Das Reale ist etwas, das man nicht verstehen, sondern nur lieben
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Das Reale ist etwas, das man nicht verstehen, sondern nur lieben
Eva Meyer-Hermann »Das Reale ist etwas, das man nicht verstehen, sondern nur lieben kann«1 Ein seltsamer Gegenstand Es war eine ideologische Auseinandersetzung, die sich da eines Abends zwischen der Kunststudentin, ihrem Professor und der Kunsthistorikerin entwi- ckelte. Darf man heutzutage noch Kunstwerke machen, die nicht direkt politisch Stellung beziehen? Müssen sich Bilder nicht unmittelbar auf Themen von heute beziehen? Oder, wie es die junge Malerin forderte: Ist man angesichts des Unrechts in der Welt nicht geradezu verpflichtet, sich mit seinem Kunstwerk gesellschaftskritisch zu positionieren? Wäre es überhaupt noch erheblich oder sogar schon regressiv zu fragen, ob ein Bild ein gutes Bild ist? Es drängten sich Fragen nach dem Verhältnis von künstlerischem Tun und moralischer Verantwortung auf. Müssen Kunstwerke dazu eindeutige Aussagen liefern? Ist es nicht zu viel von der Kunst verlangt, durch sie die Welt zu bewerten? Und wenn man sich um eine Antwort herumdrücken wollte, dürfte man mit den Worten eines Freundes des Professors sagen, die Welt sei nicht schlecht, sondern voll? Noch während die Kunsthistorikerin den Forderungen der jungen Künstlerin zuhörte, suchte sie nach Erklärungen: Es könnte ja sein, dass dieser vehemente Ruf nach gesellschaftspolitischer Relevanz daher kommt, dass gemalte Bilder, insbesondere wenn sie figurativ sind, problemlos reproduzierbar und zudem schnell und einfach zu verbreiten sind. Dadurch werden sie auf die illustrative Funktion anschaulicher, leicht kommunizierbarer Inhalte reduziert, während andere künstlerische Qualitäten wie etwa Malweise, Stil 11 und Wirkung, die medial unzureichend zu vermitteln sind, keine Rolle spielen. Daneben blieben die alten Fragen nach dem Verhältnis von Kunst und Leben und danach, wie sich Reales durch ein Bild repräsentieren lässt, bestehen. Die nächtliche Diskussion fand in einer Panoramabar über den Dächern von Innsbruck statt. Sie führte zu keinem Ergebnis. In der Erinnerung aber bleibt das Bild einer Szenebar mit schillernden Cocktailgetränken und dem gedämpften Widerschein stoffbezogener Leuchten auf die umgebenden Personen und Objekte. Doch etwas störte den Gesamteindruck: Neben einer der beiden auf dem Tisch abgelegten Damenhandtaschen lag ein in Aluminiumfolie gewickelter Gegenstand, seiner Form nach unschwer als Hähnchenschenkel zu identifizieren. Der ohne Sorgfalt verpackte Speiserest wirkte deplatziert. Und zugleich provozierte die Selbstverständlichkeit seiner Gegenwart Augen und Verstand. Kannst du das nicht besser verbergen? Aber nein, im Ledertäschchen ließe sich das gebratene Lebensmittel wohl schlecht verstauen. Hast du im Restaurant nicht aufgegessen und dir den Rest für später einpacken und mitgeben lassen? Ja, als Studentin hat man schließlich nicht so viel Geld. Zudem bedeutet doch das Wegwerfen von Lebensmitteln auch die Vernichtung wertvoller Ressourcen. – Die Nonchalance, mit der dieses Überbleibsel auf dem eleganten Bartisch abgelegt war, hatte etwas Programmatisches, Zwingendes. Und es passte durchaus zu der nachdrücklich vorgetragenen Meinung, dass man sich heute gesellschaftlich zu positionieren habe. 12 1 Rede an die Nation 1998 Öl, Lack auf Leinwand / Oil, lacquer on canvas 240 × 195 cm Privatsammlung / Private collection Das Zögern ihrer beiden Gesprächspartner reizte die Studentin: Worüber willst du denn nun schreiben? Es geht doch hoffentlich um die kritischen Aspekte der Werke! Kennst du das, was Daniel früher gemacht hat, während seiner Zeit in Hamburg, als er Teil der Hausbesetzerszene war? Der jungen Künstlerin war die Begeisterung für die politischen Aktionen ihres Lehrers deutlich anzumerken. Die Kunsthistorikerin hingegen fühlte sich ein wenig bedrängt, und in ihr stieg eine Beklemmung auf, die sie davon abhielt, zunächst ein Plädoyer für die Methoden ihres Fachs zu halten. Es war ihr in der Tat ein Anliegen, zunächst die Kunstwerke anzuschauen und zu beschreiben;; die Interpretation kam danach. Es ging ihr um mehr als eine politisch korrekte Tour d’Horizon durch die Themen des Werks. Sie vertraute der Analyse mit dem üblichen Handwerkszeug, lag für sie doch die Zielsetzung eines Textes in der Vermittlung einer künstlerischen Position und weniger oder kaum darin, Bildinhalte zu verbreiten. Dennoch war sie der jungen Künstlerin dankbar für die Herausforderung. Und der so gar nicht in sein mondänes Umfeld passende Hähnchenschenkel kam ihr als Symbol für die visuellen »Störgeräusche«, die sie auch in den Bildern von Daniel Richter wahrnahm, gerade recht. Ihr schienen die Brüche und Widersprüche ein guter Ausgangspunkt für den Text zu sein. Abstrakt und figurativ Rezensenten der Malerei von Daniel Richter legen in ihren Betrachtungen großen Wert auf den Wechsel vom »abstrakten« zum »figurativen« Stil. In der Tat zeigen die sogenannten abstrakten Bilder von 1995 bis 1999 flächige Strukturen von ungegenständlichen, nicht repräsentativen Elementen, die sich ausgeglichen auf der Leinwand verteilen und ein dichtes Geflecht erzeugen. Das lebhafte Über einander der Farben und Formen öffnet immer wieder Perspektiven in tiefere Schichten des Bildgrunds (Abb. 1). Es gibt glatte, gespachtelte Bereiche ebenso wie satte Pinselstriche und alla prima aufgetragene Farbzonen. Die unterschiedlichen Flächen bleiben durch Linienkonturen in ihren Ausdehnungen entweder umgrenzt oder gehen in weitere Formverläufe über. Linien bestimmen die Organisation, ihr offensichtlich und kontinuierlich vollzogener Richtungswechsel hält die malerischen Elemente in einem fließenden Gleichgewicht. An mancher Stelle deutet sich Gegenständliches an – in der Rede an die Nation (1998) vielleicht eine im Wind wehende Fahne –, das sich jedoch gleich wieder im Konkreten der Malerei selbst verflüchtigt. In den figurativen Bildern begrenzen die rahmenden Linien menschliche Umrisse. Sie lassen an Stilmittel der Graffitiszene denken, wo dicke Umrand ungen eingesetzt werden, um Bildinhalte aus der Ferne schnell und eindeutig erkennbar zu machen. Bei Daniel Richter gerinnen diese Elemente zu nervösen, oft neonfarben leuchtenden, linear-zeichnerischen Annäherungen, die an Infrarotfotografie und an geografische Höhenschichtlinien erinnern. Die heftigen, kurzen Striche verstärken die suggestiven Szenarien und tragen zu provokanten Störungen der ohnehin unheimlichen Situationen bei. Der Aufbau und die narrativen Aspekte evozieren Historienbilder, deren Syntax allerdings durch die Wahl von Ort und Geschehen irritiert und zusätzlich durch Buchstabendreher in den Bildtiteln verfremdet ist. Der Untergrund, bei Daniel Richter vor 2000 noch ein sich in die Tiefe entwickelnder Raum, wird zum illusionistischen Hintergrund. Die hierzu notwendige perspektivische Verkürzung erzeugen schräg ins Bild gesetzte, gegenständliche Elemente wie Architekturen, Boote, Mauern oder gestaffelte Menschenmengen (Abb. 2). Der Übergang von der gleichsam vorsprach lichen Phase abstrakter Gesten und Bewegungen bis 1999 zu den gegenständlich lesbaren Bildern nach 2000 erfolgt fließend. Die verschlungenen Linien finden ihre logische Fortsetzung in organischen Gefügen von Ästen oder nicht weiter definierbaren physiologischen Strukturen wie Nervengeflechten und Ähnlichem. Ein semantisch vergleichbares »Gestrüpp« bilden auch die innerbildlichen Korrespondenzen zwischen vereinzelten Lebewesen und innerhalb von Personen- beziehungsweise Tiergruppen (Abb. 3). 2 Phienox 2000 Öl auf Leinwand / Oil on canvas 252 × 368 cm Deichtorhallen Hamburg, Sammlung Falckenberg / Falckenberg Collection, Hamburg 13 Fuck the Police 3 14 Grünspan (fertig ist die Möhre) 2002 Öl, Lack auf Leinwand / Oil, lacquer on canvas 339 × 295 cm Privatsammlung / Private collection Mit Lonely Old Slogan von 2006 (Abb. 4) löst sich die Gegenständlichkeit im malerischen Sujet selbst auf und macht den »einsamen alten Wahlspruch« zu einem abgeklärten Kommentar auf Abstraktion und Figuration betreffende Fragestellungen der Moderne. Der auf die Lederjacke genietete Spruch »Fuck the Police« zitiert ein Stück rebellischer Popmusik und ist zugleich im übertragenen Sinn eine Abrechnung mit der Kunst des 20. Jahrhunderts: Die Bruchstein wand erinnert an den derben Realismus der Bilder Philip Gustons, während die Farbrinnsale die berühmte Tropftechnik von Jackson Pollock imitieren. Der helle Kreis der Fensteröffnung mit seiner geometrischen Begrenzung spielt auf die Minimal Art an. Schließlich lässt der untere Bildrand mit allerlei Unrat und Farb schlieren an das flüssig geschleuderte, zwischen Fußboden und Wand erstarrte Blei in Richard Serras Installationen denken. Alles in allem wirkt Lonely Old Slogan vor dem Hintergrund akademischer Diskurse wie ein hochgereckter Mittelfinger. Als sollten die Theoretiker und Hüter der Gesetze der Moderne an deren relative Bedeutung erinnert werden, zum Beispiel daran, dass die Nationalsozialisten das Abstrakte demagogisch als »entartet« bezeichneten, während es im Umkehrschluss nach dem Zweiten Weltkrieg »als Weltsprache« (Werner Haftmann) ideologisch rehabilitiert wurde. Doch die allgemeinen künstlerischen Fragen nach der Repräsentation von Wirklichkeit bleiben bis heute bestehen. In den 1960er-Jahren wurden sie von Michael Fried aufgegriffen und auf die Präsenz und Theatralität bezogen. Deutsche Maler der Nachkriegszeit wie Jörg Immendorff, Sigmar Polke und Gerhard Richter machten sich als subversive Geschichtsrebellen Gedanken um Realität und Bild, als Auseinandersetzung zwischen Historie und Malerei. Die folgende Generation um Martin Kippenberger, Albert Oehlen und Werner Büttner zielte mit Ironie und Sarkasmus nicht weniger eindringlich auf gesellschaftliche Fragen nach dem Trauma des Zweiten Weltkriegs. Doch wie kann sich heute ein Maler noch kritisch positionieren, nachdem die Formen der Abstraktion und Figuration ideologisch beliebig nutzbar gemacht und die Malerei als solche entweder als gescheitert, als unzureichender Träger politischer Bedeutung angesehen oder provokativ in einer Manier »schlechter« Malerei betrieben wurde? Daniel Richter wird nicht müde, immer wieder von solchen Fragen auszugehen. Und in dem Maße, wie er nach Antworten sucht, ist er ein konzeptueller Maler. Nach selbst gesetzten Vorgaben wechselt er dazu immer wieder den Blickwinkel. Für die neuen Bilder bestanden die technischen Parameter darin, keinen Pinsel zu benutzen, die Ölfarbe zu spachteln und mit dickem Ölkreidestift zu arbeiten. Die horizontal in chromatischen Abstufungen gemalten Bildgründe verlaufen leicht und lasierend, handwerklich und ohne besondere Handschrift. Schon immer hatte der Künstler aus seinem »Werkzeugkasten« (Daniel Richter) Vorgaben gewählt, die eng mit den spezifischen Inhalten des jeweiligen Bildes zusammenhingen. In der Reihe politisch konnotierter Landschaftsbilder um 2011 (Abb. 5) mischen sich sublime Bergszenerien mit deutlichen Reminiszenzen an die amerikanische Landschaftsmalerei mit dem Exotismus orientalischer Märchen und figürlichen Anspielungen auf die Taliban. Die etwa zwei Jahre später entstandenen abstrakten Bilder (Abb. 6) verlassen die Gegenständlichkeit und bilden als Resümee der eigenen malerischen Diskurse sozusagen das intellektuelle Sprungbrett zu den neuen Fragestellungen. Diagramme 4 Lonely Old Slogan 2006 Öl auf Leinwand / Oil on canvas 250 × 280 cm Deichtorhallen Hamburg, Sammlung Falckenberg / Falckenberg Collection, Hamburg 5 thinky man wusste einfach nicht mehr weiter 2011 Öl auf Leinwand / Oil on canvas 180 × 240 cm Sammlung / Collection Lütjenburg Die jüngsten Bilder besitzen ein inhaltliches Spektrum, das weder auf konkreten Gegebenheiten noch auf spezifischen medial verbreiteten Darstellungen basiert. Sie beziehen sich auf abstrakte, diagrammatische Vorstellungen von Realität. Dazu gehören als Auslöser im Hintergrund Börsencharts, die Verbindungen von Geldwerten und Zeit visualisieren (S. 50–51). Ähnlich abstrakt sind Darstellungen von Territorialgrenzen, etwa politische Landkarten zum Thema Flucht und Vertreibung. Auch sie vergegenwärtigen auf symbolischer Ebene historische und gesellschaftliche Inhalte. Wenn man alle textlichen Erläuterungen und konkret sprachlichen Bezeichnungen weglässt, sind sie nur noch seltsam geformte, farbig angelegte Flächen. Migrationsbewegungen werden aller Aspekte menschlichen Leidens entleert und erstarren zu formalen Systemen. So abstrakt und emblematisch sich im Börsendiagramm die globale Ökonomie spiegelt, so immateriell werden millionenfache Schicksale in den schematisch angelegten Territorien repräsentiert. Ohne Verweis auf die Identität verschiedener Gebiete und Völker vermittelt sich anhand der Farben allein die Idee eines Unterschieds, der spezifisch ebenso wenig fassbar wie vorstellbar ist. Die mit Weiß abgemischte Farbpalette der gespachtelten Flächen in Hellblau, Gelb oder Rot erscheint weniger als kompositionelle Entscheidung denn als direkte Aufforderung zum Hinsehen (S. 46–47). Die aus früheren Bildern bekannten dunklen Umrisslinien werden jetzt zu umlaufenden Schatten. Sie erinnern an solarisierte Fotografien, das heißt an bewusste Verfremdungen von immer noch anwesenden Wirklichkeiten, und verweisen das moderne nationalstaatliche Paradigma der Grenze in den Bereich surrealer Ästhetik. Die diagrammatischen Karten sind formal nicht weit entfernt von Daniel Richters zweitem großem Thema, der menschlichen Figur. Die Verwandtschaft zwischen den fragmentierten 15 6 Zweifel an der Monokausalität 2013 Öl auf Leinwand / Oil on canvas 200 × 300 cm Sammlung / Collection Lütjenburg 16 Körpern und einzelnen Gliedmaßen und den bunten Territorial flächen, in denen man auch mikroskopierte biologische Vorgänge sehen könnte, ist offensichtlich. Andeutungen von Personen sind allerdings von der narrativen Ikonografie der frühen Bilder ebenso weit entfernt wie Börsenkurs und Landkarte von einer herkömmlichen Vorstellung von Abstraktion. Daniel Richters Vorlagen für die menschlichen Körper sind gängige pornografische Motive und Praktiken. Durch die Fragmentierung mutiert jedoch die Figuration selbst zur Abstraktion, die Körper werden zu einer »Weltsprache« im buchstäblichen Sinn, da das gesamte Bildvokabular dem World Wide Web entnommen ist. Die Choreografie der massiven Bewegungen könnte an das utopische Versprechen der Moderne im berühmten Bild La danse (1909/10) von Henri Matisse erinnern, doch die Dynamik der Gegenwart besteht lediglich aus harten Interaktionen von ausschnitthaft ins Bild gesetzten menschlichen Figuren mit entindividualisierter Körperlichkeit. Nur die erotischen Klischees sind auf den ersten Blick überall erkennbar: überstreckte Leiber, gespreizte Beine, zupackende Hände, aufgerissene Münder und andere nicht weiter definierte Öffnungen. Das wilde Durcheinander erzeugt seine enorme Virulenz lediglich an der Oberfläche, jede Tiefe ist vermieden. Die menschlichen Figuren und ihre zwischenmenschlichen Beziehungsmöglichkeiten lösen sich auf. Ihre neue Anwesenheitsform als Malerei macht sie im Sinne der Post-Internet-Kunst zum Kommentar auf das schwindende Private und Individuelle, das in einem inflationären Konsum- angebot mit Versprechen auf allseitige Triebbefriedigung untergegangen ist. Schlüssel und Schloss Als erläuternder Kontext für die beiden neuen Serien lassen sich zwei Bilder mit eher anekdotischer Wirkungsweise heranziehen. the message von 2014 (Abb. 7) erinnert an Lonely Old Slogan und spielt wie dieses mit dem Schauen und Verbergen, dem Aufdecken und Betrachtet-Werden. Doch Körperlichkeit, Erotik und Sexualität erzählen hier keine eigene Geschichte, sondern werden zum Gegenstand von Vermutung und Interpretation. In das dominierende grüne Viereck, vielleicht ein Fenster oder Bildrahmen, schiebt sich, wie um unsere Blickachse zu stören, eine schwarze Rückenfigur mit gesenktem Kopf. Schemenhaft ist eine weitere, weibliche Figur mit geöffneter Kleidung zu erkennen. Ihre fahle Hautfarbe suggeriert eine nächtlich-erotische, fast morbide Stimmung in einem rundum wuchernden Dickicht aus dunklen Schlingpflanzen. Die männliche Silhouette ist mit sich selbst beschäftigt, und ihre Haltung macht sie zum Objekt voyeuristischer Fantasie. Die Positionen und Handlungen der Figuren verändern das Verhältnis zwischen Betrachter- und Bildraum, zwischen Perspektive und Bedeutung. Die Leinwand wird zur Spiegelung, und an die Stelle des bislang konkret Erzählerischen tritt ein rätselhaftes Moment. Ein abschließendes, wie als Fußnote zur eigenen Arbeit und Ausstellung konzipiertes, aber noch nicht ausgeführtes Bild ist seiner Machart nach ebenfalls explizit und gegenständlich geplant. In einem künstlerischen Amalgam aus historischer Tatsache und fiktiver Annahme kommentiert Daniel Richter den nicht erfolgten deutschen Ankauf des 1988 entstandenen Gemäldezyklus 18. Oktober 1977 von Gerhard Richter. Die Historienbilder zum RAF-Terrorismus waren jahrelang im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main ausgestellt und sind 1995 an das New Yorker Museum of Modern Art verkauft worden. Elemente der wirklichen Geschichte, vermeintliche Annahmen und persönliche Recherchen vermengen sich zu einer bildlichen Spekulation, die sich wie ein Schloss vor all die Fragen schiebt, die Kunst durch Imitation oder mit idealisierender Abstraktion in der Gesellschaft zu bewirken vermag. Pornográphos – Linien und Territorien 7 the message 2014 Öl auf Leinwand / Oil on canvas 160 × 210 cm Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac Paris Salzburg Der Ton der neuen Bilder ist laut, fast aggressiv (S. 29, 44–45, 101). Die Figuration ist zugunsten emotionaler Momente aufgebrochen. Zusätzlich sind Teilbereiche der ohnehin fragmentierten Körper durch schwarze Ölkreidelinien ausdrucksvoll betont. Die Geste ist spürbar schnell, abrupt bis schroff, immer in Gefahr, zu dicht und zu stark zu werden und dadurch die Beweglichkeit des subtilen Spiels zwischen den Flächen zu zerstören und zum unvermittelten Halt zu bringen: Das Malen selbst wird zum Risikofaktor. Der im grünen Bild noch vergleichbar sichere Bildraum löst sich hier auf, und es entsteht ein Amalgam aus Farbverläufen und aufgesetzten, explizit erotischen, voyeuristischen Anspielungen. In dem Maße, in dem einerseits die abstrakt schematischen »Körper« der politischen Territorien der Landkartenbilder in einen Makrokosmos mutieren (S. 52–53), werden in den Figurenbildern die von der Realität abgeleiteten Körper zu flachen, nahezu territorialen Zonen (S. 27). Die mehr oder weniger deutlichen kompositionellen Mittelachsen, an denen sich gegenläufige Momente der Bewegung brechen, erzeugen Linearität und eine weitere Desillusionierung des Bildraums. Der Bildraum wird flach und lässt die gestischen Linien umso stärker »nach vorne« ins Auge springen. Es sind zeichnerische Andeutungen von Gewalt beziehungsweise Wut, die den Gegenstand herausheben, ihn uns entgegenhalten, ohne dabei explizit zu werden. Insbesondere die motivisch ausdrucksstärksten Zonen mit ekstatisch verdrehten Körperfragmenten und Torsi sind in brachialer Art und Weise mit dem Ölkreidestift »angerissen«, aber nie komplett ausgedeutet. Das grafische Element ist ebenso im Gleichgewicht gehalten wie die gespachtelten Farben, gerade genügend materiell, um aggressiv unser Gesichtsfeld zu sprengen und uns aufzuregen. Das Wort »Pornografie« stammt vom griechischen »pórnē« (Hure) und »gráphein« (schreiben) und bedeutet so viel wie »von Huren schreibend«. Das Moment des Schreibens ist in den Linien anwesend und wird zum Echo auf die etymologische Bedeutung der Vokabel »Pornografie«. Auf zweierlei Weise berichten auch die neuen Bilder von etwas Unerhörtem, Skandalösem. Zum einen zitieren sie Quellen aus dem Internet, zum anderen nehmen sie den paradoxen Weg von einer bildlichen Übertragung in die Reduktion. Die Bilder arbeiten mit zweidimensionalen Umdeutungen raumbezogener und inhaltlicher Informationen. Figurative Bilder haben sich in eine gleichsam zeichenhafte 17 Zone verschoben. Auf diese Weise löst Richter die (vermeintliche) Dichotomie von »abstrakt« und »figurativ« auf und macht diese Begriffe für uns als Betrach- tungsinstrumentarium irrelevant. Hier würde eher die Bezeichnung »figural« nach Gilles Deleuze passen, da die Bilder einen Bereich zwischen verbalen und visuellen Zeichen einnehmen, der die repräsentierende oder abstrahierende Illustration von Konkretem hinter sich lässt. Vielleicht ist es einem Künstler heute nur so möglich, »von der Hure zu erzählen«, von dem, was die problematischen Seiten des Menschseins sind, was unsere Gesellschaft umtreibt und was sie bestimmt. Wer kann schon von dem erzählen, was gleichermaßen unvorstellbar wie undarstellbar ist? Die künstlerische Benutzung des Phänomens der massenhaften Verbreitung und Präsenz pornografischer Bilder dient nicht als Kritik an ihnen, sondern erscheint wie eine zeitgenössische Reverenz an den Liebestrieb, an Eros, der seit jeher als Quelle der Kreativität interpretiert wird. Daniel Richters Bilder sind damit Allegorien, deren Bedeutung weit über die Repräsentation des Ursprungsmaterials hinausgeht. Malerei-Guerillero 18 Auch bereits mit seinem Ausstellungstitel Hello, I love you nimmt Daniel Richter künstlerische, historische und gesellschaftliche Fragestellungen auf. Statt zynisch von Dingen zu sprechen, die nicht fassbar oder unmöglich umzusetzen wären, setzt er sich tatsächlich künstlerisch mit der Wirklichkeit auseinander. Die Strategie seiner Malerei ist dabei subversiver denn je. Die theoretische Grundlage dafür ist dem Vorschlag von Umberto Eco nicht unähnlich, der schon 1967 eine »semiologische Guerilla« forderte, die das Kommunikationsmodell von Sender und Empfänger neu definieren sollte. Analog wäre Daniel Richters Methode die eines »Malerei-Guerilleros«, der sich mitten in das System der Malerei begibt. Dadurch findet eine Art Überidentifizierung mit der bestehenden Logik statt. Erst aus dieser Sättigung heraus können Reflexion und Rebellion erfolgen. Daniel Richters Haltung ist deshalb nicht etwa die der Opposition oder Provokation, sondern eher eine den Situationisten der 1950er-Jahre und ihrer Praxis des »Umherschweifens« nicht unähnliche, spielerische Aktion. Sie lässt eine lebensfrohe, aber nie ungefährliche oder ungefährdete Malerei entstehen, die die Malerei überwindet, ohne sie zu zerstören. Die Ästhetik spielt dabei eine Nebenrolle, da es weniger darum geht, ein Bild zu schaffen, als eine Haltung einzunehmen. Die dennoch aus den Bildern wirkenden, verunsichernden Formen ermutigen, anders zu denken, nicht im alten Sender-Empfänger-Modell zu verweilen oder zu erwarten, dass ein Künstler heute auf alles eine adäquate Antwort oder gar eine moralische Handlungsanweisung hätte. Der dritte Tisch Das Aktuelle und Zeitgenössische an den neuen Bildern ist ihre ins Auge springende Präsenz, ihre kaum reproduzierbare Materialität, die auch schon im Detail früherer Bilder eine Rolle spielt. Ähnlich der eingangs beschriebenen Situation mit dem seltsamen Gegenstand und seinem ungeklärten Kontext lassen sich auch Daniel Richters Bilder nicht auf eine Botschaft reduzieren. Ihre Lebenslust und aggressive Lebendigkeit appellieren an eine künstlerische Grundhaltung, die jenseits von Wissenschaft und Philosophie liegt. Fakten und Theorie dürfen zur Interpretation bemüht werden, aber sie werden selbst nach genauer Analyse keine praktisch oder gar moralisch verwertbaren Antworten liefern. Wir können das Reale nicht verstehen, sondern es nur lieben, lautet unsere Schlussfolgerung frei nach Graham Harman. Als Vertreter der neuen philosophischen Richtung eines »spekulativen Realismus« ist diesem zeitgenössischen Philosophen angesichts der Realität an einem neuen Denken gelegen. Die Welt besteht unabhängig davon, wie erforscht, analysiert und wahrgenommen wird. Und deshalb dürfen wir auch von der Kunst keine Slogans oder Messages erwarten. Das wäre zu einfach. Wer wen oder was liebt, ist ja auch sehr vielfältig und hat im Wesentlichen mit dem Subjekt und seiner Beziehung zum Objekt zu tun, und nicht umgekehrt: »Hello, I love you«! »Der Wissenschaftler reduziert den Tisch hinunter zu winzigen Partikeln, die für das Auge unsichtbar sind;; der Humanist reduziert ihn hinauf zu einer Reihe von Wirkungen auf Menschen und andere Dinge. Eddingtons Tische sind, um es ganz offen zu sagen, komplette Täuschungen, die den Tisch mit seinen jeweiligen inneren und äußeren Umgebungen verwechseln. Der reale Tisch ist in Wirklichkeit ein dritter Tisch, der zwischen diesen beiden liegt. Und wenn Eddingtons zwei Tische Snows ›zwei Kulturen‹ der Natur- und der Geisteswissenschaftler moralischen Halt gaben, dann wird unser dritter Tisch vermutlich eine dritte Kultur brauchen, die sich von diesen beiden vollständig unterscheidet. Dies soll nicht heißen, dass die dritte Kultur neu ist: Vielleicht ist es die Kultur der Kunst, die Tische offenbar weder auf Quarks und Elektronen noch auf die Wirkungen von Tischen auf Menschen reduziert.«2 1 Graham Harman, The Third Table / Der dritte Tisch (dOCUMENTA [13]. 100 Notizen – 100 Gedanken / 100 Notes – 100 Thoughts, Nr. 85), Ostfildern 2012. 2 Ebd. 19 Eva Meyer-Hermann “The real is something that cannot be known, only loved”1 A strange object 20 It was an ideological discussion that developed one evening between the art student, her professor, and the art historian. Should we still be permitted today to create artworks that do not adopt an expli- citly political attitude? Must pictures not refer directly to the topics of the day? Or, as the young artist demanded: In the face of all the injustice in the world, are we not obliged to adopt a sociocritical position in our artworks? Would it still be significant, or even regressive, to ask whether a picture is a good one? Questions regarding the relationship between artistic activity and moral responsibility force their way to the fore. Do artworks have to make unequivocal statements in this respect? Is it not asking too much of art that we should assess the world through it? And if we wanted to evade having to give an answer, dare we say in the words of a friend of the professor that the world is not bad but full? Even while the art historian was listening to the demands of the young artist, she was searching for explanations: it could be that this urgent call for sociopolitical relevance resulted from the fact that painted pictures, especially if they are figurative, can be reproduced without difficulty and are also quick and easy to distribute. In this way they become more accessible in their illustrative function;; easily communicable content is reduced, while other artistic qualities such as manner of painting, style, and effect, which cannot be adequately conveyed via the media, play no part. And what is more, the old questions about the relationship between art and life, and hence how reality can be represented by a picture, would remain. The nocturnal discussion took place in a panoramic bar above the rooftops of Innsbruck. It ended without a conclusion. However, what did remain in the memory was the picture of a trendy bar with colorful cocktails and the muted reflection of fabric-covered lights on the surrounding people and objects. Yet something disturbed the overall impression: beside one of the two ladies’ handbags that had been placed on the table lay an object wrapped in aluminum foil, easily identified by its shape as a chicken leg. The carelessly packed leftover chicken seemed out of place. And at the same time the naturalness of its presence was a provocation to both eye and intellect. Can’t you hide that better? But no—the fried food could hardly be stashed away in the leather handbag. Didn’t you finish your meal at the restaurant, and did you ask them to package the rest so you could take it with you? Indeed: as a student you don’t have a lot of money. Besides, throwing away food means the destruction of valuable resources. The nonchalance with which this leftover food had been placed on the elegant bar table had something programmatic, something compulsive about it. And it fitted in with the opinion, voiced with emphasis, that today it is essential to position yourself socially. The student was irritated by the hesitancy of the two conversation partners. What will you write about now? I hope it will be about the critical aspects of the works! Do you know what Daniel used to do earlier on, during his time in Hamburg, when he was part of the squatting scene? It was clear that the young artist was enthusiastic about the political actions of her teacher. The art historian on the other hand felt that she was being put under a certain amount of pressure, and she was overcome by a feeling of anxiety, which prevented her from expressing immediate support for the methods of her profession. She did indeed feel that it was important to look at the artworks and describe them first;; the interpretation came afterward. She was concerned about more than a politically correct tour d’horizon through the subjects of the work. She trusted the process of analysis with the help of the usual tools, for in her view the aim of a text was to convey an artistic position and less—or hardly—to disseminate the picture content. Even so, she was thankful to the young artist for the challenge. And the chicken leg, which really did not fit into the sophisticated setting, suited her well and struck her as being a symbol for the visual “interference” she also perceived in the pictures of Daniel Richter. She felt the caesuras and contradictions would be a good starting point for the text. Abstract and figurative In their observations, critics reviewing the painting of Daniel Richter place great value on the change from the “abstract” to the “figurative” style. Indeed, the so-called abstract pictures between 1995 and 1999 show planar structures of nonrepresentational, non-representative elements which are distributed evenly across the canvas, creating a dense network. The lively way the colors and forms are superimposed upon each other opens up a series of new perspectives into the deeper layers of the background (fig. 1, p. 12). There are smooth areas which have been worked with a palette knife and dense brush strokes and zones of color applied alla prima. The different areas are either defined in extent by contour lines or blend into other forms. Lines determine the organization;; their obvious and constant changes of direction keep the painterly elements in a fluid equilibrium. In some places, representational elements are hinted at—in Rede an die Nation (1998) perhaps a flag fluttering in the breeze—which, however, immediately dissipate again in the concrete aspects of the painting itself. In the figurative pictures the surrounding lines delineate human silhouettes. They remind us of the stylistic devices of the graffiti scene, where thick contours are used to make the picture content quickly and unequivocally recognizable from a distance. In Daniel Richter’s work these elements run into nervous, luminous, often neon-colored linear-graphic approximations which evoke infrared photography and geographical contour lines. The short, violent strokes strengthen the suggestive scenarios and add to the provocative disruptions of situations that are eerie enough in any case. The structure and the narrative aspects evoke history paintings, whose syntax, however, disquiets us through the selection of place and event and which are additionally alienated through the scrambled letters in the picture titles. The background, which in Daniel Richter’s work before 2000 consisted of a space progressing into the depths, now becomes an illusionistic background. The necessary perspectival abbreviation here creates representational elements which are inserted diagonally into the picture, such as architectural features, boats, walls, or tiered crowds of people (fig. 2, p. 13). The transition from the quasi prelingual phase of abstract gestures and movements before 1999 to the representationally legible pictures after 2000 takes place in a fluid manner. The entwined lines find their logical continuation in organic branch forms or physiological structures which do not permit more precise definition, like branching nerves or something similar. A semantically comparable “ thicket” is also formed by the interpictorial correspondences between individual living creatures and within the groups of people or animals (fig. 3, p. 14). Fuck the Police In Lonely Old Slogan of 2006 (fig. 4, p. 15) the representationalism in the painterly subject disintegrates and transforms the “lonely old slogan” into a serene commentary on the questions of the modern age regarding abstraction and figuration. The expression “Fuck the Police,” riveted onto the leather jacket, quotes a rebellious pop music composition and is at the same time—figuratively speaking—a reckoning with the art of the twentieth century: the dry-stone wall recalls the crude realism of the pictures of Philip Guston, while the trickles of paint imitate the famous drip technique of Jackson Pollock. The light circle of the window opening with its geometric boundary is a reference to Minimal Art. Finally, the lower edge of the picture with its miscellaneous refuse and smeared paint reminds us of the lead, hurled in liquid form and solidifying between the floor and the wall, in Richard Serra’s installations. All in all, Lonely Old Slogan gives the same impression as a raised middle finger against the background of academic discourse. As if the theorists and preservers of the laws of modernism should be reminded of their relative significance: for example, that the National Socialist demagogues described the abstract as “degenerate,” while conversely it was rehabilitated ideologically after World War II as “ the world language” (Werner Haftmann). But the general artistic questions regarding the representation of reality remain valid to this day. In the 1960s they were taken up by Michael Fried and applied to presences and theatricality. As subversive historical rebels, German postwar painters like Jörg Immendorff, Sigmar Polke, and Gerhard Richter thought about reality and pictures as a discussion between historical narrative and painting. The following generation around Martin Kippenberger, Albert Oehlen, and Werner Büttner 21 22 were equally emphatic in targeting social issues with irony and sarcasm after the trauma of World War II. But how can painters today position themselves critically, since the forms of abstraction and figuration have been made ideologically usable in an arbitrary way, and painting as such has been either rated as failed, as an inadequate means of conveying political significance, or has been used provocatively in the manner of “bad” painting? Daniel Richter never tires of taking such questions as his starting point. And he is also a conceptual painter insofar as he seeks answers. According to guidelines he sets for himself, he keeps changing his perspective. For his new pictures, the technical parameters consisted of not using a paintbrush, applying the oil paint with a palette knife, and working with thick oil pastel pencils. The backgrounds, painted horizontally in chromatic gradients, are light and varnish-like, skillfully carried out and without a particular hallmark. The artist has always selected guidelines from his “ tool chest” (Daniel Richter) that are closely linked to the specific content of the picture concerned. In the series of politically charged landscape pictures around 2011 (fig. 5, p. 15), he mixes sublime mountain scenery containing explicit reminiscences of American landscape painting with the exoticism of Oriental fairy tales and figural references to the Taliban. The abstract pictures produced some two years later (fig. 6, p. 16) abandon representationalism and form—as a summary of his own painterly discourse, so to speak—the intellectual launch pad for new questionings. Diagrams As regards content, the most recent pictures cover a range that is based neither on concrete situations nor on specific representations that have been broadcast in the media. They refer to abstract, diagrammatic representations of reality. These include stock exchange charts in the background as the trigger, representing the links between monetary values and time (pp. 50–51). Similarly abstract are the representations of territorial boundaries, for example political maps relating to flight and expulsion. They, too, call to mind historical and social content on a symbolic level. If we omit all written explanations and specifically linguistic labels, they are no more than strangely shaped colored areas. Migration movements are drained of all aspects of human suffering and ossify into formal systems. Although the stock exchange diagram reflects the global economy in an abstract and emblematic way, the fates of millions are thus represented immaterially in the schematically depicted territories. Without reference to the identity of different regions and peoples, and as a result of the colors alone, Daniel Richter conveys the idea of a difference that is just as intangible as it is imaginable. Mixed with white, the color palette of the areas applied with a palette knife in light blue, yellow, or red seems less a compositional decision than a direct challenge to take a closer look (pp. 46–47). The dark contour lines familiar from earlier works are now shadows around the edges. They recall solarized photographs, that is to say, intentional coloration of still-present realities, and they translate the paradigm of the boundary of the modern nation state into the realm of surreal aesthetics. Formally speaking, the diagrammatic maps are not far removed from Daniel Richter’s second major theme, the human figure. There is an obvious correlation between the fragmented bodies and individual limbs and the colorful territorial areas, in which we could also see biological processes as through a microscope. Hints at persons are, admittedly, as far removed from the narrative iconography of the early pictures as the stock market course and map are from a traditional idea of abstraction. Daniel Richter’s references for the human bodies are popular pornographic subjects and practices. Through the fragmentation, however, the figuration itself mutates to abstraction;; the bodies become a “world language” in the literal sense, since the entire pictorial vocabulary is taken from the World Wide Web. The choreography of the massive movements could evoke the utopian promise of the modern age in Henri Matisse’s famous painting La Danse (1909/10), but the dynamics of the present consist merely of hard interaction of details of human figures with deindividualized physicality that have been placed in the picture. Only the erotic clichés are instantly recognizable everywhere: overstretched bodies, splayed legs, grasping hands, wide-open mouths, and other indeterminate orifices. The wild confusion generates its enormous virulence only on the surface;; all depth is avoided. The human figures and their interpersonal relationship possibilities are dissolved. Their new form of presence as painting transforms them in the sense of post-Internet art into a commentary on disappearing privacy and individuality, which has been lost in an inflationary consumer choice with promises of the universal satisfaction of desire. Key and lock Two pictures with a relatively anecdotal effect can be used as an explanatory context for both new series. the message of 2014 (fig. 7, p. 17) recalls Lonely Old Slogan and plays like the latter with the act of looking and hiding, revealing and being observed. Here, however, physicality, eroticism, and sexuality do not tell their own story, but become the object of conjecture and interpretation. Seen from the back, a black figure with its head down pushes itself into the dominant green rectangle, perhaps a window or a picture frame, as if to interrupt our line of sight. The outlines of a second, female figure with opened clothes can be made out. Her ashen skin color suggests a nocturnal-erotic, almost morbid mood in a thicket of dark creepers which are growing rampantly all around. The male silhouette is occupied with itself, and its stance makes it into an object of voyeuristic fantasy. The positions and actions of the figures change the relationship between the viewer and the pictorial space, between perspective and meaning. The canvas becomes a reflection, and in the place of the hitherto concrete narrative mood a puzzling moment occurs. A concluding picture, conceived as a footnote to his own work and exhibition—but not yet painted—is also explicitly planned as a representational work in his own style. In an artistic blend of historical fact and fictional assumption, Daniel Richter comments on the German failure to purchase the picture cycle 18. Oktober 1977, created by Gerhard Richter in 1988. For many years the history paintings on the subject of Red Army Faction terrorism were on display in the Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main and were then sold to the Museum of Modern Art in New York in 1995. Elements of the true story, presumed assumptions, and personal research combine to create a pictorial speculation which slides like a lock in front of all the questions that art may raise in society through imitation or by means of idealizing abstraction. Pornográphos—Lines and territories The tone of the new pictures is loud, almost aggressive (pp. 29, 44–45, 101). Figuration has been fragmented in favor of emotional moments. Moreover, parts of the bodies, which in any case are fragmented, are outlined expressively with black lines of oil crayon. The lines are clearly rapid, sudden, and even abrupt, always in danger of becoming too dense and too strong and thus destroying the flexibility of the subtle interplay between the surfaces and bringing it to an unexpected halt. Painting itself becomes a risk factor. The pictorial space, still comparatively secure in the green picture, dissolves here and the result is a blend of color gradations and superimposed, explicitly erotic, voyeuristic insinuations. In the same way that, on the one hand, the abstractly schematic “bodies” of the political territory in the map pictures mutate into a macrocosm (pp. 52–53), so the bodies (derived from reality) in the figural paintings become flat, almost territorial zones (p. 27). The more or less clear compositional central axes, along which the opposing momentums of movement break, create linearity and a further disillusionment of the pictorial space. The pictorial space becomes flat and permits the gestural lines to leap “ forward” even more strongly. They are graphic hints at violence or anger which emphasize the object and hold it out toward us without becoming explicit. In particular the areas with the most expressive motifs, with ecstatically twisted body fragments and torsos, are “hinted at” with brute force using the oil crayon, but are never completely interpreted. The graphic element is maintained in equilibrium, as are the paints, applied with the palette knife;; they are just physical enough to burst open our line of sight and to agitate us. The word “pornography” comes from the Greek words pórnē (whore) and gráphein (write) and means, more or less, “ to write about whores.” The momentum of the writing is present in the lines and becomes an echo of the etymological meaning of the word “pornography.” The new pictures also report something outrageous, something scandalous in two ways. Firstly, they quote sources from the Internet, and secondly, they take the paradoxical path from a pictorial transcription to reduction. The pictures make use of a two-dimensional reinterpretation of spatial and substantial information. Figurative pictures have been shifted, so to speak, into a symbolic zone. In this way Daniel Richter has dissolved the (supposed) dichotomy between “abstract” and “figurative” and makes these terms irrelevant for us as instruments of observation. Here, Gilles Deleuze’s use of the term “figural” would be more appropriate, since the pictures occupy an area between verbal and visual signs which moves on from the representational or abstracting illustration of the concrete. Perhaps this is the only way that an artist today can “tell of the whore,” of the things that represent the problematic aspects of human existence, of what troubles our society and what determines it. Who can tell of those things that are not only unimaginable, but also unrepresentable? The artistic use of the phenomenon of 23 the mass distribution and presence of pornographic pictures serves not as a criticism of them, but seems like a contemporary act of homage to the urge to love, to Eros, interpreted since time immemorial as a source of creativity. Daniel Richter’s pictures are therefore allegories whose meaning extends far beyond the representation of the original material. A painting guerrillero 24 Even with his exhibition title Hello, I love you, Daniel Richter takes up artistic, historical, and social questions. Instead of speaking cynically about things that are incomprehensible or impossible to execute, he actually makes an artistic study of reality. The strategy of his painting is thereby more subversive than ever. The theoretical basis is not unlike the suggestion made by Umberto Eco, who as early as 1967 called for a “semiological guerrilla warfare” that should redefine the communication model of sender and recipient. An analogy to this would be Daniel Richter’s method of a “painting guerrillero,” who steps into the middle of the system of painting. This results in a sort of overidentification with the existing logic. Only from this saturation can reflection and rebellion follow. Daniel Richter’s attitude is thus not, for example, that of opposition or provocation, but rather a playful action not unlike that of the Situationists of the 1950s and their practice of dérive (“drifting”). It permits a form of painting that is filled with joie de vivre but that is neither innocuous nor invulnerable—a painting that surpasses painting without destroying it. Aesthetics play a secondary role, since it is less a question of creating a picture than adopting an attitude. Nonetheless the forms in the pictures unsettle us and encourage us to think differently, rather than to remain stuck in the old sender-receiver model, or to expect an artist today to have an appropriate answer to everything, or even instructions for acting in a moral manner. The Third Table The topical and contemporary element in the new pictures is their eye-catching presence, their almost nonreproducible materiality, which already played a part in the detail of earlier paintings. Like the situation described at the beginning with the strange object and its unexplained context, Daniel Richter’s pictures also cannot be reduced to a message. Their love of life and aggressive liveli- ness appeal to an artistic attitude that lies beyond science and philosophy. Facts and theory can be used for the purposes of interpretation, but even after detailed analysis they will supply no practical or even morally useful answers. Our conclusion is that we cannot know what is real, only love it—to paraphrase Graham Harman. As a representative of the new philosophical direction of a “speculative realism,” this contemporary philosopher is concerned with a new philosophical approach in the face of reality. The world exists independently of how it is explored, analyzed, and perceived. And therefore we cannot expect art to supply any slogans or messages. That would be too easy. Who loves whom or what is highly varied and essentially has something to do with the subject and his or her relationship to the object, and not vice versa: “Hello, I love you”! “The scientist reduces the table downward to tiny particles invisible to the eye;; the humanist reduces it upward to a series of effects on people and other things. To put in bluntly, both of Eddington’s tables are utter shams that confuse the table with its internal and external environments, respectively. The real table is in fact a third table lying between these two others. And if Eddington’s two tables provided the moral support for Snow’s two cultures of scientists and humanists, our third table will probably require a third culture completely different from these two. This is not to say that the third culture is a completely new one: perhaps it is the culture of the arts, which do not seem to reduce tables either to quarks and electrons or to table-effects on humans.”2 1 Graham Harman, The Third Table / Der dritte Tisch, in the series 100 Notes – 100 Thoughts / 100 Notizen – 100 Gedanken, no. 085, published in conjunction with the exhibition dOCUMENTA 13 (Ostfildern: Hatje Cantz, 2012). 2 Ibid.