Wagnis wie gewohnt - GSK Stockmann + Kollegen
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Wagnis wie gewohnt - GSK Stockmann + Kollegen
......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... SONDERBEILAGE DER FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND FREITAG, 3. FEBRUAR 2012 A1 Mittelstand Neutrales Votum Warum Manager bei heiklen Entscheidungen verstärkt FairnessOpinions einholen Seite 5 www.ftd.de/ beilagen Wagnis wie gewohnt Thomas Mailaender Den Weg zu neuen Märkten finanzieren Unternehmen noch immer gern auf altbewährte Art – über Bankkredite ............................................................................................................. Annika Janßen ........................................................................................................................ Bert Bleicher ist Optimist. Der Geschäftsführende Gesellschafter der Hoffmann Holding, ein Vertriebsunternehmen für Qualitätswerkzeuge mit Sitz in München, lässt sich von Unkenrufen aus der Branche nicht beeinflussen. „Es gibt zurzeit extrem viele Pessimisten. Ich aber sage: Es geht immer irgendwie weiter.“ So hat das Unternehmen denn auch für 2012 eine klare Wachstumsstrategie: „Fünf Prozent Wachstum im Inland, 18 Prozent Wachstum im Ausland. Das ist das Ziel, und das ist auch realistisch“, sagt Bleicher. Westeuropa, China und Russland hat der Werkzeuganbieter schon flächendeckend erschlossen. Für dieses Jahr steht Singapur auf dem Programm, in nicht allzu ferner Zukunft will Bleicher den Gang nach Mexiko wagen. „Werkzeuge werden immer gebraucht“, stellt der Unternehmer fest. Der Werkzeughändler hat gute Gründe für seinen Optimismus. Der November des vergangenen Jahres war einer der exportstärksten Monate, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Deutsche Unternehmen exportierten allein in diesem Monat Waren im Wert von rund 95 Mrd. Euro. Mehr als die Hälfte der exportorientierten Unternehmen wollen im laufenden Jahr den Anteil des Exports an ihrem Umsatz weiter ausbauen, zeigt eine aktuelle Studie von Creditreform. Der Expansionsdrang des deutschen Mittelstands ist also ungebrochen. „Der Außenhandel wird für die Unternehmen immer wichtiger werden“, sagt Jens Nagel, Geschäftsführer und Bereichsleiter Außenwirtschaft beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen BGA. Um das Wachstum zu finanzieren, brauchen Unternehmen Kapital. Bei aller Innovationsfreude hält man sich dabei gern an Altvertrautes: „Die größte Bedeutung für Mittelständler hat nach wie vor der klassische Bankkredit“, sagt Bernd Papenstein, Finanzierungsexperte bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Auch bei der Commerzbank bemerkt man eine wachsende Nachfrage nach Krediten für die Expansionsfinanzierung. „Wenn die Lage zu Hause nicht so rosig ist, expandieren Unternehmer oft gerade deshalb ins Ausland“, sagt Bernd Laber, verantwortlich für das internationale Geschäft im Mittelstandsbereich der Commerzbank. „Wir wachsen lieber etwas langsamer, bleiben dafür aber unabhängig“ BERT BLEICHER, Geschäfts- führender Gesellschafter Hoffmann Wachsen im Ausland Wohin Firmen expandieren, Nennungen in % Westeuropa 56 China 40 Asien (ohne China) 33 Osteuropa 25 Südamerika 23 Nordamerika 16 Naher Osten 11 GUS-Staaten 10 sonstige 6 * befragte deutsche Unternehmen, Mehrfachnennungen (max. drei) möglich FTD/jst; Quelle: Roland Berger Bankkredite sind auch deshalb so gefragt, weil viele Unternehmen sich mit den Alternativen immer noch nicht recht anfreunden können. Beteiligungsgesellschaften etwa sind im Mittelstand nach wie vor unbeliebt. Sie schießen schließlich nicht nur stillschweigend Kapital zu, sondern haben in der Folge im Unternehmen auch etwas zu sagen. „Kapitalbeteiligungsgesellschaften werden Gesellschafter der Unternehmen mit entsprechenden Rechten und Pflichten“, betont Ulrike Hinrichs, die Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Und genau damit haben viele Mittelständler nach Probleme. Bei einer Umfrage des Finanzmagazins „Finance“ im Jahr 2010 unter rund 60 Mittelständlern lehnte fast die Hälfte der Befragten die Zusammenarbeit mit Finanzinvestoren kategorisch ab. „Gerade in Familien- und Traditionsunternehmen gibt es ein ganz anderes Denken in diesen Dingen. Wo häufig jahrelang ein Firmenpatriarch allein geführt hat, überträgt man nur ungern einen Teil der Verantwortung an Außenstehende“, bestätigt Dirk Roesing, Partner bei B-to-v, einem Privatinvestorennetzwerk. Die Investoren bei B-to-v sind oder waren selbst Unternehmer, die, meist im Zusammenschluss, Kapital und Know-how in Unternehmen investieren. Selbst stille Beteiligungen, bei denen sich der Investor weitgehend aus der Unternehmensstrategie heraushält, nutzen Mittelständler immer noch vergleichsweise wenig zur Expansionsfinanzierung. Dabei gehört gerade diese Form der Wachstumsfinanzierung etwa zur Aufgabe von mittelständischen Beteiligungsgesellschaften, die Unternehmen zum Beispiel Mezzanine-Kapital in Form sogenannter atypischer stiller Beteiligungen gewähren. „Unternehmen betrachten das Angebot immer noch mit Skepsis“, bestätigt Manfred Thivessen, Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Nordrhein-Westfalen. Dabei stehe bei der Mittelvergabe der Fördergedanke im Vordergrund, also nicht das Hineinreden ins Geschäft. Öffentliche Fördermittel sind bei Mittelständlern denn auch grundsätzlich beliebt, gerade dann, wenn Unternehmer ihr Engagement im Ausland vorantreiben wollen: Axel Reißmann etwa, Inhaber des Oberhausener Textilherstellers Eros Heimtextilien, finanziert seine Wachstumsstrategie mit einer Kombination aus Sparkassenkrediten und Fördermitteln der staatlichen KfW-Bank. Er hat die Firma vor rund sieben Jahren übernommen und seitdem nicht nur die Produktpalette vergrößert, sondern auch das Auslandsgeschäft stark vorangetrieben. „So etwas zahlt man nicht mal eben aus der Portokasse“, sagt Reißmann. Vorsicht bei Anleihen Der Bankkredit bleibt auch bei Eros die unangefochtene Nummer eins unter den Finanzierungsinstrumenten. Während von einer Kreditklemme bislang nichts zu spüren ist, geraten andere Finanzierungsarten zurzeit ins Wanken. Der Markt für Mittelstandsanleihen, über den sich Unternehmen ebenfalls mit Fremdkapital versorgen könnten, bereitet Experten zunehmend Sorgen. „Im vergangenen Jahr haben die Anleihemärkte regen Zulauf von mittelständischen Unternehmen verzeichnet“, sagt PwC-Berater Papenstein. Mittlerweile habe sich die Lage aber eingetrübt. „Die Märkte sind nicht mehr aufnahmefähig.“ Das ist schlecht für Unternehmen, die ihre Expansion größtenteils über Mittelstandsanleihen finanzieren wollen – und das sind gar nicht einmal so wenige. So hat beispielsweise der Spirituosenhersteller Underberg im April vergangenen Jahres noch erfolgreich eine Anleihe auf den Markt gebracht, mit der er 50 Mio. Euro von Investoren einsammeln konnte. Das Unternehmen hat das Geld bislang hauptsächlich zur Expansionsfinanzierung genutzt. Man macht keine Schulden „Die Anleihe ist das beste Finanzierungsinstrument für den Mittelstand“, sagt Underberg-Generalbevollmächtigter Wilfried Mocken voller Überzeugung. Auch andere Mittelständler wie der Fruchtsafthersteller Valensina oder der Lebensmittelproduzent Schneekoppe haben bislang auf Anleihen gesetzt, um Kapital zu beschaffen. Mit welchem Instru- ment sich die Expansion am besten finanzieren lässt, hängt allerdings nicht nur von der Wirtschafts- und Marktlage ab, sondern auch von den Unternehmen selbst. Manch ein Mittelständler ist so sehr auf seine Unabhängigkeit bedacht, dass er überhaupt kein Kapital von außen aufnehmen mag – selbst dann nicht, wenn er die Entwicklung seines Geschäfts mit größtmöglichem Optimismus betrachtet. So wie Bert Bleicher vom Werkzeuganbieter Hoffmann: Dort hat man sich bisher stets gegen jede Form der Außenfinanzierung entschieden. „Die Finanzierungsinstrumente haben sicher ihre Daseinsberechtigung. Sie sind bestimmt in vielen Unternehmen notwendig“, sagt Bleicher. Trotzdem will er sich lieber mithilfe eines „optimalen, aber nicht maximalen“ Gewinns weiterhin über den reinen Cashflow finanzieren. „Wir wachsen lieber etwas langsamer, bleiben dafür aber unabhängig.“ ....................................................................................................... INHALT ....................................................................................................... Für viele Mittelständler ist es immer wieder ein Balanceakt, an frisches Geld zu kommen. Daher brauchen ihre Finanzchefs sich vor den Motorradakrobaten der französischen Präsidentenleibgarde nicht zu verstecken, wenn es um Kreativität, gut kalkuliertes Risiko und Zähigkeit geht. Der Fotograf Thomas Mailänder hat ihre Kunst in seiner Arbeit „Acrobatic Squad“ festgehalten. Sie passt bestens in diese Beilage. Lebensmittel Betriebe leiden unter hohen Kosten und Preisdruck. Seite 2 Sweet Equity Locken Investoren mit Vorzügen, ist Vorsicht geboten. Seite 2 Kredite Noch ist unklar, was Basel III für Betriebe mit sich bringt. Seite 3 Coupons Markenhersteller setzen auf elektronische Gutscheine. Seite 4 ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... A2 Mittelstand FREITAG, 3. FEBRUAR 2012 FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND Ausdauernder Kraftakt Drückende Rohstoffkosten, Preisdiktate und harte Konkurrenz: Die mittelständischen Lebensmittelhersteller kämpfen ums Überleben „Die Lebensmittelpreise in Deutschland werden steigen“, sagt BVE-Geschäftsführerin Sabine Eichner, „aber wir werden die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise nicht eins zu eins weitergeben können.“ Damit nimmt der Druck auf die ohnehin kleinen Margen zu. Branchenkenner wie Werner Warthorst, Mitglied der Geschäftsleitung der HSH Corporate Finance, prognostizieren daher: „Jeder vierte Lebensmittelproduzent wird nicht überleben.“ Nach Ansicht von Warthorst gibt es auf die drängenden Herausforderungen nur drei Antworten: „Nahrungsmittelhersteller können wachsen, fusionieren oder eine auskömmliche Nische besetzen.“ Am besten fahren die Firmen, die Lösungswege kombinieren. Zum Beispiel Mestemacher: Der westfälische Betrieb liefert Pumpernickel und Vollkornbrot in mehr als 80 Länder und ist nach eigener Aussage „Weltmarktführer von verpackten Brotspezialitäten“. Wachstum winkt vor allem im Ausland, „viele Mittelständler haben ihre Chancen im Export in den letzten Jahren gut genutzt“, sagt Eichner, „deutsche Lebensmittel haben gerade in Osteuropa einen sehr guten Ruf.“ Die Branche erwirtschaftet inzwischen fast 30 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. Im deutschen Markt können die Unternehmen dagegen eigentlich nur durch Verdrängung, Fusionen oder Zukäufe wachsen. Wie der Speiseeishersteller Rosen Eiskrem: Das inhabergeführte Unternehmen hat schon 2006 zwei Eiswerke von Nestlé Schöller gekauft. Wie viele deutsche Mittelständler, die selbst keine starken Marken besitzen, lebt Rosen von der Produktion von Handelsmarken. Ein riskantes Geschäft, weil die Hersteller vom Handel leicht ausgetauscht werden können. „Hier bietet nur eine gewisse Größe Schutz“, sagt Warthorst. Friederike Meier-Burkert .................................................................................................................................................................... Pünktlich zur Grünen Woche präsentierte die Branche Rekordzahlen: Die deutschen Lebensmittelhersteller haben 2011 mehr als 162,2 Mrd. Euro umgesetzt, teilte die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, BVE, auf der Berliner Nahrungsmittelmesse im Januar mit, satte 8,5 Prozent mehr als 2010. Jubelstimmung kam dennoch nicht auf. Denn die kontinuierlich steigenden Rohstoffpreise ließen nicht viel übrig von dem starken Wachstum. Unterm Strich bleiben der Branche gerade einmal 1,3 Prozent. So beklagt der BVE weiterhin die angespannte Ertragslage seiner Mitgliedsfirmen. Annähernd 6000 Unternehmen stellen Lebensmittel in Deutschland her. Die Branche ist mittelständisch geprägt – mit einem durchschnittlichen Umsatz von nur rund 25 Mio. Euro pro Betrieb. Die zehn größten Unternehmen erwirtschaften nur 13 Prozent vom Gesamtumsatz. Und genau hier liegt das Problem. Denn den vielen kleinen und mittelgroßen Herstellern steht die geballte Einkaufsmacht des Lebensmittelhandels gegenüber. Fünf große Spieler, die mit harten Bandagen um extrem preissensible Verbraucher kämpfen, machen inzwischen über 60 Prozent des Umsatzes aus und drücken die Preise. Von den Niedrigpreisen der Discounter verwöhnt, ist kaum noch jemand bereit, für Lebensmittel etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Nur rund elf Prozent ihres Einkommens geben die Deutschen für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke aus. Zum Vergleich: Franzosen investieren rund 15 Prozent, Italiener sogar 19 Prozent. All das ist kein neues Phänomen. Seit 1980 sind die Lebensmittelpreise in Deutschland nur um 50 Prozent gestiegen – während sich die übrigen Lebenshaltungskosten mehr als verdoppelten. Nun haben sich aber die Bedingungen auf der Beschaffungsseite verschärft. Laut BVE verteuerten sich die 13 wichtigsten Agrarrohstoffe allein 2011 um 19 Prozent, die Preise für Getreide und Ölsaaten stiegen sogar um 41 Prozent. Und auch die Transportund Energiekosten sind um rund ein Viertel gestiegen. Doch nur einen kleinen Teil der Preisexplosion bezahlen die Konsumenten: 2011 verteuerten sich Lebensmittel gerade mal um 2,8 Prozent. Laut einer Umfrage der Commerzbank leiden derzeit zwei Drittel aller deutschen Unternehmen unter steigenden Rohstoffpreisen – in der Ernährungs- und Genussmittelindustrie sind es sogar mehr als 90 Prozent. Es gebe einen überdurchschnittlich hohen Anteil von existenziell betroffenen Unternehmen, schreiben die Autoren der Studie. Bei 13 Prozent geht die Rohstoffproblematik so stark an die Substanz, dass sich die Unternehmen zur Drosselung der Produktion gezwungen sehen. Die Gründe für die Preissteigerungen sind vielfältig: Die Weltbevölkerung wächst, die Konsumgewohnheiten in den Schwellenländern ändern sich. Nach Prognosen der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, FAO, wird der weltweite Fleischkonsum bis 2020 um rund ein Fünftel auf 330 Millionen Tonnen jährlich zulegen. Gleichzeitig werden laut FAO die Fleischpreise um 30 Prozent steigen. Immer mehr Anleger setzen auf Agrarrohstoffe und treiben die Preise an den internationalen Rohstoffbörsen in die Höhe. Und die Preisexplosion bei Getreide und Ölsaaten liegt nicht zuletzt auch an der Verwendung von Agrarrohstoffen zur Energieerzeugung. Zum Beispiel Roggen: Das dunkle Korn wird immer häufiger zu Sprit statt Mehl verarbeitet. Darunter leiden deutsche Bäcker, wie der Pumpernickelspezialist Mestemacher. „Die kaufen alles auf, was sie kriegen können“, klagt Geschäftsführer Albert Detmers. Er musste im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr für seinen Roggen bezahlen als noch im Jahr 2010. ..................................................................................................................................................... „Wir werden die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise nicht eins zu eins weitergeben können“ SABINE EICHNER, Geschäftsführerin BVE Thomas Mailaender ..................................................................................................................................................... Daran mangelt es besonders in der Wurst- und Fleischwarenbranche. Der geballten Handelsmacht stehen mehr als 1000 deutsche Wurst- und Fleischwarenhersteller gegenüber. Rund die Hälfte davon sind Familienunternehmen mit Jahresumsätzen von unter 5 Mio. Euro und häufig nur regionaler Bedeutung. Gleichzeitig nimmt die Konzentration unter den Fleischlieferanten massiv zu: Die drei größten Schlachtunternehmen – Tönnies, Vion und Westfleisch schlachten mittlerweile gut die Hälfte aller Schweine in Deutschland und steigen zum Teil selbst in die Wurstverarbeitung ein. So übernimmt Tönnies sukzessive die auf Wurstwaren spezialisierte Zur Mühlen Gruppe aus Böklund. Umgekehrt bauen Handelsunternehmen wie Lidl, Edeka oder Rewe eigene Fleischwerke auf. Und zusätzlich kaufen sich ausländische Wettbewerber in Deutschland ein: So übernahm der Schweizer Fleischkonzern Bell den Wursthersteller Zimbo und den Schinkenspezialisten Abraham. Bei Fleisch und Wurst droht jetzt ein Konzentrationsprozess, wie ihn die deutsche Mühlenbranche schon vollzogen hat. Gab es in den 50er-Jahren in Deutschland 20 000 Mühlen, sind es heute nur noch rund 580. 43 davon teilen sich 80 Prozent der Produktion. Auch der Zuckermarkt ist extrem konsolidiert: Es existieren nur noch vier Unternehmen mit insgesamt 20 Fabriken. Im Umbruch befindet sich auch die Molkereibranche. Die beiden größten deutschen Molkereiunternehmen Nordmilch und Humana haben sich im vergangenen Jahr zum Deutschen Milchkontor (DMK) zusammengeschlossen. Doch gegenüber Branchenriesen wie Nestlé oder Danone bleiben sie winzig: Im weltweiten Ranking liegt DMK gerade mal auf Platz 13. Süße Versuchung, bitterer Nachgeschmack Wenn Investoren ihre Führungskräfte mit Vorzugskonditionen ködern, ist Vorsicht geboten. Solch ein Sweet Equity kann am Ende teuer werden Benjamin Matuzak und Julia Groth ........................................................................................................................ Familienunternehmen sind für Private-Equity-Gesellschaften oft schwer zu knacken. Längst nicht immer entspricht das, was der Investor will, dem, was das Management vorhat. Dessen sind sich Private-EquityGesellschaften durchaus bewusst. Mit besonderen Anreizen versuchen sie daher, die Führungskräfte dazu zu bewegen, in ihrem Sinne zu handeln. „Das ist überaus gebräuchlich“, sagt Florian Haase, Spezialist für Steuerrecht bei DLA Piper. Sweet Equity heißt der Anreiz, der Führungskräften die Arbeit unter der Ägide eines Investors versüßen soll. Der Begriff ist sehr weit definiert und kann nahezu alles bezeichnen, was Investoren an Vergünstigungen zu bieten haben. In der Praxis sieht Sweet Equity indes oft so aus, dass das Management der übernommenen Firma vom Investor Unternehmensanteile zum Vorzugspreis erwerben kann. Dabei ist aber Vorsicht geboten. Das hat vor allem steuerliche Gründe. Hat ein Mittelständler sein Unternehmen an einen Investor verkauft, ist er nicht mehr geschäftsführender Gesellschafter, sondern lediglich angestellter Geschäftsführer einer Firma, die dem Investor gehört. Er muss deshalb, wie alle Angestellten, Lohnsteuer zahlen und jeden geldwerten Vorteil versteuern. Kauft er nun Unternehmensanteile zu günstigen Konditionen, muss er die Differenz zwischen Erwerbspreis und Verkehrswert der Anteile versteuern. Das kann ordentlich ins Geld gehen. Nehmen wir einen Geschäftsführer, der im Jahr 500 000 Euro, und dafür rund 220 000 Euro Lohnsteuer zahlt. Lässt er sich vom Investor, dem das Unternehmen gehört, mit Aktien im Marktwert von 1 Mio. Euro zum Vorzugspreis von 200 000 Euro kö- dern, verlangt das Finanzamt unweigerlich einen Nachschlag zur Lohnsteuer. Er errechnet sich aus der Differenz zwischen Kaufpreis und Marktwert: In unserem Beispiel sind das 800 000 Euro, davon werden in der Spitze 45 Prozent fällig – also 360 000 Euro. „Vorzugskonditionen können dramatische Konsequenzen haben“, sagt ............................................................................................................. Haase von DLA Piper. „Übernimmt man Aktien zu einem Wert, der nicht dem Marktwert entspricht, kommt man um die Lohnsteuer nicht herum.“ Mittelständler sollten Sweet-Equity-Angebote also sorgfältig prüfen und keinesfalls blind zugreifen, wenn sie Anteile mit Rabatt angeboten bekommen. Dabei gibt es durchaus Wege, die Lohnsteuer zu umgehen: „Man kann Aktien nach ausländischem Recht mit bestimmten Wertsteigerungskriterien versehen“, erklärt Haase. Konzipiert eine Private-EquityGesellschaft eine Aktienklasse speziell zur Ausgabe an das Management, wird zwar Lohnsteuer fällig – geht die Sonderklasse aber mit höheren Gewinnbezugsrechten einher, kann das die Steuerzahlungen über kurz oder lang ausgleichen. Es empfiehlt sich also immer ein Blick aufs Gesamtpaket. Sweet Equity umfasst weit mehr als nur Preisnachlässe beim Anteilskauf. Unternehmer sollten etwa darauf achten, welche Stimmrechte mit den angebotenen Aktien einhergehen, wie hoch ihre Gewinnbeteiligung ausfällt, wenn das Unternehmen verkauft wird, und was ihnen bleibt, wenn sie kündigen. Private-Equity-Gesellschaften unterscheiden üblicherweise, ob ein Geschäftsführer bis zu ihrem Ausstieg dabeibleibt, oder ob er die Firma vorzeitig verlässt. Vertragsklauseln regeln dann, dass ein Manager, der früher geht, seine Unternehmensanteile zu einem niedrigeren Preis zurückgeben muss als jemand, der bis zum Ausstieg des Investors an Bord bleibt. „Damit der Nachgeschmack nicht umso bitterer wird, ist die konkrete Beratung im Einzelfall entscheidend“, mahnt Rechtsanwalt und Steuerberater Dirk Koch von der Kanzlei GSK Stockmann und Kollegen. Ob ein Angebot nach eingehender Prüfung der Vor- und Nachteile attraktiv ist, bleibt dabei eine Geschmackssache. ....................................................................................................... IMPRESSUM ....................................................................................................... Financial Times Deutschland Am Baumwall 11 · 20459 Hamburg · Tel. 040/37 03-0 www.ftd.de; E-Mail: leserservice@ftd.de Redaktion: Volker Bormann (verantw.), Johanna Hergt, Johanna Lutteroth Gestaltung: Merle Schröder Bildredaktion: Christian Kollrich, Sabine Bielmeier Infografik: Jens Storkan Bildbearbeitung: EBV der G+J Wirtschaftsmedien Chefin vom Dienst: Dr. Hiltrud Bontrup Korrektorat: Kirstin Oehme-Mattheis Verlag: G+J Wirtschaftsmedien AG & Co. KG Verlagsgeschäftsführerin: Ingrid M. Haas Postanschrift: Brieffach 02, 20444 Hamburg Verlagsleiter: Jan Honsel, Albrecht von Arnswaldt Gesamtanzeigenleiterin: Helma Spieker Anzeigenleiter: Jens Kauerauf (FTD, htsi, enable), Martina Hoss (Capital, impulse, BÖRSE ONLINE), E-Mail: sonderthemen@ftd.de Syndication: Picture Press Bild- und Textagentur GmbH, Koordination: Petra Martens, Anfragen: Isabella Kamauf, Tel. 040/37 03-2590, E-Mail: kamauf.isabella@picturepress.de „Financial Times“, „Financial Times Deutschland“ and „FTD“ are registered trade marks of The Financial Times Limited and used under licence. Druck: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg; BZV Berliner Zeitungsdruck GmbH, 10365 Berlin; Druck- und Verlagszentrum GmbH & Co. KG, 58099 Hagen; Mannheimer Morgen Großdruckerei und Verlag GmbH, 68167 Mannheim ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND FREITAG, 3. FEBRUAR 2012 Mittelstand Diskussion um die Spielregeln Banken bereits heute deutlich mehr Kernkapital vorweisen können als gefordert. Studien gehen aber davon aus, dass den Banken europaweit bis zu 1000 Mrd. Euro Eigenkapital fehlen, wollen sie ihre Geschäfte so weiterbetreiben wie bisher. Allein die deutschen Banken müssen nach Schätzungen der Bundesbank 50 Mrd. Euro zusätzliches Eigenkapital aufbauen, um Basel III zu erfüllen. Oder sie schränken ihr Geschäft entsprechend ein. Basel III macht Kredite knapper und teurer. Darunter werden Mittelständler leiden. Sie hoffen, dass die EU die Vorschriften nachbessert Für Firmen auf Kreditsuche begann das Jahr mit einer trüben Nachricht: Die Europäische Notenbank EZB verkündete einen Rückgang der Unternehmensdarlehen um fast 37 Mrd. Euro von November auf Dezember. Innerhalb nur eines Monats schrumpfte das Kreditangebot damit um 0,8 Prozent. Bliebe die Lage nun ein ganzes Jahr lang derart mau, dann schrumpften die Kreditbücher der europäischen Banken bis zum Jahresende um fast zehn Prozent. Auch wenn es ganz so schlimm kaum kommen wird: Der Dezember war in Sachen Kreditvergabe der schwächste Monat der vergangenen viereinhalb Jahre. Und der Grund dafür ist relativ eindeutig: Angst. Vor allem in Ländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal leihen die Banken ihr Geld lieber Staaten als privaten Schuldnern. Überall ist nun davon die Rede, dass es doch zu einer Kreditklemme kommen könne. Für Ökonomen ist dieser Befund indes irritierend. Denn was immer da wirkt, sind unterm Strich doch Marktkräfte. Schon die simple Frage, ob die Kreditvergabe nun schrumpft, weil Banken das Angebot einschränken oder Unternehmen weniger Geld nachfragen, kann die Statistik nicht beantworten. ............................................................................................................. „Banken werden für risikoärmere Geschäfte bestraft“ HARTMUT KÄMPFER, Referent DSGV ............................................................................................................. Nur wenn der Preismechanismus nicht vernünftig wirken kann, der solche Angebots- und Nachfrageschwankungen normalerweise ausgleicht, ist eine strukturelle Kreditklemme – also mehr Nachfrage als Angebot – überhaupt denkbar. Selbst wenn EZB-Präsident Mario Draghi sich angesichts der Datenlage beeilte zu verkünden, die EZB habe „eine schwere Kreditklemme verhindert“ – was man da sehe, sei höchstens eine leichte Klemme. Volkswirtschaftlich hat der Begriff so oder so wenig Sinn. Es sei denn, der Staat greift ein und reguliert den Markt so stark, dass die Preisbildung nicht richtig funktioniert. Genau davor warnen Banker, Mittelstandslobbyisten und Wissenschaftler neuerdings. Basel III heißt der Grund für die Besorgnis. Hinter dem Schlagwort steht ein neues Regelwerk, das der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht nach Ausbruch der Krise vorgeschlagen hat, und das nun in den kommenden Jahren schrittweise weltweit in Kraft treten wird. Selbst wenn die präzisen Regeln für die Basel-III-Umsetzung in Europa noch nicht verabschiedet sind, ist bereits klar: Ab dem kommenden Jahr müssen Banken sich auf schärfere Gesetze einstellen. Und die werden das Kreditangebot der Institute tatsächlich merklich beeinträchtigen, wie Tobias Berg von der HumboldtUniversität zu Berlin und Martin Uzik von der Universität Wuppertal in einer Studie für den Bundesverband mittel- Strenger und teurer Was Mittelständler von Basel III erwarten, in %* genauere Prüfung von Finanzierungen 77 steigende Rating-Anforderungen 76 teurere Kredite 58 * Mehrfachnennung möglich FTD/jst; Quelle: Repräsentative Befragung der Deutschen Bank unter 200 KMU (mit weniger als 25 Mio. Euro Umsatz), 2011 Dicker gepolstert Die Sorge ist durchaus begründet, wie ein Blick in den Katalog des Basel-IIIRegelwerks zeigt: Danach müssen die Banken ihr Geschäft mit Mittelstandskrediten gleich in dreifacher Weise an neue Vorschriften anpassen. Erstens müssen sie für Kredite bald mehr und höherwertige Eigenmittel vorhalten. Zweitens können sie langfristige Darlehen nicht durch günstigere, kurzfristige Gegengeschäfte ausgleichen. Drittens haben sie eine neue, absolute Schranke für die Kreditvergabe zu beachten, die sogenannte Leverage-Ratio: Die Bilanzsumme der Banken, die zu größten Teilen aus Krediten besteht, darf demnächst höchstens noch auf das 33-fache des Kernkapitals anwachsen. Der erste Punkt, die verschärften Eigenkapitalvorschriften, hat den größten Einfluss auf die Kreditvergabe – und ist zugleich das Kriterium, an dem kaum mehr zu rütteln ist. Im Grundsatz sieht Basel III vor, dass für Durchschnittskredite demnächst nicht mehr acht Prozent Eigenmittel zu hinterlegen sind, sondern 10,5 Prozent. Die Regeln werden bis 2019 schrittweise verschärft. Noch entscheidender ist, dass in sieben Jahren 7,5 Prozent des Geldes als hartes Kernkapital vorzuweisen sind – bislang sind es zwei Prozent. Und die nationalen Aufseher können sogar noch weitere 2,5 Prozent als Kapitalpuffer für schlechte Zeiten fordern, wenn sie es für erforderlich halten. Somit könnten Banken mit dem vorhandenen Kapital ab 2019 bis zu 38,5 Prozent weniger Kredite vergeben als heute. Ganz so drastisch wird die Verknappung wohl nicht ausfallen, da die Thomas Mailaender Olaf Wittrock ........................................................................................................................ ständische Wirtschaft (BVMW) vorgerechnet haben: „Wir gehen davon aus“, schreiben die Autoren, „dass sich die Zinsen für einen durchschnittlichen Mittelstandskredit um circa 54 Basispunkte erhöhen werden und das Kreditvolumen um circa 2,5 Prozent zurückgeht.“ Heißt: Das Geld wird knapper. Und die Raten steigen um mehr als einen halben Prozentpunkt. Folgerichtig stellt sich laut einer aktuellen Umfrage der Deutschen Bank auch schon mehr als jeder zweite Mittelständler auf höhere Kreditkosten ein. Auch Berg und Uzik sagen: Selbst wenn die Regelungen von Basel III keine irreparablen Probleme verursachten, seien sie in der Lage, das Wirtschaftswachstum zu dämpfen und „die Kapitalversorgung einiger realwirtschaftlicher Sektoren negativ zu beeinflussen“. Nach den neuen Schranken für die Banken wird die Kreditversorgung in manchen Branchen durchaus klemmen. Kein Wunder, dass die ersten Branchenverbände gegen das Regelwerk protestieren. So bekamen die finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen Anfang des Jahres Post von einer ungewöhnlichen Verbändeallianz, zu der sich neben dem BVMW noch andere Spitzenorganisationen aus der Wirtschaft gesellten. Ihre Botschaft: Die Bankenregulierung gehe in die falsche Richtung, weil sie gerade die soliden Mittelstandsgeschäfte erschwere, statt jene spekulativen Handelsgeschäfte zu unterbinden, die die Krise verursacht hätten. „Basel III wird den Mittelstand überproportional belasten“, schimpfte Oliver Grün, Chef der Grün Software und Präsident des IT-Mittelstandsverbands BITMi zum Auftakt der ungewöhnlichen Verbandskampagne. Die Basel-III-Regeln müssten zugunsten des Mittelstandsgeschäfts überarbeitet werden. Dazu sollten die Politiker dringend die gerade laufenden Anhörungen rund um die EURichtlinien nutzen, bevor dann Mitte des Jahres die Gesetze endgültig durchs EU-Parlament gehen werden. Langfristig teurer Die zweite relevante Veränderung betrifft die Refinanzierung des Kreditgeschäfts: Zum Geschäftsprinzip der Banken gehört schließlich, dass sie sich selbst preiswert Geld borgen, um es dann möglichst gewinnbringend weiterzuverleihen. Ein Teil dieses Geschäfts basiert auf dem Umstand, dass der Preis für kurzfristige Schulden kleiner ist als der Zins, den man für längerfristige Kredite einnehmen kann. Fristentransformation heißt diese Spekulation im Fachjargon, und deren exzessive Auswüchse gelten als eine Ursache für die Bankenkrise. Daher besteht Basel III auf eine weitgehend kongruente Refinanzierung. Wer Geld für zehn Jahre verleiht, kann dazu nicht kurzfristige Kundeneinlagen oder Anleihen nutzen, sondern muss selbst langfristige Finanzierungsmittel dafür aufnehmen. Das, so fürchten die Banker selbst, könnte das Angebot an längerfristigen Darlehen, wie sie gerade in Deutschlands Mittelstand gewünscht und üblich sind, massiv einschränken. „Langfristige Kredite könnten durch die Pflicht zur Fristenkongruenz teurer werden“, sagt Hartmut Kämpfer, Referent für internationale Bankaufsichtsfragen beim Deutschen A3 Sparkassenund Giroverband (DSGV): „Vor allem aber stellt sich die Frage, wie viele langfristige Darlehensgeschäfte überhaupt noch möglich sind. Schließlich will jeder Unternehmer möglichst lange Zinsfestschreibungen, aber kaum ein Sparer sein Geld langfristig anlegen.“ Die Strategieberatung McKinsey schätzt, dass die Banken in Europa allein durch die eingeschränkte Fristentransformation 2300 Mrd. Euro langfristige Refinanzierungsmittel benötigen. So viel Kapital ist an den Anleihemärkten gar nicht verfügbar, warnen Kritiker. Die EU-Kommission, die Basel III letztlich in Europa umsetzen muss, will die Entwicklung denn auch erst einmal beobachten, bevor sie diesen Teil scharf schaltet. Harter Hebel Die dritte Neuheit sorgt unter Beobachtern für noch größere Irritationen, muss Mittelständlern allerdings weniger Sorgen bereiten: Es geht um die sogenannte Leverage-Ratio. In diesem Verhältnis, das letztlich nichts anderes ist als eine Verschuldungsquote, steckt ein wesentlicher Ertragshebel für die Banken. Und zugleich ein weiteres Systemrisiko, das die Bankenaufseher begrenzen wollen. Während sich Experten mit dem Grundgedanken, die Bilanzen der Banken zu begrenzen, durchaus anfreunden können, stößt ein derart harter Verschuldungsriegel auf grundsätzliche Kritik: „Banken werden für risikoärmere Geschäfte gewissermaßen bestraft, weil diese stark auf die Verschuldungsquote wirken“, sagt Kämpfer vom DSGV. Auch hier zeigt sich die EU-Kommission einsichtig. Sie will die Leverage-Ratio erstmal beobachten, bevor sie eingreift. ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... A4 Mittelstand FREITAG, 3. FEBRUAR 2012 FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND Schnäppchenjagd im Netz Markenhersteller versuchen neuerdings mit elektronischen Gutscheinen, Kunden zu gewinnen und zu binden Simon Mikuteit ........................................................................................................................ Rabatte, Coupons, Schnäppchen – der deutsche Einzelhandel hat sich in den vergangenen zwei Jahren zu einer Spielwiese für Sonderangebote ent- wickelt. Im Kampf um die Kunden versuchen Geschäfte, sich mit günstigen Offerten gegenseitig auszustechen. Selbst Markenartikelfirmen, traditionell eher Preishüter, starten immer öfter Rabattaktionen. Dafür nutzen sie aber nicht mehr Omas Rabattmarken, die ausgeschnitten und gesammelt werden müssen, sondern elektronische Gutscheine, die man im Netz kaufen und in den jeweiligen Geschäften einlösen kann. Groupon, Dailydeal, Qypedeals oder Loxideals heißen die Anbieter solcher Coupon-Aktionen. Sie beraten ihre meist mittelständischen Partner aus Handel und Industrie und bescheren ihnen mit ihren Webwerbeinstrumenten zusätzliche Umsätze. „Ich möchte den Markenartikelherstellern und dem stationären Einzelhandel helfen“, sagt Georg von Waldenfels, Chef von der Hamburger Firma Loxi. Klingt altruistisch, ist es aber natürlich nicht: Loxi fördert für Marken wie Granini und Schwarzkopf, Weight Watchers und Persil den Verkauf – gegen gutes Geld. ............................................................................................................. „Der Erfolg ist bei Lifestyle- und Alltagsprodukten am größten“ THOMAS BERNIK, Geschäftsführer Qypedeals ............................................................................................................. Denn die Verbraucher, die sich auf der Plattform www.loxideals.de registrieren, müssen auch angeben, für welche Warengruppen sie sich interessieren – etwa für Pflegemittel und Spirituosen – und bekommen nur diese Produkte und Coupons angezeigt. „Durch die Registrierung auf unserer Seite haben wir den direkten Zugang zu diesen Verbrauchern“, sagt von Waldenfels. Rund 50 000 Mailadressen und Konsumprofile habe er momentan. Für mittelständische Hersteller interessant: Der Dienstleister kennt nicht nur die Käufer eines bestimmten Produkts, sondern die gesamte Zielgruppe des Markenartiklers, also auch die Verbraucher, die das Konkurrenzprodukt kaufen. Loxideals hilft dem Auftraggeber auch im Bereich Social Media. So kann dieser seine bestehende Community mit Gutscheinen belohnen, damit sie helfen, die „Fangemeinde“ zu vergrößern. Die Hamburger Dienstleister, die sich mit Onlineportalen wie Mein Prospekt oder Sparwelt vergleichen lassen müssen, obwohl diese sich vor allem an den Handel wenden, organisieren regelmäßig für 30 bis 40 Marken Rabattaktionen oder Gewinnspiele. Sie beauftragen die Clearinghäuser Acardo Technologies oder Valassis, im Handel zu eruieren, welche Geschäfte bereit sind, die Gutscheine bei sich einzulösen. Wenn ja, werden die Kassensysteme darauf eingestellt. Außerdem berichtet Loxi täglich, welche Nutzer „angebissen“ haben und wie viele Produkte durch die Aktion verkauft wurden. Satte Rabatte Für Umsatzsteigerungen in einigen Bereichen des Mittelstands haben schon 2010 und 2011 sogenannte Couponing-Unternehmen gesorgt. Auf ihren Seiten im Netz bieten sie Tag für Tag neue Deals in Großstädten an: In Berlin lockt ein Restaurant mit einem Drei-Gänge-Menü, das statt 25 Euro nur 12 Euro kostet, ein Frankfurter Reiseveranstalter bietet einen siebentägigen Ägyptenurlaub für 590 statt 1200 Euro an und eine Kölner Fensterputzfirma vier Stunden Arbeit, die eigentlich 140 Euro kosten, für 29 Euro. Nachlässe von 60 Prozent und mehr sind die Ausnahme, 30- oder 40-prozentige Rabatte aber die Regel. Auf diese Weise werden Kunden aus der Online- in die Offlinewelt geholt. Ein Beispiel: Die Bremer Firma HansaRefill hat zwei Filialen, in denen Kunden ihre leeren Druckerpatronen und Tonerkartuschen wieder auffüllen lassen können. Als auf der Website der Couponing-Firma Qypedeals 15-EuroGutscheine für Hansa-Refill zum halben Preis angeboten wurden, griffen fast 50 Sparfüchse zu. „15 von denen haben schon in der ersten Woche ihren Gutschein bei mir eingelöst“, sagt Inhaber Anton Goncharov. Wichtig für den Mittelständler: Der Couponing-Dienstleister kassiert 30 oder 40 Prozent des Gutscheinpreises als Provision. Manchmal auch mehr. So ist eine Aktion für den Händler oft ein Nullsummenspiel. Das ändert sich aber, wenn der Kunde auch noch andere Produkte als nur die Rabattierten kauft, beispielsweise zum Parfüm noch einen Lippenstift oder zum Menü noch eine Flasche Wein. Und der Händler profitiert vom Werbeeffekt. Schließlich wird er durch die Aktionen auch von Menschen in seiner Umgebung wahrgenommen, die vorher nicht zum Kundenkreis gehörten. Laut Thomas Bernik, Geschäftsführer von Qypedeals, ist der Couponing-Erfolg am größten bei „Lifestyle- und Alltagsprodukten“. Besonders interessant ist die Kombination von Couponing mit Geolocation: Geschäfte können ihre Rabattaktionen Verbrauchern, die sich gerade in ihrer Nähe befinden, gezielt aufs Handy schicken – und wenn gewünscht – den Coupon gleich hinterher. ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND FREITAG, 3. FEBRUAR 2012 Mittelstand A5 Risiken abfedern Vorstände und Manager sichern heikle unternehmerische Entscheidungen immer öfter durch ein Votum von außen ab. Das ist teuer, hilft aber Haftungsansprüche abzuwehren ............................................................................................................. Johanna Lutteroth ........................................................................................................................ Das Angebot kam wenig überraschend. Schon länger führte die Beteiligungsgesellschaft Aurelius mit dem Segelschiffbauer Hanse Yachts Gespräche. Am 9. September vergangenen Jahres erfolgte schließlich das öffentliche Übernahmeangebot, das sich an alle Aktionäre richtete. Manch einer wird sich gefragt haben, ob das Angebot auch wirklich fair ist. Denn wer 2007, als Hanse Yachts an die Börse ging, gekauft hatte, zahlte rund 33 Euro pro Aktie. Aurelius bot nun, vier Jahre später, 5,01 Euro. Zeitgleich veröffentlichte Hanse Yachts eine „Gemeinsame Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats“ – eine sogenannte Fairness-Opinion, die offenlegt, ob das Angebot nach objektiven Kriterien angemessen ist oder nicht. In der Regel wird solch eine Fairness-Opinion von einem unabhängigen Dritten erarbeitet. In diesem Fall war es die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Das Ergebnis: Die Offerte lag rund sechs Prozent über dem gesetzlichen Mindestpreis, der sich aus dem „gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs“ der vergangenen drei Monate zusammensetzte. Das überzeugte die Aktionäre offensichtlich. Denn seit November vergangenen Jahres ist Aurelius nun Mehrheitsgesellschafter von Hanse Yachts. „Fairness-Opinions werden inzwischen vermehrt von nicht börsennotierten Unternehmen angefragt“ MARCUS JÜNGLING, Geschäfts- leitungsmitglied bei PKF Fasselt Schlage Hanse Yachts ist ein typischer Fall für eine Fairness-Opinion. Zum einen ging es darum, die Aktionäre von der Angemessenheit des Preises zu überzeugen, zum anderen aber auch, die Organe der Gesellschaft gegen mögliche Haftungsrisiken abzusichern. Sie sollte zeigen, dass alles transparent und mit rechten Dingen zugegangen ist, die Gesellschaftsanteile weder über- noch unterbezahlt waren und die Entscheidungsträger auf Basis solider Daten gehandelt haben. „Einige Übernahmen, wie etwa der Erwerb der Depfa Bank durch die Hypo Real Estate, haben sich im Nachhinein als zu teuer herausgestellt. Dadurch sehen sich Vorstände und Aufsichtsräte immer öfter kritischen Aktionärsfragen oder sogar Klagen ausgesetzt“, sagt Bernhard Schwetzler, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzmanagement und Banken an der Handelshochschule Leipzig (HHL). „Fairness-Opinions, die die finanzielle Angemessenheit von Thomas Mailaender Gefragte Gutachter Geburtsstunde der Fairness-Opinion Am liebsten zur Bank Anbieter von Fairness-Opinions in % 6 Privatbank 62 Großbanken 13 Berater 19 Wirtschaftsprüfer FTD/jst; Quelle: Corporate Finance Vorreiter in Sachen Fairness-Opinion sind wie so oft die USA. Kein Entscheidungsträger lässt sich dort auf eine Transaktion ein, ohne eine Fairness-Opinion einzuholen. Ursache dafür ist ein Gerichtsprozess aus dem Jahr 1985, der als Smith versus van Gorkom in die Geschichte einging, und als Geburtsstunde der Fairness-Opinion gilt. In diesem Prozess ging es um eine Transaktion, die Jerome van Gorkom, Vorstandsvorsitzender der Transunion – ein Unternehmen, das Informationen über die Kreditwürdigkeit von Privatpersonen bereitstellt – eingefädelt hatte. Der Mischkonzern Marmon sollte die Transunion übernehmen. Festgelegt wurde ein Preis von 55 Dollar pro Aktie. Das Problem daran: Der Vorstand sollte innerhalb von drei Tagen über das Angebot entscheiden. Es gab weder ein Bewertungsgutachten noch eine Stellungnahme, ob der gebotene Preis angemessen sei. Letztlich vertraute der Vorstand seinem Vorsitzenden und winkte den Deal in einer zweistündigen Sitzung durch. Auch der Großteil der Aktionäre stimmte zu. Einer fühlte sich dennoch über den Tisch gezogen und klagte: Alden Smith. Der Delaware Supreme Court gab ihm Recht und stellte fest, dass der Vorstandschef grob fahrlässig gehandelt habe. Seine Entscheidung sei nicht transparent genug gewesen und damit für die Aktionäre nicht nachvollziehbar. JOHANNA LUTTEROTH Transaktionen beurteilen, gewinnen daher zunehmend an Bedeutung.“ Ein weiterer Grund dafür ist die Gesetzeslage. Seitdem 2005 die sogenannte Business-Judgement-Rule in §93 Absatz 1 des Aktiengesetzes verankert wurde, müssen Vorstände und Aufsichtsräte auf einer angemessenen Informationsgrundlage ihre unternehmerische Entscheidung fällen. Können sie das im Ernstfall nicht nachweisen, werden sie in die Pflicht genommen – und haften womöglich persönlich für ihre Entscheidung. „Seit rund sechs Jahren beobachten wir daher eine erhöhte Neigung, Fairness-Opinions einzuholen“, sagt Michael Salcher, Partner bei KPMG. Da die Fairness-Opinion die Anforderungen der Business-Judgement-Rule im Wesentlichen erfüllt, sichert sie die Entscheidungsträger gegen mögliche Haftungsrisiken ab – und verschafft ihnen damit, wie es im Fachjargon heißt, größeren Haftungsfreiraum. Mit Spannung beobachten die Berater derzeit den Fall der Bayerischen Landesbank, die sich mit der Übernahme der Kärntner Bank Hypo Alpe Adria kräftig verhoben hatte. Einige Vorstände müssen sich vor Gericht für ihre unternehmerische Entscheidung aus dem Jahr 2007 verantworten. Werden sie verurteilt, wird das dem Absicherungsinstrument Fairness-Opinion noch mehr Bedeutung verleihen, sind die Experten einig. Auch wenn derzeit hauptsächlich Aktiengesellschaften von der Fairness-Opinion Gebrauch machen – vor allem bei Unternehmensan- und -verkäufen – gewinnt das Instrument auch bei Personengesellschaften und damit im Mittelstand an Bedeutung. „Es gibt Ausstrahlungswirkungen auf andere Unternehmensformen in Fällen, bei denen Eigentum und Geschäftsführung getrennt sind“, sagt Salcher. „Seitdem Haftungsfälle öfter diskutiert werden, gibt es auch dort eine Neigung zu Fairness-Opinions.“ Ähnliche Beobachtungen hat auch Marcus Jüngling gemacht, Geschäftsleitungsmitglied bei PKF Fasselt Schlage in Frankfurt: „Fairness-Opinions werden inzwischen vermehrt von nicht börsennotierten Unternehmen angefragt.“ Schließlich können auch die Geschäftsführer von kleineren Unternehmen für ihre Entscheidung haften. Nicht immer geht es um Unternehmensan- und -verkäufe. „Sie kommen immer dann zum Einsatz, wenn das Management eine wesentliche Entscheidung fällen muss, die den Finanzstatus eines Unternehmens wesentlich beeinflusst“, erklärt Jüngling. Dazu zählen neben der Bewertung von Unternehmensanteilen auch Restrukturierungsmaßnahmen und Investitionsentscheidungen. Das Prinzip bleibt immer gleich: Die Entscheider möchten eine unabhängige Einschätzung haben, die bestätigt, dass ihre Transaktion angemessen ist. Das hat nichts mit Altruismus zu tun, sondern mit Selbstschutz. Primäres Ziel ist auch hier, das eigene Haftungsrisiko zu minimieren. Unabhängigkeit wahren Allerdings ist eine Fairness-Opinion richtig teuer. Zwischen 100 000 und 150 000 Euro müssen die Auftraggeber dafür auf den Tisch legen. „Es muss sich also um eine einschneidende unternehmerische Entscheidung handeln, damit es sich lohnt“, sagt Sebastian Lobe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzdienstleistungen an der Universität Regensburg. Ob sich das Instrument langfristig auch im Mittelstand durchsetzt, bezweifelt er angesichts der enormen Kosten. „Ich halte das für eher unrealistisch.“ Eine andere Frage ist: Wie unabhängig kann eine Fairness-Opinion sein? „Die Auftraggeber wollen natürlich immer ein bestimmtes Ergebnis sehen. Interessenkonflikte gibt es daher immer“, sagt HHL-Professor Schwetzler. Noch schwieriger wird es, wenn die Investmentbank, die ein Geschäft begleitet, gleich auch eine Fairness-Opinion erstellt. Es ist kaum denkbar, dass sie sich darin gegen das eigene Projekt aussprechen würde. Die Frage des Interessenkonflikts macht das Instrument angreifbar. Deswegen haben zwei Institutionen Standards erstellt, die die Qualität der Stellungnahmen sichern sollen: Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) verabschiedete im November 2008 die Grundsätze für Fairness-Opinions, das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) im Januar 2011 den IDWStandard 8. Zusätzlich sollte man zwei Regeln beachten, empfiehlt Christian Aders, Geschäftsführer der Corporate-Finance-Beratungsfirma Duff & Phelps, die jüngst für die Restrukturierung der Firma Pfleiderer eine FairnessOpinion erstellte. Erstens: Begleite eine Transaktion nie gleichzeitig als M&A-Berater. Zweitens: Wer Gefälligkeitsgutachten macht, schneidet sich ins eigene Fleisch. Aders: „Ich würde dafür nie meinen Ruf riskieren.“