Visum für die
Schengenländer zu bekommen.75
Die Behinderung bei Reisen frustriert viele
(nicht nur) junge Menschen und gibt ihnen
das Gefühl, ausgegrenzt zu sein. Eine Reise
in die Türkei oder Tunesien ist problemlos
möglich, aber eine Reise in die Schengenländer zu Verwandten oder auch zu Jugendprogrammen ist nur mit relativ viel Aufwand
möglich. Lange Wartezeiten an den
Botschaften,
teilweise
extrem
lange
Anfahrtswege und die mit der Besorgung
des Visums und dem Visum selbst verbundenen Kosten stellen häufig ein großes
Hindernis dar. In vielen Fällen hilft die
deutsche Botschaft, indem sie aktiven
Jugendgruppen
und
Jugendaustauschprogrammen die Visa unentgeltlich zur Verfügung stellt. Diese erfreuliche Kann-Regel
trifft leider nicht auf alle Botschaften zu.
Viele Organisationen wissen auch gar nichts
von dieser theoretischen Möglichkeit und
fragen dementsprechend nicht nach. Eine
grundsätzliche Befreiung von den Visagebühren für Jugendliche, die an Jugendveranstaltungen teilnehmen bzw. für alle
Jugendarbeiter wäre ein kleiner Schritt und
ein Signal in die Richtung eines solidarischen
Europas.
3.8.1
Erfahrungen
Im Laufe der letzten 10 Jahre sind eine
große Anzahl von Internationalen Seminaren, Workcamps und Austauschpro-
grammen durchgeführt worden. Zum Teil
fanden diese aufgrund persönlicher Initiativen statt (Schulen, Kirchekreise, Partnergemeinden) zum Teil waren und sind sie
Bestandteil von Programmen der Jugendorganisationen. Schüler Helfen Leben,
IPAK,
das
Jugendzentrum
Jajce/Friedenskreis Halle, Wings of Hope,
Mladi Most aber auch die Stiftungen haben
Jugendaustauschprogramme durchgeführt.
Neben wenigen großen Veranstaltungen mit
über 100 Teilnehmern dominieren kleine
Veranstaltungen in Seminarstärke mit ca. 20
Teilnehmern. Allen Programmen ist gemeinsam, dass dem Erfahrungsaustausch und
dem Kennenlernen viel Raum gegeben wird.
Insgesamt sind Programme zwischen
Jugendlichen aus BuH und EU-Europa von
denen zu unterscheiden bei denen Jugendliche aus verschiedenen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens zusammen kommen.
Für Jugendliche aus den westlichen Ländern
ist es oft der erste Kontakt mit BuH und der
Situation in einem Nachkriegsland und
bietet vielfältige Anreize sich sowohl mit der
eigenen
als
auch
der
fremden
Kultur/Religion zu befassen und Verständnis für die Situation in BuH zu entwickeln.
Für Jugendliche aus Bosnien ist es oft eine
Möglichkeit an Erfahrungen aus der eigenen
Zeit im Ausland anzuknüpfen. Auch bietet
sich ihnen die Chance anderen ihre Heimat
zu zeigen und gleichzeitig das Gefühl zu
haben nicht vergessen zu sein.
Für Seminare mit Jugendlichen aus
mehreren Ex-Jugoslawischen Ländern gilt in
besonderer Weise der Aspekt der
Versöhnung und der Toleranzschulung. Oft
ist es das erste Mal nach dem Krieg, das
Jugendliche z.B. aus Serbien mit Jugendlichen aus Bosnien Herzegowina ins
Gespräch kommen und sie die Möglichkeit
haben sich kennen und schätzen zu lernen.
Die Anwesenheit von Jugendlichen aus
anderen Ländern erleichtert häufig diesen
Prozess als neugierige, neutrale Personen.
Viele kroatische Bosnier besitzen auch die
kroatische Staatsbürgerschaft und dürfen auch mit
beiden Pässen reisen. Da Kroaten kein Visum für die
Schengenländer benötigen, trifft dieses Problem auf
sie nicht zu.
75
47
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.8.2
Empfehlungen
⇒ Förderung und Unterstützung von
Jugendcamps und Jugendfreizeiten
Ziel: Die Jugendlichen sollen sich als
Bosnier fühlen und als Teil einer europäischen Jugend
⇒ Förderung und Unterstützung von
Schulpartnerschaften
⇒ Förderung insbesondere von Freizeiten
mit Jugendlichen aus verschiedenen
Ländern des ehemaligen Jugoslawiens.
⇒ Schaffung eines Deutsch-Bosnischen
Jugendwerkes nach Vorbild des
Deutsch-Französischen, DeutschTschechischen etc.
⇒ Förderung und Unterstützung von Austauschprogrammen mit inhaltlichem
Angebot
⇒ Nutzung der Städtepartnerschaften für
internationale Austauschprogramme
3.9 Traumaarbeit
Der Bereich Traumarabeit ist im
Zusammenhang mit dieser Studie nur am
Rand bearbeitet worden. Derzeit arbeitet
keine der deutschen Organisationen explizit
zu diesem Bereich. Ein genauere Studie wäre
sehr wichtig, zumal viel Engagement und
viel Geld in früheren Jahre in die
Traumaarbeit geflossen ist. Eine Evaluation
der Ergebnisse und eine Auswertung der
gemachten Erfahrungen nicht vorliegt.
In Bosnien und Herzegowina sind mehrere
100 000 Kinder und Jugendliche schwer
traumatisiert. Nachdem sich in einer
Anfangsphase viele Projekte dem Thema
direkt oder indirekt angenommen haben,
geht das Interesse an diesem Problemfeld
immer mehr zurück. Viele der Projekte
waren befristet auf wenige Tage oder bis zu
ein paar Jahren. Es gab kaum Projekte, die
eine nachhaltige Struktur aufgebaut haben.
Für traumatisierte Menschen gibt es daher
nur
vereinzelt
Anlaufstellen
bzw.
Hilfsangebote. Immer wieder stellen sich
48
Einzelpersonen oder kleine kurzfristige
Projekte dieser Thematik mit Erzählcaffees
oder
kurzen
Weiterbildungen.
Eine
Koordination und ein Erfahrungsaustausch
wären hier von zentraler Bedeutung.
3.9.1 Erfahrungen
Da sich deutsche Organisationen kaum
noch explizit mit dem Thema Trauma
beschäftigen, ist dieser Bereich in der Studie
nicht berücksichtigt worden. Daraus sollen
und dürfen keine Rückschlüsse auf die
Wichtigkeit dieses Bereichs gezogen werden.
Über mehrere Jahre, bis 2002, war die gtz
mit dem Projekt Trauma und Versöhnung in
diesem Feld aktiv, hat dann die Arbeit in
diesem Bereich aber beendet.
Die Niederländisch/Deutsche Organisation
Wings of Hope arbeitet noch in dem
Bereich Traumaarbeit.
Die Stiftung Wings of Hope Deutschland
hilft Kriegstraumatisierten Kindern.
Dies geschieht durch Therapie in
verschiedenenTherapiezentren und durch
psychosoziale Eingliederungshilfe für
rückkehrende Flüchtlinge. Weiterhin bietet
Wings of Hope Gruppentherapie in Schulen
an sowie Jugendprojekte, multiethnische
und interreligiöse Friedenscamps und
Erholungsfreizeiten.
3.9.2.
Empfehlungen
⇒ Needs
Assessment
im
Bereich
Traumarbeit
⇒ Evaluation der gemachten Projekte und
Sammlung
der
Ergebnisse
und
Erfahrungen.
⇒ Entwicklung
eines
abgestimmten
Programms für die Traumaarbeit in BuH
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
4.
Internationales Engagement – Förderpraxis
Die Arbeit von Regierungs- und von Nichtregierungsorganisationen findet im Idealfall
ganz unauffällig statt. Stille Arbeit ist für die
Medien nicht sonderlich interessant und ist
deshalb nur schwer zu vermitteln.
„Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“, dieser zynische Satz aus der
Medienbranche macht deutlich, wie
schwierig es ist, die kleinen Arbeitsschritte,
die in den letzten Jahren gemacht wurden,
zu präsentieren.
Dies gilt insbesondere für Tätigkeiten im
Konflikt-Präventionsbereich. Im besten
Falle, nämlich dem Nichtstattfinden eines
Konfliktes, ist diese Arbeit nicht einmal zu
spüren. Daraus zu folgern, dass Krisenpräventionsarbeit,
Versöhnungsoder
Traumaarbeit nicht mehr notwendig sei,
wäre ein fataler Trugschluss. Es liegt wohl in
der Natur dieser Arbeitsfelder, dass sie vor
allem kurz nach gewalttätigen Auseinandersetzungen am meisten nachgefragt werden,
praktisch jedoch nur sehr selten in der
Prävention eingesetzt werden. Von einer
„Kultur der Prävention“, wie vom UNGeneralsekretär Kofi Annan zu verschiedenen Anlässen gefordert, ist die
Entwicklungshilfezusammenarbeit
noch
weit entfernt.
Unabhängig davon müssen in Bosnien aber
auch andere Bereiche gestärkt werden, die
bisher in der Förderung eher ein Schattendasein gefristet haben.
Allem voran stehen hier die Bereiche
Bildung und Ausbildung, Job Creation, und
politische Bildung.
lichen Beziehungen bzw. persönlichem
Engagement Einzelner aufbauen. Aus der
Sicht der Initiatoren steht fast immer (und
das trifft genauso auf große Organisationen
zu) die Projektlogik im Vordergrund. Dass
über einseitige Förderung, nicht abgestimmten Wiederaufbau uns zufällige
Hilfslieferungen teilweise Ungleichheiten
verstärkt und gewachsene Strukturen
zerstört werden und darüber hinaus
Einzelpersonen beispielsweise aufgrund
ihrer Sprachkenntnisse in Machtpositionen
gelangen, wird in diesem Zusammenhang
nicht berücksichtigt und taucht in den
Projektberichten nicht auf. Dabei ist das
Wissen um die möglichen negativen Folgen
von Entwicklungshilfe nicht erst seit der
„Do no harm Debatte“76 ein bekanntes
Phänomen. Nur in seltenen Ausnahmen gibt
es eine Vorabanalyse die die möglichen
negativen Folgen mit einbezieht und
Projektberichte, die über etwaige negative
Folgen eines Projektes informieren könnten,
werden nicht öffentlich zugänglich gemacht.
Der Zwang zur positiven Selbstdarstellung
führt dazu, dass aus negativen Erfahrungen
und konstruktiver Kritik nicht gelernt
werden kann. Während „best practices“ in
aller Munde ist, ist von „bad experiences“
nie die Rede.
Es fehlt, angelehnt an Hazel Rosenstrauch 77
und frei nach dem Muster der Technologiefolgenabschätzung, eine „Entwicklungshilfefolgenabschätzung“, das heißt, die kritische
Beobachtung der Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit, der Hindernisse und
nicht zuletzt der unbeabsichtigten Nebenfolgen gut gemeinter Initiativen.
4.1 Monitoring Best and Bad
Practices
Nach dem Krieg wurde Bosnien und Herzegowina von Hilfsaktionen bzw. Hilfsorganisationen geradezu überschwemmt. Nach
dem Motto „viel hilft viel“ wurde zum Teil
völlig unkoordiniert wiederaufgebaut und
Hilfslieferungen organisiert. Auch heute gibt
es noch viele Hilfsaktionen, die auf persön-
Vgl. Mary B. Anderson: 1999: Do no harm – How
Aid can support peace – or war, Boulder London
77 Rosenstrauch, Hazel 2001: Die Restposten einer
Illusion S. 45; In: ifa, Zeitschrift für KulturAustausch
S. 44 ff 02/2001
76
49
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
4.2 Finanzierung und
materielle Standards
Hotels sind auch in westlichen Industrieländern kein Standard.
Der hohe Einsatz finanzieller Mittel gerade
in der Jugendarbeit hat sehr hohe Standards
gesetzt. Bedruckte T-Shirts und vierfarbige
Einladungskarten gehören zum Standard
einer mit internationalem Geld geförderten
Jugendorganisation, überdurchschnittliche
Löhne sowieso. Ein beträchtlicher Teil an
qualifizierten Fachkräften wurde insbesondere durch die Lohnstruktur der IG in fachfremde Bereiche abgeworben. Mit dem
Rückzug der IG fallen auch diese Stellen
wieder weg.
Den Jugendlichen fällt es sehr schwer, diese
hohen Standards wieder herunterzuschrauben. Da sie aber nicht in der Lage sind
selbstständig die damit verbundenen
Investitionen einzuwerben, fallen viele der
mit großen Engagement und finanziellem
Input gestarteten Programme wieder weg.
Ehrenamtliches Engagement wurde nur
selten gefördert und entsprechend fehlt jetzt
eine Struktur, die das entstehende Vakuum
ausfüllen kann. Hochbezahlte und geförderte Jugendarbeiter haben sich auf einen
gewissen materiellen Standard eingerichtet
und sind nicht bereit, für die Hälfte des
Lohns weiterzuarbeiten, sondern suchen
sich lieber Stellen in der Wirtschaft.
Dabei ist es zweifellos in vielen Fällen wichtig, dass eine Organisation auch nach außen
als internationale Organisation auftritt und
damit einen ethnisch und kulturell vergleichsweise neutralen Raum zur Verfügung
stellt. Dies war direkt nach dem Krieg von
entscheidender Wichtigkeit und ist auch
heute in vielen Regionen ein wichtiger
Aspekt. Gleichwohl muss die Verantwortung zunehmend in die Hände gut ausgebildeter bosnischer Mitarbeiter übergeben
werden. Nur so ist eine „local ownership“
mittelfristig gewährleistet, und der Aufbau
von Strukturen einer funktionierenden
Zivilgesellschaft möglich.
In den allerwenigsten Fällen wurde von
Anfang an mit dem klaren Ziel einer Lokalisierung gearbeitet. Lokale Behörden wurden
nicht in die Verantwortung für diese essentielle Arbeit genommen und haben die Verantwortung auch gerne abgegeben. Jetzt
kann es eigentlich nicht verwundern, dass
dieses Bewusstsein nicht gewachsen ist und
etwaige Töpfe schon von anderen Interessensgruppen belegt sind.
Auch die Ausstattungsstandards der Einrichtungen müssen auf einem vertretbaren
Niveau liegen, bei dem auch staatliche
Stellen und lokale Träger wenigstens annähernd mithalten können. Hochglanzbroschüren, kostenlose T-Shirts und teure
50
Fördermittel großer Internationaler Geldgeber EU/Cards etc. liegen in der Regel bei
einem Projektvolumen von 10 000 € bis
100 000 €. Dieser Betrag ist insbesondere für
kleine Organisationen oft zu groß und mit
der normalen Struktur nicht sinnvoll zu
implementieren.
Dies führte in der Vergangenheit häufig zur
Überforderung der Organisationen oder zu
einem
künstlichem
Aufblasen
der
Programme, um überhaupt antragsberechtigt
zu sein.
Abb: Multifunktionsraum Jugendzentrum Jajce
4.3 Exit Strategie
Eine klare Exit-Strategie der internationalen
Organisationen wurde in den seltensten
Fällen formuliert. Dies trifft auf die großen
internationalen Organisationen wie OSZE,
UNDP etc. genauso zu wie auf die vielen
großen und kleinen Organisationen und
Förderprogramme in der Jugendarbeit. Viele
Organisationen planen von Projektantrag zu
Projektantrag und die Unsicherheit über die
Arbeitsverhältnisse erschwert eine klare
Identifikation mit dem Projekt.
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Nachhaltigkeit der Programme ist häufig nur
in der Antragslyrik zu finden. Es gibt praktisch keine Projekte, die mit einem gewissen
Abstand zum durchgeführten Projekt die
Auswirkungen evaluiert haben. Nicht einmal
Evaluationen am Ende eines Projektes
gehören zum Standard. Wenn sie durchgeführt werden, sind sie in aller Regel nicht
öffentlich und werden auch nur selten von
externen Gutachtern durchgeführt. Obwohl
die meisten Gelder direkt oder indirekt von
der öffentlichen Hand zur Verfügung
gestellt werden, sind die Ergebnisse der
Arbeit nur selten öffentlich und andere
Organisationen können nicht daraus lernen.
gegen den Wehrdienst bzw. für das Recht
auf den verfassungsmäßig verankerten
Zivildienst eintritt, ist innerhalb kürzester
Zeit zu einem wichtigen Ansprechpartner
für die IG geworden. Angepasst an lokale
Lohnstrukturen und vom inhaltlichen Engagement der Aktivisten getragen, hat der
Verein sowohl eine enorme Glaubwürdigkeit erreicht als auch viele ehrenamtliche
Aktive einbinden können. (Förderung
derzeit überwiegend durch HBS)
4.4 Antragslyrik und lokale
„Ownership“
Die Antragsformalia der großen Geldgeber
zwingen dazu, sich bereits beim Projektantrag an die Vorgaben der Ausschreibung
anzupassen. Im ungünstigsten Fall wird
dann der Antrag auf die Fundingline zugeschnitten und nicht auf den Bedarf vor Ort.
Dies trifft sowohl für die internationalen
Organisationen zu als auch für die vielen
tausend lokalen Nichtregierungsorganisationen, die zum Teil äußerst erfolgreich versucht haben von dem großen Kuchen der
Entwicklungsgelder etwas abzubekommen.
Das Profil dieser Organisationen hat sich
teilweise extrem den jeweiligen Schlüsselwörtern der Donatoren angepasst. Versöhnung, Gender, Umwelt, Bildung wurden
austauschbar, wenn es um den Erhalt der
eigenen Stellen ging. Dies führt dazu, dass es
heute nur wenige Organisationen gibt, die
für ein klares Ziel stehen und in lokaler Verantwortung als Ansprechpartner für ein
bestimmtes Thema gesehen werden können.
Eine Expertise baut sich nur langsam auf
und erfordert entsprechend eine gewisse
Kontinuität, auch wenn das Thema gerade
nicht modern ist.
Mit Hilfe von Schüler Helfen Leben und der
Heinrich Böll Stiftung hat sich 2001 die
bosnische NGO Prigovor Savjesti gegründet – von Beginn an inhaltlich in lokaler
Verantwortung. Der Verein, der sich für das
Recht auf Entscheidungsfreiheit für bzw.
Abb: Aktion von Prigovor Savjesti in Sarajevo
4.5 Mitarbeiterfluktuation
Der hohe Turnover bei den Organisationen
im Jugendbereich, aber auch insgesamt bei
den internationalen Organisationen ist ein
weiteres riesiges Problem. Das institutionelle
Gedächtnis einer Organisation verliert
enorm, wenn die Mitarbeiter wechseln.
Wenn es dazu noch an aussagefähigen
Bericht und Evaluationen mangelt, kann aus
den gemachten Erfahrungen kaum gelernt
werden. Dies ist besonders dramatisch,
wenn die häufig kontinuierlich arbeitenden
lokalen Mitarbeiter nicht voll inhaltlich
51
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
eingebunden sind. Da der Austausch
zwischen Institutionen häufig den internationalen Mitarbeitern vorbehalten ist, wird
weder Wissen nachhaltig aufgebaut noch aus
den Erfahrungen wirklich gelernt. In der
Regel sind die Mitarbeiter (insbesondere die
Ausländischen) nur auf Projektbasis
angestellt und viele verlassen das Land noch
bevor sie sich ausreichend mit der Kultur
und den Gegebenheiten geschweige denn
mit der Landessprache vertraut gemacht
haben. Viele Projektanträge und Projekte
wären sicher bei einem besseren
Wissensmanagement und einem stärkeren
und ehrlicherem Austausch qualifizierter
ausgefallen.
4.6 Koordination
Die Arbeit der Mittlerorganisationen im
Ausland muss mit den unterschiedlichen
Organisationen besser abgestimmt werden,
um Doppelarbeit zu vermeiden und zwar so
international wie möglich. Zwischen den
Organisationen der Jugendarbeit gibt es
innerhalb von BuH keinen organisierten
Erfahrungsaustausch. Erhebungen werden
von jeder Organisation eigenständig
gemacht (so überhaupt eine ausführliche
IST-Analyse durchgeführt wird), Regionen
individuell angesprochen und Multiplikatoren, Seminarteilnehmer, Kontaktpersonen
etc. jeweils eigenständig gesucht. Weiterbildungen und Kurse werden jeweils eigenständig entwickelt und sind entsprechend
auch nicht kompatibel. Lokale Autoritäten
werden individuell kontaktiert und auch
Absprachen zum Teil mit den gleichen
Akteuren individuell getroffen. In manchen
Regionen gibt es viele Projekte, in anderen
gar keine. Wer mit wem kooperiert, hängt
auch stark davon ab, ob man mit nationalen
und internationalen Vertretern spricht. Hier
scheint es durchaus eine Parallelstruktur zu
geben. Rein formal wird natürlich miteinander geredet, aber der Austausch der internationalen Organisationen untereinander
scheint wesentlich intensiver zu sein als der
Austausch mit den lokalen/nationalen
Stakeholdern. Die lokalen Organisationen
sind wiederum in einigen Regionen sehr gut
miteinander vernetzt, aber dies ist meist
52
stark von ethnisch/religiösen Faktoren
abhängig.
Konferenzen, die dem Erfahrungsaustausch
dienen, finden (wenn überhaupt) meist im
Ausland statt bzw. werden auf relativ hoher
Ebene angesetzt.
Auch gibt es relativ wenig Kooperation
zwischen dem Mittlerem Level/Top Level
und dem Grassroute Level. Alle arbeiten
eher horizontal an ihren Themen,
(institutionalisierte) Vernetzung
gibt es
kaum.
Im Bereich der Förderung der deutschen
Sprache (StaDaF) gibt es einen Ansatz, die
verschiedenen deutschen Akteure (Goethe
Institut, Deutschlektoren vom DAAD und
der
Robert
Bosch
Stiftung,
die
Bundesanstalt für Auslandsschulwesen und
die Botschaft) zusammen zu bringen. Diese
Treffen sind ein seltener Versuch die Arbeit
in einem inhaltlichen Bereich zu koordinieren.
Ein Problem eines solchen Zusammenschlusses stellt häufig die Frage der
Kompetenzverteilung und der Einladungsliste dar: es gibt keine klaren Zielvorgaben
für diesen Arbeitskreis. Gleichwohl ist er als
seltener Ansatz unbedingt zu erwähnen.
Für einen direkten Austausch im Land fehlt
scheinbar die einladende Institution, aber
auch der Wille. Vielleicht ist es auch die
Angst sich in die Karten gucken zu lassen
und etwaige Fehler zugestehen zu müssen.
Dabei wären die Koordination und der
Erfahrungsaustausch von unschätzbarer
Bedeutung.
Bestehende Vernetzungsangebote wie der
Jour Fixe der deutschen Botschaft oder das
NGO Forum ICVA werden nur sporadisch
oder gar nicht besucht. Durch die dünne
Besucheranzahl erreichen diese bestehenden
Foren nicht die kritische Masse, um effektiv
arbeiten zu können. In diesem Zirkelschluss
– das Treffen ist nicht interessant, weil
sowieso so wenig Gruppen kommen, also
komme ich auch nicht – ist ohne verstärkte
Bemühungen nicht davon auszugehen, dass
sich irgendetwas ändert. Verschiedene
Akteure nehmen sporadisch an den Treffen
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
teil, stellen fest, dass sich nichts geändert hat
und bleiben wieder fern.
4.7 Zielformulierungen
Jugendarbeit wohin? Es gibt kein Jugendkonzept für Bosnien und Herzegowina. Die
oft lobenswerte und engagierte Arbeit im
Jugendbereich ist nicht integriert in ein
landesweites Konzept. Jedes Projekt folgt
einer eigenen Logik. Um eine besser Koordination zu gewährleisten und die Arbeit
transparenter zu machen, müssen folgende
Fragen beantwortet werden:
⇒ Woran können langfristig Erfolge in der
Jugendarbeit gemessen werden?
Ziel: Klare Kriterien erstellen und
Erfolge auch klar beurteilen zu können
⇒ Wann hat die Internationale Gemeinschaft im Jugendbereich erfolgreich
gearbeitet und kann, zumindest in
größerem Maße das Land verlassen?
Ziel: Transparenz für die Menschen im
Land, Möglichkeit der Erfolgskontrolle,
Planbarkeit für andere Akteure
⇒ Welche Ziele sollen erreicht werden und
warum? Treffen diese Ziele die Bedürfnisse der Jugendlichen?
Ziel: Besseres Monitoring. Zielgruppenorientierung und nicht Fundingline
orientiertes Arbeiten
⇒ Welche langfristigen Ziele verfolgt die
IG mit der Jugendarbeit?
Ziel: Klarheit schaffen für andere
Akteure. Signale setzen an die kommunalen, regionalen und nationalen politischen Gremien.
Was sind die genauen Ziele, wie und mit
wem und bis wann sollen sie umgesetzt
werden? Diese Fragen nach Ziel, Kriterien
und End, die in jedem von der IG veranstalteten
Projektplanungsworkshop
als
zwingend in der Projektplanung vermittelt
werden müssen von den internationalen
Organisationen im Jugendbereich dringend
berücksichtigt werden.
4.8 Teilnehmerauswahl
Ein großes und wenig behandeltes Problem
stellt die Auswahl von Teilnehmern an
Jugendprojekten dar. In den seltensten
Fällen kann von einer gezielten und sinnvollen Auswahl gesprochen werden. Im
Gegenteil, meistens ist die Zusammensetzung der Seminare, Förderprogramme
und Projekte relativ zufällig.
Neben dem häufigen Ausschlusskriterium
Sprache (viele Seminare finden in Englisch
oder Deutsch statt) ist Zugang zum Internet
und damit der am weitesten verbreiteten
Informationsressource
bzw.
dem
wichtigsten
Kommunikationsmedium
(Email) fast schon ein Muss. Wer einmal in
den relevanten Verteilern drin ist, bekommt
relativ zuverlässig Informationen zu den
interessanten Veranstaltungen. Wer ohne
Internetanschluss auf dem Land lebt, hat
kaum eine Chance von dem Seminarangebot
zu erfahren. Auch kommt es immer wieder
vor, dass durchaus interessante Seminare
Schwierigkeiten bekommen ihre Teilnehmerzahlen zusammen zu bekommen und
dann auch auf teilweise unqualifizierte
Bewerber zurückgreifen um ihre Teilnehmerlisten voll zu bekommen.
Die niedrige Hemmschwelle zu einer Anmeldung (oft reicht ein ganz formloses
Anschreiben) und in der Regel keine Teilnahmegebühren bzw. gar finanzielle Folgen
bei Nichtteilnahme führen dazu, dass angemeldete Teilnehmer oft nicht anreisen oder
sich für mehrere Seminare gleichzeitig
anmelden und am Ende das Interessanteste
rauspicken.
In diesem Zusammenhang hat sich ein
richtiger
Seminartourismus
entwickelt.
Jugendliche, die es geschafft haben in die
Verteiler der Organisationen zu kommen
und möglichst noch Englisch oder Deutsch
sprechen, besuchen eine Vielzahl von
Seminaren, unabhängig von den Inhalten,
aus Interesse und Lust an den Jugendgruppen, den Tagungsorten oder anderen
Gründen.
Bei den Seminaren darf weiterhin nicht vergessen werden, dass Jugendliche in vielen
Fällen die Erlaubnis ihrer Eltern für die
Seminarteilnahme benötigen. Durch die
53
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Formulierungen in den Ausschreibungen
werden aber gerade nationalistisch eingestellte Eltern ihre Kinder oft nicht zu interethnischen Veranstaltungen schicken. Diese
Kinder, die eigentliche eine besonders
wichtige Zielgruppe darstellen, müssen u.U.
über andere Themen angesprochen werden
und auch die Sichtweise der Eltern muss
berücksichtigt werden.
Es muss gezielt versucht werden Jugendliche
aus den ländlichen Regionen anzusprechen.
Dafür müssen neue Strategien für die „Werbung“ entwickelt werden.
Aufgrund der vorherrschenden Verfahren
zur Teilnehmersuche ist der Anteil an
Jugendlichen, die während des Krieges im
Ausland waren, überproportional hoch,
während andere Gruppen strukturell
benachteiligt werden.
Das Kriterium der ethnischen Zugehörigkeit
scheint bei vielen Seminaren ein entscheidendes Kriterium zu sein. Unabhängig
davon, dass dies die Unterschiede der Teilnehmer betont und nicht die Gemeinsamkeiten (wie zum Beispiel das Interesse an
einem Thema), zwingt es die jugendlichen
Bewerber auch systematisch, sich der ethnischen
Kategorisierung
unterzuordnen.
Insbesondere für Leute, die sich nicht über
eine ethnische Gruppe definieren, aus
Mischehen kommen, einer Minderheit angehörigen etc. ist das immer wieder ein
Problem.
Veranstaltungen im Jugendbereich finden in
der Regel kostenlos statt. Die Jugendlichen
bekommen Anreise, Unterkunft und
Verpflegung gestellt. Der Wunsch, dass die
Veranstaltungen für alle Jugendlichen offen
sind und materielle Voraussetzungen kein
Ausschlusskriterium sein sollen, steht meist
hinter diesem Ansatz. Allerdings kommt es
oft auch dazu, dass die Veranstaltungen von
den Teilnehmern nicht wert geschätzt
werden. Jugendliche tauchen nicht auf,
machen nicht mit, sind nur an dem
Freizeitteil interessiert. Außerdem wurde
hier ein Standard etabliert, der langfristig
nicht zu halten ist und es lokalen
Organisationen extrem erschwert gegen die
internationale Konkurrenz zu bestehen.
54
Außerdem gilt auch in BuH oft, dass etwas,
das nichts kostet, auch nichts wert ist.
4.9 Empfehlungen
⇒ Exit Strategie
⇒ Zielformulierungen
⇒ Externe Evaluationen
⇒ Nachhaltige Personalpolitik
⇒ Interne Vernetzung
⇒ Regelmäßige Treffen
⇒ Förderung von vernetzenden Strukturen
(OIA, OKC u.a)
⇒ Abgleichung von Programmen
⇒ Entwicklung gemeinsamer Standards in
der Jugendarbeit und der Ausbildung
⇒ Klare regionale Konzepte
⇒ Gemeinsam koordinierte Strategien und
Vorgehensweisen beim Umgang mit
lokalen Behörden (Für einen Bürgermeister ist es auch nicht erquicklich,
wenn alle 3 Monate jemand anderes ein
Jugendkonzept vorstellt).
⇒ Regelmäßiger Erfahrungsaustausch
⇒ Austausch von erstellten Arbeitsmaterialien, gemeinsame Entwicklung und
Verteilung von Materialien für die
Jugendarbeit
⇒ Strategie-Entwicklung für die
Teilnehmerauswahl
⇒ Erschließung neuer Werbeformen für
die Teilnehmerauswahl
⇒ Erhebung von Teilnahmegebühren
Anmerkung
Es geht bei den Empfehlungen zur Koordination nicht um eine Gleichschaltung,
sondern um eine Bündelung der knapper
werdenden Ressourcen und der Hoffnung
Dopplungen zu vermeiden und mehr voneinander zu lernen.
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Gleichzeitig muss der Austausch mit lokalen
Organisationen und den Behörden massiv
verbessert und die Öffentlichkeitsarbeit in
größerem Maße unterstützt werden.
Das sind wichtige Grundvoraussetzungen,
um das Thema Jugend / junge Erwachsene
an sich, aber auch ihre Bedeutung für
Bosnien und Herzegowina in die Gesellschaft zu tragen und ein Bewusstsein für die
Probleme der Jugend und letztlich für die
Notwendigkeit
von
Unterstützungsmaßnahmen zu schaffen.
Abb.: Qualifikationsspiel BuH – Dänemark um EM
Teilnahme
55
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
5.
Schlussbetrachtungen
Jugendliche gelten in den Projekten der
Entwicklungshilfe oft als „friedensförderndes Potential“, aber viel zu selten als
zukünftige Erwachsene. Das Lippenbekenntnis, „die Jugend ist die Zukunft des
Landes“ reicht nicht aus.
Selbstverständlich ist es wichtig, in jungen
Jahren ethische, moralische und politische
Grundlagen zu legen und sich in der
Jugendarbeit intensiv mit Toleranz, Demokratie und Menschenrechten zu beschäftigen, aber nur wenn die jungen Menschen
auch Perspektiven für ihre eigene Zukunft
aufgezeigt bekommen und sich selber zu
eigen machen können, werden sie in der
Lage sein, für sich und letztlich für die
Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.
Strategievorschläge Internationaler Organisationen von UNDP bis Weltbank legen
starken Wert auf eine weitere Verbesserung
der Schulsysteme, Unterstützung der
Gründung neuer Schüler- und Studentenorganisationen und allgemeine Stärkung der
politischen und sozialen Rolle der Jugendlichen. Weiterhin fordern sie die Verabschiedung neuer Gesetze zum Schutz von
Berufseinsteigern, die Unterstützung von
Unternehmerinitiativen, Hilfe beim Weg in
die berufliche Selbstständigkeit und die
Entwicklung
von
Strategien
zur
Bekämpfung der Jugendarmut.78 Die
wichtigsten Prämissen dieser Strategien
sollten vor allem der politische Wille sein,
die Jugend als bedeutenden Teil der Gesellschaft zu betrachten und ihr mehr Freiräume zu schaffen, die Durchführung von
Bedarfsanalysen, die regional abgeglichen
werden sollten, sowie ein umfassender
Ansatz zur Zusammenarbeit zwischen
“Izviješce o društvenom razvoju – Mladi u
Hrvatskoj 2004”, UNDP Hrvatska i CMS, Zagreb,
2005, Ministry of Education and Sports, Republic of
Serbia, Youth Section: “Priorities and Proposals for
Constructing National Youth Strategy and Policy”,
Report and Agenda for 2002 – 2003, Belgrade, 2002
78
56
nationalen, staatlichen, nichtstaatlichen und
internationalen Organisationen.
Konkret
Im Folgenden werden ein paar konkrete
Vorschläge vorgestellt. Um den Start zu
erleichtern, wird dabei das Hauptaugenmerk
auf die Möglichkeiten der deutschen
Organisationen gelegt. Eine Ausweitung ist
wünschenswert.
5.1 Wissensmanagement –
Koordination
Unbedingt notwendig sind Veränderungen
im Wissensmanagement. Hierbei muss mehr
darauf geachtet werden, dass die unterschiedlichen Programme im Bereich Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina besser
koordiniert werden. Es muss ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch stattfinden,
Projekte müssen evaluiert werden und die
praxisrelevanten
Ergebnisse
sollten
möglichst offen diskutiert werden. Selbst
wenn koordinierende Arbeiten Zeit und
Geld kosten, ist es unverantwortlich, wenn
in der Zukunft die Arbeit nicht besser
koordiniert wird. Zeit und Kosten, die aufgrund unabgesprochener und unkoordinierter Aktionen investiert werden und
Projekte, die aufgrund fehlender Anbindung
nicht nachhaltig funktionieren, sind langfristig mit wesentlich höheren Aufwendungen verbunden.
Vorschläge
⇒ Mindestens zweimal im Jahr sollte ein
Erfahrungsaustausch zum Thema
Jugend stattfinden. Die Einladung
könnte z.B. über die deutsche Botschaft
erfolgen.
Ziel: Erfahrungsberichte aus der Praxis
sammeln und zu diskutieren. Gegenseitiges Kennenlernen.
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
⇒ Jährlich ein kurzer Arbeitsbericht mit
Zielgruppe, Zielregion und Arbeitsfeldern von jeder Organisation in dem
Bereich. Entwicklung einer regelmäßigen
aktualisierten Datengrundlage, die
sowohl neuen Projekten als auch neuen
Mitarbeitern der Organisationen einen
Überblick über die derzeitige und die
geleistete Arbeit verschafft. Außerdem
würde das zu mehr Transparenz
untereinander führen und wäre
langfristig ein wichtiger Überblick
sowohl zur Evaluation der geleistete, als
auch zur Planung der zukünftigen
Arbeit.
⇒ Konferenzen zum Thema Jugend mit
Vertretern der Jugendarbeit aus den
Nachbarländern und anderen zentralen
Akteuren. (z.B. alle 2 Jahre) Zumindest
grob müssen gemeinsame Zieldefinitionen gefunden, Strategien und Wege
diskutiert werden.
⇒ Abgleich der Datenbanken und Erstellung einer zentralen Sammlung (Website)
zu den aktiven Gruppen in dem Bereich.
Grundlage kann die Datenbank von
OIA sein.
⇒ Erstellung einer Übersicht über alle
publizierten Broschüren und Arbeitspapiere zum Thema Jugend, um Überschneidungen zu vermeiden und Synergieeffekte besser nutzen zu können.
⇒ Überprüfung der Nachhaltigkeit der
Projekte (zum Beispiel 3 Jahre nach
Beendigung: Was ist übrig geblieben?)
Kopplung von Theorie und Praxis
Es fehlen in der Jugendarbeit Analysen,
politische Updates etc. in Zusammenarbeit
mit anderen Organisationen, Wissenschaftlern usw. Viele der Projekte haben ihren
theoretischen Anteil mit der Erarbeitung des
Projektantrags bereits abgeschlossen.
⇒ Gezielte wissenschaftliche Begleitforschung mit Studierenden, Promovierenden und Wissenschaftlern aus der
Region sowie aus Deutschland. Ziel:
Durch eine fundierte und möglicherweise für alle Beteiligten fruchtbare
Begleitforschung die Arbeit voran
bringen und auch international von den
gemachten Erfahrungen profitieren zu
können.
⇒ Gemeinsame Erarbeitung von Länder-
papieren mit klaren Zielformulierungen,
Evaluationskriterien, Exit-Strategien. Nur
ein von allen Stakeholdern gemeinsam
erarbeitetes Papier wird mittelfristig auch
von allen getragen. Gute Vorschläge gibt
es bereits zu Hauf, aber sie werden in
den seltensten Fällen gelesen geschweige
denn berücksichtigt bzw. zirkulieren nur
in relativ kleinem Rahmen. (vgl. Papiere
von Weltbank, EU, UNESCO,
UNDP,OSZE, u.a.)
5.2 Wichtige Themenbereiche
Themenfelder isoliert zu benennen wird der
Komplexität der Situation nicht gerecht und
würde auch die Wertigkeit einzelner Themen
in Frage stellen. Auch geht es nicht darum
einzelne Bereiche gegeneinander auszuspielen. Die Praxis der Vergangenheit hat
gezeigt, wie politisch gewollt oder der jeweiligen Fundingline entsprechend die inhaltlichen Schwerpunkte variiert haben. Insbesondere in den ersten Jahren stand Versöhnung und Traumaarbeit noch recht hoch
auf der Agenda. Mittlerweile ist dieser
Themenbereich kaum noch im Fokus und
Berufsbildende
Maßnahmen
sowie
Bildungspolitik haben ein höheres Gewicht
bekommen. Umwelt oder EDV-Trainings
waren weitere Schlagworte, die gekoppelt
mit den Worten Interethnische Arbeit fast
automatisch zu einer Bewilligung der
Projekte geführt haben.
Aufgrund der Interviews und Fragebögen ist
es deutlich geworden, dass Berufsorientierung und Berufsfördernde Maßnahmen
das zentrale Anliegen der meisten Akteure
(sowohl der direkt betroffenen Zielgruppe
als auch der anderen Stakeholder) sind. Jetzt
gilt es diesen Bereich aufzuwerten und mit
57
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Projekten zu koppeln, die Bereiche wie
Politische Bildung / EDC mit einbeziehen.
⇒ Förderung von Programmen zur
Berufsauswahl und zum Berufseinstieg
⇒ Schaffung und Unterstützung von
Räumen für Jugendliche und Jugendorganisationen.
⇒ Erarbeitung und Durchführung von
Qualifizierungsmaßnahmen für Multiplikatoren in Koordination mit lokalen
Organisationen, pädagogischen
Instituten etc. und mit anerkannter
Zertifizierung Hier könnte ein
Trainingsnetz entstehen z.B. für die
Bereiche Lehrerweiterbildung, Jugendleiterausbildung, Drogenberatung etc.
⇒ Arbeitsschaffung / Berufseinstieg: z.B.
durch Genossenschaftsgründungen,
qualifizierte betriebswirtschaftliche Weiterbildungen, Förderung von Enterpreneurship durch Mikrokredite, Weiterbildung in Marketing, Businessplan etc. –
in Form abgestimmter Strategien.
⇒ Förderung von Modellvorhaben im
Bereich Berufseinstieg (Genossenschaftsmodelle, Projekte mit Pilotcharakter im Bereich Selbstständigkeit)
5.3 Interessante Forschungsthemen
Viele Fragestellungen konnten im Rahmen
dieser Studie nicht angerissen werden und
viele Fragen sind erst mit der intensiven
Beschäftigung aufgetaucht. Daraus entwickeln sich Forschungsfragen, die für die
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
von großer Hilfe sein könnten.
Dazu zählen unter anderem folgende
Themen:
⇒ Langfristige Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Jugend
⇒ Mögliche Kriterien zur Erfolgskontrolle
in der Jugendarbeit
⇒ Erfahrungen im Bereich Traumaarbeit
⇒ Unterschiede im nationalistischen
Denken bei verschiedenen Jugendgruppen (Stadt-Land; Rückkehrer, intern
Vertriebene, junge Menschen mit
direkter Kriegserfahrung)
⇒ Gründe für die viel beschworene
Lethargie bei jungen Menschen
⇒ Jugendliche Opfer häuslicher Gewalt
⇒ Verankerung der Tätigkeiten mit Programmen aus der politischen Bildung
zum Aufbau einer Zivilgesellschaft und
zur Stärkung der Jugend allgemein.
⇒ Umgang mit jugendlichen Gewaltopfern
⇒ Aufbau regionaler Infozentren die zu
bestimmten Themen wie Arbeit und
Wirtschaft, Umwelt, Gesundheit etc. (in
Absprache mit lokalen Autoritäten)
Unterstützung anbieten.
⇒ Gendersensible Jugendarbeit – genderspezifische Jugendarbeit
Die Probleme sind bekannt. Jetzt müssen
klare Ziele gemeinsam definiert, koordiniert
und umgesetzt werden. Dabei dürfen Vernetzung, local Ownership und Nachhaltigkeit nicht wie so oft Schlagworte bleiben, die
zwar von den Projektpartnern gefordert
werden, aber selbst nicht beachtet werden,
sondern zukünftige Projekte müssen sich
öffentlich daran messen lassen, ob sie diese
Voraussetzung erfüllen.
58
⇒ Probleme von und Fördermöglichkeiten
für im Krieg geborene Kinder
⇒ Situation von Jugendlichen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen
(Homosexualität, Transsexualität etc.)
⇒ Fördermöglichkeit von jungen
Menschen mit Entwicklungsbeeinträchtigung
⇒ Jugendarbeit auf dem Land – in strukturschwachen Gegenden.
⇒ Großereignisse und ihre Wirkung in der
Entwicklungszusammenarbeit
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Abkürzungen
A
AA
AGDF
B
BMZ
BuH
C
Caritas
CBO
CAN
CoE
CoM
D
DED
DSE
E
EDC
Auswärtiges Amt
Aktionsgemeinschaft Dienst für
den Frieden
Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
Bosnien und Herzegowina
Deutscher Caritasverband e.V.
Community Based Organisation
Center for non Violent Action
Council of Europe
Council of Ministers
Deutscher Entwicklungsdienst
Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung
Education for democratic
Citizenship
EIRENE Internationaler Christlicher
Friedensdienst
EU
Europäische Union
EUFOR European Forces – Schutztruppen
der Europäischen Union (seit
12/2005) s.a. SFOR
EUPM European Union Police Mission
F
FES
Friedrich Ebert Stiftung
FRIENT Gruppe FriedensEntwicklung
G
GTZ
Gesellschaft für Technische
Zusammenarbeit GmbH
H
HBS
Heinrich Böll Stiftung
HR
High Representative / Hoher
Repräsentant der Vereinten
Nationen
HSS
Hans Seidel Stiftung
I
InWEnt Internationale Weiterbildung und
Entwicklung
K
KAS
Konrad Adenauer Stiftung
KfW
Kreditanstalt für Wiederaufbau
M
MoCA
N
NATO
O
OHR
OSCE
OSZE
P
PCIA
PCM
S
SHL
SFOR
Ministry of Civil Affairs
North Atlantic Treaty
Organisation
Office of the High Representative
(s.a. HR)
Organisation for Security and
Cooperation in Europe (vgl.
OSZE)
Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (vgl.
OSCE)
Peace and Conflict Impact
Assessment
Project Cycle Management
Schüler Helfen Leben
Security Forces – Schutztruppen
der Vereinten Nationen (bis
12/2004) s.a. EUFOR
U
UNDP
United Nations Development
Program
UNHCR United Nations High
Commissioner for Refugees
UNICEF United Nations Childrens Fund
USAID United States Agency for
international Development
Z
ZIF
Zentrum für internationale
Friedenseinsätze
59
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
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61
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Danksagung
Es ist mir ein großes Anliegen mich bei allen
Menschen zu bedanken, die mich bei der
Recherche zu dieser Studie unterstützt
haben. Die Kooperationsbereitschaft und
die Unterstützung haben mich immer wieder
positiv überrascht und gefreut. Während der
Arbeit an der Studie ist die Überzeugung
gewachsen, dass eine bessere Koordination
und ein gegenseitiges Voneinanderlernen
nicht nur notwendig ist, sondern von vielen
gewünscht wird. Dabei wünsche ich mir,
dass trotz der hohen Fluktuation innerhalb
der IG der Bereich Jugend immer mehr zu
einem zentralen Bereich der Entwicklungszusammenarbeit wird. Die Bedeutung dieser
Zielgruppe für die Zukunft eines Landes, für
Versöhnung und Demokratisierung ist nicht
zu überschätzen. Unabhängig davon liegt es
in der Verantwortung der Menschheit, allen
jungen Menschen in der Welt eine schöne,
hoffnungsvolle und liebevolle Zukunft zu
ermöglichen.
Konkret möchte ich mich bedanken bei den
Vertreterinnen der deutschen Botschaft in
Sarajevo, Margit Häberle und Verena Frick,
die sich für diese Studie eingesetzt haben.
Ohne Hans Jürgen Möller, der mir mit
kollegialem und freundschaftlichem Rat
immer wieder zur Seite stand und der sich
für eine Bestandsaufnahme immer wieder
stark gemacht hat, wäre diese Studie nicht zu
Stande gekommen. Katja Huning hat mich
in unterschiedlichen Phasen der Arbeit
immer wieder motiviert, beraten und mich
in vielfältiger Art und Weise unter- und
gestützt und nicht zuletzt große Teile der
Arbeit redigiert und korrigiert.
Während der Arbeit durfte ich das Büro von
D@dalos in Sarajevo mitbenutzen, wofür
ich mich bei meinen Freunden Ingrid
Halbritter und Nihad Mesić besonders
bedanken möchte, die mir auch immer mit
fachlichem Rat zur Seite standen.
Ohne die vielen Interview- und Gesprächspartner und -partnerinnen, mit denen ich
zum Teil freundschaftlich verbunden bin,
wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.
62
Danke an Adnan Huskić, Alida Čović, Azra
Djaić, , Blair Blackwell, Caroline Hornstein,
Christian Koller, Christian Wochele,
Christian Rickerts, Dagmar Troglauer, Edin
Durmo, Elana Hviv, Emir Avdagić, Georg
Schiel, Goran Tinjić, Hans Jürgen Möller,
Marcus Becker, Markus Heintzer, Ingrid
Halbritter, Massimo Morati, Nihad Mesić,
Jan Zlatan Kulenović, Jeanette Burmester,
Katharina Koprić, Lahira Sefija, Maria Prsa,
Marija Kolobaric, Melissa Bajić, Meša Begić,
Michael Schroen, Milan Mirić, Miriam
Schroer, Nicola Tiezzi, Omar Filipović,
Pedrag Puić, Renato Linkeš, Rubeena Ismael
Arndt, Samir Agić, Schwester Madeleine
Schildknecht, Ševala Hasanović, Susanne
Prahl, Wam Kat, Yaelle Link, Zoran Jakšić,
Zoran Kulundžić, die Germanistikstudentinnen (und die 2 Studenten) aus
Sarajevo und Mostar Ost. Aida Babić und
Arletta Muminović für Übersetzungen,
Bojana Pajić-Rickerts für die Arbeit zum
Teil Jugend in Serbien Montenegro und in
Kroatien,
Angelika
Wagener
für
Korrekturhinweise und all den vielen
anderen, die ich vergessen habe.
Vor allem aber danke ich den vielen
Menschen aus Bosnien und Herzegowina,
die ich während meiner Zeit in diesem
wunderschönen, aber auch gebeuteltem
Land begegnet bin und die mir geholfen
haben unterschiedliche Sichtweisen und
Problemlagen ein bisschen zu verstehen und
die mir gleichzeitig die Komplexität von
Veränderungsprozessen deutlich gemacht
haben und dabei immer Zeit für einen
Kaffee hatten.
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
ANHANG
1. Jugend in Serbien und
Montenegro & in Kroatien79
1.1 Probleme von
Jugendlichen
In Transitionsländern, die häufig80 unter
Verarmung,
unzureichenden
sozialen
Sicherungssystemen,
Organisierter
Kriminalität,
hohen
Quoten
von
Drogenabhängigkeit leiden, ist die Jugend
der verletzbarste und der ärmste Teil der
Bevölkerung. Speziell in den Ländern
Südosteuropa hat das politische, soziale und
ökonomische Geschehen seit den 90er
Jahren die Jugendlichen bis heute stark in
ihrer Entwicklung behindert und zu ihrer
Marginalisierung beigetragen. Was in dieser
Form für Bosnien und Herzegowina gilt, gilt
genauso
auch
für
seine
beiden
Nachbarländer Serbien Montenegro und
Kroatien.
Da die Politik und die jüngste Geschichte
auf das Engste mit den beiden Nachbarländern verbunden ist und die Entwicklung
in diesen Ländern direkten Einfluss auf die
Entwicklung von BuH nimmt, lohnt es sich,
die Situation in diesen beiden Ländern etwas
genauer anzuschauen und Probleme und
Lösungsansätze sowie Parallelen in der
Entwicklung zu betrachten.
Rahmenbedingungen
In Serbien und Montenegro hat das
10jährige Regime von Slobodan Milosević
ein sehr spezielles Lebensumfeld für die
Heranwachsenden geschaffen. Im Jahr 2000
ist es zwar zu einem Regimewechsel
gekommen, aber stabile politische und
wirtschaftliche Strukturen, die die wichtigsten Voraussetzungen für eine stabile
Dieser Teil basiert vollständig auf der Vorarbeit
von Bojana Pajić Rickerts, die gezielt für diese Studie
recherchiert hat. Die inhaltliche Verantwortung und
Auswahl liegt beim Verfasser der Studie.
80 UNDP-Kroatien und CMS:
“Izviješce o
društvenom razvoju – Mladi u Hrvatskoj 2004”,
Bericht, Zagreb, 2005, S.10
79
Demokratie sind, sind noch immer nicht
vorhanden und das politische Umfeld ist
speziell in Serbien auch weiterhin durch die
Machtkämpfe zwischen den rechten
Parteien gekennzeichnet. Die Jugend hat
nicht viel mit den politischen Änderungen
und den bisherigen Transformationsprozessen gewonnen. In Kroatien hat der
Krieg, der in die Unabhängigkeit des Landes
geführt hat, eine starke wirtschaftliche Krise
verursacht, die trotz des Regierungswechsels
2000 noch immer zu spüren ist. Diese
Instabilität wirkt sich auch auf die Jugend
aus.
Obwohl in den drei Ländern bzw.
Landesteilen neue nationale Pläne für die
Jugendpolitik als Teil der Strategie zur
Annäherung an die EU entstanden sind und
obwohl in diesem Feld deutlich mehr als in
den 90er Jahren staatlich organisiert und
initiiert wird, hat das Thema Jugend wie in
BuH noch immer nicht genügend Priorität
auf den politischen Agenden.
Trotz des Umstandes, dass die untersuchten
Länder auf unterschiedlichem Niveau bei
ihrem Beitrittsvorhaben zur EU sind,
können gemeinsame Problemfelder benannt
werden, die sich grob in psycho-soziale,
politische und wirtschaftlichen Felder
unterteilen lassen.
Politische, psychische und soziale
Probleme
Wie in BuH gibt es auch in Serbien, Montenegro und Kroatien keine Tradition von
aktiver und partizipativer Teilhabe von
Jugendlichen an der Gesellschaft, keine
langjährige Erfahrung von Schulparlamenten
oder
vom
Staat
unabhängige
Jugendorganisationen.
Die Perspektivlosigkeit hat zudem zu
zunehmenden Drogenprobleme geführt und
die Abwanderung unter Jugendlichen verstärkt. Das serbische Ministerium für Aus63
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
bildung und Sport hat 200281 veröffentlicht,
dass von den ca. 400 000 Menschen, die in
der letzten Dekade das Land verlassen
haben, 30 000 Jugendliche waren und, dass
noch immer viele Serbien verlassen wollen,
wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen.
Wirtschaftliche Probleme
Die Arbeitslosigkeit ist, ähnlich wie in BuH,
eines der größten Probleme der Region
(Kroatien: 18,6 %82, Serbien:
32%83,
Montenegro: 21.2%84), wobei Jugendliche
auch hier die am stärksten betroffene
Gruppe bilden85 Sowohl die unqualifizierten jungen Arbeiter, die nur begrenzte
Möglichkeiten haben, um legal auf dem
Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu
bekommen und die eigene Perspektive auf
den grauen Markt richten müssen, als auch
junge Akademiker teilen dieses Problem.
Der Mangel an außerschulischen und
staatlich
anerkannten
Qualifizierungsangeboten und eine noch immer
starke Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts und der Ausbildungspolitik der jeweiligen Länder verschärfen
diese Situation.
Die Jugend ist auch der ärmste Teil der
Gesellschaft und Armutsprogramme für
Jugendliche gibt es fast keine.
Aufgrund
der
allgemein
schweren
wirtschaftlichen Lage bleiben die Jugendlichen sowohl in Kroatien als auch in
Ministry of Education and Sports, Youth Section:
Report and Agenda for 2002 – 2003., “Priorities and
Proposals for Constructing National Youth Strategy
and Policy” Belgrade, 2002
82 “Izviješce o društvenom razvoju – Mladi u
Hrvatskoj 2004”, UNDP Hrvatska i CMS, Zagreb,
2005
S. 19.
83 Business Information on Central and Eastern
Europe, Number 2-2004,
http://www.hvb.ro/pdf/CEE204.pdf, S. 26.
84 Djurovic, G; Radovic, M.; Boskovic, P.:
Unemployment and Labour Market in Montenegro,
81
http://facta.junis.ni.ac.yu/facta/eao/eao2002/e
ao2002-10.pdf, S. 4.
In allen Ländern mehr als 1/3 von den
Arbeitslosen sind die Jugendlichen, in Montenegro
sogar mehr als 70% (vergleiche:
http://www.helpev.cg.yu/projekte.php?subaction=s
howfull&id=1115657214&archive=&start_from=&u
cat=&)
85
64
Serbien und Montenegro länger in ihrer
Rolle als Jugendliche als anderswo. Wegen
der Hindernisse, eine eigene Karriere zu
starten, wohnen sie länger bei den Eltern,
gründen später ihre eigene Familie als die
Generation zuvor und sind erst sehr spät in
der Lage die Verantwortung für ihr eigenes
Leben zu übernehmen.
1.2 Schulsysteme in Kroatien
und Serbien Montenegro
Die Schulsysteme von Kroatien, Serbien und
Montenegro sind überwiegend staatlich und
zentralistisch organisiert und noch immer
von dem politischen Geschehen der 90iger
Jahre in Ex-Jugoslawien geprägt. Sie vollführen einen Spagat zwischen den Nachkriegsproblemen (in Kroatien) bzw. den sehr
schweren ökonomischen und politischen
Transformationskrisen (in Serbien Montenegro) auf der einen Seite und den
Reformen in Richtung einer EU-Mitgliedschaft auf der anderen Seite.
Verwaltung, Finanzierung und
Aufbau
In den Ländern sind die jeweiligen
Bildungsministerien für die Erstellung der
Lehrpläne und administrative und fachliche
pädagogische Aufsichten zuständig. In
Serbien greifen allerdings diese Befugnisse
tiefer als in Kroatien in die schulische Organisation ein. So hat z.B. die so genannte
Schulverwaltung, die sich aus Schulleiter,
Schulausschuss (fünf Vertreter, die von der
Regierung benannt wurden), Elternbeirat
und einem Teil des Lehrkörpers zusammensetzt, nur organisatorischen Kompetenzen.
Die Lehrer- und Elternbeiräte sind an keiner
Entscheidung beteiligt und haben keine
Rechte. In Kroatien werden die Lehrpläne
im Unterschied zu Serbien von Ausschüssen
und Arbeitsgruppen des Kultusministeriums
entwickelt, öffentlich zur Diskussion gestellt
und erst dann implementiert. In Kroatien
haben die Verwaltungsgremien an jeder
Schule, die aus Vertretern der Lehrer und
der Eltern sowie des Bildungsträgers
bestehen, eigene Rechte und Befugnisse. So
können sie z.B. unter anderem die Verab-
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
schiedung der jährlichen Lehrpläne und
Schulprogramme kontrollieren.
Träger der meisten Schulen in beiden
Ländern sind die Kommunen. Durchschnittlich werden von staatlicher Seite
zwischen 3,2 und 5,6 % des Bruttosozialproduktes in die Schulsysteme investiert. Es
besteht in beiden Ländern die gesetzlich
geregelte Möglichkeit, private Ausbildungsträger zu gründen und zu leiten.
In beiden Ländern sind die Schulsysteme
zwischen Primär-, Sekundar- und Postsekundarschule aufgeteilt. Die Primarschulen umfassen dabei eine obligatorische
8-jährige allgemein bildende Grundschulausbildung. Die Lehrpläne werden in
obligatorische und optionale Curricula und
extra-curriculare Aktivitäten (d.h. Pflichtund Wahlfächer sowie unterschiedliche
fakultative
Programme,
Ergänzungsunterricht für schwächere SchülerInnen
usw.) unterteilt. Die Sekundarschulen dauern
in der Regel 3 - 4 Jahre und können grob in
Gymnasien, Berufsschulen mit sehr
unterschiedlichen
praxisbezogenen
Programmen und Kunstschulen unterteilt
werden. In Kroatien gibt es zudem noch
Ausbildungsprogramme für qualifizierte
Arbeitskräfte, die bis zu zwei Jahre dauern.
Alle Länder haben zusätzliche Sonderschulen für körperlich oder geistig
behinderte Kinder (bis zu 3 Jahren).
Probleme und Reformen
Das zentralisierte Schulsystem und die überfrachteten Curricula werden in allen Ländern
als Problem genannt. Unterschiedlicher
Reformbedarf wird in folgenden Feldern
geschildert:
In Kroatien werden als wichtigste Probleme
das Fehlen von gesetzlich vorgeschriebenen
pädagogischen Standards auf der Staatsebene, der Mangel an Schulgebäuden insbesondere Sporthallen, die fehlende Ausstattung an Lehrmitteln und Medien, an
qualifizierten Lehrkräften, und die Zergliederung des Schulsystems benannt.86
Neben den oben genannten Problemfeldern
werden in Serbien und Montenegro die hierarchische Verwaltungsstruktur und der
große Bürokratieapparat als dringendste
Probleme gesehen, die direkte Beteiligung an
den Entscheidungen in der Schule verhindern.
Es gibt zu viele Richtlinien, von denen
einige zudem widersprüchlich sind, da in
diesem Land die Rechtsreformen noch
immer nicht vollendet worden sind. Die
juristische Situation wurde 2000 noch
verschärft, da es seitdem zu einigen Regierungsänderungen in Serbien gekommen ist,
die immer auch neue Bildungsminister und
Gesetzesinitiativen hervorgebracht hat. Die
Instabilität in der Beziehung zwischen den
Republik Serbien und Republik Montenegro
spielt zusätzlich noch eine große Rolle in der
politischen Kontinuität. Diese hat dazu
beigetragen, dass die Probleme im
Bildungswesen noch nicht einmal im Ansatz
gelöst sind.87
In allen Ländern wurden viele einzelne
Projekte von lokalen NGOs initiiert und
durchgeführt. Beispiele sind die Organisation von Lehrmitteln, die Verbesserung
der Schulbibliotheken und Schuleinrichtungen, Weiterbildung von Lehrern, regionale Kooperationen, Unterstützung der
nationalen Minderheiten (hauptsächlich
Roma) und geschlechtspezifische Arbeit.
Diese Initiativen werden hauptsächlich
durch den Stabilitätspakt, den Europarat,
Open Society Fund, UNICEF, UNESCO,
OSZE, Education Sector Support Program
(ESSP) und CIDA finanziell unterstützt.
1.3 Jugend und politische
Bildung
Die bisherigen Angebote an politischer
Bildung in Kroatien und Serbien und
Montenegro lässt sich auf die zwei Hauptebenen unterteilen:
Petrovic, A, Hebib, E., Spasenovic V.: „Serbien“
im Hrsg. Döbert H., Hörner, W., von Kopp B.,
Mitter W.: Die Schulsysteme Europas, Schneider
Verlag Hohengehren GmbH, Blatsmannweiler, 2004,
S. 503
87
Palekcic, M., Zekanovic, N.: „Kroatien“ im Hrsg.
Döbert H., Hörner, W., von Kopp B., Mitter W.: Die
Schulsysteme Europas, Schneider Verlag
Hohengehren GmbH, Blatsmannweiler, 2004, S. 242
86
65
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Staatliche, formelle (schulische) politische
Bildung
Obligatorische und nicht-obligatorische
schulische Angebote wurden als neue bzw.
Erweiterung von bestehenden Fächern als
Teil der Schulcurricula eingeführt.
Zivilgesellschaftliche, informelle politische
Bildung
Außerschulische Programme, die hauptsächlich von NROs durchgeführt werden
Schulische politische Bildung
Die Situation der politischen Bildung in den
Grund- und Mittelschulen in Serbien,
Montenegro und Kroatien ist sehr unterschiedlich und spiegelt den Grad der
Annähung zur EU und den damit verbundenen Grad des Demokratisierungsprozesses wieder. In allen Ländern wurde
die Initiative des Europarat Education for
Democratic Citizenship (EDC), übernommen und in Form von Kooperationsprojekten zwischen lokalen NROs88, dem
Staat und internationalen Organisationen
(hauptsächlich dem Europarat, UNESCO,
UNICEF, OSZE und Open Society Fund)
auf unterschiedliche Weise implementiert.
Serbien und Montenegro
Obwohl es in Serbien in den Grundschulen
keine obligatorischen Fächer gibt, die den
Namen politische Bildung tragen, beinhalten
einige entsprechende Elemente. Der
Geschichtsunterricht
in
Südosteuropa
beinhaltet qua Definition politisch gefärbte
Sichtweisen. Das Fach Natur und Gesellschaft (Priroda i društvo) beinhaltet zudem
politisch gefärbte Themenblöcke, da dieses
Fach mit Fragen der Staatlichkeit sowie
nationaler Werte und Symbole verbunden
ist. In Montenegro gibt es in den Grundschulen zudem in der 6. und 7. Klasse
obligatorisch das Fach Bürgerliche Erziehung (Gradjansko vaspitanje), das eng mit
88 In Kroatien, u.a.: Centre for Peace Studies, Small
Step, Forum for the Freedom of Education, Amnesty
International - Croatia, European House, European
Movement - Croatia, Europe Youth Club, Step by
Step, Croatian Helsinki Committee, Croatian Debate
Society; in Serbien und Montenegro: Jugoslovenski
centar za prava deteta neben den UNICEF (Serbien),
Open Society Fund (Serbien)
66
dem EDC-Programm verbunden ist und als
Kooperationsprojekt zwischen dem Staat
und NROs in der Schule implementiert
wurde.
In allen Mittelschulen Serbiens und Montenegros gibt es ein einjähriges obligatorisches
Fach, das sich „Verfassung und Bürgerrechte“ (Ustav i prava gradjana) nennt und
sich dem verfassungsrechtlichen Rahmen
und den Bürgerrechten widmet. Dieses Fach
bezieht sich auf den nationalen Rahmen,
bringt aber gleichzeitig der Jugend nur wenig
Wissen über die praktische Politik des
Landes, die Parteienlandschaft oder einen
Überblick über die wichtigsten politischen
Fragen. Dieses Fach wird 2006 in Montenegro im Zuge der Ausbildungsreformen
abgeschafft. Stattdessen wird das nicht
obligatorische Fach Bürgerliche Erziehung
angeboten.
Gradjansko vaspitanje wurde in Serbien
erstmals im Schuljahr 2001/02 unterrichtet.89 Ähnliche Initiativen, die verstärkt
Demokratiewerte unterrichten wollen, gab
es allerdings bei unterschiedlichen NROs
seit 1992. Als nichtobligatorisches Fach und
Teil des Curricula gibt es heute Demokratieerziehung in der ersten, zweiten und dritten
Klasse der Grund- und Mittelschulen sowie
als außercurriculare Aktivität in Form von
unterschiedlichen Projekten (z.B. „Projekt
Bürger“), die durch NROs in die Schule
gebracht wurden. Für diese Projekte wurden
Lehrer speziell trainiert und vorbereitet.
Als wichtigste Probleme bei der Implementierung dieser Fächer werden der Mangel an
einer einheitlichen Ausbildungsstrategie, die
Notwendigkeit der Verbesserung dieser
Programme, Training von Lehrern und die
Offenheit für alle Schüler genannt. 90
89
mehr auf: http:
http://www.coe.int/T/E/Cultural_Cooperation/education/E.D.C/Country_profiles/
country_profile_SERBIA.asp#TopOfPage,
Concil of Europe
A., Fountain, Mclean H: “Civic Education in
Primary and Secondary Schools in the Republic of
Serbia, An Evaluation of the First Year 2001-2002,
and Recommendations, UNESCO, UNICEF, OSI,
Belgrade 2002 oder unter http://www.see90Smith,
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Eine deutliche Schwierigkeit besteht zudem
daran, dass Bürgerliche Erziehung häufig als
Alternative zum Religionsunterricht angeboten wurde, so dass viele Kinder nicht die
Möglichkeit haben, beide Fächer zu
besuchen. Religionsunterricht in Serbien
bedeutet allerdings nicht nur eine Unterrichtung in der nationalen serbisch-orthodoxen Religion, die für traditionelle und
konservative Werte in der Gesellschaft eintritt, sondern gleichzeitig eine Demokratieerziehung z.B. durch die Thematisierung der
Frauenrolle in der Gesellschaft, der Rolle
der Familie und multikultureller Werte in der
Gesellschaft. Die Konkurrenz zwischen
diesen beiden Fächern hat bisher dazu
geführt, dass die Mehrheit der Schüler sich
für das Fach Religion entschieden hat.
Demokratieerziehung hat sich so eher als ein
Unterrichtsfach für die nationalen Minderheiten und Kinder von Intellektuellen, die
mehrheitlich das Gymnasium besuchen,
entwickelt. In Montenegro gibt es keinen
Religionsunterricht an den Schulen.
Kroatien
Kroatien ist das einzige Land, das seit Mitte
der 90er Jahre ein breites nationales
Programm für die Ausbildung in Menschenrechten (Nacionalni program odgoja i
obrazovanja za ljudska prava) entwickelt hat.
Dieses Programm besteht aus einem
komplexen Ausbildungskonzept zur Erziehung von demokratischen Bürgern, das auf
allen Ausbildungsebenen (von der Vorschule
bis zur Erwachsenenbildung) umgesetzt
wird91. 1999 wurde unter dem Namen „Ausbildung für Menschenrechte und eine
demokratische Bürgerschaft“ (Education for
Human Rights and Democratic Citizenship)
ein übergreifendes Programm als Teil der
Grundschulcurricula erdacht, das über
Menschenrechte und Grundprinzipien der
Demokratie aufklärt und individuelle
Aktivitäten und eine aktive Partizipation
fördert. Dieser Ansatz versteht sich als
educoop.net/education_in/pdf/civic-edu-seryug-srb-t05.pdf
mehr auf: //www.coe.int/T/E/Cultural_Cooperation/education/E.D.C/Country_profiles/count
ry_profile_CROATIA.asp#TopOfPage, Councile of
Europe
interdisziplinär, und wurde als nicht-obligatorisches Fach, das auch außerschulische
Aktivitäten umfasst, in die Grundschulen
implementiert. Zudem wurde in den Mittelschulen als obligatorisches Fach Politik und
Wirtschaft (Politika i gospodarstvo) eingeführt, das ähnlich wie in Serbien die
Verfassung und Bürgerrechte, das politische
System und Bürgerrechte thematisieren soll.
Als Kooperation zwischen NROs (z.B.
GONG NRO Netwerk, www.gong.hr ) und
dem Staat gibt es zudem für Schüler, die
kurz vor der Volljährlichkeit stehen und
damit die Wahlberechtigung erlangen (18
Jahre), in den letzten Klassen der
Mittelschulen die Möglichkeit, mehr über die
eigenen politischen Rechte und eigene
Partizipationsmöglichkeiten zu erfahren.
(z.B. das Projekt „I vote for the first
time“92). Analog zum serbischen System gibt
es in Kroatien Religionsunterricht, der hier
allerdings nicht in Konkurrenz zur
staatsbürgerlichen Erziehung steht, sondern
in der Grundschule als nichtobligatorisches
Fach und in den Mittelschulen als Alternative zum Ethikunterricht als fakultatives
Fach (d.h. eins von diesen beiden Fächern
ist obligatorisch) gewählt werden kann.
Interessante Organisationen
diesem Bereich
Serbien
„Gradjanske
inicijative“,
www.gradjanske.org;
Studentska
unija
Srbije“,
www.sus.org.yu
Fond Centar za Demokratiju“,
http:www.centaronline.org
Politeia, skola za civilno drustvo“,
www.centaronline.org/politeia
„Centar za antiratnu akciju“,
www.caa.org.yu
Beogradski centar za ljudska
Belgrad: www.bgcentar.org.yu
Beogradska otvorena skola“,
www.bos.org.yu
in
Belgrad:
Belgrad:
Belgrad:
Beograd:
Belgrad:
prava“,
Belgrad:
Kroatien
91
92
mehr auf: http://www.gong.hr/
67
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Demokratska incijativa mladih“, Zagreb:
www.dimonline.hr
Centar za mirovne studije“, Zagreb:
www.cms.hr
Gong“, Zagreb: www.gong.hr
“ZUM- Udruga za poticanje zapošljavanja i
strucno usavršavanje mladih“ , Pula :
www.zum.hr
„Mreza mladih Hrvatske“, Zagreb:
www.mmh.hr
Montenegro
„Centar za gradjansko
Podgorica: www.cgo.cg.yu
obrazovanje“,
Nichtschulische politische Bildung
Die Programme lokaler Nichtregierungsorganisationen sind die wichtigsten außerschulischen Angebote politischer Bildung für
Jugendlichen in den beiden Ländern. In
Kroatien und Serbien und Montenegro
lassen sich die Programme grob in Ausbildung zur Demokratie und Stärkung der
eigenen Rolle in der Gesellschaft unterteilen:
Die Angebote umfassen das Lernen von
Bürgerrechten,
aktive
Teilhabe
am
politischen und gesellschaftlichen Leben,
Multikulturalität,
Menschenund
Minderheitenrechte, Genderthemen und
Ausbildung der jungen politischen Elite.
Methodisch werden diese Programme
hauptsächlich
durch
unterschiedliche
Seminare,
Schulen
und
regionale
Austauchprogramme
betrieben.
Das
Spektrum der Organisationen ist sehr breit
und kann hier nur exemplarisch anhand von
potentiellen Partnern in diesem Feld
umrissen werden
1.4 Einstieg ins Berufsleben
Staatliche Initiativen und Initiativen privater Unternehmen
Nach dem Schul- und Universitätsabschluss
ist seit den Zeiten des ehemaligen Jugoslawiens
eine
einjährige
Praxisphase
(pripravnicki staz) staatlich vorgeschrieben,
die in allen Ländern rechtlich in groben
68
Zügen durch Arbeitsgesetze geregelt wird93.
Die Arbeitsbedingungen (Mindestlohn,
Arbeitszeiten usw.) sind zudem durch
Rahmentarifverträge gewerkschaftlich auch
für die Berufseinsteiger ausgehandelt
worden. Diese Phase kann mit einem
Volontariat verglichen werden und wird in
der Regel bezahlt (wenn nicht, besteht die
Möglichkeit, Geld bei staatlichen Arbeitsämtern (Zavod za zaposljavanje) zu beantragen). Praktika im westlichen Sinn gibt es
nur selten, da sie nicht als Voraussetzung
betrachtet werden, um einen Job zu
bekommen. Vakante Positionen staatlicher
Unternehmen müssen zwar öffentlich ausgeschrieben werden, sind allerdings häufig
schon vorher vergeben worden.
Die Zavodi za zaposljavanje in den
jeweiligen Ländern bieten außer Stellenvermittlung zumindest theoretisch unterschiedliche Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten an, um sowohl jungen
Arbeitslosen als auch Volontären den
Berufseinstieg zu erleichtern. Dazu kommen
Angebote professioneller Orientierung,
unterschiedlicher online-Jobpools, die als
Plattform zwischen den Arbeitgebern und
Arbeitnehmern fungieren sowie finanzielle
Unterstützung während des Volontariats.94
Wegen der großen Anzahl an Menschen, die
eine Stelle suchen, sind die Unternehmen
grundsätzlich nicht gezwungen, Strategien
zur Rekrutierung von Arbeitnehmern zu
entwickeln – es werden höchstens ohnehin
freie Stellen ausgeschrieben. Da die
jeweiligen Staaten noch keine Schutzmechanismen für Berufsanfänger entwickelt
haben, die gleichzeitig in der Praxis von
privaten Unternehmen respektiert sind,
stoßen die Jugendlichen gerade bei einer
Tätigkeit für nichtstaatliche Firmen oft auf
eine Reihe von Problemen.
93
http://www.jpm.co.yu/documents/1/laws/Zak
on_o_radu.pdf, Arbeitsgesetz, Serbien
http://www.hus.hr/DesktopModules/MonoX/i
mages/Hrvatska+udruga+sindikata/Repository
/docs/zor2004.doc, Arbeitsgesetz, Kroatien
94 mehr auf: http://www.rztr.co.yu, Nacionalna
sluzba za zaposljavanje, Serbien
http://www.zzzcg.org, Zavod za zaposljavanje,
Montenegro
www.hzz.hr, Zavod za zaposljavanje, Kroatien
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
In Serbien und Montenegro z.B. bedeutet
das, dass Arbeitnehmer mit einer mittelfristig angelegten Stelle oft (länger als ein
Jahr) mit einer großen Unsicherheit rechen
müssen – viele private Firmen kommen
ihrer Pflicht, Kranken- und Sozialenversicherungsbeiträge für ihre Mitarbeiter zu
zahlen, nicht nach, melden sie nicht an und
schließen keine Arbeitsverträge ab. Hinzu
kommt das Phänomen der so genannten
„Probezeit“, die bis zu sechs Monate dauert
(in der Praxis sind es oft nur drei), die in
vielen Fällen stark unterbezahlt wird. Da für
die Unternehmen diese Art von Beschäftigung am profitabelsten ist, werden nach
Ablauf der Probezeit viele junge Leute entlassen und durch einen neuen, unterbezahlten Berufseinsteiger ersetzt. Selbstverständlich erhalten die Arbeitnehmer, die
nach Ablauf der Probezeit aus unterschiedlichen Gründen (wie z.B. oft wegen der
„schlechten Arbeit“) von den Unternehmen
entlassen werden, in denselben Unternehmen keine Aussicht auf ein angemessen
entlohntes längerfristiges Arbeitsverhältnis.
Mit oder ohne provisorischen Arbeitsvertrag
und ohne staatlichen Schutz vor dieser Art
moderner Ausbeutung sind viele junge
Menschen in der Situation, jahrelang von
„Probezeit“ zu „Probezeit“ zu wandern.
zivilgesellschaftliche Initiativen beteiligen
sollten.
1.5 Kurze Schlussbemerkung
Grundsätzlich ist, wenig überraschend, zu
beobachten, dass die Probleme in Serbien
und Montenegro und Kroatien denen in
Bosnien und Herzegowina sehr ähneln.
Gerade darum ist es wichtig in einen intensiveren Austausch zu treten. Aufgrund der
gemeinsamen Geschichte und der in vielen
Bereichen vergleichbaren politischen und
ökonomischen Situation muss der Kontakt
zwischen den Akteuren dringend verbessert
werden. Genauso wie bei vielen Jugendbegegnungen
die
Teilnahme
von
Jugendlichen aus den Nachbarländern als
Erfolg gewertet wird, sind ein Austausch der
Konzepte und Erfahrungen und ein
Kontakt zwischen den Akteuren, hier
besonders auch den lokalen Multiplikatoren
ein wichtiges Ziel für die Zukunft der
gesamten Region.
Nichtregierungsorganisationen
Auch Nichtregierungsorganisationen bieten
unterschiedliche Programme und Seminare
an, z.B. zur Weiterbildung, Vorbereitung für
den Bewerbungsprozess sowie zu Interviews, Jobsuche, beruflicher Selbstständigkeit. Um Jobeinsteigern zu helfen, bieten
auch studentische Organisationen Weiterbildungsmöglichkeiten z.B. bezüglich Bewerbungsstrategien an. Spezielle Online-Jobpools, die in Zusammenarbeit mit den
regionalen studentischen Arbeitsgenossenschaften aufgebaut worden sind, stellen
Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern her
und bieten praxisbezogene Mentorenprogramme und Seminare an.
Zusammenfassend lässt sich in den
jeweiligen Ländern noch großer Bedarf an
Unterstützung für Berufseinsteiger feststellen, an der sich nicht nur staatliche Einrichtungen, sondern auch Unternehmer und
69
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina – Anhang: Kontaktadressen
2.
Liste der Gesprächspartner / Interviewpartner
Organisation
Caritas /Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte,
AGEF
Centar za Obrazovanje i Druženje, COD Jajce
cooperazione e sviluppo, CESVI
Council of Europe
Dadalos
Name
Hans Jürgen Möller
Samir Agić
Dagmar Troglauer
Melissa Bajić
Ingrid Halbritter,
Nihad Mesić
Deutscher Akademischer Austauschdienst, DAAD
Christian Koller
Dom Mladih / Trebinje
Pedrag Puić
European Union Forces, EUFOR
Hauptmann Becker
Friedrich Ebert Stiftung, FES
Zoran Kulundžić
Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, Rubeena Ismael Arndt,
GmbH; gtz
Jeanette Burmester
Goethe Institut
Michael Schroen
Goethe/OSZE
Katharina Koprić
Heinrich Böll Stiftung, HBS
Azra Dzajić ,
Alida Čović
Institut für Internationale Zusammenarbeit des Emir Avdagić
Deutschen Volkshochschulverbandes, IIZDVV
International Council of Voluntary Agencies, ICVA Milan Mirić
IPAK
Lahira Sefija
Kids Festival / Viakult
Susanne Prahl
Kolaps
Meša Begić
Konrad Adenauer Stiftung; KAS
Caroline Hornstein
Narko Ne
Schwester
Madeleine
Schildknecht
Omladinski Informatia Agencia OIA
Jan Zlatan Kulenović
Omladinski Kulturni Centar Abrašević, OKC
Marija Kolobaric
Mostar interculture Festival, Mifoc
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Blair Blackwell
Europa OSZE – Education – Headquarter
Pax Christi / Flüchtlingshilfe Langen
Georg Schiel
Robert Bosch Stiftung
Christian Wochele
Schüler Helfen Leben
Omar Filipović
Ševala Hasanović
Scorpio Extremsport
Edin Durmo
United Nations Development Program, UNDP, Nicola Tiezzi
Unitied Nations Volunteers, UNV
Weltbank
Goran Tinjić
Youth Forum / Trebinje
Zoran Jakšić
70
Ort
Banja Luka
Jajce
Banja Luka
Sarajevo
Sarajevo
Sarajevo
Trebinje
Butmir
Sarajevo
Sarajevo
Sarajevo
Sarajevo
Sarajevo
Sarajevo
Sarajevo
Tuzla
Sarajevo
Travnik
Sarajevo
Sarajevo
Sarajevo
Mostar
Sarajevo
Zenica
Mostar
Sarajevo
Ilidža
Zenica
Sarajevo
Sarajevo
Trebinje
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
3.
Liste von aktiven Organisationen
Listen zur besseren Übersicht und Vernetzung der Projekte im Jugendbereich werden aus
Platzgründen nur in der Digitalen Version angefügt.
Die Omladinska Informativna Agencija hat unter http://oiabih.info/org/ eine Datenbank mit
Adressen von Jugendorganisationen aus ganz BiH zusammengestellt, die sowohl nach Städten,
als auch nach Themen sortiert werden kann.
Das Helsinki Citizen Assembly – Omladina BiH Net hat ebenfalls eine Liste zusammengestellt,
die Online abrufbar ist. Unter http://www.omladina-bih.net/eng/englishFrameset.htm finden
sich, nach Städten geordnet, Kontaktdaten zu über 150 Organisationen die im Mitglied im Youth
Network sind.
4.
Liste der zuständigen Ministerien für den Bereich
Bildung und Jugend
Gesamtstaatliche Ebene
Ministerium für civil Affairs
Gesamtstaatliche Ebene
Vorsitzender des Ministerrats
von BuH
Republika Srpska
Sekretär für Sport und Jugend
der Republika Srpska
Vuka Karadžića 4
78000 Banja Luka
Tel: +387 51 331 769)
Tel: +387 (0)51-331422
Fax: +387 (0)51-331423
Pädagogisches Institut der
Republika Srpska
Miloša Obilića 39,
78000 Banja Luka
Tel/Fax: +387 (0) 51 430100
Ministerium für Kultur und
Sport
Büro Sarajevo
Obala Maka Dizdara 2
71000 Sarajevo
Tel: +387 (0)33 254189
Föderation
Kanton 1:
Una-Sana
kanton)
Tel: +387 (0)33 221074
www.mcp.gov.ba
Tel: +387 (0)33 663519,
www.vijeceministara.gov.ba
Büro Mostar
Tel/Fax: +387 (0)36 580012
Adema Buće 34
88000 Mostar
Alije Đerzeleza 2; 37000 Bihać Tel/Fax: +387 (0)37 331 077
(Unsko-sanski
Kanton 2:
Posavina (Posavski kanton)
Kanton 3
Tuzla (Tuzlanski kanton)
III Ulica 27
76270 Orašje
Slatina 2
75000 Tuzla
Tel/Fax: +387 (0)31 713356
Tel: +387 (0)35-281293
Fax: +387 (0)35 283340
71
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina – Anhang: Kontaktadressen
Kanton 4
Zenica-Doboj
dobojski kanton)
Kučuković 2, 72000 Zenica
(Zeničko-
Tel: +387 (0)32 415202
Fax: +387 (0)32 413202
Pädagogisches Institut
Sarajevska 77, 72000 Zenica
Kanton 5
Kulina Bana 3
Bosnisches
Podrinje 73000 Goražde
(Bosansko-podrinjski kanton)
Pädagogisches Institut
Kulina Bana 3
73000 Goražde
Kanton 6:
Stanicna 43
Mittelbosnien
72270 Travnik
(Srednjobosanski kanton)
Tel: +387 (0)32 414477
Fax: +387 (0)32 401627
Tel/Fax: +387 (0)38 224259
Kanton 7
Herzegowina-Neretva
(Hercegovačko-neretvanski
kanton)
Tel: +387 (0)36 310194
Stjepana Radića 3
88000 Mostar
Tel/Fax: +387 (0)38 224259
Tel: +387 (0)30 518675
Fax: +387 (0)30 510452
Pädagogisches Institut
Ost Mostar
Kralja Zvonimira 14
88000 Mostar
Kanton 8
Stjepana Radića 3, 88220
West-Herzegowina (Zapadno- Široki Brijeg
hercegovački kanton)
Tel: +387 (0)36 316655
Kanton 9
Sarajevo (Sarajevski kanton)
Reisa Džemaludina Ćauševića
1, 71000 Sarajevo
Tel: +387 (0)33 443634
Fax: +387 (0)33 211487
Pädagogisches Institut
Maršala Tita 54/II
71000 Sarajevo
Stjepana II Kotromanića bb,
80101 Livno
Tel: +387 (0)33 233827
Fax: +387 (0)33 214890
Kanton 10
72
Tel: +387 (0)39 705801
Fax: +387 (0)39 703235
Tel/Fax:+387 (0)34 200900
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
5.
Ausgewählte Jugend Lobbygruppen und Netzwerke
Omladinska Informativna
Agencija (OIA)
Omladinski Komunikativni
Centar Banja Luka (OKC)
Helsinki Citizen Assembly
(HCA)
hCa Banja Luka
Svjetskog univerzitetskog
servisa
6.
Branilaca Grada 19b
71000 Sarajevo
Tel: +387 (0)33 209753
Fax: +387 (0)33 209753
Email: oia@oiabih.info
Web: http://www.oiabih.info
Youth Communication Center Tel: +387 (0)51 347431
(YCC-OKC)
Fax: +387 (0)51 347 432
Kralja Petra I Karađorđevića
e-mail: okc@inecco.net
113-115
web: http://www.okcbl.org
78000 Banja Luka
Youth resource Centre (ORC) Tel/Fax: +387 (0)35 258077
TUZLA
e-mail: hcatuzla@inet.ba,
hCa Tuzla
orctuzla@inet.ba
Hadzi Bakirbega Tuzlica 1,
75000 Tuzla
Krfska 84
Tel: +387 (0)51 432 751
78000 Banja Luka
Fax: +387 (0)51 432 752
e-mail: hcalido@inecco.net,
hcabl1@blic.net
web: http://www.omladinabih.net
Zmaja od Bosne bb
71000 Sarajevo
Tel: +387 33 266 441
Fax: +387 33 200 070
Email: sarajevo@sus.ba
Web: http://www.sus.ba
Deutsche Organisationen / Projekte deutscher Träger
Nachfolgende Liste enthält Anschriften und Kontaktdaten von deutschen Organisationen bzw.
lokal registrierten Organisationen, die überwiegend von deutschen Geldern finanziert werden
bzw. von diesen gegründet wurden.
Eine ausführlichere Selbstdarstellung einiger der Organisationen ist in digitaler Form zu erhalten.
Organisation
Deutsche Botschaft Sarajevo
Stiftugen
Friedrich Ebert Stiftung, FES
Friedrich-Naumann-Stiftung
SOE
Kontakt und Anschrift
Buka 11-13, 71000 Sarajevo
00387 (0)33 275 000
debosara@bih.net.ba www.sarajewo.diplo.de
Michael Weichert
00387-(0)33-264050
Bulevar Mira 13/A8, 11000 Belgrad, Serbien und Montenegro
Tel./Fax: 00 381.(0)11.3066824
office6.yugoslavia@belgrade.fnst.org
73
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina – Anhang: Kontaktadressen
Heinrich Böll Stiftung, HBS
Regionalbüro Sarajevo
Cekalusa 42
71000 Sarajevo
00387 (0)33 260-450
h.boell@bih.net.ba , www.boell.de
Konrad Adenauer Stiftung, Dr. Christina Catherina Krause
KAS
Dijana Prljic
Cobanija 6, 71000 Sarajevo
00387 (0)33 215 240
dijana.prljic@kas-sarajevo.com, kas@bih.net.ba
www.kas-sarajevo.com
Rosa Luxemburg Stiftung
Fritz Balke
Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin
Tel. 0049 (0)30 - 44310-153
Fax 0049 (0)30 - 44310-180
balke@rosalux.de, www.rosalux.de
NGOs
Bosch Stiftung
Christian Wochele
Hadomerovica 16, 88 000 Mostar
00387-(0)61-499143
Trancillo@gmx.de, www.boschlektoren.de
Caritas
Hans Juergen Moeller
Mladena Stojanovica 6, 78000 Banja Luka
00387-(0)51-318 211
agefdrmoeller@blic.net
hans.juergen.moeller@caritas-essen.de,
www.wiso-bosnien.com
Dadalos
Udruzenje Gradjana D@dalos – Udruzenje za mirovno
pedagogski rad
Ingrid Halbritter
Mravovac 1, 71000 Sarajevo
00387-(0)33-441 268
Ingrid.Halbritter@dadalos.org, www.dadalos.org
Deutscher
Akademischer Christian Koller
Austauschdienst, DAAD
Filozofski Fakultet Sarajevo
Franje Rackog 1, 71000 Sarajevo
00387-(0)33- 253259
christiankoller@gmx.net
www.daad.de
Filosofski Fakultet Banja Luka
Heiko Nauth, heikonauth@hotmail.com
Friedenskreis Halle
U.G. „OMLADINSKI CENTAR – JAJCE“
SAMIR AGIĆ
A.B. BUSICA B.B., 70101 JAJCE
00387 (0)30 654-027
ocjajce@gmail.com oder samiragic@gmail.com
http://oc.jajce.info
Gesellschaft für technische Projekt zur Förderung der Beruflichen Bildung in BiH
Zusammenarbeit, GTZ
Jeanette Burmester
Splitska 14, 71000 Sarajevo
00387-(0)33- 216 162
74
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina
Jeanette.burmester@gtz.ba; www.gtz.de
Gesellschaft für technische Jugendprogramm
Zusammenarbeit, GTZ
Rubeena Esmail-Arndt
Splitska 6, 71000 Sarajevo
00387 (0)33 443 992
Rubeena.esmail-arndt@gtz.ba
www.gtz-mladi.org
Goethe Institut
Michael Schroen
Bentbasa 1a, 71 000 Sarajevo
00387 (0)33 570 000
goethe@sarajevo.goethe.org
www.goethe.de/sarajevo
Institut für Internationale Emir Avdagić
Zusammenarbeit
des Branilaca Sarajeva 24/2, 71 000 SARAJEVO
Deutschen Volkshochschul- +387 33 215 252
Verbandes e.V., IIZ DVV
www.inebis.org, www.iiz-dvv.de
IPAK Tuzla
Lahira Sejfija
Patriotske lige 10, 75 000 Tuzla
00387-(0)35- 257 474
Ipak_tuzla@bih.net.ba
www.ipak.de, www.krizevici.com
Pax Christi - Flüchtlingshilfe Georg Schiel
Langen
Zavno BiH - 113 Zenica
00387-(0)32-418-935
fhl-ze@bih.net.ba
www.paxchristi.de , www.fhl-langen.de
PONS Bijelina
U druženje građana “ Pons” Bijeljina
Kokoruš Slavica, Ilić Dragana
Beogradska 38, 76 300 Bijeljina
00387-(0)55 – 220 - 251
pons@rstel.net, www.ponsbih.org
Schüler Helfen Leben, SHL
Omar Filipović / Ševala Hasanović
Lepenićka 89
BuH - 71210 Sarajevo / Ilidža
00387-(0)33-773000 (Haus) 00387-33-550660 (Office)
omar@shl.ba; sevala@shl.ba
www.shl.ba www.schueler-helfen-leben.de
Südost Europa Kultur
Suedost Europa Kultur e.V. Bijeljina Centre
Danijela Colakovic
Beogradska 38, 76 300 Bijeljina
00387 (0)55 220 250Suedost@spinter.net
Viakult – Kids Festival
Susanne Prahl
Halilbasica 52 - 71000 Sarajevo
00387-(0)33-232644
office@viakult.ba
www.kidsfest.ba
Zentralstelle
für
das Rainer Strobelt
Auslandsschulwesen (ZfA)
00387- (0)33 665289
zfa.sarajevo@lol.ba, www.zfa-sarajewo.dasan.de
75
Jugendarbeit in Bosnien und Herzegowina – Anhang: Kontaktadressen
6.
Materialliste
In den letzten Jahren wurden von vielen Organisationen Trainingsmaterialien erstellt. Viele der
Publikationen wurden nur für ein spezifisches Training erstellt, andere sind für eine größere
Zielgruppe nutzbar. Folgende Liste listet eine kleine Auswahl der erstellten Publikationen.
Organisation
Caritas / AGEF
Caritas / AGEF
Centar za nenasilnu
Akciju (CNA)
Omladinski
Kulturni Centar
(OKC)
Schüler Helfen
Leben
(SHL)
Schüler Helfen
Leben (SHL)
Material
Businessplan
Handout
Stellendatenbank
www.wiso-bosnien.com
Trainingsmanual
Gewaltfreie Aktion
http://www.nenasilje.or
g/publikacije/pdf/CNA
-prirucnik.pdf
Freiwilligen
Broschüre
SV Handbuch
http://www.shl.ba/dow
nloads/file_14.pdf
Medien Handbuch
Schüler Helfen
Leben (SHL)
Trainer Handbuch
http://www.shl.ba/dow
nloads/file_19.pdf
UNDP
Dadalos
Broschüre
Businessplan
Demokratie –
Menschenrechte CD –
ROM
OHR / Care
International
Broschüre für
Selbstständige
76
Inhalt
Sprache
lokal
Online Datenbank für
Stellensuche und Stellenangebote
für deutschsprachige
Trainingsübungen
Trainerhandbuch
Deutsch/
lokal
5 regionale
Sprachen
lokal
Was ist SV?
Wie arbeitet SV?
Aktions- und Projektplanung
Kleine Einführung Journalismus
Recherche
Finanzierung
Druck
Zeitungsjournalismus
Gruppen- und Seminarleitung,
Veranstaltungsorganisation
Porjektmanagement
Teammanagement
Wie gestalte ich einen
Businessplan (Handout)
Informationen und
Arbeitsmaterialien zum Bereich
Demokratie, Menschenrechte
und Zivilgesellschaft
Businessplan
Marktanalyse
Registrierung, Kosten, Steuern
etc.
lokal
lokal
lokal
lokal
8 regionale
Sprachen,
Englisch,
Deutsch
Englisch