Bericht_akademische_Freiheit_2014_-_deutsch

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Bericht_akademische_Freiheit_2014_-_deutsch
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ZUM SCHWEIGEN GEBRACHT,
VERTRIEBEN, INHAFTIERT
UNTERDRÜCKUNG VON STUDIERENDEN
UND AKADEMIKER/INNE/N IM IRAN
Übersetzung des Berichts:
„SILENCED, EXPELLED, IMPRISONED – REPRESSION OF STUDENTS AND ACADEMICS IN IRAN”
vom 2. Juni 2014, Index-Nr. MDE 13/015/201
Amnesty International
Internationales Sekretariat
Peter Benenson House
1 Easton Street
London WC1X 0DW
United Kingdom
Alle Rechte vorbehalten. Trotz Copyrights kann der Text ohne Gebühr zur Unterstützung, für
Kampagnen- und Lehrzwecke vervielfältigt werden, jedoch nicht zum Weiterverkauf. Für die
Vervielfältigung zu anderen Zwecken, zur Übersetzung oder Veränderung ist die vorherige Genehmigung
der Herausgeber erforderlich. Für entsprechende Anfragen wenden Sie sich an: copyright@amnesty.org
Hinweise:
Der vorliegende Text ist die Übersetzung des englischsprachigen Amnesty-Berichts„SILENCED,
EXPELLED, IMPRISONED – REPRESSION OF STUDENTS AND ACADEMICS IN IRAN” vom 2. Juni
2014, Index-Nr. MDE 13/015/2014.
Die Übersetzung erfolgte durch die Iran-Koordinationsgruppe der deutschen Sektion und ehrenamtliche
Übersetzer/innen. Die Fußnoten sowie zwei Fotos sind in dieser Übersetzung weggelassen worden –
bitte konsultieren Sie hierfür das englische Original, dessen Text auch als verbindlich anzusehen ist.
Der englische Text kann auf www.amnesty.org oder www.amnesty-iran.de heruntergeladen werden.
Titelbild:
Iranische Oberschülerinnen absolvieren ihre Eingangsprüfung für die Universität in Teheran am 25.
Juni 2009. Viele Studierende und universitäre Lehrkräfte wurden nach Massenprotesten gegen die
umstrittene Wiederwahl von Präsident Ahmadinejad Anfang jenes Monats verhaftet und inhaftiert.
© MONA HOOBEHFEKR/AFP/Getty Images
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INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG .................................................................................................. 4
2. HINTERGRUND .............................................................................................. 9
VON DER ISLAMISCHEN REVOLUTION ZUR WAHL VON MOHAMMAD KHATAMI, 1979 – 1997 .... 9
DIE ÄRA VON MOHAMMAD KHATAMI, 1997 – 2005 ................................................................. 11
3. DAS SYSTEM DER HÖHEREN BILDUNG IM IRAN............................................ 12
HOCHSCHULBILDUNG ............................................................................................................ 12
ZULASSUNG DER STUDIERENDEN .......................................................................................... 13
REGELN UND DISZIPLIN ......................................................................................................... 14
MECHANISMEN DER UNTERDRÜCKUNG ................................................................................. 15
4. DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GESCHLECHTS ODER DER RELIGION ..... 16
DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GESCHLECHTS ............................................................... 16
BEGRENZUNG DES ZUGANGS VON FRAUEN ZU HÖHERER BILDUNG ...................................... 18
APARTHEID IM BILDUNGSWESEN – TRENNUNG DER GESCHLECHTER .................................... 20
DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GLAUBENS ODER DER RELIGIONSZUGEHÖRIGKEIT ....... 21
5. ANGRIFF AUF DIE AKADEMISCHE FREIHEIT .................................................. 24
WIEDERAUFLEBEN DER „ISLAMISIERUNG“ ............................................................................ 28
STUDENTISCHE AKTIVE ALS ZIELSCHEIBE, VERGABE VON „STERNEN“, BEURLAUBUNG UND
AUSSCHLUSS ......................................................................................................................... 31
FESTNAHMEN, HAFT UND FOLTER .......................................................................................... 35
AUSPEITSCHUNGEN ............................................................................................................... 51
INHAFTIERUNG VON LEHRKRÄFTEN ....................................................................................... 51
6. DER RECHTLICHE RAHMEN ......................................................................... 62
INTERNATIONALES RECHT ...................................................................................................... 62
IRANISCHES RECHT ................................................................................................................ 69
7. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN ........................................... 72
EMPFEHLUNGEN .................................................................................................................... 72
AN DIE IRANISCHEN BEHÖRDEN ............................................................................................ 72
AN DIE INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT .............................................................................. 76
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1. EINLEITUNG
„Universitäten sind die Stimme des Volkes. Und deswegen versuchen sie, diese zum
Schweigen zu bringen.“
Ein ehemaliger Student der Amir-Kabir-Universität Teheran und politischer Gefangener, derzeit im Exil, März 2013
Bei seiner Amtseinführung im August 2013 fand Irans neu gewählter Präsident Hassan Rouhani, der
sich selbst als gemäßigt bezeichnet, sein Land in einer Krise vor. Während der 8-jährigen
Präsidentschaft seines Vorgängers, des zweimaligen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, hatte sich die
Lage der Menschenrechte weiter verschlechtert. Der Iran wurde mehr und mehr diplomatisch isoliert
infolge des westlichen und arabischen Misstrauens wegen seiner Absichten hinsichtlich der Nutzung
der Kernkraft. Außerdem war das Land wirtschaftlich durch die einschneidenden Handels- und FinanzSanktionen geschwächt.
Während seines erfolgreichen Wahlkampfs und in den Reden nach seiner Amtseinführung schien er
sich Mühe zu geben, sich von seinem Vorgänger zu distanzieren, auch von der Politik und der Rhetorik
des früheren Präsidenten. Er schien ein umgänglicheres und konstruktiveres Vorgehen in seiner Politik
und beim Aufbau von Beziehungen zu beabsichtigen, sowohl nach innen als auch nach außen, bei der
Verfolgung der politischen, strategischen und wirtschaftlichen Interessen Irans und seiner 78 Millionen
Einwohner. Es war die Anerkennung der allgemeinen Wechselstimmung und das Ende von Irans
internationaler Isolierung, die sein Wahlsieg widerspiegelte und er schien ein neues mehr Erfolg
versprechendes Kapitel in den internationalen Beziehungen Irans aufzuschlagen. Schon nach einigen
Monaten gab es ein vorläufiges Abkommen in Genf zwischen der iranischen Regierung, den USA und
anderen ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates sowie Deutschland im November 2013, in dem
sich der Iran verpflichtete, einige Teile seines Atomprogramms als Gegenleistung für
Sanktionserleichterungen einzufrieren. Im Iran selbst allerdings wurden die begrenzten
Handlungsmöglichkeiten des Präsidenten schnell sichtbar, als konservative Abgeordnete die Ernennung
einiger seiner Ministerkandidaten blockierten – einschließlich seines Kandidaten als Minister für
Wissenschaft, Forschung und Technologie (im weiteren als Minister für Wissenschaft bezeichnet) – in
dessen Zuständigkeit die Aufsicht über Irans Universitäten fallen sollte. Dieser frühe Rückschlag zeigte,
dass das von Geistlichen beherrschte politisch-religiöse Establishment unter der Führung des obersten
geistlichen Führers Ayatollah Ali Khamenei und Betonköpfen im Sicherheits- und Rechtsbereich große
Macht und Einfluss behalten hatte und weiterhin entscheidenden Einfluss auf die Art und Weise und
das Tempo der Veränderungen im Iran hat. Die Verurteilung der studentischen Aktivistin Maryam Shafi'
Pour zu sieben Jahren Haft durch ein Revolutionsgericht unter anderem wegen „Verbreitung von
Propaganda gegen das System“ lieferte weitere Belege für den Einfluss und die Intoleranz der
Behörden.
Seit Rouhanis Wahl konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der meisten Medien und Diplomaten auf die
Entwicklung der internationalen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm. Bis jetzt ist unklar,
ob und in welchem Ausmaß es während Rouhanis Präsidentschaft eine deutliche Verringerung der
Spannungen und einen Rückgang der internationalen Handels-, Finanz- und anderen Sanktionen geben
wird, die Irans Wirtschaft getroffen, den Lebensstandard gesenkt und den Zugang zu importierten
Gütern erschwert haben. Auch wenn es sich dabei um wichtige Probleme handelt, sollten sie nicht
darüber hinwegtäuschen, dass Präsident Rouhani andere Problem anpacken muss, wenn seine
Regierung das verheerende soziale, politische und wirtschaftliche Erbe von Präsident Ahmadinejad
überwinden will, und dass er sich den Bedürfnissen einer wachsenden Bevölkerung zuwenden muss,
von der die Hälfte jünger als 24 Jahre und ein Viertel jünger als 15 Jahre ist.
Eine besonders große Herausforderung findet sich an Irans Universitäten und anderen höheren
Bildungseinrichtungen, z.B. medizinischen Ausbildungsstätten, Instituten für Technologie und
Volkshochschulen. Diese Einrichtungen besuchen jedes Jahr einige Millionen Menschen, etwa die
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Hälfte davon Frauen, es gibt jedoch in diesen Institutionen keine erwähnenswerte akademische Freiheit
mehr. Unter Präsident Ahmadinejad wurde das, was die Universitäten als Zentrum unabhängigen
Denkens und kritischer Analyse bewahrt hatten oder nach der Kulturrevolution Anfang der 80er Jahre
wieder aufbauen konnten, nahezu ausgelöscht, als die Behörden sie immer stärker durch den
Sicherheits- und Geheimdienst kontrollierten.
Diese Entwicklung begann kurz nachdem Mahmoud Ahmadinejad im Jahre 2005 zum Präsidenten
gewählt worden war. Er setzte eine neue Welle der „Islamisierung“ an den Universitäten in Gang, durch
die Vorlesungen, die als „westlich beeinflusst“ angesehen wurden, aus dem Lehrplan entfernt wurden,
akademisches Personal, das als „weltlich“ galt, entlassen oder gezwungen wurde, die Universitäten
„freiwillig“ zu verlassen und studentische Aktivisten zwangsexmatrikuliert wurden. Gleichzeitig trieben
die Behörden die Geschlechtertrennung an den Universitäten voran und verschärften die Überwachung
der Einhaltung der Kleidungs- und Verhaltensregeln für Lehrende und Lernende. Die Entwicklung
erreichte ihren Höhepunkt während der massenhaften friedlichen Proteste in der zweiten Hälfte des
Jahres 2009, als Millionen von Iranern in Teheran und anderen Städten auf die Straße gingen, um
gegen Präsident Ahmadinejads umstrittene Wiederwahl im Juni 2009 zu protestieren.
Im Verlauf der Proteste, an denen viele Studierende und Dozenten teilnahmen, wurden die
Universitäten zum Brennpunkt der Unruhe und Opposition gegen den wiedergewählten Präsidenten und
seine Unterstützer innerhalb des Klerus und der politischen Autoritäten, einschließlich des Obersten
Führers. Verblüfft und verärgert durch den Umfang des Protestes, begannen die Behörden einen
Gegenangriff über mehrere Monate. Angeführt von den Revolutionsgarden und den Basiji, einer
paramilitärischen Truppe, gelang es, die Unruhen durch Gewalt zu unterdrücken; durch
unverhältnismäßige Gewaltanwendung der Polizei, willkürliche Verhaftungen, Prügel, Folter und andere
Misshandlungen der Verhafteten, von denen einige in der Haft zu Tode kamen. Es folgten vollkommen
unfaire „Schauprozesse“, in denen die Angeklagten vor Revolutionsgerichten erscheinen mussten, wo
sie häufig zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Meistens handelte es sich um
Geheimprozesse, von denen nur kurze Ausschnitte im Fernsehen übertragen wurden, in denen viele
Angeklagte, von denen die meisten ohne Verbindung zur Außenwelt gewesen waren, unter
menschenunwürdigen Bedingungen „gestanden“, gegen die nationale Sicherheit gehandelt zu haben
und um Nachsicht und Vergebung baten. Viele wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, einige wurden
später entlassen, bevor sie die gesamte Strafe abgesessen hatten. Einige der Universitätsangehörigen
hatten offen die oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mousavi
unterstützt oder in deren Wahlkampfmannschaften mitgearbeitet und waren deshalb besonders im
Visier der Sicherheitskräfte. Andere wurden auf dem Weg zu den Demonstrationen oder dem
Nachhauseweg verhaftet.
Die Sicherheitskräfte drangen in Universitätseinrichtungen und Studentenwohnheime ein, wobei bis zu
fünf Studenten ums Leben gekommen sein sollen. Die Behörden verboten zahlreiche
Studentenzeitschriften und Studentenvereinigungen, darunter das „Büro für die Stärkung der Einheit“
(OCU), die größte Studentenvereinigung Irans mit Büros in mehreren Universitätsstädten. Vor dem
Verbot hatte das OCU die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte geäußert und weitere
Reformen verlangt, sowie die Behörden zu mehr Respekt gegenüber den „Islamic Students
Associations“ (ISA) des Landes aufgefordert.
Viele Studenten wurden ohne Anklage mit der einschüchternden Erfahrung der Verhaftung wieder
entlassen; einige jedoch wurden eine Zeit lang oder auf Dauer vom Studium ausgeschlossen. Andere
wurden wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ angeklagt oder schwererer, aber unklar bezeichneter
Vergehen beschuldigt, wie z. B. „Verbreitung von Lügen zur Störung der öffentlichen Meinung“,
„Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch Teilnahme an illegalen Treffen“, „Beleidigung des
Obersten Führers oder des Präsidenten“. Manchen wurde „moharebeh“ (Feindschaft gegen Gott)
vorgeworfen, ein Kapitalverbrechen. Die Anklagen wurden in unfairen Prozessen vor
Revolutionsgerichten verhandelt, die sie zu Gefängnisstrafen oder auch in einigen Fällen zu
Auspeitschungen verurteilten.
Während dieser neuen Verfolgungswelle flohen Tausende Studierende und Akademiker aus dem Iran
und trugen zum intellektuellen Ausbluten des Irans bei, eine Folge der staatlichen Unterdrückung in
der Islamischen Republik. Die Zurückbleibenden, die ihre Ausbildung fortsetzen konnten und an die
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Universitäten zurückkehrten, erlebten sie unter viel stärkerer staatlicher Kontrolle und Überwachung,
um jegliche abweichende Meinung zu unterdrücken.
Vor dem Jahr 2005 besaßen die Universitäten eine gewisse Autonomie bei der Berufung der Dekane
und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Der erste von Präsident Ahmadinejad berufene
Wissenschaftsminister kassierte diese Rechte der staatlichen Universitäten und unterstellte sie seiner
direkten Kontrolle. Seither war sichergestellt, dass nicht nur höhere Verwaltungsposten, sondern auch
Lehrbeauftragte nach seinen Vorgaben eingestellt wurden. Die Vorgaben umfassten nicht nur
wissenschaftliche Verdienste, sondern etwa auch Mitgliedschaft bei den Basiji oder militärische
Erfahrungen. Die Sicherheitsdienste waren also nun Herr im Haus, und die Universitäten versuchten,
abweichende Meinungsäußerungen zu verhindern, indem sie eine Art „Strafpunktesystem“ einführten,
um studentischen Aktivisten und denen, die Kleidungs- und Verhaltensregeln nicht einhielten, klar zu
machen, dass sie unter Beobachtung standen und bei Fortsetzung ihres abweichenden Verhaltens mit
disziplinarischen Maßnahmen zu rechnen hatten.
Der von Präsident Ahmadinejad angestoßene neuerliche Islamisierungsprozess hatte
geschlechtsspezifische Auswirkungen an den Universitäten und setzte ein, als die Zahl der
Studentinnen die Zahl der Studenten zu übersteigen begann. Die Geschlechtertrennung in den
Universitäten, die als Folge der Kulturrevolution Anfang 1980 eingeführt worden war und Eltern dazu
gebracht hatte, in den Universitäten einen sicheren Platz für ihre Töchter zu sehen, und die Aufhebung
der Beschränkungen des Studienangebotes für Frauen führte zu einer dauerhaften Zunahme der
Studentinnen.
Frauen stellen etwa die Hälfte der iranischen Studierenden. Die „Islamisierung“ während der
Kulturrevolution hatte viele negative Aspekte und Folgen, aber ironischerweise brachte die strikte
Geschlechtertrennung an den Universitäten viele Familien zu der Überzeugung, dass ihre Töchter an
den Universitäten in Sicherheit waren.
Die Zahl der Frauen, die eine Hochschulbildung anstrebten, erhöhte sich in den 1980er Jahren,
nachdem die Behörden sich dazu entschlossen hatten, die Beschränkungen, die im Gefolge der
Islamischen Revolution von 1979 eingeführt worden waren, zum Teil wieder aufzuheben. Das
Wachstum hielt in den 1990er Jahren und im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts an. Im
Studienjahr 2005/2006, dem ersten Jahr der Präsidentschaft Ahmadinejads, lag der Anteil der Frauen
in der Hochschulausbildung bei mehr als 55% der Gesamtzahl der Studierenden. Im Jahr 2007 hatte
sich der Anteil bis auf fast 58% erhöht.
Nach dem Amtsantritt Präsident Ahmadinejads im Jahr 2005 begannen staatliche Versuche, die Zahl
der Studentinnen zu reduzieren, um das Gleichgewicht wieder herzustellen, wobei unklar ist, inwieweit
sie zum Erfolg führten. Einige Universitäten führten Quoten für Studentinnen in bestimmten
Studiengängen ein, andere Studiengänge, z. B. Bergbauwesen, wurden für Studentinnen gesperrt, da
nur Studenten als dafür geeignet angesehen wurden. Andere Studiengänge, etwa Frauenstudien,
wurden verändert, indem die Betrachtung von Frauenrechten nach internationalem Recht gestrichen
wurde und stattdessen der Schwerpunkt auf die Betrachtung „hergebrachter“ Frauenrollen und verantwortlichkeiten in den Familien als Frauen und Mütter gelegt wurde und unterstrichen wurde, dass
„islamische Werte“ der bestimmende Faktor für die Rolle der Frauen in der iranischen Gesellschaft und
ihr Verhalten seien.
Studentinnen berichteten Amnesty International, dass nach ihrer Ansicht die konsequentere
Durchsetzung der Kleidungs- und Verhaltensregeln in Verbindung mit Änderungen des Stundenplans
und Zulassungsbeschränkungen zu bestimmten Studiengängen manche Frauen von der Aufnahme einer
Hochschulausbildung abgeschreckt haben.
Angehörige von Religionsgemeinschaften, die die Verfassung nicht anerkennt, wie etwa die Baha'i, sind
seit der Islamischen Revolution von 1979 weitgehend von der Hochschulausbildung ausgeschlossen.
Von den iranischen Behörden ist diese Diskriminierung, die internationalen Recht und vom Iran
unterzeichneten Abkommen widerspricht, nach Kenntnis von Amnesty International aber nie zugegeben
oder gerechtfertigt bzw. erklärt worden. Nach inoffiziellen Quellen gibt es für diese Diskriminierung
geheime Anordnungen.
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Allerdings steht fest, dass der Ausschluss von Baha'i und Angehörigen anderer religiöser Minderheiten
zum Muster offizieller Diskriminierung religiöser und ethnischer Gruppen passt, die für unislamisch und
illoyal gehalten werden. Deswegen wird ihnen der Zugang zum Staatsdienst, ihre Religionsausübung
oder im Fall von Volksgruppen der Gebrauch ihrer Sprache an Schulen nicht gestattet.
Vor diesem Hintergrund lassen sich seit Präsident Rouhanis Amtsübernahme einige, begrenzte positive
Entwicklungen erkennen. Nach der Einsetzung Ja'far Tofighis als kommissarischer
Wissenschaftsminister, erlaubte das Ministerium einigen ausgeschlossenen Wissenschaftlern und
Studenten die Rückkehr an die Universität, jedoch unter der Bedingung, dass sie eine schriftliche
Verpflichtungserklärung über ihre Vorhaben und ihr Verhalten abgeben mussten. Im September 2013
teilte Tofighi mit, dass sein Ministerium eine Arbeitsgruppe gebildet habe, die die Einsprüche
ausgeschlossener Wissenschaftler und Studenten prüfen werde, und ermunterte auch erst vor kurzem
Ausgeschlossene dazu, Einspruch einzulegen. Wenn ihre Einsprüche akzeptiert würden, könnten sie ihr
Studium fortsetzen. Studenten, die vor dem Jahr 2011 ausgeschlossen worden seien, könnten ihre
Prüfungen wiederholen, falls sie das Studium fortsetzen wollten.
Noch können die Auswirkungen dieser Maßnahmen nicht beurteilt werden. Im August 2013 teilte das
Wissenschaftsministerium mit, 126 zuvor ausgeschlossene Studierende seien wieder zum Studium
zugelassen worden. Für Hunderte weitere hat sich die Lage jedoch nicht geändert; sie bleiben
ausgeschlossen, weil sie vom Recht auf freie Meinungsäußerung oder friedliche Versammlung Gebrauch
gemacht haben oder weil sie Baha'i sind oder zu anderen religiösen Minderheiten gehören, die weiter
diskriminiert werden.
In den ersten Monaten der Amtszeit Präsident Rouhanis stieg die Hoffnung auf weniger Repression
durch das Regime und größerer Achtung der Menschenrechte der Iraner und der Verpflichtung des
Staates durch internationale Menschenrechtsabkommen. Die nächsten Monate und Jahre werden
entscheiden, ob an Irans Universitäten der willkürliche Einfluss der Sicherheitsdienste zurückgedrängt
werden kann und sie wieder Zentren unabhängiger Wissenschaft, des freien Denkens und der
Innovation werden können. Viele innerhalb und außerhalb Irans werden darauf achten, ob Präsident
Rouhani die Probleme der iranischen Hochschulen anpacken wird, wie man nach seinen Reden vor der
Wahl vermuten konnte, und mit wie viel Energie, Entschlossenheit und Erfolg er das tun wird.
ZUSAMMENFASSUNG DER EMPFEHLUNGEN
Amnesty International fordert die iranischen Behörden auf:
•
sicherzustellen, dass der Hochschulzugang für alle auf der Grundlage individueller Eignung
ermöglicht wird; es soll durchgesetzt werden, dass Studium, Arbeit und Lehre an Hochschulen
ohne Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Zugehörigkeit zu einer
Volksgruppe oder Nationalität, religiöser Orientierung oder Gewissensgründen möglich ist;
•
alle früheren, willkürlichen Ausschlüsse von Studierenden und alle Zwangspensionierungen und
Entlassungen von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen aus unzulässigen Gründen zurückzunehmen;
die Betroffenen sollen wieder studieren oder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren dürfen;
•
sicherzustellen, dass StudentInnen und WissenschaftlerInnen, die von ihrem Recht auf freie
Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, keine Nachteile erfahren dürfen;
den Studierenden soll es erlaubt sein, unabhängige Vereinigungen zu bilden und Zeitschriften zu
veröffentlichen;
•
willkürliche Eingriffe in das Recht auf Privatsphäre der StudentInnen und WissenschaftlerInnen zu
unterlassen; niemandem darf der Hochschulzugang als Strafe für seine politische Meinung, seinen
Glauben, seine Volkszugehörigkeit, sein Geschlecht oder seine sexuelle Orientierung verweigert
werden;
•
alle politischen Beschlüsse aufzuheben, die die Absicht oder die Auswirkung haben, Frauen den
Zugang zu Hochschulen im Allgemeinen oder besonderen Studiengängen zu verwehren;
•
sicherzustellen, dass Universitäten und andere höhere Bildungseinrichtungen menschenrechtliche
Standards beachten und das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit
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einhalten;
•
Menschenrechtsverletzungen in der Strafjustiz zu beenden, wie zum Beispiel willkürliche
Verhaftungen, Haft ohne Verbindung zur Außenwelt, kein Zugang zu rechtlichem Beistand, Folter
und Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren.
ÜBER DIESEN BERICHT
Dieser Bericht basiert auf Untersuchungen von Amnesty International unter Verwendung vieler
öffentlicher und privater Quellen. Dazu gehören ausführliche Gespräche mit mehr als 50 Männern und
Frauen mit eigenen Kenntnissen iranischer Universitäten und der iranischen höheren Bildung. Seit
1979 kann Amnesty International keine eigenen Untersuchungen im Iran durchführen und eigene
Erkenntnisse gewinnen. Die Befragten waren aber bis vor kurzem noch an iranischen Universitäten
tätig, bis sie ins Ausland flohen.
Zusätzlich zu den Befragungen, die auf Farsi geführt wurden, wertete Amnesty auch Fragebögen aus.
Bei den öffentlich zugänglichen Quellen handelt es sich um Regierungsveröffentlichungen, Berichte
und Untersuchungen von UN-Organisationen, Aussagen von iranischen Politikern, Berichte
unabhängiger Menschenrechtsorganisationen und Veröffentlichungen iranischer und internationaler
Medien.
Amnesty International bemühte sich auch erfolglos um direkte Informationen zu diesem Thema bei den
iranischen Behörden, vor allem hinsichtlich der Zahl der von Universitäten und anderen höheren
Bildungseinrichtungen verwiesenen Studierenden und der Zahl derjenigen, deren Ausschluss wieder
zurückgenommen wurde, nachdem Präsident Rouhani sein Amt im August 2013 antrat. Bis jetzt haben
die Behörden jedoch nicht auf Amnesty Internationals Anfrage reagiert.
Amnesty International bedankt sich bei allen innerhalb und außerhalb Irans, die zum Zustandekommen
dieses Berichts beigetragen haben und widmet ihn denen, die sich für die Durchsetzung der
Menschenrechte und die Stärkung der akademischen Freiheit im Iran einsetzen.
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2. HINTERGRUND
[anschließend an Mahmoud Ahmadinejads Wahl:]
„Es war eine gezielte Kampagne im Gange, um die Studentenbewegung zu
unterdrücken.“
Sajad Veismoradi, studentischer Aktivist an der Amir Kabir Universität, sprach im April 2013 mit Amnesty
International.
Seit der Islamischen Revolution 1979 haben die iranischen Behörden Bestrebungen hin zu einer
„Islamisierung“ des höheren Bildungssystems im Lande verfolgt, basierend auf den Lehren des Shi´aIslam, die durch Ayatollah Ruhollah Khomeini und seinen Nachfolger als Obersten Religionsführer,
Ayatollah Khamenei, unterstützt wurden. Dabei zeigten die Behörden wenig oder keine Rücksicht auf
akademische Freiheit und die Menschenrechte, von der sie abhängt, und auch nicht auf Meinungs- und
der Versammlungsfreiheit. Stattdessen war es ihre Absicht, die Universitäten und andere Zentren
höherer Bildung in eine religiöse Zwangsjacke zu legen, die wenig Platz für unabhängiges Gedankengut
oder freie Äußerungen lässt, vor allem nicht für Äußerungen der Missbilligung der herrschenden
Ordnung und der Zentren der staatlichen Macht.
Unter Präsident Ahmadinejad begannen die Behörden als Folge neuer Studentenproteste gegen seinen
Vorgänger, den Reformator Präsident Mohammad Khatami (1997 – 2005), den Zugriff auf die
Universitäten wieder zu verstärken. Sie reduzierten die Kompetenzen der Universitätsdekane, indem sie
die Zuständigkeit für die Einstellung von Universitätsprofessoren und akademische Arbeitskräfte
übernahmen; sie führten ein strengeres disziplinarisches Regime sowohl für Studierende als auch für
Akademiker ein; und sie erhöhten die Rechte der Staatssicherheits- und Geheimdienstkräfte auf dem
Campus. Zudem veranstalteten sie nach Präsident Ahamadinejads Wiederwahl 2009 eine große Razzia,
deren Auswirkungen noch heute spürbar sind.
VON DER ISLAMISCHEN REVOLUTION ZUR WAHL VON MOHAMMAD KHATAMI,
1979 – 1997
Studenten waren schon lange vor der Islamischen Revolution 1979 eine dynamische Kraft in der
iranischen Politik; daher wurden studentische Gruppen und Vereinigungen häufig von den politischen
und Sicherheitsbehörden des Landes mit Argwohn und Feindseligkeit betrachtet.
Der nationale iranische Studententag, der 7. Dezember, bleibt ein wichtiger Tag im iranischen
politischen Kalender. Er erinnert an einen Vorfall im Jahre 1953, als die Polizei unter Mohammad Reza
Pahlavi, dem letzten Schah des Iran, drei Studenten der Universität Teheran tötete während eines
Protestes, der sich gegen dessen Entscheidung richtete, die diplomatischen Beziehungen mit den USA
und dem Vereinigten Königreich wiederaufzunehmen (diese beiden Staaten hatten den Putsch gegen
die vorherige iranische Regierung inszeniert) sowie gegen einen Besuch des damaligen USVizepräsidenten Richard Nixon in Teheran. Seit der Amtsenthebung des Schahs in der Islamischen
Revolution im Jahr 1979 wurde der 7. Dezember häufig von den Behörden als Gelegenheit genutzt,
ihren Rückhalt innerhalb der Studentenschaft zu demonstrieren, und von studentischen Gruppen
wiederum, ihren Klagen öffentlich Luft zu machen.
Studenten spielten eine wesentliche Rolle dabei, das autokratische westlich-gestützte Schah-Regime zu
kippen, und dabei, Ayatollah Khomeini zu unterstützen, eine neue islamische Republik mit ihm selbst
als Obersten Religionsführer zu etablieren und zu konsolidieren. Im November 1979 drangen
studentische Aktivisten, die loyal gegenüber Ayatollah Khomeini waren, in die US-Botschaft in Teheran
ein und übernahmen die Kontrolle: der Zündfunke für den Fall der postrevolutionären
Übergangsregierung und den Beginn des 444-tägigen US-Geiseldramas. Vor der Revolution hatten
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linke, nationale und religiöse Parteien jeweils ihre eigenen studentischen Gruppen begründet. Darunter
war auch die Muslimische Studentengesellschaft, die zur Volksmujahedin-Organisation im Iran
(People´s Mojahedin Organization of Iran, PMOI) gehörte und eine große Anhängerschaft gefunden
hatte. Diese ermöglichte, die Wahlen 1979 zu gewinnen und so die studentischen Koordinationsräte
vieler Universitäten zu kontrollieren. Die Zeitspanne der politischen Umwälzung, die unmittelbar auf
die Absetzung des Schahs folgte, war von einer Lockerung der Restriktionen der Meinungsfreiheit sowie
der Versammlungsfreiheit geprägt, die vorher von der Geheimpolizei so brutal aufgezwungen worden
waren; doch das war nur von kurzer Dauer. In der politischen Erregung, die die Revolution mit sich
brachte, wurden Studentenorganisationen schnell zu Partisanen in einem immer bitter werdenden
Machtkampf zwischen säkularen und linkspolitischen Parteien und den religiösen Gruppen, die hinter
Ayatollah Khomeini und den mächtigen ihn unterstützenden Geistlichen standen. Im September 1979
bildeten Studenten der Universität Teheran, nachdem sie Ayatollah Khomeini getroffen hatten, die
„Union of Islamic Students Associations of Universities Nationwide – Office for the Consolidation of
Unity“ (ISA-OCU) als eine Dachorganisation, die islamische Studentenorganisationen (ISA) im ganzen
Land miteinander verbinden sollte, welche, gestützt von der neuen Regierung, bald dominierend in der
nationalen Studentenbewegung wurde.
Während sie ihre Macht festigten, wurden für die neuen Behörden der Islamischen Republik säkulare
und linkspolitische Organisationen sowie deren studentische Unterstützergruppen zur Zielscheibe. Sie
schwächten sie und reduzierten ihre Präsenz und ihren Einfluss an den Universitäten des Landes
drastisch. Ayatollah Khomeini nutzte daraufhin den Aufstieg der islamischen Studentenorganisationen
(ISA) im ganzen Land, indem er die Kulturrevolution mit ihrer aktiven Unterstützung in Gang setzte. In
einer Rede im April 1980 suchte er sich speziell die Universität Teheran, die prestigeträchtigste
Universität im Iran, für Kritik an der dort gepflegten Säkularität und ihrer westlichen Orientierung
heraus. Er forderte, dass die Universität „islamisiert werden“ sollte, um sicherzustellen, dass das
Wissen, welches in ihren Wänden erworben wurde, zugunsten des Irans verwendet würde und um
„seine Unabhängigkeit vom Westen und vom Osten zu erreichen“. Seine Rede hatte, wie erwartet,
sofortige Konsequenzen. Am nächsten Tag verkündete die Regierung, alle Universitäten im Iran würden
für eine Dauer von 30 Monaten geschlossen, sobald die bevorstehenden Examina abgelegt worden
seien, und die Dauer der Schließung werde genutzt, um die Universitäten von Grund auf zu reformieren
auf der Basis islamischer Prinzipien, wie sie von Ayatollah Khomeini und anderen Shi´a-Geistlichen
vertreten wurden.
Mit der Schließung der Universitäten und anderer Institutionen höherer Bildung wurde ein
siebenköpfiges Hauptquartier der Kulturrevolution ernannt, um den Reformprozess zu leiten und zu
beaufsichtigen und seine Vereinbarkeit mit islamischen Lehren sicherzustellen. Es wurde 1984 durch
den Obersten Rat der Kulturrevolution („Supreme Council of the Cultural Revolution“ – SCCR)
abgelöst, eine größere Einrichtung, die bis heute großen Einfluss hat und offiziell auf die höhere
Bildung einwirkt, obwohl sie keine im Gesetz festgeschriebene Macht besitzt.
Die Wiedereröffnung der Universitäten nach der Zwangsschließung und der „Reform“ wurde von einem
massiven Einbruch der Studentenzahlen begleitet – von 174.217 im Studienjahr 1979-80, unmittelbar
vor der Schließung, auf 117.148 im Jahr 1982-83, im ersten Studienjahr nach der Wiedereröffnung.
Gegen Ende der Kulturrevolution hatten die Behörden die Macht säkularer und linker Organisationen
effektiv gebrochen; einschließlich deren Studentenflügeln. Sie hatten die Kontrolle über die
Studentenbewegung im Ganzen wieder gewonnen und deren Loyalität und Unterwerfung unter die
Regierung sichergestellt, insbesondere unter Ayatollah Khomeini. Dies blieb so bis zu dessen Tod
1989. Dies umfasste auch die Zeit des Iran-Irak-Kriegs (September 1980 – August 1988), während
dem sich Tausende Studenten freiwillig für den Militärdienst meldeten. Viele wurden getötet oder
erlitten schwere Verletzungen während der Kämpfe gegen die Truppen des irakischen Machthabers
Saddam Hussain.
Es gab viele Herausforderungen beim Wiederaufbau in der Zeit nach dem Krieg, sobald der Frieden mit
dem Irak und anderen Kräften ausgehandelt war. Erst nachdem eine neue Studentengeneration, die in
der Islamischen Republik aufgewachsen war, in den 1990er Jahren in Erscheinung trat, erlangten
Studentenorganisationen erneut Bedeutung in der nationalen Politik und begannen eine
Herausforderung für die Behörden darzustellen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die ISA-OCU viel von ihrem
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Einfluss verloren. Am Boden zerstört hatte sie sich in verschiedene Fraktionen zersplittert, die im
Wesentlichen den Hauptrichtungen – konservativ und reformatorisch – zugeneigt waren, die in Irans
regierender politisch-geistlicher Elite entstanden waren. Viele aus der neuen Generation der
studentischen Aktivisten fühlten sich zu den Ansichten hingezogen, die von den Reformern vertreten
wurden, unter denen ehemalige Leiter der islamischen Studentenorganisationen waren. Sie traten nun
als Anwälte größerer, wenngleich beschränkter, politischer und sozialer Liberalisierung auf, seitdem sie
in gute Positionen in der Verwaltung oder im erweiterten politischen Establishment gelangt waren.
DIE ÄRA VON MOHAMMAD KHATAMI, 1997 – 2005
Der Umschwung zur beschränkten Liberalisierung spiegelte sich wider in der Entscheidung der OCU,
den geistlichen Reformer Mohammad Khatami in seiner erfolgreichen Kampagne für die
Präsidentschaft im Jahre 1997 zu unterstützen. Trotz seiner reformerischen Bekenntnisse waren
Präsident Khatamis erste Jahre im Amt begleitet von einem stetigen Anstieg der Spannungen zwischen
den regierenden Behörden und ihrer Kritik an der Studentenbewegung. Dies gipfelte im Juli 1999
darin, dass die Behörden die Schließung von „Salam“ anordneten, einer reformorientierten Zeitung,
unter deren Redakteuren ehemalige Leiter von Studentenbewegungen waren. Daraufhin begannen die
Studierenden der Universität Teheran einen friedlichen Protest. Dieser jedoch führte zu einer
gewaltsamen Razzia der Regierung, während der die Polizei, unterstützt von paramilitärischen Kräften,
einen brutalen Angriff auf die studentischen Schlafsäle unternahm, bei dem mindestens ein Student
ums Leben kam und andere verletzt wurden. Die Gewalt entzündete weitere studentische Proteste,
welche die Behörden mit der Festnahme Hunderter studentischer Aktivisten zerschlugen. Einige
wurden auch gefoltert. Viele wurden Staatssicherheitsdelikten oder Vergehen gegen die öffentliche
Ordnung beschuldigt und in unfairen Prozessen zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Vier Jahre später, während Präsident Khatamis zweiter Amtszeit, begannen erneute Unruhen an den
Universitäten im Iran. Diese entstanden nach Gerüchten im Juni 2003, die Regierung plane, die
Universitäten zu privatisieren und die Studiengebühren zu erhöhen. Wieder einmal war die Antwort der
Behörden auf die Proteste brutal und kompromisslos. Die Sicherheitskräfte unterdrückten die Proteste
mit einer Kombination aus übersteigerter Gewalt, einschließlich gewaltsamer Attacken auf studentische
Schlafsäle, Massenverhaftungen und übler Behandlung der Protestler – im Evin-Gefängnis in Teheran
sollen revolutionäre Garden inhaftierte Studentinnen sexuell missbraucht haben.
Weitere Auseinandersetzungen traten in der Studentenbewegung im Jahr 2004 auf, die den
andauernden Kampf um politischen Aufstieg zwischen politisch Konservativen und Reformern
widerspiegelten. Auf der einen Seite verkündete die dominierende Interessengruppe in der OCU offen,
ein Anwalt internationaler Menschenrechte zu sein, und riefen die Regierung dazu auf, sich den
Prinzipien der Universellen Erklärung der Menschenrechte anzuschließen; auf der anderen Seite
kündigte die ISA der Universität Teheran an, sie habe sieben Zweige in verschiedenen Fakultäten
wegen der offen erkennbaren säkularen Orientierung aufgelöst.
Zum Ende von Präsident Khatamis zweiter Amtszeit im Jahr 2005 hatte sich die Studentenbewegung
in ein Netz von Gruppen und Vereinigungen zerlegt, die unterschiedliche Standpunkte vertraten. Einige
produzierten universitäre Nachrichtenblätter, um ihre Existenz bekannt zu machen und ihre Ansichten
zu verbreiten, was die entspanntere Atmosphäre nach der Aufweichung der Restriktionen unter
Khatamis Verwaltung widerspiegelte.
All dies änderte sich jedoch, als ein neuer Präsident, Mahmoud Ahmadinejad, Präsident Khatami 2005
ersetzte, nachdem er an die Macht kam in einer Wahl, in der er beide seiner wesentlichen
reformerischen Gegenspieler, Mostafa Moín und Mehdi Karroubi, sowie den ehemaligen Präsidenten Ali
Akbar Hashemi Rafsanjani ausgeschaltet hatte.
12
3. DAS SYSTEM DER HÖHEREN BILDUNG IM IRAN
„Öffentliche Einrichtungen wie Büchereien, Schlafsäle und Mensen müssen für
männliche und weibliche Studenten getrennt sein oder [je nach Geschlecht] zu
unterschiedlichen Zeiten genutzt werden.“
Artikel 11 der Resolution 121 des Obersten Rates für die Kulturelle Revolution
Die Verfassung der Islamischen Republik Iran überträgt der Regierung „die Pflicht, alle ihre Mittel“ zur
Verfolgung gewisser Ziele einzusetzen. Dazu gehört auch die Bereitstellung „kostenfreier Bildungs- und
Sportangebote für jeden auf jedem Niveau sowie die Erleichterung und Ausweitung der
Hochschulbildung“. In Artikel 30 heißt es: „Die Regierung ist gehalten, kostenfreien Zugang zu
Bildungseinrichtungen bis zum Ende der Sekundarstufe sicherzustellen und kostenfreie
Hochschulbildung auszubauen, um den Eigenbedarf des Landes zu decken.“
Artikel 20 legt fest, alle Bürger des Iran alle Rechte gleichermaßen genießen sollen, und zwar „in
Übereinstimmung mit den Regeln des Islams“. Dieser Satz ist allerdings weder in der Verfassung noch
in einem Gesetz näher definiert und bietet den Behörden so in der alltäglichen Praxis die Möglichkeit,
Diskriminierung von Minderheiten zu rechtfertigen. Dies steht im Widerspruch zu den Verpflichtungen,
die der Iran als Unterzeichnerstaat der Internationalen Konvention über bürgerliche und politische
Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR) und der Internationalen
Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic,
Social and Cultural Rights, ICSECR) eingegangen ist. Diese grundlegenden internationalen
Menschenrechtsverträge verbieten jegliche Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht, Sprache
oder Religion, nationaler oder sozialer Herkunft sowie von politischen oder anderen Überzeugungen.
HOCHSCHULBILDUNG
Die gesamte Gesetzgebung zu allen Bereichen der Bildung wird geleitet vom Obersten Rat der
Kulturrevolution (SCCR, Supreme Council of the Cultural Revolution). Diese Einrichtung ersetzte im
Dezember 1984 das „Hauptquartier für die Kulturrevolution“ und übernahm dessen Rolle bei der
Überwachung der Universitäten und deren Lehrinhalte. Der SCCR hat seinen Sitz in Qom und seine 41
Mitglieder werden direkt vom Obersten Führer ernannt. Offiziell hat der SCCR keine gesetzgeberische
Gewalt, aber seine Anweisungen werden von den iranischen Behörden so umgesetzt als hätten sie
Gesetzeskraft. Im Februar 1985 erließ Ayatollah Khomeini ein Dekret, das die Entscheidungen des
SCCR als bindend einstufte. Der SCCR selbst bestätigte in einer von ihm angenommenen Resolution
im Oktober 1997 noch einmal, dass alle seine Erlasse Gesetzeskraft haben.
Der Präsident des Iran ist kraft seines Amtes auch Vorsitzender des SCCR. Weitere Mitglieder qua Amt
sind die Minister für Justiz, für Wissenschaft, Forschung und Technologie, der Minister für Bildung,
Kultur und islamische Führung sowie der Minister für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Nach
seiner Wahl im Jahre 2005 begann Präsident Ahmadinejad, persönlich die Sitzungen des SCCR zu
leiten, und hatte somit direkten Einfluss auf seine Entscheidungen. Präsident Rouhani löste ihn als
Vorsitzenden im August 2013 ab, aber es ist bis jetzt unklar, welchen Einfluss, falls überhaupt, dies
auf die Entscheidungen des SCCR hat.
Über all die Jahre war der SCCR eine höchst konservative Körperschaft. Er hat viele Änderungen der
Lehrpläne veranlasst, um Bildung und Lehre in Übereinstimmung mit dem zu bringen, was er als wahre
islamische Prinzipien und Glaubensinhalte ansieht. Mitte der 1980er Jahre veranlasste er z. B., dass
Lehrveranstaltungen in Logik und Ökonomie nicht weiterhin Teil der allgemeinen Lehrpläne sein sollen
und dass Studienanfänger die Geschichte des Islam, islamische Erziehung und Ethik und die
islamischen Texte studieren sollten. 2004 wies der SCCP an, dass für Studenten im Grundstudium die
13
12 Bestandteile der islamischen Kultur Lehrstoff sein sollten, darunter islamisches Denken, islamische
Ethik, islamische Revolution (einschließlich der politischen Ideen von Ayatollah Khomeini), wie auch
islamische Geschichte und Kultur.
1998 legte der SCCR die „Grundlagen, die die islamische Universität leiten sollen“, fest.
„Monotheistische Erkenntnis“, „Geistlichkeit“ und „Ethik“ sollten insgesamt die Lehre an den
Universitäten lenken. Zwei Jahre später, nach den großen Studentendemonstrationen von 1999, stellte
der vom SCCR eingerichtete „Rat für die Islamisierung der Universitäten und Bildungszentren“ eine
Reihe von Forderungen auf für „die Umsetzung einer Politik der Islamisierung an den
Bildungszentren“, die auf den Prinzipien des SCCR beruhen sollten. Zusammen mit diesem Papier
entwickelte „Aktionspläne“ sollten den „islamischen Glauben unter den Studenten“ und ebenso die
Anwerbung und Auswahl von „verdienten und frommen Professoren“ für die Universitäten fördern. Die
Lehrkräfte sollten Anhänger der „Grundsätze und Ideale“ der Islamischen Republik sein und dafür
sorgen, dass die Universitäten gemäß den Prinzipien des SCCR für die Führung der Universitäten
geleitet würden. Die „strategischen Richtlinien“ forderten ebenfalls, „in den Bildungszentren die
Sittsamkeit“ einzuhalten. So sollten die Behörden in der Lage sein, die Beziehungen zwischen
männlichen und weiblichen Studenten zu ordnen, um so eine „Vermischung“ der Geschlechter zu
verhindern oder zu mindern. Sie sollten auch die Lehrpläne überprüfen und Lehrbücher auf der
Grundlage des Islam, seines Glaubens und seiner Grundsätze erstellen, besonders für Studiengänge der
Geisteswissenschaften.
Der höhere Bildungssektor im Iran umfasst vier verschiedene Arten von Bildungseinrichtungen:
Universitäten (einschließlich der staatlichen, privaten und Fernuniversitäten), Einrichtungen zur
Lehrerausbildung, Hochschulen und technische Universitäten. Das Wissenschaftsministerium (früher
Ministerium für Kultur und höhere Bildung) ist für die mehr als 50 staatlichen Universitäten zuständig.
Die mehr als 40 staatlichen medizinischen Hochschulen werden vom Ministerium für Gesundheit und
medizinische Ausbildung verwaltet und kontrolliert.
2008 sollen etwa 1,8 Millionen Studenten die staatlichen Universitäten besucht haben, weitere 1,5
Millionen waren an der „Freien Islamischen Universität“ (Islamic Azad University) eingeschrieben,
einer 1982 gegründeten Privatuniversität mit Unterstützung des jetzigen Obersten Führers, Ayatollah
Khamenei, und anderen führenden Geistlichen und Politikern. Ansässig in Teheran, ist diese
Universität mit Hunderten von Instituten im Iran, aber auch im Ausland, verbreitet. Sie ist mit dem
SCCR verbunden und ihre Diplome sind vom Wissenschaftsministerium anerkannt. Ehemals
unabhängig und autonom von den staatlichen Einrichtungen höherer Bildung, kam die Islamic Azad
Universität unter Präsident Ahmadinejad unter die effektive Kontrolle der Regierung. 2011 berief die
Regierung die führenden Akademiker der Universität selbst und verstärkte ihre Verbindung zu der
Payam-e Noor Universität, die 1986 unter der Schirmherrschaft des SCCR gegründet wurde. Auch
diese Universität hat ihren Hauptsitz in Teheran, unterhält aber noch zahlreiche regionale
Studienzentren. Sie wird vom Wissenschaftsminister kontrolliert und bildet etwa 1 Million Studierende
im Fernstudium aus.
ZULASSUNG DER STUDIERENDEN
Studierende werden an der Universität zugelassen, wenn sie die jährliche Eingangsprüfung bestanden
haben. Die bestandene Prüfung berechtigt zum Studium an einer staatlichen Universität, einer
medizinischen Hochschule oder an der Islamic Azad Universität. Die Gesamtzahl der Studierenden
kann nicht exakt eingeschätzt werden, sie beträgt mehrere Millionen. Nach einer Regierungsquelle soll
es etwa 4.460.000 StudentInnen im Studienjahr 2011-2012 gegeben haben, davon studierten
1.576.000 an der Islamischen Azad-Universität.
Dieselbe Quelle berichtete, es gebe mehr als 66.000 MitarbeiterInnen an den Universitäten, ohne die
der Exekutivorgane. Von diesen 66.000 Lehrkräften waren mehr als 30.000 an der Islamischen AzadUniversität beschäftigt, mehr als 18.000 beim Wissenschaftsministerium und mehr als 12.000 beim
Ministerium für Gesundheit und medizinische Erziehung. Die restlichen waren Mitarbeiter an der
Payam-e Noor-Universität und an privaten Anstalten.
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1985 führte der SCCR Kriterien ein, die den Zugang der Studierenden zu den Universitäten betrafen.
Diese fordern von den Studienaspiranten, „treu zum Islam“ oder einer „anderen heiligen Religion“ zu
stehen, das bedeutet, zu einer der drei offiziell anerkannten Religionen (Christen, Juden und
Zoroastrier). Diese Kriterien schließen automatisch Anhänger von Religionen aus, die nicht von der
iranischen Verfassung anerkannt sind, insbesondere die Baha’i. Die Kriterien fordern weiterhin, dass
die NeuzugängerInnen nicht mit politischen oder militärischen Mitteln gegen die Islamische Republik
Iran gekämpft haben und nicht durch unsittliches Verhalten aufgefallen sein dürfen. Zur Überprüfung
dieser Kriterien sind drei Körperschaften verantwortlich: das Bildungsministerium, das für Grund- und
Sekundarschulen zuständig ist, die Staatsanwaltschaft und das Geheimdienstministerium. Sie führen
Nachforschungen durch, um herauszufinden, ob die Studienwilligen den geforderten Kriterien
entsprechen.
Die Kriterien des SCCR geben den Studierenden, die sich um ein Aufbaustudium oder um ein
medizinisches Praxissemester bewerben, Vorrang, wenn sie als „treu“ zum Islam und zur Islamischen
Republik, der iranischen Verfassung und der velayat-e faqih (Herrschaft der religiösen Gelehrten)
beurteilt wurden. Vorrang haben auch die, die sich Verdienste um die Revolution vor 1979 oder bei der
Verteidigung des Landes im Iran-Irak-Krieg erworben haben.
REGELN UND DISZIPLIN
Über die Jahre hat der SCCR eine Reihe von Verordnungen erlassen, die sich mit dem Verhalten, dem
Benehmen, der Kleidung, der Moral und dem Glauben von Dozenten und Studierenden befassten. Er
festigte das durch ein System disziplinarischer Kontrolle und Bestrafung, das von Sicherheitskräften an
der Universität überwacht wurde und direkt dem Geheimdienstministerium unterstand.
1985 erließ der SCCR eine Verordnung, nach der alle BewerberInnen für eine Dozentenstelle loyal zur
Islamischen Republik und der Verfassung stehen müssen. Sie sollen nicht wegen „effektiver Aktivitäten
zur Unterstützung des früheren Regimes“ des Schah aufgefallen sein, ebenso nicht wegen „Feindschaft
gegen Gott“ oder „Unterstützung feindlicher Splittergruppen“ und nicht wegen „Ausschweifungen“
oder „unmoralischen Verhaltens oder Handlungen“. Von den BewerberInnen für eine Dozentenstelle
wurde weiterhin „loyales Verhalten gegenüber den islamischen Grundsätzen“ verlangt, es sei denn, sie
gehörten den von der Verfassung anerkannten religiösen Minderheiten an und hatten nicht öffentlich
gegen islamische Anforderungen verstoßen.
In einem Erlass von 1987 führte der SCCR Regeln für die Trennung von Männern und Frauen an den
Universitäten ein. Regeln bestanden schon mindestens seit der Wiedereröffnung der Universitäten nach
der Kulturrevolution. Sie beschrieben auch, wie sich Frauen kleiden sollten. Die Regeln des SCCR
forderten praktisch eine totale Trennung von männlichen und weiblichen Studenten. So forderten sie
getrennte Sitzplätze, wenn möglich Besuch getrennter Vorlesungen, getrennte Labore, getrennte
Seminare, Computerräume, Büchereien, Leseräume und andere Einrichtungen, das Essen in getrennten
Kantinen und die getrennte Benutzung von Sportstätten. In den Kliniken der Medizinschulen sollte es
getrennte Trakte für Männer und Frauen geben und auch in den Operationssälen sollten Männer und
Frauen getrennt bleiben. Um die Geschlechter zu trennen, sollten getrennte Flure und Anschlagtafeln
eingeführt werden. Männliche Dozenten sollten nur noch Sekretäre beschäftigen. Alle Frauen an der
Universität sollten islamische Kleidung tragen und „enge und grelle Kleidung meiden, ebenso
Schminke und übertriebene Moden“. Auch die Studenten und andere Anwesende sollten keine „grelle
Kleidung“ tragen.
Als Ahmadinejad fast zwei Jahrzehnte später 2005 Präsident wurde, erließ der SCCR seine Strategie
zur Förderung der Kultur des Anstandes und der Sittlichkeit, die 46 Artikel enthält und u.a. die
Befolgung der Kopf- und Ganzkörperbedeckung fordert und ebenso die Entwicklung und die
Verwendung anderer eindeutig „islamischer und iranischer“ Kleidung.
Nach der Darlegung seiner „Strategien“ setzte der SCCR ein „Komitee zur Förderung der Kultur der
Tugendhaftigkeit“ ein, das neue Regeln durchsetzen sollte. Diesem mächtigen Gremium gehören
Vertreter von 26 Ministerien und Organisationen an, geführt vom Minister für Kultur und islamische
Führung und seinem Stellvertreter, dem Direktor der Organisation für islamische Propaganda. Es wurde
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mit der Entwicklung von Plänen beauftragt, die die Strategien für „Anstand und Sittlichkeit“
verwirklichen sollten. Bisher wurde nur wenig über die Arbeit dieses Komitees bekannt. 2011 wurde
jedoch von Beschwerden berichtet, es herrsche unter den Ministerien und staatlichen Organisationen
ein „Mangel an ernsthafter Entschlossenheit“ zur Förderung des „Hejab“, der islamischen
Kleiderordnung.
Im Januar 2006 veröffentlichte der Kulturrat des Iran, der unter der Aufsicht des SCCR steht, eine
Zusammenstellung der „Richtlinien und Durchführungsbestimmungen zur Förderung der Kultur der
Tugend und des Hejab“. Diese Veröffentlichung gibt detaillierte Anleitungen zum Tragen des Schleiers
und anderer Symbole der „Tugendhaftigkeit“ bei Frauen zur Verwendung in Ministerien, Justiz, Polizei,
Parlament, örtlichen Behörden, Medien und anderen.
MECHANISMEN DER UNTERDRÜCKUNG
Studierende erfahren Unterdrückung und Misshandlung von vielen Seiten, wobei die Täter entweder
offiziell oder inoffiziell mit der Regierung in Verbindung stehen. In Übereinstimmung mit Beschlüssen
des SCCR haben die Universitäten und Hochschulen Disziplinarausschüsse, deren Aufgabe es ist, die
Beachtung der Regeln u.a. hinsichtlich Trennung der Geschlechter, Kleidung, Betragen, die Beachtung
islamischer Prinzipien durch die Studierenden sicherzustellen. Sie bestrafen Studierende, die diese
Regeln verletzt haben sollen. Abgesehen von „normalen“ Straftaten wie Diebstahl oder
Urkundenfälschung werden Studierende bestraft, falls sie eine Gruppierung unterstützen, die von den
Behörden als atheistisch oder „feindlich gegen Gott“ eingestuft wird, falls sie verdächtigt werden, die
islamische Lehre beleidigt zu haben, in Opposition zum Staat zu stehen oder die Kleiderordnung nicht
eingehalten zu haben, unerlaubte Beziehungen zu unterhalten oder unsittliche Handlungen begangen
zu haben. Verdächtigte oder angeklagte Studenten werden oft von den staatlichen Behörden inhaftiert,
aber auch von den Disziplinarausschüssen der Hochschulen bestraft. Es gibt eine Vielfalt von
Sanktionen: sie reichen von mündlichen bis schriftlichen Verwarnungen bis hin zu Bestrafungen. Wenn
diese vom zentralen Disziplinarausschuss des Wissenschaftsministeriums ausgesprochen werden, kann
das Ausschluss von der Universität bis zu vier Semestern bedeuten oder auch völliges Studierverbot an
allen Universitäten des Landes für fünf Jahre. Die Entscheidung des Komitees ist endgültig, gemäß
einem Beschluss des SCCR, der verhindert, dass Studenten vor Gericht Klage gegen die Entscheidung
einreichen können.
Jede Universität hat eine Sicherheitsabteilung (Herasat), die dem Geheimdienstministerium unterstellt
ist. Dieses soll die Studierenden und Dozenten überwachen und die Einhaltung der Regeln und der
Disziplin durchsetzen. Wenn Studierende sich zusammenschließen oder an der Universität Aktivitäten
entfalten wollen, brauchen sie zuerst eine Erlaubnis von der Sicherheitsabteilung. Der Oberste Führer
übt über einen von ihm beauftragten Vertreter seine Macht aus. Der Beauftragte hat eine einflussreiche
Stellung gegenüber der Leitung der Universität, denn er ist auch in die Berufung oder Entlassung eines
Dekans der Schule oder einer Abteilung einzubinden.
Die Basiji unter den Studenten sind eine paramilitärische Macht, die weitgehend niemandem
Rechenschaft schuldig ist. Sie agieren unter dem Kommando der Revolutionsgarden und sind an den
Universitäten präsent, wo sie als zusätzlicher Arm der staatlichen Unterdrückung handeln und schon
oft andere Studierende angegriffen haben oder Zusammenstöße mit ihnen hatten. Viele StudentInnen
behaupten, dass die Behörden an der Universität Mitglieder der Basiji vorzugsweise aufnehmen, ohne
dass diese die Aufnahmeprüfungen durchlaufen hätten.
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4. DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GESCHLECHTS ODER
DER RELIGION
"Als ich zum Büro für Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments ging, um meinen
(Beschwerde-)Brief einzureichen, legte der Mann, der dort saß, seinen Finger auf das
Wort Baha'i in meinem Brief und sagte: 'Das ist Ihr Problem'. Er hatte sogar Angst,
das Wort laut auszusprechen."
Baha'i-Student in einem Interview über Skype, Name aus Gründen seiner Sicherheit nicht veröffentlicht
Trotz verfassungsmäßig garantierter Gleichberechtigung ist Diskriminierung aufgrund Geschlecht,
sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität, ethnischer Zugehörigkeit und Religion im Iran weit
verbreitet. Angehörige von Minderheiten sind diskriminierenden Gesetzen und Praktiken unterworfen:
sie haben eingeschränkten Zugang zu Grundbedürfnissen wie Wohnung, Wasser und sanitären Anlagen,
Land und Besitz werden beschlagnahmt, sie sind durch diskriminierende Kriterien von Beschäftigung
im Staatsdienst ausgeschlossen, und ihre wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und sprachlichen
Rechte sind eingeschränkt.
Ethnische Minderheiten wie Araber, Aserbaidschaner, Belutschen und Kurden, die sich aktiv um mehr
Anerkennung ihrer kulturellen und politischen Rechte bemüht haben, sind schon lange staatlicher
Unterdrückung ausgesetzt. Ihre Aktivitäten sind den iranischen Behörden verdächtig, und sie
beschuldigen sie oft, die staatliche Sicherheit zu gefährden, und belegen sie mit Anklagen wie der
Zugehörigkeit zu bewaffneten Oppositionsgruppen. Die meisten Provinzen mit einem großen Anteil
ethnischer Minderheiten wie z.B. Sistan-Baluchistan liegen in Grenzgebieten und gehören zu Irans
ärmsten und am wenigsten entwickelten Gegenden. Nur ein geringer Teil der Erwachsenen kann dort
lesen und schreiben und wenige Kinder besuchen die Grundschule und haben daher kaum Zugang zu
höherer Bildung. Parallel zu solch durchgängiger Diskriminierung ethnischer Minderheiten haben die
iranischen Behörden systematisch aus Gründen des Geschlechts und der Religion den Zugang zu
universitärer Bildung eingeschränkt.
DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GESCHLECHTS
Von 1989 bis hin zu Mahmoud Ahmadinejads Wahl zum Präsidenten 2005 nahm die Zahl von Frauen
und Mädchen, die eine Hochschulausbildung begannen, erheblich zu. Dies war umso bemerkenswerter
im Hinblick auf ihre starke Diskriminierung sowohl im Gesetz als auch in der Praxis. Sogar heute sind
Frauen von nahezu allen Führungspositionen im Staat ausgeschlossen, sowohl in der Exekutive als auch
in der Justiz, und nur 9 von 230 Sitzen im Parlament nehmen Frauen ein. Außerdem wurde noch nie
eine Frau zum Mitglied des Wächterrats ernannt oder gewählt, einem mächtigen Gremium von 12
Personen, dessen Hauptaufgabe ist, die Verfassung auszulegen, die Vereinbarkeit von Gesetzen mit der
Verfassung und islamischem Recht zu prüfen und Kandidaten für die Präsidentschaft und andere
Wahlen zuzulassen oder abzulehnen. Auch der Schlichtungsrat, der von Ayatollah Khomeini geschaffen
wurde, um Streitigkeiten zwischen dem Wächterrat und dem Parlament zu lösen, hat noch nie eine
Frau als Mitglied aufgenommen. Zu Präsidentschaftswahlen wurde auch noch nie eine Frau als
Kandidatin zugelassen.
Frauen werden per Gesetz erheblich diskriminiert. Das Bürgerliche Gesetzbuch versagt ihnen
Gleichberechtigung mit den Männern bezüglich der Familie, so z.B. bei Eheschließung, Scheidung,
Sorgerecht und Erbrecht. Das überarbeitete Strafrecht, das von Präsident Ahmadinejad gegen Ende
seiner zweiten Amtszeit 2013 ratifiziert wurde, weist Frauen gleichfalls einen geringeren Status als
Männern zu. Zum Beispiel weist es Gerichte an, der Zeugenaussage einer Frau in Gerichtsverfahren nur
halb so viel Bedeutung wie der eines Mannes zuzumessen, und setzt die Höhe des "Blutgeldes" als
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Entschädigung für die Herbeiführung des Todes einer Frau auf die Hälfte der Summe für einen Mann
fest. Das Strafgesetzbuch setzt das Alter für Strafmündigkeit für Mädchen auf 9 Jahre fest, während es
für Jungen 14 Jahre beträgt. Das Gesetz kennt keine Strafe für Vergewaltigung in der Ehe, da
uneingeschränkter Zugang zu Sexualität als Recht des Ehemanns angesehen wird. Einvernehmliche
sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe bleiben strafbar; Ehebruch von Verheirateten zieht die
Todesstrafe durch Steinigung nach sich, eine Bestrafung, die unverhältnismäßig oft Frauen trifft.
Anfänglich behinderte die Kulturrevolution den Zugang von Frauen zu höherer Bildung. Das
Hauptquartier der Kulturrevolution verhängte "Einschränkungen und Verbote", die die Zahl weiblicher
Studierender verringerten: sie verweigerten ihnen "das Recht, 91 von insgesamt 169 Studienfächern zu
belegen, von denen die meisten im Bereich Technologie und Ingenieurwesen waren." Es gab auch neue
Begrenzungen der Zahl von Frauen, die Landwirtschaft, Tiermedizin und Naturwissenschaften studieren
durften, "ihr Anteil wurde auf 10-20 Prozent begrenzt."
1989 jedoch beschloss der Oberste Rat der Kulturrevolution (SCCR), die Zugangsbeschränkungen für
Frauen für einige Fächer aufzuheben. Er beschloss eine Quotenregelung, wonach Frauen 20% der
Studierenden in Laborwissenschaften, Umwelthygiene und Pharmakologie ausmachen durften, von
denen sie bislang ausgeschlossen waren. Gleichzeitig wurden andere Quoten zur Beschränkung der
Zahl weiblicher Studenten in der Krankenpflege, Zahnmedizin und Geburtshilfe abgeschafft. Außerdem
beschloss der SCCR, dass weibliche Studierende zu folgenden Ausbildungsgängen zugelassen werden
sollten: alle Lehrerausbildungsgänge außer denen für technische Fächer, alle naturwissenschaftlichen
Fächer außer Geologie und alle Kunst- und Geisteswissenschaften außer Jura, Theologie und
Islamkunde. 15% der Plätze für Doktoranden in Tiermedizin wurden Frauen zugestanden.
Bis zur Zeit dieses Wandels war der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Studierenden schon
wieder gestiegen, nach dem Rückgang, der der Kulturrevolution folgte. Die Aufwärtsbewegung setzte
sich bis in das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts fort. 1986 waren nur 29,2 % der Studierenden
weiblich, aber 1996 war die Zahl schon auf 36 % gestiegen und 6 Jahre später, 2002 stellten Frauen
über 50% der Gesamtzahl. Der Anteil stieg weiter und erreichte einen Höhepunkt von fast 59%, bevor
er 2008 wieder auf 51% sank. Als dieser Anstieg des Frauenanteils bei den Studierenden
offensichtlich wurde, wurde er mehr und mehr durch einflussreiche religiöse und politische Führer in
Frage gestellt - sie beurteilten ihn als "Widerspruch zur Rolle der Frauen als Mütter und Ehefrauen".
Einige waren der Meinung, dass er zum ihrer Meinung nach beunruhigenden Rückgang der nationalen
Geburtenrate beitrage, andere stellten heraus, dass viele Frauen nach dem Universitätsabschluss
heirateten und ein Familienleben begännen, statt die durch die Universitätsausbildung erworbenen
Qualifikationen und Kenntnisse in einer Beschäftigung zu nutzen. Noch andere führten die hohe
Arbeitslosenrate von Männern auf die hohe Zahl weiblicher Studenten und Absolventen zurück, die sich
auf "für Männer geeignete" Fächer spezialisierten. Obwohl die ersten Maßnahmen zur Verringerung
weiblicher Studierender während der letzten Jahre unter Präsident Khatami ergriffen wurden, wurde der
größte Druck in dieser Hinsicht spürbar, nachdem Ahmadinejad 2005 zum Präsidenten gewählt worden
war. Die Behörden führten dann eine Reihe von Maßnahmen ein, die offensichtlich viele Mädchen von
höherer Bildung abschrecken sollten, um so den Anteil weiblicher Studierender zu verringern.
Diese Maßnahmen beinhalteten neue Regeln für die Geschlechtertrennung und ihre Durchsetzung auf
dem Campus und ein auf Geschlecht gegründetes Quotensystem, das dazu diente, weibliche
Studierende entweder ganz von einigen Studiengängen auszuschließen, die so für männliche Studenten
reserviert waren, oder die Zahl von Studentinnen zu begrenzen, die sich für einen Studiengang
einschreiben wollten. Dieser Prozess intensivierte sich während Ahmadinejads Amtszeit, und
konservative Geistliche und andere in der Führung des Landes wandten sich gegen die wachsenden
Forderungen nach Gleichberechtigung und dem Ende der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts,
die von iranischen Frauenrechtlerinnen erhoben wurden. Viele von diesen waren Studentinnen oder
Absolventinnen und wurden aus dem Ausland von der internationalen Frauenbewegung unterstützt.
Die Teilnahme vieler Frauen an den Massenprotesten gegen Präsident Ahmadinejads Wiederwahl 2009
hatte bestimmt einen tiefen Schock bei Irans alternder, konservativer und ausschließlich männlicher
geistlicher Elite und ihren mächtigen Verbündeten in der Staatssicherheit und dem Geheimdienst
ausgelöst. Es ist auch wahrscheinlich, dass ihre Besorgnis durch Fernsehbilder verschärft wurde, die
Frauen zeigten, wie sie aktiv und an der Seite von Männern an den Massenprotesten teilnahmen, die
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die eingewurzelten und höchst autokratischen Regime von Hosni Mubarak in Ägypten und Zine el
Abidine Ben Ali in Tunesien 2011 stürzten. Dies gab den Behörden wohl erneut Anlass, Maßnahmen zu
verfolgen, um Frauen am Herd zu halten und bei ihren "traditionellen" Rollen als Ehefrauen, Mütter und
Gebärende von Kindern zu belassen.
BEGRENZUNG DES ZUGANGS VON FRAUEN ZU HÖHERER BILDUNG
Anstrengungen, den Anteil weiblicher Studierender an Hochschulen zu verringern, wurden schon unter
Präsident Khatamis Regierungszeit erwogen. Im April 2003 sagte Hassan Rahimi, Vorsitzender der
Organisation zur Ausbildungsbewertung, dass es eine 50%-Grenze für den Zugang von Frauen für
einige Studienfächer geben werde, darunter Bergbau, Landwirtschaft und Medizin. Dies war von
konservativen Abgeordneten vorgeschlagen worden, die damals eine Minderheit im Parlament
darstellten. In der Folge wurde der Vorschlag durch Präsident Khatami fallen gelassen, nachdem er
einen Brief von 158 anderen Abgeordneten erhalten hatte, die die Geschlechterquote ablehnten.
Nach den Parlamentswahlen 2004 jedoch, als die Konservativen eine Mehrheit der Sitze gewannen,
und nach der Wahl von Präsident Ahmadinejad 2005 belebten die Behörden die Diskussion um die
Geschlechterquoten erneut im Zuge ihrer Anstrengungen, die Zahl weiblicher Studienanfänger zu
reduzieren. Im Februar 2006, nachdem offizielle Zahlen enthüllten, dass weibliche Studierende bis zu
62% aller Studienanfänger ausmachten, sagte der Vorsitzende des parlamentarischen Bildungs- und
Forschungsausschusses, dass sowohl das Parlament als auch der SCCR die Einführung von
Geschlechterquoten beim Zugang zum Studium in Erwägung zögen, und im folgenden Jahr begann das
Parlament mit der Beratung über einen solchen Gesetzentwurf. Einer der Hauptbefürworter, Zadali
Khalil Tahmasebi, bemerkte:
"Da Frauen nicht ohne Zustimmung ihrer Väter und Ehemänner in weit entfernte Städte reisen und dort
arbeiten können, ist ihr Fachwissen für das Land nichts nütze."
Der ständige Anstieg der Zahl von Frauen unter Studienanfängern verursachte weiterhin Unruhe in
offiziellen Kreisen. 2008 veröffentlichte das parlamentarische Forschungszentrum eine Studie, die die
Besorgnis der Behörden widerspiegelte. Die Studie behauptete, dass sie größere administrative
Probleme verursacht habe – wie die Schwierigkeit, ausreichend Schlafplätze und sanitäre
Einrichtungen für Studentinnen bereitzustellen und ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden zu
garantieren. Obwohl die Studie einige positive Folgen des Zugangs von Frauen zu Hochschulen
anerkannte (darunter bessere Finanzlage für Familien, effektivere Nutzung weiblicher Fähigkeiten und
Kenntnisse und höheres Bewusstsein ihrer Rolle), behauptete sie, dass die Zunahme weiblicher
Studierender zweifelhafte soziale und wirtschaftliche Konsequenzen mit sich gebracht habe, darunter
ein neues "Geschlechter-Verhältnis" auf dem Arbeitsmarkt. Sie listete auch sieben Gegen-Argumente
auf – zum Beispiel, dass die Zulassung von so vielen Frauen eine Verschwendung nationaler
Ressourcen und Chancen darstelle und dass sie zu höherer Arbeitslosigkeit von Männern, erhöhten
Erwartungen verheirateter Frauen und dadurch einer erhöhten Scheidungsrate beigetragen habe. Die
Studie erwähnte auch, dass sie zu einem höheren Heiratsalter von Frauen, einer Beeinträchtigung ihrer
Mutterrolle und einem generellen Anstieg moralischer Korruption geführt habe.
Die Studie warnte:
"Angesichts des aktuellen Trends werden wir, falls die zunehmende Präsenz von Mädchen und Frauen
an den Universitäten nicht ihren physischen und geistigen Voraussetzungen entspricht, das Vorkommen
von wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Unausgewogenheit zwischen Männern und Frauen erleben,
das sicherlich zerstörerische Auswirkungen auf die Familien hat."
Die Studie enthüllte, dass die Organisation zur Ausbildungsbewertung in Zusammenarbeit mit den
Ministerien für Wissenschaft und Gesundheit ein Geschlechterquoten-System für 26 Fächer 2006 und
39 Fächer 2007 eingeführt hatte; offizielle Informationen an zukünftige Studierende in jenen Jahren
hatten die Existenz dieser Quoten aber nicht erwähnt.
Was die Sache noch komplexer machte, war, dass der SCCR 2008 eine Resolution annahm, die
"wohnortspezifische Auswahlquoten" festlegte; diese begrenzte die Zahl von Studenten, die berechtigt
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waren, in von ihren Wohnungen weit entfernten Städten und Provinzen zu studieren. Auf den ersten
Blick schienen diese Einschränkungen meist Studierende – sowohl männliche als auch weibliche – zu
treffen, die außerhalb von Teheran und anderen Städten lebten, in denen die besten Universitäten zu
finden sind. Jedoch scheinen sie überproportional Frauen und Mädchen in diesen entlegenen Gebieten
getroffen zu haben, da die ihnen verfügbaren Universitäten generell kleiner und schlechter ausgestattet
wären als die in Teheran und anderen Städten und einen begrenzteren Umfang an Ausbildungsgängen
für Studentinnen anbieten.
2011 schlossen die Universitäten Studentinnen von zwei Fachrichtungen aus: Bergbau und
Agraringenieur (einschließlich Maschinenbau) – diese Kurse waren männlichen Studenten vorbehalten.
Im folgenden Jahr wurden Frauen von 77 Fächern in 36 Universitäten des ganzen Landes
ausgeschlossen. Darunter waren Fächer wie Ingenieurwesen, Buchhaltung, reine Chemie, englische
Sprache und Literatur, Politikwissenschaft, Betriebswirtschaft, öffentliche Verwaltung, englische
Übersetzung und Archäologie.
Obwohl die Universitäten nicht einheitlich vorgingen, war doch ein klarer Trend zur Begrenzung des
Zugangs von Frauen zu einigen Studienfächern erkennbar. Das Bild ist aber nicht eindeutig: einige
Universitäten nehmen weiter Studentinnen auf, die von anderen Universitäten ausgeschlossen werden.
Zum Beispiel akzeptierte die Universität Teheran 2012 Studentinnen in den Fächern Ingenieurwesen
und Naturwissenschaften, aber die Chamran-Universität in Ahvaz nicht. Ebenso weigerte sich die
Imam-Khomeini-Universität in Qazvin, Studentinnen für eine Reihe von Fächern aufzunehmen,
darunter Jura, persische Sprache und Literatur und englische Übersetzung, aber Frauen konnten für
dieselben Fächer eine Zulassung sowohl in Teheran als auch in Tabriz erhalten. Im Studienjahr 20132014 wurden Geschlechterquoten weiter angewandt, allerdings anscheinend reduziert auf weniger
Fächer. Im März 2014 kündigte das Gesundheitsministerium Pläne an, die Zahl von Frauen an
medizinische Ausbildungsstätten zu verringern. Das Ministerium argumentierte damit, dass es schwer
sei, Frauen in entlegene Gebiete zu schicken und damit die Gesundheitsversorgung dort eingeschränkt
sei.
Ein Faktor, der die Behörden dazu gebracht haben kann, die Zahl weiblicher Studierender zu
reduzieren, ist die Geburtenrate, die unter das Niveau gefallen ist, das der Oberste Führer des Landes
befürwortete, was ihn und andere dazu veranlasste, die Politik der Bevölkerungskontrolle unter früheren
Regierungen in Frage zu stellen. Im Juli 2012 rief Ayatollah Khamenei öffentlich zu einer Verdopplung
der iranischen Bevölkerung auf, von den 75,15 Millionen zur Zeit der Volkszählung 2011 auf 150 bis
200 Millionen. Im Oktober 2012 sagte er, dass es „einer unserer Fehler“ in der Mitte der 1990er Jahre
gewesen sei, die Politik der staatlichen Bevölkerungskontrolle nicht aufzugeben. 2013 bekräftigte er
sein Vorhaben, die Bevölkerungszahl des Iran auf mindestens 150 Millionen zu steigern.
2012 gab der SCCR seine „Nationalen Strategien und Aktionen zur Verhinderung des Sinkens der
Fruchtbarkeitsrate und zu seiner Förderung im Sinne islamischer Lehre und nationaler strategischer
Erfordernisse“ heraus. Darin rief er auf zur Entwicklung „eines Lebensstils, der Gesellschafts-,
Bildungs- und Beschäftigungsaktivitäten von Frauen im Einklang mit islamischen Kriterien und in
Übereinstimmung mit den Interessen der Familie zum Zweck der vollständigen Erfüllung ihrer Rolle als
Mutter und Ehefrau“. Das Papier enthielt auch politische Aussagen zur Beschäftigung und Ausbildung
von Frauen. Es forderte, dass das Bildungssystem auf die Unterstützung eines optimalen
Bevölkerungswachstums und der Fruchtbarkeit ausgerichtet sein müsse, unter anderem durch
Lehrplanänderungen und Kurse, die die Rolle und den Status der Familie und die Rolle der Frauen auf
der Grundlage der islamischen Kultur im Blick haben. Der SCCR rief auch zur Einrichtung kürzerer
Studiengänge für Studentinnen auf, die schon Mütter sind. Diese und andere verheiratete Studentinnen
sollten auch staatliche Unterstützung erhalten. Gemäß dieser SCCR-Direktive ließen Universitäten
Kurse über Bevölkerungskontrolle und Familienplanung entfallen und ersetzten sie durch Kurse in
Familienkunde zu Themen wie Ehe, Partnerschaft und Kindererziehung. Im Oktober 2013 kündigte Ali
Sangi, der Abteilungsleiter für Familiengesundheit und Irans Bevölkerung im Gesundheitsministerium,
an, dass das Ministerium keine Familienplanungskurse für Ehepaare mehr anbiete und das seine
Gesundheitseinrichtungen die Ausgabe kostenloser Schwangerschaftsverhütungsmittel 2012 beendet
habe.
20
Trotz der zunehmenden Unterdrückung und des gestiegenen Drucks auf ihre Aktivitäten in den
vergangenen Jahren haben Frauenrechtlerinnen weiterhin für ihr Recht auf Bildung gekämpft. Im März
2013 reichten 13 Studentinnen und Frauenrechtlerinnen eine Klage beim Kassationsgerichtshof gegen
das Wissenschaftsministerium, die Organisation zur Ausbildungsbewertung und 36 Universitäten
überall im Land ein. Sie argumentierten, dass die Maßnahmen durch die Bildungsbehörden im
akademischen Jahr 2012-2013, um Frauen vom Zugang zu 77 Studienrichtungen in 36 Universitäten
auszuschließen, gegen iranische Gesetze sowie Irans Verpflichtungen aus internationalen Verträgen
verstießen. Sie forderten den Kassationsgerichtshof auf, diese Maßnahmen aufzuheben und den
betroffenen Frauen Entschädigung zu gewähren, da Artikel 9 des Iranischen Bürgerlichen Gesetzbuches
feststellt, dass internationale Konventionen, denen Iran beigetreten ist, darunter die über bürgerliche
und politische Rechte, über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und die gegen
Diskriminierung im Bildungswesen, Gesetzeskraft haben.
Vertreterinnen der 13 Frauen teilen auf einer Pressekonferenz am 16. September 2013 mit, dass ihre
Klage sich nicht gegen die Zulassungen für Studierende des akademischen Jahres 2013-2014
richteten, da die Behörden die Anwendung der Geschlechterquote um 36 % verringert hätten. Jedoch
planten die Klägerinnen, ihre Klage nach der Wahl von Präsident Rouhani und der Ernennung einer
neuen Regierung erneut einzureichen, um eine Gerichtsentscheidung zu erreichen, die die künftige
Anwendung von Geschlechterquoten oder diskriminierenden Praktiken verbiete. Im November 2013
stellte der Vorsitzende des Kassationsgerichtshofs fest, dass das Gericht die Substanz der Klage noch
prüfen müsse – seitdem gab es keine Nachrichten über die weitere Entwicklung.
APARTHEID IM BILDUNGSWESEN – TRENNUNG DER GESCHLECHTER
2011 begannen die Universität Teheran und etwa 20 andere Universitäten mit einer Zulassung nach
Geschlecht für mehr als 40 Studiengänge, die sie vollständig entweder für männliche oder weibliche
Studierende reservierten. Außerdem wandten 45 Universitäten Maßnahmen an „als Teil ihrer
Bemühungen, sicher zu stellen, dass mehr männliche als weibliche Studenten vorhanden seien“. 2012
führten 60 Universitäten Geschlechtertrennung in Unterrichtsräumen ein und ergriffen weitere
Maßnahmen zur Diskriminierung, so dass eher männliche als weibliche Studierende Zugang zu einer
großen Zahl von Fächern hatten.
Insgesamt jedoch variierten diese Methoden in der Praxis und hatten gemischte Auswirkungen.
Während einige Universitäten nur männliche oder weibliche Studierende zu einigen Fächern zuließen,
ließen andere Universitäten gemischten Zugang zu ähnlichen Fächern zu oder erlaubten in einem
Semester den Zugang nur für Männer und im anderen nur für Frauen.
Frauenrechtlerinnen behaupten, dass mehr Geschlechtertrennung übermäßig diskriminierende
Auswirkungen auf Frauen habe und ihren Zugang zu höherer Bildung reduziere. In der Praxis sprechen
mehrere Faktoren gegen die volle Geschlechtertrennung auf jedem Campus im Iran, die einige religiöse
Konservative befürworten. Sie würde eine erhebliche Erhöhung oder Umwidmung der
Ausbildungsressourcen des Landes erfordern, darunter Seminarräume, Labors oder andere
Einrichtungen, besonders weil Frauen einen so hohen Anteil an Studierenden stellen. Sie würde auch
die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte und MitarbeiterInnen und die Bereitstellung zusätzlichen
Lehrmaterials, und das zu einer Zeit, in der die iranische Wirtschaft noch unter der Auswirkung der
Finanz- und Handelssanktionen leidet, die die USA und andere Staaten verhängt haben. Es wäre
schwierig oder unmöglich, sie unter besonderen Umständen umzusetzen, wie die ehemalige Ministerin
für Gesundheit und ärztliche Ausbildung, Marzieh Vahid-Dastjerd zugab. Sie schloss jede Vorstellung
von nach Geschlecht getrennten Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen als Ausbildungsorte
für Medizinstudenten aus und verkündete, dass Unfall- und Notfalldienste für alle Patienten in Not,
unabhängig von ihrem Geschlecht, schnell verfügbar sein müssten. Sie neu im Sinne der
Geschlechtertrennung zu organisieren, würde eine kostspielige Dopplung bedeuten.
Trotzdem verkündete 2012 ein leitender Beamter im Wissenschaftsministerium, Dr. Abolfazl Hassani,
dass „20 nach Geschlechtern getrennte Universitäten und Hochschulen“ die Zulassung für das
Studienjahr 2012-2013 erhalten hätten, von denen 14 nur weibliche und 6 nur männliche
21
Studierende aufnehmen würden. Die meisten sollen auf Privatinitiative gegründet worden sein. Bis
März 2014 war noch nicht bekannt, in welchem Ausmaß diese Einrichtungen funktionierten, wie viele
weibliche Studierende sie aufgenommen hatten und welche Studiengänge mit welchen Inhalten sie
anbieten.
Die Behörden haben versucht, durch Meinungsumfragen Belege für die hohe Zustimmung unter
Studenten zu der Geschlechtertrennung zu erbringen, darunter auch Umfragen, bei denen sich die
Antwortenden identifizieren mussten. Eine davon wurde am 13. März 2013 abgehalten und richtete
sich an 200.000 Kandidaten für weiterführende Studiengänge, die auf die Frage antworten sollten: „In
welchen Ausbildungsabschnitten ist es notwendig, rein weibliche Universitäten im Hinblick auf
Bräuche und Traditionen der Iraner einzurichten?“ Sie mussten zwischen vier möglichen Antworten
wählen: „Grundstudium“, „Hauptstudium“, „Promotionsstudium“ oder „alle drei“ - ohne die Option zu
haben, ein koedukatives System für Männer und Frauen ohne Diskriminierung zu befürworten. Nach
Präsident Rouhanis Wahl sagte sein als Wissenschaftsminister nominierter Kandidat, Reza Faraji Dana,
dem Parlament, dass weder er noch das Ministerium gegen Universitäten nur für ein Geschlecht seien.
Sie würden ihre künftigen Planungen an dem Dokument zur Islamisierung der Bildung ausrichten und
auf „eine Reduzierung der Geschlechtermischung“ hinarbeiten, wie im Dokument gefordert.
DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GLAUBENS ODER DER RELIGIONSZUGEHÖRIGKEIT
Während der gesamten Zeit seit der Revolution 1979 haben die Behörden diskriminierende Praktiken
angewandt, um Angehörige gewisser religiöser Minderheiten wie die Baha'i vom Zugang zu höherer
Bildung an Universitäten oder anderen Einrichtungen auszuschließen. Sie haben Beschränkungen
eingeführt, die auch anderen wie den Ahl-e Haq, Sufis oder sunnitischen Moslems ihr Recht auf
Bildung begrenzen. Diese diskriminierenden Beschränkungen wurden offensichtlich von höchsten
Vertretern des Staates, darunter dem früheren und dem jetzigen Obersten Führer, gebilligt oder sogar
angeregt.
Bewerber/innen für die landesweite Aufnahmeprüfung für Grund- und Hauptstudium mussten bisher
Bewerbungsformulare ausfüllen, die Fragen zu ihrem Glauben enthielten. Sie mussten angeben, zu
welcher der vier verfassungsmäßig anerkannten Religionen – Islam, Christentum, Judentum oder
Zoroastrismus – sie gehörten, was keinen Platz ließ für Baha'is oder Angehörige anderer nicht
anerkannter Religionen. Baha'i-Kandidat/inn/en, deren Religion es nicht zulässt, dass sie ihren Glauben
verbergen oder verleugnen, lassen diese Frage oft offen, wodurch sie effektiv zugeben, einer nicht
anerkannten Religion anzugehören, und damit vom Studium ausgeschlossen werden können.
Jedes Jahr wird eine große Zahl von Baha'i-Student/inn/en entweder daran gehindert, ihr Studium zu
beginnen, nachdem sie die Aufnahmeprüfung bestanden haben, oder sie werden später vom Studium
ausgeschlossen, weil sie sich weigern, ihren Glauben zu verleugnen oder ihm abzuschwören.
Baha'i-Student/inn/en durften zu den ersten Aufnahmeprüfungen nach der Revolution von 1979
antreten und ihre Studien beginnen, bis diese durch die Schließung aller Universitäten während der
Kulturrevolution unterbrochen wurden. Als die Universitäten 1982 wieder eröffnet wurden, wurden etwa
700 Baha'i-Studierende unter denen, die nicht weiter studieren durften. Sie wurden der Universität
verwiesen mit der Begründung, dass sie zugegeben hätten, dass sie Baha'i seien. Von 1983 bis 2004
durften Baha'i nicht einmal mehr an den universitären Aufnahmeprüfungen teilnehmen.
„Als ich meine Oberschule [1995] beendete, war die politische Linie, Baha'i-Studenten noch nicht
einmal zu den Aufnahmeprüfungen zuzulassen, eindeutig. Mein Bruder hatte die Oberschule vier Jahre
vor mir beendet und war nicht zugelassen worden. Er versuchte, dagegen vorzugehen, aber ohne
Ergebnis. Nachdem ich die Oberschule beendet hatte, versuchte ich nicht einmal mehr, die
Aufnahmeprüfung abzulegen, weil ich wusste, dass ich nicht einmal meine Zulassungskarte für das
Examen bekommen würde.“
Pedram Roshan in einer Mitteilung an Amnesty International
2004, nach wachsender internationaler Kritik an der Behandlung der Baha'i durch die Regierung,
veränderten die Behörden die Anmeldeformulare für staatliche Universitäten. Sie änderten die Frage,
22
mit der die Kandidaten ihre Religion angeben sollten und ersetzten sie durch eine Option, verschiedene
Arten von Fragen zum Test des Wissens über Religion auszuwählen. Nach dieser Veränderung unter
Präsident Khatami erhielten einige Baha'i die Zulassung zu staatlichen Universitäten, wurden aber
wieder ausgeschlossen, nachdem Präsident Ahmadinejad an die Macht kam.
Ein Baha'i-Student, der 2011 von der Universität ausgeschlossen wurde, erzählte Amnesty
International von seiner Überraschung, als die Behörden ihn zu einem Computerwissenschafts-Kurs an
der Sharif-Universität zuließen, bis er nach Absolvierung von zwei Semestern plötzlich keinen Zugang
mehr zur Webseite der Universität erhielt. Er erfuhr von einem Mitarbeiter der Zulassungsstelle, dass
ein Befehl „von oben“ ergangen sei, sich bei der Organisation zur Ausbildungsbewertung zu melden.
„Ich wusste dann, dass ich ausgeschlossen war“, sagte er.
Ein anderer Baha'i-Student teilte Amnesty International mit, was passierte, nachdem er die
Aufnahmeprüfung 2005 absolviert hatte:
„Als die Resultate bekannt gegeben wurden, wurde mehr als der Hälfte der Baha'i-Studenten mitgeteilt,
dass ihre Akten „unvollständig“ seien. Sie mussten zur Organisation zur Ausbildungsbewertung... Ich
ging zur Organisation zur Ausbildungsbewertung... Man teilte mir explizit mit, dass ich nicht studieren
könne, weil ich Baha'i sei. Danach … ging ich zum Wissenschaftsministerium. Mir wurde gesagt, dass
sie die Anweisungen von „oben“ erhalten hätten. Wir erfuhren nie, was mit „oben“ gemeint war.“
Er versuchte, auf dem Rechtsweg seinen Zugang zur Universität zu erstreiten, indem er an die
gewählten Vertreter des Landes appellierte, wurde aber abgewiesen:
"Als ich zum Büro für Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments ging, um meinen (Beschwerde-)Brief
einzureichen, legte der Mann, der dort saß, seinen Finger auf das Wort Baha'i in meinem Brief und
sagte: 'Das ist Ihr Problem'. Er hatte sogar Angst, das Wort laut auszusprechen."
In einigen Fällen sollten die Behörden der höheren Bildungseinrichtungen die Einschreibung von
Baha'is akzeptiert haben, indem sie „Islam“ in ihre Akten eintrugen, um ihre wahre Identität zu
verheimlichen, wogegen sie andere ausschlossen, die aktiv widersprachen. Jedoch drückten einige
Baha'i darüber ihre Sorge aus, weil Studierende, die von dieser Verschleierung profitierten,
möglicherweise strafrechtlich verfolgt werden könnten unter der Anklage „Abfall vom Islam“, wenn sie
nach der Universitätszeit weiterhin ihren Baha'i-Glauben praktizierten.
1991 behandelte der SCCR „die Baha'i-Frage“ in einem vertraulichen Dokument – dem sogenannten
Golpaygani-Memorandum - das der Oberste Führer Irans, Ayatollah Khamenei, dann billigte und
unterschrieb. Das Memorandum riet der Regierung, im Allgemeinen offene Formen der Verfolgung von
Baha'i zu meiden, sondern gab die Anweisung, eher verdeckte und informelle Methoden zu nutzen, um
ihr Fortkommen und ihre Entwicklung zu hemmen. Es forderte die Behörden auf, Baha'i-Studierende
von Universitäten und anderen höheren Bildungseinrichtungen auszuschließen und Baha'i den Zugang
zur Beschäftigung zu verweigern, um „ihnen jegliche einflussreiche Position zu verweigern“.
Einige Jahre später bestätigte ein durchgesickerter vertraulicher Brief von den zentralen Behörden der
Payam-e Noor-Universität an ihre Niederlassungen, dass es Politik der Regierung sei, Baha'i-Studenten
die Einschreibung an der Universität nicht zu gestatten, und dass die Universitätsstellen alle Baha'is,
die zugelassen worden seien, exmatrikulieren sollten. Nur eine Woche vorher hatte jedoch ein iranischer
Diplomat bei der UN kategorisch bestritten, dass Baha'is oder andere Studierende wegen ihres
Glaubens vom Studium ausgeschlossen worden seien, und behauptete: „Niemand im Iran ist wegen
seiner Religion vom Studium ausgeschlossen worden.“
Die iranische Regierung wiederholte diese Behauptung jüngst im September 2013, als sie auf den
Entwurf des Berichts des Sonderberichterstatters für Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran
antwortete. Sie behauptete: „Keine Person wird der Universität verwiesen oder ins Gefängnis gesteckt,
nur weil sie einen bestimmten Glauben hat.“ In der Stellungnahme der iranischen Regierung hieß es
weiter, dass das weitgehende Fehlen von Baha'i an Universitäten im Iran nicht auf Diskriminierung
durch die Regierung zurückzuführen sei, sondern auf den Druck, den religiöse Führer der Baha'i auf
Baha'i ausübten:
23
„... Viele Baha'i unter dem Einfluss des Baha'i-Weltzentrums, das eine verbotene Organisation ist, sind
an iranischen Universitäten aktiv und verüben illegale Aktivitäten aus eigenem Antrieb unter
Missachtung der Gesetze des weiterführenden Bildungssystems im Iran. Diejenigen Baha'i-Studenten,
die die Gesetze beachten, werden administrativ und geistlich zurückgewiesen und die Beziehung zu
ihnen wird vom Baha'i-Netzwerk abgebrochen. Weiterhin wurde eine beträchtliche Anzahl von Baha'iStudenten gezwungen, sich von der Universität zurückzuziehen, und ihre Menschenrechte wurden vom
ungesetzlichen Netzwerk der Baha'i verletzt.“
Jahre zuvor führte der Ausschluss von Baha'is von höherer Bildung nach der Kulturrevolution einige
Baha'is dazu, das Baha'i-Institut für höhere Bildung (BIHE) aufzubauen. Gegründet 1987 operierte es
als privat geführte Alternative zum staatlichen Bildungssystem und bot Baha'i-Studierenden eine Reihe
von Diplom-Studiengängen. Jedoch wurde es wiederholt von Sicherheitsbehörden schikaniert, die
BIHE-Ausbilder verhafteten und mehrfach das Institut zwangen, seine Aktivitäten ruhen zu lassen,
bevor sie es zur vorläufigen Schließung zwangen und die Leitung des BIHE im Mai 2011 verhafteten.
Dies wurde international verurteilt. Dennoch funktioniert das BIHE weiter und bietet Baha'is höhere
Bildung an, jedoch unter der ständigen Drohung weiterer Verfolgung. Führende iranische
Persönlichkeiten verleumden nach wie vor Baha'is und ihre Religion – zum Beispiel berichtete die
Webseite Tasnim, dass Ayatollah Khamenei eine Fatwa herausgegeben habe, in der er Iraner davor
warnte, mit Baha'is Geschäftskontakte aufzunehmen – er bezeichnete sie als „Abweichler und
Fehlgeleitete“.
24
5. ANGRIFF AUF DIE AKADEMISCHE FREIHEIT
„Ich habe keine Gesetze gebrochen. Ich tat in Übereinstimmung mit den
internationalen Rechtsnormen nichts Ungesetzliches, aber ich brach einige iranische
Gesetze, weil iranische Gesetze nicht den internationalen Normen entsprechen, und
es gibt eine Menge an ungeschriebenen Gesetzen.“
Alireza Firouzi wurde von der Zanjan Universität ausgeschlossen. Er schilderte März 2013 Amnesty International
seinen Ausschluss und seine Inhaftierung.
Nach der Wahl von Mahmoud Ahmadinejad
zum Präsidenten 2005 begannen die
Behörden eine erneute „Islamisierung“ an
den Universitäten und anderen Hochschulen.
Das bedeutete eine weitere Verschärfung der
Regeln zur Geschlechtertrennung, den
Studienausschluss oder die Aussperrung
politisch aktiver StudentInnen, den
vermehrten Gebrauch des „Starring“ (SternMarkierungen in der studentischen Akte) und
der Bedrohung und Einschüchterung von
Studierenden. Das beinhaltete auch
Streichungen oder Änderungen der
Studenten, die bei Demonstrationen zum nationalen
Studiengänge in den Geisteswissenschaften,
Studententag am 7. Dezember 2006 am Betreten der
Universität Teheran gehindert wurden.
die die Behörden als westlich beeinflusst und
©ISNA/Saman Aghvami
für unislamisch hielten, und das Fernhalten
weiblicher Studenten von Studiengängen, die
sie nur für männliche Studenten als geeignet betrachteten. Professoren und andere Mitarbeiter, die die
Behörden für kritisch oder zu sehr reformfreudig oder zu neutral gegenüber der geistlichen Führung
hielten oder die eine eigene Meinung vertraten, wurden entlassen oder frühzeitig pensioniert.
Gleichzeitig führten die Behörden erhebliche Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und des
Rechts auf Vereinigungsfreiheit ein. Sie zensierten das Internet und schränkten so das Recht auf
friedliche Demonstrationen ein und das Recht, unabhängige Organisationen zu bilden. Die Auswirkung
dieser Maßnahmen ging weit über den akademischen Sektor hinaus. Die staatliche Unterdrückung
umfasste gezielte Inhaftierungen der Kritiker der Regierung, der MenschenrechtsverteidigerInnen, der
KämpferInnen für die Rechte von Frauen, für die Minderheitenrechte und andere. Gefangene wurden
von den Behörden ohne Gerichtsverhandlung lange Zeit in Haft gehalten oder nach unfairen
Verhandlungen vor den Revolutionsgerichten inhaftiert, nachdem sie oft davor in Untersuchungshaft
gefoltert und misshandelt worden waren. Diese Verletzungen der Menschenrechte waren vorher schon
üblich und verbreitet, nahmen dann aber noch zu, als die Behörden die friedlichen Massenproteste
nach der Wahl des Präsidenten im Juni 2009 zu unterdrücken versuchten.
Die ersten eindeutigen Zeichen von Studentenunruhen angesichts der behördlichen Restriktionen traten
2007 an der Technischen Universität Amir Kabir in Teheran auf. Dort kam es zu Demonstrationen und
Zusammenstößen zwischen Studierenden und den Basiji nach der Verteilung einer scheinbar
studentischen Publikation, in der die Regierung kritisiert wurde und die als Beleidigung des Islam
aufgefasst wurde. Die fragliche Veröffentlichung wurde bekannt als die „Affäre der gefälschten
Publikationen“. Die studentischen Aktivisten behaupteten, dass die angeblichen studentischen
Publikationen nicht echt seien. Sie seien in Wirklichkeit in betrügerischer Absicht verfasst und in
Umlauf gebracht worden, um den Behörden einen Vorwand für ein hartes Durchgreifen gegenüber den
25
Studenten zu geben und um so ihre tatsächlichen Journale und Veröffentlichungen verbieten zu
können.
Demonstration an der Universität Teheran am nationalen Studententag, 7. Dezember 2006.
©Islamic Student Association of Amir Kabir University
Im Juni 2008 brachen neue studentische Proteste aus, nachdem eine Studentin den stellvertretenden
Kanzler und Vorsitzenden des Disziplinierungskomitees der Zanjan Universität wegen sexueller
Übergriffe angeklagt hatte. Sie hatte Aktivisten der ISA (einer studentischen Vereinigung) darüber
informiert. Diese filmten heimlich ein Treffen zwischen ihr und dem stellvertretenden Kanzler und
stellten danach den Film ins Internet. Bei den Protesten nahmen mindestens 3000 Studenten an Sitins teil und forderten eine offizielle Untersuchung der behaupteten sexuellen Übergriffe, außerdem
sollten die Behörden auf juristische Maßnahmen gegen sie wegen der Proteste verzichten, ihnen freies
Organisieren erlauben und ebenso die Herausgabe ihrer eigenen Publikationen. Die Behörden schlossen
als Reaktion für einige Tage die Universität und führten eine Razzia durch. Sie inhaftierten fünf
Studenten für eine Zeit zwischen 6 und 10 Monaten, es kam dann zu zusätzlichen Haftstrafen und
dem Ausschluss vom Studium.
Am Ende der ersten vierjährigen Amtszeit von
Mahmoud Ahmadinejad hatte er durch seine
Politik gegenüber den Universitäten fast
sämtliche Unterstützung verloren, die er noch
2005 von Studenten und Universitätslehrern
während seiner damals erfolgreichen
Wahlkampagne erhalten hatte.
Sicherheitskräfte versperren den Weg, als Studierende der
Amir Kabir-Universität am 10. Dezember 2006 gegen
einen Besuch von Präsident Ahmadinejad am folgenden
Tag demonstrieren.
©Islamic Student Association of Amir Kabir University
Als sich die Präsidentenwahl 2009 näherte,
schienen die Angehörigen der Universitäten
geschlossen hinter den beiden führenden
reformorientierten Kandidaten, Mehdi
Karroubi und Mir Hossein Mousavi, zu
stehen. Folgerichtig sahen die Behörden die
Universitäten als einen Brennpunkt der
Opposition, besonders als nach der
Verkündung der Wahl von Ahmadinejad mit
26
großer Mehrheit die Massenproteste auf das Land übergriffen.
In den Tagen nach der Wahl führten Polizei, Sicherheitskräfte und Basiji gewaltsame Razzien auf
Studenten in ihren Schlafräumen in Teheran und auch in anderen Städten durch. Am 14. Juni 2009
drangen Polizeispezialeinheiten und Basiji in Teheran gewaltsam in die Schlafräume der Studenten ein.
Sie verwendeten dabei Tränengas in geschlossenen Räumen und gaben wahrscheinlich auch gezielte
Schüsse ab. Studentische Quellen sprechen von fünf Toten, die Behörden an der Universität stritten
das ab. Die Sicherheitskräfte verhafteten mehr als 130 Studenten, die sie in ein Kellergefängnis im
Ministerium des Inneren brachten. Einige von ihnen berichteten von Folter. Die Identität der
gefangenen Studenten wurde von den Behörden nie öffentlich gemacht. Wie berichtet, wurden einige
der Studenten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Am Tag nach der Razzia in dem Schlafsaal traten 110
Dozenten der Teheraner Universität aus Protest gegen die Gewalt der Polizei und der anderen
Sicherheitskräfte zurück.
Das harte Durchgreifen der Behörden hielt an und weitete sich noch aus, als sich die
Massendemonstrationen gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinejad ausbreiteten. In Esfahan
drangen Spezialkräfte und Basiji in studentische Schlafsäle ein und inhaftierten 140 Studenten, in
Tabriz wurden 10 Studenten inhaftiert. In Shiraz verfasste die Universitätsführung einen Protest und
forderte die Freilassung von einigen Hundert Studenten, die von den Sicherheitskräften inhaftiert
worden waren. An der Mazandaran-Universität in Babolsar inhaftierten die Polizei und Basiji etwa 150
männliche Studenten, die sich nach der Aushandlung freien Abzugs der weiblichen Studenten vom
Universitätscampus ergeben mussten. Studenten sollen ebenfalls in Mashhad und Zahedan inhaftiert
worden sein. Im Juli drangen Polizei und Basiji unter Gebrauch von Waffen und Tränengas in
studentische Schlafsäle an der Technischen Universität Amir Kabir ein. Sie verhafteten Studenten
genau 10 Jahre nach dem 9. Juli 1999, als eine gewaltsame Razzia gegen protestierende Studenten
stattfand.
Sicherheitskräfte und Basiji wandten am 4. November 2009, dem 30. Gedenktag des Beginns des USGeiseldramas, wiederum Gewalt an. Sie wollten damit studentische Proteste in Teheran, Qazvin,
Esfahan, Mashhad, Tabriz, Shiraz, Kerman und Ahvaz unterbinden. In Esfahan wurden sie
angeschuldigt, einen Studenten erschossen zu haben. Bis dahin wurden bei dem brutalen Durchgreifen
der Regierung Tausende oppositioneller Aktivisten und friedlicher Demonstranten inhaftiert worden. Es
kam zu der Tötung von Neda Agha Soltan, einer früheren Studentin der Islamischen Azad Universität.
Sie starb in einer Teheraner Straße, erschossen
vermutlich von einem Angehörigen der Basiji. Es war ein
völlig grundloser Angriff, der gefilmt und weltweit
gesehen wurde. Es gab immer wieder Berichte über
Folter und Todesfälle in Haft. Der Oberste Führer
musste gezwungenermaßen eingreifen und die
Schließung des Haftzentrums Kahrizak in Teheran
ankündigen. Dort waren einige der schlimmsten Exzesse
passiert. Mindestens zwei Studenten waren unter den
Häftlingen, die in Kahrizak starben, offensichtlich als
Folge von Folter oder Misshandlung. Das geschah in der
Zeit zwischen der Wahl Anfang Juni und der Schließung
von Kahrizak durch die Regierung Ende Juli 2009.
Demonstration an der Universität Teheran am
nationalen Studententag, 7. Dezember 2007.
©Islamic Student Association of Amir Kabir
University
Amir Javadifar, 25 Jahre alt, studierte
Unternehmensführung an der Islamischen AzadUniversität in Qazvin. Er wurde am 9. Juli 2009
inhaftiert und so schwer von den Sicherheitskräften
misshandelt, dass er ins Krankenhaus eingeliefert
werden musste. Er soll innere Blutungen gehabt haben.
Er kam zuerst in das Kahrizak-Haftzentrum, dann vor
seinem Tod am 14. Juli 2009 ins Evin-Gefängnis. Er
wurde offensichtlich gefoltert: eine rechtsmedizinische
Untersuchung zeigte einige Knochenbrüche, seine
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Zehennägel waren herausgerissen.
Mohsen Rouholamini, 25 Jahre alt, studierte Informationstechnologie an der Teheraner Universität.
Sein Vater war Berater des 2009 unterlegenen Präsidentschaftskandidaten, Mohsen Rezaei. Er wurde
während der Haft im Gefängniszentrum Kahrizak am 9. Juli 2009 brutal attackiert, kam dann ins Evin
Gefängnis, von dort ins Krankenhaus, wo er am 16. Juli starb. Da er der Sohn eines führenden
Politikers war, könnte sein Tod der Auslöser dafür gewesen sein, dass Ayatollah Khamenei die
Schließung des Gefängniszentrums und die Untersuchung der Berichte über brutale Misshandlungen
seiner Insassen anordnete. Am 31. August berichtete Mehr News Agency, dass der Tod von Mohsen
Rouholamini auf „körperlichen Stress, schlechte Lebensbedingungen, wiederholte Schläge und Werfen
des Körpers gegen harte Oberflächen“ zurückzuführen sei. Anfänglich hatten die Behörden behauptet,
sein Tod sei Folge einer Meningitis. Nachdem er seinen Sohn gesehen habe, hatte der Vater gesagt,
ihm sei klar, sein Sohn sei gefoltert worden, er habe schwere Gesichtsverletzungen aufgewiesen.
Im August 2009 hielten die Demonstrationen an. Die Behörden begannen eine Reihe von
„Schauprozessen“ gegen Personen wegen des Schürens oder Unterstützens der Proteste. Unter den
Angeklagten befanden sich Studierende, Universitätslehrer, Politiker und andere Personen, die die
Reformbewegung unterstützten. Die Gerichtsverhandlungen wurden weitgehend geheim durchgeführt.
Es konnten jedoch kurz Fernsehkameras die Angeklagten bei ihren „Geständnissen“ und bei ihren
Entschuldigungen vor dem Revolutionsgericht filmen. Die Behörden klagten Oppositionelle und
Demonstranten an, die eine „sanfte“ Revolution gegen die Islamische Republik geschürt haben sollten.
Die Revolutionsgerichte sprachen Haftstrafen gegen sie aus. Einige der Fälle werden unten
beschrieben.
Als diese Ereignisse stattfanden, verstärkten die Behörden ihre Kritik an den Universitäten und ihre
Bemühungen zu einer „Islamisierung“. Im August 2009 kritisierte Ayatollah Khamenei, dass „2,5
Millionen der 3,5 Millionen Studierenden an den Universitäten“ im Iran lieber Geisteswissenschaften
studierten als Fächer, die er als geeigneter für die Bedürfnisse der Islamischen Republik betrachtete.
Hinzu kam eine zunehmende Überwachung und Unterdrückung an den Universitäten, die unter engere
Kontrolle durch die vielfältigen, sich in ihren Befugnissen oft überschneidenden Sicherheitsorgane
gestellt wurden. Unter ihnen gab es auch die Basiji und seit 2011 eine Internetpolizei, die die
Computer und Smartphones in den Schlafräumen der Studierenden, in den Leseräumen und zuhause
kontrollieren durften und auch Zugriff zu den Blogs der Webseiten hatten. Studierende, die nicht mit
Gefängnis bestraft wurden,
schloss man von den
Universitäten aus, wie auch
andere, die eine
Gefängnisstrafe hinter sich
hatten. Andere flohen ins
Ausland, um einer
Verhaftung zu entgehen und
um dort das Studium
fortzusetzen, das ihnen im
Iran verwehrt wurde. Der
Wissenschaftsminister ging
verstärkt dazu über, den
Lehrkörper sowie die
Studentenschaft durch
ausgewählte Personen
aufzufüllen, die ihre
Loyalität zu dem Regime
durch ihren Dienst beim
Militär oder den Basiji
gezeigt hatten, statt auf ihre
Studentendemonstration an der Shahr-e Kord-Universität aus Protest gegen
akademischen Leistungen
die Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinejad im Juni 2009. Auf
dem Banner steht: „Freie Wahlen“
und Verdienste zu achten.
©Islamic Student Association of Shahr-e Kord University
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Im April 2012 sagte der Wissenschaftsminister, Kamran Daneshjoo, dass sein Ministerium den
Studierenden, die in die Unruhen nach der Wahl 2009 verwickelt gewesen seien, kein Studium
erlauben würde. Anfangs 2011 kam es erneut zu Demonstrationen, ausgelöst durch die Volksaufstände
und Demonstrationen in Tunesien, Ägypten und weiteren Staaten des Nahen Ostens und Nordafrika.
Die Behörden reagierten schnell und verhängten über die maßgeblichen Oppositionsführer und
geschlagenen Präsidentschaftskandidaten 2009 einen Hausarrest: Mehdi Karroubi und Mir Hossein
Mousavi und dessen Frau, die Universitätsprofessorin Zahra Rahnavard. Alle drei blieben während der
weiteren vier Jahre Präsidentschaft von Ahmadinejad gefangen und waren im März 2014, im achten
Monat der Amtszeit von Hassan Rouhani, weiterhin unter Hausarrest.
WIEDERAUFLEBEN DER „ISLAMISIERUNG“
„Viele Fachrichtungen der Geisteswissenschaft sind auf der philosophischen Grundlage des
Materialismus und des Nichtglaubens an das Göttliche und an die Islamische Lehre
gegründet. Ihre Lehre verursacht einen Mangel des Glaubens an das Göttliche und an die
Islamische Lehre.“
Ayatollah Khamenei, 30. August 2009
ZIELSCHEIBE GEISTESWISSENSCHAFTEN
„Islamisierung“ der Universitäten und des Erziehungssystems war ein Herzstück und wiederkehrender
Bestandteil der offiziellen Politik seit den ersten Tagen der Revolution 1979. In Bezug darauf richtete
in den 1990ern der Wissenschaftsminister eine Spezialabteilung für die Islamisierung der Universitäten
auf Geheiß von Ayatollah Khamenei ein. Unter Leitung der SCCR fand 1997 eine Umbenennung und
Erweiterung statt in „Rat für die Islamisierung der Universitäten und Ausbildungszentren“. Das Organ
wurde der SCCR unterstellt.
Nach seiner Satzung ist der Rat bevollmächtigt, politische Richtlinien festzulegen, um die
Islamisierung der iranischen Universitäten und anderer Hochschuleinrichtungen in Übereinstimmung
mit dem SCCR zu fördern, begleitende Planungen zu entwickeln und die Einführung wichtiger
amtlicher Verordnungen zu überwachen.
Der erneute behördliche Schub zur „Islamisierung“ der Universitäten folgte der Wahl von Präsident
Ahmadinejad 2005. Er gewann eine größere Stoßkraft nach den Massenprotesten 2009, bei denen sich
die Universitäten zu einem Kristallisationspunkt für abweichende Meinungen herausbildeten und zu
einer Herausforderung für die klerikal-dominierte Führerschaft des Iran wurden. Ayatollah Mohammad–
Taghi Mesbah-Yazdi (bekannt als Ayatollah Mesbah) ist ein Kleriker aus Qom und ausgesprochener
Anhänger von Ayatollah Khamenei. Er ist offensichtlich der bedeutendste Theoretiker für den erneuten
Anstoß dieser „Islamisierung“. Er unterstützte auch Mahmoud Ahmadinejad in seinen Wahlkampagnen
2005 und 2009.
Unter Leitung des Obersten Führers nahmen die Behörden besonders die geisteswissenschaftlichen
Richtungen der Universitäten als Ziel. Sie wurden als zu sehr von „westlichen“ Ideen, Werten und
Säkularismus beeinflusst angesehen. Als Ende August 2009 immer wieder Demonstranten auf den
Straßen von Teheran und anderen Städten waren, äußerte sich Ayatollah Khamenei besorgt, dass „2,5
Millionen der 3,5 Millionen Studierenden“ Geisteswissenschaften studierten. Er verhöhnte diese
Fachrichtungen und sagte, sie führten „zum Zweifel an der islamischen und göttlichen Lehre“. Er
behauptete, solche Studiengänge seien auf „materialistischen philosophischen Grundsätzen“
begründet und schloss daraus, dass sie „Zweifel an den religiösen Grundsätzen“ bewirkten.
Nach diesen Auslassungen des Höchsten Führers beauftragte das SCCR das Institut für
geisteswissenschaftliche und kulturelle Studien (ein Forschungszentrum in Teheran unter der
Schirmherrschaft des Wissenschaftsministeriums), die geisteswissenschaftlichen Studiengänge an den
Universitäten zu überprüfen. Laut dem Leiter des Institutes wurden manche Inhalte und
Empfehlungen, wie sie in den Studiengängen gelehrt wurden, 20 Jahre lang nicht geändert und seien
„kaum vereinbar mit der iranisch-islamischen Kultur.“
29
Das Wissenschaftsministerium, das sämtliche Zulassungen zu den staatlichen Universitäten
kontrolliert, kündigte im September 2010 an, dass keine Studentinnen und Studenten zu 13
geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Studiengängen in diesem Jahr zugelassen würden,
während die Lehrinhalte der Studiengänge überprüft würden. Die Behörden planten den Anteil der
Studiengänge in den Geisteswissenschaften zu reduzieren, und zwar von 45 auf 36%. Das Institut für
geisteswissenschaftliche und kulturelle Studien überprüfte 380 Fächer und wollte 58 neue Lehrbücher
anfertigen. Im November 2011 gab das Institut bekannt, in 38 Studienbereichen des Grundstudiums
der Geisteswissenschaften seien Überprüfungen durchgeführt worden, darunter in Philosophie,
Journalismus, Psychologie, Ökonomie und in den Politik- und Sozialwissenschaften.
Umgesetzt wurden die Änderungen zuerst an der Allameh Tabataba’i Universität, an der es früher 19
Studiengänge der Geisteswissenschaften gegeben hatte. Beim Beginn des Studienjahres 2011-12
konnten die Studierenden nur noch 6 Fächer belegen, darunter Recht und Theologie und islamisches
Wissen, aber die Studiengänge für Journalismus, politische Wissenschaften, Geschichte, Soziologie und
die Fächer Pädagogik und frühkindliche Erziehung waren nicht mehr verfügbar.
Zwei Monate später verlautbarte der Dekan der Universität, das Wissenschaftsministerium habe die
Studiengänge Psychologie, Politikwissenschaft und Unternehmensführung freigegeben. Die Allameh
Tabataba’i Universität habe sie erfolgreich „islamisiert“ und sie würden an den anderen Universitäten
eingeführt. Die Allameh Universität bot jetzt auch Kurse wie „Psychologie aus der Sicht des Koran“
und „Sozialwissenschaft aus der Sicht des Koran“ für die Anfangssemester an.
Es folgten weitere Überprüfungen. Das Wissenschaftsministerium hatte 70 Ausschüsse berufen, die
einen weiten Bereich der Geisteswissenschaften, Kunst, Grundlagenforschung, Ingenieurwesen und
andere Studiengänge im Sinne einer Bereinigung bearbeiteten.
Im April 2013 strich das Wissenschaftsministerium die Schule für Unternehmensführung und
Wirtschaft an der angesehenen Technischen Universität Sharif in Teheran als möglichen Studiengang,
für den sich StudienanfängerInnen einschreiben konnten. In Wirklichkeit war das die Auflösung dieses
Fachbereiches. Das Ministerium hatte früher festgelegt, dass es an einer Technischen Universität keine
geisteswissenschaftlichen Fakultäten geben solle. Es scheint aber, dass das Ministerium mit der
relativen akademischen Freiheit der Schule nicht einverstanden war. Um den Jahreswechsel 2012-13
herum teilte der Kanzler der Universität dem Dekan der Schule mit, er wolle an der Schule das
akademische Personal auswechseln. Es gäbe dann Studiengänge für neue Fachgebiete. Der Dekan
lehnte das ab: die Schule sei selbst in der Lage, die Zusammensetzung ihres Kollegiums zu bestimmen
und eigene Lehrpläne zu entwickeln. Nach Verhandlungen zwischen der Universität und dem
Wissenschaftsministerium wollte das Ministerium der Schule erlauben, für ein weiteres Jahr
Studierende anzunehmen, wobei sie aber laut dem Kanzler unter Überwachung bliebe.
Als ein Ergebnis der „islamischen“ Bereinigungen wurden grundsätzliche Änderungen beim Studium
von Frauen durchgeführt. Für sie waren Studiengänge für ein Magisterstudium an drei Universitäten
2000 eingeführt worden, als der Reformpräsident Khatami im Amt war. Eine von diesen war die
exklusive Tarbiat Modares Universität für Aufbaustudien, die als Hauptstudiengang „Frauenrechte im
Islam“ anbot. Später folgte die Universität von Teheran mit speziell auf Frauen bezogenen
Studiengängen, darunter auch solche zu feministischen Theorien. Im Mai 2012 ersetzten die 20 Räte
zur Umgestaltung der Geisteswissenschaften die Studiengänge für Frauen durch solche mit
Familienthemen und „Frauen im Islam“. Sie erklärten, Studiengänge für Frauen(-themen) stünden in
ernsthaftem Konflikt mit dem Islam.
VERSCHÄRFUNG DER KLEIDERORDNUNG FÜR FRAUEN
Die Kleiderordnung im Iran ist seit langer Zeit ein umstrittenes Thema. Während seiner erfolgreichen
Präsidentschaftskampagne 2005 soll Mahmoud Ahmadinejad jene zurechtgewiesen haben, die es für
eine Frau als anstößig fanden, „einige Haare“ unter dem Kopftuch zu zeigen. Als er jedoch Präsident
war, gab es erkennbar eine Verschärfung bei der Durchsetzung der Kleiderordnung, nicht zuletzt an den
Universitäten. Dort waren bestimmte Beamte beauftragt, Kleider und Betragen der Studentinnen zu
beobachten. Sie waren bevollmächtigt, disziplinarisch gegen die „Regelverletzerinnen“ vorzugehen.
30
Studentinnen, denen Verletzung der Kleiderordnung vorgeworfen wurde, bekamen schriftliche
Ermahnungen, sie wurden für ein oder mehrere Semester suspendiert und hatten keinen Zugang mehr
zu den universitären Einrichtungen, wie Schlafräumen, und in einigen Fällen wurden sie geschlagen
oder ganz der Universität verwiesen.
Die Frauenkommission der OCU ist eine Organisation früherer Studierender im Exil. In einem Bericht
über Gewalt gegen Studentinnen aus dem November 2012 zeichneten sie Aussagen von mehr als 220
von Geschlechtertrennung Betroffenen auf, von sexueller Diskriminierung, Inhaftierung von
Studentinnen und Vorladungen von Studentinnen vor Disziplinierungskomitees, Verweisen von der
Universität oder ihren Einrichtungen zwischen Mai 2010 und Juni 2012. Nach dem Bericht wurden
überall an den Universitäten des Iran viele Studentinnen wegen angeblicher Verletzung der
Kleiderordnung bestraft, zum Beispiel dem Nichttragen des Hejab (Verhüllung) (u.a .in der Iranischen
Universität für Wissenschaft und Technologie), Nichtbeachtung des geforderten Besuchs von
„Hejabklassen“ (ebenfalls Iranische Universität für Wissenschaft und Technologie), Tragen von
Kleidung oder Schminke, die als „vulgär“ eingestuft wurden oder als „unislamisch“ (Shahid Beheshti
Universität). In einigen Fällen sollen die betreffenden Universitätsbeamten die Studierenden tätlich
angegriffen haben, so in der Islamischen Azad-Universität in Rasht. In einer Universität im Osten von
Teheran sollen Universitätsbeamte zwei Studentinnen und einen Studenten im April 2012 angegriffen
haben, weil sie angeblich „unangemessene Kleidung“ getragen hätten, eine Studentin sei auf den
Boden geschleudert und verletzt worden. An derselben Universität sollen Disziplinierungsbeamte im
Oktober 2008 eine Studentin angegriffen haben, weil sie sich einer körperlichen Untersuchung
verweigerte.
Universitätsbehörden haben Studentinnen wegen Verletzung der Kleiderordnung den Zugang zu den
Schlafräumen in der Universität verweigert. Sie zwangen sie, sich eine andere Unterkunft zu besorgen,
wenn sie weiter studieren wollten. Behörden der Universität Shahr-e Kord in Zentraliran schlossen 15
Studentinnen von den Schlafräumen aus (März 2012), sie warfen ihnen eine Verletzung der
Bekleidungsregeln vor. Nach Berichten wurden sie jedoch in vielen Fällen bestraft, weil sie an
studentischen Demonstrationen teilgenommen hatten und bessere Rahmenbedingungen und
Einrichtungen gefordert hatten. Im Oktober 2012 wurden in einem anderen Fall 50 Studierende
ausgeschlossen.
2011 veröffentlichte der Rat für Islamisierung an den Universitäten und an den Ausbildungszentren
eine „Übersicht über amtlich zugelassene und nicht zugelassene Kleidung für Studierende“, mit dem
Ziel, eine Übereinstimmung mit der offiziellen Kleiderordnung zu erreichen. Die Übersicht gab
bestimmte Beispiele für eine „Missachtung der islamischen Kleidung“ nach den Artikeln der 1995
erlassenen Disziplinarordnung für Studierende. Es ist eine Aufzählung der offiziell anerkannten Art der
Kleidung für beide Geschlechter und beschreibt die unzulässigen Kleidungsstücke. Die Aufzählung
geht minutiös ins Detail. Sie beschreibt, welche Socken, Schuhe, Schmuck, Kosmetik, Nagelformen
und Haarmoden erlaubt sind und welche nicht und auch die angemessene Dicke der Kleider und
Hosen. Man weiß nicht, ob die SCCR diese Übersicht offiziell übernommen hat, aber einige
Universitätsbehörden begannen sie sofort anzuwenden und das Innenministerium erklärte, es wolle den
Plan und die darin enthaltenen Regeln im Studienjahr 2012-13 durchsetzen.
Das Ministerium für Gesundheit und Gesundheitserziehung bestätigte eine Reihe von Regeln für das
Benehmen der Medizinstudenten im August 2012. Im Dezember 2012 wurden sie mit den
Ausführungsbestimmungen für das Benehmen (der Studierenden) veröffentlicht. Die Regeln beinhalten
eine strenge Kleiderordnung, Regeln für die Länge der Fingernägel, das Verbergen von Tätowierungen
und die Vermeidung lauten Sprechens und sogar des Lachens.
Ein ergänzender Teil der Ausführungsbestimmungen beinhaltet die Forderung, dass die Universitäten
Pläne für die Berufskleidung und das Benehmen in die medizinischen Lehrpläne aufnehmen sollen.
Das wird dazu genutzt, um Studierenden hinsichtlich der Befolgung der Kleiderordnung zu
kennzeichnen, als Grundlage dafür, disziplinarische Maßnahmen gegen jene zu ergreifen, die die
Ordnung missachten. Neben diesen hauptsächlichen Entwicklungen haben einige Universitäten noch
zusätzliche Maßnahmen ergriffen, um die Kleider- und Verhaltensordnung zu festigen. So teilte im Juli
2012 der stellvertretende Kanzler für kulturelle Angelegenheiten der Universität Teheran mit, dass die
Universitätsbehörden ihre eigene und angemessene Garderobe für die akademischen und sonstigen
31
Mitarbeiter entwerfen wolle und auch für die Studierenden, da sie müde seien, „sich mit 350
Studierenden auseinanderzusetzen, die die Universität häufig in Garderoben wie Mannequins
aufsuchen.“ Er sagte noch, dass die Universitätsbehörden Studentinnen auf Zeit oder ganz der
Universität verwiesen hätten, die sich nicht an die Ordnung des „Hejab“ halten wollten.
Die medizinische Fakultät in Shiraz führte 2012 getrennte Eingänge für Studentinnen und Studenten
und sogar Lehrkräfte an ihren Schulen ein. Wie berichtet, sollen die Universitätsbehörden
Überwachungsgeräte installiert haben, um die Studierenden zu beobachten. Sie haben gemischte
Besuchstermine und Veranstaltungen abgeschafft, an denen männliche und weibliche Studenten
teilnahmen.
Beschäftigte an Kliniken, die an eine Universität angegliedert sind, wurden offensichtlich ebenfalls
bestraft. Sekretärinnen im Krankenhaus, die während des Besuches des Kanzlers 2011 dem Gebot der
Verhüllung zuwiderhandelten, sollen entlassen worden sein. Wie berichtet, sagte der Kanzler dem
Lehrkörper, sie sollten die Studierenden ermahnen, die „unkonventionelle“ Kleidung trügen, und sie
bei Wiederholung bestrafen.
An der Universität für Wissenschaft und Technologie in Teheran soll 2011 der Dekan der
Ingenieursschule und Leiter der dort eingeschrieben Basiji 15 Studentinnen von der Einschreibung im
neuen Semester ausgesperrt haben. Sie sollen die Pflichtinformationen über „Sittsamkeit und
Bescheidenheit“, zu der er eingeladen habe, nicht besucht haben. Er warnte andere Studentinnen, sie
würden bestraft, falls sie sich nicht konform zur Verhüllung und zu den Vorschriften verhielten.
STUDENTISCHE AKTIVE ALS ZIELSCHEIBE, VERGABE VON „STERNEN“, BEURLAUBUNG
UND AUSSCHLUSS
In den letzten Jahren haben die
Universitätsbehörden zunehmend von einem
„Sternensystem“ (Starring) Gebrauch
gemacht. Dies war eine Warnung an die
Studierenden, damit sie wissen, sie stehen
unter Verdacht und gegen sie könnten
disziplinarische Maßnahmen eingeleitet
werden, darunter Dienstenthebung und
Verweis.
Der Begriff „Student mit Sternen“ (starred
student) wurde erstmals unter Präsident
Khatami angewandt, als Mostafa Mo’in
Wissenschaftsminister war. Jahre später
erkannte er die Brisanz und er beklagte, dass
die Regierung des Präsidenten Ahmadinejad
dieses System in ein Hauptinstrument der
Unterdrückung ausgeweitet habe. Unter
Präsident Khatami habe es lediglich wenige
Fälle pro Jahr betroffen. Im Juni 2013
machte er eine Mitteilung in Antwort auf
Vorwürfe gegen ihn:
Demonstration an der Universität Teheran am nationalen
Studententag, 7. Dezember 2006. Auf dem Plakat steht:
„Wir verurteilen die „Besternung“ und den Ausschluss von
Studierenden von Bildung“.
„Es war ein normales Vorgehen [unter
Präsident Khatami], dass nach der
©ISNA/Saman Aghvami
Verkündung der Ergebnisse der
Eingangsprüfung an der Universität für die Studiengänge der Diplomierten die Akten von etwa 10 bis
15 Studierenden überprüft wurden wegen fehlender Dokumente oder aus disziplinarischen oder
moralischen Erwägungen. In der Mehrzahl dieser Fälle konnte die Angelegenheit gelöst werden …Diese
Vorgehensweise wurde unglücklicherweise seit dem Beginn der neunten Amtsperiode [unter Präsident
32
Ahmadinejad] zu einem weitverbreiteten Phänomen mit dem Namen „Sternenvergabe“ zur
Unterdrückung von Studierenden wegen ihrer politischen Aktivität.“
Mostafa Mo’in soll gesagt haben, dass in der Zeit, als er Wissenschaftsminister war, das Ministerium
die Akte eines Studierenden mit einem „Stern“ versehen habe, wenn die Unterlagen der Universität
nicht alle erforderlichen Dokumente hatten, oder mit zwei „Sternen“, wenn ungelöste Probleme
zwischen dem Studierenden und dem Disziplinarkomitee der Universität bestanden.
Im Dezember 2012 gab Kamran Daneshjoo, Wissenschaftsminister in Ahmadinejads zweiter Amtszeit,
bekannt, die Bestimmungen des SCCR erforderten, die Akten der Bewerber an „maßgebliche Stellen“
(und zwar an das Geheimdienstministerium) zur Genehmigung zu senden. Falls das Ministerium eine
negative Antwort oder auch keine Antwort erhalte, bedeute das, die Akte sei unvollständig und die
Bewerbung könne nicht befürwortet werden.
In einer Erklärung vom 4. August 2012 fordert das SCCR:
„…die Ministerien der Kultur, der Hochschulen, das Ministerium für Gesundheit und
Gesundheitserziehung und die Islamische Azad-Universität sind verpflichtet, weiterhin eine Liste der
Bewerber für die Studiengänge an das Geheimdienstministerium zur Genehmigung zu senden. Das
Wissenschaftsministerium muss auf vorgelegte Fragen innerhalb von zwei Monaten antworten (falls sie
einen Vorbehalt haben). Wenn nicht, gilt die Beurteilung des Geheimdienstministeriums. In den Fällen,
in denen das Geheimdienstministerium einen Bewerber ablehnt, sollen die Gründe dafür dem
Auswahlgremium der Studenten bei der anfragenden Stelle mitgeteilt werden, um dieses Gremium in
die Lage zu versetzen den Bewerber zu überzeugen.“
Nach dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinejad 2005 gebrauchten die Behörden zunehmend das
„Stern“-System, um engagierte Studenten zu treffen und vor allem, um eine offizielle Warnung zu
vermitteln, dass sie von den Behörden überwacht würden. Sie seien so selbst verantwortlich für ihren
vorübergehenden oder ständigen Ausschluss vom Studium, falls sie sich nicht angepasst verhielten.
Das wurde bekannt, als Bewerber für einen Graduierten-Studiengang „Sterne“ neben ihrem Namen auf
den Bögen ihrer Prüfungsergebnisse fanden.
Es gibt keine schriftliche Erklärung des „Stern“-Systems für Studierende, soweit Amnesty International
bekannt. Es ist bekannt, dass ein „Stern“ den Studenten noch erlaubt, sich einzuschreiben und ihr
Studium fortzusetzen, wenn sie sich schriftlich der Sicherheitsabteilung der Universität gegenüber
verpflichten, sich nicht politisch zu engagieren. „Zwei Sterne“-Studenten müssen ein ähnliches
Formular gegenüber einer Abteilung des Wissenschaftsministeriums unterschreiben, sie dürfen dann
das Studium fortsetzen. Bei drei „Sternen“ jedoch erfolgt der Ausschluss vom weiteren Studium.
Mohammad-Mehdi Zahedi, während der ersten Amtsperiode von Präsident Ahmadinejad
Wissenschaftsminister, erklärte im Dezember 2006, die Regierung Ahmadinejad habe das System der
„Sterne“ nur übernommen und bestritt, dass „Drei Sterne“-Studenten wegen ihres politischen
Engagements exmatrikuliert worden seien. Exmatrikuliert worden seien Studierende wegen
„Gefängnisstrafen, Prügeleien, Vergewaltigungen, etc.“ Es gab dann 2006 Berichte, dass 73
Studierende, meist Mitglieder der OCU, mit „Sternen“ wegen ihrer politischen und kulturellen
Aktivitäten „versehen“ worden waren. Und ein Mitglied des Parlaments gab die Auskunft, dass nach
Aussagen der Beamten des Aufnahmegremiums der Universität eine Anzahl von Studierenden auf
Anordnung des Geheimdienstministeriums vom Studium ausgeschlossen worden seien.
Nach Berichten der Medien lehnten die Universitäten im Studienjahr 2006 – 2007 bei 17
„gesternten“ Studenten die Immatrikulation ab. Sie berichteten außerdem von der Äußerung Morteza
Noorbakhshs, des Leiters des Auswahlgremiums beim Wissenschaftsministerium, die Behörden hätten
von 50 bis 60 Studierenden die Zusicherung erhalten, sich von nicht genehmigten politischen
Aktivitäten fernzuhalten. Die Studentenorganisation „Rat der Befürworter für das Recht auf Bildung“
teilen jedoch mit, dass 1.421 Studenten solche Zusicherungen abgeben mussten, bevor sie sich
immatrikulieren konnten. 17 „Drei Sterne“-Studenten wurden ganz ausgeschlossen. Ehemalige
Studenten teilten AI mit, den 17 Studenten sei schriftlich von den Behörden ihr Ausschluss mitgeteilt
worden, anders als Studierenden, die in jüngster Zeit ohne vorherige schriftliche Mitteilung vom
Studium ausgeschlossen worden seien.
33
Durch die fehlenden schriftlichen Benachrichtigungen ist eine genaue Aussage über die Zahl der vom
Studium ausgeschlossenen Studierenden, ob auf Zeit oder auf Dauer, nicht möglich, auch nicht, ob es
wegen ihrer politischen Überzeugung geschah oder ob jemand Angehöriger der Baha’i ist oder einer
anderen Minderheit angehört. Die verfügbaren Informationen sind lückenhaft oder kommen lediglich
von offizieller Seite. So bekamen z.B. laut der ACRE 2008 etwa 40 Bewerber für ein Aufbaustudium an
der Islamischen Azad-Universität keine Prüfungsbogen, entweder weil sie vorher als Baha'i identifiziert
worden waren oder aus „ethischen“ Gründen. Das Studium wurde ihnen untersagt. 2012 berichteten
die Medien von einer Aussage des Ministers für Wissenschaft, Kamran Daneshjoo, dass 35 von 6.200
Studierenden 2011 ein Doktorandenstudium beginnen durften. Sie mussten dann nach Recherchen
der Behörden und des Geheimdienstministeriums das Studium abbrechen, 2012 sei aus denselben
Gründen dies 30 von 10.500 Studierenden passiert. Im Juli 2013 veröffentlichte das
Menschenrechtskomitee der OCU einen Bericht, laut dem es 786 Fälle von suspendierten Studierenden
und 250 Fälle von Verweisungen von der Universität zwischen April 2005 und März 2013 gegeben
habe.
Mehdi Amin Zadeh begann 1996 ein Studium an der Shahid Rajaee Universität. Er war Mitglied des
Zentralrates der ISA und des Hauptbüros der OCU und bis 2005 studentischer Aktivist. Er machte
dann das Master-Examen, durfte aber kein weiterführendes Studium beginnen, wie er Amnesty
International berichtete.
„Ich war der Erste (außer den Baha’i-Studenten), der nicht zugelassen wurde – tatsächlich hatte ich
„Sterne“ bekommen, das erfuhr ich erst später.“
Ein weiterer Student, der ein Studium an der Shahr-e Kord Universität 2009 begonnen hatte,
berichtete AI 2013, dass die Universitätsbehörden in seinem Fall ein Katz-und-Maus-Spiel betrieben.
In den Monaten nach dem Beginn seines Studiums tadelte ihn das Disziplinarkomitee der Universität,
nachdem er und andere Studenten gegen den offiziellen Befehl, das ISA zu schließen, protestiert
hatten. Er wurde im Februar 2011 inhaftiert und vor ein Revolutionsgericht gestellt, nachdem er an
einer Demonstration teilgenommen hatte. Das Gericht entließ ihn gegen Kaution. Dann klagte ihn das
Disziplinierungskomitee im Mai 2011 an, er habe „mit einem ausländischen Medium kooperiert und
eine Atmosphäre der Angst bei den Behörden der Universität“ erzeugt. Das Komitee verbot ihm für zwei
Semester, die universitären Einrichtungen, einschließlich der Schlafsäle, zu benutzen. Das Komitee
beschuldigte ihn dann einen Monat später, er habe „das System und die Behörden der Universität
beleidigt“, er sei „Mitglied bei Facebook“, habe „die Revolution beleidigt“ und „die universitäre
Ordnung gestört und die Regeln an der Universität verletzt“. Sicherheitsbeamte hinderten ihn mit
Gewalt daran, seine Klausur zu schreiben. Sie begründeten das damit, dass er von der Universität
ausgeschlossen sei. Er erhielt darüber nie eine schriftliche Begründung. Kurze Zeit später
durchsuchten Sicherheitskräfte seine Wohnung. Zu der Zeit war er nicht anwesend. Da er eine
Verhaftung befürchtete, verließ er dann den Iran. Nach seiner Flucht hätten seine Eltern einen Brief
von den Universitätsbehörden bekommen, er sei der Universität verwiesen worden, da er nicht an den
Prüfungen teilgenommen habe.
Hossein Torkashvand berichtete AI, das zentrale Disziplinierungskomitee habe ihn im Juni 2010 der
Universität in Teheran verwiesen. 2008 habe er von den zwei „Sternen“ erfahren, als er an der
Eingangsprüfung zu einem weiterführenden Studiengang teilgenommen habe.
„Ich musste ein Papier unterschreiben. Ich verpflichtete mich, jegliche politische Aktivität zu
unterlassen, damit ich mein Masterstudium beginnen könne.“
Er wusste, dass drei „Sterne“ seinen sofortigen Ausschluss bedeuteten. Das wurde bestätigt, als er vor
das zentrale Disziplinierungskomitee des Wissenschaftsministeriums geladen wurde. Zuvor hatten ihn
Sicherheitskräfte eine Zeitlang wegen seines friedlichen politischen Engagements inhaftiert. Das
Komitee teilte ihm mit, er könne mit seinem Verweis rechnen, was im Juni 2010 geschah. Anders als
die meisten anderen Studenten erreichte er, den formellen Ausschluss von einem
Universitätsmitarbeiter zu bekommen. Nachdem er vom Revolutionsgericht zu einem Verhör vorgeladen
wurde, konnte er im Januar 2012 aus dem Iran fliehen.
Amir Rezaei, Student an der Universität Oroumieh, hatte bei der Präsidentenwahl 2009 Mir Hossein
Mousavi unterstützt. Er berichtete AI, Geheimdienstler hätten ihn am Tag nach der Wahl verhaftet und
34
ihn für sechs Tage inhaftiert. Er wurde dann wieder von Revolutionsgarden nach den
Massendemonstrationen zum Ashura-Fest am 27. Dezember 2009 inhaftiert. Er blieb 25 Tage in Haft
und wurde dann vom Richter „bedingt“ freigelassen. Das Disziplinierungskomitee verwies ihn für zwei
Semester von der Universität, da er in einer Veröffentlichung die Herrschaft der Geistlichen kritisiert
hatte. Er wurde dann im Mai 2011 erneut vorgeladen. Man teilte ihm den Verweis von der Universität
mit. Im Juni 2011 verließ er den Iran.
Wie viele weitere Studierende wurde Arjang Alipour der Universität Shiraz verwiesen. Er hatte an einer
Demonstration an der Universität teilgenommen. Er sagte Amnesty International:
„Zuletzt nahm ich an der Universität an Demonstrationen am 14. Februar 2011 teil … innerhalb von
zwei Wochen wurde ich vier Mal vor das Disziplinarkomitee geladen. Jedes Mal wurde ich verwarnt und
erhielt einen Verweis von der Universität für zwei Semester. Sie berieten über meine Berufung ohne
meine Anwesenheit. In der Sitzung entschieden sie, meinen Fall an das zentrale Disziplinarkomitee
beim Wissenschaftsministerium zu senden. Dieses verwies mich von der Universität und verbot mir, in
den nächsten fünf Jahren an einer iranischen Universität zu studieren.“
Reza Ghazinouri war in der Demokratiebewegung engagiert
und machte ein Aufbaustudium an der Universität in
Teheran. Er berichtete AI, dass er vor dem zentralen
Disziplinarkomitee um Erlaubnis gebeten hatte, sein Studium
zu beenden und danach das Land verlassen zu dürfen:
„Sie sagten zu mir, das genau wollten sie nicht. Sie wüssten,
dass er das Masterdiplom machen wolle, dann den Doktor der
Philosophie in den USA, um dann dem System
Schwierigkeiten zu bereiten. Das sei ihnen zu gefährlich. Sie
wollten mich lieber jetzt (von der Universität) verweisen.
Dann hätte ich das Bachelor-Diplom, könne zum Militär
gehen und könne nicht meine Stimme erheben. Mit einem
Doktor hätten sie es wesentlich schwerer.“
Viele Studierende wurden von der Universität verwiesen,
nachdem sie eine Haftstrafe wegen ihres politischen
Engagements verbüßt hatten.
Reza Ghazinouri
© Privat
Seit der Wahl von Präsident Rouhani Juni 2013 gab es verschiedene Entwicklungen, die ein Signal für
eine politische Entspannung sein könnten. Am 11. September 2013 kündigte der vorläufige
Wissenschaftsminister, Ja’far Tofighi, an, dass er eine Arbeitsgruppe eingesetzt habe. Diese solle
Beschwerden von Studierenden nachgehen, die vom Studium, der Lehre oder von anderen
Universitätsämtern ausgeschlossen wurden. Fünf Tage später gab das Wissenschaftsministerium
bekannt, es sei beschlossen worden, dass die seit dem Studienjahr 2011 – 2012 ausgeschlossenen
Studierenden ihre Beschwerden bei der neuen Arbeitsgruppe vorbringen und an ihren Studienplatz
zurückkehren könnten, falls sie ihre Beschwerde aufrecht erhielten. Diejenigen, die vor 2011-2012
verwiesen wurden, wurden auf die jährliche Eingangsprüfung hingewiesen, um so wieder ein Studium
aufzunehmen. Im November 2013 legte das Wissenschaftsministerium der Regierung einen
Tätigkeitsbericht über die ersten 100 Tage seit der Regierungsbildung von Präsident Rouhani vor. In
diesem zeigte das Ministerium auf, das es 400 Beschwerden von ausgesperrten Studenten
nachgegangen sei mit dem Resultat, dass 126 Studenten ihre Studien fortsetzen durften. Vorher
mussten sie eine Vereinbarung unterschreiben, deren genauer Inhalt nicht bekannt ist. Im Oktober
2013 erklärte der einstweilige Dekan der Allameh Tabataba’i Universität, dass die Universitätsbehörden
die Rückkehr von 12 „gesternten“ Studierenden und von zwei Dozenten erlaubt hätten, die früher
ausgesperrt worden waren.
Ende März 2014 wurden einige Einzelheiten über das Verfahren und das Vorgehen der Arbeitsgruppe
im Wissenschaftsministerium bekannt. Unklar war, wie vielen gesperrten Studenten und Dozenten die
Rückkehr an die Universitäten erlaubt wurde und zu welchen Bedingungen. Es scheint wahrscheinlich,
dass eine Entscheidung des Wissenschaftsministeriums zuvor die Zustimmung des
Geheimdienstministeriums erforderte. Im Dezember 2013 wurde ein Mitglied des parlamentarischen
35
Forschungs- und Bildungsausschusses, Alireza Montazeri, von der Fars News Agency interviewt. Er
stellte dabei fest, dass eine Rückkehr „gesternter Studenten“ an die Universitäten ohne eine
Beurteilung der Sicherheitsorgane nicht möglich sei.
Klar scheint, dass das Wissenschaftsministerium ernsthafte Kritik von einflussreicher Stelle,
einschließlich des Parlaments, bekam. Im Januar 2014 legten drei Parlamentarier des Forschungs- und
Bildungsausschusses gegen den Wissenschaftsminister, Reza Faraji Dana, eine Beschwerde ein. Sie
warfen dem Ministerium fehlende Dokumente und andere Beweismittel vor, im Hinblick auf früher
„gesternte“ Studierende und andere Personen, die vom Geheimdienstministerium Abmahnungen
bekommen hatten.
Ende März 2014 sollen noch mehrere Hundert Studierende von der Weiterführung ihres Studiums
wegen der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf Meinungsfreiheit, Versammlung und Vereinigung
ausgeschlossen gewesen sein. Auch blieben Baha’i von den Immatrikulationen an staatlichen
Universitäten, Medizinschulen oder anderen Studieneinrichtungen ausgeschlossen.
FESTNAHMEN, HAFT UND FOLTER
Immer wieder in der Geschichte der Islamischen Republik richteten das Geheimdienstministerium und
andere Sicherheitsbehörden ihre Maßnahmen besonders gegen Studierende, Lehrer und Akademiker,
die abweichende Meinungen äußerten oder Proteste organisierten. Oft wurden die Betroffenen nach
ihrer Festnahme unter harten Bedingungen in Haft gehalten, gefoltert oder anderen Formen von
Misshandlung ausgesetzt und schließlich in grob unfairen Verfahren vor Revolutionsgerichten mit vage
formulierten Anklagen konfrontiert und zu Gefängnisstrafen sowie in einigen Fällen zur Auspeitschung
verurteilt.
Viele Studierende, die in Haft gesessen hatten, berichteten, Sicherheitsbeamte hätten ihnen nach der
Festnahme die Augen verbunden und sie während des Transports zum Haftort geschlagen; bei den
Verhören habe man sie dann gefoltert und anderen Formen von Misshandlung ausgesetzt, um
„Geständnisse“ aus ihnen herauszupressen. Zu den gängigsten Methoden, die genannt wurden, gehörte
die Misshandlung mit heftigen Schlägen, die Verabreichung von Elektroschocks an verschiedenen
Körperteilen und das Aufhängen an den Füßen über lange Zeiträume sowie Vergewaltigungen oder die
Androhung der Vergewaltigung von Männern und Frauen. Andere Häftlinge erklärten, man habe sie in
winzigen Zellen festgehalten und mit dem Tod bedroht, Scheinhinrichtungen vorgenommen und ihnen
gedroht, auch ihre Angehörigen zu verhaften und zu foltern. Man habe sie lange Zeit im Dunkeln
zubringen lassen oder grellem Licht ausgesetzt, ihnen Nahrungsmittel, Wasser und Schlaf vorenthalten.
Studierendenproteste zur Unterstützung verhafteter Kommilitonen
an der Amir-Kabir-Universität.
©Daneshjoo News.
Zu Foltervorwürfen von Häftlingen oder
Beklagten führen die iranischen
Behörden nur selten eine Untersuchung
durch, und sie tun kaum etwas, um die
Verantwortlichen zur Verantwortung zu
ziehen, obwohl sie nach internationalen
Menschenrechtsabkommen dazu
verpflichtet wären. Zu einer
Untersuchung kommt es im
Allgemeinen nur, wenn das Opfer
wegen seiner politischen Beziehungen
großen Einfluss hat – wie einige der
Häftlinge, die Mitte 2009 in der
Haftanstalt Kahrizak an der Folge der
erlittenen Folterungen und anderen
Misshandlungen starben – oder wenn
es eine doppelte bzw. eine zweite
Staatsbürgerschaft besitzt.
Doch auch in solchen Fällen
36
veröffentlichen die Behörden nur wenige Informationen über die durchgeführten Ermittlungen, und die
internationalen Standards z.B. für Unabhängigkeit und Transparenz des Verfahrens werden nicht
erfüllt. Die im Folgenden dargestellten Fälle belegen ein Muster schwerer Menschenrechtsverletzungen,
das im Iran längst tief verwurzelt ist und zu dessen Opfern nicht nur Studierende und Akademiker
gehören, sondern auch politisch aktive Bürger, Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger und
Menschen, die sich für die Rechte von Frauen und Minderheiten einsetzen, sowie Journalisten, Blogger,
Filmschaffende, Gewerkschafter und Personen aus anderen Bereichen, die wegen ihrer tatsächlichen
oder mutmaßlichen Meinung bzw. wegen ihrer ethnischen oder religiösen Identität in die Schusslinie
der Behörden geraten sind.
Der engagierte Studierendenvertreter Ehsan Mansouri wurde 2007 im Zusammenhang mit der
sogenannten „Affäre um gefälschte Veröffentlichungen“ von bewaffneten Beamten des
Geheimdienstministeriums verhaftet. Fünf Jahre später schilderte er im Exil Vertretern von Amnesty
International die Folterungen, die er bei seiner Festnahme und während der Haft erlitt:
“Sie packten mich und legten mir Handschellen an. Dann warfen sie mich zu Boden und zerrten mich
etwa 50 m bis zu ihrem Fahrzeug, schlugen dabei ununterbrochen auf mich ein. Sie stießen mich in
den Wagen und brachten mich zur Haftanstalt des Geheimdienstes. Auf dem Weg versetzte mir der
Mann, der neben mir saß, ununterbrochen Schläge ins Gesicht und in die Seite.”
Ehsan Mansouri wurde später ins Evin-Gefängnis verbracht. Er berichtete Amnesty International:
„Nach einer [ärztlichen] Untersuchung steckte man mich in eine Einzelzelle. Am nächsten Tag
begannen die Verhöre. Ich wurde mit verbundenen Augen in ein Zimmer gebracht und musste mich mit
dem Gesicht zur Wand auf einen Stuhl setzen. Die Vernehmungsbeamten standen hinter mir. Sie haben
ganz besondere Verhörtechniken. Beim ersten Verhör wurde ich von dem Beamten nicht so heftig
geschlagen, aber es dauerte 48 Stunden und ich war am Ende völlig erschöpft. Als der zweite Beamte kam,
ließ er mich mit einem Faustschlag ins Gesicht spüren, dass er da war. Er stellte mir keine Fragen, sondern
schlug eine Stunde lang nur auf mich ein. Das ging so bis zum nächsten Morgen. Dann kam wieder der
ruhigere Vernehmungsbeamte. Ich wurde insgesamt 13 Tage auf diese Weise verhört.
In der ganzen Zeit wurde ich immer wieder heftig geprügelt. Sie versetzten mir Schläge gegen die Nieren…
An manchen Tagen wurde ich zehn bis zwölf Stunden lang von vier oder fünf Beamten verhört, die sich
abwechselten, wenn sie müde wurden. An diesen Tagen bekam ich drei oder vier Stunden lang
ununterbrochen Schläge. Sie zwangen mich, stundenlang zu stehen oder ununterbrochen Kniebeugen
machen. Manchmal setzten sie sich auf Stühle und ließen mich auf allen Vieren durchs Zimmer kriechen,
mit einem von ihnen auf dem Rücken. Manchmal packte dann ein Beamter mit seinen Zehen das
Vernehmungsprotokoll, hielt es mir vors Gesicht und ließ es mich vorlesen. Sie wollten mich erniedrigen.
Nach 13 Tagen „gestand“ ich alles. Danach ließ der Druck nach. Es gab weniger Schläge. [Aber] wir
verbrachten zwei Monate in Einzelhaft. Das ist die schlimmste Folter. Manchmal durfte ich zehn Tage lang
meine Zelle nicht verlassen. Die Isolation und die Unsicherheit, was passieren würde, waren unerträglich.“
Ehsan Mansouri wurde von der sechsten Kammer des Revolutionsgerichts Teheran wegen „Propaganda
gegen den Staat“ und „Beleidigung des obersten Religionsführers“ zu zwei Jahren Haft verurteilt. Am
18. August 2008 kam er auf Bewährung frei.
Hossein Torkashvand, ein engagierter Student der Amir-Kabir-Universität, war 2007 ebenfalls im
Zusammenhang mit der „Affäre um gefälschte Veröffentlichungen“ mehrmals zum Verhör einbestellt
worden. Im November 2008 wurde er zusammen mit anderen Studierenden von Sicherheitsbeamten
festgenommen, als sie ein Lied über die Studentenbewegung probten, das sie am nationalen Tag der
Studierenden aufführen wollten. Er wurde eine Woche lang in Haft gehalten und erst dann wegen
„Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit“ und „Beteiligung an einer illegalen Zusammenkunft“ unter
Anklage gestellt und gegen Kaution freigelassen. Am 5. Februar 2009 nahmen Sicherheitsbeamte in
Zivil ihn erneut fest. Sie kannten ihn noch von seiner vorherigen Verhaftung, als er und einige Freunde
sich in der Nähe eines Ortes aufgehalten hatten, an dem eine geplante Versammlung von den Behörden
kurzfristig verboten worden war. Nach zwei Nächten in der Polizeiwache Gholhak im Norden von
Teheran wurden er und die mit ihm Verhafteten einem Revolutionsgericht vorgeführt, das die Fortdauer
der Haft genehmigte. Sie kamen ins Evin-Gefängnis, wo sie zunächst vier Wochen lang ohne Kontakt
zur Außenwelt in Einzelhaft gehalten und dann in Trakt 209 verlegt wurden, der dem
37
Geheimdienstministerium untersteht. Seine Erinnerung an die Misshandlungen während der Haft war
noch sehr lebendig, als er im April 2013 mit Vertretern von Amnesty International sprach:
„Sie haben uns auch noch die Haare abrasiert. Dann begannen die Verhöre, begleitet von Schlägen und
Misshandlungen. Stundenlang mussten wir stehen und immer wieder Kniebeugen machen. Ich hatte so
viele Kniebeugen gemacht, dass ich nicht mehr konnte … Es tat so weh, dass ich nicht einmal zur
Toilette gehen konnte. Und immer wieder bedrohten sie mich – mich und meine Familie.”
Hossein Torkashvand erklärte, Mitarbeiter des Geheimdienstministeriums hätten ihn gedrängt, als
Informant für sie zu arbeiten und andere engagierte StudentInnen auszuspionieren, und als er sich
weigerte, habe man ihn gefoltert.
Am 4. Mai 2009 wurde er freigelassen. Zu diesem Zeitpunkt war sein „psychischer Zustand sehr
schlecht“, aber auch nach seiner Entlassung wurde er wieder von Mitarbeitern des
Geheimdienstministeriums zum Verhör einbestellt. „Jedes Mal verbanden sie mir die Augen und
bedrängten mich, für sie zu arbeiten“, erklärte er gegenüber Amnesty International. Nach diesen
Übergriffen brach er den Kontakt zu den anderen politisch engagierten Studenten ab und verließ
Teheran.
EVIN-GEFÄNGNIS
Einige Studierende, die wegen ihrer legitimen studentischen Aktivitäten verhaftet wurden, landeten im
Evin-Gefängnis in Teheran. Offiziell untersteht das Gefängnis der „Staatlichen Verwaltung für
Gefängnisse, Sicherheits- und Korrekturmaßnahmen“ (im Folgenden „Gefängnisbehörde“), die von der
Justiz kontrolliert wird. Bestimmte Abteilungen des Evin-Gefängnisses, in denen politische Häftlinge
festgehalten werden, stehen dagegen unter der Kontrolle des Ministeriums für Sicherheitsdienste und
Staatssicherheit oder der Revolutionsgarden, des Sondergerichts für Geistliche oder anderer
Sicherheitsorgane. Diese Abteilungen sind de facto eigene Gefängnisse innerhalb des Evin-Komplexes,
wo Haftbedingungen und Behandlung der Insassen von diesen Organen festgelegt werden und nicht
von der Gefängnisbehörde. Immer wieder wird berichtet, dass Häftlinge hier gefoltert und misshandelt
wurden.
Trakt 240, der dem Geheimdienstministerium untersteht, hat Berichten zufolge vier Etagen mit
Isolationszellen. Hier werden manchmal prominente politische Gefangene untergebracht, doch nach
Berichten ehemaliger Insassen kommen nach Massenverhaftungen auch große Gruppen von Häftlingen
hierher.
Trakt 209 untersteht ebenfalls dem Geheimdienstministerium. Ehemaligen Häftlingen zufolge gibt es
hier vor allem Einzelzellen. Hier werden sowohl Frauen als auch Männer festgehalten, oft über Wochen
oder gar Monate ohne Kontakt zur Außenwelt, so dass es Verschwindenlassen gleich kommt, und die
Verhöre gehen weiter, auch schon vor der formalen Anklageerhebung. Manchmal kommen die Häftlinge
auch für lange Zeiträume in Einzelhaft. Sie haben keinen Zugang zu Büchern oder Zeitungen, und ihr
Aufenthalt im Evin-Gefängnis wird häufig nicht von der Gefängnisbehörde registriert. Die meisten von
ihnen werden aus politischen bzw. aus „Sicherheitsgründen“ festgehalten. Folterungen sind an der
Tagesordnung, und viele Häftlinge klagten darüber, dass ihnen erforderliche ärztliche Hilfe verweigert
oder nur mit Verzögerung erteilt wurde. Nicht einmal Vertreter der Gefängnisbehörde haben Zugang zu
Trakt 209, obwohl sie angeblich für das Evin-Gefängnis und seine Insassen verantwortlich sind, und
unabhängige Inspektionen scheinen nicht erlaubt zu sein.
Trakt 2A – auch als Alter Trakt 325 bekannt – wird von den Revolutionsgarden kontrolliert. Hier werden
- meist in der Verhörphase - politische Häftlinge untergebracht, deren Fall die Behörden als besonders
heikel betrachten. Ehemalige Häftlinge berichteten, dass sie während der Haft in diesem Trakt gefoltert
wurden.
Eine Reihe von engagierten StudentInnen, die wegen ihrer Beteiligung an den friedlichen
Massenprotesten nach der Präsidentschaftswahl 2009 in unfairen Verfahren vor den
Revolutionsgerichten zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, saßen auch im März 2014, acht Monate
nach der Wahl von Präsident Rouhani, noch immer in Haft.
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Unter ihnen sind die folgenden Personen:
Sayed Ziaoddin (Zia) Nabavi ist seit dem 14. Juni 2009
inhaftiert, als er kurz nach einer friedlichen Demonstration
gegen Präsident Ahmadinejads Wiederwahl von den
Sicherheitskräften festgenommen wurde. Im Januar 2010
wurde er von der 26. Kammer des Revolutionsgerichts
Teheran zu einer Freiheitsstrafe von15 Jahren verurteilt. Im
Berufungsverfahren wurde das Strafmaß dann auf zehn Jahre
Verbannung in Izeh (Provinz Khuzestan) und 74
Peitschenhiebe verringert. Das Gericht befand ihn der
„Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“,
„Propaganda gegen den Staat“, „Störung der öffentlichen
Ordnung“ und „Moharebeh“ (Feindschaft zu Gott) für
schuldig – der letztgenannte Vorwurf war der gravierendste.
Obwohl er es entschieden abstritt, befand ihn das Gericht
auch für schuldig, mit der verbotenen Organisation
Volksmudschaheddin des Iran (PMOI) zusammenzuarbeiten,
von der mehrere tausend Mitglieder seit vielen Jahren in
Zia Nabavi
einem Flüchtlingslager im Irak leben. Im Berufungsverfahren
© Privat
wurde das Urteil in den weniger schwerwiegenden
Anklagepunkten aufgehoben, doch die Verurteilung zu zehn Jahren Haft und Verbannung wegen
„Feindschaft zu Gott“ wurde bestätigt. Zunächst verbüßte Zia Navabi seine Strafe im Evin-Gefängnis in
Teheran, aber jetzt sitzt er unter harten Haftbedingungen im Karoun-Gefängnis in Ahvaz, im Südwesten
des Iran, fern von seiner Familie. Er erklärt, er sei während des Ermittlungsverfahrens von
Sicherheitsbeamten geschlagen, getreten und erniedrigt worden, und bei der Ankunft im KarounGefängnis im September 2010 seien mehrere Gefängniswärter über ihn hergefallen. Seit seiner
Verhaftung im Juni 2009 hat Zia Nabavi nur einmal, im Januar/Februar 2014, neun Tage Hafturlaub
bekommen.
Vor seiner Verhaftung im Jahr 2009 hatte Zia Nabavi den Rat zur Verteidigung des Rechts auf Bildung
ACRE mitgegründet, der die Interessen derjenigen Studierenden wahrnimmt, denen die Behörden
wegen ihrer politischen Ansichten oder wegen Zugehörigkeit zu den Bahais den weiteren Besuch einer
Universität untersagten. Seine erste Verhaftung erfolgte 2007, als er in der Mazandaran-Universität an
einem Protest-Sit-In gegen die Verhaftung eines anderen Studenten teilnahm. Später belegte man ihn
wegen seiner friedlichen politischen Aktivitäten mit drei „Sternen“ und schloss ihn vom Studium aus.
Während der Haft schrieb Zia Nabavi ein Gedicht, das er dem Richter widmete, der ihn verurteilt hatte.
Es beginnt mit den Worten: „Als Rechtskundiger giltst du, doch was du mir gabst, war nichts als
Unrecht“.
Am 6. März 2013 wurde Zia Nabavi vom Karoun-Gefängnis nach Ahvaz zu einem Revolutionsgericht
gebracht, das ihn wegen seiner Bemerkungen in einem Brief aus dem Gefängnis erneut wegen
„Propaganda gegen den Staat“ unter Anklage stellte, weil er kritisiert hatte, wie ein Häftling namens
Mohammad Ali Amouri, der der arabischen Minderheit der Ahwazi angehörte, zum Tode verurteilt
wurde. Am 14. Oktober 2013 sprach ihn das Gericht von dieser Anklage frei.
Amnesty International betrachtet Zia Nabavi als gewaltlosen politischen Gefangenen und drängt bei den
iranischen Behörden weiter auf seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung.
Bahareh Hedayat, Frauenrechtlerin und Mitglied im Leitungsausschuss des offiziellen
Studierendenverbands OCU (Büro für die Wahrung der Einheit), sitzt seit ihrer Festnahme am 31.
Dezember 2009 in Haft. Im Mai 2010 verurteilte die 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran sie
wegen „Beleidigung des Präsidenten“, „Beleidigung des obersten Religionsführers“, „Versammlung
und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Propaganda gegen den Staat“ zu einer
Gefängnisstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Dazu musste sie nun auch eine frühere, auf
Bewährung ausgesetzte Haftstrafe verbüßen, die wegen der Beteiligung an einer Demonstration gegen
die rechtliche Diskriminierung von Frauen gegen sie verhängt worden war.
39
Am 30. April 2011 wurde sie im Zusammenhang mit einer
Erklärung, die sie anlässlich des Nationalen Tags der
Studierenden zusammen mit den politisch engagierten
Studierenden Majid Tavakkoli und Mehdieh Golrou verfasst
hatte, zu weiteren sechs Monaten Freiheitsentzug verurteilt.
In der Erklärung hatten sie die Anstrengungen iranischer
StudentInnen im Ausland begrüßt und den Nationalen Tag
der Studierenden als großartige Gelegenheit für Schutz und
Förderung der Studentenbewegung bezeichnet. Bahareh
Hedayat sitzt im Evin-Gefängnis in Teheran ein, durfte es
aber schon mehrmals für kurze Zeit verlassen.
Im April 2012 schrieb sie aus Anlass ihres 31. Geburtstags
und ihres vierten Hochzeitstags einen offenen Brief an ihren
Mann Amin Ahmadian, in dem es heißt:
Bahareh Hedayat
© Campaign for Equality
„Abgesehen davon, dass man alle vermisst (aber das lässt
sich einfach nicht verdrängen), sieht man das Leben vor den
eigenen Augen vorbeiziehen. Es gibt kein natürliches
Umfeld, in dem Denken und Entfaltung möglich wären.
Selbst wenn man versucht , Bücher zu lesen, wenn man es
schafft, an Bücher heranzukommen, die nicht zensiert sind,
führt das nicht zur Entfaltung des eigenen Denkens.“
Amnesty International betrachtet Bahareh Hedayat als gewaltlose politische Gefangene, die nur wegen
der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in
Haft gehalten wird, und fordert ihre unverzügliche und bedingungslose Freilassung.
Majid Tavakkoli sitzt seit seiner Festnahme durch die
Sicherheitskräfte am 7. Dezember 2009 in Haft, weil
er am nationalen Tag der Studierenden bei einer
gewaltfreien Kundgebung an seiner damaligen
Hochschule, der Amir-Kabir-Universität in Teheran,
eine Ansprache gehalten hatte. Schon vorher war er
mehrmals festgenommen worden, z.B. 2007 in
Zusammenhang mit der „Affäre um gefälschte
Veröffentlichungen“. Am 8. Dezember 2009
veröffentlichte die Nachrichtenagentur Fars, die den
Revolutionsgarden nahe steht, ein Foto von ihm in
Frauenkleidung; die Behauptung, diese habe er bei
seiner Verhaftung getragen, war offensichtlich ein
Versuch, ihn zu diskreditieren. Bis zum 6. Januar
2010 durfte er keinen Kontakt zu seiner Familie
aufnehmen, und auch dann nur ganz kurz. Sein
Gerichtsverfahren vor der 15. Kammer des
Revolutionsgerichts Teheran war zu diesem Zeitpunkt
schon fast beendet, doch erst am 11. Januar 2010
konnte er sich mit seinem Anwalt treffen.
Majid Tavakkoli
© Privat
Das Revolutionsgericht verurteilte ihn unter anderem wegen „illegaler Versammlung“, „Verbreitung von
Propaganda“, „Beleidigung“ von Regierungsvertretern“ und „Handlungen gegen die Staatssicherheit
durch Konspiration gegen das System“ zu neun Jahren Haft und verbot ihm für weitere fünf Jahre jede
politische Betätigung sowie die Ausreise aus dem Iran. Auf Wunsch des Wissenschaftsministeriums
verhängte das Gericht außerdem ein lebenslängliches Studienverbot für alle Universitäten des Landes;
so konnte er sein Studium im Gefängnis nicht fortsetzen. Nach einem gemeinsamen Brief aus dem
Gefängnis zum Tag der Studierenden 2010 wurden er, Bahareh Hedayat und Mehdieh Golrou, eine
weitere Studentin, im November 2011 wegen „Propaganda gegen den Staat“ jeweils zu weiteren sechs
Monaten Haft verurteilt. Seit seiner Verlegung aus dem Evin-Gefängnis im August 2010 sitzt Majid
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Tavakkoli im Raja'i Shahr-Gefängnis in Karaj ein, 50 km von Teheran, obwohl er in Shiraz im
Südwesten des Iran zuhause ist. Obwohl er wegen der Gebrechlichkeit seiner Eltern und der großen
Entfernung kaum Besuch erhält, werden ihm Telefongespräche verweigert. Er saß mehrmals für längere
Zeit in Einzelhaft und protestierte wiederholt mit Hungerstreiks gegen seine Behandlung und seine
Haftbedingungen, die Anlass zu Sorge um seine Gesundheit geben. Im Oktober 2013 wurde ihm zum
ersten Mal seit seiner Verhaftung im Jahr 2009 ein kurzer Hafturlaub von vier Tagen gewährt. Aus
Solidarität verliehen ihm norwegische StudentInnen den Studentischen Friedenspreis 2013.
Amnesty International betrachtet Majid Tavakkoli als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert
seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung.
„Ich bin nicht böse, weil Majid im Gefängnis sitzt, ich bin stolz auf meinen Sohn. Aber sie nehmen ihm
alle Rechte, die ihm als Häftling zustehen. Er hat das Recht, mit seiner Familie zu telefonieren,
Besuch zu empfangen und durch eine Glasscheibe mit den Besuchern zu sprechen, und er hat
Anspruch auf Hafturlaub. Ich weiß nicht, warum sie es ihm nicht erlauben… Was könnte schlimmer
sein für eine Mutter, die ihr Kind seit drei Jahren nicht mehr gesehen hat. Seit drei Jahren habe ich
nichts als Sehnsucht und Hoffnung. Majid darf seit zwei Jahren nicht telefonieren. Ich habe eine
Kaution für ihn bezahlt in der Hoffnung auf ein Wiedersehen, aber sie haben seinen Hafturlaub ohne
Begründung gestrichen. Ich möchte den Behörden sagen: hört das Flehen einer Mutter. Wenn sie ihm
schon den Hafturlaub gestrichen haben, sollten sie ihn zumindest an den Besuchstagen telefonieren
lassen. Ich werde die Gespräche bezahlen. Dann kann ich an den Tagen, an denen die anderen
Gefangenen Besuch bekommen, wenigstens am Telefon mit meinem Sohn sprechen.”
Die Mutter von Majid Tavakkoli in einem Interview für Daneshjoo News vor dem nationalen Tag der Studierenden
am 7. Dezember 2012.
Shiva Nazar Ahari, Menschenrechtsverteidigerin und Mitglied
der iranischen Menschenrechtsorganisation „Committee of
Human Rights Reporters“ (CHRR), verbüßt wegen ihres
gewaltfreien Einsatzes für die Menschenrechte im EvinGefängnis eine vierjährige Freiheitsstrafe. Sie wurde
unmittelbar nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen
im Juni 2009 festgenommen und drei Monate lang in Haft
gehalten. Im Dezember 2009 nahm man sie – zusammen mit
zwei weiteren CHRR-Mitgliedern – auf dem Weg zur
Beerdigung des regierungskritischen Großayatollah Montazeri
erneut fest und hielt sie bis September 2010 in Haft. Im
Februar 2010 berichtete sie, dass sie den Großteil der Zeit in
einer „käfigartigen“ Einzelzelle verbringen musste, die so eng
war, dass sie Arme und Beine nicht ausstrecken konnte. Im
September 2010 wurde sie von einem Revolutionsgericht
wegen „Feindschaft zu Gott“, „Versammlung und
Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Propaganda
gegen den Staat“ zu 74 Peitschenhieben (in eine Geldstrafe
umgewandelt) und sechs Jahren Haft verurteilt. Im
Berufungsverfahren wurde der Anklagepunkt „Versammlung
und Konspiration“ fallen gelassen und das Urteil auf vier
Shiva Nazar Ahari
© Privat
Jahre Haft verringert. Am 8. September 2012 trat sie ihre
Haftstrafe an. Aus Protest gegen die Behandlung im EvinGefängnis beteiligte sie sich im Oktober 2012 an einem Hungerstreik mehrerer weiblicher Häftlinge.
Als die Gefängnisbehörde auf ihre Beschwerde gegen die Gefängniswärter hin eine Untersuchung
zusagte, beendeten sie und sieben weitere politische Gefangene am 6. November ihren Hungerstreik.
Amnesty International betrachtet Shiva Nazar Ahari als gewaltlose politische Gefangene und fordert ihre
unverzügliche und bedingungslose Freilassung.
Navid Khanjani, ein Student, der als Angehöriger der religiösen Minderheit der Bahai vom Studium
ausgeschlossen wurde, war Gründungsmitglied des „Komitees zur Durchsetzung des Rechts auf
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Bildung für Bahai“ (Committee for Pursuit of the Right to Education for Baha’is Students - CHRR) und
der „Vereinigung gegen Diskriminierung im Bildungswesen“ (Association Against Discrimination in
Education – AODE). Er wurde am 2. März 2010 in Isfahan festgenommen und ins Evin-Gefängnis
gebracht. Dort blieb er für 65 Tage, 25 davon verbrachte er in Einzelhaft. Er durfte keinen Kontakt zu
einem Anwalt aufnehmen und wurde wiederholt mit Schlägen misshandelt, so dass er schließlich aus
Protest einen Hungerstreik antrat. Bei den Verhören wurde er gedrängt, vor laufender Video-Kamera ein
„Geständnis“ abzugeben. Am 20. Dezember 2010 wurde er in einem unfairen Verfahren vor der 26.
Kammer des Revolutionsgerichts Teheran im Zusammenhang mit seiner Mitarbeit bei CHRR und AODE
wegen „Schürens von öffentlicher Unruhe“ und „Propaganda gegen den Staat“ zu 18 Jahren Haft
verurteilt. Am 31. Mai 2011 kam er dann aber nach Hinterlegung einer hohen Kaution bis zum
Abschluss des Berufungsverfahrens frei. Die Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren, die das Gericht
nach Anwendung „islamischer Gnade“ festgesetzt haben soll, wurde im Berufungsverfahren bestätigt.
Er wurde am 22. August 2012 erneut festgenommen, als er zusammen mit einer Gruppe von
freiwilligen Helfern in einem Hilfscamp für Erdbebenopfer in der Provinz Ost-Aserbaidschan arbeitete.
Jetzt sitzt er im Raja’i Shahr-Gefängnis in Haft.
Amnesty International betrachtet Navid Khanjani als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert
seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung.
Omid Kokabee, Physiker und Angehöriger der turkmenischen Minderheit, befindet sich seit dem 30.
Januar 2011 in Haft. Als Doktorand an der Universität von Texas reiste er im Januar 2011 in den
Winterferien zu seiner Familie in den Iran. Als er am 30. Januar den Rückflug antreten wollte, wurde er
auf dem Teheraner Imam-Khomeini-Flughafen von Sicherheitsbeamten festgenommen. Fünfzehn
Monate später, am 13. Mai 2012, wurde er dann unter der Anklage, „Kontakte zu feindlich gesinnten
Ländern“ zu halten, vor Gericht gestellt. Sein Verfahren wurde zusammen mit zwölf weiteren unter dem
Titel „Prozess wegen Zusammenarbeit mit dem Mossad“ im Fernsehen übertragen. Das Verfahren war
grob unfair: Vor Beginn des Prozesses durfte Kokabee nicht mit seinem Anwalt sprechen, und obwohl
die Staatsanwaltschaft keine Beweise gegen ihn vorlegte, verurteilte ihn das Gericht wegen
„Verbindungen zu einer feindlich gesinnten Regierung“ zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Das
Berufungsgericht bestätigte im August 2012 dieses Urteil. Nach einer Meldung des persischsprachigen Internet-Nachrichtendienstes Kaleme wurde er von der 1057. Kammer des Gerichtshofs
Teheran wegen „Annahme illegaler Zahlungen“ – d.h. des Stipendiums, das ihm die Universität von
Texas zur Finanzierung seines Studienaufenthalts gewährt hatte – zu weiteren 91 Tagen Haft verurteilt.
Im Juli 2011 schrieb Omid Kokabee einen Brief an den Justizminister, in dem er darauf hinwies, dass
er in der Untersuchungshaft zu falschen „Geständnissen“ gezwungen wurde, doch der Minister scheint
keine Untersuchung dieses Vorwurfs veranlasst zu haben. In einem weiteren Brief im September 2011
erklärte Omid Kokabee, die Beamten, die ihn verhört hatten, hätten ihn offensichtlich als Mitarbeiter
für Militär und Geheimdienst rekrutieren wollen. „Mein einziger Fehler besteht darin, dass ich in einem
hochspezialisierten Bereich tätig bin, in dem im Iran niemand so viel Kenntnisse und Erfahrung hat“,
schrieb er, und fügte an: „Leider scheinen diese Fachkenntnisse im Iran sehr gefragt zu sein.”
Amnesty International betrachtet Omid Kokabee als gewaltlosen politischen Gefangenen, der nur
deshalb in Haft sitzt, weil er sich geweigert hat, mit dem iranischen Militär und den Geheimdiensten
zusammenzuarbeiten. Die fadenscheinigen Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden, beziehen sich
ausschließlich auf seine legitime wissenschaftliche Tätigkeit außerhalb des Iran. Amnesty International
fordert seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung.
Leva Khanjani, die als Angehörige der religiösen Minderheit der Bahai wegen ihres Glaubens vom
Studium ausgeschlossen wurde, trat am 25. August 2012 im Evin-Gefängnis eine zweijährige
Haftstrafe wegen „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“, „Propaganda gegen den
Staat“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“ an, zu der sie von einem Revolutionsgericht verurteilt
worden war, weil sie angeblich an regierungskritischen Demonstrationen anlässlich des Ashura-Festes
im Dezember 2009 teilgenommen hatte. Am 10. Juli 2010 kam sie vorübergehend frei, kehrte jedoch
im Dezember 2013 zur Verbüßung ihrer restlichen Strafe ins Evin-Gefängnis zurück.
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Majid Dorri, ein Mitglied von ACRE, wurde im Juli 2009 im nordiranischen Qazvin verhaftet. Er wurde
drei Monate lang in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses in Einzelhaft gehalten und dann in Trakt 350 in
Normalhaft verlegt.
Im Dezember 2009 verurteilte ihn die 26. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran wegen
„staatsgefährdender Betätigung in Form der Teilnahme an illegalen Versammlungen“, „Feindschaft
gegen Gott wegen Verbindungen zu der verbotenen Organisation der Volksmujahedin“ und „Propaganda
gegen den Staat“ zu insgesamt elf Jahren Haft, von denen fünf als Verbannung im inneren Exil zu
verbüßen waren; im Berufungsverfahren wurde der erste Anklagepunkt fallen gelassen und das
Strafmaß auf sechs Jahre Haft verringert, sechs davon in Form von innerem Exil.
Ende Juli 2010 begann Majid Dorri einen Hungerstreik, weil er und andere politische Gefangene als
Bestrafung für ihren Protest gegen die nach ihrer Ansicht „beleidigende Behandlung“ durch die
Gefängnisverwaltung in Trakt 240 in Einzelhaft verlegt wurden. Im Oktober 2010 verlegte man ihn
dann aber ins Behbahan-Gefängnis in der südiranischen Provinz Khuzestan, wo er den Rest seiner
Strafe im inneren Exil verbüßen muss.
Im Mai 2011 verfasste Majid Dorri zusammen mit 25 weiteren politischen Gefangenen einen
Beschwerdebrief an die zentrale Stelle zur Überwachung der Durchführung des Gesetzes über die
Wahrung der Grundfreiheiten und Bürgerrechte. In dem Brief beschreiben sie die Folterung und
Misshandlung durch die Beamten des Geheimdienstministeriums und der Revolutionsgarden bei der
Festnahme, in der Haft und während der Verhöre:
„Wir, die Beschwerdeführer, wurden in der Haft gefoltert. Zu den gängigsten Foltermethoden gehört die
Inhaftierung in kleinen Einzelzellen. Selbst die höchsten Amtsinhaber unseres Landes erkennen an,
dass dies Folter ist. Vernehmungsbeamte und Gefängniswärter bestätigen, dass Häftlinge nach
mehrwöchiger Isolationshaft unter gravierenden psychischen Störungen und körperlichen Beschwerden
leiden. Zu den schweren Folterungen, die einige von uns erlitten, gehörte auch das Eintauchen des
Kopfes in die Toilette, oder man zwang uns, die Verhörprotokolle zu essen… Diese Methoden dienen
nicht der Wahrheitsfindung, sondern die Beschuldigten sollen dazu gebracht werden, falsche
Anschuldigungen zu bestätigen und alles zu gestehen, was die Beamten von ihnen hören wollen.”
Es ist nicht bekannt, ob die Zentrale
Überwachungsstelle als Reaktion auf
den Beschwerdebrief der
Gefangenen tätig geworden ist. Die
Allameh-Tabataba’i-Universität, an
der Majid Dorri persische Literatur
studierte, hat ihn im Juli 2011 von
der Universität verwiesen. Schon
zuvor hatte ihn der
Disziplinarausschuss der Universität
wegen seiner Aktivitäten vor der
Verhaftung im Juli 2009 für vier
Semester vom Studium
ausgeschlossen.
Maryam Shafi’ Pour, Doktorandin
der Imam-Khomeini-Universität in
Qazvin und Mitglied des
Unterstützerinnenkomitees für
Mehdi Karroubi bei der
Präsidentschaftswahl 2009,
befindet sich seit 27. Juli 2013 in
Haft. Sie wurde festgenommen, als
sie einer Vorladung ins ShahidMoghaddas-Büro der
Staatsanwaltschaft im Evin-
Demonstration an der Universität Teheran am nationalen Tag der
Studierenden. Die Slogans auf den Plakaten lauten „Trakt 209 des
Evin-Gefängnisses, das Haus derjenigen, die Freiheit fordern“ und
“Bildung ist kein Akt der Gnade, sondern ein Recht”.
© Islamic Student Association of Amir Kabir University
43
Gefängnis folgte. Sie verbrachte 64 Tage in Trakt 20 des Gefängnisses in Einzelhaft, ohne Zugang zu
einem Anwalt. Dann wurde sie zunächst in die allgemeine Abteilung des Evin-Gefängnisses verlegt und
am 16. September 2013 in ein externes Krankenhaus. Ihre Eltern, die sie im Gefängnis besuchen
wollten, erfuhren weder den Grund für die Verlegung noch den Namen des Krankenhauses, in das man
sie gebracht hatte. Maryam Shafi’ Pour wurde vor der 15. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran
unter Anklage gestellt; anscheinend warf man ihr vor, Kontakt mit Familienangehörigen des verhafteten
Oppositionsführers Mehdi Karroubi zu unterhalten. Am 2. März 2014 befand das Revolutionsgericht sie
der folgenden Anklagepunkte für schuldig: „Propaganda gegen den Staat“, „Versammlung und
Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Mitgliedschaft im Rat zur Verteidigung des Rechts auf
Bildung“, der von den iranischen Behörden nicht offiziell anerkannt wird. Maryam Shafi‘ Pour wurde zu
einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Aufgrund dieses Schuldspruchs wird sie wohl
zusätzlich auch die einjährige Haftstrafe verbüßen müssen, zu der sie 2010 in einem anderen Fall von
einem Revolutionsgericht in Qazvin wegen ihrer studentischen Aktivitäten verurteilt worden war, die
damals aber auf Bewährung ausgesetzt wurde. Im April 2013 wartete sie im Gefängnis auf die
Entscheidung im Berufungsverfahren.
Amnesty International betrachtet Maryam Shafi‘ Pour als gewaltlose politische Gefangene und fordert
ihre unverzügliche und bedingungslose Freilassung.
Hossein Ronaghi Maleki, Student der AzadUniversität in Arak und aktiver Blogger, der
wegen seiner politischen Aktivitäten vom
Disziplinarausschuss seiner Universität mit drei
„Sternen“ belegt wurde (ein sogenannter
„Stern-Student“), wurde am 13. Dezember
2009 im Zusammenhang mit den Protesten
nach der Präsidentschaftswahl festgenommen.
Er wurde viele Monate in Trakt 2A des EvinGefängnisses in Einzelhaft gehalten und dort
auch gefoltert und misshandelt. Ein
Revolutionsgericht verurteilte ihn im Jahr 2010
unter anderem wegen „Mitgliedschaft in der
[illegalen] Internet-Gruppe Iran Proxy“,
„Propaganda gegen den Staat“ und
„Beleidigung des obersten Religionsführers und
des Präsidenten“ zu 15 Jahren Haft; die gegen
ihn erhobenen Vorwürfe standen offensichtlich
Hossein Ronaghi Maleki
mit seinen gewaltfreien Aktivitäten wie den
© Privat
Artikeln auf seinem Blog in Verbindung. Sein
Gerichtsverfahren war grob unfair. Er hatte keinen Zugang zu einem Anwalt, und als er vor Gericht
erklärte, er sei in der Untersuchungshaft gefoltert worden, soll der Richter entgegnet haben, er habe
„es verdient“. Eine Untersuchung des Foltervorwurfs wurde nicht angeordnet.
Als Hossein Ronaghi Maleki am 2. Juli 2012 gegen Kaution aus dem Gefängnis frei kam, schrieb er
sofort in seinem Blog: „Nach 32 Monaten ohne Eintrag will ich mich heute endlich wieder melden und
euch sagen, dass es mir gut geht, weil meine Mutter glücklich strahlt und ihr keine Tränen mehr übers
Gesicht rinnen.“ Doch am 22. August wurde er erneut festgenommen, als er zusammen mit einer
Gruppe von freiwilligen Helfern in einem Hilfscamp für Erdbebenopfer in der Provinz OstAserbaidschan arbeitete. Er wurde zunächst in Trakt 1 des Gefängnisses von Tabriz gebracht und dann
nach Teheran ins Evin-Gefängnis verlegt. Man warf ihm vor, „unsaubere und unhygienische Güter
verteilt“ zu haben. Im Evin-Gefängnis wurden ihm die Medikamente verweigert, die er wegen eines
schweren Nierenleidens dringend benötigt. Am 6. November 2012 durfte er das Gefängnis dann aber
aus medizinischen Gründen gegen Kaution verlassen. Hossein Ronaghi Maleki war schon mehrmals an
den Nieren operiert worden und ist auf regelmäßige Medikamente angewiesen. Nach seiner Rückkehr
ins Evin-Gefängnis am 21. Mai 2013 erhielt er diese Medikamente nicht. Laut einer Meldung des
Internet-Nachrichtendienstes Kaleme wurde er diesmal wegen „Verteilung von verschimmeltem Brot“
und „Ungehorsam gegenüber Vollzugsbeamten“ zu fünf Monaten Haft verurteilt.
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Amnesty International betrachtet Hossein Ronaghi Maleki als gewaltlosen politischen Gefangenen und
fordert seine umgehende und bedingungslose Freilassung.
Mehdi Khoda’i, Student an der Azad-Universität in Shahr-e Rey und Mitglied der
Nichtregierungsorganisation „Human Rights Activists in Iran“, verbüßt im Evin-Gefängnis eine
Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Er wurde im März 2010 offensichtlich von Revolutionsgarden
festgenommen und mehrere Monate lang in dem von den Revolutionsgarden kontrollierten Trakt 2A in
Einzelhaft gehalten. Im August 2010 fand vor der 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran sein
Prozess statt, in dem er wegen „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit durch die Mitgliedschaft in
der Organisation Human Rights Activists in Iran“ und „Propaganda gegen den Staat“ angeklagt und zu
drei Jahren Haft verurteilt wurde. Er hatte schon einmal eine Gefängnisstrafe verbüßt, die die 15.
Kammer des Revolutionsgerichts 2009 gegen ihn verhängt hatte. Seine Verurteilung stand damals im
Zusammenhang mit den studentischen Aktionen vor seiner Festnahme im Jahr 2008 wegen
„Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit in Form der Beteiligung an illegalen Versammlungen“.
Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine
unverzügliche und bedingungslose Freilassung.
Ighan Shahidi, ein Student, der der religiösen Minderheit der Baha’i angehört und sich für das Recht
auf Bildung engagiert hat, verbüßt im nordwestlich von Teheran gelegenen Raja’i Shahr-Gefängnis eine
fünfjährige Freiheitsstrafe. Er war am 2. März 2010 zusammen mit zwei weiteren Aktivisten im
westiranischen Kermanshah festgenommen und bis Mai in Haft gehalten, dann aber gegen Kaution
freigelassen worden. Im Juni 2011 verurteilte ihn die 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran zu
einer fünfjährigen Haftstrafe. Die Anklagepunkte umfassten „Propaganda gegen den Staat“,
„Mitgliedschaft im Rat zur Verteidigung des Rechts auf Bildung ACRE“ und „Zugehörigkeit zur Baha’iGemeinschaft“. Kurz darauf bestätigte die 54. Kammer des Berufungsgerichts das Urteil.
Amnesty International betrachtet Ighan Shahidi als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert
seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung.
Emad Bahavar, Führer der Jugendabteilung der Iranischen Freiheitsbewegungspartei und Mitarbeiter
der Wahlkampagne für Mir Hossein Mousavi vor den Präsidentschaftswahlen 2009, verbüßt
gegenwärtig eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren. Ein Revolutionsgericht hatte ihn im Dezember
2010 zunächst wegen „Mitgliedschaft in der Freiheitsbewegung“, „Versammlung und Konspiration
gegen die Staatssicherheit“, „Propaganda gegen den Staat“ und „Beleidigung des obersten
Religionsführers“ zu zehn Jahren Haft verurteilt und ihm für weitere zehn Jahre alle publizistischen
und politischen Aktivitäten verboten. Im August 2013 hob der Oberste Gerichtshof dieses Urteil auf
und verwies das Verfahren zur Überprüfung zurück an ein niedrigeres Gericht; im November 2013
reduzierte dann die 36. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran die Haftstrafe auf sieben Jahre,
bestätigte aber das zehnjährige Verbot aller publizistischen und politischen Aktivitäten. Gegenwärtig
verbüßt Emad Bahavar seine Strafe im Evin-Gefängnis.
Hamed Rouhinejad, Student an der Shahid-Beheshti-Universität, verbüßt zurzeit im Gefängnis in
Zanjan eine siebenjährige Freiheitsstrafe. Nach seiner Verhaftung durch Beamte des
Geheimdienstministeriums im Mai 2009 wurde er 40 Tage lang in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses
festgehalten. In einem der grob unfairen „Schauprozesse“, die auf die Proteste nach den Wahlen von
2009 folgten, wurde er wegen „Verbindungen zu der monarchistischen Vereinigung Anjoman-e
Padeshahi Iran” zum Tod verurteilt; im Berufungsverfahren wurde die Todesstrafe in eine zehnjährige
Haftstrafe umgewandelt. Hamed Rouhinejad leidet an multipler Sklerose (MS), die sich Berichten
zufolge unter den Gefängnisbedingungen rapide verschlechtert, und auch seine Sehfähigkeit ist
erheblich eingeschränkt.
Hassan Asadi Zeidabadi, Mitglied im Zentralrat der Graduiertenvereinigung des Iran und Leiter des
Menschenrechtskomitees der Organisation, verbüßt in Trakt 350 des Evin-Gefängnisses eine Haftstrafe
von fünf Jahren. Er wurde am 3. November 2009 festgenommen und vor die 28. Kammer des
Revolutionsgerichts Teheran gestellt, die ihn der „Versammlung und Konspiration gegen die
Staatssicherheit“, „Propaganda gegen den Staat“, „Teilnahme an illegalen Versammlungen“ und
„Störung der öffentlichen Ordnung“ für schuldig befand.
45
Ali Akbar Mohammad-Zadeh, Student der Sharif-Universität und Generalsekretär ihres Internationalen
Studierendenverbands (ISA), verbüßt gegenwärtig eine sechsjährige Freiheitsstrafe, die die 15. Kammer
des Revolutionsgerichts Teheran im September 2011 wegen „Propaganda gegen den Staat“ und
„Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ gegen ihn verhängte. Nach seiner
Festnahme am 11. Februar 2011, einen Tag nach den Solidaritätsdemonstrationen für die
Protestbewegungen in Tunesien und Ägypten, wurde er für 54 Tage in Einzelhaft genommen und
Berichten zufolge in diesem Zeitraum gefoltert und misshandelt.
Amir Garshasbi, politisch engagierter Student und ISA-Mitglied an der Polytechnischen Universität
Shiraz, verbüßt in Trakt 350 des Evin-Gefängnisses eine Haftstrafe von drei Jahren, zu der ihn die 15.
Kammer des Revolutionsgerichts Teheran wegen „Versammlung und Konspiration gegen die
Staatssicherheit“ verurteilte. Seine Verhaftung war im Zusammenhang mit den Massendemonstrationen
zur Zeit des Ashura-Festes im Dezember 2009 erfolgt.
Yashar Darolshafa, ein Student der Universität Teheran, verbüßt im Evin-Gefängnis eine Freiheitsstrafe,
die im Rechtsmittelverfahren von ursprünglich sieben auf nunmehr fünfeinhalb Jahre reduzierte wurde.
Ein Revolutionsgericht hatte ihn im August 2010 in den Anklagepunkten „Versammlung und
Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Beleidigung des Präsidenten“ für schuldig befunden.
Nach seiner ersten Festnahme am 4. November 2009 wurde er 20 Tage lang im Evin-Gefängnis
festgehalten, dann wieder freigelassen, aber im Februar 2010 erneut verhaftet, zusammen mit sechs
Familienangehörigen, die alle bis Mitte März 2010 wieder auf freiem Fuß waren.
Mostafa Nili, ehemaliges Mitglied der Reformistischen Vereinigung, Student an der Qazvin-Universität
und Mitarbeiter in Mehdi Karroubis Kampagnenteam für die Präsidentschaftswahl 2009, verbüßt im
Raja'i Shahr-Gefängnis eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Seine Verhaftung und seine Verurteilung
erfolgten im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Regierung nach den Präsidentschaftswahlen.
Habibollah Latifi, Wirtschaftsingenieurstudent an der Ilam-Universität, ist seit dem 3. Juli 2008, als
ihn das Revolutionsgericht Sanandaj der „Moharebeh“ (Feindschaft zu Gott) schuldig befand, vom
Vollzug der Todesstrafe bedroht. Obwohl er alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen bestritt, sprach
ihn das Gericht schuldig, an Bombenanschlägen in Sanandaj, der Hauptstadt der iranischen Provinz
Kordestan, beteiligt gewesen zu sein, die der verbotenen bewaffneten Gruppe „Partei für ein freies
Leben in Kurdistan“ (PJAK) zugeschrieben wurden. Er erhielt keinen juristischen Beistand in dem
hinter geschlossenen Türen durchgeführten, grob unfairen Verfahren. Sein Todesurteil wurde zweimal
bestätigt, zuletzt im Mai 2011, und das Hinrichtungsdatum wurde bereits festgesetzt, dann aber
mehrmals verschoben. Im März 2014 befand er sich im Gefängnis in Sanandaj und wartete auf seine
Hinrichtung.
UNFAIRE GERICHTSVERFAHREN
Die Verfahren gegen viele Studenten wurden vor unfairen Revolutionsgerichten geführt, die ansonsten
vor allem über angebliche Verstößen gegen die Staatssicherheit oder Drogendelikten urteilen. Ein
Einzelrichter entscheidet. Die Verhandlungen entsprechen nicht den internationalen Standards für ein
faires Gerichtsverfahren. Bei Fällen, in denen es um angebliche Verstöße gegen die Staatssicherheit
geht, wird gemäß den Bestimmungen der Strafprozessordnung oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit
und der Presse hinter geschlossenen Türen verhandelt. In anderen Fällen werden die
Revolutionsgerichte in „Schauprozessen“ aktiv, wenn die Behörden ein öffentliches Exempel statuieren
wollen wie z.B. Ende 2009, als die staatlichen Medien filmen durften, wie die angeblichen
Organisatoren von Protestveranstaltungen vor dem Revolutionsgericht ihre „Geständnisse“ ablegten.
Beschuldigte, deren Verfahren vor einem Revolutionsgericht stattfindet, dürfen in der Regel in der
Untersuchungshaft und im Ermittlungsverfahren, wo sie während der Verhöre oft gefoltert und
misshandelt werden, keinen Kontakt zu einem Anwalt aufnehmen. Oft haben sie nicht einmal im
Verfahren selbst Zugang zu ihrem Anwalt. Die Behörden berufen sich dabei auf die restriktive
Auslegung einer Anmerkung zu Artikel 128 der Strafprozessordnung, die es den Richtern ermöglicht,
bei mutmaßlichen Verstößen gegen die Staatssicherheit oder das „öffentliche Sittlichkeitsempfinden“
Verteidiger auszuschließen. Viele Beschuldigte erklärten gegenüber Amnesty International, die
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Behörden hätten ihnen zu verstehen gegeben, dass es „besser für sie“ sei, sich keinen Anwalt zu
nehmen.
Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen hat die iranischen Revolutionsgerichte zu
„Sondergerichten“ erklärt, die keine Berechtigung haben, und ihre Abschaffung empfohlen. Verfahren
vor Revolutionsgerichten dauern oft selbst dann nur wenige Minuten, wenn die Beschuldigten von
einem Anwalt vertreten werden. Viele Verteidiger klagten gegenüber Amnesty International darüber,
dass sie erst nach Beginn des Verfahrens Einsicht in die Prozessakten erhielten und somit nicht genug
Zeit für die Vorbereitung des Verfahrens hatten. Die Staatsanwaltschaft stützt sich im Allgemeinen auf
„Geständnisse“ oder andere Erklärungen, die die Beschuldigten in der Untersuchungshaft ohne
Kontakt zur Außenwelt abgegeben haben und zu denen sie nach eigenen Angaben auch mit Folter und
anderen Zwangsmaßnahmen gedrängt wurden. Die Gerichte erkennen solche zweifelhaften
„Geständnisse“ und Erklärungen, mit denen sich die Beschuldigten selbst belasten, im Allgemeinen
an, ohne die von ihnen erhobenen Foltervorwürfe näher zu untersuchen oder sicherzustellen, dass die
Erklärungen freiwillig abgegeben wurden.
Ehemalige Gefangene, deren Verurteilung in einem Verfahren vor einem Revolutionsgericht erfolgte,
berichteten Amnesty International von parteiischen Richtern, die Anweisungen von Mitarbeitern des
Geheimdienstes oder anderer Sicherheitsorgane entgegennahmen. Einige gaben auch an, die
Vernehmungsbeamten hätten ihnen schon vor Beginn des Verfahrens mitgeteilt, wie das Urteil lauten
werde, das dann auch in genau dieser Form vom Revolutionsgericht gegen sie verhängt wurde. Dies legt
den Schluss nahe, dass das Urteil bereits vor Beginn des Verfahrens feststand.
Im Folgenden wird das Schicksal anderer politisch engagierter Studenten dargestellt, die während
Präsident Ahmadinejads zweiter Amtszeit inhaftiert wurden, mittlerweile aber frei sind:
Saeed Jalalifar, ein sogenannter „Stern-Student“ der Universität Zanjan und Mitglied des CHRR, wurde
am 30. November 2009 anscheinend von Mitarbeitern des Geheimdienstministeriums verhaftet und
mehrere Monate lang in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses ohne Zugang zu einem Anwalt in Einzelhaft
festgehalten. Im März 2010 wurde er gegen Kaution freigelassen, am 31. Juli 2011 aber erneut
verhaftet, als ein Gericht die Anordnung der bedingten Freilassung in einen Haftbefehl umwandelte. Im
August 2011 verurteilte ihn die 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran wegen „Propaganda
gegen den Staat in Form der Mitgliedschaft im CHRR“ und „Versammlung und Konspiration gegen die
Staatssicherheit“ zu drei Jahren Haft. Im Februar 2014 wurde er aus dem Evin-Gefängnis entlassen.
Mohammad Pour Abdollah, Student an der Universität
Teheran und Blogger, wurde am 12. Februar 2009
verhaftet und vor Gericht gestellt. Sein Verfahren mit vier
Anklagepunkten fand vor der 15. Kammer des
Revolutionsgerichts statt. Das Gericht sprach ihn von dem
Anklagepunkt frei, Mitglied und Mitgründer einer
„oppositionellen Gruppe“ (d.h. einer politisch
linksstehenden Vereinigung an der Universität) zu sein,
verurteilte ihn aber wegen „Propaganda gegen den Staat“
und „Versammlung und Konspiration gegen die
Staatssicherheit“ zu sechs Jahren Haft. Im
Berufungsverfahren wurde das Strafmaß dann auf drei
Jahre verringert, und 2011 kam Mohammad Pour Abdollah
im Rahmen einer Amnestie frei. Im März 2012 verließ er
den Iran und ging ins Exil.
Shabnam Madadzadeh, Studentin der
Lehrerbildungsuniversität und Vizesekretärin der Teheraner
Abteilung des Studierendenverbands OCU, wurde am 21.
Februar 2009 festgenommen, wegen „Feindschaft zu Gott”
angeklagt und zu fünf Jahren Haft im internen Exil
verurteilt. Grund für ihre Verurteilung dürften familiäre
Mohammad Pour Abdollah
© Privat
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Verbindungen zu Mitgliedern der Volksmujahedin (PMOI) gewesen sein. Am 21. Januar 2014 wurde sie
nach Verbüßung ihrer Strafe aus dem Gefängnis entlassen.
Milad Hosseini Keshtan, politisch engagierter
Student an der Mazandaran-Universität, wurde
am 16. Juni 2009 nach einer Demonstration
gegen Präsident Ahmadinejads Wiederwahl
zusammen mit zwölf weiteren Studenten auf
dem Universitätscampus festgenommen und zu
einer nahe gelegenen Polizeiwache gebracht. Er
berichtet, dass er und mehrere seiner
Kommilitonen dort mit Schlägen misshandelt
und einer von ihnen mit Vergewaltigung bedroht
wurde. Nachdem ein Gericht eine
Haftanordnung erlassen hatte, wurden sie ins
Mati-Kola-Gefängnis verbracht. Dort wurde
Milad Hosseini Keshtan über zwei Wochen ohne
Kontakt zur Außenwelt festgehalten und
wiederholt verhört, ehe er gegen Kaution frei
kam. Die 101. Kammer des Allgemeinen
Gerichts in Babolsar verurteilte ihn in einer
Milad Hosseini Keshtan
kurzen Sitzung ohne gründliche Untersuchung
© Privat
wegen „Störung der öffentlichen Ordnung an
der Universität durch Versammlungen“ zu sechs Monaten Haft und 15 Peitschenhieben. Als er 2011
zum Haftantritt aufgefordert wurde, verließ er den Iran und ging ins Exil.
Mohsen Sanatipour, ehemaliger Student der Ferdowsi-Universität in Mashhad, dann Generalsekretär
der Studierendenorganisation Demokratische Fraktion (Democratic Fraction) und Mitarbeiter der
Zeitschrift Kian-e Emrouz, die von den Behörden verboten wurde, nachdem sie in der zweiten Ausgabe
Kritik an der Politik der Kennzeichnung der Namen politisch engagierter Studenten mit Sternen und an
ihrem Ausschluss von der Universität geübt hatte. Außerdem arbeitete er noch für andere studentische
Publikationen, die dann verboten wurden. Obwohl er wiederholt zum Verhör durch Mitarbeiter des
Geheimdienstministeriums vorgeladen wurde, beteiligte er sich nach Bekanntgabe des amtlichen
Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 an den fünftägigen Protesten der Studenten der
Ferdowsi-Universität. Amnesty International berichtete er:
„Während der Demonstrationen erhielten meine Eltern mehrmals Drohanrufe vom Geheimdienst der
Revolutionsgarden, damit sie mich von der Teilnahme an den Demonstrationen abhielten. Mir selbst
wurde nahegelegt, mich von den Kundgebungen fernzuhalten, andernfalls werde man mich verhaften,
vom Studium ausschließen und das in der Ermittlungsphase eingestellte Verfahren wegen ‚Störung der
öffentlichen Ordnung‘ vor dem Revolutionsgericht wieder aufnehmen.“
Im September 2009 wurde Mohsen Sanatipour
von Beamten des Geheimdienstministeriums
festgenommen und 15 Tage im Gefängnis des
Geheimdienstes in Mashhad in Einzelhaft
gehalten. Man verhörte ihn, ließ ihn dann aber
bis zum Beginn seines Verfahrens vor dem
Revolutionsgericht wieder frei. Im November
2011 verurteilte ihn das Gericht wegen „Störung
der öffentlichen Ordnung“ durch seine Reden
und sonstigen Erklärungen nach den Wahlen von
2009, „Störung der Universitätsordnung“ durch
Gründung der Demokratischen Fraktion und
„Propaganda gegen den Staat“ durch Kritik am
obersten Religionsführer. Zwei Monate später
wurde seine Strafe im Berufungsverfahren um
Mohsen Sanatipour
© Privat
48
ein Drittel reduziert, doch er wurde von der Universität ausgeschlossen. Als er im Januar 2012 eine
Aufforderung zum Haftantritt erhielt, verließ er den Iran.
Tara Sepehrifar, politisch engagierte Studentin an der Teheraner Sharif-Universität, wurde wegen ihrer
Beteiligung an den Protestdemonstrationen nach den Wahlen 2009 wiederholt zum Verhör durch
Beamte des Geheimdienstministeriums vorgeladen. Nach studentischen Protesten gegen einen
geplanten Besuch des Wissenschaftsministers an der Sharif-Universität wurde sie zunächst vor den
Disziplinarausschuss der Universität zitiert und dann wegen „Beteiligung an illegalen Versammlungen
an der Universität“ und „Verbreitung von Lügen“ vor das Revolutionsgericht geladen. Nach
mehrmaligen stundenlangen Verhören durch Beamte des Geheimdienstministeriums wurde sie
schließlich am 10. Februar 2010 in ihrer eigenen Wohnung verhaftet und in Trakt 209 des EvinGefängnisses gebracht. Dort verbrachte sie eine Woche in Einzelhaft, ehe die „ernsthaften Verhöre“
begannen, die fast einen Monat dauerten. Während dieser Zeit, so schilderte sie Amnesty International,
wurde bei den oft zehn bis zwölf Stunden langen Verhören starker Druck auf sie ausgeübt, damit sie ein
„Geständnis“ ablegte, doch körperliche Folter wandte man nicht an.
Als sie schließlich gegen Kaution auf freien Fuß kam, verließ sie den Iran. Später erfuhr sie, dass die
26. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran sie in Abwesenheit wegen „Propaganda gegen den
Staat“, „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Störung der öffentlichen
Ordnung“ zu acht Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt hatte.
Omid Pour Mohammad Ali wurde 2008 wegen
seiner studentischen Aktivitäten von der
Universität Yazd ausgeschlossen. Er trat dann
der National Trust Party von Mehdi Karroubi bei
und engagierte sich für ihn im
Präsidentschaftswahlkampf 2009. Im Dezember
2009 wurde er in Yazd von Revolutionsgarden in
Haft genommen und in den Trakt 2A des EvinGefängnisses gebracht. Er berichtete Amnesty
International, dass er 72 Tage lang in einer
kleinen Zelle einsaß, bis auf die letzten Tage in
Einzelhaft, dass er lange Verhöre über sich
ergehen lassen musste und von den
Sicherheitsbeamten bedroht und geschlagen
wurde, und dass auch seine Familie starkem
Druck ausgesetzt war. Er sagte:
“Sie drohten mir immer wieder Folter oder
Hinrichtung an. Sie riefen bei meinen
Angehörigen an und sagten, ich sei gestorben
und sie sollten meinen Leichnam abholen. Meine
Schwester wollte schon Selbstmord begehen.
Mutter erlitt einen Herzinfarkt und musste für
drei Tage ins Krankenhaus. Der Druck auf meine
Familie war schlimmer als der auf mich.”
Omid Pour Mohammad Ali
© Privat
Im Februar 2010 kam Omid Pour Mohammad Ali gegen Kaution frei. Am 27. August 2010 verurteilte
ihn die 26. Kammer des Revolutionsgerichts201 Teheran wegen „Gefährdung der Staatssicherheit“,
“Beleidigung des obersten Religionsführers“ und „Beleidigung des Präsidenten“ zu einer Haftstrafe von
sieben bis acht Monaten und einer Geldstrafe. Am 18. Juni 2011 trat er seine Haft an, doch am 31.
August kam er durch eine Amnestie frei. Nach der Entlassung nahm er seine politischen Aktivitäten
wieder auf, aber als er vom Geheimdienstministerium einbestellt wurde, verließ er das Land.
Arash Sadeghi, mit einem Studienverbot belegter Student der Allameh-Tabataba’i-Universität und
Wahlkampfhelfer für den Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mousavi, wurde im April 2009 von
der 26. Kammer des Revolutionsgerichts wegen „Versammlung und Konspiration gegen die
Staatssicherheit“ und „Propaganda gegen den Staat“ zu sechs Jahren Haft und 74 Peitschenhieben
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verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde er vom zweiten Anklagepunkt freigesprochen und seine Strafe
auf ein Jahr Haft und zusätzliche vier Jahre auf Bewährung verringert. Im Januar 2010 kam er gegen
Kaution frei, wurde aber mehrmals wieder festgenommen und jedesmal gegen Kaution freigelassen. Im
Januar 2012 wurde er erneut verhaftet und blieb bis Oktober 2013 ohne Kontakt zur Außenwelt im
Gefängnis, ehe man ihn gegen Kaution wieder auf freien Fuß setzte.
In einem Interview mit der Online-Nachrichtenagentur Rooz im November 2010 berichtete Arash
Sadeghi von Folterung und Misshandlung. Man habe ihn mehrmals bis zu fünf Stunden an einem Bein
an der Decke aufgehängt und so heftig geschlagen, dass ihm zweimal das Schultergelenk ausgekugelt
wurde und er mehrere Zähne verlor. Die Vernehmungsbeamten hätten ihn immer wieder ins Gesicht
geschlagen und dabei das Trommelfell beschädigt. Um ihn zu erniedrigen, hätten sie ihn außerdem
gezwungen, eine schmutzige Toilettenschüssel auszulecken, hätten ihm in Mund und Gesicht uriniert
und ihn daran gehindert, ein Bad zu nehmen. Er sagte, die Beamten hätten ihm die Augen verbunden
und ihn mit Fußtritten und Faustschlägen ins Gesicht misshandelt; dabei seien seine Augen beschädigt
worden und er habe vorübergehend das Sehvermögen verloren. Außerdem drohten sie ihm mit einem
Verfahren wegen “Moharebeh” (Feindschaft zu Gott), wofür er zum Tode verurteilt werden konnte. Die
Beamten hätten ihn aufgefordert, vor laufender Kamera zu „gestehen“, dass er Verbindungen zur
verbotenen PMOI (Volksmujahedin des Iran) unterhielt und weitere Kontakte ins Ausland hatte, und
ihm gedroht, wenn er kein Geständnis ablege, werde man seine Mutter verhaften und dafür sorgen,
dass sein Vater seine Stelle bei der iranischen Armee verliere.
Im März 2014 befand sich Arash Sadeghi bis zu einem neuen Verfahren wegen „Versammlung und
Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Propaganda gegen den Staat“ auf freiem Fuß.
Amir Rezaei, Student der Universität Oroumieh, sagte
Amnesty International, während seiner zweitägigen Haft im
November 2009 seien er und seine Mithäftlinge von den
Sicherheitsbeamten geschlagen und misshandelt worden:
„Sie verbanden uns die Augen, und wir mussten uns in einem
Lieferwagen auf den Boden legen. Dann brachten sie uns zu
einem Gebäude, das wie eine Moschee aussah, steckten uns
alle in einen Raum. Alle paar Stunden kamen mehrere Männer
und schlugen uns mit Motorradketten. Ich hoffte inständig,
dass sie mich nicht vergewaltigen würden. Das ging so bis
zum Morgen. Wir bekamen bis zum Mittag nichts zu essen.
Dann gaben sie uns etwas trockenes Brot und Joghurt. Danach
machten sie weiter, schickten alle paar Stunden ein paar
Männer herein, die auf uns einschlugen. Einmal waren sie wie
Kampfsportler gekleidet.“
Amir Rezaei im Gespräch mit Amnesty International am 18. März 2013.
Amir Rezaei
© Privat
Am 27. Dezember 2009 wurde er nach den
regierungskritischen Demonstrationen während des AshuraFestes in Oroumieh erneut festgenommen und von den
Revolutionsgarden 25-26 Tage in Einzelhaft gehalten, ehe ein
Richter seine „bedingte Freilassung“ anordnete. Einige
Monate später verließ er das Land.
Mohammad Ghaffarian, Elektrotechnikstudent an der Ferdowsi-Universität, wurde im Februar 2011
verhaftet. Im August 2011 fand sein Verfahren vor der vierten Kammer des Revolutionsgerichts
Mashhad statt. Er erzählte Amnesty International, dass das Gericht keinen Verteidiger für ihn bestellt
hatte und dass sein Urteil erging, nachdem Beamte des Geheimdienstministeriums dem Richter einen
Bericht vorlegten, in dem die Höchststrafe für ihn gefordert wurde:
“Im September wurde das Urteil verkündet. Es lautete auf drei Jahre und sechs Monate Haft und
Auspeitschung. Die Anklage gegen mich bestand aus vier Punkten, darunter „Beleidigung des
Präsidenten“, was mir während der Verhandlung nicht einmal mitgeteilt worden war. Mein Anwalt
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meinte, dass sie möglicherweise meine E-Mails gehackt und da etwas gefunden hätten. Im
Berufungsverfahren hatte ich einen Anwalt. Doch Schuldspruch und Strafmaß wurden bestätigt. Auch
mein Ersuchen an den Obersten Gerichtshof änderte nichts. Ich wurde zweimal dazu aufgefordert,
meine Haftstrafe anzutreten. Nach der zweiten Aufforderung bin ich aus dem Land geflohen.“
Saeed Aganji, Student an der Islamischen Azad-Universität, gab
am Standort Zarghan eine studentische Publikation heraus und
gründete den „Rat von Shiraz”, der ohne Genehmigung der
Universitätsverwaltung Erklärungen veröffentlichte und Proteste
gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinejad organisierte.
Im Dezember 2009, zwei Tage vor einer für den Nationalen Tag
der Studierenden geplanten Protestveranstaltung, wurde er von
Sicherheitsbeamten festgenommen. Sie durchsuchten zunächst
seine Wohnung und konfiszierten einige Gegenstände, dann
brachten sie ihn zum Verhör ins Gebäude des
Geheimdienstministeriums in Shiraz. Wie er Amnesty
International mitteilte, hörte er während seines Verhörs, wie im
Nebenraum jemand gefoltert wurde:
„Der Beamte sagte, ich solle weiter aufschreiben, was ich zu
sagen hatte, und ging aus dem Raum. Dann kam er zusammen
mit dem Mann zurück, der nebenan gefoltert worden war, und
schlug hinter mir weiter auf ihn ein.“
Saeed Aganji wurde nicht körperlich gefoltert, aber 40 Tage ohne
Zugang zu einem Anwalt in Einzelhaft gehalten und vor dem
Revolutionsgericht Shiraz mit insgesamt 17 Tatvorwürfen wie
„Gründung einer illegalen Gruppe“, „Propaganda gegen den Staat“ und „Teilnahme an illegalen
Versammlungen“ unter Anklage gestellt. Das Gericht verurteilte ihn zu drei Jahren Haft auf Bewährung.
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis verließ er den Iran.
Saeed Aganji
© Privat
Arjang Alipour, ein 2011 von der Universität ausgeschlossener Student der Universität Shiraz, wurde
nach eigenen Angaben am 8. März 2011 im Zusammenhang mit einer Demonstration im Vormonat
verhaftet. Zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gehörten die „Verbreitung von Lügen in Interviews“,
„Störung der öffentlichen Ordnung durch Teilnahme an Demonstrationen“ und „Beleidigung staatlicher
Autoritäten“. Arjang Alipour berichtete Amnesty International, dass er in den ersten drei Tagen in Haft,
bis zum 17. April 2011, in Einzelhaft saß.
„Als ich nach 15 Tagen Schreibpapier bekam, erteilte ich meinem Anwalt eine Vertretungsvollmacht.
Vor Beginn des Prozesses durfte ich aber nicht mit ihm sprechen. Es gab eine Verhandlung vor dem
Revolutionsgericht und zwei vor dem allgemeinen Gericht, bei denen ich aber nicht anwesend war.
Weder ich noch mein Anwalt wurde davon in Kenntnis gesetzt. Nach der Urteilsverkündung erließ das
Gericht einen Haftbefehl gegen mich.“
Arjang Alipour zu Amnesty International am 22. März 2013.
Er wurfe zur Auspeitschung, Freiheitsentzug und einer Geldstrafe verurteilt. Im Berufungsverfahren
wurde das Urteil auf die Geldstrafe reduziert. Am 11. Januar 2012 verließ Arjang Alipour den Iran.
Rozhin Mohammadi, eine Bloggerin, die an einer Universität auf den Philippinen studierte, wurde am
14. November 2011 bei der Ankunft auf dem Teheraner Imam-Khomeini-Flughafen verhaftet. Nach
Hinterlegung einer Kaution kam sie am nächsten Tag wieder frei. Am 23. November 2011 wurde sie
erneut verhaftet und zwei Wochen ins Evin-Gefängnis gesteckt. Sie berichtete Amnesty International
von Einzelhaft und Verhören mit verbundenen Augen:
“Der erste Verhörtag war der schlimmste. Es begann damit, dass der Verhörbeamte mich als Hure
beschimpfte. Bei jeder Antwort schlug er mich auf den Kopf und ins Gesicht. … [Er] sagte, ich hätte
behauptet, dass ich von den Soldaten vergewaltigt wurde. Ich sagte, das hätte ich nie gesagt… Er
drohte auch, mich zu vergewaltigen. Einmal haben mir die Beamten die Augenbinde abgenommen und
mich gezwungen, ein „Geständnis“ abzugeben, das sie mit einer Videokamera filmten:
51
Sie ließen mich noch einmal sagen, was ich bei den
Verhören gesagt hatte. Sie zwangen mich, zu sagen, dass
ich mit bestimmten Leuten Sex gehabt hätte. Da konnte
ich nicht mehr und fing an zu weinen.“
Dann brachten sie auch ihren Bruder Ramin Mohammadi.
Sie hörte, wie er unter der Folter vor Schmerzen schrie,
und als sie ihn dann sah, brach sie zusammen. Ein
Beamter sagte: „Ihr gehört alle hingerichtet.“ Als sie ihren
Bruder sah, trug er schwere Folterspuren. Er war
stundenlang an den Armen aufgehängt worden. „Sie hatten
ihm die Schultern ausgekugelt und die Nase gebrochen,
sein Ohr war verletzt und er hatte am ganzen Körper
Blutergüsse.“
Nach der Entlassung floh sie zusammen mit ihrem Bruder
aus dem Land.
AUSPEITSCHUNGEN
Zusätzlich zu Gefängnisstrafen verurteilten Gerichte einige
Studierende zu Auspeitschungen, nachdem sie sie der
Rozhin Mohammadi
"Beleidigung des Obersten Führers" oder "Beleidigung des
© Privat
Präsidenten" für schuldig befunden hatten. Strafen wie
Auspeitschungen sind nach internationalem Recht verboten, da sie das absolute Verbot von Folter oder
anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung verletzen. Zu den Studierenden, die
ausgepeitscht wurden, zählen die folgenden Personen:
Amir Chamani, ein Soziologie-Promotionsstudent der islamischen Azad-Universität in Tabriz, verbüßte
ab Januar 2013 eine Haftstrafe von 9 Monaten. Außerdem verurteilte ihn ein Revolutionsgericht in
Tabriz zu 40 Peitschenhieben wegen „Beleidigung“ des Präsidenten Ahmadinejad. Die Auspeitschung
wurde am 5. Juni 2013, innerhalb des Gefängnisses Tabriz, in dem er festgehalten wurde,
durchgeführt. Er wurde am 3. Oktober 2013 freigelassen, nachdem er seine Haftstrafe abgesessen
hatte.
Payman Aref, ein Student der Politikwissenschaft an der Universität Teheran und Mitglied der ACRE,
erhielt 74 Peitschenhiebe, bevor er im Oktober 2010 aus seiner einjährigen Haft wegen „Beleidigung
des Präsidenten“ entlassen wurde. Seitdem haben ihn Sicherheitskräfte mindestens zweimal inhaftiert.
Im April 2013 wurde er vor Gericht geladen unter der Anklage der „Störung der öffentlichen Meinung“.
Grundlage war ein Interview, das er auf der Kaleme-Webseite gab, die Verbindungen zum unter
Hausarrest stehenden Oppositionsführer Mir Hossein Mousavi hat. Am 18. November 2013 sollte die
Anhörung durch die 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran stattfinden, diese wurde jedoch
verschoben.
Zu den Studenten, die aufgrund ihrer friedlichen Aktivitäten inhaftiert wurden, zählen auch die, die für
eine Anerkennung der Rechte ethnischer Minderheiten im Iran eintraten, z.B. der Kurden, Azeris und
Aserbaidschaner, sowie Angehörige religiöser Minderheiten wie Baha'i.
INHAFTIERUNG VON LEHRKRÄFTEN
Unter den Verhafteten und Inhaftierten ist eine große Anzahl von UniversitätsdozentInnen, die sich an
friedlichen Demonstrationen beteiligten oder ihr Recht auf freie Meinungsäußerung in der Zeit nach der
Wahl 2009 in Anspruch nahmen oder die aufgrund ihrer Religion oder ethnischen Herkunft verfolgt
wurden. Viele von ihnen waren noch im März 2014 inhaftiert. Sie waren Beschäftigte an Universitäten
in den verschiedenen Städten des Iran. Viele hatten Verbindungen zu reformorientierten politischen
Gruppierungen.
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Ali Ashgar Khodayari war Dozent an der Universität in Teheran und früher unter Präsident Khatami
stellvertretender Minister für Wissenschaften. Nach der Wahl 2009 verbrachte er in den Abteilungen
209 und 240 des Evin-Gefängnisses 57 Tage in Haft. Die Anklage gegen ihn lautete „Versammlung
und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit durch Teilnahme an illegalen Treffen.“
Weitere Dozenten wurden in Verbindung mit den Demonstrationen nach der Präsidentenwahl 2009 zu
Gefängnisstrafen verurteilt. Masoud Sepehr, Dozent für politische Wissenschaften an der Azad
Universität in Shiraz, Ahmad Miri, Dozent an der Universität Babol, und Ghasem Sholeh Saadi, Dozent
für Jura an der Universität Teheran, verbüßten 18 Monate Haft nach einer Verurteilung wegen
„Beleidigung des Obersten Führers.“
Dr. Mohammad Maleki ist 78 Jahre alt und früherer Kanzler der Universität Teheran. Er wurde im
August 2009 verhaftet und für mehr als sechs Monate inhaftiert. Er hatte 2009 den Verlauf der Wahl
kritisiert und abgelehnt, selbst zu wählen. Anschließend verurteilte man ihn zu einem Jahr Haft wegen
„Verbreitung von Propaganda gegen das System“. Im Januar 2012 sollte er eigentlich die Haft
antreten, er war aber dann noch bis März 2014 in Freiheit. Obwohl er an Prostatakrebs leidet, wurde er
verhört und Reisen ins Ausland wurden ihm verboten, nachdem er im September 2011 an den UNSonderberichterstatter für den Iran, Ahmed Shaheed, geschrieben und ihm Einzelheiten über seine
Behandlung im Gefängnis mitgeteilt hatte. Im Februar 2014 beschwerte er sich in einem offenen Brief
an Präsident Rouhani und die Sicherheitsbehörden, dass die Behörden fortwährend seine Familie
schikanierten. Sie hätten seinem Sohn das Zeugnis des Bachelor of Arts weggenommen, wodurch
dieser seine Prüfungen an der Universität nicht durchführen konnte, und seine Angehörigen würden
wiederholt zu Verhören vorgeladen.
Davoud Soleymani, Dozent an der Universität Teheran, war stellvertretender Wahlkampfleiter für Mir
Hossein Mousavi. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, nachdem die ursprünglich sechsjährige
Haftstrafe nach seiner Berufung herabgesetzt worden war. Die gewöhnlichen Allerweltsanklagen
lauteten auf „Verbreitung von Propaganda gegen das System“ und „Versammlung und Verschwörung
gegen die nationale Sicherheit“. Im Juni 2010 schrieb er einen offenen Brief an Ayatollah Khamenei:
Die Beamten hätten ihn bei den Verhören geschlagen, verletzt und ihn zu einem „Geständnis“
gezwungen. Nach der Verbüßung seiner Strafe im Mai 2012 wurde er aus dem Raja’i Shahr Gefängnis
entlassen.
Unter anderen waren diese Universitätsdozenten Anfang 2014 noch inhaftiert:
Mohsen Mirdamadi, Dozent an der Universität Teheran und früherer Abgeordneter des Parlaments und
Generalsekretär der Islamic Iran Participation Front, wurde von der Abteilung 15 des
Revolutionsgerichtes Teheran im April 2010 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er war wegen
„Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und „Verbreitung von Propaganda
gegen das System“ angeklagt. Das Gericht verbot ihm die Mitgliedschaft in einer Partei und Kontakte
zu den Medien für 10 Jahre. Die Universität Teheran schloss ihn im Mai 2013 als Dozent aus.
Abdollah Ramazanzadeh, Dozent an der Universität Teheran und stellvertretender Leiter der Islamic
Iran Participation Front, war früher Sprecher unter Präsident Khatami. Er verbüßt wegen seines
friedlichen politischen Engagements eine fünfjährige Haftstrafe, die nach einer Berufung von
ursprünglich sechs Jahren reduziert wurde. Er wurde vom Revolutionsgericht in Teheran u.a. wegen
„Verbreitung von Propaganda gegen das System“ verurteilt.
Alireza Beheshti Shirazi, Dozent der Tarbiat Modares Universität und Berater von Mir Hossein Mousavi,
wurde von der Abteilung 26 des Revolutionsgerichtes in Teheran zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die
Anklagen bezogen sich auf sein politisches Engagement.
Nach einer Razzia der Behörden beim Lehrkörper des BIHE (Baha’i-Institut für höhere Bildung) wurden
Dutzende Dozenten und Mitarbeiter des Instituts inhaftiert. Im März 2014 sollen sich im ganzen Land
136 Angehörige der Baha’i im Gefängnis befinden, darunter einige Gefangene mit Verbindungen zum
BIHE. Unter anderen sind das:
Foad Moqqadam, Dozent beim BIHE, verbüßt eine fünfjährige Haftstrafe im Raja‘i Shahr-Gefängnis in
Karaj. Das Urteil wurde von der 28. Kammer des Revolutionsgerichtes in Teheran gesprochen, verhaftet
wurde er am 22. Mai 2012 in Esfahan.
53
Ein weiterer Dozent des BIHE, Kayvan Rahimian, verbüßt eine fünfjährige Haftstrafe, die im Juni 2012
von der Abteilung 28 des Revolutionsgerichtes in Teheran verhängt wurde. Die Anklagen waren u.a.
„Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und „Mitgliedschaft in der Baha’iGemeinschaft“. Er schrieb am 7. Oktober 2013 in einem Brief an seine Tochter:
„Du hast mich in den vergangen zwei Jahren wiederholt gefragt: „Warum bist du inhaftiert? Warum
wurdest du verurteilt? Bist du ein Straftäter? Welche Straftat hast du begangen?“ In jener Zeit habe ich
eine Antwort darauf zu geben versucht, manchmal klar und manchmal beschönigend. Heute, am
Jahrestag meiner Inhaftierung, schreibe ich diesen Brief, um deine Neugierde zu befriedigen… Eine
der Anklagen gegen uns ist ‘Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch Mitgliedschaft in der
abweichlerischen Baha’i Sekte und des BIHE‘ (so steht es in unserer Anklage).Das bedeutet, wir
wurden schuldig gesprochen, weil wir dem Baha’i Glauben anhängen und im BIHE als Lehrer
arbeiteten.“
Keyvan Rahimians Bruder, Kamran Rahimian und seine Frau, Faran Hesami, beide Dozenten an der
BIHE, verbüßen vierjährige Haftstrafen im Raja’i Shahr-Gefängnis bzw. im Evin-Gefängnis. Sie wurden
am 13. September 2011 inhaftiert. Im Dezember 2011 verurteilte sie die Abteilung 15 des
Revolutionsgerichtes in Teheran nach Anklagen wie „Versammlung und Verschwörung gegen die
nationale Sicherheit“ und „Mitgliedschaft in der Baha’i Gemeinschaft“. Das Paar hat einen kleinen
Sohn, der jetzt von Familienangehörigen betreut wird.
Kamran Mortezaie, Dozent und Verwaltungsangestellter am BIHE, verbüßt eine fünfjährige Haftstrafe,
verhängt von der Abteilung 28 des Revolutionsgerichtes in Teheran wegen seiner Tätigkeiten für das
BIHE.
Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung im Mai 2011 war Nooshin Khadem Verwaltungsangestellte im BIHE.
Sie verbüßt eine vierjährige Haftstrafe im Evin Gefängnis. Die Verurteilung geschah im Oktober 2011
durch die Abteilung 28 des Revolutionsgerichtes in Teheran wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen
Gruppierung mit der Absicht, Straftaten gegen die nationale Sicherheit zu begehen“. Nach einer
Berufung wurde das Urteil am 19. Januar 2012 bestätigt.
Fünf der sechs Männer, die etwa zur gleichen Zeit wie Nooshin Khadem inhaftiert wurden, sind zu
Beginn des Jahres 2014 wegen ihrer Verbindung zu den Baha’i noch im Gefängnis.
Mahmoud Badavam, Bauingenieur und Dozent, Riaz Sobhani, Berater am BIHE, Ramin Zibaie, Leiter
und Dozent für Psychologie, Farhad Sedghi, Dozent, Buchhalter und Finanzberater, und Shahin
Negaria, Absolvent des BIHE, wurden zusammen mit dem Leiter des BIHE vor das Revolutionsgericht
in Teheran gestellt. Das Gericht verurteilte sie wegen „Mitgliedschaft in der abweichlerischen Sekte der
Baha’i, mit dem Ziel, Handlungen gegen die Sicherheit des Landes durchzuführen und um die Ziele
der Abweichler und die von Organisationen außerhalb des Landes voranzutreiben“. Sie wurden
verurteilt zu vier bzw. fünf Jahren Haft, die Strafen wurden im Januar 2012 bestätigt. Nur die
fünfjährige Haftstrafe von Vahid Mahmoudi wurde aufgehoben und er kam frei.
Im März 2013 wurde Nassim Bagheri von der 28. Kammer des Revolutionsgerichtes in Teheran zu vier
Jahren Haft verurteilt. Ihre Anklage lautete „Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch ihre
Mitgliedschaft im BIHE“. Sie stand mit neun weiteren Personen im März 2013 vor Gericht und kam
dann gegen Kaution frei.
Ramin Jahanbegloo ist Wissenschaftler und Schriftsteller mit doppelter (iranisch-kanadischer)
Staatsbürgerschaft. Er wurde am 27. April 2006 am Teheraner Flughafen verhaftet, als er gerade zu
einer internationalen Konferenz über den Iran ausreisen wollte. Der Geheimdienstminister gab anfangs
bekannt, dass er wegen „Kontakten zu Ausländern“ inhaftiert sei. Am 3. Juli 2006 wurde er jedoch
wegen „Teilnahme an einer von den USA angeführten samtenen Revolution im Iran“ angeklagt. Am 30.
August 2006 kam er frei. Er war vier Monate lang in Einzelhaft in Sektion 209 des Evin-Gefängnisses,
den ersten Monat ohne Kontakt nach außen. Er lebt jetzt im Ausland.
Im Mai 2007 warnte ein Beamter des Geheimdienstministeriums davor, dass iranische Wissenschaftler
von ausländischen Spionageringen bei wissenschaftlichen Kontakten gefährdet werden könnten. Er
warnte sie vor zu großer Vertraulichkeit zu Ausländern.
54
Danial Owji, der als Assistent beim BIHE arbeitete, teilte AI mit, was ihm zusammen mit weiteren
Lehrern des BIHE bei der Verhaftung durch die Sicherheitskräfte geschah. Am 22. Mai 2011 wurden
ihre Wohnungen durchsucht. Sein Auto wurde von Sicherheitsbeamten auf der Straße gestoppt, sie
schlugen ihn, verbanden seine Augen, zwangen ihn in den Kofferraum seines Autos und brachten ihn
dann zu einem Gebäude und dort in einen Raum, der unter dem Namen „Übungsraum“ bekannt war.
„Sie banden meine Hände nach hinten an etwas, sie
traten und schlugen mich. Sie legten mir
Handschellen an und fesselten meine Füße. Dann
hängten sie mich auf. Als sie mich wieder
abhängten, war ich nicht in der Lage zu stehen... Sie
brachen mir Rippen. Einer der Verhörbeamten wurde
ungehalten und verbrannte meine Hand mit seiner
Zigarette. Sie banden meine Füße zusammen und
hängten mich eine Zeitlang mit dem Kopf nach
unten auf… Sie fragten mich nach Leuten, die für
die Finanzen des BIHE zuständig waren.
Sie wollten von mir ein „Geständnis“ auf Video
aufnehmen und gaben mir einen vorbereiteten Text.
Zuerst war ich einverstanden. Im Text stand eine
Auflistung meiner Schuldanerkennungen, aber auch
solche gegen Personal des BIHE gerichtete. Im Text
Danial Owji
stand, das BIHE habe Verbindungen zu Israel und
© Privat
bringe Mitglieder in den Iran, um einen „sanften
Krieg“ gegen das System zu führen. Nachdem ich
das gelesen hatte, sagte ich den Vernehmungsbeamten, dass ich im Hinblick auf meinen Glauben nicht
lügen könne und das ‚Geständnis‘ sei voller Lügen.
Die Verhörbeamten sagten mir, ich würde hingerichtet… Mir wurden die Augen verbunden und sie
brachten mich in einen Hof. Dann las jemand ein Urteil und einige Koranverse und sie riefen drei Mal
‚Gott ist groß‘ und feuerten in die Luft.“
Danial Owji in einem Interview mit Amnesty International am 11. April 2013
Danial Owji war nach seiner Inhaftierung vier Tage lang verschwunden. Sein Vater erzählte ihm später,
als er im Büro des Revolutionsgerichtes nach seinem Verbleib nachgefragt habe, hätten sie gesagt,
Danial sei tot und sein Vater könne seinen Leichnam aus der Leichenhalle abholen. Nach der Folter
ließen sie ihn, ohne Anklage zu erheben, frei. Er verließ dann den Iran.
Am 8. Mai 2007 wurde Haleh Esfandiari, US-iranische Staatsbürgerin und Leiterin des Programms für
den Mittleren Osten am Woodrow Wilson Center for Scholars in Washington, DC verhaftet. Sie wurde
wegen Spionage angeklagt, sie habe einen sanften Sturz der Regierung geplant und gegen die nationale
Sicherheit gehandelt. Sie war zum Besuch ihrer Mutter im Dezember 2006 in den Iran gereist.
Freigelassen wurde sie am 21. August gegen Zahlung einer hohen Kaution von 300 Millionen Tuman
(damals etwa 300.000 $). Sie verließ dann den Iran.
Am 11. Mai 2007 wurde der Sozialwissenschaftler und Städteplaner mit US-iranischer
Staatsbürgerschaft, Kian Tajbakhsh verhaftet, unter dieselben Anklagepunkte wie bei Haleh Esfandiari.
Er arbeitete als Berater für das Open Society Institute in den USA und auch für eine Anzahl von
Organisationen und Ministerien im Iran. Er wurde am 19. September 2007 nach Zahlung einer
erheblichen Kautionssumme freigelassen. Am 18. Juli 2007 wurde ein Film mit den „Geständnissen“
von Haleh Esfandiari, Ramin Jahanbegloo und Kian Tajbakhsh im iranischen Fernsehen ausgestrahlt.
Nach der Präsidentenwahl 2009 wurde Kian Tajbakhsh am 9. Juli 2009 erneut verhaftet. Er kam dann
in einem „Schauprozess“ im August und September 2009 vor Gericht. Angeklagt war er wegen
„Spionage“, „Zusammenarbeit mit einer feindlichen Regierung“ und „Handlungen gegen die nationale
Sicherheit“. Er sei in den Golfkrieg 2000 verwickelt gewesen, in das Internetforum der Columbia
Universität in den USA und das Open Society Institute, für das er aber seit 2007 nicht mehr tätig
55
gewesen war. Im Oktober 2009 wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der Staatsanwalt legte keine
stichhaltigen Beweise vor. Im März 2010 wurde er entlassen. Die überaus lange Haftstrafe, viel länger
als bei anderen mit ihm zur gleichen Zeit Angeklagten, scheint auf seine doppelte Staatsbürgerschaft
zurückzuführen zu sein und auf die Art seiner wissenschaftlichen Arbeit.
Seit 2009 erlitten weitere Wissenschaftler ein ähnliches Schicksal, so die Brüder Dr. Kamiar Alaei und
Dr. Arash Alaei. Beide sind Experten für Vorbeugung und Behandlung von HIV und AIDS und reisten
häufig zu internationalen Kongressen. Sie wurden im Januar 2009 zu drei bzw. sechs Jahren Haft
wegen "Zusammenarbeit mit einer feindlichen Regierung“ verurteilt. Sie verbrachten Monate in
Untersuchungshaft ohne Kontakt zu einem Anwalt. Sie erhielten ein unfaires Verfahren, in dem
„geheime“ Beweise vorgelegt wurden, die sie weder sehen noch anzweifeln durften. AI meint, ihre
Inhaftierung stehe im Zusammenhang zu ihren Kontakten zu ausländischen Wissenschaftlern und
zivilen Organisationen, allesamt in den USA. Beide Doktoren sind überaus anerkannte AIDSSpezialisten, die nie politisch engagiert waren. Sie wurden 2010 bzw. 2011 freigelassen.
Dr. Rahman Ghahremanpour Bonab ist Direktor der Forschungsgruppe für Abrüstung im Zentrum für
strategische Forschung, einer Denkschule, die dem (iranischen) Schlichtungsrat nahe steht. Er wurde
am 1. Juni 2011 verhaftet, etwa zur selben Zeit wie drei türkische Wissenschaftler, die im Iran ein
Seminar zum Thema „Iran, Türkei und der arabische Frühling“ besuchen wollten. Die türkischen
Wissenschaftler wurden am 12. Juni freigelassen, Rahman Ghahremanpour Bonab blieb ohne Anklage
oder Verhandlung monatelang in Haft. Er hatte Workshops für freie und faire Wahlen, organisiert von
einem türkischen Professor, besucht und hatte mit einer Studiengruppe die USA besucht, um die Wahl
zu beobachten. Lokale Menschenrechtler haben berichtet, er sei wegen Spionage zu drei oder
dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, zuzüglich einer dreijährigen bis dahin aufgeschobenen
Haftstrafe.
Im August 2007 soll ein Erlass einer unbekannten Behörde den akademischen Mitarbeiterstab einiger
staatlicher Universitäten in Teheran informiert haben, dass sie bei Reisen ins Ausland die
Sicherheitsabteilung der Universität unterrichten sollen. Darunter fallen auch Forschungsaufträge,
wissenschaftliche Kontakte, touristische und Pilgerreisen, ob von ihrem Institut finanziert oder auch
von außerhalb. Im Zusammenhang damit wurden Hashem Aghajari, Dozent an der Tarbiat Modares
Universität und Abdollah Momeni, Sprecher der Absolventenvereinigung, einer Organisation, die sich in
Menschenrechtsangelegenheiten engagiert, Auslandsreisen verboten. Sie waren zu einer Konferenz am
Massachusetts Institute of Technology (MIT) in die USA eingeladen, um über die Reformbewegung im
Iran zu sprechen. Die halbstaatliche Mehr News Agency berichtete, sie seien für eine Diskussion über
die samtene Revolution in Osteuropa und die daraus zu ziehenden Lehren eingeplant gewesen.
STRAFLOSIGKEIT
Irans Sicherheitskräfte, darunter Angehörige des iranischen Geheimdienstministeriums und
Revolutionsgarden haben Häftlinge in ihrem Gewahrsam jahrelang gefoltert oder misshandelt, und dies
bei nahezu völliger Straflosigkeit. Obwohl viele Personen, deren Fälle in diesem Bericht beschrieben
sind, von ihrer Folterer und Misshandlung während der Haft berichteten, wurden die einzigen
offiziellen Ermittlungen nur nach dem Tod von Häftlingen – darunter solche mit Beziehungen zur
höchsten politischen Ebene – im Kahrizak-Haftzentrum im Juni-Juli 2009 durchgeführt. Sogar diese
Ermittlungen waren in keinster Weise transparent und wohl auch nicht unabhängig und stellten die
Misshandlungen in Kahrizak als Abweichung dar. In der Praxis sind jedoch Folter und Misshandlung in
iranischen Gefängnissen alltäglich. Tatsächlich bekommen die Gefangenen, die behaupten, gefoltert
worden zu sein, Repressalien zu spüren und können von der Justiz keinen Schutz erwarten. Die
Gerichte ignorieren regelmäßig die Behauptungen der Angeklagten, in Untersuchungshaft gefoltert
worden zu sein, und unternehmen keine Schritte, sie zu untersuchen. Häufig wurden umstrittene
„Geständnisse“ – die die Angeklagten als erzwungen bezeichneten – herangezogen, um die vor Gericht
Stehenden zu verurteilen und lange Haftstrafen oder in manchen Fällen sogar die Todesstrafe zu
verhängen. Indem sie routinemäßig die Foltervorwürfe der Angeklagten ignorieren und sie nicht
untersuchen, wirken die Gerichte und die Justiz bei der Anwendung von Folter mit.
56
Die Behörden die für die Festnahmen von Studenten, wirklichen und vermuteten Kritikern and
Oppositionellen verantwortlich waren, schützten sich durch den Mangel an Transparenz bei ihrem
Vorgehen, wodurch sich der Zyklus von Folter und Straflosigkeit fortsetzen kann. Das iranische Gesetz
verlangt, dass Festnahmen nur auf der Grundlage eines Haftbefehls erfolgen dürfen, der die Gründe der
Verhaftung enthalten muss und dem Beschuldigten vorgelesen werden muss, außer wenn der Täter bei
Begehung der Tat verhaftet wird. In der Praxis wird dieses gesetzliche Erfordernis jedoch regelmäßig
ignoriert, wenn die Inhaftierten der Kritik oder Gegnerschaft zur Regierung verdächtigt werden, und
Gefangennahmen finden häufig ohne Haftbefehl oder auf Grundlage eines allgemeinen Haftbefehls
statt, der den Namen des Beschuldigten nicht enthält und auch keinen genauen Grund für die
Verhaftung angibt.
AKADEMISCHE SÄUBERUNGEN
Die Kulturrevolution, die Ayatollah Khomeini im Jahre 1980 einleitete, führte zu einem enormen
Abgang talentierter akademischer DozentInnen an iranischen Universitäten während der fast drei Jahre,
in denen das Hauptquartier der Kulturrevolution die Lehrpläne durchforstete, um sie mit den Zielen der
Islamischen Revolution in Einklang zu bringen. Einige AkademikerInnen stimmten mit den Füßen ab
und nahmen andere Jobs an oder gingen ins Ausland, um Ihre Karriere fortzusetzen. Andere wiederum
waren aus ideologischen Gründen von Säuberungen betroffen, besonders solche, die in den
Geisteswissenschaften unterrichteten, die aus der Sicht der neuen Behörden „unislamische Themen
wie Liberalismus, Neo-Marxismus und Säkularismus förderten“.
Laut einer Studie wurden zwischen 1981 und Oktober 1983 durch die Behörden insgesamt 2.628
Angestellte der Universitäten und anderen höheren Bildungsinstituten ausgeschlossen, wovon 873
Lehrkräfte waren. Abdolkarim Soroush, eines der sieben Mitglieder des damaligen Hauptquartiers der
Kulturrevolution sagte in einem Interview 1999, dass die offizielle Säuberung zu der Entlassung von
700 Akademikern führte, von insgesamt 12.000 Angestellten.
Das Zusammenwirken von Säuberungen und freiwilligen Abgängen ließ die Anzahl der Professoren und
akademischen Mitarbeiter dramatisch sinken zwischen dem Zeitpunkt der Schließung der Universitäten
durch die Behörden schlossen und deren Wiedereröffnung fast drei Jahre später. Eine Studie des
Instituts für Kulturstudien und Forschung der Universität von Teheran, die durch das Büro des
Premierministers in Auftrag gegeben wurde, um den Status der höheren Bildung 1984-1985 zu
ermitteln, stellte fest, dass viele SpezialistInnen Irans Universitäten und andere Bildungsinstitute
verlassen hatten und entweder aus dem Iran ausgereist oder in Rente gegangen waren. Sie führte ihren
Abgang auf eine Reihe von Faktoren zurück, wie die Vielzahl der entscheidenden Behörden,
unangemessene Einmischung staatlicher Einrichtungen in die akademische Verwaltung, den
verschlechterten sozialen Status von AkademikerInnen und die Furcht, selbst als Agenten des
Kolonialismus und die Universitäten als Quelle der Korruption wahrgenommen zu werden. Als weitere
Gründe wurden die Unsicherheit der Beschäftigung und die staatliche Einmischung in die Art und
Weise der Kleidung genannt. Einige waren auch Beschuldigungen, Beleidigungen, Schlägen und
offiziellen Säuberungen ausgesetzt.
Trotz des durch die Kulturrevolution verursachten Mangels an Lehrkräften haben die Behörden
wiederkehrend Säuberungen im akademischen und höheren Ausbildungssektoren durchgeführt, weil sie
die Lehrkräfte als „weltlich“ ansahen oder aufgrund ihrer politischen Meinung.
Dies passierte durch regelrechte Dienstenthebung oder den Druck, vorzeitig in Rente zu gehen, der
insbesondere auf einige Dozenten mit hohem Ansehen und akademischem Status ausgeübt wurde. Im
Jahre 1994 zum Beispiel entließen die Behörden ohne Angabe von Gründen zwei Professoren der
Abteilung Jura und Politikwissenschaft der Universität Teheran, Dr. Javad Tabatabaei (den
stellvertretenden Dekan) und Dr. Jalil Roshandel. Dieselbe Universität entließ zwischen 1997 und
2005 45 weitere akademische MitarbeiterInnen, alle aus ideologischen Gründen. 278 weitere gingen
zwischen 1998 und 2005 in den Ruhestand, darunter einige zwangsweise.
Nachdem 2005 Mahmoud Ahmadinejad Präsident wurde, verdoppelten die Behörden Ihre
Bemühungen, die Universitäten von „weltlichen“ Akademikern und Studierenden zu „reinigen“. Dies
57
stand im Einklang mit dem im August 2009 ergangenen Aufruf des Obersten Führers Ayatollah
Khamenei zu verstärkter “Islamisierung” der Universitäten. Bis Ende 2006 hatte die Universität
Teheran rund 40 Professoren, hauptsächlich Juristen und Politikwissenschaftler, entfernt, mit der
Begründung, dass diese Mitarbeiter das Pensionsalter von 65 Jahren erreicht hätten, obwohl anderen
Akademikern erlaubt wurde, über dieses Alter hinaus zu unterrichten. 234 Der damalige Kanzler der
Universität, Ayatollah Abbas-Ali Amid-Zanjani, verkündete, dass die Akademiker aufgefordert wurden,
in Rente zu gehen, um ihre “körperlichen, geistigen und lebenspraktischen Probleme“ anzugehen.
Später soll er aber gesagt haben, dass er „verleitet“ wurde, ihren erzwungenen Ruhestand zu
unterstützen.
Weiterhin entließen die Behörden 2005 an der Allameh Tabataba’i University in Teheran Dr. Hassan
Namakdoost Tehrani von der Schule für Kommunikation.
2006 suspendierte die Universität für angewandte Naturwissenschaften und Technologie in Teheran,
Dr. Seyed Ahmad Shams als Dozent für Soziologie und Management, nachdem er öffentlich Kritik an
Mahmoud Ahmadinejads Wahl zum Präsident übte. Danach war er nicht mehr imstande, eine
anderweitige Dozentenstelle zu erhalten. Er berichtete Amnesty International während eines Interviews
in der Türkei im April 2013:
„Ich habe die Kandidatur von Dr. Mostafa Mo’in im Juni 2005 bei den Präsidentenwahlen unterstützt
und habe dies auch in meinen Web-Blogs und in Gesprächen mit meinen Studenten vertreten. Ich habe
öffentlich ausgesagt, Zivilgesellschaft wäre. Anfang Juni 2005 wurde ich in die Sicherheitsabteilung
der Universität einbestellt. Dort wurde ich „gewarnt“ und musste eine Verpflichtungserklärung
abgeben, dass ich keine Kritik an dem Staat oder seinen Repräsentanten im Unterricht oder online
machen würde. Dennoch unterrichtete ich weiter. Am Anfang des neuen Studienjahres wurden jedoch
keine Kurse an mich vergeben. Das Hochschulkomitee sagte mir, dass mein Unterricht später starten
würde, aber sie sagten nicht genau wann. Ich fragte Freunde im Hochschulkomitee, was los sei. Sie
erzählten mir, dass mein Name durch die Sicherheitsabteilung aus der Mitarbeiterliste entfernt wurde
und dass ich nie wieder unterrichten dürfe. Sie sagten, es wäre am besten, wenn ich keine Fragen
stellen würde. Ich bekam nie etwas Schriftliches von irgendjemandem oder irgendeinem Komitee.“
Seyed Ahmad Shams berichtete, er habe sich danach für ein akademisches Amt an der Universität in
Qom beworben, aber die Antwort, die er erhielt, machte ihm klar, dass er keine Lehrerlaubnis im Iran
bekommen werde, solange Präsident Ahmadinejad im Amt wäre. Nach der Wiederwahl von
Ahmadinejad 2009 verließ er das Land, nachdem die Behörden seinen Blog verboten hatten und er von
seiner drohenden Verhaftung in Verbindung mit einem Interview mit einer NGO 2007 erfahren hatte.
2007 entließ die Universität Teheran drei weitere Dozenten im Bereich Jura und Politikwissenschaft.
Es waren Dr. Hossein Bashiriyeh, führender Politiktheoretiker und Befürworter einer Universitätsreform,
Hadi Semati, Politikwissenschaftler und Experte für internationale Beziehungen, und Behzad
Shahandeh, Chinaexperte, die sie verdächtigten, sie "überschritten ihre Möglichkeiten zur Forschung"
bei ihren wissenschaftlichen Besuchen auswärtiger Universitäten. Mohammad Dehqani, Dozent an der
Fakultät für Literatur der Universität, wurde die Lehre verboten wegen angeblicher „Beleidigung
iranisch-islamischer Würdenträger“, „Verbreitung von Ideen gegen den Islam und die Shia“ und
„Propaganda für die Ideen abweichender Gruppierungen“. Weitere führende Universitätsdozenten
traten zurück, angeblich auf Druck der Behörden. Darunter waren Mohammad Mojtahed Shabestari,
Philosoph und Dozent für Theologie im schiitischen Islam, Dr. Hadi Alemzadeh, Experte für islamische
Geschichte an der Fakultät für Theologie und Islamkunde der Universität, Ahmad Sa’ei, Spezialist für
Entwicklungsländer, der Dekan der Fakultät für Jura und Politikwissenschaft Hassan-Ali Doroodian,
Reza Raees Toosi, Experte für Wirtschaft und Ölindustrie und Seyyed Ali Azemayesh, Kriminologe und
Experte für Strafgesetzgebung.
An der Allameh Tabataba’i Universität in Teheran sollen 2007 die Behörden 15 Professoren entlassen
haben. An der Iranischen Universität für Wissenschaft und Technologie wurden im Dezember 2007 53
Angehörige des Lehrkörpers auf eine Liste von Personen gesetzt, deren Kündigung erwünscht sei. Auch
an der Tarbiat Modares Universität wurden Anhänger der Reformpolitik vom Lehrdienst entfernt. Unter
ihnen war Sa’eed Hajjarian, der angeklagt wurde, eine „orange Revolution“ nach dem Vorbild der
Ukraine vorzubereiten, so die Anklage beim Revolutionsgericht. (Er wurde später vom Gericht wegen
58
seiner Verwicklung in die Demonstrationen 2009 nach der Präsidentenwahl zu einer Haftstrafe auf
Bewährung verurteilt.) Weitere Dozenten dieser Universität wurden entlassen, darunter Mohsen Kadivar,
Abolfaz Shakoori, Hashem Aghajari und Hatam Qaderi. 2008 wurde an der Universität Kashan Ahmad
Eslami entlassen. Er war Sozialwissenschaftler und hatte für Reformzeitungen Artikel geschrieben.
Die Behörden gingen auch hart gegen Akademiker vor, die Angehörige von ethnischen Minderheiten
waren. Im Januar 2007 berichtete die Menschenrechts-Nachrichtenagentur in Kurdistan, dass ein
geheimes Papier den Behörden vorläge. Danach sollten von der medizinischen Fakultät an der
Universität in Kurdistan 41 Dozenten, Männer und Frauen, entlassen werden, die der kurdischsunnitischen Minderheit angehörten. Darunter waren Dr. Mohammad Naqshbandi, Dr. Manuchehr
Rashidian, Mozaffar Firouzmanesh und Houshang Zandi.
Die politisch motivierte Entlassung aus dem
Lehrkörper und erzwungene Versetzung in
den Ruhestand von erfahrenen Akademikern
hatte sofortige und tiefgreifende
Auswirkungen auf die Studierenden und die
ihnen gebotene Qualität der Ausbildung.
Habib Farahzadi, ehemaliger Jurastudent an
der Universität in Teheran, teilte Amnesty
International mit, dass, als er zum
akademischen Jahr im September 2008
zurückgekehrt sei, die entsprechenden
Professoren für die Vorlesungen fehlten. Er
berichtete:
„Ich sah, dass die Professoren gefeuert
worden waren oder in der offiziellen
Habib Farahzadi
Sprachregelung ‘dass sie gekündigt hatten‘.
© Privat
Diese Professoren hatten entweder neue
Denkschulen geschaffen oder sie waren im Iran bekannte Leute auf dem Gebiet des Rechts.“
Er hielt zusammen mit weiteren Studenten ein Sit-in als Protest gegen die Entfernung dieser
erfahrenen Dozenten ab. Dafür wurden sie vor das Disziplinarkomitee der Universität geladen und
verwarnt.
„Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass ich mich nicht einmal über meine eigenen Professoren äußern
darf“, sagte Habib Farahzadi.
Die Säuberung der Behörden an den Universitäten betraf die Universitätsdozenten, die kritisch gegen
die politischen und religiösen Einrichtungen eingestellt waren. Dies steigerte sich noch, als die
Massendemonstrationen nach der Juniwahl 2009 stattfanden. „Bei dieser Wahl wählten etwa 70% der
Akademiker einen Kandidaten, der nicht Ahmadinejad hieß“, sagte Hojatoleslam Mohammad
Mohammadian, der erste Stellvertreter des Höchsten Führers, und das habe die Behörden
„enttäuscht“. Dieser Prozentsatz spiegelt den Grad der Abneigung gegen Ahmadinejad und seine
Regierung wider, die in der vorherigen vierjährigen Amtszeit entstanden war.
Unter Ahmadinejad schaffte das Wissenschaftsministerium die Befugnis der Universitäten ab, ihre
Führung zu wählen und ihren Lehrkörper einzustellen und übertrug sie auf das Ministerium,
offensichtlich im Zuge der fortschreitenden „Islamisierung“. Das führte zu verstärkter Kontrolle des
Wissenschaftsministeriums über die Universitäten, das so seine eigenen Kandidaten für deren Führung
und die Lehre ernennen konnte, und dies mehr nach politischen als nach strikt akademischen
Kriterien.
Ende 2009 hatten die Behörden der Universität Teheran seit Anfang des Jahres 81 Dozenten entfernt
oder zum Rücktritt gezwungen, und 2010 folgten 40 weitere Dozenten. Andere Lehrpersonen wurden
ausgeschlossen oder sogar körperlich an der Durchführung ihrer Veranstaltungen gehindert. Die
Behörden versuchten „justiziable“ Begründungen für ihr Vorgehen zu finden. Oft blieben die genauen
Gründe für die Entfernung der Lehrkräfte unklar. Manche mögen gerechtfertigt gewesen sein, meist
59
wurden die Dozenten aber wegen ihrer tatsächlichen oder angeblichen Meinungen entlassen oder zur
Kündigung gezwungen. Einer der Akademiker, die 2009 gezwungen wurden, die Universität von
Teheran zu verlassen, war Dr. Mohsen Rahami, ehemaliger Parlamentarier mit Verbindungen zu
Reformern. Er hatte als Anwalt verletzte Studenten verteidigt, als die Sicherheitskräfte im Juli 1999
die Schlafräume der Studenten angegriffen hatten. Er musste die Fakultät für Jura und
Politikwissenschaft verlassen, wie auch Dr. Tahmoures Bashiriyeh, der im Juli 2010 entlassen wurde.
Zahra Rahnavard, die frühere Dekanin der Al-Zahra Universität in Teheran, politisch engagiert und
Ehefrau des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mousavi, musste ihre
Mitgliedschaft im akademischen Gremium der geisteswissenschaftlichen Fakultät im Oktober 2010
aufgeben. (Sie stand seit Februar 2011 zusammen mit ihrem Ehemann unter zeitlich unbefristetem
Hausarrest.) Dr. Seyed Hossein Seifzadeh, Professor für internationale Beziehungen, wurde im März
2013 entlassen. Einige Monate zuvor soll er einige Stunden lang von Geheimdienstlern in der
Sicherheitsabteilung der Universität über die Inhalte seiner Kurse befragt worden sein.
In der Allameh Tabataba’i Universität wurde Dr. Mohammad Reza Zia’ei Bigdeli, Spezialist für
internationales Recht, entlassen. Dr. Hossein Sharifi Tarazkuhi, Dozent für Menschenrechte, wurde
zusammen mit drei weiteren Professoren zur Kündigung gezwungen. Mohammad Reza Zia’ei Bigdeli
hielt im September 2013 die Einführungsrede für den neuen Dekan der Universität. Er stellte fest,
dass der frühere Dekan der Universität, Sadreddin Shariati, ihn zur Kündigung gezwungen habe. Er
solle keinen Fuß mehr in die Universität setzen, wenn „er nicht zuvor die erforderliche Zusammenarbeit
mit den maßgeblichen Gremien geleistet habe“. In einer ähnlichen Aktion entfernten 2010 die
Behörden 12 Dozenten von der Wirtschaftsfakultät der Universität, nachdem 11 der 12 Dozenten in
einem Brief an die SCCR ihre Bedenken geäußert hatten, dass so der früher gute Ruf der Fakultät unter
dem repressiven und autoritären Stil des jetzigen Dekans leiden könne. Neben anderen Missständen
habe er die Bezahlung von akademischem Personal verweigert, Überwachungskameras in den Hörsälen
installieren lassen und schon ein Drittel des Lehrpersonals gezwungen, die Universität zu verlassen und
Druck auf die verbleibenden ausgeübt, ebenfalls zu gehen. Im März 2010 entließ die Universität
Morteza Mardiha, Dozent für Philosophie und reformorientierter Schriftsteller. 2011 wurde Dr.
Mohammad Mohammadi Gorgani, früherer Abgeordneter und Leiter der Fakultät für öffentliches Recht
und Menschenrechte, zur Kündigung gezwungen, ebenso der Rechtsprofessor Mohammad Sharif,
Mitbegründer des Zentrums für Menschenrechte.
An der Al-Zahra Universität in Teheran wurden mindestens zwei Lehrkräfte in den Monaten nach der
Präsidentenwahl 2009 zum Rücktritt gezwungen, die Mir Hossein Mousavi in seinem Wahlkampf
unterstützt hatten: Fatemeh Rake’i, ehemaliges Parlamentsmitglied und Dozentin, die ihre
Unterstützung für Mir Hossein Mousavi öffentlich machte, und Abdollah Naseri, der früher der
amtlichen Nachrichtenagentur der Islamischen Republik Iran (IRNA) vorstand. Er wurde später im
Februar 2011 inhaftiert und wegen „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“
zu fünf Jahren Haft verurteilt.
An der Tarbiat Modares Universität wurde der frühere Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Mousavi im
Februar 2011 von seinem Lehramt suspendiert. Die Regierung hatte ihn unter Hausarrest gestellt, er
hatte zuvor zu Demonstrationen zur Unterstützung der Volksaufstände in Tunesien, Ägypten und
anderen Staaten der Region aufgerufen. Weitere Akademiker, die ihm nahestanden und ihn beraten
hatten, wurden im Zusammenhang mit den Protesten 2009 inhaftiert, darunter Seyed Alireza Hosseini
Beheshti, Dozent an der Tarbiat Modares Universität, und Qorbanali Behzadiannejad. Sie erhielten
Haftstrafen und wurden von ihren Stellen an der Universität entfernt.
An der Technischen Sharif-Universität wurde 2010 der Kanzler, Reza Rousta Azad, direkt vom Minister
für Wissenschaft eingesetzt. Im Oktober 2011 zwang die Universität 25 Lehrkräfte zum Rücktritt,
offensichtlich in Rahmen der „Islamisierung“. Das wurde von dem parlamentarischen Mitglied des
Komitees für Erziehung und Forschung, Noorollah Haydari, kritisiert, der erklärte, der Kanzler habe
seine Befugnisse überschritten und die Regeln für die Versetzung von Lehrkräften in den Ruhestand
verletzt.
2010 entließ die Shahid Beheshti Universität Saba Vasefi. Sie war Frauenrechtsaktivistin und Dozentin
für persische Literatur an dieser Universität. Im September 2012 sagte sie in einem Interview, sie habe
den Lehrplan für das neue Semester erhalten, dennoch habe ihr die Universität mitgeteilt, sie habe
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nicht die Befugnis für die Lehre an der Universität. Man ließ einen Fahrer die Papiere zu ihr nach
Hause bringen, die sie für das Semester vorgesehen hatte. Sie sagte der BBC: „Sie teilten mir mit, dass
die Auswahl- („Gozinesh“-)Kriterien, die auf dem Glauben beruhten, wichtiger seien als die
akademischen Leistungen einer Person.“ Sie sagte, sie habe von verschiedenen Kritikpunkten erfahren,
die die Leitung der Universität an ihrer Unterstützung und Einhaltung der strikten islamischen
Prinzipien zweifeln ließen:
„Unter den Vorwürfen, die ich erhielt, war, niemand habe mich im Gebetsraum der Universität gesehen
und im Seminarraum seien meine Handgelenke zu sehen gewesen und in meinen Kursen hätte ich die
religiösen Texte vernachlässigt.“
Ali Broki-Milan, Angehöriger der kurdischen Minderheit und Dozent für Wirtschaftswissenschaft, wurde
2012 wegen seiner Ansichten betreffend der kurdischen Minderheit und ihrer Identität von der
Hamadan Universität entlassen.
Die Entfernung ideologisch suspekter oder oppositioneller Lehrkräfte von den Universitäten dauerte in
der Vorbereitungszeit für die neue Wahl 2013 an. Im Februar 2013 teilten an der islamischen
Universität in Teheran die Behörden mit, dass fünf Dozenten von der Lehre entbunden worden seien.
Darunter waren Ehsan Shariati und Mohammad Zaymaran, beide Dozenten für westliche Philosophie.
Ehsan Shariati war schon vorher die Lehrerlaubnis entzogen worden, er hatte aber noch keine
schriftliche Begründung dafür erhalten. Man sagte ihm nur, während der Wahlperiode solle es an den
Universitäten „ruhig zugehen“.
Neben dem Lehrkörper wurden auch einige Kanzler von Universitäten Opfer der Unterdrückung der
Regierung. Sie räumten ihren Posten. Professor Sa’eed Sohrapour schied von der Sharif Universität und
sagte, er habe nicht gekündigt, aber er habe den Wissenschaftsminister um eine Ruhepause gebeten,
eine Darstellung, offensichtlich um Diskussionen zu begegnen, dass er zu dem Schritt gezwungen
worden sei. Professor Yousef Sobuti, Gründer des Institutes für das Hauptstudium der Wissenschaften
in Zanjan, weigerte sich in einem Interview am 21. August 2010 zu sagen, ob er selbst zurückgetreten
oder dazu gezwungen worden sei. Es sei auch nicht so wichtig, da die Universitätsgremien die
hauptsächliche Arbeit leisteten. Eine Woche später sprach die halbamtliche Fars News Agency von
einem Ende der „20 Jahre Selbstverwaltung“, in denen dem „Bevollmächtigten des Obersten Führers
kein Raum in der Universität überlassen worden sei“ und die Universität „keine Gebetsräume oder
Moscheen“ bereitstellte.
Im Juni 2013 hatte nur eine der 52 dem Wissenschaftsministerium unterstellten Universitäten – die
Sahand Universität in Tabriz – noch einen Kanzler, dessen Bestellung vor dem Beginn der
Präsidentschaft von Ahmadinejad 2005 lag. Wie viele der Kanzler dem Druck der Regierung weichen
mussten und wie viele aus unbekannten Gründen zurücktraten oder in Ruhestand gingen, ist ungewiss.
Die Behörden zwangen die akademischen Lehrkräfte zum Rücktritt, von denen sie meinten, sie seien
oppositionell zur Regierung oder neutral zum Islam eingestellt. Unter Führung des
Wissenschaftsministeriums ersetzte man sie durch wenig erfahrenes und ganz neu weitergebildetes
Personal nach den Auswahl- („Gozinesh“-)Kriterien, mit denen staatliche Angestellte für Stellen
herausgefiltert werden. Ende 2012 teilte ein Beamter des Ministeriums mit, dass jährlich 300
Lehrkräfte ausschieden, von denen einige vom Ministerium vor die Alternative gestellt wurden,
"entweder freiwillig in den Ruhestand zu treten oder gefeuert zu werden". Derselbe Beamte führte aus,
dass 40.000 Doktoranden auf dem Arbeitsmarkt auf eine Einstellung warteten, womit er andeutete,
dass die Gekündigten bald wieder ersetzt werden könnten. Er sagte weiterhin, dass das Ministerium
schon 7.000 akademische Dozenten eingestellt habe. Das solle bis Mai 2013 auf 10.000 aufgestockt
werden und zusätzlich 10.000 Personen bis September 2013.
Einige aus dem neuen Lehrkörper wurden zumindest teilweise wegen ihrer Erfahrungen beim Militär
oder den paramilitärischen Basiji eingestellt. Im Juni 2012 waren die „akademischen“ Basiji an 322
Universitäten oder anderen Institutionen mit mehr als 11.000 Mitgliedern vertreten. In der Provinz
Esfahan waren 1.300 der 5.000 Akademiker in der Organisation der Basiji aktiv, ihre Zahl sollte bis
März 2013 auf 3.000 ansteigen.
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Im März 2011 wurde Ehsanollah Haydari, Anwalt und Vollzeit-Dozent für Strafrecht und
Menschenrechte an der Islamischen Azad Universität in Khorramabad, nach 12 Jahren Tätigkeit
entlassen, weil er dem Derwischorden angehörte und Derwische vom Gonabadi-Orden bei Gericht
vertreten hatte. Die Universität teilte ihm mit, das Geheimdienstministerium habe sich an das zentrale
Auswahlgremium der Universität mit der Forderung gewandt, es solle ihn ausschließen. Ehsanollah
Haydari wurde 2008 schon daran gehindert, ein Doktorandenstudium aufzunehmen, obwohl er das
entsprechende Examen bestanden hatte.
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6. DER RECHTLICHE RAHMEN
„Höhere Bildung sollte für alle gleichermaßen auf der Grundlage ihrer Fähigkeit
zugänglich sein, durch Einsatz von allen angemessenen Mitteln und insbesondere
durch zunehmende Einführung von kostenloser Bildung.“
Artikel 13 (2) (C) des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
INTERNATIONALES RECHT
Der Iran ist Mitgliedsstaat von mehreren entscheidenden internationalen Menschenrechtsverträgen,
einschließlich des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), des
Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR), des Internationalen
Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD) und des
Übereinkommens über die Rechte des Kindes (CRC).
Gleichwohl muss der Iran noch weiteren wichtigen Menschenrechtsverträgen beitreten, so zur
Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder
Strafe (CAT), dem Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen
(CEDAW) und dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor
Verschwindenlassen.
Das Recht auf Bildung für jeden, und das auf allen Ebenen und ohne Diskriminierung, ist ausdrücklich
garantiert in den internationalen Verträgen, die der Iran akzeptiert hat oder denen er beigetreten ist,
einschließlich der Konvention gegen Diskriminierung in der Bildung. Außerdem ist der Iran Mitglied der
UNESCO, folglich ist der Iran verpflichtet, die UNESCO-Empfehlungen zu beachten, die formal als
internationale Instrumente von den Mitgliedsstaaten angenommen wurden, einschließlich der
Empfehlung zur Stellung des Hochschulpersonals von 1997. Diese Empfehlung ist das einzige
internationale Instrument, das Normen und Standards ausschließlich für Unterrichtende in
Universitäten und Einrichtungen der Höheren Bildung festlegt.
NICHT-DISKRIMINIERUNG UND DAS RECHT AUF BILDUNG
Artikel 26 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) lautet: „Jede
Person ist vor dem Gesetz gleich und hat ohne jede Art der Diskriminierung Anspruch auf gleichen
Schutz durch das Gesetz. Insofern sollte das Gesetz jede Diskriminierung verbieten und allen Personen
gleichen und wirksamen Schutz vor Diskriminierung aus Gründen wie Rasse, Farbe, Geschlecht,
Sprache, Religion, politischer oder anderer Meinung, nationaler oder sozialer Herkunft, Besitz, Geburt
oder anderem Status gewähren.“
Aufgrund des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
(ICERD) ist der Iran verpflichtet, Rassendiskriminierung in all seinen Formen zu verbieten und zu
beseitigen und „sicherzustellen, dass die öffentliche Verwaltung und öffentliche Institutionen in
Übereinstimmung mit dieser Verpflichtung handeln“. Besonders laut Artikel 5 (e) (v) hat der Iran es
übernommen, das Recht eines jeden auf Gleichheit vor dem Gesetz zusammen mit dem Recht auf
Bildung und Ausbildung zu garantieren, ohne Unterscheidung nach Rasse, Hautfarbe oder nationaler
oder ethnischer Herkunft.
Artikel 13 (1) des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR)
garantiert das Recht auf Bildung für jeden, die Mitgliedsstaaten stimmen überein, dass es ausgerichtet
sein soll auf „die volle Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit und den Sinn für seine Würde und
den Respekt für Menschenrechte und grundlegende Freiheiten stärken soll. Sie stimmen weiter
überein, dass Bildung es allen Personen ermöglichen sollte, erfolgreich an einer freien Gesellschaft
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teilzunehmen und Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen nationalen, und allen
rassischen, ethnischen und religiösen Gruppen fördern sollte.“ Besonders Artikel 13 (2) (c) fordert,
dass höhere Bildung allen gleichberechtigt zugänglich sein soll. Artikel 2 (2) des ICESCR verlangt, dass
alle Rechte des Vertrags einschließlich der Bildung ohne Diskriminierung jeder Art hinsichtlich Rasse,
Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder anderer Meinung, nationaler oder sozialer
Herkunft, Besitz, Geburt oder anderem Status ausgeübt werden.
Unter Anerkennung der zentralen Rolle, die Bildung bei der Stärkung von Frauen hat, betont das
Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte – ein unabhängiges Gremium von Experten
zur Beobachtung der Umsetzung des ICESCR –, dass Mitgliedsstaaten verpflichtet sind sicherzustellen,
dass Bildung zu den Zwecken und Zielen passt, die in Artikel 13 (1) bestimmt werden. Diese Zwecke
und Ziele sind in anderen neuen internationalen Instrumenten wie der Weltweiten Erklärung zur
Bildung für alle (Jomtien, Thailand ,1990) (Artikel 1), der Wiener Erklärung und ihrem
Handlungsprogramm (Teil 1, Paragraph 33 und Teil 2, Paragraph 80) und dem Handlungsplan der UNDekade für Menschenrechtserziehung (Paragraph 2) interpretiert worden und schließen spezielle
Hinweise zur Gleichberechtigung der Geschlechter ein.
In seinen Abschließenden Beobachtungen zum Iran (10. Juni 2013) äußert sich das Komitee für
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte besorgt über die Diskriminierung von Frauen und
Mitgliedern des Baha´i-Glaubens, einschließlich des Zugangs zu universitärer Bildung. Es empfahl,
dass der Iran „Schritte unternimmt, um alle Einschränkungen beim Zugang zu universitärer Bildung
aufzuheben, darunter des Verbots der Immatrikulation von Frauen und Männern, der eingeschränkten
Quoten für Frauen bei bestimmten Fachrichtungen und Geschlechtertrennung in Unterrichtsräumen
und Einrichtungen.“ Das Komitee empfahl dem Iran außerdem, „Maßnahmen zu ergreifen, um in
Gesetz und Praxis einen ungehinderten Zugang von Baha´i -Studenten zu Universitäten und
Einrichtungen der beruflichen Ausbildung zu garantieren und um Ablehnungen beim Zugang zu diesen
Einrichtungen und einen Ausschluss aus diesen aufgrund der Zugehörigkeit der Studierenden zur
Baha´i-Gemeinschaft zu verhindern.“
Das Recht auf Bildung wird ebenso in Artikel 28 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes
(CRC) garantiert, dort verlangt Artikel 28 (1) (c), dass höhere Bildung allen zugänglich gemacht wird
auf der Grundlage ihrer Fähigkeit mithilfe aller angemessenen Mittel. Artikel 29 (d) des CRC besagt,
dass die
„Erziehung des Kindes u.a. auf die Vorbereitung des Kindes auf ein verantwortungsbewusstes Leben
ausgerichtet sein soll … im Geiste von Einsicht/Verständnis, Frieden, Toleranz, Geschlechtergleichheit
und Freundschaft zwischen allen Völkern, ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen,…“
Das Komitee für die Rechte des Kindes hat wiederholt, dass offene oder versteckte Diskriminierung
basierend auf Gründen, die in Artikel 2 der Konvention aufgeführt sind, die menschliche Würde des
Kindes angreift und imstande ist, die Fähigkeit des Kindes, von Bildungsmöglichkeiten zu profitieren,
zu unterminieren oder sogar zu zerstören. Besonders Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, welche
den Nutzen einschränkt, den Mädchen aus den angebotenen Bildungsmöglichkeiten ziehen können,
und eine unsichere oder unfreundliche Umgebung, die Mädchen von der Teilnahme abschreckt, stehen
in direktem Widerspruch zu den Anforderungen aus Artikel 29 (1) (a), dass Bildung auf die umfassende
Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit, seiner Talente und geistigen und physischen Fertigkeiten
ausgerichtet sein soll.
Artikel 4(a) der UNESCO Konvention gegen Diskriminierung bei der Bildung verlangt auch, dass höhere
Bildung gleichberechtigt allen auf der Grundlage ihrer Fähigkeiten zugänglich gemacht werden soll.
DAS RECHT AUF AKADEMISCHE FREIHEIT
Obwohl das Recht auf akademische Freiheit nicht ausdrücklich im Internationalen Pakt über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) garantiert wird, hat das UN-Komitee für
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in der Allgemeinen Stellungnahme / Kommentar 13 zum
Recht auf Bildung deutlich gemacht, dass dieses Recht nur dann genossen werden kann, wenn es mit
der akademischen Freiheit von Mitarbeitenden und Studierenden einhergeht. Das Komitee hat betont,
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dass nach seiner Erfahrung Mitarbeitende und Studierende in Einrichtungen der höheren Bildung
insofern besonders gefährdet sind durch politischen oder anderen Druck, der die akademische Freiheit
unterminiert.
Das Komitee sagt, dass akademische Freiheit beinhaltet:
„die Unabhängigkeit von Individuen, frei ihre Meinung über die Institution oder das System, in dem sie
arbeiten, auszudrücken, ihre Aufgaben ohne Diskriminierung oder Angst vor Unterdrückung durch den
Staat oder andere Akteure auszuführen, an beruflichen oder akademischen Vertretungs-Gremien
teilzunehmen und alle international anerkannten Menschenrechte zu genießen, die für andere Personen
im gleichen Bereich der Rechtsprechung gelten.“
Das Komitee führt weiter aus, dass
„der Genuss von akademischer Freiheit die Unabhängigkeit der Institutionen der höheren Bildung
verlangt … [mit einem] Grad der Selbstverwaltung, die notwendig ist für eine effektive
Entscheidungsfindung der Institutionen der höheren Bildung in Hinsicht auf ihre akademische Arbeit,
Standards, Management und damit verbundene Aktivitäten.“
Diese muss im Gleichgewicht sein mit der Verpflichtung zur öffentlichen Rechenschaft. Während das
Komitee anerkennt, dass es nicht ein einziges einheitliches Verfahren gibt, sollten die Vereinbarungen
fair, gerecht und angemessen sein und so transparent wie möglich und so viel Mitwirkung zulassen wie
möglich.
Das Komitee hat deutlich gemacht, dass das Versagen der akademischen Freiheit für Mitarbeitende
und Studierende einer Verletzung von Artikel 13 des Abkommens gleichkommt.
Die UNESCO Strategie-Empfehlung bezüglich des Status der in der höheren Bildung Lehrenden von
1997 sieht auch vor, dass das Recht auf Bildung „nur in einer Atmosphäre der akademischen Freiheit
und Autonomie für Institutionen der höheren Bildung gänzlich genossen werden kann“, während sie
gleichzeitig Bedenken ausdrückt bezüglich der „Verletzlichkeit der akademischen Gemeinschaft
gegenüber unangemessenem politischen Druck, welcher die akademische Freiheit unterminieren
könnte.“
Akademische Freiheit ist definiert als:
„das Recht auf Freiheit der Lehre und Diskussion ohne Beschränkung durch vorgegebene
Lehrmeinungen, Freiheit, Forschung ausführen zu können und deren Ergebnisse zu verbreiten und zu
veröffentlichen, Freiheit, Meinung(en) auszudrücken, Freiheit von institutioneller Zensur und Freiheit,
an beruflichen oder akademischen Vertretungs-Gremien teilzunehmen … ohne Diskriminierung
jeglicher Art und ohne Angst vor Unterdrückung durch den Staat oder jede andere Quelle.“
Die Empfehlung verlangt von Mitgliedsstaaten ausdrücklich, „Einrichtungen der höheren Bildung vor
Bedrohungen ihrer Unabhängigkeit jeglicher Herkunft zu schützen.“
Dabei müssen die Staaten sicherstellen, dass „in der höheren Bildung Tätige, wie alle anderen Gruppen
und Individuen, diese international anerkannten und für alle Bürger geltenden bürgerlichen,
politischen, sozialen und kulturellen Rechte genießen können. Deshalb sollten alle in der höheren
Bildung Unterrichtenden die Freiheit der Gedanken, des Gewissens, der Religion, der
Meinungsäußerung, der Versammlung und der Gemeinschaft genießen können ebenso wie das Recht
auf Unabhängigkeit und Sicherheit der Person und Bewegungsfreiheit.
Sie sollen nicht daran gehindert oder dabei beeinträchtigt werden, ihre zivilen Rechte als Bürger
auszuüben, einschließlich des Rechts zu einem sozialen Wandel beizutragen durch das freie Äußern
ihrer Meinung zur Staatspolitik und zur Politik bezüglich höherer Bildung. Sie sollen keine Strafen
erleiden nur aufgrund des Ausübens dieser Rechte. Mitarbeitende im Bereich der Hochschulbildung
sollen nicht willkürlich inhaftiert oder festgenommen werden, keiner Folter, keiner grausamen,
unmenschlichen oder herabwürdigenden Behandlung ausgesetzt werden. In Fällen von grober
Verletzung ihrer Rechte soll Hochschulpersonal das Recht haben, die zuständigen nationalen,
regionalen oder internationalen Gremien anzurufen, wie die Organe der Vereinten Nationen.
Organisationen, die Mitarbeitende des Hochschulbereichs vertreten, sollen in diesen Fällen volle
Unterstützung bieten.
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Dies verlangt eine gewissenhafte Beachtung des Grundsatzes der akademischen Freiheit:
„In der höheren Bildung Tätige haben Anspruch auf den Erhalt der akademischen Freiheit, das meint
das Recht – ohne Beschränkungen durch vorgegebene Meinungen – auf Freiheit der Lehre und
Diskussion, Freiheit, Forschung durchführen zu können und deren Ergebnisse zu verbreiten und zu
veröffentlichen, Freiheit, ihre Meinung auszudrücken über die Institution oder das System, in dem sie
arbeiten, die Freiheit von institutioneller Zensur und die Freiheit, an beruflichen oder akademischen
Vertretungs-Gremien teilzunehmen. Alle Lehrenden im Hochschulbereich sollen das Recht haben, ihre
Aufgaben ohne Diskriminierungen jeglicher Art und ohne Angst vor Unterdrückung durch den Staat
oder andere Verursacher auszuführen. Mitarbeitende in der höheren Bildung können diesem Grundsatz
gerecht werden, wenn die Umgebung zuträglich ist, in der sie tätig sind, dieses setzt eine
demokratische Atmosphäre voraus, demzufolge die Herausforderung, eine demokratische Gesellschaft
zu entwickeln.“
In dieser Hinsicht sieht die UNESCO-Strategie-Empfehlung weiter vor, dass Professoren nicht
gezwungen werden sollen, gegen ihr besseres Wissen und Gewissen zu unterrichten, Bildungsinhalte
oder Methoden anzuwenden, die internationalen Menschenrechtsstandards widersprechen, oder dass
sie entlassen werden aus einem Grund, der nicht ausreichend mit ihrem beruflichen Verhalten in
Verbindung steht und nicht in unabhängigen und unparteiischen Anhörungen nachweisbar ist.
Gemäß dieser Standards sollen sowohl Staaten als auch Einrichtungen der höheren Bildung
akademische Freiheit und grundlegende Menschenrechte unterstützen, sicherstellen, dass Studierende
fair und angemessen behandelt werden, Strategien verabschieden, die eine gleichberechtigte
Behandlung von Frauen und Minderheiten sicherstellen und dafür sorgen, dass Mitarbeitende des
Hochschulbereichs in ihrer Arbeit nicht behindert werden durch Gewalt, Einschüchterung oder
Bedrohungen.
FREIHEIT DER GEDANKEN- UND MEINUNGSÄUSSERUNG
Artikel 18 (1) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sagt:
„Jeder soll das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit haben. Dieses Recht soll die
Freiheit beinhalten eine selbst gewählte Religion oder einen Glauben zu haben oder anzunehmen und
die Freiheit, entweder allein oder in Gemeinschaft mit anderen und öffentlich oder privat, seine
Religion oder seinen Glauben in Gottesdiensten, Bräuchen, Ausübung oder Lehre zu bekunden.“
Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit gilt uneingeschränkt. Allgemein gesagt kann die Freiheit,
seine Religion oder seinen Glauben auszuüben, wie auch die Freiheit der Meinungsäußerung,
Vereinigungs- oder Versammlungsfreiheit nur in engen Grenzen eingeschränkt werden, wenn es um den
Schutz der öffentlichen Sicherheit und/oder nationalen Sicherheit, Gesundheit, Moral oder
Einschränkungen grundlegender Rechte und Freiheiten anderer geht. Das UN-Menschenrechtskomitee,
ein unabhängiges Expertengremium, das die Umsetzung dieses Vertrags überwacht, hat gesagt, dass
solche Einschränkungen eng ausgelegt werden müssen.
Das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat im Allgemeinen Kommentar 13 (zum
Recht auf Bildung) festgestellt: „Angestellte und Studierende im Hochschulbereich sind besonders
gefährdet durch politischen oder anderen Druck, der die akademische Freiheit unterminiert.“ Dieser
Druck bezieht sich auf Gesetze und Praktiken, die das Recht auf Freiheit der Meinung, des Glaubens,
der Meinungsäußerung, der Gemeinschaft und Versammlung in der breiten Bevölkerung untergraben,
nicht nur in der akademischen Welt.
Freie Meinungsäußerung wird in Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische
Rechte (ICCPR) garantiert, welcher besagt, dass „jeder das Recht hat, seine Meinung zu sagen ohne
Beeinflussung“ und dass
„jeder das Recht auf freie Meinungsäußerung haben soll; dieses Recht soll die Freiheit beinhalten,
Informationen und Ideen aller Art zu suchen, zu erhalten und zu teilen ohne Rücksicht auf Grenzen, sei
es mündlich, schriftlich oder gedruckt, in künstlerischer Weise oder durch andere selbst gewählte
Medien.“
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Freiheit der Meinungsäußerung kann nur eingeschränkt werden aus Rücksicht auf das Recht auf
Ansehen der anderen oder zum Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung oder
der öffentlichen Gesundheit oder Sitten und muss sich strengen Prüfungen der Notwendigkeit und
Verhältnismäßigkeit unterziehen.
Studierende und Dozenten machen oft Gebrauch von audiovisuellem Material, einschließlich dem im
Internet verbreiteten. In seinem Allgemeinen Kommentar Nr.34 zu Artikel 19, veröffentlicht im
September 2011, hat das UN-Menschenrechtskomitee festgestellt, dass Freiheit der
Meinungsäußerung für audiovisuelles Material und das Internet gilt ebenso wie für herkömmliche
Formen der Kommunikation und beinhaltet:
„… Äußerung und Empfang von jeglicher Form von Nachrichten, die anderen Menschen Ideen oder
Meinungen übermitteln können … politische Reden, Kommentare zu eigenen und öffentlichen
Angelegenheiten, Stimmenwerbung, Diskussionen über Menschenrechte, Journalismus, kultureller oder
künstlerischer Ausdruck, Lehre und religiöser Diskurs.“
Das Komitee hat auch klar gestellt, dass gesetzliche Einschränkungen der Freiheit der
Meinungsäußerung niemals genutzt werden dürfen als „eine Rechtfertigung für einen Maulkorb für
Befürworter der Mehrparteien-Demokratie, demokratischer Grundsätze und Menschenrechte.“
Das Komitee hob weiter den Bedarf an einer Vielfalt von Medien hervor, die nicht ausschließlich unter
staatlicher Kontrolle stehen, und warnte, dass „Verrat“ oder „nationale Sicherheitsgesetze“ nicht
genutzt werden sollen, „um vor der Öffentlichkeit Informationen von berechtigtem öffentlichen
Interesse zu vertuschen oder zu verheimlichen, die nicht die nationale Sicherheit gefährden oder um
Journalisten, Forscher, Umweltaktivisten, Menschenrechtsverteidiger oder andere, die solche
Informationen verbreiten, zu verfolgen.“ Das Komitee betonte, dass „alle öffentlichen Personen,
inklusive derer, die höchste politische Macht ausüben wie Staatsoberhäupter oder Regierungen,
rechtmäßig Gegenstand von Kritik und politischem Widerspruch sind.“
Bezüglich des Internets erklärt das Komitee, dass allgemeine Verbote des Betriebs von bestimmten
Seiten und Systemen keine „erlaubte Beschränkung“ sind und dass keine Form der Medien gesperrt
werden sollte oder es keine Hinderung beim Veröffentlichen von Material geben sollte , nur aus dem
Grund, dass das Material kritisch gegenüber der Regierung oder dem von der Regierung erstrebten
politisch-sozialen System ist.
In seinem Bericht zur Freiheit der Meinungsäußerung und des Internets erklärt der UNSonderberichterstatter zur Förderung und zum Schutz des Rechts auf Freiheit auf Meinung und
Meinungsäußerung:
„Einschränkungen sollen u.a. niemals angewendet werden auf Diskussionen über die Regierungspolitik,
politische Debatten, Berichte zu Menschenrechten, Berichte über Aktivitäten der Regierung und
Korruption in der Regierung, Teilnahme an Wahlkämpfen, friedliche Demonstrationen oder politische
Aktivitäten einschließlich solcher für Frieden und Demokratie, Äußerung von Meinung oder Ablehnung,
Religion oder Glauben, auch bei Personen, die zu Minderheiten oder besonders verletzlichen Gruppen
gehören.“
Wie dieser Bericht und andere von Amnesty International, dem UN-Sonderberichterstatter zum Iran und
anderen Organisationen veröffentlichte Berichte hinreichend zeigen, fährt der Iran fort, das Recht auf
freie Meinungsäußerung einzuschränken. Das ist ein direkter Verstoß gegen die Verpflichtungen, die der
Iran aufgrund des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) hat und stellt
so viele Iraner, die versuchen, ihr legitimes Recht auf Meinungsäußerung auszuüben, unter Strafe,
unter anderem durch ihre Festnahme und Inhaftierung.
VERSAMMLUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT
Die Rechte auf friedliche Versammlung und Vereinigung sind jeweils in den Artikeln 21 und 22 des
Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert und beide Rechte
können nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die auch das Recht auf freie
Meinungsäußerung einschränken können. Amnesty International ist überzeugt, dass diese möglichen
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Einschränkungen nicht die Begründung für die von iranischen Behörden erzwungene Schließung von
vielen studentischen Gremien und Vereinigungen liefern, einschließlich einer Reihe von unabhängigen
Studentenorganisationen.
In seinen abschließenden Beobachtungen vom November 2011 äußerte sich das UNMenschenrechtskomitee besorgt über weitreichende Einschränkungen des Rechts auf
Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit und empfahl den iranischen Behörden sicherzustellen,
dass diese Rechte allen Individuen ohne Diskriminierung garantiert werden und dass die Behörden
sofort und bedingungslos jeden freilassen sollen, der nur aufgrund des friedlichen Ausübens dieser
Rechte inhaftiert ist, einschließlich Studierender, Lehrender, MenschrechtsverteidigerInnen (inklusive
FrauenrechtsaktivistInnen), AnwältInnen und GewerkschafterInnen. Das Komitee sagte ebenfalls, dass
die Behörden im Iran die sofortige, effektive und unabhängige Untersuchung der Bedrohungen,
Belästigungen und Angriffe gegenüber Mitgliedern dieser Gruppen sicherstellen sollen und
gegebenenfalls die TäterInnen dieser Handlungen strafrechtlich verfolgen.
RECHTSPRECHUNG
Willkürliche Haft ist laut Artikel 9 (1) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte
(ICCPR) verboten. Das bedeutet:
„Niemand soll willkürlicher Verhaftung oder Haft unterworfen werden. Niemandem soll seine Freiheit
entzogen werden außer aus solchen Gründen und in Übereinstimmung mit solchen Maßnahmen, die im
Gesetz verankert sind.“
Der Artikel sieht auch vor, dass jeder, dem seine Freiheit entzogen wurde, umgehend über die Gründe
seiner Verhaftung zu informieren ist und das Recht haben soll, die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung
vor Gericht anzufechten.
DAS RECHT AUF EIN ORDENTLICHES VERFAHREN UND EINEN FAIREN PROZESS
Rechte in Zusammenhang mit einem ordentlichen Gerichtsverfahren unter der Leitung der Justiz sind
auch im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) dargelegt. Die in diesem
Bericht behandelten Erfahrungen der Studierenden und Dozenten/innen zeigen, wie diese
Verpflichtungen regelmäßig von iranischen Sicherheits- und Justizbehörden wissentlich missachtet
werden. Artikel 9 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) verlangt
von den iranischen Behörden sicherzustellen, dass jede festgenommene Person bei ihrer Verhaftung
über den Grund sowie über die Anschuldigungen informiert wird, vor einen Richter gebracht wird und
innerhalb einer angemessenen Zeit vor Gericht gestellt oder freigelassen wird. Gefangenen sollte es
ermöglicht werden, die Rechtmäßigkeit ihrer Verhaftung anzufechten, und sie sollten Anspruch auf
Schadenersatz haben, wenn sie unrechtmäßig festgehalten wurden. Artikel 14 des Internationalen
Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) verlangt, dass jeder, der einer strafbaren
Handlung beschuldigt wird, als unschuldig gilt, bis er vor Gericht schuldig befunden wurde, sowie dass
er vor Gericht als gleichberechtigt angesehen wird und das Recht hat auf eine gerechte und öffentliche
Verhandlung vor einem sachkundigen, unabhängigen und unparteiischen, vom Gesetz vorgesehenen
Gericht in einer öffentlichen Sitzung, es sei denn, es liegen Gründe der nationalen Sicherheit oder
andere vor, die es rechtfertigen, dass das Gericht einige Verhandlungen in geschlossenen Sitzungen
durchführt. Den Beschuldigten müssen ausreichend Zeit und angemessene Möglichkeiten zugestanden
werden, um ihre Verteidigung vorzubereiten; ihnen muss erlaubt werden, sich von einem selbst
gewählten Verteidiger vertreten zu lassen, vor Gericht anwesend zu sein und Zeugen zu berufen und ins
Kreuzverhör zu nehmen, und sie müssen das Recht haben, vor einem höheren Gericht in Berufung zu
gehen.
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FREIHEIT VON FOLTER
Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ist nach
Artikel 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) und nach
internationalem Gewohnheitsrecht absolut verboten. Das Menschenrechtskomitee hat seine große Sorge
gegenüber dem Iran ausgedrückt „über Berichte über die weit verbreitete Anwendung von Folter und
grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung in Haftanstalten, besonders bei
denjenigen, die wegen Verbrechen in Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit angeklagt sind oder
von Revolutionsgerichten verurteilt wurden. In einigen Fällen ist es zum Tod von Häftlingen gekommen.
Das Komitee ist ebenfalls besorgt darüber, dass erzwungene Geständnisse als Hauptbeweis genutzt
wurden, um vor Gericht eine Verurteilung zu erreichen.
Das Menschenrechtskomitee empfahl dem Iran „sicherzustellen, dass in jedem Fall von mutmaßlicher
Folter und grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung in Haftanstalten Ermittlungen
eröffnet werden und dass die Täter dieser Handlungen verfolgt und angemessen bestraft werden. Der
Iran sollte gewährleisten, dass Entschädigungen – inklusive angemessener Entschädigungssummen –
jedem Opfer garantiert werden. Der Vertragsstaat soll ebenfalls garantieren, dass niemand dazu
gezwungen wird, gegen sich selbst oder andere eine Aussage zu machen oder dazu, seine Schuld zu
gestehen und dass keines dieser „Geständnisse“ als Beweis vor Gericht akzeptiert wird, außer bei
Personen, die der Folter oder anderer Misshandlung angeklagt sind, als Beweis dafür, wie das
„Geständnis“ oder eine andere Aussage erreicht wurde.
RECHT AUF RECHTSMITTEL
Der Schutz des Rechts auf Bildung und anderer relevanter Rechte verlangt, dass diese Gegenstand von
Gerichtsentscheidungen sind durch angemessene Einrichtungen zur Ablegung von Rechenschaft,
einschließlich Gerichten. In der Praxis bedeutet das, dass rechtliche oder quasi-rechtliche
Mechanismen genutzt werden können, um sicherzustellen, dass Personen ihre Rechte einfordern
können, auch auf internationaler Ebene. Der UN Sonderberichterstatter zum Recht auf Bildung hat
kürzlich dargelegt, dass „rechtliche Systeme eine entscheidende Rolle beim Schutz und bei der
Durchsetzung des Rechts auf Bildung als Rechtsanspruch spielen. Die Durchsetzung gesetzlicher
Mechanismen, die gleichberechtigte Bildungsmöglichkeiten garantieren, ist ausschlaggebend zur
Sicherung dieses Rechtsanspruchs. Im Falle der Verletzung des Rechts auf Bildung und Verweigerung
von Chancengleichheit muss jedem der Rechtsweg vor Gerichten oder Verwaltungsgerichten offen
stehen, auf der Grundlage von internationalen gesetzlichen Verpflichtungen oder vorhandenen
rechtsstaatlichen Maßnahmen zum Recht auf Bildung.
Grundsätzlich hat das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte klargestellt, dass ein
Mitgliedstaat, der versucht, sein Versäumnis, innerstaatliche gesetzliche Rechtsbehelfe bei
Verletzungen von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten zu gewähren, zu rechtfertigen ,
entweder zeigen muss, dass solche gesetzlichen Abhilfen keine „geeigneten Mittel“ nach den
Bestimmungen des Artikel 2.1 des Pakts sind oder dass sie im Hinblick auf andere angewendete Mittel
unnötig sind. Es wird schwierig sein, dieses zu zeigen, und das Komitee ist der Auffassung, dass die
anderen angewendeten „Mittel“ in vielen Fällen wirkungslos gemacht werden können, wenn sie nicht
durch Wege zu rechtlicher Abhilfe verstärkt werden.
Viele studentische Aktivisten und Dozenten im Iran waren aus politischen Gründen in Haft und waren
Folter oder anderen Misshandlungen ausgesetzt für angebliche Taten, die laut internationalem Recht
nicht erkennbar kriminell waren. Aufgrund von internationalem Recht ist der Iran verpflichtet, ein
Recht auf Rechtsmittel vorzuhalten, sagt der Internationale Pakt über bürgerliche und politische
Rechte (ICCPR) aus.
Die Behörden müssen sicherstellen, dass

jede Person, deren Rechte oder Freiheiten verletzt wurden, effektive Rechtsmittel einlegen
kann, auch wenn die Verletzung von Menschen begangen wurde, die in offizieller Funktion
handelten;
69

jeder, der solche Rechtsmittel in Anspruch nimmt, dieses Recht von Justiz-, Verwaltungs- oder
gesetzgebenden Behörden oder von jeder anderen staatliche Behörde durchsetzen lassen kann
und Möglichkeiten für juristische Rechtsmittel haben soll; und dass

sachkundige Behörden solche Rechtsmittel durchsetzen, wenn sie gewährt werden.
Leider hat sich herausgestellt, dass dieses im Iran eher die Ausnahme als die Regel ist.
IRANISCHES RECHT
SCHUTZMASSNAHMEN DER VERFASSUNG
Die Verfassung der Islamischen Republik Iran enthält wichtige Schutzmaßnahmen für Rechte und
Freiheiten, wie sie in den internationalen Verträgen garantiert sind. Der Iran ist Unterzeichnerstaat
dieser Verträge, dazu gehören auch die, die sich auf freie Meinungsäußerung und faire Prozesse
beziehen. Diese Verträge sollen für alle Menschen gleiche Rechte vor dem Gesetz als eine Gewähr für
die Menschenwürde erreichen.
Es gibt jedoch Anlass zur Sorge für Amnesty International hinsichtlich der Umsetzung der international
geltenden Schutzmaßnahmen im Hinblick auf freie Meinungsäußerung und Freiheit der Versammlung,
der Nichtdiskriminierung und Rechtsprechung.
FREIE MEINUNGSÄUSSERUNG
Die Verfassung der Islamischen Republik enthält Artikel, nach denen die freie Meinungsäußerung und
das Recht auf Versammlung und Vereinigung gewährleistet sind. Die Grundlagen für persönliche
Freiheit finden sich im Artikel 23. Dort steht, dass „die Untersuchung des persönlichen Glaubens
verboten“ ist und dass „niemand behelligt oder zur Rede gestellt werden darf, nur weil er einen
bestimmten Glauben hat“. Artikel 24 sichert die freie Meinungsäußerung durch Presse und andere
Publikationen zu. Diese Garantien werden oft verwässert, mit der Auswirkung, dass die Behörden sie
weiten Auslegungsspielraum haben. So wird das Recht auf freie Meinungsäußerung in Artikel 24 der
Einschränkung unterworfen: „sofern diese (Meinungsäußerung) nicht gegen Grundlagen des Islam oder
gegen die öffentliche Ordnung verstößt“.
FREIHEIT DER VEREINIGUNG UND VERSAMMLUNG
Auch diese Rechte sind in Artikel 26 der Verfassung garantiert. Die Vereine „dürfen aber nicht die
islamischen Regeln oder die Grundlagen der Islamischen Republik verletzen“. Die Freiheit der
friedlichen Versammlung wird in Artikel 27 garantiert, aber nur, „wenn sie nicht für die Grundlagen des
Islam schädlich sind.“
Die wesentliche Einschränkung des Rechtes auf Versammlung und Vereinigung steht im „Gesetz für
politische Parteien, Gesellschaften, politische und berufliche Vereinigungen und Organisationen von
islamischen oder anerkannten religiösen Minderheiten“. In Artikel 10 wird die Registrierung aller
Organisationen und Vereinigungen durch eine amtliche vom Gesetz bestimmte Kommission gefordert,
alle Demonstrationen und alle politische Vereinigungen müssen vorab von den Behörden zugelassen
werden.
RECHT AUF NICHTDISKRIMINIERUNG
Obwohl die Verfassung die Gleichheit von Mann und Frau garantiert, werden sie vom Gesetz nicht
gleich behandelt. In der Praxis ist die sexuelle Diskriminierung fest verwurzelt. Mädchen und Frauen
haben nicht denselben Schutz des Gesetzes oder Gleichheit vor dem Gesetz, wie in Artikel 14 und 26
des ICCPR gefordert. So ist das Alter für die Mündigkeit für Mädchen 9, für Jungen 15 Mondjahre. So
können Mädchen im Alter von 8 Jahren und 8 Monaten wie Erwachsene behandelt werden, vor Gericht
kann sogar die Todesstrafe verhängt werden. Jungen sind erst im Alter von 14 Jahren und einigen
70
Monaten erwachsen. Die frühe Verheiratung von Mädchen ist erlaubt. 2003 wurde das Mindestalter für
die Ehe auf 13 Jahre erhöht, der Vater kann aber vom Gericht eine Verheiratung mit neun Mondjahren
erreichen. Die frühen Verheiratungen sind eine Menschenrechtsverletzung an sich, sie ermöglichen aber
noch weitere Menschenrechtsverletzungen.
In vielen Fällen ist das Zeugnis einer Frau vor Gericht halb so viel wert wie das eines Mannes. Frauen
erhalten nur die Hälfte der Kompensation von einem Mann bei Verletzungen oder Tod, und Frauen
haben einen ungleichen Status gegenüber Männern in vielen Bereichen der Gesetze, besonders bei
denen, die Heirat, Scheidung, Sorgerecht für die Kinder und Erbschaften betreffen.
Bei vielen Gegebenheiten wird Nichtmuslimen Gleichberechtigung vor dem Gesetz und der gleiche
Schutz des Gesetzes verweigert. Zum Beispiel, wenn ein nicht verheirateter Nichtmuslim wegen
sexueller Beziehung zu einer nicht verheirateten Muslimin verurteilt wird, würde der Mann zum Tode
verurteilt, ein nicht verheirateter Muslim würde ausgepeitscht.
RELIGIONSFREIHEIT
In Artikel 12 der Verfassung steht, dass die offizielle Religion des Landes der Shia-Islam ist, andere
islamische Minderheiten können frei ihren Glauben ausüben. Danach können persönliche
Angelegenheiten dieser Minderheiten wie Heirat oder Scheidung innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft
durchgeführt werden. Artikel 13 stellt fest, dass Christen, Juden und Zoroastrier die einzigen
anerkannten religiösen Minderheiten im Iran sind.
RECHTSPRECHUNG
Artikel 169 der Verfassung und Artikel 2 des islamischen Strafgesetzbuches stellen fest, dass keine Tat
als Straftat zu bewerten ist, wenn sie nicht klar vom Gesetz erfasst ist. In Artikel 167 der Verfassung
und im Artikel 214 der Strafprozessordnung wird von den Richtern jedoch gefordert, dass sie ihr
eigenes Wissen vom islamischen Gesetz in den Prozessablauf einbringen sollen, wenn der Fall im
Strafgesetzbuch nicht erfasst ist. Das bedeutet, dass jemand für eine Tat verurteilt werden kann, die
nach dem Strafgesetzbuch keine Straftat darstellt, darunter auch Taten, die die Todesstrafe nach sich
ziehen. Das ergibt eine Schieflage und Unsicherheit in den Verfahren, die eigentlich keinen Raum für
Zweideutigkeit lassen sollten. Das gilt besonders für Verfahren mit der Möglichkeit einer Verurteilung
zum Tode.
Trotz des verfassungsmäßigen und gesetzlichen Erfordernisses an die Gerichte, Anhörungen nur in
Gegenwart eines Verteidigers durchzuführen, wird in der Praxis vielen Anwälten dieses Recht
verweigert. Zudem steht in einer Anmerkung zu Artikel 128 Strafprozessordnung, dass Richter den
Angeklagten den Kontakt zu einem Anwalt in „heiklen Fällen“ verweigern dürfen – in der Praxis ist das
die Norm. Den Angeklagten wird gewöhnlich der Kontakt zu einem Anwalt während der
Untersuchungshaft verweigert, die Zeit kann beliebig ausgeweitet werden. AI hat Fälle dokumentiert,
wo Gefangene monatelang keinen Kontakt zu einem Anwalt und nur eingeschränkt zu
Familienangehörigen hatten. In die Akten des Gefangenen hat der Anwalt erst Einsicht, wenn die
Untersuchung abgeschlossen ist. Das kann erst wenige Tage vor der Verhandlung sein. Es können aber
Anträge auf Verschiebung (der Verhandlung) gestellt werden, um mehr Zeit zur Vorbereitung zu
gewinnen.
Nach den Vorschriften für die Gefängnisse des Iran müssen die Gefangenen in Einrichtungen gefangen
gehalten werden, die von der Gefängnisorganisation kontrolliert werden. Die Inhaftierten werden jedoch
oft in Einrichtungen des Geheimdienstes oder der Revolutionsgarden verbracht, also außerhalb der
offiziellen Kontrolle. Üblich ist, die Gefangenen für Tage, Wochen oder Monate in Einzelhaft zu halten.
Es gibt keine Chance, gegen diese Haft anzugehen. Den Angehörigen wird oft von den Behörden
jegliche Auskunft über das Schicksal oder den Aufenthaltsort ihrer Verwandten verweigert, was in vielen
Fällen der Praxis des „Verschwindenlassens“ gleichkommt.
71
SCHUTZ VOR FOLTER
Der gesetzliche Rahmen schützt nur bedingt vor Folter. Der Artikel 38 der Verfassung verbietet Folter,
wenn sie angewandt wird, „mit dem Ziel, ein Geständnis oder Informationen zu erhalten“. Diese
Definition reicht nicht an die internationalen Standards heran. So sieht die Definition der Folter in der
„UN-Konvention gegen die Folter“ eine Reihe von weitergehenden Zwecken, wie Bestrafung,
Beleidigung, Diskriminierung und Anwendung von Zwangsmaßnahmen vor.
Artikel 39 verbietet jeglichen Angriff auf die Würde der Inhaftierten. Artikel 6 des „Gesetzes über die
Achtung der legitimen Freiheiten und die Sicherstellung der Bürgerrechte“ führt weiterhin aus, dass,
während eine Person gefangen ist oder verhört wird, der Vollzugsbeamte dem Angeklagten kein Leid
zufügen darf, wie durch das Verbinden der Augen oder das Fesseln der Gliedmaßen.
Die iranischen Behörden haben zugegeben, dass sie in speziellen Fällen, um Informationen oder
Geständnisse zu erlangen, den Vollzugsbeamten erlauben, Interview- und Fragetechniken anzuwenden,
die körperliche oder seelische Qualen verursachen, wenn sie von einem führenden Vollzugsbeamten
oder anderen Regierungsbeamten angeordnet werden.
72
7. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN
Dieser Bericht beschreibt Einzelheiten der andauernden und sich verschärfenden Repressionen von
Studenten und Akademikern im System der höheren Bildung im Iran.
Die Regierung von Mahmoud Ahmedinejad, dessen Amtszeit Anfang August 2013 endete, war
offensichtlich entschlossen, die höhere Bildung so umzugestalten, dass nur Lehrkräfte eingestellt
werden, die bereit waren, von den Behörden genehmigtes Ideengut zu lehren und nur Studenten
zuzulassen, die keine abweichenden Ansichten äußerten und sich weder oppositionell noch von der
offiziellen Linie abweichend engagierten und die sich an die strengen Kleidungs- und Verhaltensregeln
hielten, die Frauen unverhältnismäßig hart trafen.
Seit Präsident Rouhani 2013 an die Macht kam, ist seine Regierung für eine Agenda eingetreten, die
die Rechte mehr respektiert, und hat damit Hoffnungen genährt, dass es in seiner Amtszeit
maßgebliche – und dringend notwendige – Verbesserungen der Menschenrechte im Iran und der
Lebensqualität von Millionen von Iranern geben könnte. Die Vorrangigkeit, mit der er die an Iranischen
Universitäten vorherrschende Krise der akademischen Freiheit in Angriff nimmt, wird ein wichtiger
Hinweis sein, ob solche Hoffnungen wirklich begründet sind.
EMPFEHLUNGEN
Die folgenden Empfehlungen beziehen sich auf die Probleme, die in diesem Bericht beschrieben
werden.
AN DIE IRANISCHEN BEHÖRDEN
Amnesty International fordert die iranischen Behörden auf, die folgenden vorherrschenden
Menschenrechtsverletzungen zu beenden und die nachstehenden Maßnahmen unverzüglich
umzusetzen:
RECHT AUF HÖHERE BILDUNG UND AKADEMISCHE FREIHEIT

Gewährleisten Sie, dass höhere Bildung für alle gleichermaßen zugänglich gemacht wird auf der
Grundlage ihrer Fähigkeiten, und dass sie den Empfehlungen des UN Komitees für Wirtschaftliche,
Soziale und Kulturelle Rechte entspricht und dass die Anstellung in der weiterführenden und
höheren Bildung nicht vom Geschlecht, von der politischen oder religiösen Ausrichtung, Meinung
oder vom Glauben abhängig sein sollte.

Gewährleisten Sie, dass Studenten und Akademiker, die ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung
und Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken ausüben, nicht mit Bestrafung
rechnen müssen, wie Disziplinarverfahren oder falsche negativen Beurteilungen bei der Bewertung
ihrer Arbeiten, die zu Suspendierung, Entlassung oder Verweisung führen können. Annullieren Sie
unverzüglich alle früheren willkürlichen Suspendierungen oder Verweisungen von Studenten und
alle Zwangspensionierungen oder erfolgten Entlassungen von akademischem Personal, die wegen
unzulässiger Gründe erfolgten und setzen Sie der Opfer dieser Maßnahmen wieder in ihre früheren
Positionen als Studenten oder Universitätspersonal ein.

Beseitigen Sie jegliche Form von direkter Überwachung von Universitäts- und Bildungszentren
durch nationale Sicherheitsorgane.

Gewährleisten Sie, dass willkürliche Einschränkungen bei der Gründung und der Tätigkeit von
studentischen Publikationen und Vereinigungen aufgehoben werden und dass studentische
Publikationen und Vereinigungen nicht die Schließung zu erwarten haben, weil sie ihre Rechte auf
freie Meinungsäußerung und der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ausgeübt haben.
73

Beendigen Sie die willkürliche Einmischung in das Recht auf Privatsphäre von Studenten und
Akademikern und gewährleisten Sie, dass niemandem wegen seiner Überzeugung oder aufgrund
seines Geschlechts, seiner Religion, ethnischen Zugehörigkeit, Geschlechtsidentität oder sexuellen
Orientierung der Zugang zu höherer Bildung verweigert wird.

Beendigen Sie die Politik, die darauf abzielt, die Teilhabe von Mädchen und Frauen an höherer
Bildung einzuschränken, einschließlich der Bekleidungsvorschriften, und eröffnen Sie
Studienfächer wieder, die aus Gründen der Einteilung und Quoten für Frauen geschlossen wurden,
wie im Mai 2013 vom UN Komitee für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte empfohlen.

Gewährleisten Sie, dass alle Institutionen für höhere Bildung verpflichtet werden, internationale
Menschenrechtsstandards in ihre Gründungsurkunden aufzunehmen und in der Praxis zu befolgen,
indem sie unter anderem die Rechte auf freie Meinungsäußerung und der Versammlungs- und
Vereinigungsfreiheit auf dem Campus wahren und schützen.

Stellen Sie sicher, dass ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um zu gewährleisten,
dass traditionell benachteiligte Menschen und Randgruppen wie Angehörige von Irans religiösen
und ethnischen Minderheiten, Frauen und Menschen mit Lernschwächen und psychosozialen
Defiziten ohne Diskriminierung Zugang zu höherer Bildung erhalten.

Stellen Sie sicher, dass ethnische Minderheiten die Gelegenheit für eine Ausbildung in ihrer
Muttersprache erhalten, wie Arabisch, Aserbaidschanisch, Türkisch, Balutschisch, Kurdisch und
Turkmenisch sowie Farsi, damit sichergestellt wird, dass alle Gemeinschaften umfassend und
ungehindert am kulturellen Leben teilhaben können, in Übereinstimmung mit Empfehlungen, die
vom UN Komitee für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte ausgegeben wurden.
MEINUNGS-, VERSAMMLUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT

Lassen Sie sofort und bedingungslos alle gewaltlosen politischen Gefangenen frei, das heißt alle
Personen, die ausschließlich aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf freie
Meinungsäußerung und anderer Menschenrechte inhaftiert wurden. Heben Sie alle anhängigen
Anklagen gegen Personen auf, die nur von der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie
Meinungsäußerung oder anderer Menschenrechte herrühren.

Überprüfen Sie alle Gesetze des Strafgesetzbuchs, besonders des Fünften Buchs, das Pressegesetz
und andere Einzelbestimmungen zum friedlichen Ausdruck von Gewissensüberzeugungen, mit dem
Ziel, die iranische Gesetzgebung mit Irans Verpflichtungen gemäß internationalem Recht
einschließlich Artikel 19 des ICCPR in Einklang zu bringen.

Überprüfen Sie alle Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, die sich auf die friedliche Versammlung
beziehen, um sicherzustellen, dass jeder dieses Recht ausüben kann, einschließlich der
Versicherung, dass niemand wegen der Teilnahme an einer friedlichen Zusammenkunft verfolgt
werden kann.

Überprüfen Sie und, falls erforderlich, ändern Sie alle Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, die
sich auf friedliche Vereinigungen beziehen, um sie mit internationalem Recht in Einklang zu
bringen.

Erkennen Sie das Recht auf freie Meinungsäußerung für alle an, einschließlich des Schutzes der
Freiheit, Informationen und Ideen aller Art ungeachtet von Grenzen und durch alle Medien zu
empfangen und weiterzugeben.
DISKRIMINIERUNG

Überprüfen, ändern oder schaffen Sie alle Gesetze ab, die Menschen aufgrund von Rasse,
Hautfarbe, Religion, ethnischer Abstammung, Geschlecht, sexueller Orientierung,
Geschlechtsidentität, politischer oder anderer Ansichten, nationaler oder sozialer Herkunft,
Eigentum oder anderem Status diskriminieren.
74

Schaffen Sie jede Form von Diskriminierung von Frauen und Mädchen im Gesetz und in der Praxis
ab und modifizieren Sie und schaffen Sie diskriminierende Gesetze (wie das Strafgesetz), Regeln,
Bräuche und Praktiken ab.

Ändern Sie oder schaffen Sie alle Gesetze und Bestimmungen ab, die gleichberechtigte
Zugangsmöglichkeiten von Frauen und Mädchen zu höherer Bildung behindern, wie
Geschlechtertrennung im Unterricht und Institutionen, diskriminierende Quoten, Verbote für Frauen
und Mädchen, bestimmte Studienfächer oder Disziplinen zu studieren.

Stellen Sie sicher, dass akademische Posten auf der Grundlage von Verdiensten vergeben werden
und ohne Diskriminierung wegen anderer Gründe wie Geschlecht, Rasse, Religion, politischer
Überzeugung, Glaube oder sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität.

Ratifizieren Sie umgehend und ausnahmslos die UN-Übereinkunft zur Eliminierung aller Formen
von Diskriminierung von Frauen und das zugehörige Fakultativprotokoll.

Beendigen Sie die Diskriminierung der Baha’is in Gesetzen, Bestimmungen und in der Praxis und
beenden Sie die diskriminierenden Maßnahmen gegen Irans ethnische und religiöse Minderheiten,
einschließlich Ahwazis, Araber, Aserbaidschaner, Belutschen, Kurden, Ahl-e Haqs, Sufis und
christliche Konvertiten, auch in Bezug auf den Zugang zu höherer Bildung.
ANWENDUNG VON RECHT UND GESETZ

Stellen Sie sicher, dass alle Straftaten eng und eindeutig im Gesetz definiert werden, in
Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Legalität.

Stellen Sie sicher, dass niemand nur wegen der friedlichen Ausübung seines Rechts auf Meinungs-,
Rede, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit inhaftiert wird. Alle die deshalb inhaftiert sind,
müssen unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden.

Informieren Sie unverzüglich alle Gefangenen über die Gründe für ihre Verhaftung oder
Inhaftierung und unterrichten Sie sie umfassend über ihre Rechte.

Garantieren Sie das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren im gesamten Verlauf, in
Übereinstimmung mit internationalen Standards, insbesondere Artikel 14 der ICCPR. Iranisches
Recht muss sicherstellen, dass alle verhafteten Personen unverzüglich eine effektive Möglichkeit
erhalten, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung vor einem Gericht anzufechten, das die Befugnis
hat, ihre Freilassung anzuordnen; dass sie vom Zeitpunkt ihrer Verhaftung Zugang zu einem Anwalt
haben; Gleichheit vor dem Gesetz; das Recht auf eine faire und öffentliche Verhandlung durch ein
kompetentes, unabhängiges Gericht oder gesetzlich bestimmtes Schiedsgericht; und das Recht auf
eine begründete Berufung.

Stellen Sie sicher, dass jedem, der seiner Freiheit beraubt ist, erlaubt ist, Familienbesuche zu
erhalten, und dass Familien über den Aufenthaltsort und den Status ihres inhaftierten oder eine
Gefängnisstrafe verbüßenden Familienmitglieds informiert werden.

Garantieren Sie die Unabhängigkeit der Justiz und stellen Sie sicher, dass in Prozessen
wirkungsvoller Schutz gegen Einflussnahme des Geheimdienstministeriums und anderer
Sicherheitskräfte oder Behörden gewährleistet ist.

Schaffen Sie geheime Inhaftierung, Inhaftierung an einem unbekannten Ort und die Anwendung
längerer Einzelhaft ab.

Schaffen Sie den Einsatz von Sondergerichten im Iran ab, einschließlich der Revolutionsgerichte
und der Sondergerichte für Geistliche.

Beendigen Sie die Anwendung von im Fernsehen übertragenen erzwungenen „Geständnissen“;
diese verletzen das Recht der Unschuldsvermutung und das Recht, nicht gegen sich selbst
auszusagen oder Schuld einzugestehen.

Ordnen Sie ein sofortiges Moratorium für Hinrichtungen an, in Übereinstimmung mit den
wiederholten Forderungen der UN-Vollversammlung, und setzen Sie unverzüglich Maßnahmen in
75
Kraft, um die Zahl der mit der Todesstrafe bedrohten Straftaten zu reduzieren, als erstem Schritt
zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.
VERHINDERUNG VON FOLTER UND ANDEREN MISSHANDLUNGEN

Verurteilen Sie öffentlich Folter oder andere Misshandlungen, einschließlich der Bekanntgabe an
alle Sicherheitskräfte, dass diese Form der Gewaltanwendung unter keinen Umständen toleriert
wird.

Stellen Sie sicher, dass Folter und andere Misshandlungen per Gesetz ausdrücklich verboten sind,
unabhängig von ihrem Zweck, und dass derartige Handlungen Verbrechen sind, die mit Strafen
geahndet werden, die der Schwere des Verbrechens entsprechen, ohne Anwendung der Todesstrafe.
Definieren Sie Folter als Verbrechen nach iranischem Gesetz und stellen Sie sicher, dass das Verbot
der Folter auch keine Ausnahme zulässt, wenn sie “dem Ziel dient, ein Geständnis zu erlangen
oder Informationen zu erhalten“, wie es die Verfassung zurzeit vorsieht. Garantieren Sie, dass die
gesetzliche Definition der Folter mit der Definition des Übereinkommens gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlung oder Strafe (CAT) entspricht und dass
Iranisches Recht vollständig mit der CAT übereinstimmt.

Beendigen Sie geheime Inhaftierungen und stellen Sie sicher, dass alle Gefangenen an offiziellen
Orten des Strafvollzugs unter der Kontrolle der Justizverwaltung untergebracht werden, und dass
ihnen sofortiger und später regelmäßiger Zugang zu einem Anwalt ihrer Wahl gewährt wird, der bei
allen Vernehmungen anwesend sein sollte.

Beendigen Sie die Praxis, Gefangene an einem unbekannten Ort zu verwahren. Stellen Sie sicher,
dass Gefangene sofortigen und später regelmäßigen direkten Kontakt zu Familienmitgliedern
haben.

Heben Sie alle gesetzlichen Bestimmungen auf, insbesondere das Islamische Strafgesetzbuch, die
die Anwendung körperlicher Züchtigung vorsehen, einschließlich Prügelstrafe, Amputation, und
Steinigung; und verfügen Sie ein Moratorium für derartige Strafen bis zu ihrer völligen
Abschaffung.

Stellen Sie sicher, dass Vorwürfe der Folter oder anderer Misshandlungen unabhängig,
unverzüglich, gründlich und unparteiisch untersucht werden, und dass Amtspersonen, die für
solche Gewaltanwendung verantwortlich sind, strafrechtlich verfolgt werden – ohne Anwendung der
Todesstrafe – und dass die Opfer volle Entschädigung erhalten.

Stellen Sie sicher, dass niemand gezwungen wird, gegen sich selbst oder andere auszusagen oder
Schuldeingeständnisse zu machen, und dass keine Aussage, die durch Folter oder andere
Misshandlungen erlangt wurde, als Beweismittel vor Gericht zugelassen wird, außer gegen eine
Person, die der Folter oder anderer Misshandlungen beschuldigt wird, als Beweis, dass das
„Geständnis“ oder andere Aussagen (unter Folter) gemacht wurden.

Stellen Sie sicher, dass Gefangene unverzüglichen Zugang zu einer fachgerechten medizinischen
Untersuchung erhalten, und falls gewünscht oder erforderlich, zu medizinischen Betreuung
während ihrer gesamten Haftdauer. Gefangenen sollte es gestattet sein, auf Wunsch eine
unabhängige medizinische Meinung einzuholen.
RECHT AUF WIEDERGUTMACHUNG BEI VERSTÖßEN

Richten Sie unabhängige und unparteiische Stellen ein, um Vorwürfe von
Menschenrechtsverletzungen unverzüglich, gründlich und effektiv zu untersuchen und den Opfern
und den betroffenen Familien angemessene Entschädigung zu gewähren, in Übereinstimmung mit
internationalen Menschenrechtsstandards.

Bestrafen Sie oder verfolgen Sie strafrechtlich Sicherheits-, Justiz- und anderen Beamten aller
Ebenen, die für Misshandlungen von Häftlingen verantwortlich sind und stellen Sie sicher, dass
76
sowohl das Vorgehen bei Ermittlungen und Sanktionen wie auch bei allen Strafprozessen den
höchsten internationalen Standards entspricht.

Lassen Sie internationale Überprüfung der Menschenrechtssituation im Iran zu, einschließlich der
Besuchserlaubnis für den Sonderberichterstatter der UN für die Menschenrechtssituation im Iran,
zusätzlich zu anderen UN-Menschenrechtsorganen, die um Besuchserlaubnis ersucht haben, wie
auch unabhängige internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International.

Treten Sie Fakultativprotokollen bei, um Beschwerden von Einzelpersonen an Organe des UNAbkommens nachzugehen.
INTERNATIONALE MENSCHENRECHTSINSTRUMENTE

Ratifizieren Sie unverzüglich und vorbehaltlos das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und sein Fakultativprotokoll,
das Übereinkommens über die Abschaffung aller Formen von Diskriminierung von Frauen und sein
Fakultativprotokoll, das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Menschen vor
Verschwindenlassen, das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, das
Fakultativprotokoll zum ICCPR und ICESCR.

Bestätigen Sie und setzen Sie praktisch die bestehende Einladung an die UNMenschenrechtsexperten – Sonderverfahren – um, um Iran bei der nächsten Gelegenheit zu
besuchen, u.a. indem der baldige Besuch durch den UN-Sondergesandten für das Recht auf
Bildung ermöglicht wird, um der Regierung bewährte Verfahren und Methoden zu empfehlen, um
zu gewährleisten, dass Studierende nicht mit unfairen Disziplinarverfahren konfrontiert werden,
weil sie friedlich ihre Rechte in Anspruch genommen haben, die ihnen durch internationales Recht
garantiert sind.
AN DIE INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT

Stellen Sie sicher, dass Umsiedlung im Anschluss an die Anerkennung des Flüchtlingsstatus
unverzüglich und fair erfolgt.

Stellen Sie sicher, dass politische Themen wie die Bedenken wegen Irans Nuklearprogramms die
internationale Gemeinschaft Sie nicht davon abhält, als Antwort auf das Versagen der iranischen
Behörden, ihre Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, und auf die Behinderung von
internationalen Untersuchungen, einschließlich der UN-Menschenrechtsorgane, konzertierte
Maßnahmen zu ergreifen.

Drängen Sie die iranischen Behörden, einem Besuch des UN-Sondergesandten zum Iran
zuzustimmen und ihren Verpflichtungen nachzukommen, Besuche von menschenrechts-bezogenen
Arbeitsgruppen der UN, die gebeten haben Iran zu besuchen, zu erleichtern und zu empfangen, in
Übereinstimmung mit der bereits bestehenden Einladung, die durch die iranischen Behörden
ausgesprochen wurde.