30 Jahre Kurden in Österreich Musterbeispiel - Pen-Kurd

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30 Jahre Kurden in Österreich Musterbeispiel - Pen-Kurd
Diese Veranstaltung steht unter dem Ehrenschutz von
Frau
Maga
Sonja Wehsely, Wiener Stadträtin für Integration.
30 Jahre Kurden in Österreich
Musterbeispiel gelungener Integration
Das Titelbild ist ein Gemälde des kurdischen Künstlers Faek Rasul.
Informationen über sein Schaffen und sein Leben auf den letzten
Seiten dieser Broschüre.
Faek Rasul
30 Jahre Kurden in Österreich
IMPRESSUM
Medieninhaber, Hersteller, Verleger:
Österreichisch-Kurdische Gesellschaft für Wissenschafts- und Kulturaustausch
Marktgasse 62/1/3
1090 Wien
Musterbeispiel gelungener Integration
Freitag, 2. Juni 2006, Hotel Marriot, Wien
Redaktionelle Gestaltung:
Sissy Danninger, DI Fatima Khanakah
e-Mail: office@ok-gesellschaft.at
Vor genau drei Jahrzehnten hat die Republik Österreich in einer großzügigen,
humanitären Geste das erste Kontingent von 100 Flüchtlingen aus Irakisch-Kurdistan
aufgenommen. Die betroffenen Familien und alleinstehenden, jungen Studenten
begannen nach dem Zusammenbruch des Kurdenaufstands unter Mustafa Barzani
ihr neues Leben, in dem ihnen Österreich zur zweiten Heimat werden sollte, im
Flüchtlingslager Traiskirchen.
Fotonachweis:
Halabdscha: KurdishMedia
Abdolrahman Ghassemlou: Kurdische Demokratische Partei des Iran
Alle übrigen: privat
Druck:
Druckerei .....
Insbesondere dieses Lager und das generelle Thema der Integration von Flüchtlingen
und Migranten sind auch heute noch Gegenstand teils heftiger, gesellschaftlicher
Auseinandersetzungen. Es gibt für diese Probleme sicherlich keine einfachen
Patentlösungen. Die kurdischen und die österreichischen Partner dieser vergangenen
drei Jahrzehnte sind aber überzeugt, dass sich aus den Lebenswegen dieser Kurden
sowie all jener Kurden, die nach ihnen
in den vergangenen 30 Jahren ebenfalls
Sorgenvolle Blicke bei der Ankunft in Wien
den Weg nach Österreich fanden,
Impulse im Interesse eines toleranten
Miteinander gewinnen lassen.
Gefördert aus Mitteln der Stadt Wien
Selbstverständlich
müssen
die
Alteingesessenen ebenso wie die
Neuankömmlinge jeweils das Ihre zu
diesem Integrationsprozess beitragen.
Dass
dies
unter
bestimmten
Rahmenbedingungen möglich und für
beide Seiten letztlich gewinnbringend ist, lässt sich trotz aller Unterschiede der
Mentalitäten und der Kulturen gut am Beispiel der österreichischen
Kurden/kurdischen Österreicher dokumentieren.
Vor diesem Hintergrund will die Informations- und Festveranstaltung gemeinsam
mit gebürtigen Österreichern und Österreichern kurdischer Herkunft ein deutliches
Zeichen dieser gelungenen Integration setzen. Nicht zuletzt soll damit dieser
gemeinsame Erfolg auch einer breiteren Öffentlichkeit verstärkt ins Bewusstsein
gerufen werden - denn gerade, weil die Integration so gut gelang, schien und scheint
sie zu Unrecht nur ungenügend wahrgenommen zu werden.
In dieser Dokumentationsmappe finden sich anlässlich der Veranstaltung u.a.
Fallbeispiele und Erfahrungsberichte von Kurden, die 1976 nach Österreich kamen.
Das Positive darin möge beispielgebend wirken, das Negative zu seiner eigenen
Überwindung beitragen.
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30 Jahre Kurden in Österreich
Musterbeispiel gelungener Integration
Freitag, 2. Juni 2006, Hotel Marriot, Wien
Vor genau drei Jahrzehnten hat die Republik Österreich in einer großzügigen,
humanitären Geste das erste Kontingent von 100 Flüchtlingen aus Irakisch-Kurdistan
aufgenommen. Die betroffenen Familien und alleinstehenden, jungen Studenten
begannen nach dem Zusammenbruch des Kurdenaufstands unter Mustafa Barzani
ihr neues Leben, in dem ihnen Österreich zur zweiten Heimat werden sollte, im
Flüchtlingslager Traiskirchen.
Insbesondere dieses Lager und das generelle Thema der Integration von Flüchtlingen
und Migranten sind auch heute noch Gegenstand teils heftiger, gesellschaftlicher
Auseinandersetzungen. Es gibt für diese Probleme sicherlich keine einfachen
Patentlösungen. Die kurdischen und die österreichischen Partner dieser vergangenen
drei Jahrzehnte sind aber überzeugt, dass sich aus den Lebenswegen dieser Kurden
sowie all jener Kurden, die nach ihnen
in den vergangenen 30 Jahren ebenfalls
Sorgenvolle Blicke bei der Ankunft in Wien
den Weg nach Österreich fanden,
Impulse im Interesse eines toleranten
Miteinander gewinnen lassen.
Selbstverständlich
müssen
die
Alteingesessenen ebenso wie die
Neuankömmlinge jeweils das Ihre zu
diesem Integrationsprozess beitragen.
Dass
dies
unter
bestimmten
Rahmenbedingungen möglich und für
beide Seiten letztlich gewinnbringend ist, lässt sich trotz aller Unterschiede der
Mentalitäten und der Kulturen gut am Beispiel der österreichischen
Kurden/kurdischen Österreicher dokumentieren.
Vor diesem Hintergrund will die Informations- und Festveranstaltung gemeinsam
mit gebürtigen Österreichern und Österreichern kurdischer Herkunft ein deutliches
Zeichen dieser gelungenen Integration setzen. Nicht zuletzt soll damit dieser
gemeinsame Erfolg auch einer breiteren Öffentlichkeit verstärkt ins Bewusstsein
gerufen werden - denn gerade, weil die Integration so gut gelang, schien und scheint
sie zu Unrecht nur ungenügend wahrgenommen zu werden.
In dieser Dokumentationsmappe finden sich anlässlich der Veranstaltung u.a.
Fallbeispiele und Erfahrungsberichte von Kurden, die 1976 nach Österreich kamen.
Das Positive darin möge beispielgebend wirken, das Negative zu seiner eigenen
Überwindung beitragen.
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30 Jahre im Spiegel der Erinnerung
Privates, Technologie-Fortschritt, Weltpolitik und Kurdenverfolgung
Von Ahmad Fathulla
Mit dem Herzen in Kurdistan und der Freude, Iran verlassen zu dürfen, bin ich mit
weiteren 40 Kurdinnen und Kurden in der ersten, kurdischen Flüchtlingsgruppe,
bestehend aus kurdischen Akademikern mit deren Familien und Kindern sowie aus
Studenten, voller Hoffnung auf dem Flughafen Schwechat gelandet.
Das war 1976, vor 30 Jahren.
Mit der gewonnenen Freiheit und mit dem Gedanken an die Zukunft der Kurden
begannen auch die konstruktive und die destruktive Auseinandersetzung mit der
Vergangenheit und mit den eigenen Kollegen - mit einigen schönen und auch
unschönen Folgen. Zu den schönen Seiten dieser Auseinandersetzung gehörten die
Gründung der neuen kurdischen Studentenorganisation AKSA, wo sich
gleichgesinnte Studenten aus allen Teilen Kurdistans im Ausland zusammengetan
hatten, sowie die Gründung der Patriotischen Union Kurdistans in der alten Heimat.
Der neue kurdische Widerstand gegen Saddam Hussein hat uns wieder Hoffnung
gegeben.
In Traiskirchen waren wir vorerst nicht primär mit der deutschen Sprache, sondern
eher mit vielen anderen Sprachen und Flüchtlings-Schicksalen konfrontiert.
Während sich etwa die afrikanisch-stämmige Bevölkerung der USA immer mehr
Rechte erkämpft hatte, hatte ein afrikanischer Diktator, nämlich Idi Amin, die
indisch-stämmige Bevölkerung aus seinem und deren Land Uganda vertrieben. So
hatten wir die Gelegenheit, viele nette Inder und Inderinnen aus Uganda kennen zu
lernen. Ähnliche Schicksale hatten viele Chilenen, die nach dem Sturz Präsident
Salvador Allendes vor dem Staatsterror Augusto Pinochets geflohen waren, sowie
viele osteuropäische Flüchtlinge aus den kommunistischen Diktaturen.
Von Wien zum Physik-Studium nach Graz und retour
1977, im Jahr, in dem Jimmy Carter zum 39. Präsidenten der USA geworden war,
begann ein neuer Abschnitt in meinem Leben, nämlich der Wechsel nach Graz zur
Technischen Universität, um das in Bagdad abgebrochene Studium der Physik dort
fortzusetzen. Mit in der kurdischen Gruppe, die nach Graz ging, waren Sadi A. Pire,
Scheich Abdulla, Reza Baban und Abdulsalam Karem (Ashty). Hier habe ich auch
meine jetzige Frau, Sigrid, kennen gelernt. Das Erlernen der deutschen Sprache und
die Begegnung mit der österreichischen Kultur und den Österreichern waren eine
schöne und große Herausforderung. In Graz konnten wir gemeinsam mit der
damaligen Hochschülerschaft auch einige Aktivitäten starten, darunter die
Erstellung von technischen Wörterbüchern auf Deutsch, Griechisch und Arabisch.
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Im Jahr 1978, als ich an die Universität Wien wechselte, fand die Volksabstimmung
gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf statt. Ein Jahr davor hat Deng Xiaoping die
Viererbande eliminiert und die kommunistische Macht übernommen, um China
wirtschaftlich zu verändern. Während der schwachen Präsidentschaft Carters hat
sich politisch weltweit einiges ereignet. Die
Islamisten mit Ayatollah Khomeini haben die Macht
im Iran übernommen, den kurdischen Widerstand
im iranischen Kurdistan brutal niedergeschlagen
und viele Kurden hingerichtet. Das hat uns in Wien
zu Demonstrationen und Hungerstreiks veranlasst,
ohne dass wir wirklich von der Öffentlichkeit
wahrgenommen worden wären.
Wenig beachtete Demonstrationen
Attentat auf Kurden-Kongress in Berlin vereitelt
Die Sowjets haben 1979 Afghanistan besetzt, und die Sandinisten haben in Nicaragua
die langen Jahre der Diktatur beendet. 1980 hat Saddam Hussein seine Auftragskiller
von der damaligen irakischen Botschaft in der DDR nach West-Berlin geschickt, um
einen Kongress der kurdischen Studenten im Ausland (AKSA) in die Luft zu
sprengen. Dies misslang jedoch, weil Beweismaterial rechtzeitig gefunden worden
war. Die als mutmaßliche Attentäter vorerst gefassten Angehörigen der irakischen
Sondereinheit wurden von Deutschland freigelassen.
In diesem Jahr 1980 überfällt Saddam Hussein vor den Augen und mit
Unterstützung der Welt den Iran. Damit beginnt einer der längsten Kriege der
Neuzeit, der acht Jahre dauert und mehr als eine Million Menschen das Leben kostet.
Im selben Jahr 1980 wird Ronald Reagan zum amerikanischen Präsidenten gewählt,
und Ted Turner gründet den Nachrichtensender CNN.
Nachdem Sigrid ihr Studium der Architektur abgeschlossen hatte, haben wir am
Ende dieses turbulenten Jahres dann geheiratet.
Sohn Avin wächst schon im Computer-Zeitalter auf
1981 beginnt ein neues, technologisches Zeitalter. 20 Millionen Personal Computer
( PCs ) von Commodore werden weltweit verkauft.
1982 wird mein Sohn Avin geboren. Den ersten PC bedient er mit fünf Jahren.
Während das US-Space Shuttle seine Runden mit der ersten Frau im Team im Weltall
dreht und Bill Gates mit seiner Firma Microsoft das Betriebssystem Windows mit
MS-DOS auf den Markt bringt, schließe ich 1983 den ersten Teil meines Studiums mit
dem Titel Magister der Physik an der Universität Wien ab. Ich setze meine Arbeit in
der Forschung fort und schließe das Doktoratsstudium an.
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1984 kommt Apple Macintosh. Die Österreicher haben aber andere Sorgen. Sie sind
1984 mit Hainburg beschäftigt, 1986 mit der Lucona-Affäre von Udo Proksch und
auch mit Waldheim. Der Halley’sche Komet nähert sich der Erde und gibt bei der
Weltraummission „Giotto“ viele seiner Geheimnisse über die Geschichte des
Universums preis.
Die Kurden gewinnen Freunde in Kärnten
1987 ist privat ein Jahr mit vielen Freuden und Erfolgen. Meine Tochter Vian wird
geboren. Ich erlange meinen Doktor-Titel der Physik. Mit der Familie ziehe ich dann
nach Villach in Kärnten, um bei der Firma Siemens (später Infineon Technologies)
die technologische Revolution mitzugestalten. Es werden Hunderttausende
Transistoren auf einem aus einigen Quadrat-Millimeter bestehenden Silizium-Chip
integriert. Diese Integrierten Schaltungen (ICs) haben den Grundstein für das digitale
Zeitalter gelegt.
In Elektroniker-Berufskleidung
In Kärnten ist es mir und meiner Frau sowie meinen
Kindern mit Unterstützung aus der Politik und durch
einige Organisationen teilweise gelungen, die Sache der
Kurden bekannt zu machen und viele Freunde zu
gewinnen. Die Arbeit in so einer internationalen Firma
hat mir sehr viel geholfen, die Welt und viele andere
Kulturen, Menschen und Freunde kennen zu lernen
und global zu denken.
Von Halabdscha bis Wiener Kurdenmord - die Welt sah zu
Während im Westen viele Computer von einem sich schnell vervielfältigenden
Programm (Wurm) zerstört werden, versucht Saddam Hussein, die Kurden im Irak
anders zu vernichten. 1988 startet das Baath-Regime eine der größten VölkermordAktionen nach dem 2. Weltkrieg - gegen die Kurden. In der sogenannte AnfalOffensive werden 180.000 Kurden ermordet, 1,5 Millionen Menschen aus ihren
Dörfern und Städten vertrieben und in diverse Konzentrationslager gepfercht. Ihre
Dörfer und Städte werden dem Erdboden gleichgemacht. 200 Mal werden
Giftgasangriffe gegen kurdische Siedlungsgebiete verübt. Allein in der kleinen Stadt
Halabdscha kommen bei zwei solchen Angriffen im März 1988 mehr als 5000
Menschen ums Leben.
Es tat weh zuzusehen, wie die Welt zuschaute und nichts unternahm. Kurdische
Demonstranten wurden aus der irakischen Botschaft heraus in Wien beschossen. Die
Teilnehmer der Demonstration wurden von den Sicherheitskräften des
österreichischen Innenministeriums verhaftet, aber immerhin später freigelassen.
Die Politik des Weghörens und Wegsehens hat sich im Westen und besonders stark
in Österreich fortgesetzt.
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1989 wurden der Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistans im Iran, Dr.
Abulrahman Qasimlu (Dr.Abdolrahman Ghassemlou), und zwei weitere Kurden von
einem Kommando der iranischen Revolutionswächter und Angehörigen der
iranischen Botschaft kaltblütig in einer Wiener Wohnung erschossen.
Einer der Täter, selbst durch einen Streifschuss leicht verletzt, wurde von den
österreichischen Behörden gefasst und nach Spitalsversorgung neun Tage nach dem
tödlichen Attentat als freier Mann zum Flughafen gebracht. Er reiste seinem Wunsch
gemäß heim in den Iran.
Ein zweiter fand nach kurzer, polizeilicher Anhaltung
Zuflucht in der iranischen Botschaft in Wien, aus der er
schließlich trotz verstärkter Bewachung verschwand. Ein
dritter war bereits unmittelbar nach dem Mord
entkommen.
Für Rushdie machte sich immerhin Großbritannien stark
Die radikal-islamische Regierung unter Ayatollah
Khomeini hat nicht nur die Kurden verfolgt. Gegen den
britischen Schriftsteller Salman Rushdie wurde wegen
dessen Buches ''Satanische Verse'' eine sogenannte Fatwa, Abdolrahman Ghassemlou
ein Auftrag zur Ermordung im Namen der Religion wegen Lästerung des Propheten,
erlassen. Sie ist bis heute aufrecht, was bedeutet, dass jeder Muslim, der ihn
ermordet, ein Kopfgeld erhält und nach seinem eigenen Tod in dem Himmel kommt.
Dagegen hat sich immerhin Großbritannien stark gemacht. Salman Rushdie lebt
noch.
Die Kurden werden aber weiterhin im Iran verfolgt und hingerichtet.
Während der Westen einen Grund mehr zum Feiern hatte, nämlich den Fall der
Berliner Mauer, den Zusammenbruch der kommunistischen Staaten rund um die
Sowjetunion sowie die Deutsche Einigung, machte Saddam Hussein, ermutigt von
dem Schweigen des Westens, eine neue Front auf. 1990, am Beginn des InternetZeitalters, besetzte der Irak das erdölreiche Scheichtum Kuwait.
Golfkrieg um Kuwait: Chance und Tragödie der Kurden
1991 beginnen die Alliierten mit dem Golfkrieg zur Befreiung Kuwaits, was ihnen
auch schnell gelingt. Aber nach dem Rückzug der US-Truppen ohne einen Angriff
auf Bagdad startet Saddam 1992 erneut eine brutale Offensive gegen den schiitischen
und den kurdischen Aufstand im eigenen Land. Mehr als eine Million Kurden
flüchten in Richtung Türkei und Iran. Im eigenen Land werden viele Tausende von
den irakischen republikanischen Garden ermordet.
Daraufhin richteten die Alliierten die sogenannte Schutzzone für die Kurden im
Norden des Irak (und eine weitere im schiitischen Süden) ein. Demokratische
Wahlen, die Schaffung eines kurdischen Parlaments und einer eigenen, kurdischen
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Regierung waren die erfreulichen Folgen dieser Entwicklung - freilich um den Preis
sehr vieler Opfer.
Während das Internet bereits von 25 Millionen Menschen benutzt wird, Yahoo
seinen wirtschaftlichen Feldzug startet und die Computer von einem neuen Spam
namens '“Jesus is coming soon“ lahmgelegt werden, beginnen 1994 die kurdischen
Parteien KDP (Kurdische Demokratische Partei) und PUK (Patriotische Union
Kurdistans) einander zu bekriegen, was eine inner-kurdische Tragödie in IrakischKurdistan auflöst.
Um den Frieden wieder zu erringen, benötigten die Kurden dann vier lange Jahre.
Die Folgen dieses Krieges für die Menschen in Kurdistan sind aber leider noch
immer überall augenscheinlich. Viele weitere Jahre waren notwendig, bis neuerlich
ein gemeinsames Parlament und eine gemeinsame Regierung gebildet werden
konnten.
Privat führte der Weg nach England
Beruflich wechsle ich mit meiner Familie und einigen Kollegen von meiner Firma
1996 nach Newcastle in England, um dort eine neue Produktionsstätte für Chips
aufzubauen. Diese interessante Aufgabe hatte ich für zweieinhalb Jahre, und diese
waren eine Bereicherung für meine Familie und für mich. Wir konnten die englische
Sprache und die Kultur aus der Nähe kennen lernen.
Die englische Küche haben wir damals wegen des Ausbruchs der BSE-Seuche, des
sogenannten Rinderwahnsinns, leider nicht
Die allerbeste
sehr genießen können. Während all meiner
Küche ist die in
beruflichen Reisen habe ich die Küche von
Kalifornien am besten gefunden. Aber die
allerbeste Küche ist natürlich die in
Kurdistan.
Der Tod der Prinzessin Diana im Jahre 1997
stürzt nicht nur England in tiefe Trauer. 1998
Kurdistan
ist aber alles wieder vergessen. Dank der
neuen Medien und CNN kann die ganze Welt
die Sex-Affäre des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton mit der Praktikantin
Monica Lewinsky verfolgen. Es ist ein reiner Zufall, dass in diesem Jahr auch Viagra
entwickelt wird. Dies wird den zukünftigen amerikanischen Präsidenten und einigen
kurdischen Männern mit sehr jungen Frauen die Arbeit erheblich erleichtern.
PKK-Chef Öcalan wird von der Türkei gekidnappt
Während Europa 1999 euphorisch dabei war, den Euro als offizielle Währung
einzuführen, spielte sich vor Augen der Welt eine weitere kurdische Tragödie ab.
Nach seiner Ausweisung aus Syrien, Italien und Griechenland wird Abdulla Öcellan
(Öcalan), Chef der Arbeiter-Partei Kurdistans (PKK), von einem türkischen Spezial6
Kommando in Nairobi verhaftet und mit einem Sonderflug in die Türkei entführt.
Wieder bleibt die Welt sprachlos. Der PKK-Chef wird später zum Tode verurteilt.
Das Urteil wird mit Rücksicht auf die EU-Beitrittswünsche der Türkei jedoch in
lebenslange Haft umgewandelt. Öcalan sitzt weiterhin in Einzelhaft in einem
Hochsicherheits-Gefängnis auf der Insel Imrali.
Trotz des Bestrebens der Türkei, in die EU aufgenommen zu werden, bleibt die
kurdische Frage - die eines Volkes von mehr als 15 Millionen, weiterhin und nun seit
über 80 Jahren ungelöst. Die Türkei versucht sogar, die Lösung der Kurdenfrage in
einem föderalen, demokratischen Irak zu verhindern.
Im Jahr 2000 gerät Österreich in internationale Schlagzeilen. Nach der Bildung einer
Koalitionsregierung der ÖVP mit Haiders FPÖ wird Österreich von seinen
Europäischen Partnern isoliert.
2001 wird G.W. Busch der 43. US-Präsident. Das World Trade Centre wird von einem
Terror-Kommando der Al-Kaida mit in das Gebäude gelenkten Passagierflugzeugen
zum Einsturz gebracht. Diese fürchterliche, terroristische Aktion von Osama Bin
Ladens Leuten dominiert mit ihren Schlagzeilen alles und zeigt, wie gefährlich die
radikalen Islamisten sind. An einem Tag starben bei diesem Anschlag nie zuvor
gekannten Ausmaßes 3000 unschuldige Menschen eines fürchterlichen Todes.
Daraufhin wird Afghanistan von den Amerikanern und den Briten angegriffen und
das Land von dem Terrorregime der Talibans befreit.
Endlich fällt auch die grausame Saddam-Diktatur
2003 wird auch der Irak endlich von einer der grausamsten Diktaturen der Moderne
befreit. Das Trauma von Saddam Hussein und das Baath-Regime sind weg.
Die Kurden haben die einmalige Gelegenheit, für sich und für die Welt zu beweisen,
dass die Ideale und die Vorstellungen vieler Kurden von einem demokratischen und
gerechten Kurdistan verwirklicht werden können. Für den Irak steht ein
Wiederaufbau wie nach dem Tsunami des indischen Ozeans in Südostasien bevor.
Es war eine große Freude, Ende
2005 mitzuerleben, wie der
kurdische Kämpfer Dschalal
Talabani offiziell als irakischer
Staatspräsident in Österreich
empfangen wurde.
Halabdscha: Der Wiederaufbau steht noch bevor
Es war mir eine richtige
Erleichterung, als ich, mit einem
Flug
direkt
aus
Europa
kommend, auf einem kurdischen
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Flughafen landen konnte und die Torturen an der türkischen Grenze zum irakischen
Kurdistan nicht mehr erleben musste.
In einer Welt, in der mehr als 70% der Staaten Föderalismus als Staatsverständnis
praktizieren, in einer Welt, in der fast eine Milliarde Menschen über Internet vernetzt
in verschiedenen Sprachen kommunizieren, werden vielen Millionen Kurden nicht
die primitivsten Grundrechte zugesprochen. Es ist mir unverständlich, wie die
Machthaber in diesen Ländern denken und warum sie so denken. Das hat mit
logischem Menschenverstand nichts zu tun.
Zum Schluß wünsche ich mir und vielen anderen Kurden, dass der nächste Bericht
so ausfällt, dass alle Teile Kurdistans Demokratie und Freiheit genießen - bis dahin
sollte es sicher weniger als wiederum 30 Jahre dauern, weil die Menschen in
Kurdistan das wollen. Buddha sprach : Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg !
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Wie man hier ein Haus auf dem Fundament in Kurdistan baut
Von Fatima Khanakah
Frühjahr 1974: Die ersten, systematischen Säuberungen der Baath-Partei in Kirkuk
hatten begonnen, und meine Familie gehörte zu den ersten Opfern dieser Aktion.
Wir wurden im Spätsommer 1974 unmissverständlich aufgefordert, die Stadt zu
verlassen.
Der Weg führte uns teilweise auch zu Fuß auf steilen, schmalen Pfaden durch
Kampfgebiet, Minenfelder und Militärstützpunkte Richtung iranische Grenze. Wir
wollten über Iranisch-Kurdistan weiter östlich wieder zurück nach IrakischKurdistan gelangen. Dort lebte mein Vater seit 1972 in
einem kleinen Haus.
Aber auch hier war Kampfgebiet. Tagsüber kamen die
irakischen Kampfflugzeuge sowjetischer Bauart und
bombardierten die Ortschaft. In der Nacht war es durch
die donnernden Kanonenkugeln unmöglich zu
schlafen. Zwischendurch verbrachten wir die Zeit mit
Lesen, Handarbeiten und Kartenspielen, um uns
irgendwie abzulenken. Dennoch wollten wir im
irakischen Kurdistan bleiben und nicht wie die meisten
anderen Familien in den Iran fliehen.
Los! - Das Lager wird erobert
November 1974: Die Familie hat die unerwünschte
„Reise“ in den Iran schließlich doch gemacht. Der
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Grund war, dass wir schulpflichtige Kinder hatten, für die der Schulbesuch im
irakischen Kurdistan zu gefährlich war.
Die Schulen im Iran hatten ihre Pforten für die irakisch-kurdischen Schüler geöffnet.
Die iranischen Schulbehörden hatten den Kurden nach langem Verhandeln einige
Schulgebäude
zur
Verfügung
gestellt.
Unterrichtet
haben
hier
Universitätsprofessoren, andere Lehrer, aber auch Studenten in kurdischer Sprache.
Ich arbeitete in der Verwaltung, und meine zwei ältesten Schwestern unterrichteten.
Neue Nachricht: „Österreich nimmt 100 Kurden auf!“
Sommer 1975: Eines Tages kam ein Lehrer mit einer interessanten Neuigkeit:
„Österreich nimmt 100 Kurden auf, wer dabei sein will, muss sich melden!“
Österreich war uns sehr wohl ein Begriff. Als ich noch ein Kind war, hat uns meine
Tante die Geschichte der französischen Revolution vorgelesen, damit die Wartezeit
auf das Abendessen im Fastenmonat Ramadan nicht zu lang würde. Dadurch haben
wir Nichten und Neffen die Bekanntschaft der Familie Habsburg gemacht.
Für viele Kurden wie auch Iraker war freilich auch Dr. Bruno Kreisky eine bekannte
Persönlichkeit. Er ist durch seine Politik den Menschen im Nahen Osten positiv
aufgefallen. Ein wenig vom Geographie-Unterricht ist auch hängen geblieben Österreich war die Brücke zwischen West und Ost. Aber welche Sprache wurde dort
gesprochen? Ein Lehrer, der in Deutschland studierte hatte, klärte uns auf und war
auch bereit, den künftigen Österreich-Reisenden ein bisschen Deutsch beizubringen.
Ich erzählte es meinen Eltern und fragte ganz spontan, ob wir uns eintragen dürften.
Nach kurzer Überlegung stimmte mein Vater zu. So habe ich mich und zwei meiner
Schwestern angemeldet.
Februar 1976: Wir hatten nach rund einem halben Jahr ohne weitere Nachrichten
schon fast auf die potentielle Chance in Österreich vergessen. Da kam die offizielle
Zustimmung aus Österreich. Am 31. März 1976 in der Früh stiegen wir drei
Schwestern mit weitern 38 Kurden in die Lufthansa-Maschine, um via München
nach Wien zu fliegen.
Im Flughafengebäude in München sind wir dann ganz offensichtlich den
Sicherheitsbeamten negativ aufgefallen. Wir waren ein Haufen dunkler Typen, die
im Transitbereich des Flughafengebäudes auf und ab gingen. Es konnte sich in den
Augen dieser Beamten wohl nur um Terroristen handeln.
Kein Hilton-Hotel, sondern dunkle Baracken
Um zirka 18.00 Uhr landete die Maschine mit uns 41 Kurden an Bord schließlich in
Wien-Schwechat. Wir wurden von zwei Beamten des Innenministeriums und einer
Menge Journalisten empfangen. Die Begrüßung erfolgte auf Englisch und war sehr
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herzlich. Der Sprecher entschuldigte sich im Voraus und versuchte, uns auf das
Leben im Lager Traiskirchen vorzubereiten. Wir dürften kein Hotel Hilton erwarten,
sagte er. Aber zwischen einem Hotel Hilton und den schwarzen, dunklen Baracken
im Lager lagen dann doch Welten.
Die großen Rosskastanien-Bäume im Lager waren noch ohne Blätter. Aber das
Wetter hat sich bei unserer Ankunft von seiner besten Seite gezeigt. Nach ein paar
Tagen hat sich der Frühling durchgesetzt, und die Bäume bekamen ihre grün
belaubten Kronen. Es war faszinierend schön.
Erste Deutsch-Versuche: „Ich bin groß und stark“
Nach ein paar Tagen hatten die meisten von uns den ersten Schock überwunden
und versuchten, sich mit dem Leben innerhalb und außerhalb des Lagers vertraut zu
machen. Im Lager war es sehr eintönig und öde, und wir hatten nichts zu tun, außer
dass wir alle versuchten, irgendwie Deutsch zu lernen.
Die von unseren Nachbarn mitgebrachten Lehrbücher und Kassetten standen im
Dauereinsatz. Einen Satz, der da ständig zu hören war, vergesse ich nicht: „Ich bin
groß und stark, ich rauche Pfeife.“
Schließlich gingen meine Schwestern und ich zum Lagerleiter, Herrn Bernhard
Clormann, und machten ihm ein Angebot: Er möge doch einen Deutschlehrer
organisieren und dafür unser Taschengeld von 120 österreichischen Schilling für
jeweils zwei Wochen verwenden. Er reagierte darauf tatsächlich mit Tränen in den
Augen, klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Ihr bekommt einen Lehrer, und das
Taschengeld bleibt Euch
auch erhalten.“
Lebensfreude trotz allem
So bekamen wir dann
sogar zwei Lehrer, weil
inzwischen am 5. April
1976 auch die zweite
Gruppe
angekommen
war. Der Lehrer meiner
Gruppe, Herr Herbert
Först, war sehr gut und
sehr
engagiert.
Er
versuchte mit all seinen
Mitteln
und
vollem
Einsatz, uns die deutsche
Sprache beizubringen. Wir hatten täglich nachmittags zwei Stunden Unterricht. Als
unser Kurs zu Ende war, hat Herr Först sogar seine besten vier Schüler zu sich nach
Hause zum Essen eingeladen. Es waren meine beiden Schwestern Gelas und Chira,
Herr Hiwa Miran und ich.
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Große Freude über den großen Tisch
Das Zimmer, in dem meine Schwestern und ich im Lager lebten, war relativ klein
und aus dunklem Holz. Die Einrichtung war sehr schlicht. In der Mitte stand ein
kleiner, viereckiger Tisch. Er war zu klein für uns drei - vor allem beim Lernen. Also
ging ich, schon bevor der Deutschunterricht begann, in die Verwaltung und sagte
meinen ersten Satz auf Deutsch: „Bitte, ich brauche einen langen Tisch.“ Der
zuständige Beamte schien seinen Ohren nicht zu trauen. Sichtlich erfreut, ließ er
mich den Satz ein zweites Mal sagen.
Nach dem Unterricht kehrten wir in unser Zimmer zurück, und die Freude war
riesig. Der kleine Tisch war gegen einen größeren und schöneren getauscht worden,
und ein Glas voller Wildblumen, die wir am Vortag gesammelt hatten, stand in der
Mitte.
Unter uns war auch ein Kurde, der in DDR studiert hatte. Er hatte allerhand zu tun.
Neben seinen Übersetzerarbeiten für die Behörden war er für uns eine Art
Wegweiser und ein Helfer im Alltag. Beim Mittag- und beim Abendessen wurde er
x-mal nach den Zutaten gefragt. (Als Moslems wollten und sollten wir kein
Schweinefleisch essen, was in Österreich im allgemeinen und im Lager im
besonderen sehr schwierig war.)
Über Sonderformen von Schweinefleisch
Unser DDR-erfahrener Kollege schaffte es immer wieder, uns das Schweinefleisch
auf den Tellern in ständig neuen Formen zu präsentieren und erklärte es zu diesem
Zweck sogar als eine Sonderform von Huhn! Manche fragten ihn dann freilich auch
skeptisch, was das sei, wenn es Hühnerfleisch zum Essen gab. Unser Übersetzer
nannte es dann „geflügeltes Schweinefleisch“. Ich weiß nicht mehr wie, aber
irgendwann wurde auch dieses Problem gelöst. Für uns wurde islamisch gekocht.
Bald bekamen wir im Lager auch Besuch von draußen. Mitglieder des von Hans
Hauser gegründeten, inzwischen nicht mehr bestehenden „Österreichischen Vereins
der Freunde des kurdischen Volkes“ besuchten uns sehr oft. Sie brachten
Verschiedenes mit, darunter Spielzeug für die Kinder, Gesellschaftsspiele für die
Erwachsenen, Bücher, Handarbeits-Material und vor allem ihre Anteilnahme und
Aufmerksamkeit. Auf Besuch kamen aber auch Kurden, die in Wien lebten oder
studierten, und sie brachten ihre österreichischen Freunde mit.
Nach insgesamt sechs Monaten im Lager in Traiskirchen sind wir nach Mödling in
ein anderes Flüchtlingsheim mit anderen Flüchtlingen aus Lateinamerika verlegt
worden.
Ehrliche Anerkennung für „das Fräulein aus Kurdistan“
Im Herbst 1976 wurde ich als Außerordentliche Hörerin an der Universität für
Bodenkultur aufgenommen. Ich besuchte den Vorstudienlehrgang in Wien und
pendelte täglich in die Bundeshauptstadt.
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Unser Deutsch- Professor dort nannte mich „das Fräulein aus Kurdistan“, und ich
war sehr stolz auf diese durchaus anerkennend und freundlich gemeinte
Bezeichnung. Im Februar 1977 habe ich die Deutsch-Abschlussprüfung mit „gut“
bestanden.
Im Sommersemester 1977 begann ich als Ordentlicher Hörer mit dem Studium und
bekam ein Zimmer in einem Studentenheim in Wien. Ich
versuchte, einige Gegenstände, die ich schon auf der
Universität in Bagdad absolviert hatte, hier anerkennen
zu lassen. So kam ich auch zu Professor Hübl am
Botanischen Institut der damaligen Hochschule und
heutigen Universität für Bodenkultur.
Er hat mich sehr nett aufgenommen und mir erzählt,
dass die Kurden die ersten Bauern der Geschichte sind
und dass sie auch Weizen gezüchtet haben. Er sagte:
„Dass wir heute Brot essen, das verdanken wir den
Kurden.“ Mir war das neu. Zuerst habe ich mich daher Ein „Fräulein aus Kurdistan“
für mein Unwissen geschämt und dann war ich traurig:
Musste ich so weit weg reisen und so viel erleben, um so eine wunderbare
Geschichte über meine Vorfahren zu hören? Dann aber habe ich mich gefreut und
mir gedacht, besser, ich höre das jetzt als gar nicht.
Freunde für’s Leben aus dem Studentenheim
Während des Studiums und des Lebens im Studentenheim habe ich viele Leute
kennen gelernt, und manche sind mir bis heute gute Freunde geblieben. Das Leben
im internationalen Studentenheim war lehrreich, vielfältig und auch aufregend.
Heimweh war mein größtes Problem, denn ich war ohne Abschied weggegangen
und hatte immer das Gefühl, ich baue ein Haus hier in Österreich, und das
Fundament ist noch in Kurdistan. Dieses Haus kann nie stabil sein, also fange ich
besser gar nicht damit an. Tagein, tagaus hörte ich Nachrichten und hoffte, Gutes
über den Irak zuhören. Es war vergeblich. Mit der Zeit habe ich aber dann doch eine
Art „Haus in Österreich gebaut“ - mein Studium mit Diplom abgeschlossen, einen
guten Arbeitsplatz gefunden und für mich und meine Tochter eine sichere Existenz
geschaffen.
Erst viele Jahre nach der Studienzeit, tatsächlich sogar zwei Jahrzehnte später, sah ich
in der Errichtung der Schutzzone für Kurden nach dem Golfkrieg um Kuwait am
Beginn der 1990er Jahre eine Möglichkeit, wieder in der Heimat Fuß zufassen. 1993
bin mit meiner damals fünfjährigen Tochter nach Kurdistan gefahren und hatte die
Absicht, dort zu bleiben.
In der Heimat eine Fremde geworden
Drei Monate später kam ich zurück. Es mangelte dort zu sehr an Sicherheit, und vor
allem - ich war eine Fremde in Kurdistan geworden. Die Menschen dort berichteten
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von Saddams Zeit, von der Massenflucht des Jahres 1991, von der Armut und der
Hoffnungslosigkeit auch in der Schutzzone. Was ich dagegen nach der Flucht in der
Fremde erlebt und welche Schwierigkeiten ich zu überwinden gehabt hatte, schien
vergleichsweise banal und lächerlich.
Ich werde als Österreicherin kurdischer Herkunft hier bleiben, und meine
zweisprachig aufgewachsene Tochter wird vielleicht nach der Matura in Wien ein
Auslandssemester oder zwei an einer Universität „zu Hause“ verbringen ...
++++++++++++++++++++++++++++++++++++
„Österreichisch-Kurdistan“ - wo „auf Wiedersehen“ wie Musik klingt
Sie sind heute alle so um die 50, schon längst österreichische Staatsbürger, leben in
bescheidenem Wohlstand und haben ein gemeinsames Schicksal: Fatima, Amir, Aziz
und Mustafa waren 1976 in der allerersten Gruppe von 41 kurdischen Flüchtlingen,
die Österreich aufnahm. Eine zweite folgte vier Wochen später. Nach dem
Zusammenbruch des Kurdenaufstands im Irak unter dem legendären Mustafa
Barzani 1975 hatten sie sich vorerst in Lager im benachbarten Iran gerettet gehabt.
Bei einer Stammtischrunde in einem guten, kurdischen Restaurant in Wien lassen sie
im Mai 2006 die kleineren und die größeren Sorgen und Freuden der vergangenen
drei Jahrzehnte in „Österreichisch-Kurdistan“ gemeinsam mit gebürtigen
Österreichern noch einmal Revue passieren. Über köstlichen Kebab-Spießen, Reis
und Braterdäpfeln (ja, die auch), Gemüse sowie dem erfrischenden, kurdischen
Joghurt-Getränk Mastaw und etwas Wein (ja, auch) bleiben die große Politik
weitgehend ausgespart und die Stimmung entsprechend gelöst.
Habsburg, Kreisky und die „Ost-West-Brücke“ waren bekannt
Natürlich! Österreich war ihnen schon daheim in Irakisch-Kurdistan in den 1970er
Jahren ein Begriff, räumen sie einheitlich und mit Nachdruck jeglichen Zweifel aus.
Gemäß dem Lehrplan für die 9.Schulstufen sei in Geschichte ein Jahr lang Europa
behandelt worden. Amir erinnert sich vor allem an die Kriege zwischen Österreich
und Preußen. Das Haus Habsburg ist ihm ebenso wie Fatima, Aziz und Mustafa ein
Begriff. Klarerweise hätten sie auch schon damals gewusst, dass Österreich nun ein
kleines, aber schönes Land war - eine „Brücke zwischen Ost und West“ mit dem im
Nahen Osten hoch angesehenen Bruno Kreisky als Bundeskanzler. Der junge Amir
wusste bereits damals durch den Text eines unter den Kurden populären Liedes
sogar noch etwas: Es gebe die schönsten Mädchen dort.
Aber etwas anderes bestärkte ihn noch mehr in seiner Entscheidung für Österreich ausgerechnet der Überfall auf die OPEC in Wien vom Dezember 1975 durch ein
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Terrorkommando um Carlos und die umfangreiche Berichterstattung darüber in den
iranischen Zeitungen (auch Irans Erdölminister Amouzegar war unter den Geiseln
gewesen).
In den Berichten war auch viel von jenem österreichischen Arzt irakisch-kurdischer
Abstammung die Rede gewesen, der den Abflug der
Maschine mit den Geiseln und den Terroristen aus Wien
erst ermöglicht hatte - Wiriya Rawenduzy.
Einer der Terroristen war angeschossen und schwer
verletzt im AKH notoperiert worden. Ohne ihn wollte
Carlos Wien nicht verlassen, ohne ärztliche Betreuung Wiriya Rawenduzy
der verantwortliche Chirurgie-Chef aber den Patienten
nicht für den Flug freigeben. Der freiwillige Einsatz des kurdisch-österreichischen
Arztes löste schließlich dieses Patt - und motivierte Amir dazu, als Asylant in jenes
Land zu gehen, in dem ein kurdischer Landsmann schon lebte und offenbar hohes
Ansehen genoss.
Auch qualitativ hochwertige Rasierklingen als Empfehlung
Aziz wiederum wurde in seiner Entscheidung für Österreich als Zielland der Flucht
auch noch durch seinen Vater und durch ein im irakischen Kurdistan bekanntes und
geschätztes, besonderes Qualitätsprodukt bestärkt - Rasierklingen „made in
Austria“. Ein Land, in dem so gute Waren erzeugt würden, so der diesbezüglich
kompetente Vater zum damals noch eher flaumbärtigen Sohn, müsse schon in
Ordnung sein. Der Junior bezog freilich auch noch andere Informationen aus und
über Europa - er hörte häufig und interessiert im Radio die „Deutsche Welle“ in
arabischer Sprache.
Während Fatima und Amir das Angebot aus Österreich sofort annahmen, als es rund
ein halbes Jahr nach ihrer ersten Flucht aus dem Irak gekommen war, erreichte dieses
Offert Mustafa und Aziz nur auf Umwegen in deren Lager nahe Khorramabad im
Südwesten
des
Iran.
Sami
Rahman, führendes Mitglied in
Aziz, Freund, Mustafa und Amir beim Abflug im Iran
Barzanis
Kurdischer
Demokratischer Partei KDP (2004
bei einem Attentat in Erbil ums
Leben gekommen), ließ ihnen
einen Brief überbringen: Wenn sie
nach Österreich gehen wollten,
sollten sie in die Stadt Nagadeh
reisen.
Sie hatten sich allerdings schon
zuvor
für
eine
potentielle
Aufnahme in Großbritannien oder
in Deutschland vormerken lassen.
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Nun sprachen sie also beim Lagerkommandanten vor. Sie wollten nach Nagadeh
und weiter nach „An Nemsa“ (arabisch für Österreich). Der persische Kommandant
verstand wohl nicht gleich und suchte Klärung. Nach „Autriche“ wollten sie jetzt
also? Nein, nein, wehrten sich Mustafa und Aziz heftig. Nach einigem Hin und Her
und rund 10 Minuten war eine salomonische Lösung gefunden: Sie wollten nach
„Vienna“ - egal, ob das nun in „An Nemsa“ oder in „Autriche“ liege. So waren sie
schließlich am 31. März 1996 mit an Bord der Maschine aus Teheran für den Flug
nach Wien.
Wien-Schwechat: Eine Raffinerie ohne Sperrgebiet!
Sie landeten am Abend. In nächtlicher Dunkelheit wurden die kurdischen
Flüchtlinge mit ihren wenigen Habseligkeiten auf der Straße entlang der Raffinerie
Schwechat in Richtung Wien und zum Lager Traiskirchen transportiert. Die
strahlende Beleuchtung des Geländes verblüffte auf dieser Fahrt nicht nur Fatima
gewaltig: In ihrer Heimat waren Erdöl-Raffinerien niemals aus solcher Nähe zu
sehen, sondern in riesigen Sperrgebieten unzugänglich und auch kaum erkennbar.
Trotz der durchaus freundlichen Aufnahme brachte das neuerliche Leben im Lager
für die kurdischen Flüchtlinge seine Probleme. Man konnte nichts tun, und niemand
wusste vorerst, wie es weitergehen sollte. Auch waren die Kurden naturgemäß nicht
die einzigen Asylsuchenden hier. Es gab Chilenen, Leute aus den Ostblockstaaten
und andere mehr. Streitereien und auch tätliche Auseinandersetzungen gehörten
zum Alltag. Den Kurden gelang es, sich dabei herauszuhalten, was auch der
Lagerleitung nicht verborgen blieb. Diese Gruppe war anders, und sie fand dann
auch schneller als viele der übrigen Lagerinsassen den Weg hinaus in ein
selbständiges Leben.
Österreichische Küche für Kurden: Hunger oder Schweinefleisch?
Vorher gab es freilich noch einiges zu bewältigen - nicht zuletzt das Problem mit
dem vielen Schweinefleisch der österreichischen Küche. Obwohl religiöser
Fundamentalismus oder Radikalismus der kurdischen Mentalität traditionell fern ist,
sind Kurden doch (auch) Moslems und lehnen daher dieses Fleisch vielfach ab.
Hungern wollten und konnten sie freilich auch nicht - schon mit Rücksicht auf die
Kinder. Man wunderte sich, dass hierzulande damals billige Lebensmittel wie Reis,
Huhn, Fisolen oder Lammfleisch kaum auf dem Speisezettel standen. Versuche, Reis
selbst in den eigenen Teekesseln zu kochen, schienen auf Dauer auch keine Lösung
zu sein. Es verging einige Zeit, aber schließlich berücksichtigte die Küche die
Bedürfnisse der Kurden.
Gewöhnungsbedürftig war für die kurdischen Augen und Gaumen aber auch der
damals hierzulande überwiegend übliche „harte und gelbe“ Käse, wie sich Amir
erinnert. Man kannte von daheim nur weichen und eher weißen Käse und mied im
Lager vorerst das, was offenbar wohl „Emmentaler“ gewesen sein muss.
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Der beginnende Frühling machte mit dem ersten Grün auch für die Kurden das
Lagerleben
erträglicher
und
vermittelte
ihnen
völlig
neue
Eindrücke vom ganz normalen
Verhalten europäischer Menschen bei
Sonnenschein:
Sie
legten
sich
halbnackt in Badehosen oder Bikinis
weitgehend regungslos direkt in die
Sonne, um braun zu werden! Der
kurdische Mensch hingegen suchte
und sucht Schutz vor der Sonne durch seine Kleidung, im Inneren
oder im Schatten von Häusern, unter
Halbnackte Europäer in praller Sonne
Baumkronen oder bei Felsen. Und
braun werden muss er oder sie mit
dem ohnedies dunkleren Teint schließlich auch nicht. Heute sehen Fatima, Amir,
Aziz, Mustafa und mit ihnen wohl auch etliche andere den Bräunungswahn der
Europäer milder: Es gebe hier ja fühlbar weniger Sonne und Hitze, daher sei das
eigentümliche Verhalten doch eher verständlich.
Von Anfang an Deutsch zu lernen versucht
Die Kurdengruppe nützte ihre Zeit in Traiskirchen jedenfalls von Anfang an und
auch bei Sonnenschein vor allem dazu, Deutsch zu lernen. Zuerst war dies nur mit
dürftigsten Mitteln in Form von mitgebrachten Lehrbüchlein und durch die Hilfe
jener möglich, die schon etwas Deutsch konnten. Amir machte die Erfahrung, dass
der häufig gehörte Gruß „auf Wiedersehen“ ihm wie Musik klang, was er heute noch
so empfindet. Mit der Zeit erkannte die Lagerleitung, auch nach Vorsprache der
Kurden, den hier bestehenden Bedarf an professionellem Unterricht, und
kompetente Deutschlehrer wurden bereit gestellt. Prinzipiell, so meinen die vier
heute rückblickend, sei Deutsch angenehm zu lernen gewesen, weil die Aussprache
im Gegensatz etwa zum Englischen weitgehend der Schrift entspricht. „Aber die
Artikel ...!“
Nach einem halben Jahr hatte dann das Lagerleben für die ersten 100 Kurden sein
Ende. Mit Unterstützung des Innenministeriums wurden die Familien unter ihnen in
- wie sich österreichische Journalisten erinnern, recht bescheidenen - Wohnungen
untergebracht. Die Studenten erhielten Stipendien und fanden Unterkunft in
Heimen. Noch einmal hieß es für sie, im sogenannten Vorstudien-Lehrgang auch
intensiv Deutsch zu lernen, bevor sie als ordentliche Hörer daheim abgebrochene
Studien fortsetzen oder neue beginnen konnten.
Jetzt war auch die Phase der unmittelbaren Integration im neuen Heimatland
gekommen. Unisono versichern Fatima, Amir, Aziz und Mustafa, dass es für sie und
die Kurden insgesamt dabei kaum Schwierigkeiten gegeben habe. Amir bringt es auf
den Punkt: „Wir haben uns als Gäste gefühlt und wir hatten auch unser Volk hier gut
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zu vertreten.“ Über alles habe man die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung
hier zu schätzen gewusst - „statt dafür hingerichtet zu werden“, ergänzt Aziz.
Blutige Verfolgung erreicht Kurden auch in Wien
Dass der lange Arm der Verfolger gelegentlich allerdings auch bis nach Wien reichen
kann, mussten sie im Jänner 1979 bei einem Österreich-Besuch von Massud Barzani,
Sohn und nach dessen Tod im März 1979 Nachfolger Mustafa Barzanis als Chef der
Kurdischen Demokratischen Partei im Irak, zur Kenntnis nehmen. Ein Attentat auf
Massud misslang, weil zwei seiner kurdischen Begleiter vor ihm aus dem Haus auf
die Straße getreten waren. Zumindest einer wurde in der Dunkelheit des späten
Abends offenbar für Massud gehalten, und Schüsse fielen. Eines der Opfer erlitt
einen Oberschenkel-Steckschuss, das andere einen Bauchschuss - auch sie waren und
sind von Österreich aufgenommene, kurdische Flüchtlinge. Der Anschlag wurde nie
geklärt.
Wirklich böser oder auch nur sehr dummer Fremdenfeindlichkeit seien sie eigentlich
nie begegnet, ziehen die vier Bilanz. Nur einmal habe sie sich richtig elend gefühlt,
erzählt Fatima. Das war auf der Boku (der damaligen Hochschule und heutigen
Universität für Bodenkultur), als sie ziemlich isoliert in einem großen Saal gesessen
sei. Jemand fragte sie, woher sie komme, und sie antwortete „aus Kurdistan“. Im Nu
sei sie von Dutzenden, wenn nicht hundert Studenten umringt gewesen - und sie
hätten gerufen und gejohlt: „Sie kommt aus dem wilden Kurdistan, sie kommt aus
dem wilden Kurdistan!“ In jenem Moment sei glücklicherweise der Professor in den
Saal gekommen und habe energisch gefragt, was denn hier los sei. Daraufhin
beruhigte sich der Tumult - und auch Fatima fand ihre Sicherheit wieder.
Große Dankbarkeit für Österreichs Flüchtlingshilfe 1991
Stolz auf Österreich und Dankbarkeit für die Spendenfreudigkeit seiner Bürger löste
schließlich die große, mehrmonatige Hilfsaktion des Landes nach dem Ende des
Golfkriegs um Kuwait 1991 für die irakisch-kurdischen Flüchtlinge im Iran aus. Zu
jenem Zeitpunkt bereits österreichischer Staatsbürger und Arzt, stand auch Amir in
jenem Lager und dem Feldspital gemeinsam mit rund 500 freiwilligen Helfern aus
Österreich im Einsatz. Mustafa, ebenfalls bereits Mediziner, durfte das Flugzeug im
Iran nicht verlassen und musste trotz aller Interventionen der österreichischen
Einsatzleitung mit Ferdinand Hennerbichler nach Wien zurückkehren. Als dann Waldheim-Affäre her oder hin - der damalige Bundespräsident die österreichischen
Vertreter von Bundesheer und Rotem Kreuz an deren Einsatzort besuchte,
empfanden sie dies als große Ehre, erinnert sich Amir.
Drei Jahre zuvor hatte es allerdings für sie ebenso wie für viele ihrer österreichischen
Freunde wenig Anlass zu großer Begeisterung für Sicherheitskräfte und Politik in
diesem Land gegeben: Die Ermordung des Chefs der Kurdischen Demokratischen
Partei des Iran, Dr. Abdolrahman Ghassemlou, und seiner zwei kurdischen Begleiter
bei Geheimverhandlungen um Kurdenautonomie im Iran in Wien vom 13. Juli 1989
blieb ungesühnt. Einer der iranischen Gesprächspartner und mutmaßlichen Mörder
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wurde etwas mehr als eine Woche nach der Tat sogar von der Polizei „zu seinem
Schutz“ zum Rückflug nach Teheran auf den Flughafen eskortiert. Ein zweiter
verschwand nach kurzer, polizeilicher Anhaltung in der iranischen Botschaft und
von dort aus auch aus Österreich. Ein dritter war schon unmittelbar nach dem
Verbrechen untergetaucht.
Rückkehr in die alte Heimat? Eher nein.
Gesetzt den Fall, der uralte Traum von einem Freien Kurdistan würde innerhalb
einer realistischen Zeitspanne doch Frühling in Kurdistan
irgendwie
und
irgendwo
Wirklichkeit
würden
die
kurdischen
Österreicher/
österreichischen Kurden in diese
Heimat
zurückkehren?
Die
Antwort ist keineswegs ein
uneingeschränktes Ja. Zu fern
erscheint diese Utopie. Fatima,
Amir, Aziz und Mustafa wollen
realistisch bleiben.
Die Sicherheit und der Lebensstandard in Österreich sprächen stark für’s
Hierbleiben. Amir will lieber „unter einer Herrschaft leben, die gerecht, aber nicht
kurdisch ist, als unter einer, die kurdisch, aber nicht gerecht ist“. Mustafa hat „mehr
als die Hälfte des Lebens in Österreich verbracht“ und tendiert nicht dazu, diese
zweite Heimat jemals für immer zu verlassen. Fatima hat es versucht, sich aber dann
in der kurdischen Heimat „als Fremde“ erlebt, und auch Aziz fühlt sich hier auf
Dauer als Österreicher mit kurdischer Herkunft wohler.
Nicht zuletzt sei die nächste Generation derer, die als Kinder vor 30 Jahren kamen
oder schon in Österreich geboren wurden, sich ihres Kurdentums bereits in
geringerem Ausmaß bewusst. Aber der Titel der eben kurz vor der Fertigstellung
stehenden Matura-Arbeit von Fatimas Tochter lautet „Die Kurden im 20.
Jahrhundert“. Diese hier Aufgewachsenen haben, wie auch Mustafas 23jähriger
Sohn, vielfach großes Interesse an der kurdischen Heimat, der Kultur und der
Sprache, aber für immer „zu Hause“ (das ist auch heute noch für die erste
Generation der österreichischen Kurden Synonym für die alte Heimat) zu leben, sei
für sie kaum vorstellbar. Man wolle und werde Kontakt halten und auch auf Besuch
nach Kurdistan fahren. Aber zum Abschied werde es wohl immer „auf
Wiedersehen“ heißen - was ja wie Musik klingt.
Sissy Danninger
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Erste Zeitungsberichte über die Ankunft der kurdischen Flüchtlinge
erschienen zwei Tage danach u.a. in der AZ und ...
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... am 7. Mai 1976 in der „Presse“
Kurdenfrage in der Nationalratssitzung vom 29.April 1975
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Wiedergabe der vergilbten Texte
Die AZ schrieb:
WIEN (AZ). 41 irakische Kurdenflüchtlinge, Männer, Frauen und Kinder, sind Mittwoch nachmittag,
von Teheran kommend, im Flughafen Wien-Schwechat gelandet. Auf Grund eines
Parlamentsbeschlusses erhalten insgesamt 100 Kurden in Österreich Asyl. In Vertretung von
Abgeordentem Otto Probst, dem Präsidenten der österreichischen Freunde des kurdischen Folkes,
begrüßte der Kurdenkenner Hans Hauser (Autor des Buches: „Kurdistan. Schicksal eines Volkes“) die
in Wien eingetroffenen Flüchtlinge. Sie alle, zum Großteil Intellektuelle, wollen in Österreich
weiterstudieren und sich ausbilden lassen, um so in ihrer neuen Heimat leichter Fuß fassen zu
können. Nach dem Zusammenbruch des Kurdenkampfes waren diese 41 Kurden vom Irak nach
Persien geflüchtet. Als Peschmerga-Offiziere und Angehörige des Führungsstabes des legendären
Kurdenführers, General Mulla Barzani, lebten sie in ständiger Angst vor einer Auslieferung an den
Irak, was unweigerlich zu ihrer Hinrichtung geführt hätte.
Für die „Presse“ hatte Ditta Rudle das Lager besucht und berichtete:
WIEN. Einige von ihnen sind erst wenige Tage in Österreich, andere schon vier Wochen. Nach dem
Eintreffen einer 35köpfigen Gruppe am Beginn dieser Woche warten nun 96 Kurden im Lager
Traiskirchen auf den Schritt in ein neues Leben. „Die angenehmsten Gäste, die wir je hatten“, ist das
freundliche Urteil der Lagerleitung.
Auf Grund eines Parlamentsbeschlusses erhalten insgesamt 100 Kurden in Österreich Asyl.
Lediglich vier Betten sind also in Traiskirchen noch frei.
Schnell und ohne Reue entschlossen sich die aus dem Irak vertriebenen Kurden, die Chance zu
nützen, „ in einem freien Land frei zu leben“. Denn nicht materielle Not oder leichte Unzufriedenheit
mit den herrschenden, politischen Verhältnissen veranlasste die großteils jungen Leute, ihre Heimat
zu verlassen, sondern die blanke Angst.
Nach dem Zusammenbruch des Kurdenaufstandes waren viele Angehörige des stolzen und
freiheitsdurstigen Volkes aus dem Irak nach Persien geflüchtet, wo sie anfangs auch Aufnahme
fanden. Später mussten vor allem die Angehörigen der Armee damit rechnen, wieder an den Irak
ausgeliefert zu werden, was vermutlich ihre Hinrichtung bedeutet hätte. Die Gelegenheit, in ein Land
zu ziehen, „wo wir unsere eigene Sprache sprechen dürfen und nicht verhaftet werden, wenn wir zu
zweit beisammenstehen“, nützten daher auch vier alleinstehende, junge Mädchen, die Eltern und
Verwandte verließen und in der neuen Heimat den Kampf um ihre Existenz aufnehmen wollen.
Zum Unterschied von vielen anderen Flüchtlingsgruppen scheinen die Kurden eine homogene
Gemeinschaft zu sein. Die älteren haben eine vollständige Berufsausbildung, sind Lehrer, Chemiker,
Ingenieure, die jüngeren meist Studenten, die in Wien ihre Studien vollenden wollen. Ehrgeizig
stürzen sie sich daher auch auf das Studium der deutschen Sprache. Schon grüßen die ersten
freundlich „Guten Morgen“, können „Bitte“ und „Danke“ sagen. „Noch in der Nacht sehe ich sie über
den Büchern sitzen und büffeln“, freut sich der österreichische Betreuer.
Klagen hört man keine, außer dem alten Lagerlied, dass das Essen nicht besonders schmeckt. Sie
wollen zwar ihre Heimat - mehr Idee als lokalisierbarer Begriff - nicht vergessen, sind aber beseelt von
ihrem Wunsch, sich wohl zu fühlen, nahezu besessen. Die freie Zeit im Lagerleben wird zum Studium
der Sitten und Gebräuche des Gastlandes genützt. Den kommenden Schwierigkeiten, wenn die erste
Hürde der Sprachkenntnisse genommen ist, sehen sie gefasst ins Auge. „Wir haben nicht erwartet,
dass alle Wege geebnet sind.“ Dass die Gespräche nach dem Zuklappen des Vokabelheftes immer
wieder um das Schicksal des Kurdenvolkes kreisen, dass die Kinder - etwa 15 in allen Altersstufen kurdische Märchen hören, darf man den angehenden Österreichern nicht verübeln.
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FAEK RASUL
Geboren 1955 in Kirkuk, Kurdistan/ Irak
1980 Diplom des Institutes für Kunst, Bagdad
lebt und arbeitet seit 1988 in Wien
2000 - 2005 Leiter der Internationalen Galerie M-Art, Wien
Einzelausstellungen:
1991
1992
1993
1994
1995
1997
1998
1999
2000
2001
2003
2004
2004
2004
2005
2006
2006
AAI Galerie, Wien
Universität Warschau, Polen
Galerie Karl Strobl, Wien
Galerie im Celeste, Wien
Galerie Mana, Holland
Galerie Chica, Wien
Galerie der Toleranz, Wien
Staatgalerie, Krakau
Galerie Meduna, Wien
Wort und Bild Galerie, Wien
Wort und Bild Galerie, Wien
Inter.art Galerie, Salzburg
Spektakel, Wien
Galerie OriOk, Wien
Inter.art Galerie, Salzburg
St. Anna-Kapelle, Wien
Galerie Rienössl
Gruppenausstellungen (Auswahl):
1977-80 In Basra, Musil, Bagdad
1988
Zeitgenössische kurdische Malerei, Darmstadt
1989
Im AAI, Wien
1990
Zeitgenössische kurdische Malerei in Wien, Graz und Salzburg
1991
„Flucht“ in der Galerie Celeste, Wien
1991
Zeitgenössische kurdische Malerei im Josef Krainer- Haus, Graz
1992
„Freiheit in den Bergen“ Schallaburg, Niederösterreich
1992
„Künstler im Exil“ Universitätsgalerie, Darmstadt
1994
Galerie 22, Wien
22
1995
„Können Farben träumen“ Galerie Karl Strobl, Wien
1996
“Impressis” Galerie Weemvloer, Amsterdam
1997
Galerie Chica, Wien
1998
Agora 98, Wien und Budapest
1998
EU-Man 98 Brinkala Gallery, Finnland und Dänemark
1988
5+3 Galerie im Celeste, Wien
1999
Agora 99 Wien/ Budapest
1999
50 Künstler für Frieden und Zusammenarbeit, UNO, Wien
1999
Galerie Karl Strobl, Internationale Zeitgenössische Malerei, Wien
1999
Galerie der Toleranz, Kalenderpräsentation, Wien
2000
Agora 00 Wien/ Budapest
2000
EU.Man, Internationale Zeitgenössische Malerei in Helsinki, Kopenhagen,
London und Krakau
2000
Galeriestation 3, Wien
2000
„Selektion 1“ M-Art Galerie, Wien
2001
„Selektion 2“ M-Art Galerie, Wien
2002
Moderne Kunstmuseum, St. Petersburg
2002
Moderne Kunstmuseum Peru
2002
Palast Palfi, Wien
2002
Wanderausstellung mit der Gruppe „Porton“ in Japan, Schweden, Südkorea,
Amsterdam und Polen
2002
Weihnachtsaustellung M-Art Galerie, Wien
2003
„Selektion 3“ M-Art Galerie, Wien
2004
„Wind Art Festival“, Südkorea
2004
Galerie M-Art, Internationale Zeitgenössische Malerei, Wien
2004
Ausstellung Kunst für den Frieden im Mirabellgarten, Salzburg
2005
„Vom Wilden Kurdistan in die Moderne“, Galerie Bildungszentrum, Wien
2006
„Hommage an Jaza Farig“ Atelier D, Wien
2006
„Selektion 5“ Galerie Rienössl, Wien
2006
Galerie Kunstraum, Wien
Benefiz Kunstauktionen in:
Museum für angewande Kunst, Wien
Kunsthalle Graz
Dorotheum, Wien
Museum moderner Kunst Wien, Stiftung Ludwig
Publikationen:
1993
2000
2000
2001
2004
2005
„o.T.“ 46 Avantgarde-Künstler – Herausgeber Galerie Shakespeare, Salzburg
“Participation” – Herausgeber European Union Migrant Artists Network, Finnland
„1001 Reasons to love the Earth” – Herausgeber 2000 Foundation, Niederlande
„The outside“ – Herausgeber European Union Migrant Artists Network, Finnland
„Civitas Dei“ – Herausgeber Galerie G, Olomouc, CZ
“Malerei in Österreich zu Beginn des 3. Jahrtausend“ –
Herausgeber Forum Artis Austriae, Wien
Kontakt:
Handy: 0650 535 98 67
Email: faekrasul@gmx.at
Website: www.faekrasul.com
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IMPRESSUM
Medieninhaber, Hersteller, Verleger:
Österreichisch-Kurdische Gesellschaft für Wissenschafts- und Kulturaustausch
Marktgasse 62/1/3
1090 Wien
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e-Mail: office@ok-gesellschaft.at
Fotonachweis:
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Abdolrahman Ghassemlou: Kurdische Demokratische Partei des Iran
Alle übrigen: privat
Druck:
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Gefördert aus Mitteln der Stadt Wien
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