Leitprogramm - Direkt zur Suche Alt+5

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Leitprogramm - Direkt zur Suche Alt+5
81,9(56,7b7%(51
DOPING
Ein Leitprogramm
Schwerpunktfach Biologie / Chemie
Günter Baars
Annette Hählen
Thomas Hari
Matthias Küng
Leitprogramm Doping
Vorwort
INHALTSVERZEICHNIS
L
VORWORT
EINLEITUNG
(WKLNLP6SRUW
'RSLQJ²GHU%HJULII
2.1 Der Ursprung des Wortes Doping
4
2.2 Zur Geschichte des Dopings
4
2.2.1 Doping im Altertum
4
2.2.2 Doping in der Antike
4
2.2.3 Doping im 20 Jahrhundert
8
2.3. Dopingchronologie im Spiegel des Radsports
MODUL I: HORMONE IM SPORT: Peptidhormone & Anabolika
9
(LQHUVWHU([NXUV+RUPRQH²%RWHQVWRIIHXQVHUHV.|USHUV
(LQ]ZHLWHU([NXUV%LRWUDQVIRUPDWLRQDXVK\GURSKREZLUGK\GURSKLO
i)
Biotransformation: aus hydrophob wird hydrophil
20
ii)
Phase 1: Oxidative und reduktive Prozesse
21
iii) Phase 2: Konjugation mit polaren Substanzen
22
1. Steroidhormone: „natürliche Anabolika“
24
1.1 Steroide: Das Grundgerüst der Steroidhormone
25
1.2 Die sechs verschiedenen Familien von Steroidhormonen
25
1.2.1 Cholesterin: Die Vorstufe der sechs Steroidhormone
25
1.2.2 Wirkungsweise der Steroidhormone
26
1.2.3 Übersicht über die Sexualhormone
28
1.2.4 Androgene
30
1.2.5 Oestrogene
32
1.2.6 Gestagene (Schwangerschaftshormone)
34
1.3 Künstliche Steroidhormone: Anabolika zum Muskelaufbau
35
1.3.1 Medizinische Anwendungen
37
1.3.2 Nebenwirkungen von Anabolika
37
1.3.3 Anabole Wirkstoffe im Sport
38
2. Peptid- und Glykoproteinhormone: wirksam und schwer nachweisbar
2.1 Wachstumshormone (hGH) – alles wächst mit
42
43
2.1.1 Wirkungsspektrum von (h)GH
43
2.1.2 Verwendung im Sport: erhöhtes Wachstumspotential
45
ii
Leitprogramm Doping
Vorwort
2.1.3 Nebenwirkungen: Der Patient wächst
46
2.2 Erythropoietin (EPO): Das moderne Höhentraining
47
2.2.1 Wirkungsspektrum von EPO
48
2.2.2 Verwendung im Sport: Erhöhung der anaeroben Schranke
48
2.2.3 Nebenwirkungen von EPO: „dickes“ Blut
50
2.2.4 EPO und der Dopingtest: Jeder Test ist irgendwie und irgendwann manipulierbar“
52
2.3 Das Schwangerschaftshormon (hCG, human Chorionic Gonadotropine)
53
2.3.1 Wirkungen von hCG – Hormonale Regelung der Schwangerschaft
53
2.3.2 Einsatz im Sport: Erhöhung der Testosteronproduktion
55
3. Nachweis von hCG im Urin: Schwangerschaftstest
3.1 Das Prinzip des Nachweises: ELISA
57
53
3.1.1 Grundlagen immunologischer Nachweisverfahren
3.2 Experimentelle Vorschrift
59
60
3.2.1 Nachweis von human Choriongonadotropin (hCG) im Urin: solid phase immunoassay
MODUL II: MISSBRAUCHTE MEDIKAMENTE: Diuretika & Analgetika
60
63
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
63
Ein zweiter Exkurs: Hormone bestimmen,
wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
77
i)
Aldosteron und Angiotensin II
78
ii)
Vasopressin
80
iii) Natriuretisches Atriumpeptid (ANF)
82
iv)
82
Zusammenfassung
1. Hilfe beim Wasserlösen – Diuretika
85
1.1 Diuretika – Übersicht und Unterteilung
86
1.2 Wirkung der Diuretika
87
1.2.1 Osmotische Diuretika
88
1.2.2 Diuretika vom Sulfonamid-Typ
88
1.2.3 Kaliumsparende Diuretika
95
1.2.4 Xanthin-Derivate
97
1.3 Anwendung der Diuretika im Sport
100
Ein dritter Exkurs: Aua – das schmerzt
104
i)
Was steckt da alles unter der Haut
105
ii)
Weiterleitung des Schmerzes
110
iii) Hemmung des Schmerzes
112
iii
Leitprogramm Doping
Vorwort
2. Wie Schmerzen mit einem Lächeln
weggesteckt werden können - Analgetika
2.1 Schmerzmittel
117
2.1.1 Opioid-Analgetika
117
2.1.2 Nicht-opioide Analgetika
126
2.2 Anwendung der Analgetika im Sport
127
3. Praktikumsanleitungen
130
3.1 Untersuchung einer Schweineniere
131
3.2 Temperaturempfinden
131
3.3 Nachweis von Opiaten im Urin
132
3.4 Arbeitsanleitung
132
3.4.1 Dünnschichtchromatographie
MODUL III: TATORT SYNAPSE:
133
-Blocker & Stimulantien
Exkurs: Der Computer im Mensch - das Nervensystem
135
137
E1.2 Das Neuron
139
E1.2.1 Das Aktionspotential bei langsamen Neuronen
140
E1.2.2 Das Aktionspotential bei schnellen Neuronen
143
143
E1.3.1 Neurotransmitter
147
E1.3.2 Acetylcholin – ein Beispiel
155
E1.4 Aktionspotentiale
158
1. Stimulantien
3
134
E1.1 Einführung
E1.3 Die Synapse
2
116
165
1.1 Cocain, „die dritte Plage der Menschheit“
165
1.2 Amphetamine
167
1.2.1 Amphetamin und Amphetaminderivate
167
1.2.2 Nachweis von Amphetaminen im Sport
171
1.2.3 Ecstasy – ein weiteres Amphetaminderivat
172
1.3 Coffein – ein salonfähiges Stimulans
173
1.4 Die Wirkung von Stimulantien auf molekularer Ebene
175
1.4.1 Die Wirkung von Stimulantien im Gehirn
175
1.4.2 Die Wirkung von Stimulantien auf das vegetative Nervensystem
182
Beta-Sympatholytica – mit Beta-Blockern gegen Prüfungsangst
184
2.1 Auch bronchienerweiternde Asthmamedikamente stehen auf der Dopingliste!
188
Praktikumsanleitungen
191
3.1 Isolation von Coffein aus Schwarztee
193
3.1.1 Extraktion von Coffein, Variante 1
193
3.1.2 Extraktion von Coffein, Variante 2
194
iv
Leitprogramm Doping
Vorwort
3.1.3 Identifikation des Coffeins mittels Dünnschichtchromatographie
3.2 Physiologische Wirkung von Coffein: Vergleich von entcoffeiniertem und
coffeinhaltigem Kaffee
195
196
3.2.1 Leistungssteigerung durch Coffein?
196
3.2.2 Hohe Dosis Coffein
197
MODUL IV: VOLKSDROGEN UND SPORT: ALKOHOL UND CANNABIS
1. Alkohol
200
1.1 Geschichte des Alkohols
201
1.2 Herstellung und physiologische Wirkungen
204
1.3 Auswirkungen auf den Körper
206
1.4 Auswirkungen auf das Gehirn
210
1.4.1 Die Neurotransmitter GABA und Glutamat
212
1.4.2 Der GABA-Rezeptor
212
1.4.3 Der Glutamat-Rezeptor
214
1.4.4 Weitere Transmittersysteme
215
1.5 Langzeitwirkungen
216
1.6 Alkohol und Sport
217
2. Cannabis
220
2.1 Die Pflanze
221
2.2 Geschichte
222
2.3 Chemismus
224
2.4 Biochemie
231
2.4.1 Die Cannabinoidrezeptoren
231
2.4.2 Die Liganden
232
2.4.3 Direkte Wirkungen von THC im Körper
234
2.5 Medizinische Anwendung
235
2.6 Cannabis und Sport
236
3. Praktikumsanleitungen
239
3.1 Destillation von Wodka
240
ANHANG A: LÖSUNGEN ZU DEN AUFGABEN
A1
ANHANG B: GLOSSAR
B1
ANHANG C: FÜR LEHRKRÄFTE, LITERATURVERZEICHNIS
C1
v
Leitprogramm Doping
Vorwort
IMPRESSUM
Doping - Leitprogramm für das Schwerpunktfach Biologie / Chemie
Herausgeber:
Universität Bern, Abteilung für das Höhere Lehramt
in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sport Magglingen.
Unter „No Excuses“ erscheinen Lehr- und Informationsmittel mit Anregungen
und Erfahrungen zur Gestaltung von Schulunterricht zum Thema Doping in verschiedenen Fächern und fächerübergreifend (Sekundarstufen I und II). Weitere
Informationen dazu unter www.no-excuses.ch.
Autoren:
Günter Baars, Annette Hählen, Thomas Hari, Matthias Küng.
© Copyright:
Abteilung Höheres Lehramt Universität Bern, 3012 Bern (G. Baars) und Bundesamt für Sport, 2532 Magglingen (M. Kamber).
Bestellungen:
Als Kopievorlagen in losen Blättern: Günter Baars, Gymnasien Neufeld, Bremgartenstrasse 133, 3012 Bern, e-mail: baars@sis.unibe.ch. Preis Fr. 40.Als pdf-File auf der CD-ROM: Doping – Hintergrundinformationen. (Herausgeber Bundesamt für Sport, 2532 Magglingen).
Neben dem Leitprogramm beinhaltet diese CD-ROM eine umfangreiche Sammlung von Texten zum Thema Doping. Sie kann Schülerinnen und Schülern als
Einstieg für eine Facharbeit dienen oder Lehrerinnen und Lehrern beim Erarbeiten des Themas Doping wertvolle Informationen liefern. Neben der Erläuterung
aller verbotenen Substanzklassen im Sport sind auch rechtliche Aspekte, die
Dopinganalytik und Argumente gegen Doping beleuchtet. Schlagzeilenartig
werden die bedeutendsten Dopingfälle des 20. Jahrhunderts aufgeführt. Informationen unter www.dopinginfo.ch.
Bestelladresse: Fachbereich Dopingbekämpfung, Bundesamt für Sport, 2532
Magglingen, e-mail: dopinginfo@baspo.admin.ch. Artikelnummer 6.03.198 d/f.
Preis Fr. 45.-
vi
Leitprogramm Doping
Vorwort
VORWORT
EIN LEITPROGRAMM DOCH ANDERS ALS DIE BISHERIGEN
Das hier vorliegende Leitprogramm „Doping“ erlaubt, wie alle bis heute entwickelten Leitprogramme,
ein Selbststudium durch Schülerinnen und Schüler. Es enthält den zu bearbeitenden Stoff, Übungen,
Arbeitsanleitungen und Kapiteltests ebenso wie Hinweise auf weiterführende Literatur und Experimente.
Normalerweise umfasst ein Leitprogramm ein Fundamentum, das von allen Schülerinnen und Schülern zu bearbeiten ist und ein Additum für die besonders Schnellen und Interessierten. Im Leitprogramm „Doping“ sucht man vergebens diese Gliederung, die in Anbetracht der Komplexität des Themas von den Autoren bewusst vermieden wurde. Die Zeit für das vollständige Durcharbeiten des gesamten Textes wird in den meisten Fällen nicht zur Verfügung stehen.
Der Inhalt des Leitprogramms „Doping“ ist deshalb modular aufgebaut, so dass die einzelnen Kapitel
unabhängig von den anderen bearbeitet werden können. Hinweise im Text helfen Wissens- und Verständnislücken gezielt mit Hilfe der anderen Kapitel zu schliessen, ohne deren Text vollständig studieren zu müssen. So kann man, je nach der zur Verfügung stehenden Zeit, einen oder mehrere Teile
des Programms bearbeiten, um sich im Idealfall einem „echten“ Leitprogramm zu nähern: Ein erstes
Kapitel wird bearbeitet, nach bestandenem Test darf das nächste in Angriff genommen werden, die
schnelleren Schülerinnen und Schüler bewältigen den gesamten Text, die langsameren den von der
Lehrkraft vorgeschriebenen etc.
vii
Leitprogramm Doping
Vorwort
"Zeichnungen: Frank Steffen 1
Das vorliegende Material ist urheberrechtlich geschützt.
Ein Copyright ist erhältlich durch
G. Baars, Abteilung Höheres Lehramt
Universität Bern 3012 Bern oder
M. Kamber, Sportwissenschaftliches Institut, Bundesamt für Sport
2532 Magglingen
1
Anschrift ist den Autoren bekannt
viii
Leitprogramm Doping
Vorwort
ARBEITSANLEITUNG
Unterricht diesmal ohne Lehrer!!
Sie arbeiten in diesem Programm selbständig.
Nach jedem Kapitel findet beim Lehrer eine kurze Prüfung statt, so dass Sie kontrollieren können, ob
Sie das Gelernte auch verstanden haben.
Sobald Sie die Prüfung bestanden haben, dürfen Sie das nächste Kapitel bearbeiten.
Nur Lesen wäre ja langweilig!!
Das Programm bietet den Vorteil, dass Sie das Gelernte in Ihrem Tempo durch verschiedene andere
Aktivitäten festigen. Es erscheinen deshalb öfters Bilder mit entsprechenden Anweisungen!
Sie lösen die Aufgabe
Sie kontrollieren selbst, ob Sie das soeben Gelernte auch verstanden haben. Die Lösung befindet sich jeweils am Ende des Kapitels.
Oder – Sie arbeiten im Labor
Finden Sie jemanden, der gleich weit ist wie Sie. Gehen Sie dann
ins Labor und führen Sie das entsprechende Experiment durch.
C Chemikerinnen und Chemiker arbeiten nie ohne Labormantel und Schutzbrille!!!
Manchmal steht das wichtigste in einem Buch
Sie bekommen also Information direkt, ohne Lehrer-Filter! Holen
Sie das Buch und lesen Sie den entsprechenden Text.
Doch trotz der vielen Hilfsmittel geht es ohne
Köpfchen nicht!
Dieses Bildchen bezeichnet sogenannte Merksätze, also Sätze,
welche Sie sich unbedingt einprägen sollten.
ix
Leitprogramm Doping
Vorwort
Einleitung
INHALT DES KAPITELS
1
ETHIK IM SPORT - ODER DIE LÖSUNG DER QUADRATUR DES KREISES 2
2
DOPING – DER BEGRIFF
4
2.1 Der Ursprung des Wortes Doping
4
2.2 Zur Geschichte des Dopings
4
2.2.1
Doping im Altertum
4
2.2.2
Doping in der Antike
4
2.2.3
Doping im 20. Jahrhundert
8
2.3 Dopingchronologie im Spiegel des Radsports
9
x
Leitprogramm Doping
1. Ethik
Vorwort
im
Sport
-
oder die Lösung der Quadratur des Kreises
Seit mehreren Jahren fällt das Wort Doping, wenn von Radsport die Rede ist – und umgekehrt. Spitzenfahrer wie Richard Virenque (FR), Alex Zülle, Laurent Dufaux (beide SUI), Marco Pantani (It) und
wie sie alle heissen, haben 1998 „Dopinggeschichte“ geschrieben. Aber auch in anderen Sportarten,
wie Leichtathletik, Schwimmen, Schneesport oder Fussball greifen immer mehr Sportler zu unerlaubten „Stärkungsmitteln“. Und es sind bei weitem nicht nur die Spitzenathleten, die versuchen ihre Leistungsgrenze künstlich zu erhöhen. Um sich am Tag „X“ - nach langer Vorbereitung - fit zu fühlen, greifen auch viele Hobby- und Breitensportler zu „aufbauenden“ Präparaten. Dabei kann selbst ein „harmloses“ Schmerzmittel gegen Kopf- oder Menstruationsbeschwerden die Grenze der Legalität sprengen. Vielfach ist die Einnahme von leistungssteigernden Mitteln gepaart mit einem allgemein risikoreichen Verhalten und mit wenig Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Die „Dopingmentalität“ (die Einstellung, Probleme aller Art mit Hilfe von Medikamenten lösen zu wollen) ist auch im täglichen Leben
anzutreffen, also nicht nur sportbezogener Natur. Wo sind Ursachen und Motive für Doping? Stammen sie aus dem Sport, oder hat sie der Sport aus der Gesellschaft übernommen? Im Folgenden sind
einige Gedanken zu dieser Problematik aufgeführt. Sie sollen zur Diskussion anregen und erheben
insbesondere nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.
Im (Spitzen-)Sport wird Chancengleichheit verlangt, in der Gesellschaft zählt jedoch nur die Leistung,
„egal“ mit welcher Hilfe sie erbracht wurde. Doping darf also nicht nur als ein Problem des (Spitzen-)
Sports angesehen werden, es ist ein gesellschaftliches Problem schlechthin. Die Diskussion um das
Thema Doping findet jedoch ausschliesslich im (Spitzen-)Sport statt. So könnte man denn formulieren,
dass alle zwar vom Doping reden, niemand jedoch darüber redet. In den Vereinigten Staaten bedienen sich laut einer Umfrage drei bis sieben Prozent der Jugendlichen Muskelaufbau beschleunigender
Produkte (Anabolika)! In der Schweiz ist das Problem weniger dramatisch, obwohl man annimmt, dass
besonders bei Knaben die Dunkelziffer des (un-)wissentlichen Dopingmissbrauchs erheblich ist. Das
Thema Doping ist aktuell, darüber wird viel geschrieben. Was Doping jedoch wirklich ist, darüber
weiss kaum einer Bescheid. Wenn das Magazin „Facts“ über den „Saustall Spitzensport“ schreibt, die
ehemalige Zeitung „Sport“ titelt: „99 % aller Radprofis sind gedopt“ oder die Boulevardzeitung „Blick“
schreibt: „Bernard Hinault: Zu viele Esel wollen Rennpferde werden“, so hilft das in erster Linie den
Verkaufszahlen der jeweiligen Medien. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Doping muss jedoch
viel weiter gehen. Es müssen die tieferen Motive für Doping erforscht werden. Eine umfassende Diskussion kann nur dann geführt werden, wenn die Philosophie des heutigen Sportes genauestens analysiert wird: was fühlen Athleten bei Niederlagen, was sind die Konsequenzen von Siegen, wie geht
xi
Leitprogramm Doping
Vorwort
man mit dem Misserfolg, aber auch mit dem Erfolg um, wo bleibt die Person im ganzen (Medien)Rummel.
Es stellt sich die grundlegende Frage, ob sich der „Dopingsumpf“ über die Grenzen des Sports hinaus
breit gemacht hat, oder, ausgehend von unserer Gesellschaft, auf den Sport übergegriffen ist? Hat
Ethik im Sport heutzutage überhaupt noch einen Stellenwert? Die olympischen Spiele sind zum „Big
Business“ verkommen. Allein die TV-Übertragungsrechte bringen dem Internationalen Olympischen
Komitee (IOC) Einnahmen in Milliardenhöhe. 1992 (Barcelona) waren es 696 Millionen Dollar, 1996
(Los Angeles) bereits 895 Millionen und für die Übertragung von Sydney 2000 musste man ca. 1.4
Milliarden Dollar bezahlen. Der olympische Gedanke, „Mitmachen ist alles“, kann bei den genannten
Zahlen wohl kaum mehr Gültigkeit haben. Pierre de Coubertin, Begründer der neuzeitlichen olympischen Spiele, baute auf die fünf Grundprinzipien, die etwa mit Harmonie, Selbstverwirklichung, Amateurismus, Fairness und Frieden umschrieben werden können. Diese Tugenden erscheinen im Vergleich zum Gelebten als Heuchelei und Doppelmoral, was freilich auch schon Coubertin vorausahnte.
Die Erwartungshaltung, sowie die Personifizierung erzeugen im Athleten einen derartigen Druck, dass
er – überspitzt formuliert – zum Sieg verdammt ist. Diese Situation macht ihn empfänglich für soge2
nannte Pyrrhussiege , die, obwohl spektakulär und heroisch, letztlich doch zynisch und kaum zielorientiert sind. Unter diesem Gesichtspunkt drängt sich die Frage auf, ob der Sport alles mitmachen
muss, was ihm die Gesellschaft vorgibt. Der Hochleistungssport ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit
einem hohen Unterhaltungswert, der nationale Identität stiftet. Daneben wird im gleichen Umfeld noch
nach der Vermittlung von Tugenden wie Fairness und Harmonie verlangt, Eigenschaften die man zwar
sonst nirgends mehr erlernen kann, aber ausgerechnet im späteren, übrigen Leben angewandt werden sollen. In diesem Dilemma zwischen geforderter Effizienz und Ethik oder Moral muss der Sport
als Verlierer hervorgehen.
Trotz dieser Verlogenheit ist der Sport nach wie vor förderungswürdig. An das „Gute“ im Sport glauben heisst Freude an der Bewegung als solche zeigen und nicht nur nach Bestleistungen streben. Es
bedeutet, auf sich selber zu hören und sich zu vertrauen. Gewinnen zu wollen ist per se nichts
Schlechtes - die Leistung ist zu fördern, der Betrug jedoch konsequent zu unterbinden. Die Lösung
dieses Dilemmas erscheint wie die „Auflösung der Quadratur des Kreises“ – nichts desto trotz ist die
Diskussion und das Credo für einen sauberen (Spitzen-)Sport zu unterstützen.
Die Lösung dieses Problems – oder Paradoxons? - wird man in diesem Leitprogramm nicht vorfinden
– der Diskussion über solche Fragen soll aber im Unterricht angemessene Zeit eingeräumt werden.
Daneben soll vor allem das Hintergrundwissen über die verschiedenen Substanzklassen pharmakologisch, physiologisch, aber auch (bio-)chemisch erarbeitet und verstanden werden. Erst so kann eine
fundierte Diskussion stattfinden. Der Aufbau ist so gestaltet, dass nach einem einleitenden Kapitel
modulartig die folgenden Dopingklassen vorgestellt werden: Anabolika & Peptidhormone, Stimulantien, Narkotika und Diuretika. Als letztes Modul folgt ein Kapitel über Drogen. Dass Doping- und Dro-
2
Pyrrhussieg: ein mit gewaltiger persönlicher Einbusse errungener Erfolg (benannt nach dem griechischen König Pyrrhus, der 280 und 279 v. Chr. die Römer schlug, dabei jedoch grosse Verluste erlitt).
xii
Leitprogramm Doping
Vorwort
genmissbrauch nicht weit voneinander entfernt liegen, deutet ein Zitat eines ehemaligen Coachs der
Schweizer Fussballnationalmannschaft an. In einem Interview hat Paul Wolfisberg einmal gesagt: „Als
Spieler nahm ich Pillen, als Nati-Coach rauchte ich Joints“.
xiii
Leitprogramm Doping
Vorwort
Doping – Der Begriff
Wer Leistungssport will, bekommt Doping. Gemäss dem Anti-Doping-Code (Kapitel II, Artikel 2) der
olympischen Bewegung (vergleiche auch die Website http://www.olympic.org/ioc) aus dem Jahre 2000
wird der Begriff Doping wie folgt definiert (Originalwortlaut):
1.
„the use of an expedient (substance or method) which is potentially harmful to athletes’ health and/or
capable of enhancing their performance, or
2.
the presence in the athlete’s body of a prohibited substance or evidence of the use thereof or evidence
of the use of a prohibited method.“
'(58563581*'(6:257(6'23,1*
1869 tauchte in einem englischen Wörterbuch zum ersten Mal das Wort Doping auf, womit eine Mischung von Opium und narkotisierenden Drogen bezeichnet wurde, die für das Dopen von Pferden
Verwendung finden sollte. Die Wurzel des heute so gebräuchlichen Wortes lässt sich auf einen von
3
eingeborenen Kaffern im südöstlichen Afrika gesprochenen Dialekt zurückführen, der dann in die
Burensprache übernommen wurde. Unter dem Wort „Dop“ verstand man damals einen landesüblichen
schweren Schnaps, der bei den Kulthandlungen der Kaffer als „Stimulans“ Verwendung fand. Erst
später wurde der Begriff auch auf andere, allgemein stimulierende Getränke ausgedehnt.
=85*(6&+,&+7('(6'23,1*6
Doping im Altertum
Die künstliche Leistungsverbesserung ist ein uralter Traum des Menschen. Daher lassen sich auch
Massnahmen, wie sie heute als Doping bezeichnet werden, in der Sportgeschichte weit zurückverfolgen und ebenso Bestrebungen, solche Methoden auszuschalten. Zum Teil handelt es sich bei den
überlieferten Massnahmen um ausgesprochen harmlose diätetische Hinweise oder Methoden zur
Verbesserung der Haut- und Muskeldurchblutung. Echt stimulierende Substanzen im Sinne des heutigen Dopings tauchen zum ersten Mal bei den sagenhaften Berserkern der nordischen Mythologie auf,
die mit einer aus dem Pilz Amanita Muskaria gewonnenen Droge Bufotenin „ihre Kampfkraft bis auf
das 12-fache gesteigert haben sollen“.
Doping in der Antike
Die Sportler der Antike kannten zwar noch keine anabolen Steroide, Narkotika oder Diuretika, aber
einige unter ihnen konnten auch damals der Versuchung unlauterer Mittel nicht wiederstehen und
3
Kaffern [arab., Ungläubige], Bezeichnung für die Südost-Bantu in Südafrika. Die Kaffern wohnen in
bienenkorbförmigen Hütten und treiben Hackbau und Viehzucht.
4
Die aufgeführten Zitate stammen aus einem Artikel, erschienen in der Zeitung „die Zeit“ vom 24. Juni
1999.
xiv
Leitprogramm Doping
Vorwort
nahmen in Kauf für den Sieg ihre Gesundheit zu riskieren. Damals wie heute spielten die Trainer, in
der Antike Lehrer genannt, eine zentrale Rolle. Nicht zufällig bedeutet die wörtliche Übersetzung der
griechischen Bezeichnung für Turnlehrer „paidotribes“, Knabenschinder. Schon früh erkannten die
Griechen, dass einzelne körperliche Fähigkeiten durch eine abgestimmte Ernährung verbessert werden können. Es entwickelte sich eine medizinische Diätwissenschaft, die prompt von einigen Trainern
pervertiert wurde. Angeblich bestand der Speiseplan olympischer Athleten eine Zeit lang ausschliesslich aus frischem Käse, getrockneten Feigen und Weizenbrot, weil der Spartaner Charmides im Stadionlauf 668 vor Christus aufgrund dieses Ernährungsplans gesiegt haben soll. Später - und zum Glück
für die Olympiakämpfer - entdeckte Dromeus aus Stymphalos, dass der Verzehr von Fleisch die athletische Verfassung positiv beeinflussen kann. Dromeus siegte zweimal, 484 und 480 vor Christus. Spätestens im 5. Jahrhundert vor Christus wurde auch damit begonnen, je nach Disziplin systematische
Ernährungspläne zu erstellen. Die erdrückenden Körpermassen der Schwerathleten etwa wurden
durch eine protein- und fettreiche Ernährung erreicht, während Langstreckenläufer mehr Kohlenhydrate zu sich nahmen. Dass man sich in der Antike ausserdem schon Gedanken darüber gemacht hat, ob
sexuelle Enthaltsamkeit die sportliche Kondition fördert, sei nur am Rande erwähnt.
Die Grundidee des Wettkampfes, der zur Harmonie von Körper und Seele führen sollte, war also bereits in der Antike in Frage gestellt. Der Druck auf den Athleten war immens. Im Gegensatz zu heute
kannte man nur Sieger. Silber- und Bronzemedaillen wurden erst viel später eingeführt. Deshalb waren auch Todesfälle keine Seltenheit im Stadion - sei es, dass ein Sportler bis zur totalen Erschöpfung
durchhielt oder sei es, dass ein Trainer seinen Schützling nach verlorenem Kampf totschlug, weil der
nicht bis zur Selbstaufgabe gekämpft hatte. Es erstaunt deshalb nicht, dass auch kritische Stimmen
zum Sport laut wurden. So polemisierte der Philosoph und Theologe Xenophanes bereits um 480 vor
Christus gegen die Überschätzung der Olympiasieger; Euripides gab diese Kritik in einer seiner Tragödien wieder:
„Es gibt zahllose Übel in Griechenland, doch nichts ist schlimmer als das Pack der Athleten, ihr Training macht sie für
ein normales Leben untauglich. Sie dienen nur ihren Kauwerkzeugen und sind Sklaven ihres Magens. Sie glänzen in
ihrer Jugend und stolzieren als lebende Denkmäler einher; wenn aber das Alter mit seinen Gebrechen kommt, dann
ist es vorbei mit ihnen, und sie sind fadenscheinig wie abgetragene Kleider. Warum nur kommen die Leute aus aller
Welt zusammen, um ihre sinnlose Fressucht zu ehren?“
Die Athleten mussten die Speisen, die angeblich den Aufbau ihrer Körperkräfte förderten, in grossen
Mengen und zu regelmässigen Zeiten verschlingen. Bald konnten sie ohne ihre Spezialernährung
nicht mehr auskommen. Platon wies darauf hin, dass manche Athleten, wenn sie nur ein wenig von
ihrer Lebensweise während des Trainings abwichen, gravierend krank wurden. In die gleiche Richtung
zielt die Kritik des Arztes Hippokrates, der den Wettkampfsport, wie er zu seiner Zeit um 400 vor
Christus betrieben wurde, eine Schule des Betrugs (!) nannte. Das Wort, das in diesem Zusammenhang in der Antike immer wieder fällt, heisst übersetzt „Zwangsernährung“.
„Man kann erkennen, ob die Athleten ein bisschen weniger Speisen zu sich genommen haben, ob sie etwas anderes
gegessen oder ein wenig mehr getrunken haben, ob sie ihr Training verkürzt oder geschlechtlichen Umgang gehabt
haben. Von all dem bleibt nichts verborgen, wenn der Betreffende auch nur ein ganz klein wenig von der Vorschrift
abgewichen ist.“
Auch das intensive und spezialisierte Training gab Anlass zur Kritik. So stellte Sokrates fest, dass
Wettläufer starke Schenkel, aber zu schmale Schultern, Faustkämpfer dagegen starke Schultern und
xv
Leitprogramm Doping
Vorwort
zu dünne Beine bekämen. Damit beklagte er wohl nicht in erster Linie den Verlust ästhetischer
Schönheit, sondern vielmehr eine Deformation der natürlichen Körperkraft. So erstaunt es auch nicht,
dass die Worte Sokrates‘ in Platons Gorgias wie eine Vorwegnahme der Vorwürfe gegen heutige
Trainer und Sportärzte klingen mögen:
„Es geht ihnen nicht um Sport. Sie sind Menschen, die für die Befriedigung von Begierden sorgen, aber nichts wirklich
davon verstehen. Sie füllen die Athleten nur an und machen sie massig und dafür werden sie von ihnen auch noch
gelobt. Am Ende werden sie ihre Körper völlig verdorben haben. Die Sportler aber werden nicht die, die sie abgeflittert
haben, als die Verantwortlichen für ihre Krankheiten und ihre körperliche Schwächung beschuldigen, sondern die, die
gerade anwesend sind und ihnen helfen wollen, wenn die damalige Mästung nach geraumer Zeit zu Krankheiten
führt, da sie ohne Rücksicht auf die Gesundheit geschah. Sie werden also diese beschuldigen, tadeln und vielleicht
sogar tätlich gegen sie werden. Die wahren Urheber ihrer Leiden aber werden sie preisen.“
Internationale Sportveranstaltungen wurden nicht nur in Olympia, sondern auch in Delphi, Korinth und
Nemea abgehalten; daneben fanden zahlreiche lokale Feste statt, zu denen – ähnlich wie heute internationale Spitzenathleten gegen ein Startgeld verpflichtet wurden. Dies führte zu einer enormen
5
Belastung der Athleten, da sie sich dauernd in Hochform befinden mussten. Der Arzt Galenos aus
Pergamon beobachtete im 2. nachchristlichen Jahrhundert, dass die Gesundheit vieler Athleten gerade wegen ihrer andauernden Belastung sehr labil war:
„Die Athleten führen ein Leben wie die Schweine. Ihr ganzes Tun besteht aus Essen, Trinken, Schlafen, Verdauen,
sich im Dreck wälzen. Nur die Fleischmasse wird unmässig entwickelt, alle anderen Fähigkeiten gehen zugrunde.
Trotz seiner widernatürlichen Kräfte ist ihr Körper unfähig, die Arbeiten eines normalen Menschen zu erfüllen. Er
leistet auch Krankheiten nur noch geringen Widerstand.“
Im alten Olympia gab es zudem eine eigene Wettkampfklasse für Kinder. Ehrgeizige Trainer oder
Väter liessen Knaben antreten, von denen manche offenbar erst 12 Jahre alt waren. Dazu Aristoteles:
„Bis zur Pubertät sollten nur einfache Übungen erlaubt sein, strikte Diät und strenges Training aber verhütet werden,
damit die Entwicklung der Knaben nicht behindert wird. Denn es gibt nicht geringen Anlass zu der Annahme, dass zu
hartes Training der Grund dafür ist, dass wir in den Listen der Olympiasieger nur zwei oder drei Athleten finden, die
als Knabe gesiegt haben und dann auch als Erwachsene noch erfolgreiche Sportler waren. Wenn Knaben in jungen
Jahren für Wettkämpfe trainieren, verlieren sie dabei ihre Kraft“
Die Abkehr von der heiligen Idee der Olympischen Spiele der Antike – Gesundheit, Stärkung, Kraft für
die alltäglichen Bedürfnisse des Lebens als Bauer, Hirte und Jäger – führten den römischen Philosophen Seneca schliesslich zu der traurigen Bilanz.
Das Training allein ist schon eine Marter. Das Ende der antiken Spiele war ein Segen für die Gesundheit der Sportler
Ein wesentlicher Unterschied der antiken Praxis zu der unserer Tage besteht freilich darin, dass es
damals keinen Katalog von erlaubten und nicht erlaubten Mitteln und Methoden gab, mit deren Hilfe
ein Athlet seinem Körper Höchstleistungen abzutrotzen versuchte. Erlaubt war alles. Der Erfolg war
das was zählte. Die Kritik der Philosophen und Ärzte verhallte wirkungslos, obwohl Hippokrates wie
auch Galenos genügend Hinweise auf Folgeschäden aufzuzeigen versuchten.
Ausführliche Überlieferungen, die einer Überprüfung bezüglich der verwendeten Stimulantien standhalten, stammen aus dem süd- und mittelamerikanischen Raum. Zur Leistungssteigerung und bei
langen Märschen wurden verschiedene Stimulantien, vom harmlosen Mate-Tee angefangen über
5
Claudius Galenos, neben Hyppocrates der berühmteste Arzt des Altertums, *131 n. Chr. in Bergamos
(Kleinasien),
ú zu Beginn des 3. Jahrhunderts (wo ist nicht bekannt).
xvi
Leitprogramm Doping
Vorwort
Kaffee bis hin zum Kokain, verwendet. Spanische Chronisten berichten über erstaunliche Laufleistungen der Inka, die - Kokablätter kauend - angeblich in 5 Tagen die 1750 km lange Strecke von der
lnkahauptstadt Cuzco nach Quito in Equador bewältigt haben sollen. Das entspricht einem Stundenmittel von ca. 15 km/h über eine Zeitdauer von 5 Tagen! Diese Strapazen durchzuhalten ist physiologisch damals wie heute wohl unmöglich. Die Energieproduktion, auch diejenige eines gut trainierten
Körpers, reicht für diese Laufleistung nicht aus. In Westafrika waren Kolanüsse schon seit urdenklichen Zeiten bei Märschen und Läufen im Gebrauch gewesen. Laufleistungen von 650 km in 3 Tagen
und 3 Nächten (also ein Durchschnitt von etwa 9 km/h) sollen keine Seltenheit gewesen sein...
Die koffeinhaltigen Drogen, einschliesslich des Kaffees, erreichten Europa Ende des 16. Jahrhunderts. Belegte Beispiele von Doping im Sport finden sich jedoch erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Bei 6-Tage-Rennen, etwa ab 1880, fanden schon alle möglichen Wundermittel Verwendung. Französische Fahrer bevorzugten zur Stimulation Mischungen auf Koffeinbasis, Belgier etherhaltige Zuckerstückchen. Andere Rennfahrer verwendeten alkoholhaltige Getränke, während sich die Sprinter
auf die Einnahme von Nitroglycerin spezialisierten. Indem sie Dopingmittel aus Heroin und Kokain
herstellten, versuchten sich die Trainer schon damals als ausgesprochene Giftmischer – mit tragischen Folgen: Im Jahre 1886 fiel während der Ausdauerprüfung Bordeaux – Paris der Radrennfahrer
Linton tot vom Rad. Der Engländer (bzw. sein „Manager“, ein Besitzer einer grossen Fahrradfirma)
hatte mit Aufputschmitteln die persönliche Leistungsgrenze so weit hinausgeschoben, dass sein Organismus der Belastung nicht mehr standhielt. Dieser erste Doping-Todesfall wurde gemäss damaligen Presseberichten durch eine Überdosis der Substanz „Trimethyl“ ausgelöst. Eine Chemikerin stellt
sich hier natürlich die Frage, was „Trimethyl“ sein soll, denn eine chemische Verbindung mit diesem
Namen existiert nicht!
Etwas später wurden Versuche zur Leistungssteigerung bei belgischen und englischen Fussballmannschaften mit Sauerstoff gemacht, wobei die ersten Berichte auf das Jahr 1908 zurückgehen. Im
Boxsport traten in dieser Zeit ebenfalls schon Dopingfälle mit Strychnin und Kokain, gelöst in
Schnaps, sowie zum ersten Mal das Problem des Doping „to loose“ auf, wobei dem Gegner leistungshemmende Mittel verabreicht wurden. So behauptete 1910 James Jeffrie nach einem k.o. durch Jack
Jonssons, dass ihm Drogen in seinen Tee gegeben wurden. Mittlerweile ist diese Art von Doping,
auch als „Paradoping“ oder „negatives Doping“ bezeichnet, zu einer beliebten Ausrede für überraschende Niederlagen geworden. Im Humansport figurieren solche Praktiken jedoch nicht unter Doping, sondern stellen ein kriminelles Delikt, nämlich Körperverletzung, dar. Das Paradoping findet man
heute vorwiegend im Pferdesport, um Rennergebnisse zu manipulieren und damit Wettquoten zu beeinflussen. Die Gegner durch Verabreichung von Beruhigungsmittel (Sedativa) einzuschläfern, um
leichtere Siege davonzutragen, ist jedoch keine Erfindung der Neuzeit. Es wird berichtet, dass der
karthagische Feldherr Maharabal bei einer Strafexpedition gegen ein „trunksüchtiges“ Afrikanervolk
die Alraunwurzel als Kriegswaffe verwendete. Dieser grosse Stratege führte einen Scheinrückzug aus
und liess ein wohl sortiertes Weinlager, mit Alraunauszügen vermischt, in die Hände der Feinde fallen.
Diese betranken sich und wurden vom Alkohol und von den Alkaloiden derartig schläfrig und unzu-
xvii
Leitprogramm Doping
Vorwort
rechnungsfähig, dass sie im Gegenangriff leicht besiegt wurden. Alraun enthält u.a. die wirksamen
Alkaloide Atropin, L-Hyoscyamin und L-Scopolamin.
Das Pferdedoping, wie auch das Doping von Hunden, hat durch seine Verbreitung und konsequente
Anwendung wahrscheinlich entscheidende Schrittmacherdienste für das heute im Humansport beobachtete Doping geleistet.
Aufgabe Einleitung 1
Schlagen Sie in einem Lexikon; bzw. ihrem Biologiebuch
(oder Internet) zum besseren Verständnis des Textes folgende Begriffe nach: Alraunwurzel, Alkaloide
'RSLQJNRQWUROOHQ
1910 wurde in Österreich erstmals Doping bei Pferden „wissenschaftlich“ nachgewiesen. Der russische Chemiker Bukowski entdeckte damals nach einer „geheimgehaltenen Methode“ im Pferdespeichel verschiedene Alkaloide. Die heutigen Sportler müssen allerlei Kontrollen über sich ergehen lassen, die unter anderem auch teuer sind. Die Dopingkontrollen bei den Olympischen Spielen in Atlanta
sollen mehr als zwei Millionen Dollar gekostet haben. Sie basieren heute fast ausnahmslos auf der
Methode GC/MS (Gaschromatographie mit anschliessender Massenspektrometrie).
Doping im 20. Jahrhundert
Als Pierre de Coubertin im Jahre 1896 die Olympischen Spiele in Athen neu ins Leben rief, ahnte er
zumindest, dass er damit nicht nur eine
„Schule für edle Gesinnung und moralische Reinheit“ geschaffen hatte: „Der gesunde Menschenverstand genügt, um
zu wissen, dass die antiken Spiele auch ihre ärgerlichen Zwischenfälle, ihre dunklen Perioden hatten.“
Das Interesse der Humanmedizin an leistungssteigernden Medikamenten, Wirkstoffen und Drogen
war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gering. Erste umfangreiche Untersuchungen über leistungssteigernde Wirkungen, in diesem Falle von Phosphorverbindungen, machte 1919 der Biochemiker
Emden. Die typischen Dopingmittel waren Amphetamin und Methamphetamin. Das Amphetamin (oder
Benzedrin) durchlief erst 1934 die klinische Prüfung und zwar als Mittel zum Abschwellen entzündeter
Schleimhäute (Schnupfentherapie). Die stimulierende Wirkung wurde jedoch schnell erkannt und genutzt. Methamphetamin (oder Pervitin) kam in Deutschland in den Kriegsjahren 1939 bis 1945 bei
Nachtjägern und bei extremen Belastungen zum Einsatz. Die Verwendung der sogenannten Weckamine Amphetamin auf alliierter Seite und Methamphetamin auf der deutschen Seite machten diese
Medikamente, sowie ihre euphorisierende und stimulierende Wirkung in breiten Bevölkerungsschichten bekannt. Als Folge davon häuften sich nach dem 2. Weltkrieg etwa ab 1950 die Dopingfälle dramatisch - vor allem im Radrennsport. Die Einnahme stimulierender Mittel, zum Teil in Verbindung mit
stark wirkenden Narkotika, war im Berufsradsport so verbreitet, dass in den Jahren 1960 bis 1967 bei
wichtigen Radrennen kein Berufsradrennfahrer ungedopt an den Start ging. Vielfach wurde schon im
Training geschluckt, um sich an die „Renndosen“ zu gewöhnen.
xviii
Leitprogramm Doping
Vorwort
Aber auch andere Sportarten „machten von sich reden“: 1961 wurden bei 27% der kontrollierten Profifussballer in Italien Amphetaminpräparate gefunden. Auf Befragen gaben 97% an, schon Stimulantien
im Training und im Wettkampf benutzt zu haben. Der entscheidende Anstoss für die energische Bekämpfung des Dopings waren die Todesfälle des britischen Radrennfahrers Tom Simpson und des
deutschen Boxers Jupp Elze. Durch den tragischen Tod des ehemaligen Rad-Weltmeisters Tom
Simpson im Jahre 1967, welcher auf einer Bergetappe über den Mont Ventoux bei der Tour de France
- miterlebt von Hunderten von Journalisten und Millionen von Fernsehzuschauern - tot zusammenbrach (die Obduktion ergab eine Mischung von Amphetaminen und Alkohol), veranlasste den Internationalen Radsportverband (UCI) dazu, erste Anti-Doping-Richtlinien aufzustellen. Diese Richtlinien,
verbunden mit einer geeigneten, empfindlichen und spezifischen Analytik, gestatteten es, in den nachfolgenden Jahren den Missbrauch von Stimulantien und Narkotika praktisch vollständig zu unterbinden. Bei den Dopingkontrollen anlässlich der Spiele der XX. Olympiade, 1972, München, waren nur 7
positive Fälle bei 2079 untersuchten Proben zu verzeichnen. In den darauffolgenden Spielen in Montreal überführte man bei rund 1800 Kontrollen gerade einmal 3 Athleten (Stimulantien) und 1980 in
Moskau wurden sogar keine positiven Dopingbefunde publik.
Die Dopingskandale, die jedoch in diesen Tagen wieder das Sportgeschehen dominieren, sind indes
nicht nur „ärgerliche Zwischenfälle“ im Sinne Coubertins. Letztlich ist der internationale Wettkampfsport in all seinen Auswüchsen – trotz Kontrollen - zu dem zurückgekehrt, was auch im alten
Olympia als gut und heilig galt. Das „altius – forti“ (Weiter - schneller – höher), der Gedanke des Leistungssports hat eine achtenswerte Idee schon damals korrumpiert.
'23,1*&+5212/2*,(,063,(*(/'(65$'632576
1886
während der Ausdauerprüfung Bordeaux – Paris brach der englische Radfahrer Linton tot
zusammen.
1924
In den Trikottaschen von Henri und Francis Pélissier fand man Chloroform, Kokain und „Dynamit“-Pille. Der französische Journalist Albert Londres schrieb darauf den berühmten Artikel
„Les Forçats de la route“ (die Zwangsarbeiter der Strasse).
1927
Der Jahreskongress des deutschen Ärztebundes tagte und hielt folgendes fest:
„Da bei den Profisportlern der Schwerpunkt nicht im sportlichen, sondern im sozial-beruflichen Erfolg liegt,
lässt sich Doping in deren Fall durchaus verteidigen, nur im Amateurbereich ist eine künstliche Leistungssteigerung in jedem Fall zu verbieten.“
1959
Nachdem man bei Charly Gaul (Luxemburg) Pillen beschlagnahmt hatte, wurden erste Rufe
nach Kontrollen bei der Tour de France laut.
1960
Der Italiener Gastone Nenzini gestand, sich männliche Hormone gespritzt zu haben.
1966
Die ersten Dopingkontrollen wurden durchgeführt
1967
An der Tour de France starb der dreissigjährige Brite Tom Simpson am 13. Juli beim Aufstieg
zum Mont Ventoux (Provence). Im Trikot des Briten fand man u.a. Amphetamine.
xix
Leitprogramm Doping
1967
Vorwort
das 1. Geständnis. Jacques Anquetil (Frankreich): "Ich ziehe eine Spritze Koffein 3 Tassen
Kaffee vor."
1969
Superstar Eddy Merckx geriet unter Verdacht. Aber erst 1988 gab der Belgier zu: "Auf Amphetamine folgten Cortison, Anabolika, dann Verschleierungsmittel."
1978
gab Michel Pollentier (Belgien) Fremdurin ab.
1980
wurde Dietrich „Didi“ Thurau dreimal positiv getestet. Tour-Aus!
1987
"Didi" wurde erneut erwischt und ausgeschlossen. Diesmal wegen Anabolika.
1988
Pedro Delgado (Spanien) gewann „gedopt“ die Tour de France, weil die Mittel "nur" auf der
IOC-, nicht aber auf der UCI-Liste standen.
1990
Francesco Moser: "Ich habe mit Doping experimentiert." John van der Velde gab darauffolgend zu: "Es ist jeden Tag dasselbe: Eine Injektion am Morgen, abends Pillen."
1991
wurde das Profi-Team PDM vergiftet. Unsachgemässe Lagerung von Dopingmitteln.
1997
wurde der Usbeke Dschamolidin Abduschaparow wegen Einnahme von Clenbuterol und Bromantan von der Tour ausgeschlossen. Claudio Chiappucci fiel durch den Bluttest.
1998
der Tour-Skandal. Das Festina-Team mit den Favoriten Richard Virenque (FR), Alex Zülle
(SUI) u.a. wurde verhaftet. Immer wieder stoppte die französische Polizei das Fahrerfeld. Andere Sportgruppen wurden z.T. ausgeschlossen oder zogen sich z.T. „freiwillig“ zurück.
1999
Marco Pantani (Sieger Giro `98 und TdF `98) verweigerte beim Giro 2 Bluttests durch Italiens
NOK. Als Etappensieger musste er antreten und wurde prompt wegen unzulässig hoher Werte
ausgeschlossen.
2000
an der Tour de France wurden die Urinproben der Fahrer eingefroren, um nachträglich einen
EPO-Nachweis (Urintest) durchführen zu können (ohne Folgen).
2000
An der Sommerolympiade 2000 in Sidney (Aus) wurden erstmals EPO-Urintests direkt durchgeführt.
2000
Der italienische Radprofi Marco Pantani (Sieger Giro `98 und TdF `98) wird wegen Dopingvergehens aufgrund eines bestehenden Gesetzes in Italien zu drei Jahren Gefängnis bedingt
verurteilt.
2000
Gerichtliche Aufarbeitung der Tour de France `98 (Betreuer, Trainer und Ärzte verurteilt)
xx
MODUL I
Hormone im Sport
ANABOLIKA UND PEPTIDHORMONE
Inhalt
Ein erster Exkurs: Hormone – Botenstoffe
unseres Körpers
14
Ein zweiter Exkurs: Biotransformation: aus
hydrophob wird hydrophil
18
1
Steroidhormone: „natürliche Anabolika“
24
2
Peptidhormone: wirksam und schwer nachweisbar
42
3
Nachweis von hCG im Urin: Schwangerschaftstest
57
„Der Blick leer, die Augen starr...“
Tom Simpson, englischer Radrennfahrer, beim Aufstieg zum Mont Ventoux an
der Tour de France 1967. Kurz nachdem diese Aufnahme gemacht wurde,
brach der damalige Tour-Favorit tot zusammen. In seinen Taschen fand man
u.a. Amphetamine und Schmerzmittel.
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper
Allgemeines
Thema
Das Thema dieses Moduls sind Hormone im Sport oder genauer Steroid- und Peptidhormone.
Sie erfahren in den entsprechenden Kapiteln, warum man zur Leistungssteigerung überhaupt
Hormone verwendet und welche (Neben-)Wirkungen sie in unserem Körper hervorrufen
können. Dazu braucht es ein vertieftes Wissen über gewisse biochemische Abläufe, die Sie
sich zuerst aneignen müssen.
Lektionsablauf
Lesen Sie zuerst die Lernziele und dann den Theorieteil genau durch. Danach führen Sie mit
einer Kollegin oder einem Kollegen die vorgeschriebenen Experimente sorgfältig aus. Wenn
Sie nicht sicher sind, fragen Sie Ihre Lehrkraft nach den zu treffenden Vorsichtsmassnahmen.
Nach jedem Abschnitt hat es kleinere Aufgaben. Sie sollen von Ihnen alleine gelöst werden.
Die Lösung zu allen Aufgaben finden Sie im Anhang A. Bearbeiten Sie dieses Kapitel so
lange, bis Sie sich sicher fühlen.
13
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper
EIN ERSTER EXKURS: HORMONE – BOTENSTOFFE
UNSERES KÖRPERS
Inhalt
EIN ERSTER EXKURS: HORMONE – BOTENSTOFFE UNSERES KÖRPERS
14
LERNKONTROLLE EXKURS 1
17
Lernziele
1.
Sie wissen was man unter Hormonen versteht und kennen deren Einteilung
2.
Sie kennen die oberste Instanz der Hormonsteuerung und wissen wo diese lokalisiert ist
14
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper
Bei einzelligen Organismen (z.B. Bakterien) antwortet die ganze Zelle auf einen Reiz aus der
Umgebung. Signale innerhalb dieser Zelle können wegen der Kürze des Wegs durch Diffusion
chemischer Stoffe weitergegeben werden. Die Entwicklung vielzelliger, arbeitsteilig organisierter
Lebewesen aus dem Zusammenschluss von Einzellern ist in der Evolution ein ungeheurer Fortschritt
gewesen. Eine seiner wesentlichen Voraussetzungen ist die Fähigkeit der Signalübermittlung von
Zelle zu Zelle bzw. von Organ zu Organ. Die Signale werden in Form chemischer Verbindungen, der
Hormone, als Vermittler übertragen. Grundsätzlich sind Hormone extrazelluläre Signalmoleküle. Da
alle Hormone mehr oder weniger zur selben Zeit im Blut zirkulieren, muss sichergestellt sein, dass
sich Zielzelle und Hormon gegenseitig erkennen und so die gewünschte intrazelluläre Antwort
ausgelöst wird. Die Zielzellen besitzen dazu spezifische Bindungsstellen, sogenannte zelluläre
Rezeptorproteine, mit denen das jeweilige Hormon in Wechselwirkung tritt. Die Affinitäten dieser
-8
Rezeptoren für das Hormon müssen äusserst hoch sein, da die Hormonkonzentrationen nur 10 bis
-12
10
-1
mol⋅L
betragen. Meist löst der durch die Reaktion von Hormon mit Rezeptor entstandene
Hormon-Rezeptorkomplex die Bildung eines intrazellulären Signalmoleküls aus. Der Mechanismus,
mit dem dies geschieht, wird als Signaltransduktion bezeichnet.
Die Einteilung der grossen Zahl der Hormone kann natürlich nach den verschiedensten
Gesichtspunkten erfolgen. Möglich wäre z.B. eine Einteilung nach funktionellen Aspekten:
Gruppe I&II:
Gruppe III:
Gruppe IV:
Gruppe V:
Gruppe VI:
Hormone, die Wachstum und Differenzierung beeinflussen.
Hormone, die für die schnelle Umstellung des Stoffwechsels verantwortlich sind.
Hormone, welche die Funktion des Magen-Darm-Kanals regulieren.
Hormone, die in den Stoffwechsel von Phosphat und Calcium eingreifen.
Hormone für die Regulation des Stoffwechsels von Wasser und Elektrolyten.
Eine andere Klassifizierung der Hormone nach ihrer chemischen Struktur ergibt eine Unterteilung in
1. Steroidhormone,
2. von Aminosäuren oder Fettsäuren abgeleitete Hormone,
3. Peptid- oder Proteohormone (proteo Å von Protein).
Beziehungen zwischen chemischer Struktur und Stoffwechselwirkung lassen sich bei dieser Einteilung
nicht herstellen.
Hierarchie der Hormone: Im Gegensatz zum Nervensystem sind Hormone auf eine langsame,
kontinuierliche Signalübermittlung spezialisiert. Sie benützen deshalb das Kreislaufsystem zur
Überwindung grösserer Distanzen innerhalb des Körpers. Sie stammen aus hormonproduzierenden
Zellen und haben entweder eine untergeordnete Hormondrüse oder andere Zellen als Erfolgs- oder
Zielorgan. In enger Zusammenarbeit mit den vegetativen Zentren im Gehirn und dem autonomen
Nervensystem steuern die Hormone Wachstum, die körperliche und psychische Entwicklung und
Reifung,
die
Fortpflanzungsmechanismen,
die
Leistungsanpassung,
sowie
den
gesamten
Stoffwechsel. In den meisten Fällen geht einer Hormonausschüttung ein nervaler Reiz im
Zentralnervensystem (ZNS) voraus. Nervale und hormonelle Schaltstelle und damit zentrale Kontrolle
der Hormonausschüttung ist in erster Linie der Hypothalamus. Er wandelt nervale Reize in eine
Hormonabgabe aus der Hypophyse, einer Hormondrüse (Hirnanhangdrüse), um, wo spezielle Zellen
auf einen Reiz hin Hormone produzieren und ins Blut abgegeben. Die Hypophyse befindet sich im
Zwischenhirn unterhalb des Hypothalamus (unterer Teil des Zwischenhirns) und ist somit in enger
15
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper
Verbindung zum Zwischenhirn. So wird eine enge Beziehung zwischen Nervensystem und
Hormonsystem gewährleistet. Die Hypophysenhormone können sowohl direkt in den Stoffwechsel
eingreifen, als auch die Tätigkeit anderer Hormondrüsen steuern.
Unter Hormonen versteht man physiologische Wirkstoffe,
welche in endokrinen Organen (definierte Strukturen des
Organismus) produziert werden und über die Blutbahn ihre
Erfolgsorgane
erreichen
und
bereits
in
sehr
geringen
Konzentrationen deren Stoffwechsel in charakteristischer
Weise beeinflussen.
16
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper
LERNKONTROLLE EXKURS 1
Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob Sie
den Stoff dieses Kapitels verstanden haben.
Aufgabe E1.1
Definieren Sie „Hormone“ in eigenen Worten. Welches ist Ihre allgemeine primäre Aufgabe in
der Zelle?
Aufgabe E1.2
Schlagen Sie in Ihrem Biologie- oder Chemiebuch, bzw. andern Büchern Ihrer Bibliothek
folgende Begriffe nach und erklären; bzw. definieren Sie sie in Ihren eigenen Worten:
-
Fettsäure
Aminosäure
Peptid
Protein
Stoffwechsel
Aufgabe E1.3
Suchen Sie in Ihrem Biologiebuch oder einem Hirnmodell die Hypophyse und den
Hypothalamus. Machen Sie sich eine kleine Skizze. Vielleicht kann Ihnen auch Ihre
Biologielehrkraft behilflich sein.
Aufgabe E1.4
Unter Normalbedingungen schüttet das Nebennierenmark des Menschen genügend Adrenalin
aus, damit seine Konzentration im Blut bei 10-10 mol·L-1 bleibt. Um abzuschätzen, was diese
Konzentration bedeutet, tun Sie folgendes: Berechnen Sie den Durchmesser, den ein rundes
Schwimmbecken mit einer Wassertiefe von 2 m haben muss, um darin 1 g (etwa einen
Teelöffel) Adrenalin in der gleichen Konzentration zu lösen (die molare Masse von Adrenalin
beträgt 183.16 g·mol-1).
17
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 2 Biotransformation
EIN ZWEITER EXKURS: BIOTRANSFORMATION AUS HYDROPHOB WIRD HYDROPHIL
Inhalt
EIN ZWEITER EXKURS:
BIOTRANSFORMATION -
AUS HYDROPHOB WIRD HYDROPHIL
18
i)
Biotransformation: aus hydrophob wird hydrophil
19
ii)
Phase 1: Oxidative und reduktive Prozesse
20
iii)
Phase 2: Konjugation mit polaren Substanzen
21
LERNKONTROLLE EXKURS 2
23
Lernziele
1.
Sie verstehen den Begriff der Biotransformation und können ihn in eigenen Worten erklären
2.
Sie kennen die verschiedenen chemische Reaktionen, welche in der Biotransformation vorkommen
18
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 2 Biotransformation
i) Biotransformation: aus hydrophob wird hydrophil
Hydrophobe Substanzen, wie z.B. Steroidhormone (siehe Kapitel 1), lagern sich sehr leicht in
Membranen ein. Während des Ausscheidungsprozesses, nach dem Nierendurchgang (glomeruläre
Filtration, vergleiche auch Modul 2, Exkurs 1), können solche Stoffe deshalb weitgehend
rückresorbiert werden. Die Folge davon ist eine sehr langsame Ausscheidung über den Urin. Um
der Gefahr einer Anreicherung im Fettgewebe entgegentreten zu können, besitzt der Organismus
ein Enzymsystem, welches hydrophobe Endobiotica und Xenobiotica (körpereigene und
körperfremde Substanzen) in wasserlösliche Stoffe umwandelt, die leicht ausgeschieden werden
können (Urin, Gallenflüssigkeiten). Zu den ersteren gehören die Steroidhormone, zu den
Xenobiotica zählen Pharmaka (z.B. Anabolika) aber auch Konservierungsstoffe, Geschmacksmittel
und eine Vielzahl organischer Verbindungen, die z.T. als „Abfallprodukte“ in die Umwelt gelangen.
Die Umwandlungsprozesse werden allgemein als Biotransformation zusammengefasst. Die
Biotransformation spielt sich vor allem in der Leber ab und lässt sich in zwei Phasen unterteilen
(Abb. E2.1).
hydrophobe,
apolare
Verbindungen
(Arzneistoff)
Phase 1-Metabolit
Anknüpfung von
-OH, -NH2, -COOH
BLUT
GALLE
Phase 2-Metabolit
Konjugation mit
Glucuronsäure
Sulfat
Aminosäuren u.a.
hydrophile, polare
Metabolite
hydrophile, polare
Metabolite
Ausscheidung durch
Niere
Ausscheidung durch
Intestinaltrakt
Abbildung E2.1. Prinzip der zweistufigen Metabolisierung hydrophober, apolarer Verbindungen in der Leber
(Biotransformation).
-
In der ersten Phase modifizieren Enzyme die auszuscheidenden Verbindungen in meist
oxidativen, seltener reduktiven oder hydrolytischen Reaktionen mit reaktiven Gruppen wie
z.B. -OH, -COOH, -NH2.
19
MODUL I: Hormone im Sport
-
Exkurs 2 Biotransformation
An diese werden dann in der zweiten Phase der Biotransformation stark polare oder stark
geladene Gruppen angehängt (konjugiert). Die dabei entstehenden Konjugate sind besonders
gut wasserlöslich und können ausgeschieden werden.
Die so modifizierten Stoffe gelangen hauptsächlich in die Gallenflüssigkeit, wo sie ausgeschieden
werden. Eine Alternative ist die Abgabe ins Blut und die nachfolgende Ausscheidung über die
Nieren.
Unter Biotransformation versteht man die Bereitstellung und
den Abbau (Metabolisierung) eines Stoffes (Xeno- oder
Endobioticum)
durch
enzymatische
Umwandlung
von
hydrophob zu hydrophil.
Aufgabe E2.1
Warum
ist
eine
funktionsfähige
Biotransformation
für
unseren Körper lebensnotwendig?
ii) Phase 1: Oxidative und reduktive Prozesse
Der Ablauf der oxidativen Biotransformation ist äusserst komplex und deshalb hier nur vereinfacht
3+
dargestellt. Im Prinzip erfolgt in dieser Phase eine Reduktion bzw. Oxidation des Fe -Zentralions
+
des Häms unter NADPH/H - und Luftsauerstoffverbrauch. Ein Sauerstoffatom wird dabei in das
Substratmolekül eingebaut, das andere zu Wasser reduziert. Zusammenfassend lässt sich
folgende Reaktion formulieren:
+
P- H + O 2 + N AD P H + H Å P- O H + H 2 O + N AD P
+
wobei P-H das (reduzierte) Substrat, und P-OH das oxidierte Substrat darstellen. Daneben werden
in den Phase 1-Reaktionen reaktive Gruppen wie –NH2, –SH bzw. –COOH gebildet.
Aufgabe E2.2
Beantworten
Sie
mit
Hilfe
eines
Lehrbuchs
folgende
Kurzfragen:
a) Welche Reaktion katalysieren Monooxigenasen?
b) Was sind Isoenzyme?
c) Schlagen Sie die Lewisformel von NADPH nach und
notieren Sie sie sich. Was ist seine Hauptfunktion in der
Zelle?
20
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 2 Biotransformation
iii) Phase 2: Konjugation mit polaren Substanzen
Die Phase 2 wird auch die Konjugationsphase genannt. In ihr werden die in Phase 1 der
Biotransformation entstandenen Metabolite über ihre reaktiven Gruppen an polare Substanzen
gekoppelt („konjugiert“), wodurch sie sich in ausreichend hydrophile Verbindungen umwandeln. Die
wichtigsten dieser Phase 2-Reaktionen sind die folgenden:
a) Konjugation mit aktivierter Glucuronsäure: Durch Reaktion mit Glucuronsäure entstehen die
sogenannten Glucuronide. Die Kopplung mit der aktivierten Glucuronsäure kann über
OH-Gruppen primärer, sekundärer und tertiärer Alkohole, primärer und sekundärer Amine sowie
Carboxylgruppen erfolgen (Abb. E2.2).
b) Konjugation mit Glycin: Bei der Kopplung von Carboxylgruppen an die Aminosäure Glycin
entstehen Säureamide:
R
R
+
C
O
COOH
O
H
OH
C
C
NH2
N
H
H
3KDVH,3URGXNW
*O\FLQ
H
H +
C
H2O
COOH
.RQMXJDWPLW*O\FLQ
c) Sulfatisierung: Sulfatisiert werden OH-Gruppen und Aminogruppen. Als Beispiele seien die
Östrogene erwähnt, welche als Sulfate ausgeschieden werden:
R
+
C
2-
O
O
O
OH
S
C
O
O
R
O
3KDVH,3URGXNW
O
O
6XOIDW
S
O + OH
O
VXOIDWLVLHUWHV.RQMXJDW
Zusammengefasst:
-
-
COO
COO
8'3
O
HO
OH
O
OH
UDP
O
HO
+25
oder
oder
+15
OH
2 5 oder
1+ 5
2
2 & 5
OH
²22&5
Abbildung E2.2. Phase 2-Reaktionen: Biosynthese von Glucuroniden aus “aktivierter” Glucuronsäure (UDPGlucuronat). Den gezeigten Reaktionsweg nennt man auch die Konjugation der Phase 1Metabolite mit Glucuronsäure.
21
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 2 Biotransformation
Aufgabe E2.3
Repetieren Sie mit Hilfe Ihres Chemiebuchs die Einteilung
von Alkoholen. Was versteht man unter einem tertiären
Amin (allgemeine Lewisformel)?
22
MODUL I: Hormone im Sport
Exkurs 2 Biotransformation
LERNKONTROLLE EXKURS 2
Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob
Sie den Stoff dieses Kapitels verstanden haben.
Aufgabe E2.4
Was sind Xenobiotica und wie gelangen sie in unseren Körper?
Aufgabe E2.5
Durch welche chemische Reaktion entsteht aus Glucose Glucuronsäure?
Aufgabe E2.6
Aspirin (Acetylsalicylsäure, I) wird im Körper schnell zu Salicylsäure (2-Hydroxybenzolcarbonsäure,
II)
umgewandelt,
den eigentlichen Wirkstoff
von Aspirin.
Die
Salicylsäure wird danach in einer Phase 2-Reaktion mit Glycin konjugiert und es entsteht
die Salicylursäure (III), das Hauptausscheidungsprodukt von Aspirin. Zeichnen Sie die
Lewisformeln aller beteiligter Stoffe I bis III.
23
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
1 STEROIDHORMONE: „NATÜRLICHE ANABOLIKA“
Inhalt
1
STEROIDHORMONE: „NATÜRLICHE ANABOLIKA“
24
1.1
Steroide: Das Grundgerüst der Steroidhormone
25
1.2
Die sechs verschiedenen Familien von Steroidhormonen
25
1.2.1
Cholesterin: Die Vorstufe der sechs Steroidhormone
25
1.2.2
Wirkungsweise der Steroidhormone
26
1.2.3
Übersicht über die Sexualhormone
28
1.2.4
Androgene
30
1.2.5
Östrogene
32
1.2.6
Gestagene (Schwangerschaftshormone)
34
1.3
Künstliche Steroidhormone: Anabolika zum Muskelaufbau
35
1.3.1
Medizinische Anwendungen
37
1.3.2
Nebenwirkungen von Anabolika
37
1.3.3
Anabole Wirkstoffe im Sport
38
LERNKONTROLLE KAPITEL 1
41
Lernziele
1.
Sie sind mit dem chemischen Aufbau von Steroiden vertraut und wissen, wo sie vorkommen
2.
Sie kennen die Lewisformel von Cholesterin
3.
Sie kennen die Stellung der Steroidhormone
4.
Sie kennen die Sexualhormone der Frau und des Mannes
5.
Sie wissen, was man unter Anabolika versteht und kennen deren Wirkung im Körper
24
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
1.1 Steroide: Das Grundgerüst der Steroidhormone
Steroide gehören in die grosse Klasse der Lipide. Die Steroide nehmen neben der strukturgebenden
Aufgabe auch Sonderfunktionen wahr. Chemisch gesehen sind Steroide Derivate der C5-Einheit
Isopren (Abbildung 1.1, I) bzw. leiten sich vom Squalen ab, welches aus 6 Isopreneinheiten aufgebaut
ist. Das typische Steroidgerüst (Abb. 1.1, II)
heisst mit systematischem Namen Perhydro-
cyclopentanophenantren. Die im tierischen Organismus wichtigen Steroide tragen je eine
Methylgruppe am C-Atom 10 bzw. 13 des Perhydrocyclopentanophenantrens. Mit wenigen
Ausnahmen fehlen Steroide bei Bakterien.
Das in tierischen Organismen wichtigste Steroid ist das Cholesterin (Abb. 1.1, III), auf welches wir im
nächsten Kapitel (1.2.1) näher eingehen werden. Andere wichtige Steroide sind die Gallensäuren und
die D-Vitamine (D-Hormone).
18
12
19 11
1
2
A
3
10
B
II
8
D
14
16
15
7
5
4
I
C
9
17
13
6
HO
III
IV
Abbildung 1.1. (I) Isopren als Grundeinheit der Lipide vom Typ Isoprenoide (Isoprenderivate); (II) Squalen (die
einzelnen Isopreneinheiten sind durch gestrichelte Linien voneinander abgesetzt), direkte
Vorstufe des Steroidgerüstes (III, Sterangerüst). Bei den in tierischen Zellen vorkommenden
Steroiden sind die C-Atome 10 und 13 mit je einer Methylgruppe substituiert, deren C-Atome die
Nummern 18 bzw. 19 tragen; (IV) Struktur des Cholesterins. Die Hydroxylgruppe repräsentiert
die polare Kopfgruppe. Zur Speicherung und zum Transport des Steroids wird durch
Kondensation dieser Hydroxylgruppe mit einer Fettsäure ein Steroidester gebildet.
1.2 Die sechs verschiedenen Familien von Steroidhormonen
1.2.1 Cholesterin1: Die Vorstufe der sechs Steroidhormone
Cholesterin (Abb. 1.1, III) kommt in grosser Menge in allen tierischen Zellen, besonders im
Nervengewebe und in der Nebennierenrinde vor. Alle Zellen des Organismus, mit Ausnahme der
Erythrocyten (rote Blutkörperchen), sind zur Biosynthese imstande, wenn auch die Leber die grösste
Kapazität hierfür aufweist. Cholesterin ist ein essentieller Bestandteil sämtlicher zellulärer Membranen
mit Ausnahme der Mitochondrialen. Es ist die Muttersubstanz für die Biosynthese der zahlreiche
Vertreter umfassenden Stoffgruppe der Steroidhormone, die in der Nebennierenrinde, sowie in den
Gonaden gebildet werden.
1
Cholesterin ist von allen kleinen Molekülen in der Biologie das mit den meisten Auszeichnungen bedachte. 13 Nobelpreise
wurden an Wissenschaftler verliehen, die dem Cholesterin einen grossen Teil ihrer Karriere gewidmet haben. Seit seiner
Isolation aus Gallensteinen im Jahre 1784 hat Cholesterin eine fast hypnotische Faszination auf Wissenschaftler aus den
unterschiedlichsten Gebieten der Naturwissenschaften und der Medizin ausgeübt.
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MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
Im Blutplasma findet sich Cholesterin als Bestandteil der sogenannten Lipoproteine (Lipid + Protein =
Lipoprotein). Seine Konzentration im Blutserum (= Plasma nach Abtrennung der gerinnbaren
-1
Bestandteile) beträgt normalerweise etwa 5 mmol·L
(= 214 mg pro 100 mL). Ein erhöhter
Cholesterinspiegel ist ein Risikofaktor für Arteriosklerose und Herzinfarkt. Vom Gesamtcholesterin
liegen 2/3 als Ester von höheren ungesättigten Fettsäuren vor. Die Ausscheidung von Cholesterin
erfolgt vor allem durch die Leber. Dort werden 80 % zu Gallensäuren oxidiert; ein Teil des
Cholesterins gelangt unverändert in die Galle und kann dort Gallensteine bilden. Ausserdem wird
Cholesterin direkt über die Darmschleimhaut (Mukosa) in den Darm ausgeschieden.
Aus Cholesterin werden im Säugerorganismus sechs verschiedene Gruppen von Steroidhormonen
gebildet, nämlich Cortisol, welches u.a. den Glucose-Metabolismus reguliert, Aldosteron und Calcitriol,
die das Elektrolytgleichgewicht des Körpers beeinflussen, und schliesslich die Sexualhormone, zu
denen Progesteron, Testosteron und Östradiol gehören. Die genannten Steroidhormone bilden jeweils
eine Familie von Steroiden ähnlicher Struktur und bestimmter biologischer Wirkung. An der Wirkung
orientierend, benutzt man häufig – sozusagen als Oberbegriff für die oben genannten Steroide – die
Bezeichnungen Glucocorticoide (Cortisol), Mineralcorticoide (Aldosteron), Calciole (Calcitriol),
Gestagene (Progesteron), Androgene (Testosteron) und Östrogene (Östradiol). Steroidhormone sind
also grosse, vom Cholesterin abgeleitete Moleküle. Ihr Grundkörper besteht, wie bei Cholesterin, aus
17 C-Atomen, die zu einem kompakten Vierringsystem miteinander verknüpft sind. Kleine
Unterschiede in den chemischen Gruppen, die am Kohlenstoffgerüst hängen, bewirken die
unterschiedlichen Funktionen der Steroidhormone
Die Steroidhormone werden alle in einem bestimmten Gewebe produziert und mit Blut zu ihren
Zielgeweben transportiert, wo sie an hochspezifische Rezeptorproteine binden und Veränderungen in
der Genexpression und im Stoffwechsel auslösen. Aufgrund der sehr hohen Affinität des Rezeptors für
das Hormon reichen sehr niedrige Hormonkonzentrationen (schon 10
-9
-1
mol·L
= 1 nmol!) aus, um
beim Zielgewebe die Wirkung auszulösen.
Aus
Cholesterin
Steroidhormonen:
entstehen
Cortisol,
sechs
(Regulation
Gruppen
des
von
Glucose-
Metabolismus), Aldosteron und Calcitriol (Beeinflussung des
Elektrolytgleichgewichts)
und
die
Sexualhormone
Pro-
gesteron, Testosteron und Östradiol.
1.2.2 Wirkungsweise der Steroidhormone
Wie erwähnt, erreichen Steroidhormone ihre Erfolgsorgane auf dem Blutweg und werden dabei durch
ein spezifisches steroidbindendes Protein (Abb. 1.2, I) transportiert. Am Erfolgsorgan wird das
Steroidhormon von einem zytoplasmatischen Rezeptorprotein (Abb. 1.2, II) übernommen, das mit dem
Steroidhormon unter Konformationsänderung reagiert. Der so „aktivierte“ Steroidhormon-RezeptorKomplex (Abb. 1.2, III) gelangt in den Zellkern, wo er sich an ein Chromatinprotein mit spezifischen
Akzeptoreigenschaften heftet (Abb. 1.2, IV), welches dabei von der DNA abgelöst oder in seiner
Konformation verändert wird. Dies kann als Genaktivierung (Å RNA- und Proteinbiosynthese)
26
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
interpretiert werden (Abb. 1.2, V). Der aus Steroidhormon, zytoplasmatischem Rezeptor und
Chromatinprotein bestehende Dreierkomplex gelangt anschliessend ins Zytoplasma, wo das Hormon
– vermutlich nach chemischer Veränderung – die Zelle verlässt und der zytoplasmatische Rezeptor
zur Wiederverwendung zur Verfügung steht.
ZELLE des ERFOLGORG ANS
BLUT
Zytoplasmatischer
Rezeptor
Aktivierter
HormonRezeptorKomplex
ZELLKERN
Akzeptorregion
IV
II
Protein
III
DNA
V
STEROIDHORMON
Proteinbiosynthese
RNA
I
Steroidbindendes
Blutplasmaprotein
Abbildung 1.2.
Mechanismus der Steroidhormon-Wirkung. Erklärungen (I bis V) im Text
Als Regulatoren des Zellstoffwechsels, des Wasser- und Elektrolythaushalts, des Wachstums, der
sexuellen Entwicklung und der Sexualfunktionen sind die Hormone lebenswichtige endogene
Wirkstoffe, deren völliges Fehlen in vielen Fällen zum Tode führt. Die z.T. bessere Wirksamkeit
synthetischer Steroidhormone beruht auf ihrer erfolgreichen Konkurrenz um die Bindung zum
zytoplasmatischen Rezeptor.
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MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
Die Wirkung von Steroidhormonen läuft über die Aktivierung
bzw. Hemmung der Expression von Genen bzw. Proteinen.
Aufgabe 1.1
Erklären Sie Ihrer Kollegin bzw. Ihrem Kollegen die
Abbildung 1.2 in Ihren eigenen Worten.
1.2.3 Übersicht über die Sexualhormone
Die Ausbildung und Funktion der Fortpflanzungsorgane und die Entwicklung der sekundären
Geschlechtsmerkmale stehen beim Menschen und allen höher organisierten Tieren unter hormoneller
Kontrolle. Neben ihren geschlechtsspezifischen Wirkungen lassen die Sexualhormone aber auch
Wirkungen auf den Allgemeinstoffwechsel und auf das psychische Verhalten erkennen. Im weiblichen
Organismus werden zwei physiologisch verschieden wirkende Typen von Steroidhormonen gebildet,
die Östrogene (Follikelhormone) und die Gestagene (Corpus-Luteum-Hormone). Dagegen wird im
männlichen Organismus nur eine Gruppe von Sexualsteroiden synthetisiert, nämlich die Androgene
(Abb. 1.3).
Zu den Sexualhormonen der Frau gehören die Östrogene
(Östradiol-17β, Östron) und Gestagene (Progesteron), zu
denjenigen des Mannes die Androgene (Testosteron, 5-αDihydrotestosteron).
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MODUL I: Hormone im Sport
A
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
OH
OH
17
17
3
3
5
O
O
H
17β-Hydroxy-5α-androstan-3-on
(5α-Dihydrotestosteron)
Testosteron
ANDROGENE DES M ANNES
B
OH
17
O
H
17
3
HO
3
HO
Oestron
Oestradiol-17β
OESTROGENE
C
H3C
O
C
17
3
O
GESTAGENE
Progesteron
Abbildung 1.3. Übersicht über die Sexualhormone von Mann und Frau. Es sind jeweils nur die wichtigsten
Vertreter dargestellt. Weitere Erklärungen im Text.
29
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
1.2.4 Androgene
Androgene sind chemisch charakterisiert durch eine Steroidstruktur mit 19 C-Atomen. Sie tragen an
beiden Enden eine funktionelle Gruppe, eine Oxo-Gruppe am C-3 und eine Hydroxylgruppe am C-17.
Das wichtigste Androgen des Säugetiers ist das Testosteron. Die Biosynthese von Testosteron geht
wie bereits erwähnt (1.2.1) vom Cholesterin aus. Im Hoden wird auch noch ein zweites Androgen
produziert, das 5α-Dihydrotestosteron (5α-DHT). In den Zielgeweben des männlichen Organismus
gibt es als aktive Hormone das Testosteron, das 5α-DHT, und in wenigen Fällen das Östradiol (!),
welche alle teils im Hoden, teils erst am Wirkungsort aus den im Blut zirkulierenden Vorstufen von
Androgenen synthetisiert werden.
Ausscheidung
nach Konjugation (Sulfat, Glucuronsäure)
H3C
O
H3C
OH
Progesteron
(ein Gestagen)
O
O
HO
Androstendion
4
(∆ -Androsten-3,17-dion)
O
Pregnandiol
4
(∆ -Androsten-3,17-diol)
Oestrogene
OH
OH
5 α-DHT
Testosteron
(ein Androgen)
O
O
H
O
HO
H
Ausscheidung
nach Reduktion, Hydroxylierung und
Konjugation
(Sulfat, Glucuronsäure)
Androsteron
(5-α-Androstan-3a-ol-17-on)
Schwachandrogen
Abbildung 1.4. Vereinfachtes Schema der Biosynthese der Androgene.
30
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
Biologische Funktion der Androgene
Androgene sind für die Bildung, den Erhalt und die Funktion der männlichen Geschlechtsorgane und
-merkmale verantwortlich. Neben dieser genitalen zeigen sie jedoch auch eine ausgeprägte anabole
Wirkung (aufbauender Stoffwechselweg). Ihre Zielgewebe sind die folgenden:
Testosteron:
Muskel, embryonale Gewebe, Spermatogonien, Knochen, Fettgewebe, Niere, Gehirn,
Immunsystem, Speicheldrüsen
5α-DHT:
Prostata, Samenbläschen, externe Genitalien, Haut, Haarwurzeln
Genitale Wirkung der Androgene:
Die vom fötalen Hoden gebildeten Androgene sind für die sexuelle Differenzierung der inneren und
äusseren Geschlechtsorgane zum männlichen Phänotypen erforderlich. Zusätzlich ist auch die
Prägung des „psychischen Geschlechts“ (männliche Verhaltensweisen) geprägt durch Androgene in
der Embryonalentwicklung. Während der Pubertät steuern Androgene zudem die Ausbildung der
sekundären Geschlechtsmerkmale, während sie im erwachsenen Organismus für die Reifung der
Spermien verantwortlich sind. Zusätzlich sind Libido, sowie männliche psychische Charakteristika und
Stimmungslagen androgenabhängig.
Aufgabe 1.2
Zählen
Sie
einige
Charakteristika
des
männlichen
psychischen Geschlechts auf.
Anabole Wirkung der Androgene
Androgene fördern den Proteinaufbau und erhöhen die Stickstoffretention. Diese anabole Wirkung
zeigen auch synthetische Steroide, die durch chemische Umwandlung des Testosteron-Grundtypus
erhalten wurden. Einige solcher Strukturen weisen eine merklich verminderte androgene Wirkung auf,
wie z.B. das unten abgebildete 1-Methyl-17β-hydroxy-androst-1-en-3-on.
OH
OH
CH3
O
Abbildung 1.5. 1-Methyl-17β-hydroxy-androst-1-en-3-on, ein
Anabolikum
Künstliche, anabol wirksame Steroide – allgemein bekannt als ANABOLIKA – sind für therapeutische
Zwecke wertvoll. Sie werden leider aber auch in der Viehzucht und im Sport zur Erzielung von
Höchstleistungen missbraucht.
31
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
Androgene
sind
die
männlichen
Sexualhormone.
Das
wichtigste Androgen ist das Testosteron. Neben ihrer
genitalen
(androgenen)
Funktion,
wirken
sie
durch
vermehrte Nukleinsäuren- und Proteinsynthese allgemein
anabol auf den Stoffwechsel.
Wirkung von Testosteron (anabol).
-
Positivierung der Stickstoffbilanz,
Erhöhung der
Masse der Skelettmuskeln.
-
Erhöhte Anzahl roter Blutkörperchen, und erhöhte
Hämoglobinkonzentration.
-
Abnahme des Körperfettanteils.
-
Erhöhung
der
Kalziumeinlagerung
in
die
Knochenmatrix.
-
Erhöhte Speicherung von Wasser und Elektrolyten.
Wirkung von Testosteron (androgen).
-
Wachstum und Entwicklung des Penis, der Prostata
und der Samenbläschen.
-
Entwicklung
der
sekundären
männlichen
Geschlechtsmerkmale (Behaarung, tiefe Stimme).
-
Verstärkte Libido (Sexual- und Geschlechtstrieb).
1.2.5 Östrogene
Diese Gruppe von Steroiden mit 18 C-Atomen ist chemisch charakterisiert durch einen aromatischen
Ring und die phenolische Hydroxylgruppe am C-3. Von den im Eierstock (Ovar) gebildeten
Östrogenen sind mehr als 20 wirksame Vertreter bekannt. Unter ihnen nimmt das Östradiol-17β als
physiologisch wichtigstes und effektivstes Derivat ein Sonderrolle ein. Weiter erwähnenswert ist das
Östron, welches ca. ¼ der Wirksamkeit des Östradiols besitzt. Vorstufe der Biosynthese bildet das
Testosteron, welches am C-17 oxidiert wird (Abb. 1.6).
32
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
Progesteron
O
Androgene
Androstendion
4
(∆ -Androsten-3,17-dion)
O
OH
3
HO
NADP
O
NADPH
Oestradiol-17β
4
(∆ -Androsten-3,17-dion)
HO
Oestron
OH
Ausscheidung
nach Reduktion,
Hydroxylierung und
Konjugation
(Sulfat, Glucuronsäure)
OH
3
Östriol
HO
Abbildung 1.6. Die Biosynthese der Oestrogene ausgehend vom Progesteron.
Aufgabe 1.3
Bestimmen Sie in den beiden Abbildungen 1.5 und 1.6
(Biosynthese der Androgene, bzw. Oestrogene) mithilfe von
Oxidationszahlen, ob es sich bei den jeweiligen Reaktionen
um Oxidationen oder Reduktionen handelt.
Biologische Funktionen der Östrogene
Genitale Wirkungen
Östrogene regen das Wachstum von Ovar, Tube, Vagina und Uterus sowie der weiblichen
sekundären Geschlechtsmerkmale an. Des weiteren ist Östradiol für den normalen Ablauf der
Genitalzyklen verantwortlich, die als
Brunstzyklen oder
Menstruationszyklus auftreten.
33
beim
Menschen (und Affen) als
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
Extragenitale Wirkungen
Östrogene bewirken keine oder nur eine schwache proteinanabole (proteinaufbauende) Wirkung auf
Muskeln, Nieren und Leber, fördern aber die Entwicklung des subkutanen Fettgewebes in einer für
den weiblichen Körper topographisch adäquaten Form. Diese lipidanabole (fettaufbauende) Wirkung
kommt auch beim männlichen Organismus nach Kastration zum Ausdruck oder kann durch
Östrogengaben hervorgerufen werden. Östrogene bewirken bei rasch anwachsendem Gewebe (z.B.
Tumor) und an den männlichen Fortpflanzungsorganen eine Zellteilungshemmung (Mitosehemmung),
die sich für eine Therapie des Prostatacarcinoms ausnützen lässt. Die feminisierende Wirkung
begrenzt jedoch die Anwesenheit der Östrogene im männlichen Körper. Daneben fördert Östradiol
2+
den Einbau von Ca -Ionen in Knochen. Die vor allem bei Frauen verbreitete Osteoporose welche sich
in Knochenbrüchigkeit und Knochenschwund äussert, ist denn auch häufig eine Folge eines
abnehmenden Östrogenspiegels nach der Menopause.
1.2.6 Gestagene (Schwangerschaftshormone)
Unter den über 40 verschiedenen Gestagenen, die bisher isoliert wurden, ist das Steroidhormon
Progesteron das wichtigste und wirksamste. Es entsteht im Gelbkörper und in der Plazenta aus
Cholesterin durch chemische Umwandlung. Progesteron wird nur in bestimmten Phasen des
Menstruationszyklus und in der Schwangerschaft gebildet. Als Hauptausscheidungsprodukt findet man
im Harn die Glucuronide von Pregnandiol (Abb. 1.5).
Biologische Wirkung der Gestagene
Genitale Wirkungen
Das Progesteron reguliert die Uterustätigkeit und die Entwicklung der Brustdrüsen und spielt somit
eine entscheidende Rolle bei der Einnistung des befruchteten Eis in der Uterusschleimhaut sowie der
Aufrechterhaltung einer eingetretenen Schwangerschaft (u.a. Drüsenbildung in Brüsten).
Extragenitale Wirkungen
Gestagene bewirken eine – wenn auch schwache – Mobilisierung von Gewebsproteinen. In hohen
Dosen wirkt Progesteron daneben katabol.
Östrogene gehören zu den weiblichen Sexualhormonen. Die
wichtigsten Östrogene sind Östradiol, Östron, und Östriol,
wobei die biologische Aktivität in der genannten Reihenfolge
abnimmt. Zusammen mit den Gestagenen steuern sie alle
Vorgänge der weiblichen Reproduktion. Daneben zeigen sie
eine lipidanabole Wirkung.
Der wichtigste Vertreter der Gestagene ist das Progesteron,
welches sich vom Testosteron ableitet.
34
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
Hormonelle Empfängnisverhütung
In empfängnisverhütenden Präparaten, der sogenannten „Pille“, sind die Hormone Östradiol und
Progesteron bzw. chemisch ähnliche Moleküle enthalten. Die Konzentrationen in diesen Präparaten
sind so gewählt, dass zwar der Aufbau der Uterusschleimhaut normal verläuft, die Ausreifung eines
Eis sowie der Follikelsprung aber verhindert werden.
Dadurch wird dem Ovar (Eierstock) eine
Befruchtung „vorgetäuscht“ und verhindert, dass eine neue Eizelle heranreift – derselbe Prozess, der
auch bei einer normalen Schwangerschaft ablaufen würde.
Aufgabe 1.4 (für Interessierte)
a) Besuchen Sie auf dem Internet die folgende Adresse und
führen Sie das Lernprogramm zum Menstruationszyklus
der Frau durch:
http://www.eduvinet.de/mallig/bio/geslech0/0geshl2.h
tm#1. (Lernprogramm)
b) Erklären Sie den Menstruationszyklus Ihrer Kollegin bzw.
Ihrem Kollegen.
1.3 Künstliche Steroidhormone: Anabolika zum Muskelaufbau
Anabolika sind muskelaufbauende Präparate. In der Dopingliste sind unter Anabolika Anabole
Steroide und β2-Agonisten aufgeführt. Anabole Steroide sind in ihrer Struktur und Wirkung dem
männlichen Sexualhormon Testosteron verwandt. β2-Agonisten sind Wirkstoffe, welche zur
Behandlung von Asthma und in der Tiermast eingesetzt werden. Die synthetische Herstellung eines
sogenannten Testosteronderivats (Testosteronabkömmlings) gelang erstmals im Jahr 1953. Eine
neue Ära für den Leistungssport hatte begonnen.
Aufgabe 1.5
Erläutern
lehrbuchs
Sie
die
mittels
eines
Begriffe
Antagonisten.
35
Biologie-
Agonisten,
oder
Biochemie-
β2-Agonisten
und
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
Wirkungen
Anabolika wirken anabol und genital (gleichbedeutend mit androgen). Anabol bedeutet allgemein
aufbauend, z.B. Muskelaufbau und Kraftzunahme. Genital heisst aufbauend im Bereich der
Geschlechtsorgane und der männlichen Merkmale wie Körperbehaarung und tiefer Stimme.
Durch chemische Veränderungen am Testosteronmolekül wurde und wird versucht, den anabolen
Effekt von Androgenen zu verstärken und gleichzeitig die genitale Wirkung zu verringern, um so zu
Präparaten mit vorwiegend anabolen, d.h. die Proteinbildung fördernden Eigenschaften zu kommen.
Solche anabolen Wirkstoffe werden von Athleten in der Trainingsphase verwendet, um einen
besseren Muskelaufbau und eine bessere Leistung zu erzielen. In Tabelle 1.1 sind einige
„gebräuchliche“ Anabolika aufgeführt.
St ru kt u rf o rm el
Na me ( i nt e rn at ion al)
Han de l sp räp a r at ®
Nandrolondecanoat
Deca-Durabolin
Closteobolacetat
Steranabol
Metenolonacetat
Primobolan
Stanozolol
Stromba
O
C C9H19
O
®
O
O
O
C CH3
®
O
Cl
O
O
C CH3
CH3
®
O
H
OH
CH3
®
HN
N
H
Tabelle 1.1. „Gebräuchliche“ Anabolika
Die Hoffnungen, dass sich die genitale Wirkung stark verringern würde, hat sich jedoch nur sehr
bedingt erfüllt. Bis jetzt konnte kein Anabolikum (Einzahl von Anabolika) hergestellt werden, welches
36
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
ausschliesslich anabole Effekte aufweist. Die genitalen Nebenwirkungen sind für die Patienten meist
von so einschneidender Natur, dass Anabolika in der Medizin heute mit grösster Vorsicht eingesetzt
werden. Die in Tabelle 1.1 aufgeführten Anabolika weisen allesamt nicht zu vernachlässigende
genitale Wirkungen auf.
1.3.1 Medizinische Anwendungen
Die dem Arzt für die Therapie zur Verfügung stehenden Anabolika unterscheiden sich im
Wesentlichen durch das Verhältnis von anaboler zu genitaler Wirkung.
Erst seit 1950 sind systematisch Androgenabkömmlinge entwickelt und klinisch erprobt worden, bei
denen die geschlechtsspezifische gegenüber der anabolen Wirkung zurücktrat.
Neben der positiven Proteinbilanz weisen Anabolika weitere Wirkungen auf. So werden eine
gesteigerte Bildung von Mucopolysacchariden und eine Retention (Zurückhaltung) von Kalium-,
Calcium- und Phosphat-Ionen, sowie Kreatinin beobachtet. Anabolika setzt man dann ein, wenn
diätetische Massnahmen nicht mehr ausreichen, um ein Proteindefizit zu beseitigen. Die Ursachen für
einen solchen Mangel sind mannigfaltig; sie können beinhalten
-
Tumore,
-
chronische Infektionskrankheiten (z.B. nach Operationen, im Alter),
-
destruierende Knochenprozesse und
-
Muskelschwund.
Daneben werden Anabolika bei HIV-Patienten, Osteoporose, schlecht heilenden Knochenbrüchen,
nach Röntgenbestrahlungen sowie in der Geriatrie verabreicht.
1.3.2 Nebenwirkungen von Anabolika
Da die eindeutige Abtrennung der genitalen Wirkungen nicht gelang, ist die Einnahme von Anabolika
mit einschneidenden, teilweise irreversiblen Nebenwirkungen (abhängig von Dosis und Dauer)
verbunden. Man unterscheidet fünf Hauptgruppen von Nebenwirkungen:
Leber
Vor allem bei oral eingenommenen Anabolika werden die Leberenzyme geschädigt.
Dies kann zu chronischen Entzündungen der Leber und schlimmstenfalls zu
Leberkrebs führen.
Hormone
Der körpereigene hormonelle Regelkreis wird durch Anabolika gestört und teilweise
abgeschaltet. Der Körper produziert somit weniger körpereigene Hormone und
Peptidhormone.
Blutfette
Anabolika bewirken eine Verschlechterung der Blutfettwerte und können so zu einem
erhöhten Herzinfarktrisiko führen.
Herz-Kreislauf Erhöhte Wassereinlagerung führt zu einem höheren Blutvolumen und damit zu
erhöhtem Blutdruck. Dies kann Herz-Kreislaufschäden bewirken.
Psyche
Aggressives Verhalten wird gefördert.
Andere Nebenwirkungen sind: Akne, Überbeanspruchung von Bändern und Sehnen.
37
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
So werden bei Frauen Stimmveränderungen (Stimmbruch), Klitorisvergrösserung und ein veränderter
Menstruationszyklus beobachtet. Daneben fördern Anabolika bei Frauen den Haarwuchs, vor allem an
Beinen und im Gesicht (Bartwuchs) und eine Rückbildung der Brüste (Å allgemeine Vermännlichung
des Körperbaus).
Mit verschiedenen Anabolika laufen Untersuchungen mit dem Ziel der „Pille für den Mann“. Bei hohen
Dosen von Anabolika können diese im Körper in weibliche Sexualhormone (Östrogene) umgewandelt
werden. Die Folgen sind Akne, Brustwachstum, sowie die Abnahme der Spermienzahl und des
Hodenvolumens.
Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt eine beschleunigte Knochen- und damit Skelettreifung mit
anfänglichem Wachstumsschub und anschliessender Verknöcherung der Wachstumsfugen an den
Knochenenden. Die Folge davon ist ein gestopptes Längenwachstum. In der Medizin wird Testosteron
deshalb bei Jugendlichen zum Beenden von zu starkem Wachstum vor der Pubertät eingesetzt. Bei
Knaben kann es zu vorzeitiger Pubertät kommen.
1.3.3 Anabole Wirkstoffe im Sport
Im Sport werden Anabolika seit den 50er Jahren in Kraftsportarten zum Kraft- und Muskelaufbau
eingesetzt. Heute findet man sie in allen Sportarten, in denen Kraft, Schnelligkeit und Muskelmasse
eine Rolle spielten. Sie werden aber auch im Freizeitsport (z.B. Fitnessbereich) und zur vermeintlichen
Steigerung der Lebensqualität verwendet. Nicht zuletzt durch die Enthüllungen des Tennisspielers
Peter Korda (Cz) und der Marathonläuferin Uta Pippig (D) weiss man, dass Anabolika aber auch im
Ausdauersport ihre Verwendung finden.
Anabolika im Ausdauersport: Das wichtigste Glied in der Kette...
Um die Wirkung von Anabolika in Ausdauersportarten zu verstehen, braucht man einen kleinen
Einblick in deren Trainingsprinzipien: Nach jeder Trainingseinheit befindet sich ein Athlet auf einem
niederen Leistungsniveau als davor, weshalb er eine Regenerationszeit benötigt. Derjenige, der sich
besser und schneller erholt, wird einen höheren Leistungsstand erreichen, da er mehr
Trainingseinheiten absolvieren kann. Entscheidend für eine rasche und effiziente Regeneration ist der
Testosteronspiegel, wobei sich der Körper umso effizienter regeneriert, je höher er ist. Bereits
Trainingseinheiten, die länger als 60 Minuten dauern, führen zu einem merklichen Abfall der
Testosteronkonzentration. Trainings- oder auch Wettkampfeinheiten, welche zwischen fünf und sechs
Stunden dauern, wie sie bei Leistungssportlern oft vorkommen, haben deshalb eine drastische
Einbusse an Testosteron zur Folge. Damit es innerhalb eines Trainingszyklus zu einer vollständigen
Erholung des Körpers kommt, müssen Trainingsbelastung und Regeneration gut aufeinander
abgestimmt sein. Schwächstes Glied in dieser Kette ist in den allermeisten Fällen dabei die
Muskulatur.
Übertrainingssymptome
Unterversorgungen
der
Muskulatur
sind
mit
denn
auch
Sauerstoff
meistens
(Verhärtungen).
die
Der
Folge
Athlet
von
lokalen
muss
sein
Trainingspensum reduzieren, was zu einer Leistungseinbusse führt. Kann der Sportler aber in dieser
Phase höhere Trainingsbelastungen verarbeiten, ohne dabei ins Übertraining abzugleiten, so wird
seine Leistungskurve bald steil nach oben zeigen. Und genau hier finden die anabolen Steroide ihren
Einsatzbereich. Um eine ausreichend schnelle Regeneration zu gewährleisten, greifen deshalb immer
38
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
mehr Leistungssportler zu Anabolika. Durch den dauernden erhöhten Testosteronspiegel kann es zu
Adaptionen der Rezeptoren kommen, was eine gesteigerte Dosis zur Folge hat – ein Teufelskreis
beginnt.
Zu den olympischen Spielen 1976 wurden Anabolika erstmals verboten. Dabei beschränkte man sich
auf diejenigen Anabolika, welche der Körper nicht selbst produzieren kann. Es waren dies
Nortestosteron, Metandienon und Stanozolol (Tab. 35.1). Das körpereigene Testosteron war also
weiterhin erlaubt. Dessen Verbot wurde auf die olympischen Spiele 1984 hin erlassen. 1993 erweiterte
man die Palette verbotener Anabolika und benannte sie in anabole Wirkstoffe um. Heute unterteilt
man in folgende Unterklassen:
a) anabol, androgene Steroidhormone Wirkung wie Steroidhormone; abgeleitet vom Testosteron
b) andere anabole Substanzen
Diese
Substanzgruppe
gehört
zu
den
sogenannten
β2-Agonisten oder β2-Adrenozeptoragonisten. Durch viele
Skandale in der Tiermast ist aus dieser Gruppe das
®
Clenbuterol (Fleischertragssteigerung bei Kälbern) der wohl
bekannteste Vertreter. β2-Agonisten werden therapeutisch
hauptsächlich gegen Asthma eingesetzt. Ihre wichtigste
Wirkung
ist
dabei
die
über
β2-Rezeptoren vermittelte
Erweiterung (Dilatation, Erschlaffung) der Bronchien.
Was sind β 2-Agonisten?
Hinter dem Kürzel „β2“ verbirgt sich ein bestimmter Rezeptortyp. Dabei handelt es sich um einen
sogenannten adrenergen Rezeptor, oder in anderen Worten einen Rezeptor für die Hormone (und
auch Neurotransmitter) Adrenalin und Noradrenalin. Diese Rezeptorklasse lässt sich, gemäss ihrer
Wirkung nach der Bindung ihres Substrates, in vier Unterklassen unterteilen - α1, α2, β1 und β2. Bindet
2
ein β2-Agonist an einen β2-Rezeptor, so löst er dort die gleiche Wirkung wie Adrenalin bzw.
Noradrenalin aus.
2
Mittlerweile sind weitere Unterklassen bei den α-Rezeptoren und auch ein β3-Rezeptor gefunden worden. Diese Rezeptoren
haben aber im Moment nur theoretische Bedeutung.
39
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
Anabolika
(Anabole
Steroide,
β2-Agonisten)
sind
muskelaufbauende Mittel. Die anabolen Steroide sind in
Ihrer
Struktur
und
Wirkung
nach
dem
männlichen
Sexualhormon Testosteron verwandt. Sie wirken anabol
(Muskelaufbau und Kraftzunahme) und androgen (genital;
aufbauend im Bereich der Geschlechtsorgane und der
männlichen Merkmale wie Körperbehaarung und tiefe
Stimme).
Im Sport werden Anabolika seit den 50er Jahren in den
Kraftsportarten eingesetzt. Heute findet man sie in allen
Sportarten in denen Kraft, Schnelligkeit und Muskelmasse
eine Rolle spielen. Sie werden aber auch im Freizeitsport
(Fitness)
und
zur
vermeintlichen
Steigerung
der
Lebensqualität verwendet.
Allgemeine Nebenwirkungen:
Allgemein: Akne, Überbeanspruchung von Sehnen und
Bändern
Leber:
Schädigung der Leberenzyme; evtl. Leberkrebs
Hormone: Störung des hormonellen Regelkreises und
Herabsetzung der eigenen Hormonproduktion
Blutfette: Verschlechterung Å Erhöhung des Herzinfarktrisikos
Herz-Kreislauf: Erhöhte Wassereinlagerung führt zu einem
erhöhten Blutvolumen und damit zu einem
erhöhten Blutdruck Å Erhöhung des
Herzinfarktrisikos
Psyche:
Aggressives Verhalten wird gefördert.
Andere spezielle Nebenwirkungen:
bei Frauen: hormonelle Störungen, Vermännlichung (tiefe
Stimme, Körperbehaarung, Rückbildung des
Busens, Störung der Monatsregel)
bei Männern: gestörte Hodenfunktion, Verkleinerung der
Keimdrüsen, Impotenz/Unfruchtbarkeit.
bei Jugendlichen: Wachstumsstop (Verknöcherung), Akne
40
MODUL I: Hormone im Sport
Steroidhormone: “natürliche Anabolika“
LERNKONTROLLE KAPITEL 1
Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob Sie
den Stoff dieses Kapitels verstanden haben.
Aufgabe 1.6
Hormone lassen sich nach ihren physikalischen Eigenschaften in zwei Gruppen einteilen
(siehe auch Einleitung dieses Kapitels). Die einen (z.B. Adrenalin) sind sehr gut wasserlöslich,
aber relativ unlöslich in Lipiden; bei den anderen (z.B. Steroidhormonen) sind die Verhältnisse
genau umgekehrt. Die meisten wasserlöslichen Hormone dringen in ihrer Funktion als
Aktivitätsregulatoren der Zellen nicht in das Zellinnere ein. Die fettlöslichen Hormone dagegen
entfalten ihre Wirkung im Zellkern. Welcher Zusammenhang besteht bei den beiden
Hormonklassen zwischen Löslichkeit, Lokalisierung der Rezeptoren und Wirkungsweise?
Aufgabe 1.7
Viele Spitzensportlerinnen nehmen „die Pille“. Können Sie einen Grund nennen? Hinweis: Die
Einnahme hat nichts mit Doping zu tun und ist selbstverständlich legal.
Aufgabe 1.8
Ein Athlet nimmt zur Leistungssteigerung das Mittel Stanozolol. Welche Sportarten könnte
dieser Athlet betreiben und welche Nebenwirkungen hat er zu befürchten?
41
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
2 PEPTID- UND GLYKOPROTEINHORMONE –
WIRKSAM UND SCHWER NACHWEISBAR
Inhalt
2
PEPTID- UND GLYKOPROTEINHORMONE –
WIRKSAM UND SCHWER NACHWEISBAR
2.1
Wachstumshormone (hGH) – alles wächst mit
42
43
2.1.1
Wirkungsspektrum von (h)GH
43
2.1.2
Verwendung im Sport: erhöhtes Wachstumspotential
45
2.1.3
Nebenwirkungen: Der Patient wächst
46
2.2
Erythropoietin (EPO): Das moderne Höhentraining
47
2.2.1
Wirkungsspektrum von EPO
48
2.2.2
Verwendung im Sport: Erhöhung der anaeroben Schranke
48
2.2.3
Nebenwirkungen von EPO: „dickes“ Blut
50
2.2.4
EPO und der Dopingtest: „Jeder Test ist irgendwie und irgendwann manipulierbar“
52
2.3
Das Schwangerschaftshormon (hCG, human Chorionic Go-nadotropine)
53
2.3.1
Wirkungen von hCG – Hormonale Regelung der Schwangerschaft
53
2.3.2
Einsatz im Sport: Erhöhung der Testosteronproduktion
55
LERNKONTROLLE KAPITEL 2
56
Lernziele
1. Sie wissen, was man unter Peptidhormonen versteht und kennen den Unterschied zu den
Steroidhormonen
2. Sie kennen das hGH und seine (Neben-)wirkungen
3. Sie wissen, was EPO ist und kennen die Probleme beim Nachweis
4. Sie kennen das hCG und seine (Neben-)wirkungen
42
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
Die Hormone der Hypophyse und des Hypothalamus, welche die Freisetzung der Steroidhormone
regulieren, sind selbst keine Steroidhormone. Sie gehören der zweiten wichtigen Klasse der
Hormone an: der Klasse der Peptid- und Glykoproteinhormone. Während die Steroidhormone alle
demselben Molekül abstammen (Cholesterin), hat jedes Peptidhormon ein spezifisches
Vorläufermolekül – das Prohormon. Prohormone sind lange Aminosäurenketten (Peptide), welche
die Sequenz des Peptidhormons ein- oder mehrere Male enthalten. Daneben kommen noch viele
weitere Sequenzen vor, welche direkt nichts mit dem Peptidhormon zu tun haben. Die Spaltung
des Prohormons durch spezifische Enzyme setzt das Peptidhormon frei und aktiviert es damit.
Aufgabe 2.1
Insulin ist ein typischer Vertreter der Peptidhormone mit
Vorläuferstufen (Präpro- und Pro-Insulin). Schlagen Sie in
Ihrem Biologiebuch o.ä. diesen Sachverhalt nach.
Als Dopingmittel spielen vor allem das Wachstumshormon (Human Growth Hormone; hGH), das
Schwangerschaftshormon Choriongonadotropin (Human Chorionic Gonadotropin; hCG) und das
Erythropoietin (EPO) eine Rolle. Diese drei Substanzen sind nach IOC-Anti-Doping-Code verboten.
Der Nachweis ist aber oft problematisch, da die endogenen (selbst produzierten) Hormone kaum
von den exogenen (künstlich verabreichten) Hormonen unterschieden werden können.
2.1 Wachstumshormone (hGH) – alles wächst mit
(andere Namen: Human Growth Hormone, hGH; Somatotropin; somatotropes Hormon, STH)
„Plötzlich hatte ich 100 PS mehr; (....) mir war, als sei mir der Motor eines Sportwagens
eingepflanzt worden,“ so Erwann Monthéour (F), der bis 1997 beim französischen Radrennstall
1
Francaise des Jeux unter Vertrag war, zur Wirkung des Wachstumshormons . Seit dem
Erscheinen des Buches „Massacre à la chaine“ von Willy Voet haben sich die Hinweise verdichtet,
dass Spitzenathleten nahezu permanenten Gebrauch von Somatotropin, so die medizinische
Bezeichnung, machen.
Das Wachstumshormon ist eine Mischung aus verschiedenen Peptiden, wobei das Hauptpeptid
eine Masse von 21'500 u aufweist und aus 191 Aminosäuren besteht. Seine Wirksamkeit ist streng
artspezifisch, so dass z.B. ein aus Rinderhypophysen gewonnenes GH beim Menschen nicht
wirksam ist.
2.1.1 Wirkungsspektrum von (h)GH
Wie aus dem Namen hervorgeht, regelt das hGH das menschliche Wachstum. Das
Wirkungsspektrum, dargestellt in Abbildung 2.1, erweist sich als äusserst mannigfaltig. Sehr viele
dieser Wirkungen werden aber vom (h)GH nicht selbst ausgelöst, sondern über die Bildung (Leber)
1
Der Spiegel, Ausgabe 20/99
43
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
wachstumsfördernder Faktoren, der Somatomedine (auch als insulin –like –growth factors, IGF,
bezeichnet), vermittelt. Ihre Steuerung erfolgt vom Hirn aus (Hypothalamus und Hypophyse).
Die volle Wirkung des Wachstumshormons wird erst dann erreicht, wenn gleichzeitig auch andere
Hormone
(Schilddrüsenhormone,
Sexualhormone
und
Nebennierenrindehormone)
in
physiologischen Konzentrationen ausgeschüttet werden. Umgekehrt ist auch deren Wirkung durch
das Fehlen von (h)GH herabgesetzt. Vereinfachend lassen sich drei Hauptwirkungsweisen des
Wachstumshormons unterscheiden:
-
In geringen Mengen führt es zu einer insulinähnlichen Wirkung („insulin-like-growthfactors“, IGF): Verbesserung der Aufnahme von Glucose in die Zellen der meisten
Gewebe, Steigerung des oxidativen Glucoseabbaus, Erhöhung der Glykogenbildung in
der Leber und im Muskel, Stimulierung der Bildung von Proteinen und Fetten. Alle diese
Vorgänge bewirken eine Senkung des Blutzuckerspiegels.
-
In höheren Dosierungen bewirkt es ein erhöhte Insulinsekretion. In Extremfällen führt dies
zu einer Insulinresistenz (Å insulinantagonistische Wirkung und damit Erhöhung des
Blutzuckerspiegels) sowie einer erhöhten Glucoseproduktion in der Leber.
-
Somatotropin löst eine wachstumsinitiierende Wirkung auf nahezu alle Zellen im Körper
aus. Dies ist mit Sicherheit die komplexeste Wirkung des Hormons (Abb. 2.1).
Die Entwicklung
Bis ins Jahr 1985 standen für (h)GH ausschliesslich natürliche Quellen zur Verfügung - in anderen
Worten: Die wertvolle Substanz hGH wurde aus menschlichen (Leichen-) Hypophysen isoliert. Da
Proteine bei hohen Temperaturen denaturieren, ist es unmöglich, aus solchen Isolaten ein steriles
Medikament herzustellen. Im Zusammenhang mit dem Auftreten vom Creutzfeld-Jakob-Syndrom
wurde das Medikament von (westlichen) Herstellern deshalb nach und nach aus dem Verkehr
gezogen. Heute wird hGH gentechnologisch hergestellt und ist als rekombinantes hGH im Handel.
®
®
®
®
Die entsprechenden Präparate heissen Genotropin , Humatrope , Norditropin , Saizen , etc.
44
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
Rückkopplung
HY P O T H AL AM U S
hGH-Releasing-Hormon
Erhöhung des
Blutzuckerspiegels
HY P O P HY S E
Hemmung der Glucoseaufnahme im Muskel
hGH
Fettmobilisierung
So mat om edi ne
L E B ER
Rückkopplung
Muskelaufbau
Knochenwachstum
Knorpelaufbau
Abbildung 2.1. Stoffwechsel)Wirkungen, die vom (h)GH ausgehen inklusive Rückkopplugsmechanismus für
den Blutzuckerspiegel.
2.1.2 Verwendung im Sport: erhöhtes Wachstumspotential
Anekdotische Berichte von Athleten, die (h)GH als erste benutzten, erschienen in den frühen
achtziger Jahren. Wie aus 2.2.1. hervorgeht, führt die Einnahme von (h)GH zu einer Zunahme der
Muskelzellen und damit zu einem Kraftzuwachs in Verbindung mit einer Stärkung von Knorpeln,
Sehnen und Bändern. Im Gegensatz zu anabolen Steroiden, die ebenfalls zu einer Zunahme der
Muskelmasse führen, übt (h)GH sein Wachstumspotential auf nahezu sämtliche Körperzellen aus.
Durch das Wachstumshormon stimulierte Zellteilungen sind irreversibel und dadurch die
hervorgerufenen Wirkungen von dauerhafter Natur: Beschleunigtes Wachstum im Bereich des
Herz-Kreislauf-Systems sowie eine erhöhte Kapillarisierung des Muskelgewebes. Die damit
verbesserte Sauerstoffversorgung der beanspruchten Muskulatur erklärt den derart hohen
Beliebtheitsgrad von (h)GH unter Leistungssportlern. Da Somatotropin in Dopingtests nicht
nachweisbar ist, fehlen auch die entsprechenden „Skandale“ und mit Mutmassungen allein lassen
sich nur schwer Schlagzeilen schaffen. Einige Wissenschaftler gehen soweit, dass der
Leistungsstandard der Weltspitze ohne (h)GH auf das Niveau der 60er Jahre absinken und damit
den Leistungssport ruinieren würde. Internationale Forschungsprogramme zur Entwicklung zweckdienlicher Nachweismethoden sind im Gange.
45
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
Heute erfolgt der Missbrauch von (h)GH, teilweise zusammen mit Anabolika, hauptsächlich in
Kraftsportarten und im Bodybuilding. Damit (h)GH sein volles Wirkungspotential (Abb. 2.1)
entfalten kann, ist eine auf breiter Basis durchgeführte Manipulation des Hormonsystems
notwendig. Die Anwendung des Wachstumshormons hat zudem einen erhöhten Bedarf an
Vitaminen und Mineralstoffen zur Folge, welcher mit Supplementen gedeckt werden muss.
2.1.3 Nebenwirkungen: Der Patient wächst
Während bei Patienten mit nachgewiesenem Somatotropin-Mangel eine Medikation mit exogenem
(h)GH fast nebenwirkungsfrei ist, hat eine Einnahme bei gesunden Menschen durchaus
unerwünschte Nebenwirkungen. Wie bei allen Medikamenten ist deren Auftreten stark abhängig
von Dosierung und Anwendungsdauer. Die am häufigsten beschriebene Nebenwirkung ist
Akromegalie (Gigantismus). Dieses Krankheitsbild wird im allgemeinen durch einen Tumor in der
Hirnhangdrüse verursacht, tritt aber auch beim langfristigen und exzessiven Gebrauch von GH auf.
Es handelt sich dabei um eine chronische Krankheit, deren äusserliche Symptome eine
Grössenzunahme bzw. das Wachstum des Schädelknochens, der Hand- und Fussknochen, sowie
anderer Teile des Skeletts sind. Vor allem wenn GH in Verbindung mit anabolen Steroiden
eingenommen wird, kann es zudem zu einem Organwachstum kommen, von dem alle inneren
Organe betroffen sind.
Ein Überangebot von (h)GH hat zudem eine veminderte Glucose-Toleranz zur Folge und führt in
fortgeschrittenem Stadium zu Diabetes (Zuckerkrankheit).
Zur Abrundung der Liste potentieller Nebenwirkungen bleiben folgende, „weniger gewichtige“
Folgen zu nennen: Gelenk- und Bänderprobleme, Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen,
Schweissausbrüche, Hautverfärbungen, Sehschwäche und Körpergeruch. Ausserdem kann es zu
einer Absenkung der HDL (high density Lipoprotein) Cholesterinwerte und einer beschleunigten
Umwandlung von LDL (Low density Liporotein) Cholesterin zu Zellverklumpungen kommen
(Hyperlipidemie), die sich in den Blutgefässen ablagern und zur Arteriosklerose führen.
Die Einnahme von (h)GH in wirksamen Mengen ist mit einem erheblichen finanziellen Aufwand
verbunden, welcher für die meisten Athleten unerschwinglich ist. Die Einnahme derselben Dosis
(h)GH, welche zur Behandlung von (h)GH–geschwächten Patienten verabreicht wird, würde sich
auf mindestens 1000 $/Woche belaufen.
46
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
Das Hauptpeptid von (h)GH (Wachstumshormon) besteht
aus
191
Aminosäuren
Kohlenhydrat-
und
Somatomedine
und
wirkt
Fettstoffwechsel
direkt
und
(Wachstumsfaktoren)
auf
den
indirekt
via
die
Zell-
auf
vermehrung. (h)GH ist streng artspezifisch.
Wirkungen:
- Allgemeines Wachstum des Körpers
- Abbau der Fett- und Zunahme der Muskelmasse
- Steigerung der Glukoneogenese in der Leber
Nebenwirkungen:
- Gigantismus (Akromegalie).
- Abbau des Blutzuckers wird beeinträchtigt, Insulintoleranz („down-Regulation) bis zu Diabetes mellitus
(insulin-antagonistische Wirkung)
2.2 Erythropoietin (EPO): Das moderne Höhentraining
„Als ich gesehen habe, wie er (Bjarne Riis, DK) die Steigung in Hautacam erklimmt, da habe ich
kapiert, warum ihm das Fahrerfeld den Vornamen „Monsieur 60 %“ verpasst hatte“. Das die Worte
des belgischen Mannschaftsarztes Willy Voet in seinem Buch „Massacre à la chaine“ anlässlich
der Tour de France 1996, die der dänische Radprofi Bjarne Riis gewann. Mit „60 %“ meinte er
damals den Hämatokritwert, welcher in direktem Zusammenhang mit der Ausdauerleistung steht.
Durch mehrere Todesfälle (plötzlicher Herzstillstand) aufgeschreckt, wurden schon bald erste
Gerüchte bekannt, dass ein neuartiges Medikament zur Leistungssteigerung Schuld an diesen
Vorfällen sei. Das Wundermittel wurde als Erythropoietin, oder kurz EPO identifiziert.
EPO ist ein Glycoprotein mit einer Masse von 34’000 – 37'000 u, welches aus 165 Aminosäuren
besteht und vier in sich heterogen aufgebaute Zuckerketten aufweist. Es wird hauptsächlich in der
Niere und in den Leberzellen gebildet. Die Sequenz ist im menschlichen Genom auf Chromosom 7
lokalisiert.
Bereits im Jahre 1994 befand sich die damals äusserst junge Substanz auf Platz vier der
international meist verkauften Präparate und seitdem ist der weltweite Umsatz an EPO weiter
angestiegen.
Aufgabe 2.2
Die Masse von EPO wird mit 34’000 – 37'000 u angegeben.
Warum kann hier nicht eine genauere Massenzahl genannt
werden?
47
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
Abbildung 2.2. Elektronenmikroskopische Aufnahme von Erythrocyten. in menschlichem Blut. Beim ebenfalls
sichtbaren länglichen Einzeller handelt es sich um einen Parasiten der Familie der
Trypanosomen (T. brucei brucei). Trypanosomen werden über die Tsetsefliege auf den
Menschen übertragen und bewirken dort die sogenannte Schlafkrankheit (sleeping sickness).
Aus Küng, M. (1997), Dissertation.
2.2.1 Wirkungsspektrum von EPO
Die Hauptbestandteile des Bluts sind das Plasma und die roten Blutkörperchen, die Erythrocyten.
Lässt man eine Blutprobe stehen, setzen sich die Erythrocyten durch Sedimentation ab. Die
gelbliche Flüssigkeit, das Blutplasma, befindet sich oberhalb der Erythrocyten, welche über 42%
des Bluts ausmachen. Dieser Anteil wird behutsam von EPO geregelt. Unter seinem Einfluss
werden im Knochenmark aus noch undifferenzierten Stammzellen die Erythrocyten gebildet, die als
mengenmässig wichtigstes Protein den „Blutfarbstoff“ Hämoglobin enthalten. Sie besitzen keinen
Zellkern und werden deshalb streng genommen nicht mehr als Zelle, sondern als korpuskuläres
Element des Bluts angesehen. Erythrocyten erscheinen im Mikroskop als Scheiben mit einer
zentralen Delle, an einen „Donut“ erinnernd (Abb. 2.2).
2.2.2 Verwendung im Sport: Erhöhung der anaeroben Schranke
Wenn rote Blutkörperchen die Lunge durchströmen, nehmen sie Sauerstoff aus unserer Atemluft
auf. Die sauerstoffreichen Körperchen zirkulieren zum Muskelgewebe und allen anderen Organen
des Körpers. Wenn das Blut die Muskeln und die Organe passiert, wird der Sauerstoff von den
Erythrocyten freigesetzt und von dem Muskelgewebe aufgenommen. Ohne kontinuierliche
Sauerstoffversorgung können Muskeln keine, oder nur beschränkte Arbeit leisten.
Benötigt nun der Körper zusätzlich Sauerstoff und reicht eine vermehrte Atemtätigkeit nicht aus,
um den Sauerstoffmangel auszugleichen – z.B. bei sogenannter Hypoxie (zu geringer
Sauerstoffversorgung der Zellen) - wird in der Niere die Ausschüttung von EPO stimuliert. Dieses
gelangt über das Blut ins Knochenmark, wo es innerhalb von Stunden für eine Umwandlung von
Erythrocyten-Vorläuferzellen zu Erythrocyten sorgt, deren Konzentration im Blut damit ansteigt. So
kann der Körper mehr Sauerstoff aufnehmen, wodurch eine höhere körperliche Leistungsfähigkeit
erreicht wird.
Mit Hilfe molekularbiologischer und gentechnischer Methoden gelang es Wissenschaftlern schon
bald, EPO künstlich darzustellen. Dieses rekombinante EPO (r-huEPO; recombinant human EPO)
48
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
ist weitgehend identisch mit dem körpereigenen und ist mit einem Rezept in fast allen Ländern
®
®
erhältlich (Präparate: Eprex , Reconorm ).
Im Sport dient EPO dazu, die Produktion von Erythrocyten zu erhöhen. Man kann also die
Einnahme von EPO als eine Art Höhentraining betrachten. In der Höhe herrscht ein kleinerer
Sauerstoffdruck, die Luft ist „dünner“, ärmer an Sauerstoff und somit ist der Körper gezwungen,
vermehrt Erythrocyten zu produzieren. Diese bleiben, wenn der Sportler wieder zurück in tieferen
Lagen ist, über mehrere Tage erhalten und verbessern so die Sauerstoffaufnahme und damit die
Ausdauer- und Leistungsfähigkeit. Man sagt, der Sportler besitzt während dieser Zeit einen
höheren Hämatokrit-Wert. Als Hämatokrit wird der Volumenanteil der Blutzellen im Verhältnis zum
Gesamtblutvolumen bezeichnet. Er beträgt durchschnittlich beim Mann 47 % und bei der Frau
42 %. Die Erythrocyten machen also etwa die Hälfte des Blutvolumens aus. Führt man dem
Organismus künstlich EPO zu, erhöht man den Anteil an Erythrocyten und damit auch den
Hämatokrit. Dieser kann jedoch leicht beeinflusst werden. Trinkt man z.B. eine halbe Stunde vor
einer Blutentnahme einen Liter Kochsalzlösung oder macht einige Minuten Kopfstand, so kann der
Wert bereits von den unerlaubten 51 % auf die erlaubten 47 % absinken.
Aufgabe 2.3
Angenommen,
der
Athlet
weist
einen
ursprünglichen
Hämatokritwert von 42 % auf. Das würde bedeuten, dass
sich in 100 mL Blut 14 g Hämoglobin befinden. Jedes
Hämoglobin ist in der Lage, 1.34 mL Sauerstoff aufzunehmen. Somit können in 100 mL Blut ca. 19 g Sauerstoff
transportiert werden. Bei einer sportlichen Belastung geht
man davon aus, dass 75 % des an Hämoglobin gebundenen
Sauerstoffs abgegeben werden können.
a) Welche Menge Sauerstoff erreichen demnach die
Muskelzelle?
b) Der Hämatokritwert wird durch EPO auf 50 %
gesteigert. Um welchen Anteil (in %) wird nun eine
Mehrversorgung an Sauerstoff erreicht?
Selbst
wenn
man
Hochleistungssportler
davon
nur
ausgeht,
die
Hälfte
dass
der
bei
einem
errechneten
Leistungssteigerung erreicht wird, so würde dies bedeuten,
dass es bei einem 50-Kilometer Einzelzeitfahren zu einer
Zeitverbesserung von mehr als zwei Minuten nur durch die
Gabe von EPO kommt!
EPO bietet neben seinen positiven Auswirkungen auf den Hämatokritwert und der damit
verbundenen maximalen Sauerstoffaufnahmekapazität einen weiteren entscheidenden Vorteil für
aktive Athleten. Bei submaximaler Tätigkeit kommt es in den Muskeln durch erhöhte Laktatbildung
zu einem Abfall des pH-Werts. Da Erythropoietin zusätzlich säurepuffernd wirkt, steigt die
49
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
Laktosetoleranz, erhöht sich die anaerobe Schwelle und als Folge davon wird der Athlet
leistungsfähiger.
Der Grenz-Hämatokritwert wurde im Radsport auf 50 % festgelegt, also recht nahe beim
natürlichen Wert. Ein als erhöht taxierter Hämatokritwert wird wegen der leichten Beeinflussbarkeit
und der natürlichen Schwankungen daher immer Anlass zu Diskussionen liefern. Die
Hämatokritwerte der Festina-Radsportgruppe vom Juli 1998 (Ausschluss aus der Tour de France,
„d e r Tour-Skandal“) sprechen für sich: Richard Virenque (F), Armin Meier (Sui), Christoph Moreau
(F): alle 49.3 %; Laurent Dufaux (F): 47.4 %; Laurent Brochard (F), Neil Stephens (Aus): beide
50.3 %; Didier Rous (F): 51 %; Alex Zülle (Sui): 52.3 % und Pascal Hervé (F): 52.6 %. Alle diese
Athleten hatten zudem exzessive Mengen eines unbekannten Eisenpräparats eingenommen. Die
massive Verbreitung von EPO im (Rad-)Sport wird durch Blutproben-Untersuchungen von
Radprofis aus den Jahren 1980 bis 1986 untermauert. Damals gab es noch kein EPO. Bei keinem
der 34 Athleten, von welchen die Daten noch vorlagen, wurden Hämatokritwerte in der Nähe von
50 % festgestellt. Allem Anschein nach ist heute ohne EPO „kein Blumentopf mehr zu gewinnen“
[Voet, W. (1999) Gedopt, Sport-Verlag Berlin, Berlin].
Zur Zeit ist der Missbrauch von EPO (noch) nicht sicher beweisbar, da das zugeführte EPO vom
körpereigenen nur schwer zu unterscheiden ist. Ein möglicher Weg führt dabei über den Nachweis
von Zuckerketten, welche vom künstlich zugeführten EPO herrühren und bis zu 4 Tage nach der
Einnahme detektierbar sind. Auf die olympischen Sommerspiele in Sydney 2000 hin wurde ein
neuer Test entwickelt, welcher erlaubt, EPO im Urin nachzuweisen (vergleiche 2.2.4).
In der konventionellen Medizin findet EPO hauptsächlich zur Behandlung von chronischen
Nierenerkrankungen Verwendung. Diese Patienten verlieren die Fähigkeit EPO zu produzieren, ihr
Hämatokritwert (siehe nächster Abschnitt) sinkt und sie ermüden als Folge sehr schnell, was u.a.
mit einem Verlust an Lebensqualität verbunden ist.
Bei EPO handelt es sich um ein ausgesprochen kostspieliges Medikament. Eine knappe
Wochendosis kommt in der Apotheke auf ca. 300 SFr zu stehen.
2.2.3 Nebenwirkungen von EPO: „dickes“ Blut
Laut ärztlicher Auskunft besitzt EPO, sofern in richtigen Dosen eingenommen, keine
nennenswerten Nebenwirkungen. Folgendes muss aber beachtet werden:
EPO kann nicht oral eingenommen werden, sondern wird mittels Spritzen injiziert. Wenn Athleten
EPO ohne medizinische Aufsicht benutzten, ist das Infektionsrisiko (auch HIV) bei der Nutzung von
unsterilen Spritzen und Nadeln bzw. bei gemeinsamer Verwendung sehr hoch.
Die Einnahme von EPO erhöht die Anzahl Erythrocyten im Blut. Wird diese zu gross, verdickt das
Blut und der Hämatokrit steigert sich zu gefährlichen Werten. Als Folge davon nimmt das
Blutvolumen zu und der Blutdruck steigt (Hypertension). Diese beiden Effekte beeinträchtigen die
Fähigkeit des Herzens Blut zu pumpen. Dadurch wird das Gewebe mit (zu) wenig Sauerstoff
versorgt und die sportliche Leistung geht konsequent zurück. Zusammen mit einer Dehydratation,
z.B. während eines Marathons, verdickt das Blut und das Risiko zur Bildung von Blutklumpen
50
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
(Thrombosen) wird erhöht. Der durch die Verdickung entstehende erhöhte Druck im Gehirn und die
blutarme Zirkulation führen zu einer Anschwellung von Blutgefässen, welche schwerwiegende
Komplikationen wie Schlaganfälle zur Folge haben können. Im Extremfall erleidet der Patient
Lungen- oder Hirnembolien mit oft tödlichem Ausgang. Anekdotischen Aussagen zu Folge
verwenden Athleten, die EPO einnehmen, zusätzlich Aspirin, Vitamin E und andere Supplemente,
um zu gewährleisten, dass die Fliesseigenschaften des Bluts nicht zu stark beeinträchtigt werden.
Zu hohe Dosen von EPO können auch heftiges Herzklopfen, Hautausschläge, grippeähnliche
Krankheiten, die Beschwerden und Schmerzen der Muskeln verursachen und Übelkeit hervorrufen.
Vor kurzem sind bei der Einnahme einer speziellen Art von EPO eine Anzahl Fälle von
Entzündungen der Iris (des farbigen Teils des Auges) bekannt geworden. Wenn die Produktion der
Erythrocyten durch EPO angeregt wird, steigt mit ihr auch der Bedarf an Eisen, da dieses zur
Unterstützung der Produktion unabdingbar ist. Dies kann zu einem relativen Eisenmangel führen.
Deswegen nehmen EPO-Patienten oft Eisensupplemente.
Vor einigen Jahren gab es Gerüchte und Medienberichte in Verbindung mit dem Tod einiger
Radprofis und OL-Läufer. Weil sich dies zu der Zeit ereignete, in der EPO erstmals erhältlich
wurde, deuteten die Berichte an, dass eine Überdosis von EPO dafür verantwortlich gewesen sei.
Entscheidende Beweise für den Zusammenhang hat man jedoch bis heute nicht erhalten.
Aufgabe 2.4
Lesen Sie den Artikel von M. Kamber et al., erschienen am
18. März 2000, in der NZZ, der sich als Kopie in Ihrer
Handbibliothek befindet
.
51
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
2.2.4 EPO und der Dopingtest: „Jeder Test ist irgendwie und irgendwann
manipulierbar“1
Am 8. Juni 2000 wurde in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Nature“ eine vom
französischen Anti-Doping-Labor entwickelte Methode für den direkten Nachweis von EPO im Urin
publiziert (Lasne, F. & de Ceaurriz, J, 2000), welche an den olympischen Spielen von Sydney 2000
zum ersten Mal zum Einsatz gelangte. EPO ist ein Glykoproteinhormon d.h. es besteht aus einem
Proteinteil und 4 Zucker-Seitenketten, die bewirken, dass EPO im Blut löslich ist und vom
Produktionsort Niere zum Knochenmark transportiert werden kann. Gentechnologisch hergestelltes
EPO unterscheidet sich nun vom natürlichen in diesen Zuckerseitenketten. Dadurch ist auch die
Löslichkeit und die elektrische Ladung in wässrigen Lösungen bei verschiedenen pH-Werten
unterschiedlich. Der aufkonzentrierte Urin wird
Säuregradienten
aufweist.
Nach
Anlegung
auf ein Gel aufgetragen, welches einen
einer
elektrischen
Spannung
(isolelektrische
Fokussierung) wandert nun das gentechnologisch hergestellte EPO im Gel weniger weit vom
negativen zum positiven Pol als das natürliche. Nach dem Sichtbarmachen mit immunologischen
Methoden sieht das Resultat bei Dopingsündern folgendermassen aus (Abbildung 2.3):
5.21
*(17(&+12/2*,6&+
+(5*(67(//7(6(32
pH-Wert
Weg in einem
elektrischen
Feld
4.42
1$7h5/,&+(6
(32
+
3.77
Abbildung 2.3. Isoelektrische Fokussierung einer Urinprobe zum Nachweis von EPO-Missbrauch
(schematisch). EPO hat mehrere Isoformen (verschiedene Anordnungen im Raum;
verschiedene Quartärstrukturen) und erscheint deshalb nach Proteinfärbung in Form
mehrerer dunkler Banden auf dem Gel (modifiziert nach Lasne, F. & de Ceaurriz, J, 2000).
Mit diesem Nachweisverfahren kann der EPO-Missbrauch während einiger Tage (2 – 4 Tage)
nachgewiesen werden. Bei Ausdauerprüfungen über mehrere Tage hinweg, z.B. Radrundfahrten,
wird EPO auch während dieser Rennen eingesetzt. Mit diesen Nachweismethoden könnten also
derartige Praktiken eingeschränkt werden. Zudem ist die Handhabung viel unproblematischer als
bei Blutkontrollen. Eingeschränkt wird diese Methode aber durch die kurze Nachweiszeit. Der
EPO-Missbrauch für einzelne Rennen (z.B. Vorbereitung durch EPO-Einnahme anstelle eines
Höhentrainings) ist damit nur schwer einschränkbar. Vielmehr drängt sich diese Methode für
unangekündigte „on the spot“ Urin-Kontrollen während des Trainings auf.
1
Christian Breymann, Oberarzt an der Klinik für Geburtshilfe, Uni Zürich in einem Interview der NZZ vom 2.8.2000, Seite 43
52
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
In Verbindung mit indirekten Nachweismethoden von EPO im Blut (Parisotto, R et al. (2000)
Haematologica 85, 564-572; im Anhang), mit welchen Hinweise auf verdächtige Personen erhalten
werden können, ist der Urinnachweis jedoch ein potentes Argument im Kampf gegen EPOMissbrauch.
Im wissenschaftlichen Bereich ist es jedoch längst bekannt, dass
Substanzen mit ähnlicher
Wirkung wie EPO existieren. Es gibt bereits Gerüchte, wonach diese bereits angewendet werden.
Diese „EPO-Ersatzstoffe“ wären dann wiederum nicht nachweisbar und, solange nicht erkannt,
auch nicht illegal ... „Jeder Test ist irgendwann irgendwie manipulierbar“.
EPO
(Erythropoietin)
ist
ein
im
Knochenmark
sti-
mulierendes, nicht artspezifisches Glykoproteinhormon, welches zu 90 % in der Niere gebildet wird.
Wirkungen:
- Erhöhung der Erythrocytenzahl (Zahl der roten Blutkörperchen)
- Steigerung der Ausdauerleistung
Nebenwirkungen:
- Bluthochdruck.
- Thrombosen und Embolien im Extremfall mit Todesfolge.
2.3 Das Schwangerschaftshormon (hCG, human Chorionic Gonadotropine)
hCG (oder auch human Choriongonadotropin) ist ein Peptidhormon mit einer Masse von ca. 30’000
– 39’000 u, das während der Schwangerschaft von der Plazenta freigesetzt wird.
2.3.1 Wirkungen von hCG – Hormonale Regelung der Schwangerschaft
Die Plazenta (Mutterkuchen) dient der Ernährung und der Sauerstoffversorgung des Fetus. Sie
sorgt für den Abtransport seiner Stoffwechselprodukte und deckt den Grossteil des Hormonbedarfs
während der Schwangerschaft. Besonders zu Beginn der Schwangerschaft sind zu deren
Erhaltung auch die Hormone des mütterlichen Ovars nötig. Die menschliche Plazenta produziert
folgende Hormone:
-
Östradiol (E2)
Progesteron (P)
Choriongonadotropin (hCG)
Follikel stimulierendes Hormon (FSH)
Als endokrines Organ (die Wirkung der plazentaren Hormone erfolgt entfernt vom Bildungsort)
zeigt die Plazenta einige Besonderheiten. Ihre Hormonproduktion ist (wahrscheinlich) unabhängig
von den normalen Rückkoppelungskontrollen. Sie produziert sowohl Steroid- als auch
Peptidhormone, wobei die Peptidhormonphase (hCG, FSH) das erste Schwangerschaftsdrittel, die
Steroidhormonphase (Östradiol und Progesteron) die spätere Schwangerschaft beherrscht.
53
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
Die plazentaren Hormone gelangen sowohl in den mütterlichen als auch in den fetalen
Organismus. Wegen der engen Verknüpfung der Hormonbildung in Mutter, Fetus und Plazenta,
spricht man auch von fetoplazentarer Einheit. Im Gegensatz zu anderen endokrinen Organen ist
die Plazenta für die Produktion von hCG bzw. als Folge der Steroidhormone Progesteron (P) und
Östradiol (E2) auf die Zulieferung der jeweiligen Steroidvorstufen aus der mütterlichen und fetalen
Nebennierenrinde angewiesen (Abb. 2.4).
Mutter
Kind
Pl az ent a
Synthese von
P ep t id h or m on en
überwiegt
K&*
Gelbkörper des
mütterlichen
O v ar s
E2
fetale
Neb en ni e ren rin de
P
DHEA
Abbildung 2.4. Hormonproduktion von Plazenta, Mutter und Fetus (fetoplazentare Einheit) in der frühen
Schwangerschaftsphase. E2, Oestradiol; P, Progesteron; hCG, humanes
Chondriongonadotropin; DHEA, Dehydroepiandrosteron.
Das Peptidhormon hCG wird gleich zu Beginn der Schwangerschaft in grosser Menge
ausgeschüttet. Seine wesentlichen Aufgaben bestehen darin,
a) in
der
fetalen
Nebennierenrinde
die
Produktion
Dehydroepiandrosteron, DHEA) zu stimulieren und
54
von
steroiden
Hormonen
(z.B.
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
b) im mütterlichen Ovar die Ausbildung von Follikeln (Bläschen, in denen bei der Frau die Eizellen
heranwachsen) zu unterdrücken und die Gelbkörperfunktion, also die Progesteron- und
Östradiol-Produktion, dort aufrechtzuerhalten.
Ab der sechsten Schwangerschaftswoche ist das nicht mehr nötig, da jetzt die Plazenta genug
Progesteron und Östradiol produziert.
Gonadotropine werden medizinisch indiziert bei Kryptorchismus (Zurückbleiben eines oder beider
Hoden in der Bauchhöhle oder im Leistenkanal), sofern nicht mechanisch bedingt, bei
Hypogenitalismus (Unterentwicklung der Geschlechtsorgane), sowie primärer und sekundärer
Amenorrhoe (Fehlen der monatlichen Regelblutung). Ebenfalls kann bei Sterilität infolge zu
geringer Spermienproduktion mit hCG (und anderen Gonadotropinen) therapiert werden.
®
®
Handelspräparate sind etwa Predalon , Pregnesin u.a.
2.3.2 Einsatz im Sport: Erhöhung der Testosteronproduktion
Was bei der Frau die Eierstöcke sind, ist beim Mann der Hoden. Aufgrund der Ähnlichkeit des
hCGs mit dem luteinisierenden Hormon (LH, siehe Menstruationszyklus) ruft hCG im Körper des
Mannes dieselbe Wirkung hervor wie dieses. Die Anwendung von hCG bei Männern bewirkt also,
dass die körpereigene Produktion von Testosteron erhöht wird; es übt damit einen direkten Einfluss
auf die Hodenaktivität aus. Diese Erhöhung erfolgt bereits zwei Stunden nach der Einnahme und
hat eine zusätzlich gesteigerte Grundaggressivität beim Athleten zur Folge, welche gerade in
Wettkämpfen oft erwünscht ist. Ein Teil des gebildeten Testosterons wird nach einiger Zeit in
Östrogen umgewandelt. Diese Umwandlung führt über einen Rückkopplungsmechanismus zu
einer weiteren Steigerung des Testosteronspiegels. Damit ergeben sich zwei Einsatzgebiete für
hCG im Sport:
a) Kurz- und mittelfristige Steigerung der Testosteronproduktion beim Mann.
b) Zusätzliche Aktivierung der Testosteronproduktion im Anschluss an die Verwendung
anaboler Steroide.
Der Unterschied zu den anabolen Steroiden besteht darin, dass diese dem Testosteron ähnliche
Substanzen sind, während es durch hCG zu einer gesteigerten Testosteronproduktion kommt.
Da Männer kein oder nur sehr wenig hCG synthetisieren, kann der Nachweis von hCG bei
männlichen Sportlern oberhalb eines Konzentrationsgrenzwertes im Urin auf eine exogene Gabe
und damit auf Doping zurückgeführt werden.
hCG (human chorionic gonadotropine) ist ein Proteinhormon,
welches in der Plazenta gebildet wird (Maximum im 2. bis 3.
Schwangerschaftsmonat).
Wirkungen:
- Anregung der Steroidhormonproduktion
- Unterhalt des Gelbkörpers
55
MODUL I: Hormone im Sport
Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
LERNKONTROLLE KAPITEL 2
Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob
Sie den Stoff dieses Kapitels verstanden haben.
Aufgabe 2.5
Welche möglichen Vorteile ergeben sich, wenn Hormone als Prohormone oder Präprohormone produziert werden?
Aufgabe 2.6
Bei einigen Spitzensportlern kann man beobachten, dass sie plötzlich beginnen
Zahnspangen zu tragen. Können Sie sich einen Grund (natürliche zahnmedizinische
Gründe ausgeschlossen) vorstellen, warum bei diesen erwachsenen Sportlern das Tragen
einer Zahnspange notwendig wird?
Aufgabe 2.7
Welche Rolle spielt das Choriongonadotropin (hCG) in der Schwangerschaft?
Aufgabe 2.8
Warum wird EPO als Dopingmittel eingesetzt? Welches sind seine leistungsfördernden
Eigenschaften und welche Gefahren sind damit verbunden?
Aufgabe 2.9
Erklären Sie, warum bei einer Einnahme von EPO zusätzlich Eisen zugeführt werden sollte.
56
MODUL I: Hormone im Sport
Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest
3 NACHWEIS VON HCG IM URIN:
SCHWANGERSCHAFTSTEST
Inhalt
3
NACHWEIS VON HCG IM URIN: SCHWANGERSCHAFTSTEST
3.1
Das Prinzip des Nachweises: ELISA
3.1.1
3.2
59
Grundlagen immunologischer Nachweisverfahren
Experimentelle Vorschrift
3.2.1
57
59
60
Nachweis von human Choriongonadotropin (hCG) im Urin: solid phase immunoassay
LERNKONTROLLE KAPITEL 3
60
62
Lernziele
1.
Sie verstehen den prinzipiellen Mechanismus des ELISA-Verfahrens und des Schwangerschaftstests
2.
Sie weisen hCG in präparierten Proben im Labor nach und können das Experiment deuten
57
MODUL I: Hormone im Sport
Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest
Nach dem Einnisten eines befruchteten Eis in der Gebärmutter steigt die Konzentration des
Hormons hCG im Blut und Urin stark an. Mit einem Schwangerschaftstest kann man diese erhöhte
hCG-Konzentration im Urin messen. Der qualitative immunologische Nachweis von hCG im Harn
und im Blutserum dient als Schwangerschaftstest (Abb. 3.1 und 3.2). Dabei wird hCG durch eine
Antigen-Antikörper-Reaktion – z.T. mit monoklonalen Antikörpern – nachgewiesen. Maximale
Werte werden zwischen dem 60. und 90. Tag der Schwangerschaft erreicht. Abfallende oder
verminderte
hCG-Werte
deuten
u.a.
auf
drohende
Fehl-
oder
Frühgeburt
oder
schwangerschaftsspezifische Erkrankungen hin. Erhöhte Werte können neben Abnormitäten
ebenfalls auf eine Mehrlingsschwangerschaft hinweisen. Moderne Schwangerschaftstests zeigen
eine Schwangerschaft direkt nach Ausbleiben der Regel oder sogar schon 10 Tage nach dem
Geschlechtsverkehr an. Die Vorgehensweise ist bei den einzelnen Tests etwas unterschiedlich; sie
können jedoch zu jeder Tageszeit durchgeführt werden. Bei den modernen Verfahren wird einfach
ein Teststab oder ein -plättchen mit Urin benetzt und nach einer kurzen Zeit kann das Ergebnis
abgelesen werden. Die meisten Tests bestehen aus einem Kontrollfeld, welches sich verfärbt und
anzeigt, ob das Prozedere korrekt durchgeführt wurde, und einem Ergebnisfeld, das nur bei einer
Schwangerschaft seine Farbe verändert. Bereits leichte Farbänderungen an der richtigen Stelle im
Ergebnisfeld deuten auf eine Schwangerschaft hin. Der Test sollte dann jedoch nach einigen
Tagen wiederholt werden. Auch wenn der Test negativ war, die Monatsblutung jedoch ausbleibt,
macht es Sinn, den Test zu wiederholen.
Da verschiedene Tumore (wie Leber, Pankreas, Magen oder Gonaden) hCG produzieren, findet
hCG auch Verwendung als Tumormarker.
58
MODUL I: Hormone im Sport
Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest
3.1 Das Prinzip des Nachweises: ELISA
Der Name dieses Verfahrens stammt aus dem englischen Enzyme Linked Immuno-Sorbent Assay,
oder eben kurz ELISA. Es handelt sich dabei um ein immunologisches Nachweisverfahren,
welches auf der Reaktion des zu bestimmenden Hormons (Antigen, Ag) mit spezifischen
Antikörpern (Ak) beruht. Der Vorteil solcher Immunoassays besteht in der Einfachheit ihrer
Durchführung und in der hohen Spezifität und Empfindlichkeit (die Nachweisgrenze liegt im
-12
Pikomol-Bereich; 10
mol). Im Prinzip lassen sich mit Immunoassays sämtliche Substanzen
nachweisen, gegen die Antikörper erzeugt werden können. Das weit verbreitete ELISA-Verfahren
vereint
die
hohe
Spezifität
der
Immunreaktion
mit
der
Empfindlichkeit
einfacher,
spektrophotometrisch auswertbarer Enzymtests. Das Prinzip der Methode ist auf den Seiten 59/60
schematisch wiedergegeben.
3.1.1 Grundlagen immunologischer Nachweisverfahren
Grundlage eines immunologischen Nachweisverfahrens ist die Antigen-Antikörper-Reaktion, das
heisst die spezifische Bindung eines zu bestimmenden Hormons (Ag) durch entsprechende
Antikörper:
Ag + Ak
Ag-Ak
Nach dem Massenwirkungsgesetz gilt:
[Ag − Ak ] = K = 10
[Ag ]⋅ [Ak ]
5
bis 108 für gute Antikörpe r
Die Bildung des Ag-Ak-Komplexes ist abhängig von: -
59
Konzentration der Teilnehmer
Temperatur
Salzkonzentration
pH
MODUL I: Hormone im Sport
Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest
3.2 Experimentelle Vorschrift
3.2.1 Nachweis
von
human
solid phase immunoassay
Choriongonadotropin
(hCG)
im
Urin:
Hinweis
Je nach verwendetem Produkt kann untenstehendes Schema abweichen! Die genauen
Durchführungen bzw. Ablaufschemata sind jeweils den Packungsbeilagen zu entnehmen.
Material und Chemikalien
-
„one step pregnancy Test“, SUBAG, Bestellnummer BSP-121
-1
-1
hCG, Sigma; pro sample 200 – 300 mIU·mL (maximal 5 µL·mL )
Einweg-Pipetten (im Lieferumfang enthalten)
-1
-1
-1
-1
PBS-Puffer (137 mmol·L NaCl, 2.7 mmol·L KCl, 8.1 mmol·L Na2HPO4, 1.5 mmol·L
KH2PO4, pH 7.2)
p-Nitroaniline, FLUKA
Experimentelle Durchführung (exemplarisch)
1. Schritt: Die Urinprobe wird auf das Probenfeld (sample field, S) aufgetragen. Unter dem
Probenfeld liegt ein Kissen, das den spezifischen Antikörper gegen hCG enthält, der mit
einem roten Farbstoff markiert wurde. Ist hCG in der Urinprobe enthalten, wird es vom
spezifischen Antikörper gebunden und es entstehen hCG-Antikörper-Komplexe (Å
erste Immunreaktion). Die hCG-Antikörper-Komplexe und die überschüssigen rot
markierten freien Antikörper wandern mit der Flüssigkeit auf dem Teststreifen weiter
(Abbildung 3.1).
C
T
S
Legende:
+
Spezifischer Antikörper gegen hCG, an roten Marker gebunden
hCG (human Choriongonadotropin) in der Urinprobe
Abbildung 3.1. 1. Schritt des hCG-solid-phase Immunoassays. Erklärungen im Text.
60
MODUL I: Hormone im Sport
Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest
2. Schritt: Die hCG-Antikörper-Komplexe der 1. Immunreaktion werden im Testfeld (T-Feld) durch
einen zweiten spezifischen Antikörper gegen hCG, welcher auf dem Testfeld fixiert ist,
zurückgehalten (gebunden) und es entsteht eine rote Bande (Å 2. Immunreaktion).
Überschüssige freie rot markierte Antikörper wandern mit der Flüssigkeit auf dem
Teststreifen weiter (Abbildung 3.2).
C
T
S
Legende:
Spezifischer Antikörper gegen hCG, fixiert auf dem Teststreifen
Abbildung 3.2. 2. Schritt des hCG-solid-phase Immunoassays. Erklärungen im Text.
3. Schritt: Die überschüssigen rot markierten freien Antikörper werden im Kontrollfeld (C-Feld)
zurückgehalten und es entsteht eine rote Bande (Å 3. Immunreaktion; Abbildung 3.3).
C
?
T
C
TS
Abbildung 3.3. Teststreifen nach Auftragen einer hCG-positiven Urinprobe
(positiver Schwangerschaftstest)
61
MODUL I: Hormone im Sport
Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest
LERNKONTROLLE KAPITEL 3
Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob
Sie den Stoff dieses Kapitels verstanden haben.
Aufgabe 3.1
Welche Bedingungen müssen im Kontrollfeld C vorliegen, damit die freien rot markierten
Antikörper zurückgehalten werden und so auch im C-Feld ein rote Bande erscheint?
Aufgabe 3.2
Wozu braucht es das C-Feld?
Aufgabe 3.3
Wie sieht das Resultat für eine hCG-negative Urinprobe aus?
Aufgabe 3.4
Die Hormone hCG, LH, FSH und TSH bestehen alle aus zwei Peptidketten α und β, wie sie
unten schematisch abgebildet sind. Antikörper werden meist nur gegen gewisse kleine
Regionen der Peptidkette gebildet. Welche Regionen des hCG würden Sie auswählen, um
Antikörper gegen hCG herzustellen?
α
β
hCG
α
β
LH
α
β
FSH
α
β
TSH
62
"Die Sportart hat ihre Unschuld verloren" ... "so ein
Scheisskerl, der macht alles kaputt"
(Walter Hofer, Renndirektor des Weltskiverbands zur positiven
Dopingkontrolle des russischen Skispringers Dimitri Wassiljews)
MODUL II
MISSBRAUCHTE
MEDIKAMENTE
DIURETIKA UND ANALGETIKA
Inhalt des Moduls
1
2
3
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll?
Die Niere
63
Ein zweiter Exkurs: Hormone bestimmen,
wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
77
Hilfe beim Wasser lösen – Diuretika
85
Ein dritter Exkurs: Aua – das schmerzt
104
Wie Schmerzen mit einem Lächeln
weggesteckt werden können – Analgetika
116
Praktikumsanleitungen
130
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
Allgemeines
Thema
Das Thema dieses Moduls sind zwei Klassen von Medikamenten: Diuretika und Analgetika.
Diuretika greifen in den Wasser- und Elektrolythaushalt unseres Körpers ein, während
Analgetika als Schmerzmittel wirken. Sie lernen in diesem Modul einerseits warum diese
beide
Substanztypen
als
Dopingmittel
Verwendung
finden.
Anderseits
sind
die
Wirkungsmechanismen dieser Medikamente genauer beschrieben. Dazu wird eingangs auf
grundlegende Wirkungsweisen im Körper und auf biochemische Abläufe eingegangen.
Lektionsablauf
Lesen Sie zuerst die Lernziele und dann den Theorieteil genau durch. Danach führen Sie mit
einer Kollegin oder einem Kollegen die vorgeschriebenen Experimente sorgfältig aus. Wenn
Sie nicht sicher sind, fragen Sie Ihre Lehrkraft nach den zu treffenden Vorsichtsmassnahmen.
Nach jedem Abschnitt hat es kleinere Aufgaben. Sie sollen von Ihnen alleine gelöst werden.
Die Lösung zu allen Aufgaben finden Sie im Anhang A. Bearbeiten Sie dieses Kapitel so
lange, bis Sie sich sicher fühlen.
64
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
EIN ERSTER EXKURS: RECYCLING ODER AUF DEN
MÜLL? DIE NIERE
Inhalt
EIN ERSTER EXKURS: RECYCLING ODER AUF DEN MÜLL? DIE NIERE
65
LERNKONTROLLE EXKURS 1
76
Lernziele
1.
Sie kennen den Aufbau der Niere
2.
Sie wissen, welche Funktionen die Niere übernehmen muss
3.
Sie kennen die Transportmechanismen in den Zellen des Nephrons
65
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
Lesen Sie die Texte zur Niere in Biologie heute SII S. 107-109.
Die wichtigsten Punkte finden Sie noch einmal im folgenden Abschnitt und im anschliessenden
Steckbrief:
Die Niere wird unterteilt in die Rindenschicht, die das äussere Drittel der Niere umfasst, und die
Markschicht, aus dem das Innere der Niere besteht. Sogenannte Nephrone, eine Art Röhren, und
Sammelrohre füllen die Rinde und das Mark aus. Die menschliche Niere enthält etwa eine Million
Nephrone. Dies entspricht einem Kanalsystem von 80 km Länge. 80 % der Nephrone befinden sich
ausschliesslich in der Rindenschicht und werden auch oberflächliche Nephrone genannt, 20 %
verlaufen bis in die innere Markzone und sind dementsprechend tiefe Nephrone. Die Nephrone sind
eng umschlungen von Blutgefässen. Jedes Nephron besteht aus dem Glomerulus, einem
Blutkapillarknäuel, der von der Bowman-Kapsel umgeben ist, dem proximalen Tubulus, der HenleSchleife, bestehend aus dem ab- und aufsteigenden Ast, und dem distalen Tubulus. Das Nephron
mündet anschliessend in ein Sammelrohr, das für mehrere Nephrone gemeinsam ist. Das
Sammelrohr geht zum Nierenbecken und von da via Harnleiter in die Harnblase.
Die Niere ist unser Entgiftungsorgan
66
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
Kurzer Steckbrief der Niere:
1
Abbildung E1.1. Die Niere bei zunehmender Vergrösserung
-
Täglich fliessen 1000 bis 2000 L Blut in eine der beiden Nieren über die Nierenarterie ein und über
die Nierenvene aus.
-
Ultrafiltration: Beim Passieren des Glomerulus tritt ein Teil der Blutflüssigkeit wegen des
Blutdrucks in das Nephron und nimmt dabei zum Teil die im Blut gelösten Substanzen mit.
-
Moleküle mit einem Durchmesser von höchstens 6 nm (5000 u) werden ungehindert in das
Nephron gelassen.
-
Die Passage von Molekülen mit einem Durchmesser zwischen 6 und 10 nm (5000 bis 50'000 u)
wird teilweise verhindert, d.h. es besteht beschränkte Filtrierbarkeit für diese Substanzen.
-
Moleküle, die grösser als 10 nm (> 50'000 u) sind, können nicht vom Blut in das Nephron
eintreten. Da die Albumine, die kleinsten Plasmaproteine, bereits eine Masse von 70'000 u
besitzen, können Proteine den Nierenfilter praktisch nicht passieren.
-
Täglich werden rund 180 L Primärharn gebildet.
-
Der Primärharn muss auf 1.5 L Endharn (je nach Flüssigkeitsaufnahme kann das Volumen des
Endharns zwischen 500 mL und 3000 mL variieren) aufkonzentriert werden.
-
Die Aufkonzentration geschieht auf dem Weg zum Nierenbecken, der vom Nephron bis zum
Sammelrohr mit Transportepithelien ausgestattet ist.
1
Die Bilder sind zu finden unter: http://www.trautline.de/niere.htm
67
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
Untersuchen Sie eine Schweineniere. Die Anleitung können Sie
bei Ihrer Lehrkraft beziehen..
Die Ultrafiltration ist ein völlig unselektiver Vorgang. Es gelangen also auch Moleküle in das Nephron,
die ihre Funktion im Blut weiter ausüben müssen (Vitamine, Glucose usw.). Diese für den Körper
wichtigen Bestandteile müssen deshalb zurückgewonnen werden. Dieser selektiv stattfindende
Vorgang wird Reabsorption (Rückresorption) genannt. Jeder Teil des Nephrons übernimmt dabei eine
spezielle Aufgabe. So werden Glucose und Aminosäuren ausschliesslich im proximalen Tubulus
reabsorbiert (in Abb. E1.2 nicht eingezeichnet), während der distale Tubulus durch das Hormon
Aldosteron gezielt an der Reabsorption von Wasser beteiligt ist.
Der letzte im Nephron stattfindende Vorgang wird Sekretion genannt. Dieser ebenfalls selektive
Transport geschieht von der interstitiellen Flüssigkeit in das Nephron, also gegenläufig zur
Reabsorption. Bekannte Beispiele für die Sekretion sind organische Säuren und Basen oder Penicillin.
Jetzt wird Ordnung gemacht: Die Niere kann mit dem Aufräumen einer Wühlkiste (Blut) verglichen
werden, die sich in einem Zimmer befindet (Körper). Dazu dient ein Eimer (Niere), den man mit allem
nicht mehr Brauchbaren füllen kann. Ausserhalb des Zimmers befindet sich eine Mülltonne.
Versuchen Sie diesen Vergleich in der folgenden Aufgabe zu übernehmen.
Aufgabe E1.1
Ordnen Sie die Begriffe Ultrafiltration, Reabsorption, Sekretion und
Miktion (Ausscheidung über die Harnblase) den folgenden
Tätigkeiten zu:
1.
Man kippt sämtliche Bestandteile der Wühlkiste in einen
Eimer.
2.
Jetzt werden die nützlichen Bestandteile der Wühlkiste wieder
aus dem Eimer in das Zimmer gelegt.
3.
Man gibt wieder gezielt Teile aus dem Zimmer in den Eimer.
4.
Der Inhalt des Eimers wird in die Mülltonne gekippt.
Um die Vorgänge innerhalb der Niere zu verstehen, müssen Sie sich über den Begriff „Osmolarität“,
den Sie sicher auch schon in anderen Zusammenhängen gehört haben, klar werden.
68
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
Betrachten Sie dazu die von Ihrer Lehrkraft präparierten
Hühnereier und erklären Sie die Volumenzu- bzw. –abnahme
der Eier.
Die einzelnen Regionen des Nephrons sollen nun im Folgenden dargestellt und ihre Funktionen erklärt
werden. Gehen Sie dazu Abbildung E1.2 während dieses Kapitels immer wieder genau durch und
ordnen Sie die Abbildungen E1.3 bis E1.5 dem entsprechenden Nephronabschnitt zu.
69
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
distaler Tubulus
proximaler
Tubulus
Blutzufluss
300
NH3
Blutabfluss
H
+
+
K+ Na

H2O Cl
HCO3
100
100
300
300
K+
200
400
Na+
Cl
Glomerul
us
300
H2O
Na+
Cl
HCO3
300
400 400
400
absteigender
Ast
aufsteigender
Ast
600
H2O
H2O
600 600
Na+
Cl
900
700
900
Harnstoff
1200
H2O
Harnstoff
1200
Henle-Schleife
passiver Transport
Sammelrohr
aktiver Transport
Abbildung E1.2. Schematische Funktionsweise des Nephrons. Die Zahlen geben die Osmolarität in mosm/L im
Nephron (nicht unterstrichen) und der interstitiellen Flüssigkeit (unterstrichen) an. Die
Reihenfolge der Transporte innerhalb einer Region sind willkürlich gewählt. Aktive
Transportprozesse geschehen unter Aufwendung von Energie, bei passiven
Transportprozessen wird keine Energie benötigt. Der Einfachheit halber wurden die
Blutkapillaren, die das Nephron umgeben, weggelassen.
70
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
Jeder einzelne Nephronabschnitt hat seine ganz spezielle
Aufgabe.
Der proximale Tubulus: Hier werden gezielt Stoffe aus dem Primärharn reabsorbiert, andere wiederum
gezielt aufgenommen. Einige Beispiele und ihre Bedeutung sind in der folgenden Tabelle E1.1
zusammengestellt:
Sekretion
Stoff
H
Funktion im Körper
+
Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes der
Körperflüssigkeiten
NH3
Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes der
Körperflüssigkeiten; Entgiftung
Giftstoffe aus der Leber
Entgiftung
Reabsorption
Stoff
Funktion im Körper
+
-
Na , Cl
Elektrolythaushalt
-
HCO3
Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes der
Körperflüssigkeiten
Glucose
Gluconeogenese
Aminosäuren
Proteinaufbau
+
2+
3-
2-
K , Ca , PO4 , SO4
Elektrolythaushalt
Tabelle E1.1: Wichtige reabsorbierte Stoffe aus dem Primärharn im proximalen Tubulus
+
-
+
Die wichtigste Funktion des proximalen Tubulus ist die Reabsorption von Na - und Cl -Ionen. Na Ionen diffundieren in die Zellen des Transportepithels im Austausch gegen ein Proton. Von da werden
+
+
Na -Ionen aktiv, d.h. unter ATP-Verbrauch im Austausch mit K -Ionen in die interstitielle Flüssigkeit
+
gepumpt. Diese Pumpe hält immer einen Na -Ionengradienten zwischen dem Lumen des Tubulus und
-
der Zelle aufrecht. Damit der Ladungsausgleich gewährleistet ist, diffundieren auch Cl -Ionen vom
Tubulusinnern in die interstitielle Flüssigkeit, und Wasser folgt, ebenfalls passiv, aus osmotischen
71
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
Gründen nach. Die Kalium-Ionen werden anschliessend wieder in die Blutbahn zurück transportiert.
So werden 60-70% dieser Ionen und des Wassers aus dem Ultrafiltrat reabsorbiert. Das
-
ausgetauschte Proton, das sich nun im Tubulusinnern befindet, reagiert mit HCO3 -Ionen zu Wasser
und CO2. CO2 diffundiert in die Zelle und reagiert mit Hilfe der Carboanhydratase wieder zu einem
-
-
Proton und einem HCO3 -Ion. HCO3 -Ionen diffundieren nun in die interstitielle Flüssigkeit.
Lumen des
Tubulus
-
Cl
Zellen
H 2O
+
+
Na
HCO3
-
interstitielle
Flüssigkeit;
Blutseite
H
Na
+
H
+
Na
+
K
+
HCO3
H2CO3
CO2
H 2O
H2CO3
selektiver Transport
Abbildung E1.3. Transportprozesse im
proximalen Tubulus (vgl. Abb. E1.2)
ATP-getriebener Transport
Diffusion
Der absteigende Ast der Henle-Schleife: Dieser Teil des Nephrons ist für Ionen undurchlässig, aber für
Wasser völlig permeabel. Da die interstitielle Flüssigkeit von der Rinde zur inneren Markzone immer
konzentrierter wird (die Osmolarität nimmt von 300 mosm/L in der Rinde bis zu 1200 mosm/L in der
innersten Markschicht zu), wird das Ultrafiltrat aus osmotischen Gründen kontinuierlich entwässert.
Der Transport von Wasser erfolgt somit passiv. Dieser Prozess hat zur Folge, dass die Natrium- und
Chloridionenkonzentration stark ansteigt.
Der aufsteigende Ast der Henle-Schleife: Dieser Teil wird in ein dünnes und ein dickes Segment
+
-
unterteilt. Beide Segmente sind für Na - und Cl -Ionen durchlässig, aber nur wenig für Wasser. Bei der
+
-
Passage des dünnen Segments werden Na - und Cl -Ionen passiv, beim dicken Segment aktiv, d.h.
mit Hilfe von Ionenpumpen, in die interstitielle Flüssigkeit abgegeben (Abb. E1.4). In diesem Teil
verlassen etwa 30 % der ursprünglich filtrierten Natrium-Ionen das Nephron. Der grosse Unterschied
zum proximalen Tubulus ist, dass Natrium-Ionen gleichzeitig zusammen mit Kalium- und zwei ChloridIonen in die Zelle befördert werden.
72
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Lumen
Zellen
+
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
interstitielle
Flüssigkeit;
Blutseite
+
Na
Na
+
H
H
K

2 Cl
+
Na
+
K
+
+
+
Na
K
+
-
Cl
Abbildung E1.4. Transportprozesse im
dicken Segment der Henle-Schleife
selektiver Transport
ATP-getriebener Transport
Diffusion
Der distale Tubulus: Dieser Teil des Nephrons hat ähnliche Aufgaben wie der proximale Tubulus.
+
+
Seine Hauptaufgabe ist die Kontrolle des K - und Na -, sowie des Säure-Base-Haushalts mit Hilfe von
-
Protonen und HCO3 -Ionen. Nur noch 8 % des filtrierten Natriumchlorids und 10 – 20 % des Wassers
werden hier reabsorbiert. Die gleichen Prozesse sind auch noch zu Beginn des Sammelrohrs zu
beobachten.
Das Sammelrohr: Mehrere Nephrone leiten ihren Inhalt nun zu einem Sammelrohr, das auf seinem
Weg zum Nierenbecken noch einmal die innere Markschicht durchquert und wegen des
Konzentrationsgradienten die definitive NaCl-Konzentration bestimmt. Das Sammelrohr ist für Wasser,
+
-
aber nicht für Na - und Cl -Ionen durchlässig. Auch hier wird der Urin wieder aus osmotischen
Gründen aufkonzentriert. Gegen die innere Markschicht wird das Sammelrohr zusätzlich durchlässig
für Harnstoff, der zusammen mit NaCl für die hohe Osmolarität von 1200 mosm/L verantwortlich ist.
So ist die Niere in der Lage, die Konzentrationen der darin gelösten Teilchen stark zu variieren. Bei
geringer Flüssigkeitsaufnahme wird ein Urin ausgeschieden, der bis vier Mal über der Konzentration
des Bluts (290 – 300 mosm/L) liegt. Falls jedoch eine grosse Menge Wasser getrunken wurde, kann
die Osmolarität lediglich 70 mosm/L betragen. Die Niere ist also ein äusserst anpassungsfähiges
Organ, das für den Wasser- und auch Elektrolythaushalt unabdingbar ist.
73
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Lumen
Zellen
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
interstitielle
Flüssigkeit;
Blutseite
+
Abbildung E1.5. Transportprozesse im distalen
Tubulus und zu Beginn des Sammelrohres; Die
Diffusion geschieht mit Hilfe von Kanalproteinen
Na
K
+
+
Na
H 2O
selektiver Transport
ATP-getriebener Transport
Diffusion
74
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
Aufgabe E1.2:
Vervollständigen
Sie
die
folgende
Tabelle,
indem
Sie
erwähnen, ob es sich beim Vorgang um eine Sekretion, eine
Diffusion oder eine Reabsorption handelt. Unterscheiden Sie
zusätzlich, falls möglich, zwischen passiven und aktiven
Vorgängen:
Ort im Nephron
Stoff
Proximaler Tubulus
Na -Ionen
Proximaler Tubulus
Cl -Ionen
Proximaler Tubulus
Wasser
Proximaler Tubulus
Ammoniak (NH3)
Proximaler Tubulus
Glucose (C6H12O6)
Absteigender Ast
Wasser
Aufsteigender Ast
Na -Ionen
Aufsteigender Ast
K -Ionen
Distaler Tubulus
K -Ionen
Distaler Tubulus
Na -Ionen
Distaler Tubulus
Wasser
Sammelrohr
Wasser
Vorgang
+
-
+
+
+
+
75
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
LERNKONTROLL EXKURS 1
Aufgabe E1.3
Der pH-Wert des extrazellulären Raums beträgt 7.40. Bereits ab einem pH unter 7.37 spricht
man von einer Acidose, also einer krankhaften pH-Wertveränderung nach unten. Bei pHWerten über 7.44 spricht man in der Medizin von einer Alkalose, also einem zu hohen pHWert. 75 % der Pufferkapazität des extrazellulären Raumes übernimmt das CO2 / HCO3Puffersystem:
&2+2D+&2D+&2+
Die Lungen sind für die CO2-Konzentration im Körper zuständig, die Nieren für die
Hydrogencarbonationenkonzentration. In welchem Teil der Niere wird diese Konzentration
reguliert? Wie läuft der genaue zelluläre Mechanismus ab?
Aufgabe E1.4
Bei schweren Acidosen im extrazellulären Raum produziert die Niere viel mehr Ammoniak
(NH3) als unter normalen Umständen und scheidet ihn in das Innere des Nephrons aus. Bei
schweren Alkalosen hingegen kann die Ammoniakproduktion zum Erliegen kommen.
Begründen Sie diese Tatsache.
Aufgabe E1.5
Welcher Teil der Niere ist geschädigt, wenn im Urin eine erhöhte Proteinausscheidung messbar
ist (sogenannte Proteinurie)?
Aufgabe E1.6
Die Henle-Schleife ist nicht bei allen Säugern gleich lang. Wie lang ist im Vergleich zur
menschlichen Niere die Henle-Schleife eines Känguruhs bzw. eines Bibers? Welche
Konsequenzen hat diese unterschiedliche Länge auf den Urin?
76
MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
EIN ZWEITER EXKURS: HORMONE BESTIMMEN,
WIE OFT WIR AUF DIE TOILETTE RENNEN MÜSSEN
Inhalt
EIN ZWEITER EXKURS: HORMONE BESTIMMEN, WIE OFT WIR AUF
DIE TOILETTE RENNEN MÜSSEN
77
i)
Aldosteron und Angiotensin ΙΙ
78
ii)
Vasopressin
80
iii)
Natriuretisches Atriumpeptid (ANF)
81
iv)
Zusammenfassung
82
LERNKONTROLLE ZWEITER EXKURS
84
Lernziele
1.
Sie kennen alle für die Nieren relevanten Hormone
2.
Sie wissen, welche Auswirkungen die entsprechenden Hormone auf den Wasserhaushalt haben
77
MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
Die Steuerung des Wasserhaushalts geschieht mit drei unterschiedlich wirkenden Hormonen:
Aldosteron gekoppelt mit Angiotensin ΙΙ, Vasopressin und das natriuretische Atriumpeptid (ANF).
1
2
Diese Hormone sind gleichzeitig auch verantwortlich für den Natrium- und Kaliumhaushalt. Gehen Sie
jedes Hormon oder Hormonsystem sorgfältig durch.
Aldosteron, Angiotensin II und Vasopressin vermindern die
Wasserausscheidung,
während
sie
vom
natriuretischen
Atriumpeptid erhöht wird.
i)
Aldosteron und Angiotensin ΙΙ
Bei diesem Hormonsystem spielen viele Substanzen zusammen, damit eine Antwort des Körpers
erfolgen kann. Vergleichen Sie jede Aussage im folgenden Abschnitt mit der Abbildung E2.2. So
können Sie sich immer im System orientieren.
JODWWH
0XVNXODWXU
$&(
O
OH
CH2 OH
CH
C O
1HEHQQLHUH
$QJLRWHQVLQ,,
O
Abbildung E2.1. Aldosteron
5HQLQ
1LHUH
Aldosteron ist das beim Menschen wichtigste
5HL]
Mineralcorticoid. Vergleichen Sie seine Struktur
mit den Sexualhormonen im Modul I Kapitel 1.
Ausgeschüttet wird Aldosteron bei einem Absinken
der
/HEHU
Natrium-
bzw.
einem
Anstieg
der
Kaliumionenkonzentration im Blut, oder bei der
Abnahme der extrazellulären Flüssigkeit. Von
Abbildung E2.2. Das Renin-AngiotensinAldosteron-System (RAAS).
Erklärungen siehe Text
besonderer
Bedeutung
Aldosteronausschüttung
3
ist
für
das
die
Renin-
Angiotensin-System . Die Protease Renin wird von
1
Auch antidiuretisches Hormon (ADH) oder Adiuretin genannt.
Auch Auriculin, Atriopeptin oder atrialer natriuretischer Faktor (ANF) genannt.
3
Auch Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) genannt.
2
78
MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
den Nieren aufgrund einer gesunkenen Natriumionenkonzentration in der extrazellulären Flüssigkeit
oder einem tiefen Blutdruck in die Blutbahn ausgeschüttet. Dort spaltet sie vom Angiotensinogen, ein
hauptsächlich von der Leber produziertes Protein, das Decapeptid Angiotensin Ι ab. Durch eine
weitere Peptidase (Angiotensin-Konversionsenzym: ACE) werden vom Angiotensin Ι zwei weitere
Aminosäuren abgespalten, so dass das Octapeptid Angiotensin ΙΙ entsteht. Angiotensin ΙΙ ist
wesentlich an der Blutdruckregulation beteiligt und stellt den grössten Stimulus für die
Aldosteronsekretion in den Nebennieren dar. Es hat also die zwei Funktionen, dass es einerseits
direkte Stoffwechselvorgänge auslöst, andererseits die Ausschüttung eines weiteren Hormons bewirkt.
Angiotensin ΙΙ stimuliert die Zellen des proximalen Tubulus, vermehrt Natrium-Ionen und somit
osmotisch auch Wasser aufzunehmen und diese zwei Substanzen in die interstitielle Flüssigkeit
weiterzuleiten (vgl. Abb. E1.3). Dies vermindert die Ausscheidung dieser zwei Substanzen im Harn,
was eine Zunahme des Blutvolumens und des Blutdrucks bewirkt. Neben Angiotensin II wirkt auch
Aldosteron auf die Zellen des distalen und proximalen Tubulus, indem es via Transkription die
Biosynthese der Natriumkanäle und der NaK-ATPase erhöht. Zusätzlich werden einige Enzyme des
Citratcyklus vermehrt gebildet, damit genügend ATP für die NaK-ATPase zur Verfügung steht. Somit
werden vermehrt Natrium-Ionen und folglich auch Wasser reabsorbiert. Unter entsprechenden
Umständen
kann
die
durch
die
Natriumreabsorption
ausgelöste
Wasserreabsorption
eine
Ödembildung im Körper zur Folge haben.
Lumen des
A
R
Nephrons
Zellkern
R A
Na+
R
mRNA
A
Blutseite
Mitochondrium
Na+
Proteinbiosynthese
K+
Zelle
Abbildung E2.3. Aldosteronwirkung. Aldosteron (A) bindet an seinen Rezeptor (R). Zusammen stimulieren sie,
nach einer Konformationsänderung, im Zellkern die Transkription gewisser Gene, die verantwortlich sind für die
Biosynthese von Kanalproteinen und Proteine für den Citratcyklus, damit genügend ATP für die NaK-ATPase
vorhanden ist.
79
MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
Aufgabe E2.1:
Welche Substanzen sind am RAAS beteiligt?
Welche davon wirken direkt auf die Niere?
Was sind die Folgen dieses Systems auf den ganzen Körper?
ii)
Vasopressin
Auch Vasopressin wirkt wie Aldosteron antidiuretisch, d.h. es vermindert die Wasserausscheidung.
Vasopressin wird im Hypophysenhinterlappen bei einer Zunahme der Serumosmolarität produziert.
Seine Wirkung erfolgt durch eine Wasserrückresorption im Sammelrohr, indem es den Transport von
4
Wasser- und Natriumionenkanälen an die Zelloberfläche auslöst. Das Resultat ist eine erhöhte
Aufnahme von Wasser aus dem Sammelrohr ins Blut. Nicotin und Morphin stimulieren die
Ausschüttung von Vasopressin, Ethanol dagegen hemmt seine Ausschüttung, was zu einem erhöhten
Wasserverlust über die Nieren führt. Einige der Symptome des Alkoholkaters sind auf diese
Entwässerung zurückzuführen. Ein Mangel an Vasopressinsekretion kann zu einer erhöhten
Wasserausscheidung führen, wobei der Harn stark verdünnt ist. Im Extremfall können Werte bis 40 L
pro Tag beobachtet werden.
Vasopressin und Aldosteron haben also ähnliche Wirkungen, ihr Stimulus ist jedoch verschieden. Bei
einem Wasser- und Salzverlust infolge von Durchfall bleibt die Osmolarität gleich, d.h. keine
Ausschüttung von Vasopressin, da aber die extrazelluläre Flüssigkeit abnimmt, wird in diesem Fall
Aldosteron ausgeschüttet.
4
Obwohl Wasser die meisten Membrane durch Diffusion überwinden kann, gibt es einige spezialisierte Zellen wie die
Nierenepithelien und die Erythrocyten (rote Blutkörperchen), die zusätzlich Proteinporen besitzen, die als Wasserkanäle
dienen. Mit diesen sogenannten Aquaporinen wird der Wassertransport durch die Zellmembran erleichtert.
80
MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
V
R
Lumen des
Nephrons
A
Blutseite
R V
ATP
A
cAMP
H2O
Zelle
Abbildung E2.4. Vasopressinwirkung. Vasopressin (V) bindet an seinen Rezeptor (R), der mit einer
Adenylatcyklase (A) assoziiert ist. Die Bindung bewirkt die Produktion des „second messengers“
cAMP, der über mehrere Zwischenschritte einen Transport von Wasserkanälen, die in Vesikeln
bereit stehen, an die Zelloberfläche bewirkt.
Aufgabe E2.2
Stellen Sie die Reize und der Mechanismus von Vasopressin
und dem RAAS einander gegenüber.
iii)
Natriuretisches Atriumpeptid (ANF)
Bis jetzt haben Sie zwei Hormonsysteme kennengelernt, die eine ähnliche Wirkung auf die Niere
erzielen. Nun werden Sie aber auch noch den erst seit kurzem bekannten Antagonisten kennenlernen.
Natriuretisches Atriumpeptid (ANF) wird von Muskelzellen im rechten Vorhof des Herzens
synthetisiert. Durch eine Kochsalz- oder Volumenbelastung des Bluts steigt die Vorhofdehnung und
damit
auch
der
Vorhofdruck.
Dieser
Reiz
bewirkt
die
Ausschüttung
des
ANF.
Die
Natriumrückresorption im distalen und proximalen Tubulus wird gehemmt. Zusätzlich wird die
Aldosteronausschüttung unterbrochen, indem ANF direkt auf die Nebennierenrinde wirkt. Ausserdem
wird auch die Reninfreisetzung vermindert.
81
MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
iv)
Zusammenfassung
Angiotensin-Aldosteron und Vasopressin sind Hormone zur Wasser- und Elektrolyteinsparung, ihr
Antagonist dabei ist das ANF.
Aufgabe E2.3:
Vervollständigen Sie die folgende Abbildung (E2.5) mit den
richtigen Hormonen und Peptiden:
82
MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
Abnahme der Plasmaosmolarität
Absinken der Natriumkonzentration
Ansteigen der Kaliumkonzentration
Anstieg des Plasmavolumens
??????
??????
Wasser- und
Na -Ausscheidung
+
Filtration im
Glomerulus
peripherer
Gefässwiderstand
??????
??????
??????
Natriumverlust
Hemmt
Stimuliert
Abbildung E2.5: Wechselwirkung der am Wasser- und Elektrolythaushalt beteiligten Hormone
83
MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
LERNKONTROLLE ZWEITER EXKURS
Aufgabe E2.4
Eine besonders hohe Konzentration von Aldosteronrezeptoren findet man neben der Niere
auch in den Schweissdrüsen und dem Darm. Begründen Sie diesen Befund.
Aufgabe E2.5
ANF hat in der Niere direkt folgende Auswirkungen:
a) Erhöhte Filtrationsrate im Glomerulus.
b) Die Na+-Ionen-Reabsorption wird gehemmt.
c) Die Aldosteronfreisetzung in der Nebennierenrinde ist gehemmt.
d) Renin wird kaum mehr ausgeschüttet.
e) Die Ausschüttung von Vasopressin ist ebenfalls gehemmt.
Geben Sie bei jedem Punkt an, was die Folgen sind.
Aufgabe E2.6
Welche Symptome erwarten Sie bezüglich der Aufgabe der Niere bei den folgenden
Erkrankungen?
a) Eine durch Krebs ausgelöste Überfunktion der Nebennierenrinde erhöht die
Aldosteronausschüttung.
b) X-chromosomal vererbter „Diabetes insipidus“ hat zur Folge, dass keine
Vasopressinrezeptoren am Nephron sind.
Aufgabe E2.7
Durch eine schwere Durchfallerkrankung geht dem Körper viel Wasser mit den darin
gelösten Ionen verloren. Wie reagieren die drei Hormonsysteme auf diesen Verlust?
84
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
1 HILFE BEIM WASSER LÖSEN – DIURETIKA
Inhalt
1
HILFE BEIM WASSER LÖSEN – DIURETIKA
85
1.1
Diuretika – Übersicht und Unterteilung
86
1.2
Wirkung der Diuretika
87
1.2.1
Osmotische Diuretika
88
1.2.2
Diuretika vom Sulfonamid-Typ
88
1.2.2.1
1.2.2.2
1.2.2.3
1.2.3
88
89
92
Kaliumsparende Diuretika
1.2.3.1
1.2.3.2
1.2.4
1.3
Carboanhydratase-Hemmer
Thiazid-Diuretika
Schleifen-Diuretika
95
Aldosteron-Antagonisten
Cycloamidin-Derivate
95
96
Xanthin-Derivate
97
Anwendung der Diuretika im Sport
100
LERNKONTROLLE KAPITEL 1
103
Lernziele
1.
Sie kennen die Diuretikaklassen und ihre Wirkungen im Nephron
2.
Sie wissen, welche Proteine vom jeweiligen Diuretikum (sing. von Diuretika) beeinflusst wird
3.
Sie kennen die chemische Struktur von mindestens einem Diuretikum pro Klasse
85
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
1.1 Diuretika – Übersicht und Unterteilung
Informieren Sie sich unter
www.dopinginfo.ch
über die Klasse der Diuretika
Als Diuretika werden Stoffe bezeichnet, die eine erhöhte Harnausscheidung (Diurese) zur Folge
haben. Bewirken Sie zusätzlich auch eine erhöhte Salzausscheidung, spricht man von Saluretika. Sie
wirken, im engeren Sinn, direkt auf die Niere ein. Die Diuretika werden in der Medizin bei Ödemen, zu
1
hohem Blutdruck, bei Herzmuskelschwäche und bei einem Schock eingesetzt. Im letzten Fall besteht
die Gefahr, dass die Niere ihre Harnproduktion einstellt, was mit einem Diuretikum verhindert werden
soll. Da alle Diuretika eine erhöhte Urinausscheidung zur Folge haben, werden sie auch bei
Vergiftungen eingesetzt, damit der Giftstoff möglichst rasch wieder ausgeschieden wird. Als
Nebenwirkungen entstehen möglicherweise Thrombosen, da das Blut „eingedickt“ wird. Eine längere
Anwendung von Diuretika kann auch zu einem Kollaps führen, da die Abnahme des Blutvolumens zu
einem Blutdruckabfall führt. Alle Diuretika hemmen die Reabsorption von Natrium-Ionen, und so
indirekt auch von Wasser. Als Angriffspunkte kommen somit sämtliche Regionen des Nephrons in
Frage, in denen Natrium, meist im Austausch gegen Kalium-Ionen oder Protonen, reabsorbiert wird.
Die Diuretika werden einerseits nach ihrer chemischen Struktur, andererseits nach ihrem Wirkungsort
oder Wirkungsart eingeteilt:
•
Osmotische Diuretika:
•
Diuretika vom Sulfonamid-Typ: Enthalten alle eine Sulfonamidgruppe (-SO2NH2)
-
Carboanhydratase-Hemmer:
Acetazolamid
-
Thiazid-Diuretika:
Hydrochlorothiazid, Chlortalidon, Trichlormethiazid, Butizid,
Mannit, Sorbit
Bendroflumethiazid, Indapamid
-
Schleifen-Diuretika:
Furosemid, Piretanid, Azosemid, Torasemid, Etacrynsäure,
Etozolin
•
Kalium-sparende Diuretika
-
Aldosteron-Antagonisten:
Spironolacton und Canrenon
-
Cycloamidin-Derivate:
Triamteren und Amilorid
•
Xanthin-Derivate:
Coffein, Theophyllin, Theobromin
1 Das extrazelluläre Volumen nimmt ab, und dadurch auch das Blutangebot an das Herz → keine Ödeme
86
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
1.2 Wirkung der Diuretika
Im folgenden werden immer wieder Hinweise auf Abbildungen des ersten Exkurses („Die Niere“)
gemacht. Vergleichen Sie jeweils die Angriffsorte der Diuretika mit dem ungestörten Ablauf in der
Niere.
Wie schon erwähnt wurde, wirken alle Diuretika direkt auf die Niere. Die Orte innerhalb des Nephrons,
an denen die Substanzen aktiv werden, sind jedoch unterschiedlich (Abb. 1.1).
osmotische
Diuretika
Kaliumsparende Stoffe
ACEHemmer
Thiazide
Carboanhydratase
-Hemmer
XanthinDerivate
SchleifenDiuretika
Abbildung 1.1. Wirkungsorte der Diuretika innerhalb des Nephrons. Vgl. dazu Abb. E1.2
87
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
Jede Diuretikaklasse wird im folgenden nun vorgestellt. Neben dem Angriffsort finden Sie auch die
Strukturen dieser Diuretika. Versuchen Sie sich die wichtigsten Strukturmerkmale der einzelnen
Klassen zu merken.
Je nach Angriffsort innerhalb des Nephrons entwickeln die
Diuretika eine andere Wirkung.
1.2.1 Osmotische Diuretika
Diese Klasse von Diuretika, meist Polyalkohole, die unter
CH2OH
anderem auch als künstliche Süssstoffe eingesetzt werden,
wirkt vor allem auf den proximalen Tubulus. Da die Zellen
HO C
H
keine Transportmechanismen für diese Polyalkohole haben,
HO C
H
CH2OH
H C OH
HO C
H
müssen sie mittels Infusion in die Blutbahn verabreicht
H C OH
H C OH
werden. Nach ihrer Aufnahme über den Glomerulus in das
H C OH
H C OH
CH2OH
CH2OH
Nephron binden sie osmotisch Wasser, d.h. Wasser wird zum
Lösen dieser zwei Diuretika verwendet und kann deshalb nicht
+
dem Na -Ion folgen. Die Natriumionenkonzentration im Urin
nimmt deshalb ab, was wiederum zur Folge hat, dass die
Abbildung 1.2. Lewis-Formeln von
Mannit (rechts) und Sorbit (links),
zwei osmotische Diuretika
+
Reabsorption von Na im Laufe der Zeit vermindert wird. Das
Resultat der osmotischen Diurese ist ein grosses Volumen verdünnten Harns. In der Medizin sind
heute an Stelle der osmotischen Diuretika meist Schleifen-Diuretika getreten.
1.2.2 Diuretika vom Sulfonamid-Typ
1.2.2.1
Carboanhydratase-Hemmer
Diese Diuretika wirken auf das Enzym Carboanhydratase im proximalen Tubulus (vgl. Abb. 1.1 und
2
dazugehörigen Text). Bei einer Hemmung
der Carboanhydratase wird deshalb indirekt die
Natriumreabsorption gehemmt. Dies wiederum hat eine verminderte Wasserreabsorption zur Folge.
-
Da auch die Ausscheidung von HCO3 -Ionen gefördert wird, besteht die Gefahr, dass der pH-Wert des
3
-
Blutes zu stark sinkt : weniger HCO3 -Ionen gelangen ins Blut und damit werden weniger Protonen
abgefangen. Als wichtiges Strukturmerkmal der Carboanhydratase-Hemmer ist die an einem
aromatischen Ringsystem gebundene Sulfonamidgruppe (SO2NH2).
2
Bei einer Hemmung tritt meistens eine Konformationsänderung, d.h. eine Änderung der dreidimensionalen Gestalt des
betreffenden Proteins ein. Dadurch wird es funktionsunfähig.
3
Azidose
88
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Lumen
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
interstitielle
Flüssigkeit;
Blutseite
Zellen
Cl- H2O
Na+
HCO3-
Na+
H+
Na+
H+ K+
CH3
N
N
HCO3
H2CO3
CO2
H2O
O
NH
S
H2CO3
O
S
NH2
O
Abbildung 1.3: Wirkungsort der Carboanhydratasehemmer, wie z.B. Acetazolamid; vgl. dazu auch Abb. E1.3
1.2.2.2
Thiazid-Diuretika
Da die Carboanhydratasehemmer bei einer Dauerbehandlung nicht befriedigende Resultate lieferten,
waren Forscherteams auf der Suche nach wirksameren Stoffen. Der Erfolg stellte sich ein, als man in
o-Stellung der Sulfonamidgruppe einen elektronenziehenden Substituenten einfügte, und zur Gruppe
der Thiazide kam. Die Thiazid-Diuretika haben einen Einfluss auf den frühen und mittleren Bereich
+
-
des distalen Tubulus, wo sie einen Na , Cl -Cotransport hemmen. Diese Klasse von Diuretika bewirkt
+
-
+
2+
also eine erhöhte Ausscheidung von Na - und Cl -Ionen, aber auch von K - und Mg -Ionen. Da nun
weniger Natrium-Ionen reabsorbiert werden, kann auch kein Wasser nachfolgen. Der Grund liegt in
der osmotischen Wirkung dieser Ionen. Wasser diffundiert über eine Zellmembran immer in den
Raum, in dem die grössere Elektrolytkonzentration herrscht. Bleiben die Ionen nun im Lumen des
Nephrons, bleibt auch das Wasser zurück und wird über den Harn ausgeschieden.
89
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Lumen
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
interstitielle
Flüssigkeit;
Blutseite
Zellen
ClNa+
Abbildung 1.4: Wirkungsort der Thiazide, wie z.B.
Hydrochlorothiazid
Cl
NH
HN
O
S
S
O
O
NH2
O
Von den Thiazid-Diuretika sind folgende Stoffe auf dem Markt:
5
1+
Thiazide
+12 6
2
6
5
1+
2
R1
R2
Name
-H
-Cl
Hydrochlorothiazid
-CHCl2
-Cl
Trichlormethiazid
-Cl
Butizid
-CF3
Bendroflumethiazid
-Cl
Bemetizid
&+ &+
&+
&+
&+
&+
&+
90
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
&O
5
Thiazid-Analoga
+12 6
62 1
&+
&+
5
-H
Mefrusid
-H
Chlortalidon
-OH
Xipamid
-H
Clopamid
-H
Indapamid
2
&+
2
+1
2+
2
&
+ &
1+
+ &
2
&
+ &
1+ 1
+ &
&+
2
&
1+ 1
Tabelle 1.1. Thiazid-Analoga
Suchen Sie unter
www.kompendium.ch
Medikamente, in denen einige dieser Stoffe vorkommen.
91
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
1.2.2.3
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
Schleifen-Diuretika
Lumen
Zellen
interstitielle
Flüssigkeit;
Blutseite
Diese Klasse von Diuretika kann oral
eingenommen werden. Sie entfalten
ihre Wirkung zwischen 30 Minuten und
4 Stunden. Ihr diuretischer Effekt ist
Na+
also kurz, aber heftig. Sie wirken am
K+
dicken Teil des aufsteigenden Asts der
+

2 Cl
+
Henle-Schleife, indem sie den Na , K ,
K+
-
Na+
Cl -Cotransport hemmen. Mehr als
K+
30 % der in das Nephron filtrierten
Cl
Natrium-Ionen
können
damit
zur
Ausscheidung gebracht werden. Wie
CH2 NH
O
bei den Thiaziden erfolgt auch hier
Cl
O
HOOC
S
zusätzlich eine erhöhte Ausscheidung
NH2
-
+
2+
von Cl -, K - und Mg -Ionen und
O
2+
zusätzlich auch noch von Ca -Ionen,
eine „Spezialität“ für diese Klasse von
Abbildung 1.5: Wirkungsort der Schleifen-Diuretika, wie z.B.
Furosemid; vgl. dazu auch Abb. E1.4
Diuretika.
Auch
Wasserreabsorption
hier
wird
wieder
die
aus
osmotischen Gründen gehemmt. Die Schleifen-Diuretika können unterteilt werden in solche vom
Furosemid-Typ und sonstige (vgl. Tab. 1.2). Diejenigen, die nicht zum Furosemid-Typ gehören, sind
Etacrynsäure und Etozolin. Ihre Wirkungen sind alle gleich, jedoch zeigt Etacrynsäure als
Nebenwirkung irreversible Zellschwellungen und reversible Hörschäden auf. Etozolin wird durch
Esterspaltung in die Wirksubstanz Ozolinon überführt, was zur Folge hat, dass Etozolin seine Wirkung
etwas später entfaltet. Die Wirkungsweise von Ozolinon ist noch nicht genau geklärt.
Von den Schleifen-Diuretika sind folgende Stoffe auf dem Markt:
92
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
Struktur
Name
Furosemid-Typ
Furosemid
&O
1+
+12 6
&+
2
&22+
Azosemid
&O
1+ &+
1
+ 12 6
+1 1
6
1
Piretanid
1
2
+12 6
&22+
Torasemid
&+
1+
1
2
&+
62 1+ & 1+ &+
&+
93
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
Sonstige
Etacrynsäure
+ & &+
+ &
&
&
2
&O
&O
2 &+ &22+
Etozolin
2
1
1
6
&+
&+
&
2&+
2
Tabelle 1.2. Schleifen-Diuretika
94
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
1.2.3 Kaliumsparende Diuretika
Die bis jetzt besprochenen Diuretika bewirken alle, z.T. als unerwünschten Nebeneffekt, zusätzlich
eine erhöhte Kaliumionenausscheidung. Ein zu grosser Kaliumionenverlust kann zu Muskelschwäche,
gastrointestinalen Beschwerden, Apathie und Störungen der Herzfunktion führen. Deshalb gibt es
+
neben diesen die kaliumsparenden Diuretika, die die Ausscheidung von K -Ionen verringern können.
Kaliumsparende Diuretika werden bei Patienten meist in Kombination mit Schleifen-Diuretika
verabreicht. Der Grund, dass weniger Kalium-Ionen ausgeschieden werden, liegt im Ort ihres Angriffs
im Nephron. In diesen Nephronabschnitten ist die Reabsorption der Elektrolyte weitgehend
abgeschlossen, und es geschieht nur noch eine Feinregulierung (vgl. Abb. 1.1). Unterteilt werden die
kaliumsparenden Diuretika nach ihrer Wirkungsweise in die Aldosteron-Antagonisten und die
Cycloamidin-Derivate.
1.2.3.1
Aldosteron-Antagonisten
+
+
Aldosteron fördert die Reabsorption von Na - im Austausch gegen K -Ionen (vgl. Exkurs 2 bzw.
Abbildungen E2.2 und E2.3). Dies erfolgt durch eine erhöhte Proteinsynthese für die entsprechenden
Membranproteine. Die Aldosteron-Antagonisten Spironolacton, Canrenon und Kaliumcanreonat
können nun die Rezeptoren für Aldosteron besetzen, ohne weitere Reaktionen in Gang zu setzen. Sie
haben so einen hemmenden Effekt auf Aldosteron. Ihre volle Wirkung entfalten sie aber erst nach
mehrtägiger Zufuhr, da eine Abnahme der Proteinsynthese erst bemerkbar ist, wenn die alten Proteine
ausgedient haben. Spironolacton wird im Körper zu Canreon metabolisiert. Nebenwirkungen können,
ähnlich einem zu grossen Kaliumverlust, eine Hyperkaliämie, was sich in Muskelschwäche,
gastrointestinalen Beschwerden, Apathie und Nierenfunktionsstörungen äussert, Hautausschlag,
Stimmveränderungen, Brustbildung und Potenzstörungen bei Männern, fehlen der monatlichen
Blutung, verstärkte Sexual-, Körper- und Gesichtsbehaarung und Spannungsgefühlen in den Brüsten
bei Frauen sein. Die meisten Nebenwirkungen sind auf die Steroidstruktur der Diuretika
zurückzuführen.
95
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
2+
2
+
&+
2
2
&+2+
&
2
+
+
+
+
+
+
+
6
2
2
$OGRVWHURQ
&
&+
2
6SLURQRODFWRQ
2
&22 .
2
2+
+
+
+
+
+
2
+
2
&DQUHQRQ
.DOLXPFDQUHQRDW
Abbildung 1.6. Aldosteron und seine Antagonisten
1.2.3.2
Cycloamidin-Derivate
Triamteren und Amilorid hemmen am Ende des distalen Tubulus und am Anfang des Sammelrohrs
+
+
einen Na -, H -Antiport, der sich auf der Zellwand befindet, die dem Urin zugewandt ist. Zusätzlich
bewirken sie eine Blockade der Natriumkanäle in diesem Teil des Nephrons. Nebenwirkungen sind
gastrointestinale Beschwerden und Schwindelgefühle.
96
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
Lumen
Na+
H+
interstitielle
Flüssigkeit;
Blutseite
Zellen
Na+
H+
Na+
K+
Na+
H2O
1
+ 1
1
1+
1
1
1+
+ 1
+1
& +1
+ 1
&
2
7ULDPWHUHQ
1
1+
1
&O
$PLORULG
Abbildung 1.7. Wirkungsort der Cycloamidin-Derivate; vgl. dazu Abb. E1.5
1.2.4 Xanthin-Derivate
Die Xanthin-Derivate bewirken eine erhöhte Primärharnbildung im Glomerulus. Allein dieser Umstand
führt bereits zu einer erhöhten Harnbildung. Da sie zusätzlich die Durchblutung der Niere fördern, wird
der Konzentrationsgradient innerhalb der Niere herabgesetzt, weil die im Nierenmark gelösten Stoffe
vom Blut abtransportiert werden. Diese Abnahme des Konzentrationsgradienten hat eine
Verminderung der Reabsorption zur Folge. Koffein (= Thein) kommt in Kaffeebohnen (1-2%),
Teeblätter (2-5%), Guarana (2.5 - 5%) und der Kolanuss (2%) vor, Theobromin in der Kakaobohne
(1.5 - 3%) und Theophyllin wird in geringen Mengen in Teeblätter gefunden.
97
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
2
2
2
+ &
1+
+1
1+
1+
2
1+
1
&+
.RIIHLQ
2
2
1+
1
1
1
2
;DQWKLQ
+ &
&+
1
1
+1
1+
2
&+
1
1+
&+
&+
7KHRSK\OOLQ
7KHREURPLQ
Abbildung 1.8. Natürlich vorkommende Xanthin-Derivate
98
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
Aufgabe 1.1
Vervollständigen Sie die folgende Tabelle 1.3:
Diuretika-Klasse
Angriffsort im Nephron
Osmotische Diuretika
Carboanhydratase-Hemmer
Thiazid-Diuretika
Schleifen-Diuretika
Aldosteron-Antagonisten
Cycloamidin-Derivate
99
Strukturmerkmal
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
Xanthin-Derivate
Tabelle 1.3. siehe Aufgabe 1.1
1.3 Anwendung der Diuretika im Sport
Diuretika sind seit 1988 auf der Dopingliste, und werden im Sport aus folgenden Gründen eingesetzt:
-
Zur Gewichtsreduktion in Sportarten mit Gewichtsklassen, damit der Sportler oder die Sportlerin in
einer tieferen Gewichtsklasse starten kann.
-
Durch den Einsatz von Diuretika am Wettkampfende können andere Dopingsubstanzen vertuscht
werden. Die Nachweismöglichkeiten werden dadurch erschwert, da Urin entsprechend verdünnt
wird. Dies wird in der Zwischenzeit dadurch erschwert, dass die Dichte des Urins 1.01 nicht
unterschritten werden darf.
-
Zur besseren „Definition“ von Bodybuildern, d.h. zur Wasserausschwemmung, um so eine
bessere Darstellung des Muskelreliefs zu erhalten.
Zudem hat sich bei Sprintern und Hochspringern die Praxis einer raschen Gewichtsreduktion
verbreitet. Ein Experiment mit 25 Sportlern ergab, dass Entwässerung durch Diuretika keinen
negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hatte. Jedoch kam es im Standhochsprung und bei
4
Seriensprüngen zu einer signifikanten Verbesserung der Leistung .
Diuretika werden zur Gewichtsreduktion, zur Vertuschung
anderer Dopingmittel und zur Darstellung der Muskeln
verwendet.
4
Viitasalo et al. (1987), Int. J. Sports Med. 8, p. 281-285
100
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
Auf Diuretika positive Urinproben bildeten zusammen mit den Narkotika eher die Ausnahme. Ende der
achtziger Jahre nahmen die Diuretika in Deutschland mit durchschnittlich 4% aller positiven
Urinproben den letzten Platz ein (Peptidhormone wurden noch nicht getestet). Gefunden wurde vor
allem Furosemid gefolgt von Hydrochlorthiazid und Canreon. In der Zwischenzeit nehmen die
Diuretika jedoch den dritten Platz hinter den Wachstumshormonen und den anabolen Steroiden ein.
Die stark wirkenden Schleifendiuretika führen zu einer Gewichtsreduktion von 1 bis 3 kg innerhalb
weniger Stunden. Dies kann aufgrund einer abrupten Änderung der Elektrolytzusammensetzung zu
Magenbeschwerden, Erbrechen, Durchfällen und Muskelkrämpfen führen. Zudem können bei
Männern Impotenz und bei Frauen Störung der Monatsblutung auftreten. Ein Gewichtsverlust von 3%
des Körpergewichts innerhalb 24 Stunden kann auch zu einer Überhitzung des Körpers führen, da er
die Fähigkeit, die Körpertemperatur zu regulieren, verliert. Zudem kann es zu Herzrhythmusstörungen
und schlussendlich zum Tod führen. So starben 1980 innerhalb weniger Wochen gleich zwei
Bodybuilder an den Folgen des Diuretikamissbrauchs. Aber auch der Tod mehrerer Jockeys wird auf
den Missbrauch von Diuretika vermutet. Jockeys hungern, besuchen oft die Sauna und verwenden
Diuretika um möglichst leicht zu sein. Vor allem die Kombination eines Saunabesuchs mit Diuretika,
kann besonders gefährlich sein.
An den olympischen Sommerspielen in Sydney 2000 wurden im Gewichtheben Isabela Dragneva,
Sevdalin Mintschew und Iwan Iwanow, alle aus Bulgarien, positiv auf Diuretika getestet. Weiter
wurden die kasakstanische Schwimmerin Yevgniya Yermakova und die bulgarischen Kayakfahrer
Petar Merkov und Marian Dimitrov positiv auf Diuretika getestet. Die verhältnismässig lange Liste der
Dopingsünder in Sydney führen die Bulgaren und Rumänen an. Dies führte in der „Neuen Zürcher
Zeitung“ (NZZ) zu den Fragen: „Trugen Rumänen wie Bulgaren dem verbesserten und umfassender
gewordenen Kontrollsystem zu wenig Rechnung? Oder fehlen ihnen nicht einfach die Mittel, um die
medizinische Forschung auf diesem Gebiet so rasch voranzutreiben wie Verbände reicher Länder?“
Zudem wurden angeblich mehrere positive Dopingproben (12 bis 15) vom US-Leichtathletikverband
dem internationalen Leichtathletikverband nicht weitergeleitet. Dies scheint eine gängige Praxis zu
sein, wie die NZZ auch über die olympischen Spiele in Barcelona, Atlanta und Seoul schreibt: „Doch
wie viele Proben damals vorsorglicherweise direkt in den Schubladen verschwanden, wird sich nie
eruieren lassen. Oft hatten sich in der Vergangenheit Mutmassungen um den Denkmalschutz
prominenter Athleten und um die Wahrung der mit diesen Athleten verbundenen kommerziellen
Interessen seitens der Inhaber von (US-)Fernsehrechten gerankt. Beweisen liess sich nichts.“
Im Januar 2001 wird Walter Hofer, Renndirektor des Weltskiverbands, mit den Sätzen „Die Sportart
hat ihre Unschuld verloren.“ und „So ein Scheisskerl, der macht alles kaputt.“ zitiert. Kurz zuvor wurde
bekannt, dass der russische Skispringer Dimitri Wassiljews positiv auf Diuretika getestet wurde. Der
erste offizielle Dopingfall in der Geschichte des Skispringens. Wassiljew galt als Entdeckung jenes
Winters. Er wurde Zweiter in Garmisch, Dritter in Innsbruck und Sapporo und war Elfter im Weltcup.
Für die Einnahme eines Diuretikum im Skispringen gibt es zwei mögliche Gründe:
Der deutsche Mannschaftsarzt Ernst Jakob meint, dass es „bei Skispringern Sinn macht, vor dem
Springen beispielsweise ein Kilo Körpergewicht zu verlieren“. Durch das reduzierte Gewicht fliegen die
Wettkämpfer weiter. Ein weiterer Grund liefert Hans-Georg Aschenbach, 1974 als DDR-Springer
101
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
Sieger der Vierschanzentournee, jetzt (2001) Sportarzt in Freiburg. Hintergrund für seine Vermutung
ist die Tatsache, dass die meisten Skispringer untergewichtig bis magersüchtig sind. So meint er: „Mir
stellt sich der Fall Wassiljew so dar: Wie viele andere Skispringer, gerät auch Wassiljew durch
ständiges Fasten zeitweilig in ein seelisches Tief.“ Manche Skispringer benützten Psychopharmaka,
um sich zumindest für den Wettkampf in die passende Stimmung zu bringen. Möglicherweise,
vermutet Aschenbach nun, habe der Russe, sofern er Diuretika nicht einfach zur Gewichtsreduktion
schluckte, versucht, unerlaubte Medikamente „aus seinem Körper zu spülen“. Beim Skispringen gab
es jedoch schon vor diesem ersten offiziellen Dopingfall Vermutungen, dass unerlaubte Substanzen
verwendet werden. So erinnert sich Aschenbach: „Zu meiner aktiven Zeit haben wir in der DDR mit
Wachstumshormonen unser Gewicht erhöht, um dann schneller anfahren zu können.“ In StasiProtokollen ist zudem vermerkt, dass auch Jens Weissflog, dreifacher Olympiasieger, zweifacher
Weltmeister und vier Mal Sieger der Vierschanzentournee (das letzte Mal in seiner Abschiedssaison
1994), Anabolika verabreicht worden seien, was der allerdings bestritten hat.
Die erstmalige Anwendung von Diuretika hat beim Weltskiverband FIS eine Sperre von zwei Jahren
zur Folge, im Wiederholungsfall droht eine lebenslängliche Sperre.
Kaffee als Dopingsubstanz tritt relativ selten auf. Trotzdem wurden 1997 gleich zwei Personen des
Kaffeedopings überführt. Bei der Churer Hochspringerin Sieglinde Cadusch fand man 14.4 mg Koffein
pro mL Urin anstelle der erlaubten 12 mg/mL. Die Wettkämpferin nahm das Koffein auf natürliche
Weise auf. Sie trank am morgen sechs Tassen Kaffee während sie auf ihren Trainer wartete.
Zusätzlich nahm sie am Nachmittag im Wettkampf einen halben Liter Cola zu sich, wie die Schweizer
Hochsprung-Rekordhalterin angab. Da keine bösen Absichten hinter diesem Doping waren,
beantragte der Schweizerische Leichtathletik-Verband (SLV) einen Freispruch. Der internationale
Leichtathletik-Verband IAAF jedoch sperrte sie rückwirkend drei Monate. Caduschs Resultate in dieser
Zeitspanne wurden nachträglich gestrichen. Das hatte zur Folge, dass sie ihren mit 1,88 m erzielten
Hallenmeistertitel verlor.
Im gleichen Jahr wurde auch die Schweizer Degenfechterin Michèle Wolf-Starzynski wegen KaffeeDopings zu sechs Monaten gesperrt. Dadurch musste sie an den in diesem Jahr stattfindenden
Weltmeisterschaften fehlen. Auch bei ihr wurde ein um 2 mg/mL Urin zu hohe Koffeinkonzentration
gemessen.
Ob diese zwei Fälle mit oder ohne Absicht geschehen sind, ist nicht relevant, wie die Sportverbände
schrieben. Sobald ein Grenzwert überschritten sei, muss dementsprechend gehandelt werden. Aus
diesem Grund wird vor allem auch im Schachsport vor zu vielem Kaffeegenuss gewarnt, da gerade
hier die Leistung steigernde Wirkung von Koffein wissenschaftlich bekannt ist.
102
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika
LERNKONTROLLE KAPITEL 1
Aufgabe 1.2:
Bei einer krankhaften Leistungsverminderung des Herzens mit Ödemen wird das RAAS
aktiviert. Weshalb zeigt bei diesen Patienten Triamteren, ein kaliumsparendes Diuretikum,
keine Wirkung?
Aufgabe 1.3
Weshalb ist eine Kombination von niedrigen Dosen mehrerer Diuretikaklassen wirksamer, als
die hochdosierte Monotherapie mit einem Schleifendiuretikum?
Aufgabe 1.4
Die Hemmung der Carboanhydratase durch entsprechende Diuretika verringert die
Reabsorption von Natrium-Ionen, da weniger Protonen an das Lumen abgegeben werden. Als
Folge davon steigt die Ausscheidung von Na+-, K+- und HCO3--Ionen und somit auch von
Wasser an. Welche Nebenwirkungen können Carboanhydratasehemmer haben?
Aufgabe 1.5
Aldosteronantagonisten verhindern die Bindung von Aldosteron an seinen Rezeptor. Weshalb
entfaltet diese Klasse von Diuretika ihre Wirkung erst nach zwei Tagen Therapie?
Aufgabe 1.6
Durch einen Missbrauch von Diuretika können Muskelkrämpfe entstehen. Weshalb?
Aufgabe 1.7
Aus welchen Gründen werden Diuretika verbotenerweise im Sport eingesetzt?
103
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
EIN DRITTER EXKURS: AUA – DAS SCHMERZT
Inhalt
EIN DRITTER EXKURS: AUA – DAS SCHMERZT
104
i)
Was steckt da alles unter der Haut?
105
ii)
Weiterleitung des Schmerzes
110
iii)
Hemmung des Schmerzes
112
LERNKONTROLLE DRITTER EXKURS
115
Lernziele
1.
Sie wissen, wie Schmerzen entstehen, und wie sie weitergeleitet werden
2.
Sie kennen das körpereigene schmerzhemmende System
104
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
i)
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
Was steckt da alles unter der Haut?
Schmerzen, so unangenehm sie sein mögen, sind überlebenswichtig, da sie ein Warnsignal des
Körpers auf äussere oder innere Defekte darstellen. Dabei spielt vor allem die Haut, von der aus alle
äusseren Schmerzen und Empfindungen ihren Anfang nehmen, eine wichtige Rolle. Auf einem etwa
2
3 cm grossen Stück Haut befinden sich ca. 7 Wärmepunkte, 16 Kältepunkte, 100 Druckpunkte,
700 Schmerzpunkte und 14 Meter Nerven. Alle diese „Sensoren“ bestehen aus zum Teil
unterschiedlichen Strukturen.
Im Natura II finden Sie die in der folgenden Liste aufgeführten
Strukturen auf Seite 251. Eine ergänzende Abbildung finden
Sie im Natura III auf Seite 227. Bearbeiten Sie die folgende
Liste mit diesen Bildern.
105
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
Name
Reagieren auf:
Wo
Merkel-Zellen
Druck
Direkt unter der Epidermis (oberste
Merkelsche Scheiben
Tastscheiben (mehrere
Hautschicht) der unbehaarten Haut
Direkt unter der Epidermis der behaarten
Druck
Merkel-Zellen zusammen)
Meissnersche Körperchen
Haut
Reizänderungen
Fingerspitzen, Hand- und Fusssohlen,
Augenlider, Lippen, äussere Genitalien
Dendriten
Reizänderungen
Um alle Haarwurzeln gewickelt
Pacinische Lamellenkörper
Vibrationen
Zwischen den Dendriten. Nicht nur unter
der Haut, sondern auch in Sehnen,
Muskeln und Gelenkkapseln
Kälterezeptoren
Temperaturen unter 36 °C
Nach längerer Zeit wird die Temperatur
nicht mehr empfunden → Adaption
Wärmerezeptoren
Temperaturen über 36 °C
Nach längerer Zeit wird die Temperatur
nicht mehr empfunden → Adaption
Schmerzrezeptoren
Verletzungen,
Überall unter der Haut
Temperaturen unter 20 °C
oder über 45 °C
Tabelle E3.1. Was steckt alles unter der Haut?
Fühlen Sie Ihr Temperaturempfinden gemäss der Anleitung in
Kapitel 3.
106
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Der
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
Körper
verfügt
unterschiedliche
unter
Strukturen,
der
um
Haut
Einflüsse
über
von
mehrere
Aussen
wahrzunehmen.
Im Folgenden interessieren uns die Schmerzrezeptoren, die eigentlich nur freie Nervenendigungen
darstellen. Die Zahl der Schmerzpunkte der gesamten Körperoberfläche wird auf 3.5 Millionen
geschätzt. Sie reagieren auf Substanzen, die bei einer Zellschädigung oder bei einer Störung des
Stoffwechsels frei werden. Solche Substanzen, die eigentlichen körpereigenen Schmerzstoffe, sind:
-
Protonen
-
Kalium-Ionen
-
Acetylcholin
-
Histamin
-
Serotonin
-
Kinine
-
Prostaglandine
1
Protonen und Kalium-Ionen zählen zu den wenig potenten Schmerzstoffen. So braucht es einen pH <
+
6 oder eine K -Ionenkonzentration > 20 mmol/L, damit ein Reiz auf die Schmerzrezeptoren ausgelöst
wird. Der Reiz nimmt mit zunehmender Konzentration der Protonen (abnehmendem pH-Wert) zu.
Kalium-Ionen befinden sich hauptsächlich innerhalb der Zelle. Durch eine Zellschädigung können sie
nun ins Interstitium austreten und so ihre Wirkung auf die Schmerzrezeptoren ausüben.
Acetylcholin, Histamin und Serotonin sind nicht nur Schmerzstoffe, sondern auch Neurotransmitter
(vgl. Kapitel „Nerven“). Sie müssen jedoch in relativ hohen Konzentrationen vorliegen (Histamin: > 10
-8
g/L). Acetylcholin hat noch die zusätzliche Aufgabe, die Schmerzrezeptoren für andere Schmerzstoffe
zu sensibilisieren. So kann also mit Hilfe von Acetylcholin ein Schmerz empfunden werden, der durch
die alleinige Einwirkung eines anderen Schmerzstoffs nicht empfunden würde. Serotonin ist der
effektivste Schmerzstoff unter den Neurotransmittern. Jedoch wirkt Serotonin nur in der Haut als
Schmerzstoff. Im ZNS hemmt es hingegen den Schmerz.
1
Histamin leitet sich von der Aminosäure Histidin ab, die decarboxyliert (Carboxylgruppe verloren) wurde.
107
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
3KRVSKROLSLGH
Zu den stärksten Schmerzstoffen
gehören die Kinine. Dies sind
biologisch aktive Peptide, die vom
Protein
Kininogen
Phospholipase
abgespalten
&22
werden. Bradykinin ist zum Beispiel
&+
das Nonapeptid Arg-Pro-Pro-Gly-
$UDFKLGRQDW
Phe-Ser-Pro-Phe-Arg.
Die Prostaglandine sind vor allem
an
der
Sensibilisierung
der
2
&\FORR[LJHQDVH
Schmerzrezeptoren beteiligt und
für
den
Dauerschmerz
ver-
2
&22
antwortlich. Eine wichtige Rolle
spielen sie zusätzlich auch beim
&+
2
Fieber. Ein viraler oder bakterieller
3**
2 2+
Infekt bewirkt die Bildung von
Prostaglandinen,
die
auf
den
Hypothalamus wirken. Ein Teil des
Hypothalamus dient als Thermo-
+\GURSHUR[LGDVH
H
2
&22
regulationszentrum des Körpers,
&+
d.h. er reguliert typische Reaktionen wie Schwitzen oder Wärmeproduktion im Körper. Durch die
Einwirkung auf dieses Zentrum
wird
der
Sollwert
der
Körper-
+2
2+
Abbildung E3.1. Biosynthese der Prostaglandine G2
(PGG2) und E2 (PGE2)
temperatur hinaufgeschraubt, was
nichts anderes als Fieber bedeutet.
108
3*(
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
Aufgabe E3.1:
Charakterisieren
Sie
je
mit
einem
Satz
die
sieben
Schmerzstoffe
2
3
Schmerzen können grundsätzlich in viszerale und somatische Schmerzen eingeteilt werden. Die
viszeralen Schmerzen betreffen die inneren Organe und haben einen dumpfen Charakter. Die
somatischen Schmerzen können weiter aufgeteilt werden in einen Tiefenschmerz und einen
Oberflächenschmerz. Der Tiefenschmerz wird ebenfalls als dumpf empfunden. Von ihm sind Muskeln,
Bindegewebe, Knochen und Gelenke betroffen. Ein typisches Beispiel ist der Kopfschmerz. Der
Oberflächenschmerz besteht aus zwei Bestandteilen. Einem ersten, stechenden Schmerz, der genau
lokalisiert werden kann, und einem zweiten, dumpfen Schmerz. Der stechende Schmerz bezweckt
eine Fluchtreaktion. So wird die Hand reflexartig von der heissen Herdplatte zurückgezogen. Darauf
folgt ein langsam abklingender dumpfer oder brennender Schmerz.
Oft ist Schmerz von vegetativen Reaktionen begleitet, d.h. die Herzfrequenz nimmt zu, der Blutdruck
ändert sich, die Pupillen erweitern sich. Im Extremfall sind die Schmerzen sogar von Übelkeit,
Erbrechen und Schweissausbruch begleitet.
Schmerzen können durch unterschiedliche Stoffe ausgelöst
werden, und ganz verschiedene Reaktionen zur Folge haben.
2
3
die Eingeweide betreffend
den Körper betreffend
109
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
Schmerz
9LV]HUDOHU
6FKPHU]
Somatischer
Schmerz
7LHIHQ
VFKPHU]
Oberflächenschmerz
6FKPHU]
VWHFKHQG 6FKPHU]
GXPSIEUHQQHQG Abbildung E3.2. Unterteilung des Schmerzes
ii)
Weiterleitung des Schmerzes
Dass beim Oberflächenschmerz zwei verschiedene Schmerze vorhanden sind, hat seinen Grund. Es
gibt sogenannte C-Fasern und Aδ-Fasern, also zwei verschiedene Nervenfasern, die den Reiz
unterschiedlich schnell weiterleiten. Aδ-Fasern sind myelinisiert
4
und haben eine Leitungs-
geschwindigkeit von 12-30 m/s. Der erste Schmerz wird somit von diesem Fasertyp bewirkt. Die nichtmyelinisierten C-Fasern haben lediglich eine Leitungsgeschwindigkeit von 0.5-2 m/s und sind somit für
den brennenden oder dumpfen Schmerz zuständig. Beide Nerven leiten den Schmerz nun zum
Rückenmark. Hier wird die Information „Schmerz“ einerseits verwertet und wieder zurück an die
5
Peripherie geleitet, andererseits an das Hirn geschickt .
4
vgl. Kapitel „Nerven“
Die Verarbeitung und Weiterleitung an Motoneuronen geschieht in der grauen Substanz des Rückenmarks
(Nervenzellkörper). Die auf- und absteigenden Bahnen befinden sich in der weissen Substanz des Rückenmarks
(Fasersystem).
5
110
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
Bearbeiten Sie im Natura III die Seiten 204, 205
und 216, und machen Sie die Versuche j bis l
auf Seite 205.
Lesen Sie den nun folgenden Abschnitt, indem Sie sich mit
Hilfe der Abb. E3.3 und den Abbildungen im Biologie heute
S II auf der Seite 317 orientieren.
+LQWHUVWUDQJEDKQHQ
Die Weiterleitung an das Hirn erfolgt über die
aufsteigenden Bahnen des Rückenmarks. Diese
Nervenfasern
können
wiederum
aus
den
JUDXH
6XEVWDQ]
C-Fasern oder den Aδ-Fasern bestehen. Es
werden
zwei
unterschieden.
bahnen,
die
aufsteigende
Einerseits
sich
in
die
dem
Bahnen
Hinterstrang-
Körperinneren
zugewandten Teil des Rückenmarks befinden,
ZHLVVH
6XEVWDQ]
andererseits die Vorderstrangbahnen, die auf
den
Seiten
des
Rückenmarks
sind.
Die
9RUGHUVWUDQJEDKQHQ
Hinterstrangbahnen führen Informationen über
Druck, Berührung und Tiefensensibilität zum
Abbildung E3.3. Das Rückenmark im Querschnitt
Hirn. Sie sind also für den bewussten Lagesinn
verantwortlich. Der Reiz wird an das Kleinhirn
und den Thalamus weitergeleitet. Für die bewusste Schmerzempfindung, vor allem die Lokalisation
und die Stärke des Schmerzes, ist jedoch das Grosshirn zusammen mit dem Thalamus verantwortlich.
Diese empfangen die Informationen über die Vorderstrangbahnen, die ihrerseits die Information
„Schmerz“ von den aufsteigenden Neuronen erhalten. Auch die Bewertung des Schmerzes erfolgt
über diesen Weg, d.h. die emotionalen und vegetativen Reaktionen wie Übelkeit verlaufen via
Vorderstrangbahnen, Thalamus, Hypothalamus. Beim Thalamus können zudem Schmerzen
unterdrückt werden (s. nächster Abschnitt). An den schmerzvermittelnden Synapsen sind vor allem
das Neuropeptid Substanz P und die Aminosäure Glutaminsäure beteiligt.
111
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Der
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
Schmerz
wird
über
das
Rückenmark
zur
Weiterverarbeitung der Information in das Hirn geleitet.
iii)
Hemmung des Schmerzes
Opiate wie Morphin werden schon seit Jahrhunderten zur Schmerzbekämpfung verwendet. 1680
schrieb Thomas Sydenham: „Unter den Mitteln, die der allmächtige Gott dem Menschen zur Linderung
seiner Schmerzen geschenkt hat, ist keines so umfassend und so wirksam wie das Opium.“ Der
Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner isolierte 1803 das wirksame Alkaloid und nannte es in
Anlehnung an Morpheus, den griechischen Gott des Schlafs und Traums Morphin. Weshalb hat der
menschliche Körper Rezeptoren für Morphin? Die Antwort liegt im endogenen (körpereigenen)
schmerzhemmenden System. 1975 gelang die Isolation von endogenen Morphinen (Endorphine). Die
Aufgabe des absteigenden Systems (im Gegensatz zum aufsteigenden System werden die Impulse
vom Hirn ausgesandt, im Rückenmark weitergeleitet und von da in die Peripherie geschickt) ist es,
den Schmerz zu hemmen. Dies macht Sinn, damit in Stresssituationen die Konzentration noch voll
beibehalten werden kann, solange es nötig ist. So wird der Schmerz nach einem Verkehrsunfall erst
nach Abklingen der Anspannung verspürt. Es gibt auch viele Berichte über Kriegsverletzte, die keine
Schmerzen verspürten bei Verwundungen, die normalerweise erhebliche Schmerzen verursachen.
Auch bei der Geburt wird der Schmerz der Mutter durch das endogene schmerzhemmende System
gelindert. Durch Markierungsversuche mit radioaktiven Substanzen konnten Opioidrezeptoren, die
sowohl exogene morphinähnliche, als auch Endorphine binden, im Vorderhirn, unter anderem auch
am Thalamus, im Mittelhirn, im verlängerten Mark und in der grauen Substanz des Rückenmarks
gefunden werden.
Betrachten Sie im Natura III auf der Seite 236 die Resultate
der Markierungsversuche und lesen Sie den dazugehörigen
Text auf der gleichen Seite.
Die Hemmung erfolgt vor oder nach dem synaptischen Spalt bei der Übermittlung des Schmerzes zum
Hirn. Dieses schickt ein Signal über die absteigenden Bahnen des Rückenmarks. Als Neurotransmitter
dienen Serotonin oder Noradrenalin. Der Schmerz wird aber erst unterbrochen, wenn am Schluss der
Reizleitung im absteigenden System Endorphine ausgeschüttet werden, die bei einem Neuron des
112
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
aufsteigenden Systems bewirken, dass dieses seinerseits keine Neurotransmitter mehr freisetzt.
Somit ist die Schmerzreizleitung zum Hirn unterbrochen.
schmerzlinderndes
Signal vom Hirn
Signal (Schmerz)
von der Peripherie
aufsteigendes
Neuron
absteigendes
Neuron
Postsynaptisches
Neuron
Abbildung E3.4. Durch ein Signal vom Hirn werden beim absteigenden Neuron im Rückenmark Neurotransmitter
ausgeschüttet, die verhindern, dass das aufsteigende Neuron Neurotransmitter freisetzt.
Schmerz kann über ein körpereigenes System unterdrückt
werden.
Unter dem Begriff „Endorphine“ werden folgende Substanzen zusammengefasst:
-
β-Endorphin (31 Aminosäuren)
-
die Dynorphine (17 bzw. 8 Aminosäuren)
-
die Enkephaline (zwei Peptide mit je 5 Aminosäuren; Enkephalin gr.: im Kopf)
Bei den Rezeptoren für Opioide gibt es drei unterschiedliche Subtypen. Die µ-Rezeptoren, zu denen
vorwiegend Endorphin eine hohe Affinität besitzt und die vor allem im Gehirn vorkommen, die
δ-Rezeptoren, zu denen die Enkephaline eine hohe Affinität haben und die κ-Rezeptoren, zu denen
die Dynorphine eine hohe Affinität aufweisen. Die δ- und κ-Rezeptoren kommen vor allem im Gehirn
und im Rückenmark vor. µ-Rezeptoren sind vor allem für die durch Opiate ausgelöste
schmerzhemmende Wirkung oberhalb des Rückenmarks, Atemdepression und Abhängigkeit
113
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
verantwortlich. κ-Rezeptoren bewirken eine Schmerzhemmung im Rückenmark, Verengung der
Pupille und wirken beruhigend. Die δ-Rezeptoren heben ebenfalls eine Schmerzhemmung im
Rückenmark zur Folge und zusätzlich Halluzinationen. Alle Opioid-Rezeptoren bewirken eine Öffnung
von Kaliumionenkanälen und/oder eine Schliessung von Calciumionenkanälen.
Aufgabe E3.2
Zeigen Sie in einem Fliessdiagramm die Wege des Schmerzes
und der Schmerzunterdrückung auf.
114
MODUL II: Missbrauchte Medikamente
Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt
LERNKONTROLLE EXKURS 3
Aufgabe E3.3
Weshalb kann Schmerz als „Schutzmechanismus“ bezeichnet werden?
Aufgabe E3.4
Durch einen Unfall haben Sie sich den Knöchel verstaucht oder die Haut geschürft. In den
folgenden Tagen reiben Sie die schmerzende Hautstelle oder drücken das empfindliche
Gelenk, damit der Schmerz aufhört. Wie erklären Sie sich diese schmerzstillende Wirkung?
Aufgabe E3.5
Sie verbrennen sich die Hand. Zeichnen Sie schematisch die Reizleitungen Ihrer Nerven auf.
Aufgabe E3.6
Bei einer Erbkrankheit (Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung) wird die Myelinisierung durch eine
Mutation eines Myelinproteins gestört. Wie könnten die Symptome dieser Krankheit
aussehen?
115
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
2 WIE SCHMERZEN MIT EINEM LÄCHELN
WEGGESTECKT WERDEN KÖNNEN ANALGETIKA
Inhalt
2
WIE SCHMERZEN MIT EINEM LÄCHELN WEGGESTECKT WERDEN KÖNNEN
ANALGETIKA
2.1
Schmerzmittel
2.1.1
2.1.2
2.2
117
Opioid-Analgetika
2.1.1.1
2.1.1.2
2.1.1.3
2.1.1.4
116
117
Morphin und Morphin-Derivate
Die Pethidin- und Methadongruppe
Die Fentanyl-Gruppe
Partielle Opiat-Agonisten
Nicht-opioide Analgetika
119
121
123
123
126
Anwendung der Analgetika im Sport
127
LERNKONTROLLE KAPITEL 2
129
Lernziele
1.
Sie kennen die Wirkungsweise der Schmerzmittel
2.
Sie können unterscheiden zwischen opioiden und nicht-opioiden Analgetika
3.
Sie kennen die Substanzklassen der Opioid-Analgetika
116
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
2.1 Schmerzmittel
Im Zusammenhang mit Doping ist von Narkotika die Rede, wenn Schmerz lindernde oder Schmerz
hemmende Medikamente gemeint sind (vom engl. narcotics). Im medizinischen Sinn ist dieser
Ausdruck nicht ganz korrekt, da mit einem Narkotikum ein Narkosemittel gemeint ist. In der Medizin
spricht man für diese Art von Stoffen vielmehr von Analgetika (von griech.: an = nicht, ohne;
algedon = Schmerz). Wir verwenden im folgenden den medizinisch korrekten Ausdruck für
Schmerzmittel.
Der Einsatz von Analgetika kommt vor allem für folgende Zwecke zur Anwendung:
-
Hemmung der Prostaglandinsynthese (nicht-opioide Analgetika)
-
Schmerzherabsetzung bzw. Schmerzausschaltung am ZNS (opioide Analgetika)
-
Beeinflussung des Schmerzerlebnisses (opioide Analgetika)
Analgetika werden vor allem bei Entzündungen und starken Schmerzen (nach einer Operation oder
bei Tumorschmerzen) eingesetzt.
Informieren Sie sich unter
www.dopinginfo.ch über die Klasse der Analgetika
(Narkotika)
Analgetika können in opioide und in nicht-opioide oder kleine Analgetika unterteilt werden. Die nichtopioiden Analgetika sind zwar nicht auf der Dopingliste, die zwei bekanntesten werden Sie aber
trotzdem der Vollständigkeit halber kennen lernen.
2.1.1 Opioid-Analgetika
Die Opioid-Analgetika weisen zwar keine chemisch verwandten funktionellen Gruppen zu den
Endorphinen auf, ihre dreidimensionale Gestalt ist jedoch derjenigen der Endorphine sehr ähnlich.
Dies ist auch der Grund, weshalb sie auf die Opioid-Rezeptoren passen. Alle Opioid-Analgetika wirken
ähnlich, obschon die Stärke der Wirkung unterschiedlich sein kann. Es ist auch möglich, dass einzelne
Symptome verstärkt und gleichzeitig
andere
abgeschwächt
werden.
Das Wirkprofil sieht
folgendermassen aus:
-
Herabsetzung des Schmerzempfindens durch Stimulation der Opioidrezeptoren. Im Rückenmark
werden Schmerzimpulse unterdrückt, im Hirn wird das Schmerzerlebnis verändert und deshalb als
weniger bedrohlich wahrgenommen.
-
Reduktion der geistigen Aktivität.
-
Beseitigung von Konflikt- und Angstgefühlen.
-
Erhöhung, z.T. aber auch eine Absenkung (je nach Patient) der Stimmungslage.
-
Hemmung des Atem- und Hustenzentrums. Sie werden deshalb auch als Hustenmittel eingesetzt.
117
MODUL II: Diuretika & Analgetika
-
Analgetika
Bei der erstmaligen Einnahme eine Stimulation des Brechzentrums. Erbrechen und Übelkeit sind
die Folge. Später wird das Brechzentrum gehemmt.
-
Verengung der Pupille.
-
Freisetzung von Vasopressin (vgl. Abschnitt 2.2).
-
Toleranzentwicklung und Abhängigkeit.
-
Verzögerung der Magenentleerung.
-
Krampfartige Verstopfungen.
-
Kontraktion des Schliessmuskels im Bereich der Gallenwege.
-
Steigerung der Spannung der Harnblasenmuskulatur und des Blasenschliessmuskels.
-
Verringerung der Spannung der Blutgefässe.
-
Hautrötung und Juckreiz wegen erhöhter Histaminfreisetzung. Bei Asthmatikern Auslösen eines
Bronchialmuskelkrampfs.
Opioide Analgetika besetzen die gleichen Rezeptoren wie die
Endorphine
und
haben
dementsprechend
ein
hohes
Suchtpotential.
Die klassischen Opioid-Analgetika wie Morphin entfalten das volle Wirkungsspektrum. Auf der Suche
nach einem neuen Analgetikum ohne Suchtpotential wurde Morphin an verschiedenen Stellen
verändert, ohne den gewünschten Erfolg zu erzielen. Es zeigte sich jedoch, dass nicht alle OpioidAnalgetika die gleiche Affinität zu den drei verschiedenen Rezeptoren haben. Dies hat zur Folge, dass
ein anderes Wirkungsspektrum auftritt. Bei Morphin-Vergiftungen wird Naloxon, ein MorphinAntagonist („Gegenspieler“) eingesetzt. Das Suchtpotential von Morphin, und somit der grösste
Nachteil der Opioid-Analgetika, beruht auf der euphorischen
Wirkung und den unangenehmen Entzugserscheinungen,
wie
Unruhe,
Depressionen,
Angstzustände,
CH2 CH CH2
Frieren,
H
Schwitzen und gesteigertem Tränenfluss. Der Höhepunkt
N
des Entzugs wird mit Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen,
HO
Steigerung der Atmung, Erhöhung der Herzfrequenz und des
systolischen Blutdrucks, Temperaturanstieg und Entwässerung nach 24 – 48 Stunden erreicht. Die Entzugssymptome dauern etwa eine Woche lang. Der Grund liegt in
HO
O
O
einer Überreaktion der Nerven. Diese produzierten während
der Sucht zusätzliche Rezeptoren, da die ursprünglich
Abbildung 2.1. Der Morphin-Antagonist
Naloxon
normale Anzahl an Rezeptoren dauernd von Opiaten besetzt
waren. Bleibt das Opiat nun weg, gibt es eine erhöhte Anzahl von Rezeptoren auf der Zellmembran,
die voll aktiv sein können.
118
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
Schlagen Sie im Biologie heute S II auf den Seiten 332 und
333 nach und informieren Sie sich, wie eine Sucht entstehen
kann.
Ein ähnlicher Mechanismus erklärt die Depressionen nach einer Geburt eines Kindes (Babyblues). Bei
der Geburt werden vermehrt Endorphine ausgeschüttet, die bekanntlich die gleichen Wirkungen
haben wie Opioide. Nach der Geburt bleiben die Endorphine aus. Dies bedeutet für den Körper ein
Entzug eines „Rauschmittels“.
Bei längerer Dauer der Morphinsucht treten beim Süchtigen Abmagerung, Schlaflosigkeit, Impotenz,
Zittern, Koordinationsstörungen und psychische Störungen auf.
In den folgenden Unterkapiteln werden nun die einzelnen Opioid-Analgetika vorgestellt.
2.1.1.1
Morphin und Morphin-Derivate
Morphin ist das Hauptalkaloid im Opium (eingetrockneter Milchsaft unreifer Samenkapseln vom
Schlafmohn). Wichtigste Nebenalkaloide des Opiums sind weiter Narcotin, Codein, Papaverin,
Thebain und Narcein. Morphin wird zur Schmerzbekämpfung nach Operationen oder bei
fortgeschrittenen Tumoren verwendet. Die Wirkungsdauer liegt bei etwa 4-5 Stunden. Derivate des
Morphins werden zum Teil ebenfalls als Analgetika, andere aber nur als Hustenmittel eingesetzt.
Codein demethyliert im Körper zu Morphin (vgl. die Strukturen unten). Es kommt deshalb nicht nur als
Hustenmittel, sondern auch als Analgetikum zum Einsatz, meistens aber nur zusammen mit nichtopioiden Analgetika. Dihydrocodein ist ein sehr starkes Analgetikum. Es ist etwa dreimal wirksamer
als Codein. Sein Metabolit hat jedoch ein starkes Suchtpotential. Die Anwendung von Diamorphin
(Heroin) ist verboten, da es ein sehr hohes Suchtpotential aufweist. Der Grund liegt in seiner
Möglichkeit, sehr rasch in das ZNS zu gelangen.
119
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
Morphin-Derivate
H
N
CH3
H
R1O
O
OR2
R1
R2
Name
Verwendung
-H
-H
Morphin
Analgetikum
-CH3
-H
Codein
Hustenmittel
2
&
2
&+
&
N
H
Diamorphin
&+
(Heroin)
Dihydrocodein
CH3
Analgetikum
Hustenmittel
H
CH3O
O
OH
N
H
CH3
Hydromorphon
Analgetikum
Dicodid
Hustenmittel
H
HO
O
H
O
N
CH3
H
CH3O
O
O
Tabelle 2.1. Morphin-Derivate
120
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
Von Morphin lassen sich verschiedene Analgetika ableiten,
die
alle
ein
leicht
unterschiedliches
Wirkungsspektrum
aufweisen.
Aufgabe 2.1:
Worin
besteht
der
Unterschied
zwischen
Codein
und
Dihydrocodein?
2.1.1.2
Die Pethidin- und Methadongruppe
Diese Gruppe hat mehr oder weniger die gleichen Auswirkungen wie diejenigen der Morphin und
Morphin-Derivate. Pethidin selber ist etwa fünfmal schwächer analgetisch wirksam als Morphin und
hat deshalb auch ein geringeres Suchtpotential. Da aber die Metaboliten (Abbauprodukte; vgl.
Modul I, Exkurs 2) im Körper kumulieren, ist es für eine Dauerbehandlung nicht geeignet.
Levomethadon, kurz als Methadon bezeichnet, ist viermal stärker als Morphin und auch länger
wirksam. Verwendet man eine Dosis, die eine gleiche schmerzhemmende Wirkung hat wie Morphin,
sind die Nebenwirkungen und auch die Abstinenzerscheinungen schwächer. Es findet deshalb auch
Anwendung im Methadon-Programm, bei dem Methadon kontrolliert an Heroinsüchtige abgegeben
wird.
121
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
Pethidin-Gruppe
5
2
&
1
5
&+
R1
R2
Name
Verwendung
-H
-OC2H5
Pethidin
Analgetikum
Methadon-Gruppe
&
&+ &+ 1
&+
&+
&
&+
2
&+
&+
1
5
Levomethadon
& +
&
5
Analgetikum
(Methadon)
Fenpipramid
1+
Spasmolytikum
(gegen krampfartige
2
Kontraktionen der
Muskeln)
2
&
&+
&+
1
-CN
Piritramid
Analgetikum
Clofedanol
Hustenmittel
1+
1
&O
&+
&+ &+ 1
&
&+
2+
Tabelle 2.2. Die Pethidin- und Methadongruppe.
122
MODUL II: Diuretika & Analgetika
2.1.1.3
Analgetika
Die Fentanyl-Gruppe
Die effektivsten Analgetika sind diejenigen der Fentanyl-Gruppe. Fentanyl ist etwa 100 mal stärker
analgetisch wirksam als Morphin, nützt aber nur etwa 30 Minuten lang. Alfentanyl und Sufentanil
hemmen den Schmerz noch schneller als Fentanyl, ihre Wirkung lässt aber auch rascher nach.
Alfentanyl wirkt etwa 3-4 mal schwächer als Fentanyl, Sufentanyl jedoch 7-10 mal stärker. Sufentanyl
ist somit das stärkste bekannte Analgetikum. Wegen ihrer Wirkungsstärke und –länge werden die
Analgetika der Fentanyl-Gruppe vor allem bei kurzen Operationen eingesetzt, bei denen der Patient
nicht vollständig narkotisiert wird.
Fentanyl-Gruppe
2
&
Name
Verwendung
Fentanyl
Analgetikum
Alfentanyl
Analgetikum
Sufentanyl
Analgetikum
& +
1
1
&+ &+
+
2
&
& +
1
1
&+ &+
+
2
&
& +
6
1
1
&+ &+
+&2 +&
Tabelle 2.3. Die Fentanyl-Gruppe
2.1.1.4
Partielle Opiat-Agonisten
Neben den bisher genannten Opioid-Analgetika gibt es noch partielle Opiat-Agonisten, oder sogar
Opiat-Agonisten mit gewissen antagonistischen Effekten. Pentazocin wirkt an den κ-Rezeptoren als
Agonist, an den µ-Rezeptoren jedoch als Antagonist. Die analgetische Wirkung ist etwa 3 mal
schwächer als diejenige des Morphins. Pentazocin erhöht den Blutdruck, steigert die Herzfrequenz
und kann weniger suchterzeugend sein als Codein, bewirkt jedoch Atemdepressionen, Schwindel,
Übelkeit und Kopfschmerzen. Im Weiteren ist verstärktes Schwitzen bemerkbar. Wie Pentazocin ist
auch Nalbuphin ein Agonist an den κ-, aber auch ein partieller Agonist an den µ-Rezeptoren. Für
beide Substanzen gilt, dass sie bei Süchtigen nicht als Ersatzstoffe eingesetzt werden können.
Buprenorphin ist ein partieller Agonist an den µ-Rezeptoren. Seine analgetische Wirkung ist etwa 40
mal stärker als diejenige von Morphin und wirkt etwa doppelt so lang. Es besitzt aber auch ein starkes
Abhängigkeitspotential. Tilidin ist nur sehr schwach antagonistisch. Es zeigt somit die typischen
123
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
(Neben-)Wirkungen der Opioid-Analgetika. Tramadol ist nur ein partieller Opiat-Agonist. Seine
Wirkung ist etwa 5-10 mal schwächer als diejenige des Morphins. Demzufolge weist Tramadol auch
ein geringes Suchtpotential auf.
Analgetika können in gewissen Bereichen antagonistische
Wirkungen aufweisen.
124
MODUL II: Diuretika & Analgetika
+ &
&+ &
1
Analgetika
&+
Pentazocin
Analgetikum
Buprenorphin
Analgetikum
Nalbuphin
Analgetikum
Tilidin
Analgetikum
Tramadol
Analgetikum
&+
&+
&+
+2
CH2
N
H
C(CH3)3
H
C
OH
OCH3
O
HO
CH3
N
H
CH2
HO
O
HO
OH
CH3
H3C N
H
C OC 2H5
O
OH
H CH2
OCH3
N CH3
CH3
Tabelle 2.4. Partielle Opiat-Agonisten
125
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
Aufgabe 2.2:
In welche Gruppen können die Opioid-Analgetika unterteilt
werden? Welches sind ihre jeweiligen Strukturmerkmale?
2.1.2 Nicht-opioide Analgetika
Die nicht-opioiden Analgetika werden auch als „kleine“ Analgetika bezeichnet, obschon ihre Wirkung
bei gewissen Schmerzarten, vor allem denjenigen, die direkt an der Haut verursacht werden, effektiver
sind als schwach wirkende Opioid-Analgetika. Ihre Wirkungen sind alle in etwa ähnlich. Neben der
analgetischen Wirkung weisen sie eine fiebersenkende und z.T. auch eine entzündungshemmende
Wirkungskomponente
auf.
Dagegen
fehlen
ihnen
die
suchtfördernden
und
beruhigenden
Eigenschaften. Da die nicht-opioiden Analgetika nicht zu den Dopingmitteln gehören, sollen hier nur
die zwei bekanntesten Substanzen, Paracetamol und Acetylsalicylsäure (ASS), erwähnt werden.
Paracetamol wirkt fiebersenkend und entzündungshemmend, wobei die zweite Wirkung gering ist.
Möglicherweise ist Paracetamol das einzige nicht-opioide Analgetikum, das nicht auf die
1
Cyclooxigenase (COX) wirkt. Die Wirkung ist primär zentral bedingt.
ASS, der Hauptbestandteil von Aspirin und Alka-Selzer, ist das am meisten verwendete Analgetikum.
Es hat auch ausgeprägte antipyretische (fiebersenkende) und antiphlogistische (entzündungshemmende) Wirkungen. Daneben ist es der wichtigste Thrombozyten-aggregationshemmer. All diese
Auswirkungen werden durch die Hemmung der Cyclooxigenase (vgl. Abb. E3.1) ausgelöst. Die
Nebenwirkungen von ASS treten erst bei sehr hohen Dosierungen und sehr langer Anwendung des
Medikaments auf.
COOH
HO
O C CH3
NH C CH3
O
O
Abbildung 2.2. Links: Acetylsalicylsäure, der Wirkstoff im Alka-Seltzer und im Aspirin; Rechts: Paracetamol
1
Neuste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es zwei Isoenzyme gibt: COX1 und COX2. COX1 ist immer und überall
anzutreffen, COX2 wird nur bei Entzündungen produziert. Ziel: Analgetikum, das spezifisch COX2 hemmt → keine
Nebenwirkungen.
126
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
-
-
COO
COO
O
O
O C CH3 +
OH
E NH2
+
E
NH C CH3
Abbildung 2.3. Aspirin inaktiviert die Cyclooxigenase (E) der Prostaglandinsynthese, vgl. Abb. E3.1
Aufgabe 2.3:
Worin besteht der Unterschied zwischen den opioiden und
nicht-opioiden Analgetika?
Aufgabe 2.4:
Zählen Sie zehn Punkte aus dem Wirkungsspektrum der
Opioid-Analgetika auf.
2.2 Anwendung der Analgetika im Sport
Analgetika sind seit 1967 im Sport verboten. Da sie schmerzhemmend wirken, werden sie vor allem in
Kampf- und anderen schmerzerzeugenden Sportarten eingesetzt. Durch ihre zusätzliche euphorische
Wirkung können sie, zusammen mit den Stimulantien eingenommen, zu Leistungsrausch mit
Unterdrückung der Warnsignale führen. Verboten sind Buprenorphin, Methadon, Pethidin, Diamorphin
2
(Heroin), Morphin , Tilidin, Hydrocodon, Nalbuphin, Tramadol, Hydromorphon, Pentazocin und
chemisch oder pharmakologisch verwandte Substanzen! Folgende, vornehmlich als Hustenmittel oder
Schmerzmittel eingesetzte Substanzen sind bedingt erlaubt: Dextromethorphan, Dextropropoxyphen,
Dihydrocodein, Ethylmorphin, Codein, Pholcodin und Propoxyphen. Ebenfalls erlaubt ist das
Durchfallmedikament Diphenoxylat. Diphenoxylat greift zwar auch an Opiatrezeptoren an, kann aber
die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Der Austausch zwischen Blut und Hirn bzw. Rückenmark ist
also abgeriegelt. Somit kann es nicht als Analgetikum eingesetzt werden, da es unmöglich ist, die
Opiatrezeptoren zu besetzen. Dafür findet es Verwendung als Mittel gegen (Reise-) Durchfall. Hier
wird also eine „Nebenwirkung“ der Opioide ausgenützt. Weiter sind natürlich alle nicht-opioiden
Analgetika erlaubt.
Todesfälle gab es vor allem beim Gebrauch von Heroin. So starben 1967 Dick Howard, der bei den
olympischen Sommerspielen in Rom 1960 Dritter in 400 m Hürden wurde, und 1963 der Boxer Billy
Bello an Heroin. An den olympischen Winterspielen in Innsbruck 1976 wurde bei einem
tschechoslowakischen Eishockeyspieler Codein in zu hohen Konzentrationen nachgewiesen. Da
Codein in einigen Hustenmittel vorkommt, ist er im Sport bis zu einer gewissen Konzentration erlaubt.
Er wird aber im Körper zum Teil zu Morphin metabolisiert. Wird im Labor bei einer Dopingprobe
Morphin gefunden, wird gemessen, ob die Toleranzschwelle von 1 mg pro Liter Urin für Morphin
2
Ab einer Urinkonzentration von 1 µg/ml
127
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
überschritten wird und ob gleichzeitig noch Codein gefunden wird. Ist dies der Fall, so gilt die Probe
als negativ.
Lag 1990 der Anteil der Narkotika an den positiven Dopingproben in Deutschland noch bei 6 % sind
sie heute praktisch verschwunden.
Weisen
Sie
Codein
und
Dihydrocodein
in
Ihrem
entsprechend der Praktikumsanleitung im Kapitel 3 nach.
128
Urin
MODUL II: Diuretika & Analgetika
Analgetika
LERNKONTROLLE KAPITEL 2
Aufgabe 2.5
Endorphine beeinflussen die Aktivität des Gastrointestinaltrakts. Wird die Aktivität erhöht
oder reduziert? Begründen Sie Ihre Antwort.
Aufgabe 2.6
6 mg Morphin haben die gleiche Wirkung wie 32 – 65 mg Codein oder 650 mg Aspirin.
Erklären Sie diese Unterschiede.
Aufgabe 2.7
Wird Codein innerhalb 15 Stunden zum zweiten Mal eingenommen, sind keine negativen
Effekte bemerkbar, während bei Methadon Atemdepressionen auftreten können. Erklären
Sie den Unterschied.
Aufgabe 2.8
Codein wird im Körper so metabolisiert, dass an einer Hydroxylgruppe ein Zuckermolekül
angehängt wird. Weshalb?
Aufgabe 2.9
Können Sie sich den Ausdruck „Runners High“ erklären, welcher vor allem bei längeren
Ausdauerleistungen verwendet wird? Welche Stoffe könnten dabei eine Rolle spielen?
129
MODUL II:Missbrauchte Medikamente
Praktikumsanletungen
3 PRAKTIKUMSANLEITUNGEN
Inhalt
3
PRAKTIKUMSANLEITUNGEN
130
3.1
Untersuchung einer Schweineniere
131
3.2
Temperaturempfinden
131
3.3
Nachweis von Opiaten im Urin
131
3.3.1
Einleitung
131
3.3.2
Arbeitsanleitung
132
3.3.3
Dünnschichtchromatographie
133
Lernziele
1.
Sie können die einzelnen Regionen eines Schweinenieren-Schnitts erkennen
2.
Sie können das Temperaturempfinden Ihrer Hand erklären
3.
Sie verstehen das Prinzip der Detektion von Morphium in Ihrem Urin
130
MODUL II:Missbrauchte Medikamente
Praktikumsanletungen
3.1 Untersuchung einer Schweineniere
Die Organe der Schweine sind den menschlichen sehr ähnlich. Tranchieren Sie eine Schweineniere
von der längeren Seite her in etwa 2 cm dicke Scheiben. Vergleichen Sie jeweils die neue
Schnittfläche mit Abbildung E1.1 (mittleres Bild), und ordnen Sie die Regionen gegenseitig zu. Eine
zweite Gruppe schneidet die Niere von einer anderen Seite in Scheiben. Vergleichen Sie
untereinander die Schnitte. Sprechen Sie sich vorher innerhalb der Gruppe ab.
3.2 Temperaturempfinden
Bereiten Sie sich drei Schüsseln gefüllt mit Wasser, das folgende Temperaturen aufweist, vor: 10 °C,
27 °C und 40 °C. Halten Sie eine Hand in die Schüssel mit 10 °C kaltem Wasser, die andere Hand in
die Schüssel mit 40 °C warmem Wasser. Halten Sie beide Hände 20 bis 30 Sekunden in den
Schüsseln und wechseln Sie gleichzeitig beide Hände in das 27 °C warme Wasser.
Aufgabe 3.1
Erklären Sie
Ihre Beobachtung, bzw. das Temperatur-
empfinden an den Händen.
3.3 Nachweis von Opiaten im Urin
3.3.1 Einleitung
Um Opiate im Urin nachweisen zu können, bieten sich folgende Möglichkeiten an:
-
Einnahme einer Codein-Tablette 50 mg oder 1 Codipront-Kapsel oder Sirup (Codein-Urin).
-
Einnahme von 2-3 Paracodin-Tabletten 10 mg (Dihydrocodein-Urin).
-
Einnahme eines Stücks Mohnkuchen (Morphin-Urin).
131
MODUL II:Missbrauchte Medikamente
Praktikumsanletungen
Morphin wird zu therapeutischen Zwecken unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts verabreicht. Oral
eingenommen werden Morphin in der Leber schnell deaktiviert, seine Aktivität sinkt auf 20 – 33 %.
Unabhängig von seiner Verabreichung wird Morphin und seine Derivate an den Hydroxylgruppen mit
Glucuronsäure konjugiert:
H
N
CH3
H
H
HO
O
N
CH3
H
COOH
O
O
COOH
OH
OH
O
O
O
OH
OH
OH
OH
OH
Abbildung 3.1: Glucuronsäurederivat von Morphin (siehe auch Exkurs 2, Modul I, Biotransformation)
Die Einnahme eines Stücks Mohnkuchen garantiert kein positives Ergebnis nach untenstehender
Methode, da der Morphingehalt des Mohns unterschiedlich ist. Morphinbelastungen verschiedener
Blaumohnsorten ergaben Werte zwischen 0.64 bis 151.6 µg Morphin pro Gramm Mohn. Die höchsten
Morphinkonzentrationen im Urin werden nach vier bis sechs Stunden gemessen. Bereits 1.8 mg
Morphin reichen aus, um ein positives Dopingresultat zu liefern. Spitzensportlern wird deshalb
geraten, auf mohnhaltige Produkte zu verzichten.
3.3.2 Arbeitsanleitung:
Schlucken Sie am Abend eine von Ihrer Lehrkraft verabreichten Tablette und sammeln Sie den
gesamten Morgenurin. Als Alternative kann ein Stück selbstgebackener Mohnkuchen gegessen, und
nach fünf bis sechs Stunden oder auch am nächsten Morgen der Urin gesammelt werden.
10 mL Urin werden in einem Erlenmeyerkolben mit 1 mL 37 % Salzsäure versetzt und im Wasserbad
rund 60 Minuten bei 100 °C erhitzt, damit der Zucker weghydrolysiert wird. Nach dem Abkalten wird
mit 1 M NaOH auf pH 8.5 bis 9 eingestellt und mit dem doppelten Volumen Dichlormethan-Isopropanol
9:1 im Scheidetrichter ausgeschüttelt. Eine eventuell entstehende Emulsion wird vorher im
Ultraschallbad gebrochen. Zum Trocknen der organischen Phase wird Natriumsulfat dazu gegeben,
bis es keine Klumpen mehr bildet und anschliessend in einen Rundkolben filtriert. Der Filter wird mit
5 mL des Extraktionsgemisches nachgewaschen und das Filtrat am Rotavap vollständig eingedampft.
Der Rückstand wird in 0.1 mL Methanol gelöst und für die Dünnschichtchromatographie (DC)
verwendet. Für jede Probe werden 6 Bahnen mit 1, 2, 3, 4, 5 und 6 µL reserviert.
132
MODUL II:Missbrauchte Medikamente
Praktikumsanletungen
3.3.3 Dünnschichtchromatographie:
DC-Platten:
Kieselgel GF254
Laufmittel:
Ethylacetat-Methanol- konz. Ammoniak 85:10:5
Referenz:
1 µL Resyl-Plus
Detektion
(vorher mit Fön gut trocknen): UV254nm (Fluoreszenzlöschung) oder mit folgendem
Sprühreagenz oder Tauchlösung:
0.25 g Platin(IV)-chlorid und 5 g Kaliumiodid werden in 100 mL Destwasser gelöst
und 2 mL 37 % HCl zugefügt. Nach dem Sprayen resultieren schwarzbraune
Flecken.
Rf-Werte:
Codein 0.64, Dihydrocodein 0.46, Morphin 0.20
Nachweisgrenze: unter 1 µg
133
„Bin um die Häuser gezogen und habe zwei
Tabletten geschluckt... Es war eine Dummheit,
die unverzeihlich ist...“
Jan Ullrich, Rad-Olympiasieger und Gewinner der
Tour de France 1997.
MODUL III
Tatort Synapse
STIMULANTIEN UND β-BLOCKER
Inhalt des Kapitels
Exkurs:
Der Computer im Mensch –
das Nervensystem
135
1
Stimulantien
165
2
Beta-Sympatholytica – mit Betablockern gegen
Prüfungsangst
184
Praktikumsanleitungen
191
3
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
EXKURS: DER COMPUTER IM MENSCH –
DAS NERVENSYSTEM
Inhalt
EXKURS: DER COMPUTER IM MENSCH – DAS NERVENSYSTEM
135
E1.1
Einführung
137
E1.2
Das Neuron
139
E1.2.1
Das Aktionspotential bei langsamen Neuronen
140
E1.2.2
Das Aktionspotential bei schnellen Neuronen
143
E1.3
Die Synapse
143
E1.3.1
Neurotransmitter
147
E1.3.2
Acetylcholin – ein Beispiel
155
E1.4
Aktionspotentiale
158
LERNKONTROLLE EXKURS 1
162
Lernziele:
1.
Sie kennen die Funktionsweise des Nervensytems.
2.
Sie wissen, wie ein Neuron aufgebaut ist und wie es funktioniert.
3.
Sie können den Aufbau einer Synapse erklären und wissen, wie unterschiedliche Neurotransmitter das
Signal weitergeben können.
4.
Sie verstehen, wie ein Aktionspotential verarbeitet und weitergegeben wird.
135
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Allgemeines
Thema
Wer möchte nicht immer fit und aufgestellt durch die Welt gehen, schnell rennen, keine
Müdigkeit verspüren – die Natur und die Chemielabors bieten zahlreiche Möglichkeiten an,
diesen Zustand zu erreichen. Die Frage ist bloss, zu welchem Preis.
Kaffee, Tee und andere coffeinhaltige Getränke wie Coca Cola oder Red Bull gehören zum
täglichen Leben. Auch Cocain und Amphetamin gewinnen in der Party-Szene ständig an
Bedeutung und werden je länger je mehr von überforderten Berufsleuten als Aufputschmittel
eingesetzt.
Auch im Sport sind Aufputschmittel – Stimulantien – verbreitet. 1976 machte ein Dopingfall
bei den Radfahrern Furore: Tom Simpson fiel während der Tour de France am Mont Ventoux
tot vom Rad – er war mit einer Überdosis Amphetamin an die Spitze gefahren und infolge
völliger Überforderung des Körpers an einem Sonnenstich gestorben. Dies war schliesslich
der Auslöser für Dopingkontrollen. Bereits an der folgenden Olympiade kam ein
Testverfahren für Amphetamine zum Zug.
Weil Amphetamine und andere Stimulantien sehr leicht nachgewiesen werden können, sind
sie als Dopingmittel nur noch selten anzutreffen. Viel häufiger findet man Cocain und andere
Stimulantien als Lifestyle-Medikamente bei Personen, die in ihrem Berufsleben überfordert
sind.
Lektionsablauf:
Lesen Sie zuerst die Lernziele und dann den Theorieteil sorgfältig durch. Danach führen Sie
mit einer Kollegin oder einem Kollegen die vorgeschriebenen Experimente sorgfältig aus.
Wenn Sie nicht sicher sind, fragen Sie Ihre Lehrkraft nach den zu treffenden
Vorsichtsmassnahmen. Nach jedem Abschnitt hat es kleinere Aufgaben. Die Lösung zu allen
Aufgaben finden Sie am Ende jedes Kapitels. Sie sollen von Ihnen alleine gelöst werden.
Bearbeiten Sie dieses Kapitel so lange, bis Sie sich sicher fühlen.
136
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
E1.1 Einführung
Chemische Signale sind in lebenden Organismen die Kommunikationsmöglichkeit innerhalb
unterschiedlicher
Zellen.
Im
tierischen Organismus unterscheidet
man
dabei
parakriner
zwischen
und
=LHO]HOOH
endokriner,
synaptischer
Nachrichtenübertragung.
VH]HUQLHUHQGH=HOOH
=LHO]HOOH
Der
Unterschied liegt in der Distanz, über
die
der
chemische
Stoff
=LHO]HOOH
seine
Information weiterleiten muss. Die
ORNDOHUFKHPLVFKHU
0HGLDWRU
endokrine Übermittlung erfolgt via
Hormone über die Blutbahn und
spricht nur Zielzellen an, die einen für
das
Hormon
entsprechenden
Abbildung E1.1: Nachrichtenübertragung zwischen benachbarten
Zellen
Rezeptor auf ihrer Zelloberfläche haben. Die parakrine und synaptische Übermittlung wird durch
Neurone bewerkstelligt. In beiden Fällen schüttet das Neuron einen Neurotransmitter, also ein kleines
137
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Molekül, aus, das entweder die
Zellen
VHNUHWRULVFKH HQGRNULQH in
seiner
näheren
Umgebung bis zu 1 cm als
=HOOH
lokaler chemischer Mediator sti-
=LHO]HOOH
+RUPRQ
mulieren kann (parakrin) oder
die
Nachricht
über
den
synaptischen Spalt (= Synapse)
%OXWEDKQ
zu seiner Zielzelle trägt. Die
synaptische
Nachrichtenüber-
tragung ist viel genauer und auf
=LHO]HOOH
eine Zielzelle beschränkt, auch
wenn benachbarte Zellen den
gleichen Neurotransmitter ver-
Abbildung E1.2. Kommunikation mit Hormonen
wenden. Der Neurotransmitter
muss in diesem Fall nicht mehr als 100 nm zurücklegen, ein Vorgang, der weniger als 1 ms dauert.
Während Hormone in der
Blutbahn
werden
erreichen
stark
(<
10
1HXURWUDQVPLWWHU
verdünnt
=LHO]HOOH
nmol/L),
Neurotransmitter
1HUYHQ
]HOOH
im synaptischen Spalt eine
relativ hohe
Konzentration
6\QDSVH
(Acetylcholin: 0.5 mmol/L).
Zusätzlich
werden
Neuro-
transmitter auch sehr schnell
Abbildung E1.3. Informationsweiterleitung am synaptischen Spalt
wieder abgebaut.
Aufgabe E1.1
Vergleichen Sie die Rezeptoren für Hormone mit denjenigen
der Neurotransmitter. Welche haben die grössere Affinität zu
ihren Liganden? Begründen Sie Ihre Antwort.
Aufgabe E1.2
Welche
Vorteile
haben
die
kleine
Affinität
der
Neurotransmitterrezeptoren und der sofortige Abbau der
Neurotransmitter?
Praktisch alle Dopingmittel greifen irgendwo in diese Signalübermittlung des Körpers ein. In diesem
Exkurs wird nun die Übermittlungen von Körpersignalen mit Nervenzellen betrachtet.
138
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Der Organismus hat grundsätzlich drei Möglichkeiten, die
Kommunikation zwischen Zellen aufrecht zu erhalten: mit
Hormonen,
lokalen
chemischen
Mediatoren
und
mit
Nervenzellen.
E1.2
Das Neuron
Ob wir denken, unsere Muskeln zusammenziehen oder reflexartig eine Bewegung ausführen, all dies
wird durch Nerven gesteuert, kontrolliert und weitergeleitet. Dabei unterscheidet man zwischen dem
zentralen Nervensystem (ZNS), das Rückenmark und Gehirn umfasst, und dem peripheren
Nervensystem (PNS). Diese zwei Systeme sind durch die Blut-Hirn-Schranke voneinander getrennt,
damit nicht ungewollt Stoffe ins Gehirn gelangen können. Die Nerven, die eine Verbindung zu den
peripheren Nervenzellhaufen bildet, nennt man Ganglien. Manchmal dienen sie rein zur
Kommunikation zwischen diesen zwei Systemen, in anderen Fällen sind dies aber zusätzliche
„Kleincomputer“. Die einzelnen Nervenzellen, auch Neurone genannt, leiten ein von aussen
kommendes oder vom Gehirn abgegebenes Signal mit bis zu 120 m/sec (430 km/h) weiter, bevor das
elektrische in ein chemisches Signal umgewandelt wird.
Obwohl die Eigenschaften und Funktionsweise der Neuronen besser bekannt sind als diejenigen der
11
meisten anderen Zellen, ist und bleibt das Gehirn mit seinen rund 100 Milliarden (10 ) Neuronen und
14
mehr als 10
Verschaltungen das rätselhafteste Organ im menschlichen Organismus. Die
Nervenzelle stellt den Grundbaustein des Nervensystems dar. Wie andere Körperzellen enthält auch
sie ein Zytoplasma mit Zellkern, Stoffwechselkomponenten, Zellorganellen und verschiedene
Strukturproteine. Im Gegensatz zu den meisten anderen Körperzellen vermehren sich die
Nervenzellen nach der Geburt des Organismus nicht mehr. Somit können auch abgestorbene Zellen
nicht ersetzt werden. Embryonale Nervenzellen in einer Zellkultur gehalten schicken Fortsätze aus, die
1
man Neurit nennt. Diese Neurite, die wie Finger aus der Zelle wachsen, bewegen sich mit etwa 1 mm
pro Tag, wedeln, ziehen sich wieder zurück oder verlängern sich. Es gibt Hinweise, dass sich auch im
Erwachsenenalter
Nerven
von
gesundem
Nervengewebe
dauernd
ausweiten
und
wieder
zurückziehen, aber wie gesagt nicht neu bilden.
Um einen ersten Überblick über den Bau eines Neurons zu
gewinnen, lesen Sie bitte Seite 206 im Natura III. Schlagen Sie
diese Buchseite auch immer wieder auf, falls Sie während
dieses Kapitels neue Begriffe kennen lernen oder nicht mehr
wissen, was im Neuron wo zu lokalisieren ist.
1
Auch Axone werden in gewissen Lehrbüchern als Neurite bezeichnet
139
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Neurone unterscheidet man je nachdem welche Aufgabe sie übernehmen müssen. Die Motoneurone
enden bei einem Muskel und bewirken dessen Kontraktion. Sensorische Neurone dienen dazu, einen
von aussen kommenden Reiz, zum Beispiel Licht, Druck oder Schall, weiterzuleiten. Und die
Interneurone befinden sich zwischen zwei anderen Neuronen und verrechnen die Signale, leiten diese
weiter oder unterdrücken sie. Sie sind vergleichbar mit einem Computer, der Informationen verrechnet
und entweder weiterleitet oder nicht. Trotz unterschiedlichen Aufgaben ist ihre Funktionsweise überall
die gleiche: Sie leiten eine bei den Dendriten (dendros: Baum) ankommende Störung weiter. Eine
solche Störung, die sich in Form eines elektrischen Signals fortpflanzen, schwächt sich jedoch nach
kurzer Strecke ab, weshalb sie dauernd wieder verstärkt werden muss. Kleine Neurone können ohne
Verstärkung das Signal weiterleiten. Da bei einem Menschen ein Motoneuron bis zu einem Meter lang
werden kann, ist es einleuchtend, dass die Störung immer wieder verstärkt werden muss. Diese
Wanderwelle elektrischer Erregung nennt man Aktionspotential oder Nervenimpuls.
Alle unsere Denkvorgänge, die meisten Muskelbewegungen
und zum Teil die Steuerungen der Drüsen geschehen via
Neurone.
E1.2.1
Das Aktionspotential bei langsamen Neuronen
Wie aber wird ein Signal in den Neuronen weitergeleitet? Zwischen dem Inneren der Nervenzelle und
der Umgebung besteht ein Spannungsunterschied, das sogenannte Ruhe(-membran-)potential. Der
Spannungsunterschied ist immer negativ, da jeweils in Bezug auf den extrazellulären Raum
gemessen wird. Typischerweise ist die Spannung über einem Neuron im Ruhezustand -70 mV (kann
zwischen –60 mV und –120 mV variieren). Massgeblich am Membranpotential und an der
Erregungsleitung sind drei bis vier Membranproteine beteiligt. Für den Ruhezustand ist eine
Na/K-ATPase und ein Kaliumionensickerkanal zuständig. Eine Na/K-ATPase ist ein Protein, das unter
ATP-Verbrauch zwei Kalium-Ionen im Austausch gegen drei Natrium-Ionen von aussen nach innen
transportiert. Auf diese Weise wird schon hier netto positive Ladung nach aussen befördert. Durch die
geöffneten Kaliumionensickerkanäle können die Kalium-Ionen wieder aus dem Neuron austreten.
Aufgabe E1.3
Weshalb läuft ein Vorgang nur „gezwungen“ ab, während der
andere von selbst abläuft?
140
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Bedeutsam für die Ausbildung des Ruhemembranpotentials ist ein intrazellulärer Überschuss negativ
geladener grosser Anionen, überwiegend grossmolekularer Proteine. Diese Proteine können die
Zellmembran nicht durchqueren und halten so die Kalium-Ionen durch elektrostatische Anziehungen
im Innern der Zelle zurück. Diese zwei Triebfedern für die Kalium-Ionen, einerseits das Bestreben, die
Konzentrationen innen und aussen auszugleichen, andererseits die negative Aufladung des
Zellinnern, führen zu einem Gleichgewicht der Kaliumionenkonzentration zwischen Innen und Aussen,
und somit zum Ruhemembranpotential von –70 mV. Da es immer einen relativ kleinen Einstrom von
Natrium-Ionen in die Zelle gibt, muss die Na/K-ATPase immer aktiv sein, auch wenn das
Ruhepotential einmal eingestellt ist.
Ohne einen Reiz befindet sich das Neuron in Ruhephase in
einem Ruhepotential je nach Neuron von -60 bis -120 mV
Ein Aktionspotential wird ausgelöst, indem die Zelle über einen bestimmten Schwellenwert
depolarisiert
wird,
wobei
sich
eine
Spannung
von
etwa
+30
mV.
Dies
erfolgt
durch
+
spannungsgesteuerte Natriumionenkanäle, die sich öffnen und so einen Einfluss von Na in die Zelle
bewirkt, da die Natriumionenkonzentration innerhalb der Zelle im Ruhezustand kleiner ist als Aussen.
+
Dieser Na -Einstrom führt in der Nachbarregion ebenfalls zu einer Depolarisation und somit zu einem
Öffnen der Natriumionenkanäle in diesem Teil der Zelle. So ist gewährleistet, dass sich das
Aktionspotential nicht abschwächt, sondern immer wieder verstärkt, bis es bei der Synapse angelangt
ist. Dann spielen aber zwei Faktoren zusammen, damit die Nervenzelle möglichst rasch wieder ihr
Ruhepotential erreicht. Erstens schliessen sich die Natriumionenkanäle wieder, und zweitens besteht
in einigen Neuronen die Möglichkeit, dass sich zusätzliche Kaliumionenkanäle öffnen. Wenn diese
+
+
offen sind, wird der Einfluss der Na -Ionen durch den Ausfluss der K -Ionen mehr als ausgeglichen,
was kurzfristig sogar bedeutet, dass das Ruhepotential unterschritten wird. Diese Kaliumionenkanäle
sind wie die Natriumionenkanäle spannungsgesteuert, jedoch reagieren sie auf eine Depolarisation
der Membran mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung. Bei der Repolarisierung schliessen sich auch
diese zusätzlichen Kaliumionenkanäle wieder. Durch diesen Mechanismus kann ein Membranstück
innerhalb weniger als einer Millisekunde ein nächstes Aktionspotential abfeuern. Während die
Ausbreitung des Aktionspotentials entlang der Membran erfolgt, fliesst der Strom, anders als in einem
Stromkabel, quer zur Ausbreitungsrichtung, "transmembranös". Der Vorteil ist, dass dadurch keine
Leitungsverluste auftreten, der Nachteil eine geringere Geschwindigkeit.
141
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Verfolgen Sie das Membranpotential und den Zustand der
Ionenkanäle
während
eines
Aktionspotentials
unter
http://www.uni-bielefeld.de/Neurobiologie/leechblock/Hintergrund/ap.html
Aufgabe E1.4
Versuchen Sie, mit Hilfe von Zeichnungen den Zustand der
Membranproteine während des Ruhepotentials, des Aktionspotentials und der Repolarisierung darzustellen.
Aufgabe E1.5:
Zeichnen Sie die Weiterleitung des Aktionspotentials. Lesen
Sie, falls nötig, die entsprechenden Textstellen noch einmal.
Die zu Beginn des Aktionspotentials auftretende Öffnung der Natriumionenkanäle erfolgt durch eine,
meist von aussen ausgelöste Änderung des Ruhemembranpotentials über einen bestimmten
Schwellenwert, der normalerweise bei -50 mV liegt ("Depolarisation"). Anschliessend wird im Neuron
zur Weiterleitung immer ein "vollständiges" Aktionspotential ausgelöst. Es gilt das Alles-oder-NichtsPrinzip, d.h. wenn der Schwellenwert erreicht wird, findet ein typisches Aktionspotential statt, wird er
nicht
erreicht,
passiert
nichts.
Nach
einem
Aktionspotential
kann
der
Natriumionenkanal
vorübergehend nicht durch überschwellige Depolarisation aktiviert werden, ein Aktionspotential kommt
nicht zustande. Die Zelle ist refraktär . Man unterscheidet absolute Refraktärzeit (1-2 ms) und relative
Refraktärzeit, in der eine verstärkte Depolarisation doch noch ein Aktionspotential auslösen könnte.
Durch verschiedene Massnahmen wie Medikamente, Konzentrationsänderungen der Ionen oder eine
ausserordentlich langsame Annäherung an diese Schwelle lässt sich der Schwellenwert allerdings
verschieben. Durch Sauerstoffmangel oder mit Hilfe bestimmter Medikamente (Muskelrelaxantien)
kann die Aktivierung des Natriumionenkanals sogar vollständig inaktiviert und ein Aktionspotential
somit verhindert werden.
Neurone
sind
beliebte
Medikamenten.
142
Angriffsziele
von
Giften
und
Modull III: Tatort Synapse
E1.2.2
Die
bis
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Das Aktionspotential bei schnellen Neuronen
dahin
besprochenen
Neurone
werden
als
langsame
Neurone
bezeichnet.
Ihre
Leitungsgeschwindigkeit beträgt lediglich 0.2 – 15 m/sec. Eine Erhöhung der Leitungsgeschwindigkeit
bis zu 120 m/sec erreichen die Neurone durch eine „Isolation“ mit der sogenannten Myelinscheide.
Diese Aufgabe wird im peripheren Nervensystem von den Schwannschen Zellen, im ZNS von den
Oligodendrocyten übernommen. Beide Zellarten gehören zu den Gliazellen2. Sie wickeln ihre
Zellmembran bis zu 300 mal um ein Axon. Die Schwannschen Zellen umwickeln ein einziges Axon,
die Oligodendrocyten können mehrere Axone umwickeln. Die so eingewickelten Axone sind nun gut
isoliert und abgedichtet gegen Leckströme. Eingehüllte Axonteile sind zwar nicht erregbar, haben aber
ausgezeichnete Leitereigenschaften. Wie aber kann das Aktionspotential trotzdem weitergeleitet und
-9
immer wieder verstärkt werden? Die Myelinscheide ist etwa jeden Millimeter für 500 nm (nano: 10 )
unterbrochen. In diesen sogenannten Ranvierschen Schnürringen sind nun alle Natriumionenkanäle
lokalisiert. Dies ergibt mehrere tausend Kanäle auf den Quadratmikrometer. Das Signal kann hier also
wieder massiv verstärkt werden. Zwischen den Ranvierschen Schnürringen wird das Signal passiv
weitergeleitet. Diese Art der Fortleitung eines Aktionspotentials wird als "sprunghaft = saltatorisch"
bezeichnet und ist sehr viel schneller als die kontinuierliche Erregungsausbreitung.
Aufgabe E1.6
Was ist richtig?
Die Myelinscheide hat einen besonders hohen
•
Lipidanteil,
•
Kohlenhydratanteil,
•
Proteinanteil.
Begründen Sie Ihre Wahl.
E1.3
Die Synapse
Was passiert mit dem Aktionspotential an der Synapse? Wie wird diese Information weitergegeben?
Die Empfängerzelle kann
•
eine Muskelzelle (hier spricht man von einer motorischen Endplatte),
•
eine Drüse oder
•
eine nächste Nervenzelle
sein. Aber auch für die Übertragungsart gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Einerseits kann die
Information direkt über sogenannte Gap Junctions weitergeleitet werden, andererseits via
Neurotransmitter auf die Zielzelle weitergegeben werden. Gap Junctions sind jeweils zwei
Membranproteine, die aneinander hängen und einen Kanal zwischen zwei Nachbarzellen bilden. So
können die Ionen, also das Aktionspotential, direkt in die Nachbarzelle einströmen und dort ein
nächstes
Aktionspotential
auslösen.
Solche
direkten
elektrische
Kopplungen
durch
Spaltverbindungen, auch elektrische Synapsen genannt, haben den Vorteil, dass die Übertragung
2
Zellen, die Neurone umgeben und den Raum dazwischen ausfüllen; weitere Gliazellen sind Mikroglia, Ependymzellen und
Astrocyten.
143
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
ohne Verzögerung zustande kommt. Sie haben aber viel weniger die Möglichkeit, das Signal
anzupassen und zu steuern. Dies übernehmen vielmehr die chemischen Synapsen, die eine Mehrzahl
der Nervenzellverbindungen darstellen und im Folgenden besprochen werden.
Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Gap Junctions
finden Sie unter:
http://www.unimainz.de/FB/Medizin/Anatomie/workshop/EM/EMNexus.html
Erreicht das sich ausbreitende Aktionspotential das Ende des Axons, so trifft es auf spezialisierte
Membrananteile, die einen Teil der Informationsübertragungszone zur nächsten Zelle ausmachen.
Dabei unterscheidet man bei der chemischen Synapse folgende Teile:
•
Die (präsynaptische; lat. prae = vor) Membran der aussendenden Zelle,
•
den synaptischen Spalt mit einem Durchmesser von etwa 20 nm und
•
die (postsynaptische; lat. post = nach) Membran der empfangenden Zelle.
Wird das Aktionspotential entlang des Axons geleitet, öffnen sich, wie schon besprochen,
+
spannungsgesteuerte Na -Kanäle. Am Ende des Axons bewirkt das Aktionspotential jedoch die
2+
2+
Öffnung spannungsgesteurter Ca -Kanälen. Die intrazelluläre Ca -Ionenkonzentration ist viel kleiner
als die extrazelluläre. Innerhalb der Zelle beträgt sie 100 nmol/L, ausserhalb der Zelle liegt sie bei 1-2
2+
mmol/L. Dieser grosse Ionengradient bewirkt, dass beim Öffnen der Kanäle die intrazelluläre Ca Ionenkonzentration innerhalb kurzer Zeit um den Faktor 10 bis 100 erhöht wird. Der Anstieg des freien
2+
Ca
innerhalb der Zelle ist sehr kurzlebig. Die Ionen werden durch Proteine gebunden, in die
Mitochondrien oder Vesikel aufgenommen und durch ATP getriebene Ionenpumpen aus der Zelle
befördert. So ist das Axonende rasch wieder bereit, ein neues Aktionspotential zu empfangen. Dieser
Vorgang ist im ganzen Organismus die einzige bekannte Möglichkeit, ein elektrisches Signal in ein
chemisches
umzuwandeln.
Durch
diesen
massiven
2+
Ca -Einstrom
werden
sogenannte
Neurotransmitter (lat.: transmittere: hinüberschicken) in den synaptischen Spalt entlassen. Diese
Neurotransmitter, meist kleine organische Moleküle, zum Teil aber auch Peptide, befinden sich in
kleinen Vesikeln mit einem Durchmesser von ungefähr 40 nm und werden synchron, induziert durch
2+
den Ca -Einstrom, in den synaptischen Spalt ausgeschüttet. In der postsynaptischen Zelle werden
nun diese chemischen Signale wieder in elektrische umgewandelt. Es kann sich dabei wieder um eine
Nervenzelle bzw. den Dendriten einer Nervenzelle, jedoch auch um eine Muskelzelle oder z.B. eine
Schweissdrüsenzelle handeln. Je nachdem wird eine bestimmte Funktion ausgelöst: Die Nervenzelle
könnte die Erregung wiederum weiterleiten, die Muskelzelle sich zusammenziehen oder die
Schweissdrüsenzelle Schweiss produzieren. Über solche Kommunikationseinheiten ist zum Beispiel
jedes Neuron im Gehirn mit 10‘000 anderen Neuronen verbunden, so dass ein dreidimensionales
14
Netzwerk von 10
Synapsen entsteht.
144
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Am
synaptischen
Spalt
werden
elektrische
Signale
in
chemische Signale umgewandelt und wieder zurück in
elektrische Signale.
Die von der präsynaptischen Zelle ausgeschütteten Moleküle
nennt man Neurotransmitter.
Eine synaptische Übertragung löst beim postsynaptischen Neuron nicht automatisch nach dem Allesoder-Nichts-Prinzip erneut ein Aktionspotential aus. Stattdessen führt eine einzelne Übertragung
entweder zu einer Teil-Depolarisation der Zellmembran, so dass ein neues Aktionspotential erst nach
der
nächsten
oder
einer
späteren
Erregungsübertragung,
eben
nach
Erreichen
der
Depolarisationsschwelle, zustande kommt. Daneben gibt es auch Synapsen, die das Gegenteil
bewirken: Eine Erregungsübertragung löst hier eine verstärkte Polarisation der postsynaptischen Zelle
aus, so dass ein Zustandekommen eines Aktionspotentials dieser Zelle sogar noch erschwert wird.
Eine solche Synapse wird als inhibitorisch (=hemmend), die zuvor beschriebene Art als excitatorisch
(=erregend) bezeichnet. An den Dendriten der meisten Neuronen findet sich ein Gemisch aus
inhibitorischen und excitatorischen Synapsen. Der jeweilige Erregungszustand solcher Nervenzellen
stellt demnach eine Integration der aus unterschiedlichen Richtungen eingetroffenen Informationen
dar.
Lesen Sie dazu Seite 311 im Biologie SII (Schrödel-Verlag)
und beachten Sie im gleichen Buch Abbildung 322.2 (Seite
322).
Damit die postsynaptische Zelle nicht dauernd erregt wird, muss der Neurotransmitter möglichst rasch
wieder aus dem synaptischen Spalt entfernt werden. Dies geschieht durch enzymatische Hydrolyse
des Neurotransmitters oder durch Reabsorption in die präsynaptische Zelle. Alle Vorgänge bei dieser
chemischen Übertragung des Aktionspotentials scheinen auf eine hohe Geschwindigkeit getrimmt zu
sein. So vergeht zwischen der Spitze des Aktionspotentials in der präsynaptischen Zelle bis zur Spitze
des Aktionspotentials in der postsynaptischen Zelle höchstens eine Millisekunde. Diese Systeme der
Signalverarbeitung scheinen sich ziemlich früh in der Evolution entwickelt zu haben. So findet man
dieselben Neurotransmitter in ganz unterschiedlichen Spezies, von Molluskeln bis zu Säugetieren.
Nicht jeder Neurotransmitter übernimmt jedoch die gleiche Funktion. So können einige hemmend,
andere erregend wirken. Die mathematische Integration der inhibitorischen und excitatorischen
Signale an der postsynaptischen Zelle bewirkt, ob ein Aktionspotential an diesem Dendrit
weitergegeben wird oder nicht. Im Allgemeinen sezerniert aber ein Neuron nur einen Neurotransmitter
und zwar an allen seinen Synapsen. Gelegentlich kann es vorkommen, dass ein Neuron auch noch
145
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
einen zweiten Neurotransmitter ausschütten kann. Die folgende Tabelle soll einen Überblick über die
in Tieren vorkommenden Neurotransmitter vermitteln.
146
H3C
C
O
CH3
CH2 CH2 N
CH3
CH3
Nervensystems
147
Ganglien des autonomen
Rückenmark
Stammhirn
Endplatten
Vor allem in den motorischen
Acetylcholin
O
Vorkommen / Funktion
Neurotransmitter
Enzymatische Hydrolyse
(falls bekannt)
Inaktivierung
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Name / Struktur
E1.3.1
Modull III: Tatort Synapse
Kommt im Gift der Hornisse vor
Kapitel)
Neurotransmitter (vgl. nächstes
Einer der wichtigsten
Bemerkungen
+2
+2
+2
&+ &+ 1+ &+ 2+
&+ &+ 1+
2+
&+ &+ 1+
O-Methylierung (gilt für alle drei
Neurotransmitter)
Prozesse; Hypophyse
→ psychische Prozesse
3
sind
Nahrungsaufnahme beteiligt
Steuerung der Atmung und der
der Blutdruckregulation und der
ZNS: Gehirnregionen, die an
Sympathikus
PNS: Zum Teil Synapsen des
ZNS: weit verbreitet
PNS: Synapsen der Niere
Desaminierung oder
Willkürmotorik und psychische
&+ &+ 1+
Funktion eines Hormons
Alle haben zusätzlich auch die
+2
Aminosäure Tyrosin ab:
Reabsorption; z.T. auch durch
verantwortlich für die
&22+
Alle leiten sich von der
Vorwiegend durch
ZNS: Gehirnregionen
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
148
Im vegetativen Nervensystem alle Funktionen, die die Fähigkeit zur Arbeitsleistung und zur Auseinandersetzung mit der Umwelt erhöht: Herz, Kreislauf und Atmung werden aktiviert,
Glykogen wird mobilisiert, die Tätigkeit des Magen-Darm-Trakts dagegen vermindert (Tag). Gegenteil: Parasympathikus: Tätigkeit der Verdauungsdrüsen und der Darmmuskulatur nimmt
zu, die Kreislaufleistung und die Atmung nehmen ab (Nacht).
3
+2
Adrenalin
+2
Noradrenalin
+2
Dopamin
Monoamine
Modull III: Tatort Synapse
5
4
+1
1
1
+
1+ &+ &+ &+ &+ 1+ 5
Wach-Rhythmus
149
1
1+
Als Neurotransmitter ist es noch
Allergien.
Entzündungsreaktionen und
vor und vermittelt
grossen Mengen in Mastzellen
Gewebehormons; kommt in
Hat auch die Funktion eines
+1
&+ &+ & 22
Histidin ab:
verantwortlich für den Schlaf-
Kommt im Gift der Wespe vor
Gewebehormons
Hat auch die Funktion eines
Leitet sich von der Aminosäure
4
1+
ZNS: Im Hypothalamus; ist
Beweglichkeit
PNS: Gastrointestinale
Nahrungsaufnahme dienen
Körpertemperatur und der
+2
&+ &+ &22
1+
Desaminierung
Schlaf-Wach-Rhythmus, der
Regulation der
Methylierung oder
Schmerzunterdrückung, dem
Tryptophan ab:
Reabsorption und enzymatische Leitet sich von der Aminosäure
ZNS: Gehirnregionen, die zur
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Magen und Darm betreffend
Hormon, das nicht von einer Drüse, sondern einem Gewebe sezerniert wird.
Histamin
+2
Serotonin
Modull III: Tatort Synapse
Glycin
Aspartat
Glutamat
Aminosäuren
+1
+1
+1
Modull III: Tatort Synapse
150
Motoneurone
&+
+
hemmendem Effekt auf
ZNS: Interneurone mit
Neurotransmitter
ZNS: erregender
und für die Willkürmotorik
Neurotransmitter im PNS ist
Lern- und Gedächtnisvorgänge
Gegenstück zum Acetylcholin,
das der wichtigste
Reabsorption
Reabsorption
Mitteleuropas vor
Bienen, Wespen und Hornissen
Kommt in den Giften aller
nicht lange bekannt.
Transmitter; Bedeutsam für
ZNS: wichtigster erregender
&22
& 22
& +
&+
& 22
&22
&+ & +
&+
& 22
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
6
2
2+ 2+
&+ Abspaltung von CO2
+2
Adenosin
Nucleinsäuren
&22
&+
&+
&+ 1+
1
1
1
1
1
Neurotransmitter bei
(GABA = Gamma-aminobutteracid)
151
Schlaf-Wach-Rhythmus
und Niere;
Blutdruckregulation im Gehirn
allem Interneuronen
hemmenden Neuronen, vor
ZNS: Wichtigster
γ-Aminobuttersäure
Reabsorption
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Modull III: Tatort Synapse
6
Decarboxylierung von Glutamat
entsteht durch
Körpertemperatur
δ-Endorphine
Enkephaline
aus 11 bis 31 Aminosäuren
Erhöhen oder senken die
γ-Endorphine
Gehirn
152
ZNS: Opioide Wirkung im
Darmbeweglichkeit
PNS: Hemmen die
geschnitten werden; bestehen
Peptidasen
bekannt
Von allen ist noch nicht sehr viel
worden.
Neoendorphine beschrieben
Weiter sind die Dynorphine und
zwei verschiedene Peptide;
Zu den Enkephalinen gehören
gleichen Vorläuferproteine
so den Schmerz
Enzyme)
β-Endorphine
Alles Peptide, die aus dem
Opiatrezeptoren und hemmen
Peptidasen (Peptid abbauende
Energiespeichers
auch die Funktion eines
α-Endorphine
1
ATP hat im ganzen Organismus
ZNS: Binden an die
1
1
Endorphine:
Peptide
2+ 2+
2
2
2
2 3 2 3 2 3 2 &+ 2
2
2
2
mit Noradrenalin ausgeschüttet
Darms
1
Wird zum Teil auch zusammen
In erregenden Neuronen des
ATP
1
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Modull III: Tatort Synapse
Sensorische Afferrenz
Tachykinine:
Tabelle E1.1. Neurotransmitter
Cholecystokinin
Neurotensin
Neuropeptid Y
153
Potential weitergeben und an der motorischen Endplatte den Muskel zu einer Bewegung reizen.
Schmerzbekämpfung und zum Muskelaufbau. Mit Hilfe von elektrischem Strom reizt es die Nerven, die das
Das ELPHA II 3000 ist ein in der Physiotherapie und der Sportmedizin eingesetztes Gerät zur
http://www.physiopaed.de/Nervensystem.htm
oder folgende Internetseite:
herauszufinden, welchen Nerv Sie im Moment stimulieren. Konsultieren Sie dazu ein geeignetes Biologiebuch
Bewegungen zu induzieren. Nehmen Sie dazu Kontakt mit Ihrer Lehrperson auf. Versuchen Sie dabei
Versuchen Sie mit Hilfe des ELPHA II 3000 Gerätes Nerven an Ihren Beinen und Armen zu reizen und so
bekannt
Neurokinin A
Neurokinin B
ebenfalls noch nicht sehr viel
Über diese Neuropeptide ist
Substanz P
Peptidasen
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Modull III: Tatort Synapse
Modull III: Tatort Synapse
E1.3.2
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Acetylcholin – ein Beispiel
Als konkretes Beispiel für eine Übertragung des ankommenden Signals über die Synapse soll im
folgenden Kapitel Acetylcholin und die Acetylcholinesterase besprochen werden. Acetylcholin wurde
bereits in den 20er Jahren als chemischer Botenstoff zwischen Nerven und Herzmuskulatur
identifiziert.
Das Aktionspotential wird dem Axon entlang zur Synapse mit dem bereits bekannten Öffnen und
Schliessen
von
+
Na -Ionenkanälen
geleitet.
An
der
Synapse
bewirkt
das
Eintreffen
des
2+
Aktionspotentials das Öffnen von Ca -Ionenkanälen in der Plasmamembran des Neurons. Das
2+
Einfliessen der Ca -Ionen in das Axonende führt wiederum zur Freisetzung von Acetylcholin aus dem
Axonende in den synaptischen Spalt.
Acetylcholin wird durch eine Veresterung der Essigsäure aus dem Acetyl-CoA mit Cholin hergestellt.
Cholin kommt unter anderem auch in Bestandteilen der Plasmamembran, den Phospholipiden
(Phosphatidylcholin) vor. Nach seiner Synthese wird es in Vesikel in der präsynaptischen Zelle
gepackt. Pro Impuls werden 10'000'000 Moleküle ausgeschüttet.
Schauen Sie in einem geeigneten Lehrbuch die Strukturen von
Acetyl-CoA und Phosphatidylcholin nach.
Nach seiner Ausschüttung muss Acetylcholin möglichst rasch wieder deaktiviert werden. Dies
geschieht einerseits durch eine Reabsorption in die präsynaptische Zelle, andererseits wegen der
Hydrolyse durch die Acetylcholinesterase. Dieses Enzym ist in der Zellmembran der postsynaptischen
Zelle lokalisiert und inaktiviert Acetylcholin durch Hydrolyse in Cholin und ein Acetat-Ion mit einer
Geschwindigkeit von 10 Molekülen pro Millisekunde:
2
+&
&
&+
2
&+ &+
1
&+ +&
&+
&
2
2
&+
+2
&+ &+ 1
&+ &+
Das Cholin wird anschliessend wieder von der präsynaptischen Zelle aufgenommen und mit Hilfe vom
Acetyl-CoA (Acetylcoenzym A) zu Acetylcholin verestert:
155
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Das Acetylcholin wird von den Vesikeln wieder aufgenommen und ist bereit für das nächste
Aktionspotential. Die Vesikel selber unterliegen ebenfalls einem Recycling mit dem Vorteil, dass keine
neuen Membrane gebildet werden müssen.
&+
2
+2 &+ &+ 1 &+ + & &
6
&+
2
+ &
&RHQ]\P$
&
&+
2
&+ &R$6+
&+ &+ 1
&+
Vor der Inaktivierung muss Acetylcholin jedoch einen Reiz in der präsynaptischen Zelle erzeugen.
Dies geschieht an zwei verschiedenen Typen von Rezeptoren: Dem nikotinischen und dem
muskarinischen
Acetylcholinrezeptor.
Wie
der
Name
schon
sagt,
kann
der
nikotinische
Acetylcholinrezeptor anstelle von Acetylcholin auch das im Tabak vorkommende Alkaloid Nikotin
binden, der muskarinische Rezeptor das im Fliegenpilz vorkommende Alkaloid Muscarin.
+
+2
+
+&
+
2
&+
&+ 1
+
&+ Abbildung E1.4. Das Alkaloid
Muscarin
&+
Der nikotinische Rezeptor ist ein Ionenkanal. Binden zwei Acetylcholin an den Rezeptor, öffnet sich
+
dieser selektiv für Na -Ionen. Die Folge davon ist eine Depolarisation der postsynaptischen Zelle.
Folglich wird ein für diese Zelle neues Aktionspotential aufgebaut. Im Gegensatz dazu löst der im
Gehirn vorkommende muskarinische Acetylcholinrezeptor eine Cyklisierung von intrazellulärem AMP
+
aus. Dieses cyklische AMP (cAMP) seinerseits bewirkt nun, dass sich ein Na -Ionenkanal in der
Membran öffnet, und somit auch in diesem Fall die postsynaptische Zelle depolarisiert.
1
1
1
1
1
1
1
1
2
2
2
2 3 2 3 2 3 2 &+ 2
2
2
2
2
2
2 3 2 3 2
2
2
2+ 2+
+
2 &+ 2
2 3
2
ATP
PPi
1
1
2 2+
cAMP
Abbildung E1.5. Bildung des intrazellulären „second messengers“ cyclo-3‘5‘-Adenosinmonophosphat (cAMP)
aus Adenosintriphosphat (ATP). Dabei wird ein Diphosphat abgespalten (PPi: inorganic
phosphate)
156
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Statt cAMP als zweiter Botenstoff (second messenger), kann bei einigen Neuronen auch
Inositoltriphosphat (IP3) beim muskarinischen Acetylcholinrezeptor, das Signal zum Ionenkanal zu
bringen. Dieser öffnet sich und es wird auch hier wieder ein für die Zelle neues Aktionspotential
aufgebaut.
DAG
Phospholipase C
Phosphorylierung
2
2
2
2
2+
2
2
2
2
2
2
2
2
2
PI
3
2
2
2
2
2+
2+
2+
2
2 2
3
2 2
2
2+
+
2
2+
3
2+
2+
2
3
2
2
2+
2
IP3
2
3
2
2+
2+
2
2 2
2 2
2
2
2+
3
2
3
2
2
Abbildung E1.6. Herstellung von intrazellulärem IP3 als second messenger. Der zweite Schritt wird durch
Acetylcholin ausgelöst, der erste Schritt geschieht bereits an der Zellmembran. Dabei schaut
der hydrophile Kopf ins Zellinnere. DAG: Diacylglycerol; IP3: Inositoltriphosphat; PI:
Phosphatidylinositol
157
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Zur Funktionsweise der ACh-Rezeptoren lesen Sie bitte folgende
Seiten:
http://www.drd.de/helmich/bio/neu/reihe1/ur15/endplatte3.html
http://www.drd.de/helmich/bio/neu/reihe1/ur15/endplatte4.html
http://www.drd.de/helmich/bio/neu/reihe1/ur15
/indirekt/indirekt1.html
http://www.drd.de/helmich/bio/neu/reihe1/ur15/ac01.html
E1.4
Aktionspotentiale
Im ZNS erhalten Neurone Input von bis zu tausend anderen Neuronen. Die Dendriten eines
Motoneurons im Rückenmark können beispielsweise völlig von Synapsen zu anderen Neuronen
bedeckt sein. Einige Synapsen schicken Signale aus dem Gehirn an das Motoneuron, andere
übermitteln Informationen von Muskeln oder der Haut und weitere bringen die Ergebnisse der
Verrechnungen der Interneurone im Rückenmark selbst. Das Motoneuron muss nun diese vielen
Informationen kombinieren und darauf reagieren. Bedeutet das erhaltene Signal eine Weiterleitung
der Information, wird es zu den anderen excitatorischen Informationen addiert. Erhält das Motoneuron
ein Signal von einem inhibitorischen Neuron, wird das Signal subtrahiert. Ein excitatorisches Signal
bewirkt, wie in den vorhergehenden Kapiteln beschrieben, die Öffnung eines Natriumionenkanals,
inhibitorische Signale hingegen öffnen einen Chloridionenkanal.
Diese postsynaptischen Potentiale (PSP) werden nun passiv zum Axonhügel geleitet. Ist die Summe
dieser PSP (Summen-PSP) gross genug, wird das Signal wie beschrieben entlang des Axons
weitergeleitet. Mit anderen Worten: Vor dem Axonhügel werden die das Neuron erreichenden Signale
addiert bzw. subtrahiert, nach dem Axonhügel ist das Signal nur noch eine digitale Antwort auf das
Summen-PSP der Dendriten. Ein einziges PSP bringt normalerweise das Axon nicht dazu, das Signal
weiterzuleiten. Es ist vielmehr eine räumliche und zeitliche Addition aller empfangenen Reize.
Die Dendriten der Neurone empfangen von vielen anderen
Neuronen Signale, die excitatorisch oder inhibitorisch sein
können. Alle Potentiale
geleitet.
158
werden passiv zum Axonhügel
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Lesen Sie dazu Seite 311 im Natura III.
Sind bei zwei Dauerreizen die Höhe der Summen-PSP verschieden stark, ist die Abfolge der
Axonmembranpotentiale unterschiedlich gross. Der Axonhügel feuert also mit immer anderen
Frequenzen das Signal entlang des Axons weiter. Dies wird durch die Zusammenarbeit von
+
+
+
Na -Ionenkanälen, verzögerten K -Ionenkanälen und frühen K -Ionenkanälen erreicht. Wie das
Zusammenspiel dieser drei Ionenkanäle ist, wollen wir nicht weiter erörtern. Wichtig ist, dass die
Kombination dieser drei Ionenkanäle im Axonhügel ausreicht, das abgehende Aktionspotential zu
codieren.
159
0
100
Zeit in ms
200
0
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
160
Abbildung 1.7. Abhängigkeit der Frequenz mit der ein Axonhügel ein Aktionspotential abfeuert vom Summen-PSP
-70
0
Modull III: Tatort Synapse
Zeit in ms
100
200
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch - das Nervensystem
Eine weitere Eigenschaft des Axonhügels liegt darin, dass bei einem gleichbleibenden Dauerreiz
von den Dendriten die Frequenz der abgehenden Aktionspotentiale abnimmt. Dies wird durch zwei
2+
2+
weitere Ionenkanäle bewirkt, nämlich die spannungsgesteuerten Ca -Ionenkanäle und die Ca +
aktivierten K -Ionenkanäle.
0
-70
Zeit
Abbildung E1.8. Abhängigkeit der Frequenz mit der ein Aktionspotential vom Axonhügel abgefeuert wird von
der Zeit. Das beim Axonhügel ankommende Summen-PSP bleibt dabei konstant.
Die
Membran
Aktionspotentiale
des
Axonhügels
eingeleitet
ist
werden.
der
Sie
Ort,
wo
besteht
aus
dichtgepackten Na+-Ionenkanälen, Ca2+-Ionenkanälen und
den verzögerten, den frühen und den Ca2+-selektiven K+Ionenkanälen.
Gehen Sie zu zweit mit einem schwarzen Tuch an die Sonne
oder in einen sehr hell erleuchteten Raum. Verbinden Sie sich
die Augen. Die zweite Person löst das Tuch nach fünf Minuten
von den Augen.
Sicher bemerken Sie, dass sich das Auge, nachdem es zu
Beginn geblendet wird, an das Licht „gewöhnt“, oder anders
ausgedrückt, dass die Nervenimpulse vom Auge zum Gehirn
abnehmen.
161
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch - das Nervensystem
Lernkontrolle Exkurs Nerven
Aufgabe E1.7
Welchen Vorteil sehen Sie darin, dass der Natriumionenkanal nach seiner Öffnung für
kurze Zeit nicht aktiviert werden kann, also in einen inaktiven Zustand übergeht?
Aufgabe E1.8
Erklären Sie die Unterschiede zwischen einem Motoneuron, einem sensorischen Neuron
und einem Interneuron.
Aufgabe E1.9
Was verstehen Sie unter einem „second messenger“.
Aufgabe E1.10
Erstmals wurden kürzlich Axone von Neuronen in Tumoren entdeckt. Dabei wird darauf
hingewiesen, den Beweis nun gefunden zu haben, weshalb Krebs durch Stress ausgelöst
werden kann (Weltwoche Nr. 6 vom 7. Februar 2002; S. 42). Wie erklären Sie sich diese
Zusammenhänge?
Aufgabe E1.11
Bereits länger bekannt ist, dass bei Tumorpatienten der Serotoninspiegel im Blut
aussergewöhnlich hoch ist (bis zu 60-fach erhöht). Was sind die Folgen dieser
Überproduktion an Serotonin?
Aufgabe E1.12
Das Nervengewebe benötigt ausschliesslich Kohlenhydrate für seine Aktivität, hat aber
selber nur einen sehr kleinen Glykogenspeicher, ist also auf die Zufuhr von aussen
angewiesen. Die Durchblutung des Gehirns beträgt 750 ml/min. Pro Liter Blut lassen sich
0.5 mmol Glucose gewinnen. Wie viel Mol und wie viel Gramm Glucose verbraucht
demnach das menschliche Gehirn? Wie viel Sauerstoff ist dazu nötig? Wie viel ATP wird
dabei gebildet? Vergleichen Sie diese Zahlen mit folgenden Angaben:
•
Das Gehirn nimmt mit seinen 1.4 kg etwa 2% des Körpergewichts ein.
•
Laut WHO beträgt die empfohlene tägliche Kohlenhydratzufuhr 390 g pro Tag (effektiv
in Industriestaaten: 240 - 310 g/Tag).
Aufgabe E1.13
Wie erklären Sie sich diesen relativ hohe ATP-Verbrauch des Gehirns?
162
Modull III: Tatort Synapse
Exkurs: Der Computer im Mensch - das Nervensystem
Aufgabe E1.14
Eine vererbbare Krankheit, die 1886 erstmals beschrieben wurde (Charcot-Marie-ToothErkrankung) und die erst im dritten Lebensjahrzehnt mit Symptomen beginnt, bewirkt eine
Störung der Myelinisierung der Neuronen. Welche Symptome könnten J.M. Charcot, P.
Marie und H. Tooth auf diese familiäre Erkrankung geführt haben?
Aufgabe E1.15
Wird Acetylcholin intravenös gespritzt, treten folgende Symptome auf:
•
die Herzfrequenz nimmt ab,
•
der periphere Gefässwiderstand nimmt ab,
•
die Speichel-, Magensaft-, Bronchial- und Schweissproduktion werden gesteigert,
•
die Spannung der glatten Muskulatur des Magen-Darm-Trakts, der Harnwege und der
Bronchialmuskulatur nimmt zu,
•
die Pupille wird verengt,
•
das Auge richtet sich auf den Nahpunkt.
Was müssen Medikamente auslösen, damit die Wirkungen von Acetylcholin gesteigert oder
gehemmt werden können?
Aufgabe E1.16
Das durch Mikroorganismen bei ungenügender Konservierung von Lebensmittel gebildete
Botulinustoxin ist das stärkste bekannte Gift. Wird das Gift gegessen, beträgt die tödliche
Dosis 0.01 mg. Intravenös gespritzt reichen sogar nur 0.003 µg (1 Mikrogramm = 0.001 mg)
aus, um den Tod herbeizuführen. Das Botulinustoxin verhindert eine Freisetzung von
Acetylcholin in den synaptischen Spalt. Die Vergiftungserscheinungen treten nach 12 bis
24 Stunden auf und führen nach 2 bis 10 Tagen zum Tod. Welche Symptome erwarten Sie?
Aufgabe E1.17
Bei der Schüttellähmung, auch Morbus Parkinson genannt, leiden die Patienten unter
Erhöhung der Spannung der Muskulatur, an Zittern und Bewegungshemmung der
Muskeln. Grund ist eine Verringerung des Dopamingehalts auf die Hälfte. Dadurch wird im
Gehirn das Verhältnis von acetylcholinhaltigen und dopaminhaltigen Neuronen im Gehirn
gestört. Wie könnte diesen Patienten geholfen werden?
163
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
STIMULANTIEN UND BETABLOCKER
Inhalt
1
STIMULANTIEN
165
1.1
Cocain
165
1.2
AMPHETAMINE
167
1.2.1
Amphetamin und Amphetaminderivate
167
1.2.2
Nachweis von Amphetaminen im Sport
171
1.2.3
Amphetamine in der Party-Szene: Speed, Thai-Pillen und Ice
171
1.2.4
Ecstasy – ein weiteres Amphetaminderivat
172
1.3
COFFEIN – Ein salonfähiges Stimulans
173
1.4
Die Wirkung von Stimulantien auf molekularer Ebene
175
1.4.1
Die Wirkung von Stimulantien im Gehirn
175
1.4.2
Die Wirkung von Stimulantien auf das vegetative Nervensystem
182
2
2.1
BETA-SYMPATHOLYTIKA - MIT BETABLOCKERN GEGEN PRÜFUNGSANGST
Auch bronchienerweiternde Asthmamedikamente stehen auf der Dopingliste!
LERNKONTROLLE KAPITEL 1 & 2
184
188
190
Lernziele
1. Sie kennen die oberste Instanz der Hormonsteuerung und wissen, wo diese lokalisiert ist
2. Sie kennen die wichtigsten Stimulantien: Cocain, Amphetamin und Coffein
3. Sie kennen die Wirkungen und Nebenwirkungen von Stimulantien auf den menschlichen Körper
4. Sie verstehen aufgrund der Molekülstruktur von Amphetamin, warum diese Substanz in die
Nervenreizübertragung eingreift
5. Sie begreifen die Auswirkungen von Amphetamin auf das Gehirn und das vegetative Nervensystem
6. Sie wissen, weshalb Amphetamine im Sport nicht mehr so verbreitet sind wie in den Siebziger-Jahren
7. Sie können aus Tee Coffein isolieren
164
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
1 STIMULANTIEN
1.1 Cocain
Das Kauen von Blättern des Coca-Strauchs (Erythroxylum coca) half den peruanischen Inkas bereits
vor über 1000 Jahren, die Strapazen der Arbeit in grossen Höhen auszuhalten. Coca, welches der
Müdigkeit vorbeugt, das Hungergefühl dämmt und schier übermenschliche Kräfte verleiht, galt als ein
Geschenk des Sonnengotts. Der Konsum dieses kostbaren Guts war zunächst den Angehörigen von
königlichen Familien und der Priesterschaft vorbehalten. Die spanischen Eroberer unter Francisco
Pizarro (1533) förderten den Konsum der Blätter, konnten die Eingeborenen doch mit Hilfe dieser
Substanz problemlos in den Goldminen in grosser Höhe arbeiten. Ein spanischer Geschichtsschreiber
äusserte sich folgendermassen zu diesem Thema: „Die Pflanze ist so nährreich und kräftigend, dass
die Indianer tagelang arbeiten, ohne etwas anderes zu sich zu nehmen; mangelt es ihnen daran,
lassen sie in ihrer Kraft nach.“
Mitte des 19. Jh. gelangten Coca-Blätter in nennenswerten Mengen nach Europa. Dort weckten die
Blätter, welche eine allgemeine Hochstimmung, gesteigerte Muskelkraft, ein Gefühl von Behändigkeit,
leicht dahingleitende Gedanken und ein höchst angenehmes Gefühl der Wachheit hervorriefen, das
Interesse der Neurologen. Der korsische Chemiker Angelo Mariani trug mit seinem 1863 patentierten
„Vin Mariani“, einem als Erfrischungs- und Stärkungsgetränk eingesetzten Coca-Extrakt auf
Weinbasis, zur Verbreitung von Cocain bei (Abb. 1.1). Die Werbung für das Getränk wies sowohl auf
die depressionslösende Wirkung wie auf den köstlichen Geschmack hin; bald wurde es als
Medikament gegen allerlei Beschwerden eingesetzt. Der Papst zeichnete Mariani mit einer
besonderen Medaille aus.
Abbildung 1.1: Werbung für „Vin Mariani“
Eine Weiterentwicklung des Vin Mariani stellt das vom amerikanischen Apotheker John Pemberton
1886 erfundene Coca-Cola dar. Der Alkohol im ursprünglich als Medikament gegen Kopfschmerzen
und Stimulans entwickelten Coca-Getränk wurde durch einen coffeinhaltigen Extrakt der Cola-Nuss
165
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
(Samen des Cola-nitida-Baumes) ersetzt. Seit 1888 wird das Getränk mit Kohlensäure versetzt. Das
heutige Coca Cola unterscheidet sich von diesem Getränk einzig dadurch, dass kein Cocain mehr
darin enthalten ist; nur der Name erinnert noch an die Droge. Asa Candler, auch er Apotheker, kaufte
Pemberton die Rechte für sein Getränk ab und gründete 1892 die Coca-Cola-Company. Der
Siegeszug dieses Getränks steht sinnbildlich für das Streben der westlichen Welt nach einer
Verschmelzung von Gesundheit mit Vergnügen.
Vor der Isolation des Reinstoffs Cocain durch Albert Niemann 1860 gab es keine Suchtprobleme!
Beim Kauen der Blätter gelangen immer nur relativ geringe Mengen der Substanz in den Organismus.
Offenbar wird eine Sucht bei Zufuhr grösserer Mengen auf einmal und besonders durch die direkte
Zufuhr der Droge in den Blutkreislauf gefördert. Experimente mit verschiedenen aus Coca-Blättern
extrahierten Stoffen zeigten, dass die stimulierende Wirkung alleine dem Cocain zuzuschreiben ist.
Auf der Suche nach einem Medikament, das sich für die Behandlung nervöser Erschöpfungszustände
eignet, erforschte Sigmund Freud (1856-1939) die Auswirkungen von reinem Cocain auf den
Menschen u.a. im Selbstversuch. In einem Artikel „Über Coca“ vermittelt er den Fachkollegen seine
Begeisterung über die bemerkenswerten Eigenschaften der Substanz. Diese Publikation hatte zur
Folge, dass Cocain als angst- und depressionslösendes Mittel im ausgehenden 19. Jh. so häufig
verschrieben wurde wie heutzutage beispielsweise Valium.
O
O
N
O
O
Abbildung 1.2 Lewisformel von Cocain [C17H21NO4; M = 303.35 g/ mol]
Auszug aus Sigmund Freud (1856-1939): „Über Coca“
„... Die hauptsächlichste Anwendung der Coca wird wohl die bleiben, welche die Indianer seit Jahrhunderten
von ihr gemacht haben: überall dort, wo es darauf ankommt, die physische Leistungsfähigkeit des Körpers für
eine gegebene kurze Zeit zu erhöhen und für neue Anforderungen zu erhalten, besonders wenn äussere
Verhältnisse eine der grösseren Arbeit entsprechende Ruhe und Nahrungsaufnahme verhindern. So im Kriege,
auf Reisen, Bergbesteigungen, Expeditionen u. dgl., wo ja auch die Alkoholica einen allgemein anerkannten
Werth haben. Die Coca ist ein weit kräftigeres und unschädlicheres Stimulans als der Alkohol und ihrer
Anwendung in grossem Massstabe steht derzeit nur ihr hoher Preis im Wege. “
Cocain hat eine weitere medizinisch interessante Eigenschaft: es wirkt als lokales Betäubungsmittel.
Zahn- und Augenoperationen kann man seit der Entdeckung dieser Wirkung am wachen, nur lokal
anästhesierten Patienten durchführen. Heute werden Derivate von Cocain als Lokalanästhetika
eingesetzt.
166
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Zu S. Freuds Zeiten diente Cocain als Ersatzstoff für morphiumsüchtige Patienten. Aufgrund des –
anfangs unbekannten! – Suchtpotentials war dies natürlich kein gangbarer Weg, sondern nur eine
Verlagerung des Problems. Der anfangs bedenkenlos häufige Einsatz des neuen Medikaments wurde
daher heftig kritisiert; der deutsche Mediziner Albrecht Erlenmeyer bezeichnete Cocain als „dritte
Plage der Menschheit“ neben Alkohol und Morphin.
Aufgabe 1.1
Inwiefern sind die Wirkungen von Cocain widersprüchlich?
Cocain
wird
aus
Cola-Blättern
gewonnen.
Im
19.
Jahrhundert gelangte die Droge von Südamerika nach
Europa, wo sie in Form von verschiedenen stärkenden
„Allheilmitteln“ Verbreitung fand. Suchtprobleme traten erst
auf, als Cocain in reiner Form vorlag.
Cocain wirkt euphorisierend, weckend und stärkend, auch
als Lokalanästhetikum wird der Wirkstoff eingesetzt.
Cocain
ist
eine
der
teuersten
illegal
gehandelten
Substanzen und im Sport, in der Party-Szene und unter
gestressten Business-Leuten verbreitet.
1.2 AMPHETAMINE
Unter Amphetaminen versteht man Stimulantien, die sich in ihrer Molekülstruktur vom Amphetamin
ableiten.
Amphetamine sind synthetische Stoffe. Laufend werden neue Derivate erfunden; es handelt sich hier
um das Paradebeispiel von „Designerdrogen“. Weil sie einfach herstellbar sind, finden sie als billiger
Ersatz für Cocain weite Verbreitung.
1.2.1 Amphetamin und Amphetaminderivate
Amphetamin wurde mit einer klar umrissenen Absicht hergestellt: Man suchte nach einem
Medikament gegen Bronchialverengung, wie sie bei Asthmaanfällen auftritt.
Bis in die Dreissiger-Jahre wurden Asthmatiker erfolgreich mit dem Hormon Adrenalin behandelt.
Allerdings muss dieses Medikament gespritzt werden, da es nach oraler Einnahme im Magen schnell
abgebaut und zudem schlecht resorbiert wird.
In der chinesischen Medizin gelangte seit langer Zeit eine Pflanze zur Linderung von Atemnot zum
Einsatz: ma huang (Ephedra vulgaris). K. K. Chen, ein Pharmakologe mit Interesse an der
167
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
traditionellen chinesischen Medizin, fand anfangs der Zwanziger-Jahre den wirksamen Stoff in der
Pflanze: das Ephedrin. Er stellte fest, dass dieses Molekül sich nur geringfügig vom Adrenalinmolekül
unterscheidet.
Das
molekulare
Grundgerüst
für
ein
Medikament
zur
Lockerung
der
Bronchialmuskulatur war gefunden!
Das Mitte der Dreissiger-Jahre auf dieser Grundlage von G. Alles synthetisierte Amphetamin hatte
gegenüber dem Adrenalin wesentliche Vorteile: Der neue Stoff wird gut resorbiert und im Magen und
Darm kaum abgebaut, bevor er am Wirkungsort angelangt ist. Zudem kann die Substanz inhaliert
werden, da sie flüchtiger ist als Adrenalin. Für die Asthma-Patienten bedeutete dieses Medikament
(Benzedrin) eine grosse Erleichterung. Sie waren nun nicht mehr abhängig von Adrenalinspritzen auf
Notfallstationen, da sie nun bei einem Anfall selber inhalieren konnten.
OH
NH
OH
NH
HO
OH
Adrenalin
Ephedrin
[C9H13NO3, M=183,2 g/mol]
[C10H15NO, M=165,23 g/mol]
Abbildung 1.3. Lewis-Formeln von Adrenalin und Ephedrin
NH2
NH
O
NH
O
Amphetamin
[C9H13N; M = 135.20 g/mol]
Metamphetamin
[C10H15N; M = 149,23 g/mol]
Ecstasy
[C11H15NO2; M=193,24 g/mol]
Abbildung 1.4. Lewis-Formeln von den Amphetaminen Amphetamin, Metamphetamin und Ecstasy
168
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Aufgabe 1.2
a) Zeichnen Sie in den obigen Molekülformeln die
Stellen ein, welche allen Molekülen gemeinsam sind.
b) Welche Gruppen im Adrenalinmolekül sind wohl für
den raschen Abbau im Magen verantwortlich?
c)
Erklären Sie aufgrund des Molekülbaus und der
zwischenmolekularen Kräfte von Adrenalin und
Amphetamin, warum Amphetamin flüchtiger ist und
daher inhaliert werden kann.
Sehr bald entdeckte man, dass Amphetamin und die meisten Amphetaminderivate den Appetit
dämpfen. Vielleicht ist Ihnen selber schon aufgefallen, dass durch Kaffeegenuss das Hungergefühl
abflacht – Coffein wirkt ebenfalls appetithemmend. In der schlankheitswahnsinnigen Gesellschaft
wurden daher Amphetamine an fettsüchtige oder diätwillige Personen verschrieben. Doch leider
zeigten sich auch bei diesem Einsatz Nebenwirkungen: Amphetamine wirken euphorisierend und
können zu einer Abhängigkeit führen.
Der Versuch, ein nicht euphorisierendes appetitzügelndes Medikament zu entwickeln, gelang in den
Siebziger-Jahren. Allerdings erreichte diese Substanz nie den erwarteten Marktwert. Offenbar müssen
Fastende sich irgendwie anders als mit Essen belohnen!
Amphetaminähnliche Moleküle sind selbst in „harmlosen“ Lebensmitteln anzutreffen. Schokolade
macht glücklich, weil eine Verbindung darin enthalten ist, welche sich nur gerade durch eine
Methylgruppe vom Amphetamin unterscheidet. Schokolade naschen befriedigt also nicht nur den
Drang, etwas Süsses zu sich zu nehmen, sondern wirkt sich aufs Belohnungszentrum im Gehirn aus!
Heute werden Amphetamine noch in zwei Fällen therapeutisch genutzt: Zur Bekämpfung von
Narkolepsie (spontanes Einschlafen auch in den unmöglichsten Situationen) und bei Kindern mit
hyperkinetischem Syndrom (extreme Zappelfritzen). Der erste Fall ist einleuchtend – man versetzt die
Patienten in einen künstlich wacheren Zustand. Wozu soll man jedoch Kinder, die sich nicht stillhalten
können, mit Stimulantien belasten? Man vermutet, dass die Kinder nicht ganz wach sind und sich aus
diesem Grund schlecht konzentrieren können. Weckt man diese Zappelfritzen künstlich etwas auf, so
fällt ihnen die Konzentration leichter und sie finden sich besser in ihrer Umgebung zurecht. In Amerika
wird Ritalin, ein Amphetaminderivat für Kinder, oft eingesetzt. Es laufen heftige Debatten darüber, ob
dadurch vielen Menschen der Einstieg in eine „Drogenkarriere“ fast aufgezwungen wird oder ob
therapeutisch eingesetzte Stimulantien ungefährlich seien. Hierzulande setzt man Stimulantien für
Kinder sehr vorsichtig ein.
Bereits in den ersten Jahren, als Amphetamin in Form von inhalierbaren Asthmasprays auf dem Markt
war, wurde es missbraucht. Studierende hielten sich zum Lernen für Prüfungen wach, indem sie die
Inhalatoren öffneten und deren Inhalt assen. In Fachkreisen wurde das Missbrauchpotential der
169
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Stimulantien weitgehend unterschätzt. Noch 1938 veröffentlichten behandelnde Ärzte eine
Stellungnahme zu diesem Medikament, in der sie erläuterten, es seien keine Probleme mit
Abhängigkeiten aufgetreten.
1
Ende der Sechziger-Jahre wurde Amphetamin zwecks Steigerung der Intensität ihrer LSD -Räusche
von den Hippies gespritzt. Injiziert entfaltet sich die Wirkung der Droge augenblicklich. Allerdings
erfolgt danach ein rascher Absturz in eine tiefe Depression. Da der Körper schnell eine Toleranz
entwickelt, muss die Dosis ständig erhöht werden. Ein typisches Muster einer Amphetaminsucht:
Während mehrerer Tage spritzt sich eine süchtige Person alle 2 bis 3 Stunden Amphetamin. So bleibt
der Konsument während der ganzen Zeit wach und verhindert den Absturz in die Depression.
Irgendeinmal bricht der Körper zusammen, es folgt ein tiefer Schlaf, der mehrere Tage dauern kann.
Anschliessend muss ein enormer Hunger gestillt werden, da während des „Durchgangs“ kaum je ein
Hungergefühl da war. Dann folgen einige „normale“ Tage, bevor der Zyklus von vorne beginnt.
Doch nicht alle Konsumenten nehmen die Droge freiwillig zu sich. Während des zweiten Weltkriegs
hielten sich viele Soldaten durch Einnahme von Amphetamintabletten lange Zeit bei Laune. So
wurden die Flieger der deutschen Wehrmacht und die Soldaten der Engländer gedopt in den Krieg
geschickt; die Amerikaner bezogen ihre Stimulantien bei den englischen Soldaten.
Japan versuchte nach 1945 die Bevölkerung durch Abgabe von Amphetaminen vom Kriegselend
abzulenken.
Schätzungsweise
hatte
das
Land
anfangs
der
Fünfziger-Jahre
ein
Prozent
Amphetaminsüchtige.
Cocain- und Amphetaminpsychosen äussern sich sehr ähnlich und unterscheiden sich deutlich von
anderen drogenbedingten psychischen Veränderungen. Während ein Alkoholiker durch Entzug von
Alkohol in einen verwirrten, unorientierten Zustand fällt (Delirium tremens), befindet sich jemand, der
an einer Amphetaminpsychose leidet, in einem wachen, klaren Zustand. Die Psychose erinnert an
eine endogene paranoide Schizophrenie (ohne äusseren Einfluss auftretende, von Angstzuständen
geprägte psychische Krankheit): Die Patienten leiden an Halluzinationen, d.h. sie nehmen Dinge wahr,
welche keine reellen Hintergründe haben. So hören sie Stimmen, seltener sehen sie Bilder oder wirre
geometrische Muster. Mit der Zeit haben die Betroffenen den Eindruck, die ganze Welt richte sich
gegen sie, alle Menschen seien Feinde, die bekämpft werden müssten. Vor Gewalttaten schrecken
die Patienten meistens nicht zurück. Die Verzerrung der Wirklichkeit geht so weit, dass man in
Nachrichtensendungen persönliche Botschaften hört – als wäre ein Flugzeug nur gerade für den
Hörer abgestürzt. Auch eine Art Berührungshalluzination tritt auf: Betroffene haben den Eindruck, ihre
Haut sei von Läusen, Würmern und Ungeziefer aller Art besiedelt und daher müssten sie sich dauernd
kratzen.
Die Symptome von Cocain- und Amphetaminpsychosen lassen sich mit Antischizophrenika
(Medikamente zur Linderung von Schizophreniesymptomen) mildern oder gar zum Verschwinden
bringen, während reine Beruhigungsmittel und angstlösende Medikamente keine Wirkung zeigen.
1
LSD (Lysergsäurediethylamid): Eine halluzinogene Substanz, welche aus der im Mutterkorn (einem Pilz, der auf Ähren
wächst) enthaltenen Lysergsäure hergestellt wird.
170
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Diese Tatsache wird in Tierversuchen genutzt: Möglicherweise als Antischizophrenika einsetzbare
Substanzen werden an amphetaminsüchtigen Ratten getestet.
Amphetamin
wurde
1934
als
Asthmamedikament
entwickelt.
Als Amphetamine bezeichnet man Wirkstoffe, die sich vom
ursprünglichen Molekül nur wenig unterscheiden.
Amphetamin wirkt euphorisierend, weckend und dämpft
den Appetit.
Spätfolgen
von
Missbrauch
zeigen
sich
häufig
als
schizophrenieartige Psychosen, die nach dem Absetzen der
Droge verschwinden.
Speed, Ice und Thai-Pillen gehören zu den Amphetaminen,
auch Ecstasy ist eng mit den genannten Substanzen
verwandt.
1.2.2 Nachweis von Amphetaminen im Sport
Amphetaminmoleküle verlassen den Körper zum grossen Teil in der gleichen Form wie sie
eingenommen worden sind. In der Dopingkontrolle werden deshalb nicht Abbauprodukte, sondern die
Stimulantien selber nachgewiesen.
Weil es sich bei diesen Drogen um wenig polare Moleküle handelt, mischen sie sich gut mit
organischen Lösemitteln und können daher sehr einfach aus der wässrigen Urin-Lösung abgetrennt
werden. Im Scheidetrichter wird Urin mit einem organischen Lösemittel überschichtet, welches nicht
mit Wasser mischbar ist. Meistens werden Diethylether oder der weniger narkotisierend wirkende
Tertiärbutylmethylether verwendet.
Der Scheidetrichter wird geschüttelt, wobei die Dopingmittel in die organische Phase übergehen.
Diese wird abgetrennt und 2-3 Mikroliter davon im Gas-Chromatografen (GC) aufgeschlossen, mit
einem stickstoff- und phosphorspezifischen Flammenionisationsdetektor (NP-FID) gescreent und –
falls das Screening positiv ausfällt - anschliessend mit Massenspektroskopie (MS) analysiert.
Amphetamine lassen sich schon in kleiner Dosis sicher analysiert werden. Seit 1972 (Olympische
Spiele
in
München)
werden
diese
Stimulantien
routinemässig
nachgewiesen.
Dank
der
Dopingkontrollen hat der Amphetaminmissbrauch im Sport abgenommen.
1.2.3 Amphetamine in der Party-Szene: Speed, Thai-Pillen und Ice
Amphetamin kann man chemisch sehr leicht etwas abändern, z.B. indem eine oder mehrere
Methylgruppen eingebaut werden. So entstehen Moleküle, welche eine ähnliche Drogenwirkung
entfalten. Vielleicht gibt es einen noch heisseren Kick, vielleicht fällt man in ein weniger tiefes Loch
171
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
wenn die Wirkung nachlässt, vielleicht ist das Suchtpotential kleiner. Genaue Voraussagen über die
Wirkung eines leicht modifizierten Moleküls sind schwierig.
In der Partyszene trifft man etliche Derivate von Amphetamin an. Speed ist fast reines Amphetamin, in
den Thaipillen ist vorwiegend Metamphetamin enthalten, Ice ist kristallines Metamphetamin.
NH
Abbildung 1.5. Lewis-Formel von Metamphetamin [C10H15N; M = 149,23 g/mol]
1.2.4 Ecstasy – ein weiteres Amphetaminderivat
„Rave to the grave“ (D. E. Cox)
1914 wurde von der Firma Merck aus Petersilie und Muskatnuss ein appetitzügelndes Medikament mit
dem
Wirkstoff
3,4-Methylendioxymethamphetamin
(MDMA)
entwickelt.
Aufgrund
seiner
(Neben-)Wirkung wurde es allerdings nie wie geplant eingesetzt, sondern erst in den SechzigerJahren in der Psychiatrie und in der Flower-Power-Zeit als Strassendroge verwendet. In den
Achtziger-Jahren erreichte es auch in Europa eine gewisse Popularität. An Techno-Parties konsumiert
Schätzungen zufolge etwa jeder dritte Besucher Ecstasy.
Im Tierversuch zeigte MDMA 1985 eindeutig hirnschädigende Wirkung, seither untersteht die
Substanz dem Betäubungsmittelgesetz.
Das
in
der
Schweiz
erhältliche
Ecstasy wird
in
Designer-Drogen-Labors
in
ehemaligen
Ostblockstaaten oder in den Niederlanden produziert.
O
O
NH
Abbildung 1.6. Lewis-Formel von Ecstasy [C11H15NO2; M=193,24 g/mol]
Aufgabe 1.3
Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede weisen
die Moleküle von Amphetamin und von Ecstasy auf?
Ecstasy ist in Form von Tabletten, Kapseln oder als Tee resp. Bouillon auf dem Markt. Die
pharmakologisch wirksame Dosis liegt bei 100-150 mg. Die Wirkung setzt nach etwa einer halben
Stunde ein und hält 3-6 Stunden an.
Zuerst wird der Sympathicus erregt, dies zeigt sich durch Beschleunigung des Herzschlags,
Mundtrockenheit, Blutdrucksteigerung, Pupillenerweiterung, Muskelkrämpfen, Lidflattern, Schwitzen,
172
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Unruhe,
Angst
und
Gehstörungen.
Bei
zu
hoher
Dosierung
treten
auch
Sprach-
und
Konzentrationsstörungen sowie Übelkeit und Erbrechen auf.
Erst danach setzt die erwünschte psychische Wirkung ein. MDMA ist ein „Entaktogen“, d.h. eine
Droge, die „innere Berührung hervorbringt“. Dies zeigt sich neben einem anregenden, leicht
halluzinogenen Effekt als Bewusstseinserweiterung, innere Ruhe und Entspannung, gesteigertes
Selbstwertgefühl und emotionale Enthemmung. Die Umgebung des Konsumenten trägt wesentlich
zum Erlebnis bei.
Bei regelmässigem Konsum kommt es zu Toleranzbildung, d.h., es muss mehr Substanz
eingenommen werden um den gleichen Effekt zu erzielen.
Nach der psychischen Wirkung macht sich die Droge in Form von Müdigkeit, Erschöpfung, Mangel
von Motivation und Konzentrationsschwäche bemerkbar, depressive Verstimmung stellen sich ein.
Bei gewissen Krankheiten wie Epilepsie, Bluthochdruck, Asthma und Diabetes mellitus kann der
Konsum von Ecstasy zu einer Verschlechterung bzw. zu einem Anfall führen.
An Partys kommt ein weiteres Problem hinzu: Wer weiss schon genau, was in den bunten Kapseln
und Tabletten enthalten ist? MDMA wird sehr häufig gestreckt. Man findet Coffein, Ephedrin oder gar
andere Drogenwirkstoffe wie LSD und Amphetamine als Zusatz oder gar als einzige wirksame
Substanzen.
Ecstasy wurde als Appetitzügler entwickelt, aufgrund der
psychotropen
Nebenwirkungen
allerdings
nie
dafür
eingesetzt.
Ecstasy „bringt innere Berührungen hervor“ und vermittelt
ein Gemeinschaftsgefühl. Im Tanzrausch kann der Körper
austrocknen oder überhitzt werden.
Ecstasy wirkt irreversibel hirnschädigend.
1.3 COFFEIN – Ein salonfähiges Stimulans
Kaffee, Tee und Guarana-Getränke sind in vielen Kulturen verbreitet. Die weckende Wirkung von
Coffein und ähnlichen nicht abhängig machenden Stimulantien wird weltweit geschätzt.
Die Weltproduktion von Kaffee betrug 1998 6,418 Millionen Tonnen; die bedeutendsten Exportländer
sind Brasilien, Kolumbien, Indonesien, Mexiko, Elfenbeinküste, Uganda und die mittelamerikanischen
Staaten, die wichtigsten Importländer USA, Deutschland, Frankreich, Japan und Italien. Die
internationale Kaffeeorganisation (ICO), bestehend aus den 29 wichtigsten Import- und Exportländern,
trifft Massnahmen zur Preisstabilisierung.
173
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
O
H3C
N
N
O
CH3
N
N
CH3
Abbildung 1.7. Lewis-Formel von Coffein, [C8H10N4O2; M=194,19 g/mol]
Coffein ist ein Alkaloid, d.h. ein stickstoffhaltiger Naturstoff. Alkaloide mit ähnlicher Molekülstruktur wie
Coffein werden als „Xanthine“ bezeichnet. Coffein heisst auch Trimethylxanthin.
Verschiedene Methylxanthine wie Coffein, Theophyllin und Theobromin findet man in den Beeren,
Samen und Blättern des Teestrauchs, der Matepflanze und des Kakao- und Kolabaums. Beim in Tee
enthaltenen „Thein“ handelt es sich um Coffein.
Wahrscheinlich synthetisieren die Pflanzen Coffein als Insektizid.
Reines Coffein gewinnt man aus Teeblättern (Gehalt 1.5 – 3.5 %) und bei der Entcoffeinierung von
Kaffeebohnen.
Coffein wird rasch ins Blut aufgenommen. Trinkt man ein warmes coffeinhaltiges Getränk, so ist nach
30 ± 8 Minuten die maximale Konzentration im Blut erreicht. Aus kohlensäurehaltigen Getränken wird
Coffein schneller aufgenommen. 90 – 100 % des konsumierten Coffeins gelangen in den Stoffwechsel. Auch über die Haut kann Coffein aufgenommen werden.
Im Körper wird Coffein in verschiedene wasserlösliche Stoffe umgewandelt und mit dem Urin
ausgeschieden. Die Zeit, in der die Hälfte des Wirkstoffs abgebaut wird (die „Halbwertszeit“) variiert:
2
Erwachsene: 3 – 5 h, Schwangere 7.5 - 12.5 h, Neugeborene 36 – 144 h.
Coffein versetzt den Körper in höhere Leistungsbereitschaft: Das Herz stösst pro Schlag mehr Blut
aus. Die Bronchialmuskulatur erschlafft, die Sauerstoffversorgung des Körpers wird verbessert.
Coffein soll gegen Kopfschmerzen und Migräne wirksam sein. Es ist daher in einigen
Erkältungsmitteln enthalten.
Die vom IOC festgelegte Limite für Coffein liegt bei 12 µg / ml Urin. Dies entspricht fünf bis sechs
Tassen starkem Kaffee eine bis zwei Stunden vor dem Wettkampf.
2
Neugeborenen steht noch nicht das volle Lungenvolumen zur Atmung zur Verfügung. Im Falle einer Operation wird den
Säuglingen Coffein gespritzt. Dies führt zu einer Öffnung der Bronchien und damit einer besseren Sauerstoffversorgung
des Organismus.
174
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Coffein ist ein Alkaloid, man findet den Wirkstoff in Kaffee,
Guarana und Tee.
Coffein wirkt anregend und appetithemmend, nicht aber
euphorisierend.
Da eine Leistungssteigerung erwiesen ist, steht Coffein auf
der Dopingliste.
1.4 Die Wirkung von Stimulantien auf molekularer Ebene
Kurze Zusammenfassung des bisher Gelernten:
Cocain wirkt appetithemmend, euphorisierend und weckend. Zudem wird es als Lokalanästheticum
eingesetzt. Konsumenten werden davon abhängig, Psychosen treten auf.
Amphetamine bewirken eine Erweiterung der Bronchialmuskulatur, wecken, dämmen den Appetit,
euphorisieren, zeigen aber keinerlei betäubende Wirkungen. Sie können abhängig machen, auf einen
Rausch folgt eine Depression. Spätfolgen sind schizophrenieartige Amphetaminpsychosen.
Ecstasy bringt innere Berührungen hervor, beeinträchtigt das Temperaturempfinden und führt zu
Gehirnschäden.
Coffein bewirkt ein grösseres Ausstossvolumen von Blut aus dem Herzen, eine Erweiterung der
Bronchien, weckt, wirkt aber nicht euphorisierend. Ob eine Abhängigkeit wie bei den anderen drei
Substanzen entstehen kann, ist noch umstritten.
Folgende Fragen sollen nun geklärt werden:
•
An welchen Stellen im Körper greifen die Stimulantien in den Stoffwechsel ein?
•
Wie weit kann man die Wirkungsweise aufgrund der Molekularstruktur verstehen?
•
Was geschieht, wenn der Körper von einem Stimulans abhängig wird?
1.4.1 Die Wirkung von Stimulantien im Gehirn
Das Gehirn ist gegen „Eindringlinge“ gut geschützt. Die sogenannte Blut-Hirn-Schranke umgibt das
Gehirn wie eine riesige Zellmembran. Aufgebaut ist die Schranke aus dem porenlosen Endothel der
Haargefässe und von einem geschlossenen Mantel von Gliaausläufern um die Haargefässe. Ein
ungehinderter Stoffaustausch ist daher unmöglich – nur gerade fettlösliche Moleküle können durch die
Membran hindurch diffundieren. Polaren und geladenen Teilchen bleibt der direkte Zugang zum
Gehirn verwehrt! Nur durch spezielle Transportmechanismen gelangen Kohlenhydrate (Glucose ist
der Energielieferant des Gehirns!) und Aminosäuren ins Gehirn.
Cocain, Amphetamin und Coffein können alle diese Blut-Hirn-Schranke überwinden. Im Gehirn greifen
sie in verschiedene Kreisläufe ein.
175
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Für die Amphetamine ist die Wirkungsweise gut erforscht. Für Coffein existieren verschiedene
Theorien, Sie lernen eine davon in diesem Modul kennen. Über die molekulare Wirkungsweise von
Cocain weiss man nicht sehr viel.
An dieser Stelle verfolgen wir den Weg eines Amphetaminmoleküls durch das Gehirn.
Amphetamin wirkt auf die von den Neurotransmittern Noradrenalin und Dopamin übertragenen
Nervenreize. Um die Breite dieser Auswirkung abschätzen zu können, muss man wissen, wo die
noradrenergen Bahnen (die Nerven, die Noradrenalin als Neurotransmitter einsetzen) und die
dopaminergen Bahnen verlaufen.
Abbildung 1.8. noradrenerge (links) und dopaminerge (rechts) Neuronen im Gehirn (aus: Snyder, S.H. (1988,
1994) Chemie der Psyche, Spektrum, Akad. Verlag, Heidelberg Berlin Oxford
Der Ursprung der noradrenergen Neuronen liegt im Hirnstamm, genauer im locus coeruleus. Dies ist
eine kleine Hirnregion, welche im Schnitt blau erscheint (coeruleus lat.: = himmelblau). Dieser blaue
Fleck umfasst etwa 3000 Nervenzellen, welche mit den verschiedensten Hirnregionen in Kontakt
stehen. So gehen von den im locus coeruleus beginnenden Nervenzellen Reize zu vermutlich einem
11
Drittel aller Nervenzellen (insgesamt umfasst das Gehirn etwa 10
[hunderttausend Millionen]
Neuronen). Auf diese Weise gelangen Informationen in die Grosshirnrinde und nehmen dort Einfluss
auf höhere Denkprozesse. Information vom locus coeruleus beeinflusst auch die Feinmechanik,
welche vom Kleinhirn aus gesteuert wird. Die meisten noradrenalinhaltigen Neuronen findet man im
limbischen System, also dem Gefühlszentrum des Gehirns.
Man nimmt an, dass diese Verknüpfung der Nervenzellen beispielsweise die Koppelung von
Emotionen und Handlungen vornimmt.
Die dopaminergen Nervenbahnen entstammen fast alle der „substantia nigra“ (niger lat.: = schwarz)
im Hirnstamm und steigen zum Koordinationszentrum für die Bewegung von Armen und Beinen, dem
„corpus striatum“ (lat.: = gerippter Körper). Ebenfalls im Hirnstamm, im „Tegmentum“ (lat.: = Hülle)
176
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
entspringt ein anderer Ast der dopaminergen Nervenbahnen, welcher zum limbischen System führt.
Dort wird das emotionale Verhalten gesteuert.
Dass auch der Dopaminkreislauf von Stimulantien beeinträchtigt wird, weiss man aufgrund der
Amphetaminpsychosen.
Bei
einer
Schizophrenie
ist
der
Dopaminhaushalt
gestört.
Da
Antischizophrenika auch gegen Amphetaminpsychosen wirken und die Psychose einer endogenen
Schizophrenie ähnelt, schliesst man, dass die Anwesenheit von Amphetamin im Gehirn den
Dopaminstoffwechsel beeinträchtigt.
OH
NH2
NH2
NH2
HO
HO
OH
OH
Noradrenalin
Dopamin
[C8H11NO3; M=169,18 g/mol]
Amphetamin
[C8H11NO2; M=153,18 g/mol]
[C9H13N; M=135,2 g/mol]
Abbildung 1.9. Lewis-Formeln der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin und der Droge Amphetamin
Haben
Amphetaminmoleküle
die
Blut-Hirn-Schranke
überwunden,
gelangen
sie
in
die
Nervenendigungen, wo sie in die Vesikel eindringen. Dadurch werden die dort anwesenden
Neurotransmitter hinausgedrängt, die Vesikelmembran verschmilzt mit der Zellmembran und die
Neurotransmittermoleküle gelangen in den synaptischen Spalt. Dies bewirkt eine Aktivierung der
benachbarten Nervenzelle. Die Amphetaminmoleküle blockieren aufgrund der molekularen Ähnlichkeit
auch die Pumpen, welche die Neurotransmittermoleküle in die Nervenzellen zurück transportieren
sollten. Dadurch bleiben die reizübertragenden Moleküle viel länger im synaptischen Spalt, der Reiz
dauert deshalb länger an.
177
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
präsynaptisches Neuron
Amphetamin
Mitochondrium
Vesikel mit Neurotransmitter
Die Amphetaminmoleküle
Enzym (Abbau resp. Rücktransport von
Neurotransmittern)
Rezeptor mit Neurotransmitter
Ionenkanal geöffnet
postsynaptisches Neuron
Abbildung 1.10. Übertragung des Nervenreizes am synaptischen Spalt
Amphetaminmoleküle gelangen ins Gehirn.
Die Molekülstruktur von Amphetamin ist ähnlich wie die der
Neurotransmitter
Noradrenalin
und
Dopamin.
Amphetaminmoleküle verstärken die Nervenreizleitung in
den noradrenergen und dopaminergen Neuronen.
Auf molekularer Ebene: 1) Amphetaminmoleküle verdrängen
die Neurotransmittermoleküle aus den Vesikeln. 2) Der
Rücktransport der Neurotransmitter wird blockiert.
Das Amphetaminderivat Ecstasy beeinflusst auf die gleiche Art wie Amphetamin die Reizübertragung
am synaptischen Spalt. Aufgrund des Molekülbaus werden die Dopamin- und Serotonin-Kreisläufe
gestört.
Die serotoninergen Neuronen entspringen den „Raphe-Kernen“ (vom griechischen Wort für Naht
abgeleitet) im Hirnstamm und führen zu verschiedenen Teilen des Gehirns. Viele serotoninhaltige
Neuronen trifft man wiederum im limbischen System an.
178
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Abbildung 1.11. Serotoninerge Bahnen (aus: Snyder, S.H. (1988, 1994) Chemie der Psyche, Spektrum, Akad.
Verlag, Heidelberg Berlin Oxford)
HO
NH2
O
NH
N
H
O
Serotonin
Ecstasy (MDMA)
[C10H12N2O; M=176,21 g/mol]
[C11H15NO2; M=193,24 g/mol]
Abbildung 1.12. Lewis-Formeln von Serotonin und Ecstasy
Die molekulare Wirkungsweise entspricht derjenigen von Amphetamin: Die fremden Moleküle dringen
in die Nervenenden ein und verdrängen die Neurotransmitter aus den Vesikeln, wobei diese mit der
Zellmembran verschmelzen und Serotonin in den synaptischen Spalt freisetzen. Zusätzlich wird der
Rücktransport der Neurotransmitter in das präsynaptische Neuron behindert.
Im Gegensatz zu den Amphetaminen beeinflusst Ecstasy das Temperaturzentrum (von Serotonin
gesteuert), die dopamingesteuerten Gefühle wie Durst- und Hungergefühl, Ruhebedürfnis und
Schmerzempfinden sind ähnlich wie bei den andern Stimulantien gestört.
Die Kombination von exzessivem Tanzen mit den beschriebenen Wirkungen auf den Körper kann
tödlich enden. Es besteht die Gefahr, dass der Körper überhitzt wird oder austrocknet. Die Folgen
davon können Herz-/Kreislaufstörungen, Schock, Krämpfe, Gerinnungsstörungen, Nierenversagen
oder Lebernekrosen (Absterben von Teilen der Leber) sein. Da diese „Nebenwirkungen“ nur bei PartyKonsumenten von Ecstasy auftreten, nicht aber bei Psychiatriepatienten, welche mit der Substanz
179
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
behandelt worden sind, trägt wohl das Partygeschehen an und für sich einen wesentlichen Teil zu den
körperlichen Symptomen bei.
Ecstasy
verstärkt
im
Gehirn
die
Wirkung
der
Neurotransmitter Serotonin und Dopamin.
Die molekulare Wirkungsweise entspricht derjenigen von
Amphetamin.
Von Cocain weiss man nur, dass es die Rücktransportmechanismen der Neurotransmitter blockiert.
Ob dies allerdings die Hauptwirkung der Droge ist, wird gegenwärtig noch erforscht.
Coffein verstärkt die Wirkung von Adrenalin
Ist der Körper in Erregung, so schüttet die Nebennierenrinde Adrenalin aus. Diese Substanz wirkt
sowohl als Hormon wie auch als Neurotransmitter.
Als Antwort auf einen Adrenalinschub erhöht der Körper die Konzentration des „Botenmoleküls“ cAMP
(cyclisches Adenosinmonophosphat). cAMP wird nach einer gewissen Zeit von einem Emzym (einer
Phosphodiesterase) in AMP (Adenosinmonophosphat) umgewandelt. Die Abnahme der cAMPKonzentration deutet der Körper als ein Abklingen der Erregung.
Coffein blockiert dieses Enzym, wodurch die Konzentration von cAMP hoch bleibt. Der Körper bleibt
aufgeregt; die Wirkung von Adrenalin hält länger als vorgesehen an.
Schematisch dargestellt:
Ohne Coffein:
Erregung → Adrenalin-Ausschüttung → Produktion von cAMP → Abbau zu AMP
Mit Coffein:
Erregung → Adrenalin-Ausschüttung → Produktion von cAMP (Abbau zu AMP verhindert)
180
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
NH2
NH2
N
N
N
Enzym
O
O
P
CH2
O
O
N
O
N
N
O
O
P
O CH2
N
O
N
O
OH
OH OH
cAMP
AMP
Abbildung 1.13. Lewis-Formeln von cAMP und AMP
In jüngerer Zeit wird angenommen, dass diese Enzymblockierung durch Coffein zwar geschehen
kann, allerdings erst bei viel höheren Coffeindosen als normalerweise eingenommen werden. Deshalb
wird dem Placebo-Effekt, d.h. der erwarteten und dadurch tatsächlich einsetzenden Wirkung einer
stärkenden Tasse Kaffee in letzter Zeit weit mehr Bedeutung beigemessen als noch vor einigen
Jahren.
Aufgabe 1.4
Welcher Teil des cAMP-Moleküls ähnelt dem Coffeinmolekül?
Coffein verlängert die Wirkung von Adrenalin.
Wahrscheinliche Wirkungsweise auf Teilchenebene: Der
Körper bildet als Antwort auf einen Adrenalinschub cAMP,
welches anschliessend zu AMP abgebaut wird. Coffein
blockiert das Enzym, welches den Abbau von cAMP zu AMP
katalysiert.
Wie wird der Körper abhängig von Stimulantien?
Wird einem Organismus ständig eine Substanz zugeführt, welche die Konzentration von
Neurotransmittern im synaptischen Spalt erhöht, so werden vermehrt Rezeptoren für die
Neurotransmitter gebildet. Eine effiziente Reizübertragung erfolgt daraufhin nur bei erhöhter
Konzentration des Neurotransmitters, d.h. in Anwesenheit der Droge. Um erneut einen Rausch zu
erleben, muss die Dosis erhöht werden. Wird keine Substanz mehr zugeführt, so reicht die natürliche
Konzentration der Neurotransmitter nicht aus, um die Erregung weiterzuleiten. Es stellen sich
Entzugserscheinungen ein, die solange anhalten, bis die überschüssigen Rezeptoren abgebaut sind.
181
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Ein zweiter Grund für die „Toleranzentwicklung“: Der Körper stellt mehr Enzyme her, welche den
Fremdstoff abbauen. So muss mehr Substanz zugeführt werden, weil ein grosser Teil der Droge
abgebaut wird, bevor sie den Wirkungsort erreicht hat.
Nicht klar ist, wie weit eine Abhängigkeit von Coffein diesen Prozessen unterliegt, oder ob es sich
eher um eine mentale Abhängigkeit handelt.
1.4.2 Die Wirkung von Stimulantien auf das vegetative Nervensystem
Verschiedene Vorgänge, welche einen lebendigen Körper in Gang halten, laufen unwillkürlich ab. So
zum Beispiel Verdauung, Atmung, Funktion der inneren Organe etc. Reguliert wird die Aktivität der
entsprechenden Organe über das sogenannte vegetative Nervensystem.
Man unterscheidet zwei Stränge des vegetativen Nervensystems: den Sympathicus und den
Parasympathicus. Die meisten Organe, welche vom Sympathicus aktiviert werden, dämpft der
Parasympathicus und umgekehrt.
Eine Erregung des Sympathicus versetzt den Körper in Fluchtbereitschaft: Die Bronchien erweitern
sich, damit eine optimale Versorgung der Muskulatur mit Sauerstoff gewährleistet ist. Die Verdauung
wird gedämpft, die Pupillen sind weit, die Aufmerksamkeit ist erhöht. Die Energieversorgung des
Körpers wird von den Reserven aus erledigt.
Im Ruhezustand hingegen sorgt die Erregung des Parasympathicus für eine optimale Verdauung,
Glycogen wird als Energiereserve aufgebaut, der Körper atmet ruhig.
Sympathicus aktiviert: Fluchtbereitschaft
Parasympathicus aktiviert: Ruhezustand
Je 2 Neuronen: Sowohl im Symphathicus wie auch im Parasympathicus wird der Reiz vom Gehirn
oder vom Rückenmark aus auf ein erstes Neuron übertragen, dann auf ein zweites, welches
schliesslich die motorische Endplatte erregt.
Im Sympathicus übernimmt Noradrenalin die Rolle des Neurotransmitters zwischen dem ersten und
zweiten Neuron, die motorische Endplatte wird ebenfalls mittels Noradrenalin erregt.
Im Parasympathicus wird die Erregung vom Rückenmark aus mittels Acetylcholin auf die Neuronen
übertragen.
Im Körper ist das vegetative Nervensystem wie folgt angesiedelt:
182
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Abbildung 1.14. Anordnung der Nervenstränge im vegetativen Nervensystem. (Dunkel: Parasympathicus, hell:
Sympathicus, aus Snyder, S.H. (1988, 1994) Chemie der Psyche, Spektrum, Akad. Verlag,
Heidelberg Berlin Oxford
Alpha- und Beta-Rezeptoren für Noradrenalin
Man unterscheidet zwei Typen von Noradrenalinrezeptoren an der motorischen Endplatte: AlphaRezeptoren bewirken bei Erregung eine Muskelspannung, Beta-Rezeptoren hingegen eine
Erschlaffung.
Von beiden Rezeptortypen kennt man Untergruppen; diese werden mit Alpha 1 und 2 resp. Beta1 und
2
bezeichnet.
Beta1-Rezeptoren
findet
man
beim
Herzmuskel,
Beta2-Rezeptoren
in
der
Bronchialmuskulatur.
Stimulantien bewirken eine Aktivierung des Sympathicus. Die molekulare Wirkungsweise ist im
vegetativen Nervensystem gleich wie im Gehirn. Der Neurotransmitter wird aus den Vesikel in den
synaptischen Spalt freigesetzt, der Rücktransport in das präsynaptische Neuron ist erschwert. Dies
verstärkt den von Noradrenalin übertragenen Reiz.
Stimulantien
verstärken
die
Reizübertragung
im
Sympathicus. Die molekulare Wirkungsweise entspricht
derjenigen im Gehirn.
183
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
2 BETA-SYMPATHOLYTIKA - MIT BETABLOCKERN
GEGEN PRÜFUNGSANGST
1.
Sie verstehen die Funktionsweise der Betarezeptorenblocker aufgrund der Ähnlichkeit im Molekülbau
von Noradrenalin und den Betablockern.
184
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Wer wünschte sich nicht, an Prüfungen vollständig ruhig und gelassen zu bleiben und sich darauf
verlassen zu können, weder schweissige Hände zu kriegen noch zu zittern. Ein ursprünglich zur
Senkung der Herzfrequenz entwickeltes Medikament hat genau diese Wirkung und wird demnach oft
missbräuchlich eingesetzt. Die Funktionsweise des Wirkstoffs ist bereits im Namen enthalten: Die
Beta-Rezeptoren werden blockiert.
Die Betablocker gelangen nicht ins Gehirn, sie beeinflussen nur die Nervenreizleitung im
Sympathicus.
Die Moleküle der Betablocker sind ähnlich gebaut wie das Noradrenalinmolekül.
HO
R
NH2
HO
+
NH2
O
OH
OH
(I)
(II)
OH
(III)
[C8H11NO3; M=169,18 g/mol]
Abbildung 2.1.
+
NH2
O
[C16H22NO2; M=260,35 g/mol]
Lewis-Formeln von Noradrenalin und Betablockern. (I) Noradrenalin, (II) Strukturelement aller
Betablocker, (II) Propanolol (erster Betablocker, 1965)
Aufgabe 2.1
Kennzeichnen Sie in der obigen Abbildung das gemeinsame
Strukturelement von Noradrenalin und den Betablockern.
Dank der strukturellen Ähnlichkeit lagern beide Moleküle an die Beta-Rezeptoren an, die Blocker
lösen allerdings auf der Zellinnenseite keinen Reiz aus. Dadurch werden die von Noradrenalin
übermittelten Reize nicht weitergeleitet.
Sind im synaptischen Spalt sowohl Noradrenalin wie auch ein Betablocker vorhanden, so kämpfen
beide um die Rezeptorenplätze. Diese Art von Hemmung wird kompetitive Hemmung (lat.: competere
= kämpfen) genannt. Wenn der Betablocker in genügend hohen Mengen vorliegt, gelingt die
Signalübermittlung mittels Noradrenalin praktisch nicht mehr und die Erregung des Sympathicus wird
nicht weiter verstärkt.
185
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
präsynaptisches Neuron
Mitochondrium
Vesikel mit Neurotransmitter
Die Membranen der Vesikel und
des Neurons sind verschmolzen
Hemmstoff
Enzym (Abbau resp. Rücktransport von
Neurotransmittern)
Rezeptor von Hemmstoff besetzt
Ionenkanal nicht geöffnet
postsynaptisches Neuron
Abbildung 2.2. Kompetitive Hemmung
Betablocker
wirken
im
vegetativen
Nervensystem,
im
Sympathicus.
Sie lagern sich an die Rezeptoren der postsynaptischen
Neuronen an, ohne einen Reiz auszulösen.
Wegen der Blockierung wird die maximale Arbeitsleistung des Herzens gesenkt. Das ist bei Angina
Pectoris-Patienten nötig, um einem Anfall vorzubeugen. Weil gleichzeitig die Herzfrequenz und das
pro Schlag gepumpte Blutvolumen gesenkt werden, dürfen Patienten mit Herzmuskelschwäche keine
Beta-Sympatholytika zu sich nehmen, damit die Versorgung des Organismus mit Blut gewährleistet
ist.
Die Einnahme von Betablockern senkt den Blutdruck, auch der Augendruck wird vermindert. Aus
diesem Grund gelangen sie in Form von Augentropfen zur Vorbeugung gegen oder zur Behandlung
von grünem Star zum Einsatz.
Gefahren drohen Diabetikern und Asthmatikern: Droht einem Diabetiker eine Hypoglykämie
(Unterzuckerung), so reagiert der Körper mit adrenalinvermittelter Warnung. Wird nun im Sympathicus
die Reizleitung unterbrochen, so produzieren die Nebennieren weniger Adrenalin und lebensrettende
186
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
Warnzeichen wie Herzklopfen bleiben aus. Bei Asthmatikern können Betablocker einen Anfall
auslösen: Da eine Erregung der Beta-Rezeptoren eine Erschlaffung der Bronchialmuskulatur bewirkt,
verkrampft sich die Muskulatur, wenn die Reizübertragung durch Noradrenalin ausbleibt.
Für gesunde, aber leicht nervöse Personen sind Betablocker eine Hilfe während Vorträgen, Prüfungen
und künstlerischen Auftritten. Weder wird das Denkvermögen beeinträchtigt, noch wird man schläfrig.
Einzig die Anzeichen von Nervosität wie schweissige Hände, Herzklopfen und weiche Knie sind wie
weggeblasen.
Diese Medikamente sind in doppelter Hinsicht ein typisches Kind der von einem Machbarkeitswahn
geprägten Zeit. Erstens lassen sich kleine unangenehme Symptome bequem unterdrücken, ohne
dass man die Ursachen ergründen oder gar bekämpfen muss. Zweitens ist eine wirtschaftliche Seite
der Betablocker interessant: Im Jahr 1965 kam das erste Beta-Sympatholythikum Propanolol auf den
Markt. 30 Jahre später waren 26 verschiedene Stoffe erhältlich, die sich in ihrer Wirkung kaum
unterscheiden und die alle das gleiche Strukturelement aufweisen. Doch jede dieser Substanzen ist
patentiert worden und daher für die Wirtschaft von Interesse.
Der Einsatz von Betablockern als Dopingmittel im Sport.
Bei Sportarten wie Moderner Fünfkampf, Golf, Bob, Curling, Fechten, Flugsport, Pferdesport,
Wasserspringen,
Skispringen,
Ski
alpin
und
Schiessen,
welche
ein
hohes
Mass
Konzentrationsfähigkeit erfordern, ist der Einsatz von Beta-Sympatholytika nicht gestattet.
Aufgabe 2.2
Diskutieren Sie mit Klassenkameraden über Sinn und
Unsinn hinsichtlich des Einsatzes von Betablockern für
Proben, Prüfungen, Konzerte und im Sport.
Ist der Grundsatz „Chancengleichheit“ verletzt, wenn man
von Natur aus nervöseren Personen den Einsatz von (LifeStyle-)Medikamenten nicht gestattet?
187
an
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
2.1 Auch bronchienerweiternde Asthmamedikamente stehen auf
der Dopingliste!
Asthma ist eine Erkrankung der Bronchien. Die Schleimhaut ist dauernd entzündet, Schleim verstopft
die Atemwege. Zusätzlich verengt sich die Muskulatur bei einem Anfall. Dadurch ist der Luftaustausch
in den Lungenbläschen (Alveolen) nicht gewährleistet, die Patienten leiden an Atemnot. Mit
bronchienerweiternden Substanzen wird die Muskulatur gelockert.
Den Mechanismus dieser Muskellockerung kann man leicht verstehen: Der Sympathicus bewirkt bei
einer Erregung eine Erschlaffung der Bronchialmuskulatur. Dies gewährleistet dem Körper in
Fluchtbereitschaft eine maximale Versorgung mit Sauerstoff. Wie Sie aus dem vorherigen Abschnitt
wissen, ist die Bronchialmuskulatur mit Beta-2-Rezeptoren für Noradrenalin versehen.
Eine Substanz, welche die Bronchialmuskulatur lockern soll, muss also die Wirkung von Noradrenalin
auf die Beta-2-Rezeptoren imitieren. Daher der Name: Beta-2-Sympathomimetikum (griech.: mime,
Schauspieler).
präsynaptisches Neuron
Mitochondrium
Vesikel mit Neurotransmitter
Enzym (Abbau resp. Rücktransport von
Neurotransmittern)
Sympathomimetikum
Rezeptor mit Sympathomimetikum
Ionenkanal geöffnet
postsynaptisches Neuron
Abbildung 2.3. Wirkung von Sympathomimetika
Bekannt sind dafür verschiedene Substanzen, wovon einige auf der Dopingliste stehen.
Dies hat einen Grund, den man wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt hat. Bei Abgabe
grosser Mengen dieser Beta-2-Sympathomimetika beginnt die Muskulatur zu wachsen, eine Wirkung
wie nach der Abgabe von Anabolika stellt sich ein.
188
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
In der Viehmast wird dieser Effekt genutzt. Die Masttiere stehen dauernd unter Einfluss von
Stimulantien.
Zur
Linderung
von
Sympathomimetika
Asthmaanfällen
eingesetzt.
Es
werden
handelt
Beta-2sich
um
Substanzen, welche Noradrenalin im Sympathicus imitieren
indem
sie
am
postsynaptischen
Neuron
einen
Reiz
(wie
nach
auslösen.
Als
Nebenwirkung
wird
Muskelwachstum
Anabolikakonsum) beobachtet – deshalb stehen einige
dieser Medikamente auf der Dopingliste.
189
Stimulantien & β-Blocker
MODUL III: Tatort Synapse
LERNKONTROLLE KAPITEL 1 & 2
Aufgabe 2.3
Moleküle, welche eine ähnliche Struktur aufweisen wie ein Neurotransmitter, können in die
Nervenreizübertragung am synaptischen Spalt eingreifen. Nennen Sie drei mögliche
Angriffsmechanismen und je einen Wirkstoff als Beispiel.
Aufgabe 2.4
Lesen Sie noch einmal das Zitat des spanischen Geschichtsschreibers am Anfang von
Abschnitt 1.1 und erklären Sie die molekularen Grundlagen der Auswirkungen von Cocain.
Stimmen die Aussagen des spanischen Eroberers?
190
MODUL III: Tatort Synapse
Praktikumsanleitungen
3 PRAKTIKUMSANLEITUNGEN
Inhalt
3
PRAKTIKUMSANLEITUNGEN
3.1
191
Versuch 1: Isolation von Coffein aus Schwarztee
193
3.1.1
Extraktion von Coffein, Variante 1
193
3.1.2
Extraktion von Coffein, Variante 2
194
3.1.3
Identifikation des Coffeins mittels Dünnschichtchromatografie
195
3.2
Versuch 2: Physiologische Wirkung von Coffein: Vergleich von entcoffeiniertem und
coffeinhaltigem Kaffee
196
3.2.1
Leistungssteigerung durch Coffein?
196
3.2.2
Hohe Dosis Coffein
197
Lernziele
1.
Sie verstehen die Grundlagen der beiden Isolationsverfahren von Coffein und können diese durchführen
2.
Sie verstehen die physiologische Wirkung von Coffein und kennen die grundlegenden Unterschiede
zwischen coffeinhaltigem und entcoffeiniertem Kaffee
191
MODUL III: Tatort Synapse
Praktikumsanleitungen
Vorbereitung (für Lehrpersonen):
- Tee im Exsiccator trocknen (einige Tage)
- Laufmittel für DC bereitstellen
- Coffein-Referenzlösung bereitstellen
Zeitbedarf:
Sublimation / Resublimation: ½ Lektion
Extraktion: ½ Lektion
Identifikation mittels DC: ½ Lektion
Sie isolieren Coffein auf zwei verschiedene Arten:
Variante 1:
Variante 2:
Sublimation / Resublimation
Extraktion (organisches Lösemittel)
Anschliessend vergleichen Sie das extrahierte Coffein mittels Dünnschichtchromatografie mit reinem
Coffein.
192
MODUL III: Tatort Synapse
Praktikumsanleitungen
3.1 Versuch 1: Isolation von Coffein aus Schwarztee
Material:
Vorbereitung des Teepulvers:
Exsiccator, Reibschale mit Pistill, Porzellanschale (in den Exsiccator
passend)
Sublimation:
Bunsenbrenner, Drahtnetz, Handschuhe, Kristallisierschale (W ca. 10 cm), Mikroskop,
Objektträger mit Vertiefung, Pipette mit Sauger, Porzellanschale, (W ca. 12 cm),
Dreifuss, Tiegelzange, Waage
Extraktion:
Becherglas 20 mL (hohe Form), Filterpapier, 2 Messzylinder (10 mL), Mikroskop,
Objektträger mit Vertiefung, Pipette mit Sauger, Polylöffel, Reibschale mit Pistill, Stativ
für Trichter, kleiner Trichter, Waage.
DC:
Messzylinder zur Herstellung des Laufmittels (10 mL, 50 mL, 100 mL), Flasche für
Laufmittel, Becherglas (20 mL), DC-Alufolien (RP-18 F254s, zugeschnitten für DCKammer passend), DC-Kammer, Kapillaren, Lineal (mm-Einteilung), Pinzette, Pipette
mit Sauger, Spatel, UV-Lampe (254 nm), weicher Bleistift.
Chemikalien:
Ammoniak conc., Ammoniak verdünnt (2 mol/L), Calciumchlorid wasserfrei, Coffein rein,
Dichlormethan, Essigsäureethylester, Methanol, Tee (pro Gruppe ca. 15 g)
Vorbereitungen (Lehrkraft):
a) Teepulver trocknen: Ein paar Tage vor der Versuchsdurchführung gibt man fein gemörserten Tee
(pro Gruppe ca. 10 g) in den Exsiccator und lässt das Teepulver über
wasserfreiem Calciumchlorid trocknen. Falls möglich, wird ein Vakuum
angelegt. Zum Vergleich kann der gleiche Versuch mit entcoffeiniertem Tee
analog durchgeführt werden.
b) Laufmittel herstellen: Essigsäureethylester / Methanol / Ammoniak conc. 80:19:1
c) Referenzlösung Coffein: Eine Spatelspitze Coffein gelöst in ca. 10 mL Methanol.
Schülerversuche:
Variante 1 und 2 können parallel von zwei Personen durchgeführt werden.
3.1.1 Extraktion von Coffein, Variante 1
1. 5-10 g getrocknetes Teepulver in die Porzellanschale geben, gut verteilen.
2. Im Abzug: Stellen Sie die Porzellanschale auf das Drahtnetz über dem Dreifuss. Heizen Sie
mit einer kleinen Bunsenbrennerflamme (Sparflamme) sehr vorsichtig. Zuerst entweicht etwas
Wasser, danach steigt ein dicker Rauch auf. Nun stellen Sie die Kristallisierschale umgekehrt
auf die Porzellanschale. Der Versuch ist beendet, wenn sich an der Innenseite der
Kristallisierschale ein Niederschlag gebildet hat.
Vorsicht: Bei zu starkem Heizen kann sich ein Schwelbrand entfachten! Entfernen Sie den
Brenner ab und zu.
193
MODUL III: Tatort Synapse
Praktikumsanleitungen
3. Mit Handschuhen arbeiten! Lösen Sie mit wenig Dichlormethan die in der Kristallisierschale
entstandene Schicht und geben Sie mit der Pipette wenige Tropfen davon in die Vertiefung
des Objektträgers.
Vorsicht ist beim Umgang mit Dichlormethan geboten!
Bei Schritt 3 mit Handschuhen im Abzug arbeiten! Der Objektträger darf erst aus dem Abzug
genommen werden, wenn das Lösemittel vollständig verdampft ist!
4. Nach dem Eintrocknen können Coffeinkristalle unter dem Mikroskop bewundert werden.
Sie können sich leicht vergewissern, dass es sich bei den Nadeln um Coffein handelt, indem Sie den
gleichen Versuch mit entcoffeiniertem Tee durchführen.
Aufgabe 3.1
Welche Form haben die Coffeinkristalle? Zeichnen Sie einige
Kristalle?
3.1.2 Extraktion von Coffein, Variante 2
Vorsicht ist beim Umgang mit Dichlormethan geboten!
Bei Schritt 3 und 4 unbedingt mit Handschuhen im Abzug arbeiten! Der Objektträger darf erst aus
dem Abzug genommen werden, wenn das Lösemittel vollständig verdampft ist!
1. Mit dem Pistill 1 g Teepulver in der Reibschale vermörsern.
2. 1 mL verdünnte Ammoniak-Lösung zugeben und 1 Minute weiter mörsern.
3. Mit Handschuhen, im Abzug arbeiten! 5 mL Dichlormethan zugeben, mit dem Pistill gut
rühren.
4. Lösung filtrieren. Das Coffein befindet sich im Filtrat.
5. Mit einer Pipette wenig Filtrat in die Vertiefung des Objektträgers geben. Nach dem
vollständigen Eintrocknen des Dichlormethans können die Coffeinkristalle unter dem
Mikroskop betrachtet werden.
194
MODUL III: Tatort Synapse
Praktikumsanleitungen
3.1.3 Identifikation des Coffeins mittels Dünnschichtchromatografie
Literaturhinweis: G. Baars, H. R. Christen, Allg. Chemie: Theorie und Praxis, 3. Aufl. S. 22
Probenvorbereitung:
Eine Spatelspitze isoliertes Coffein wird in ein Reagenzglas gegeben und in ca. 1 mL Methanol gelöst
(gut schütteln).
Als Referenzlösung dient eine von der Lehrkraft bereitgestellte Lösung von reinem Coffein.
Vorbereitung der DC-Kammer:
In die DC-Kammer ca. ½ cm hoch Laufmittel geben.
Proben auf die DC-Platte auftragen:
Mit einem weichen Bleistift wird eine Startlinie ca. 1,5 cm parallel zum schmalen Rand der DC-Platte
eingezeichnet.
Mit einer Kapillare trägt man einige Tropfen der Referenzlösung auf die Startlinie. Mit einer neuen
Kapillare wird etwa 1 cm neben der Referenzlösung ein Tropfen der Probelösung aufgetragen. Nach
Eintrocknen der Probelösung kann an der gleichen Stelle erneut Probelösung aufgetragen werden.
Sobald die aufgetragenen Punkte trocken sind, stellt man die Platte in die vorbereitete DC-Kammer.
Dabei ist es sehr wichtig, dass die Auftragepunkte über dem Flüssigkeitspegel stehen!
DC-Kammer mit Deckel
DC-Platte
Probe
Referenzsubstanz
Laufmittel
Abb. 3.1. DC-Kammer
Die Chromatografie ist beendet, wenn das Laufmittel 1 cm unter dem oberen Rand der Platte
angekommen ist. Nehmen Sie die Platte mit einer Pinzette aus der DC-Kammer und markieren Sie
sofort mit dem weichen Bleistift die Laufmittelfront.
Lassen Sie die DC-Platte im Abzug trocknen, betrachten Sie sie anschliessend unter der UV-Lampe.
Im UV-Licht erkennen Sie die Spuren von reinem und ihrem isolierten Coffein.
195
MODUL III: Tatort Synapse
Praktikumsanleitungen
Zeichnen Sie unter der UV-Lampe alle Flecken mit Bleistift ein. Stimmen alle Flecken bei Referenz
und Probe überein?
Auswertung des DC: Der Rf-Wert.
Eine Substanz kann mittels DC anhand des „Retentionsfakors“, des Rf-Wertes, identifiziert werden.
Der Rf-Wert gibt an, wie viele Prozente der vom Laufmittel zurückgelegten Strecke die Probesubstanz
zurückgelegt hat.
Berechnung des Rf-Werts:
Rf = 100 ⋅
SP
SE
mit S: Startlinie, P: Fleck der betr. Substanz, E: Laufmittelfront; SP: von der Substanz zurückgelegte
Strecke, SE: vom Laufmittel zurückgelegte Strecke.
Anmerkung: Dünnschichtchromatografie ist hervorragend geeignet, um zwei Substanzen zu
vergleichen. Hinterlässt Ihre Coffeinprobe genau das gleiche Muster wie das Coffein
aus der Dose, so haben Sie die richtige Substanz isoliert.
DC zeigt auch, ob eine Substanz rein ist. Sind ausser den Flecken der Referenzsubstanz andere
Punkte zu sehen, so muss die Substanz gereinigt werden.
Weil die DC-Platten leicht Dreck aus der Umgebung aufnehmen, ist die Interpretation der Rf-Werte mit
grosser Unsicherheit behaftet. Abweichungen vom Literaturwert bedeuten nicht zwingend, dass die
Substanz unrein oder nicht identisch mit der gesuchten ist.
Aufgabe 3.2
Berechnen Sie die Rf-Werte der beiden Coffeinproben
3.2 Versuch 2: Physiologische Wirkung von Coffein: Vergleich von
entcoffeiniertem und coffeinhaltigem Kaffee
3.2.1 Leistungssteigerung durch Coffein?
Zwei Personen nehmen an 2 Tagen je eine Tasse Kaffe zu sich, ohne zu wissen, ob es sich um
coffeinhaltigen oder entcoffeinierten Kaffee handelt.
Etwa eine halbe Stunden nach Einnahme des Getränks rennen die Personen eine Strecke von 1 km.
An beiden Tagen muss genau gleich viel Zeit zwischen der Einnahme des Getränks und dem Lauf
liegen! Die Zeit wird gestoppt. Hat Coffein eine Wirkung? Sind allenfalls andere Faktoren wie
Temperatur oder Motivation entscheidender als die Tasse Kaffee?
Der gleiche Versuch kann auch mit Coca Cola oder Red Bull durchgeführt werden.
196
MODUL III: Tatort Synapse
Praktikumsanleitungen
3.2.2 Hohe Dosis Coffein
Wie schon früher erwähnt, sind nach IOC bis 12 Mikrogramm Coffein pro Milliliter Urin zugelassen.
Dies entspricht 5-6 Tassen starkem Kaffee, relativ rasch hintereinander eingenommen. Für
„Ungeübte“ ist dies eine hohe Dosis Coffein, welche sich in unangenehmen Symptomen äussert. Sie
brauchen das nicht gerade mit 5-6 Tassen auszuprobieren. Nehmen Sie in relativ kurzem Zeitabstand
eine Tasse Kaffee mehr zu sich als gewohnt. Eine halbe Stunde nach dem letzten Kaffee versuchen
Sie eine feine Nadel einzufädeln, einen geraden Strich zu zeichnen, die Hände in der Luft still zu
halten...
Die unangenehme Wirkung klingt nach etwa 1-2 Stunden vollständig ab. Anm.: Etwa so fühlen sich
die Masttiere, welche dauernd unter einer Überdosis Beta2-Sympatholytika stehen.
Versuchen Sie den gleichen Effekt auch mit entcoffeiniertem Kaffee. Wie viele Tassen müssen Sie
trinken?
197
„Bei Siegesfeiern mit Alkohol gibt es immer viele
Verlierer“.
Matthias Zurbuchen, Swiss Telemark, Leiter Ausbildung SIVS Telemark
MODUL IV
Volksdrogen & Sport
ALKOHOL UND CANNABIS
Inhalt des Kapitels
1.
Alkohol
200
2.
Cannabis
220
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
Allgemeines
Thema:
Sport ist gesund. Die Volksdrogen Alkohol, Cannabis und Nikotin sind ungesund. Also
schliesst das eine das andere aus. Dieses digitale Denken wurde bereits im 16. Jahrhundert
relativiert. Theophrastus Bombast von Hohenheim (17. 12. 1493 - 24. 9. 1541), von seinen
Eltern auf den Namen Philippus Aureolus getauft, aber besser bekannt als Paracelsus,
machte folgende Aussage:
„All Ding sind Gift und nichts ohn Gift; alein die Dosis macht das ein Ding kein Gift ist“
Kann ein mässiger Cannabis-, Nikotin- oder Alkoholkonsum bereits als Sucht und somit als
ungesund bezeichnet werden? Was als Droge akzeptiert ist und was nicht, hängt stark vom
gesellschaftlichen Denken ab. Dass Cannabis, Nikotin und Alkohol zu suchtartigem Verhalten
führen können, ist unbestritten. Damit ist auch die Aussage zu rechtfertigen, dass diese drei
Substanzen bei einer sportlich aktiven Person nichts zu suchen haben. Ist es aber nicht auch
eine Art Sucht, wenn eine Person den ganzen Tag daran denkt, wie sie ihr Training noch
intensivieren könnte, oder sich der ganze Tagesablauf nach den Trainingseinheiten richtet?
Obwohl Alkohol und Cannabis nicht für alle Sportarten auf der Dopingliste stehen, sollen sie
hier in diesem Modul aus dem oben genannten Grund behandelt werden.
Lektionsablauf:
Lesen Sie zuerst die Lernziele und dann den Theorieteil sorgfältig durch. Danach führen Sie
mit einer Kollegin oder einem Kollegen die vorgeschriebenen Experimente sorgfältig aus.
Wenn Sie nicht sicher sind, fragen Sie Ihre Lehrkraft nach den zu treffenden
Vorsichtsmassnahmen. Nach jedem Abschnitt hat es kleinere Aufgaben. Die Lösung zu allen
Aufgaben finden Sie am Ende jedes Kapitels. Sie sollen von Ihnen alleine gelöst werden.
Bearbeiten Sie dieses Kapitel so lange, bis Sie sich sicher fühlen.
199
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
1. ALKOHOL
Inhalt
1.
ALKOHOL
200
1.1
Geschichte des Alkohols
201
1.2
Herstellung und physiologische Wirkungen
204
1.3
Auswirkungen auf den Körper
206
1.4
Auswirkungen auf das Gehirn
210
1.4.1
Die Neurotransmitter GABA und Glutamat
212
1.4.2
Der GABA-Rezeptor
212
1.4.3
Der Glutamat-Rezeptor
214
1.4.4
Weitere Transmittersysteme
215
1.5
Langzeitwirkungen
216
1.6
Alkohol und Sport
217
LERNKONTROLLE KAPITEL 1
218
Lernziele
1.
Sie wissen Bescheid über den Stellenwert, den alkoholische Getränke im Verlauf der Geschichte hatten.
2.
Sie wissen, wie Alkohol hergestellt und wieder abgebaut wird.
3.
Sie kennen die direkten Einflüsse von Alkohol auf unseren Körper.
4.
Die Langzeitwirkungen alkoholischer Getränke sind Ihnen bekannt.
200
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
1.1 Geschichte des Alkohols
Alkohol, meist in Form von Bier oder Wein, fehlt heute an praktisch keiner festlichen Tafel, obwohl er
für viele Krankheiten verantwortlich gemacht und zum Teil auch verteufelt wird. Mindestens seit den
Sumerern im 7. Jahrhundert vor Christus sind alkoholische Getränke bekannt. Wohl eher durch Zufall
entdeckte man die angenehme Wirkung von zu lange an der Sonne gestandenem Honig, der dadurch
zu Met vergor. Die Vergärung von Trauben zu Wein ist auf Erfolge in der Landwirtschaft
zurückzuführen, da wilde Trauben zu wenig Zucker enthalten würden, um Wein herzustellen. Der
erste bekannte gezielte Anbau von besonders wohlschmeckenden und süssen Trauben, also
Früchten, die für die Weinherstellung gedacht waren, wird um das Jahr 6000 vor Christus im heutigen
Armenien datiert. Die Herstellung von Bier liess noch eine Weile auf sich warten. Erst durch den
grossflächigen Anbau von Getreiden kam die Bierbrauerei in Gang. In den fruchtbaren Flussdeltas von
Mesopotamien und Ägypten ist Bier seit dem dritten Jahrtausend vor Christus bekannt. Durch den
Ackerbau gab es aber auch Nahrungsmittelüberschüsse und dadurch einen Bevölkerungszuwachs.
Dies hatte wiederum zur Folge, dass Trinkwasservorräte stark verunreinigt wurden, und so zu idealen
Übertragungsorte von Krankheiten machte. Alkohol und Säuren, vor allem die aus dem Trinkalkohol
entstehende Essigsäure, hingegen wirken keimtötend. Folglich waren alkoholische Getränke als
Durstlöscher unabdingbar. Man könnte sagen, dass schwach alkoholische Getränke, vor allem Bier
und Wein, die Muttermilch unserer Zivilisation sind. Obwohl der Alkoholgehalt dieser Getränke im
Vergleich zu heute gering war, musste doch ein leichter Dauerrausch jahrhundertelang der
Normalzustand gewesen sein. Davon, dass Alkohol zum Alltag gehörte, zeugen auch etliche
Dokumente:
•
Wörtlich heisst das griechische Wort akratizomai für frühstücken „unverdünnten Wein trinken“.
•
Als Medizin war Alkohol bereits den Sumerern 2100 vor Christus bekannt. Aber auch Hippokrates
1
verwendete Wein für einen Grossteil der bekannten Leiden.
•
Im Alten Testament wird Trunkenheit an vielen Stellen verurteilt. Trotzdem banden der Prophet
Esra und seine Nachfolger Alkohol in das tägliche jüdische Ritual ein, wahrscheinlich um auf diese
Weise Ausschweifungen zu verhindern.
•
Im Neuen Testament verwandelt Jesus Wasser in Wein und alle Apostel stellten Regeln für einen
mässigen Konsum von alkoholischen Getränken auf.
•
In der Bibel sowie in den antiken griechischen Epen wird Wasser nur als Getränk erwähnt, wenn
es sich um Quell- oder frisch gesammeltes Regenwasser handelte.
•
Noch der preussische König Friedrich der Grosse (1712 - 1786) sträubte sich gegen die Einfuhr
von Kaffee und Tee: Es wäre abscheulich zu beobachten, dass die Untertanen immer mehr
Kaffee tränken und das Land dadurch enorm viel Geld verlöre. Der König, ebenso wie seine
Vorfahren und Offiziere wären „Höchst Selbst in Dero Jugend mit Bier-Suppe erzogen“ worden,
„mithin können die Leute dorten so gut mit Bier-Suppe erzogen werden, das ist viel gesünder, wie
der Caffee“. Dies, obwohl zu jener Zeit bereits die schädlichen Auswirkungen von zu vielem
Alkoholkonsum bekannt waren (siehe unten).
1
Um 460 - um 370 v. Chr., aus Kos, Begründer der Medizin als Wissenschaft und berühmtester griechische Arzt.
201
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
Alkoholische Getränke waren aufgrund ihrer keimtötenden
Wirkung in dicht besiedelten Gebieten lange Zeit das einzige
Getränke ohne gravierende Folgen.
Natürlich ist auch der Energiegehalt von alkoholischen Getränken nicht zu unterschätzen, ein zu
dieser Zeit wichtiges Argument. Lange war Bier das Getränk der unteren Bevölkerungsschicht,
während Wein eher die Begüterten tranken. Da aber Wein mehr Profit abwarf, boomte während der
Römerzeit der Rebenanbau. Um 30 vor Christus war die Expansion des Weins so weit fortgeschritten,
dass er fast umsonst und so für jedermann zugänglich war. Nach dem Untergang des römischen
Reichs übernahmen die katholischen Klöster diese Tradition. Fast 1300 Jahre dauerte dieser höchst
lukrative Anbau der Kirche, die über die grössten und besten Weingüter verfügte. Bier wurde wieder
zum gemeinen Getränk der Bauern.
Da die zur Wein- und Bierherstellung notwendigen Hefepilze höchstens 16 Volumenprozent Alkohol
ertragen, waren hochprozentige Getränke lange Zeit unbekannt. Erst als arabische Alchemisten 700
nach Christus die Destillation erfanden, konnte
Schnaps hergestellt werden. Aus dieser Zeit stammt
2
auch das Wort „Alkohol“. Das arabische Wort kuhl
bedeutet die „Essenz von Stoffen“. Im spanischen
Umfeld wurde daraus al-kuhul und schliesslich
alcohol. Etwa im Jahr 1100 kam die Destillierkunst
nach Europa, zuerst an die medizinische Schule von
Salerno in Italien. Hier wurde der Schnaps aqua vitae
(Wasser des Lebens) oder aqua ardens (brennendes
Wasser) genannt. Vor allem während der grossen
Seuchen des 14. Jahrhunderts (Pestepidemien mit
rund 25 Mio. Opfern, einem Drittel der Bevölkerung
Europas:
1347
-
1352)
verbreiteten
sich
hochprozentige Alkoholika besonders schnell. Sie
Abbildung 1.1: Destillation von
alkoholischen Getränken und ihre Wirkung
auf die trinkende Person
brachten den Betroffenen zwar keine medizinische so
doch eine psychische Hilfe. Jetzt zeigte sich aber auch
sehr stark der negative Effekt von Alkoholika. Trotz
Warnungen von Seiten der Obrigkeit nahm der Konsum hochprozentiger Alkoholika bis zu Beginn des
17. Jahrhunderts stetig zu: „Europa gab sich einem einzigen Saufgelage hin.“ (Spektrum der
Wissenschaft, 8 (1998) S. 62-67; Kleine Kulturgeschichte des Alkohols)
2
Der Ursprung dieses Wortes liegt aber nicht, wie fälschlicherweise oft nachzulesen, im arabischen sondern im babylonisch.,
d.h. im akkadischen Wort guhlu.
202
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
Alkoholische Getränke bis zu einem Alkoholgehalt von
16 Vol-% können mit Hefepilzen hergestellt werden. Für
Getränke
.
mit einem höheren
Alkoholgehalt
muss
man
destillieren
Zu dieser Zeit wurden aber nun Kaffee, schwarzer Tee und Kakao als Stimulanzien immer populärer
und übernahmen langsam die Funktion als Durstlöscher an Stelle des Alkohols. Tee als Getränk war
im asiatischen Raum schon immer bekannt. Dort konnte sich Tee im Gegensatz zu Alkohol aus
genetischen Gründen durchsetzen. Der Hälfte der Asiaten fehlt ein Enzym, um den Alkohol vollständig
abzubauen. Den Betreffenden wird es schon nach einem geringen Alkoholkonsum schlecht, da sich
ein giftiges Zwischenprodukt, der Acetaldehyd (Ethanal), im Körper ansammelt. Im 18. Jahrhundert
gab es auch eine religiös bedingte Abkehr vom Alkohol. Vor allem die Quäker und Methodisten
nahmen eine völlige Alkoholabstinenz in ihr religiöses Programm auf. Dies fand aber noch keinen
grossen Nachahmungseffekt in den grossen Bevölkerungskreisen, da gefährliche Krankheiten wie
Typhus, Cholera und Ruhr immer noch über verschmutztes Trinkwasser übertragen wurden. 1892
erkrankten während der grossen Choleraepidemie in Hamburg 17'000 Menschen, wovon die Hälfte
starb. Wie auch in anderen Grossstädten gewann man das Trinkwasser aus der Elbe. Da alle
Abwässer und Fäkalien in diesen Fluss flossen, war eine Übertragung der Krankheitserreger
besonders gut begünstigte. Im 19. Jahrhundert wurden Mikroorganismen als Ursache vieler
Krankheiten erkannt. Dies führte zur Erkenntnis, dass Trinkwasser gefiltert werden musste, bevor es
getrunken wird. Alkoholische Getränke konsumierte man somit nur noch zu Genusszwecken. Der
amerikanische Arzt und Politiker Benjamin Rush (1746 - 1813) beschrieb Alkoholismus als Krankheit.
Rush, ein Mitunterzeichner der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, fand wegen seiner
Prominenz viele Anhänger einer völligen Alkoholabstinenz. Bereits 1850 kam es in 15 US-Staaten zu
Prohibitionsgesetzen. Die Gemeinden konnten damit ein Alkoholverbot aussprechen. Die Bewegung
gipfelte in einem Alkoholverbot, das einige US-Staaten bereits 1900 verordneten. Zwischen 1919 und
1933 galt in den ganzen USA ein totales Verbot auf Herstellung, Vertrieb und Konsum von
alkoholischen Getränken (18. Verfassungszusatz). Anfänglich reduzierten sich gesundheitlich negative
Folgen des Alkoholkonsums wie Leberzirrhose. Obwohl drastische, rechtsstaatlich oft bedenkliche
Polizeimassnahmen gegen den Alkoholkonsum ergriffen wurden, etablierte sich sehr bald ein bestens
organisierter Schwarzmarkt, mit dem zwar schon zu Beginn des Gesetzes gerechnet wurde, dessen
Ausmasse jedoch alle Befürchtungen in den Schatten stellten. Über eine halbe Million Menschen
wurden zu dieser Zeit wegen Alkoholmissbrauchs verurteilt. 1933 kippte Präsident Roosevelt den 18.
Verfassungszusatz und übertrug die Handhabung des Alkohols wieder den einzelnen Staaten. Da
dem Staat nun „sein“ Objekt zur Drogenbekämpfung entzogen wurde, setzte ein massiver Feldzug
gegen Cannabis und andere psychoaktive Substanzen ein. Das Prestige des Alkohols wurde aber in
den 13 Jahren Verbot so hoch, dass der Verbrauch drastisch zunahm, obwohl noch etwa ein Drittel
203
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
der Bevölkerung abstinent lebte. Bis heute ist der durchschnittliche Alkoholkonsum der nicht
abstinenten Bevölkerung der USA höher als in vergleichbaren Industriestaaten.
In den USA war Alkohol 13 Jahre verboten. Sein „Prestige“
stieg während dieser Zeit so stark, dass man in den
Vereinigten Staaten noch heute grössere Probleme hat als in
vergleichbaren Ländern.
1.2 Herstellung und physiologische Wirkungen
Nach IUPAC-Nomenklatur ist jedes organische Molekül mit einer Hydroxylgruppe ein Alkohol. Spricht
man aber im landläufigen Sinn über den Alkohol, meint man meist den in Getränken enthaltenen
Ethanol, manchmal auch als Ethylalkohol bezeichnet. Ethanol entsteht bei der Vergärung von
Früchten mit Hefepilzen. Dabei ist der Weg zum Alkohol für die Hefe eigentlich eine Selbstmordaktion,
denn sie ist ab einer Alkoholkonzentration von 16 Volumenprozent nicht mehr überlebensfähig. Was
macht das für einen Sinn? Hefe verwertet die Glucose genau gleich wie die Tiere über die Glykolyse.
Studieren Sie in einem Sek II Biologiebuch den Abschnitt über
die Glykolyse.
3
Das Produkt der Glykolyse ist im anaeroben Fall Lactat, im aeroben Fall Pyruvat , das anschliessend
via Citratcyklus in den Mitochondrien und Endoxidation in der inneren Mitochondrienmembran zu CO2
und Wasser oxidiert wird. Dabei werden 38 ATP in den Leber- und Herzzellen oder 36 ATP in allen
anderen Zellen gebildet:
Glucose + 38 Pi + 38 ADP + 6 O2 → 6 CO2 + 38 ATP + 44 H2O (Pi: inorganic phosphate)
ATP wird für die Muskelbewegung wieder aufgebraucht. Dabei werden ebenfalls 38 H2O frei. Wie aus
der Reaktionsgleichung ersichtlich ist, muss für die vollständige Oxidation der Glucose zu CO2 und
Wasser Sauerstoff vorhanden sein. Bei einer schnellen sportlichen Betätigung ist es jedoch nicht
immer möglich, genügend Sauerstoff zum Muskel zu transportieren. Die Zelle wählt in diesem Fall den
Weg zum Lactat. Der Preis für die Zelle ist bei einer schnellen sportlichen Leistung aber relativ hoch.
Statt 36 ATP in der Muskelzelle werden nur 2 ATP durch die Glykolyse gewonnen. Um den
3
Lactat wird in einigen Schulbüchern fälschlicherweise als Milchsäure, Pyruvat als Brenztraubensäure bezeichnet. Bei
einem physiologischen pH-Wert von 7.4 liegt jedoch die Milchsäure in ihrer konjugierten Base, dem Lactat vor, und die
Brenztraubensäure in ihrer konjugierten Base Pyruvat.
204
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
Organismus zu warnen, produziert die Zelle pro Glucosemolekül zwei Lactationen und zwei Protonen.
Die Übersäuerung des Organismus und die damit verbundenen Schmerzen dienen dem Körper als
Warnsignal, dass er sich erholen soll.
Bei der Hefe und anderen Mikroorganismen ist die Situation ähnlich. Unter aeroben Bedingungen wird
die Glucose vollständig zu Wasser und CO2 oxidiert. Unter anaeroben Bedingungen jedoch
unterscheidet sich die Hefe vom tierischen Organismus lediglich im letzten Schritt. Statt Pyruvat zu
Lactat umzuwandeln, wird es in zwei enzymatischen Schritten zu Ethanol und CO2. Im ersten
irreversiblen Schritt wird Pyruvat zum Ethanal (Acetaldehyd) decarboxyliert:
H3C C COO
+
H
+
H3C C H
O
+
CO2
O
Im zweiten Schritt wird der Acetaldehyd zu Ethanol reduziert:
H3C C H
O
+ NA DH + H+
H3C CH2 OH
+
NA D+
Als Gesamtgleichung für die alkoholische Gärung kann somit geschrieben werden:
Glucose + 2 Pi + 2 ADP → 2 Ethanol + 2 CO2 + 2 ATP + 2 H2O
Unter
anaeroben
Bedingungen
produzieren
tierische
Organismen aus Glucose Lactat, Hefepilze Ethanol und CO2.
Unter aeroben Bedingungen liefern beide Organismen CO2
und Wasser.
Lesen Sie Kapitel 13.4 in: „Allgemeine Chemie: Theorie und
Praxis“ von Günter Baars und Hans Rudolf Christen.
Aktuelle Statistiken finden Sie unter
http://www.neuland.com/jahrbuch/pdf/valk2001.pdf und
http://www.neuland.com/jahrbuch/pdf/alk2001.pdf
Von einem Menschen getrunken, wird der Alkohol im Körper anschliessend wieder abgebaut. Ein
4
Gramm Alkohol enthält dabei den Nährwert von 30 kJ/g . Bereits im Magen erfolgt eine 20%-ige
Resorbtion des Alkohols, der Rest im oberen Dünndarm. Etwa 5% scheidet der Körper unverändert
wieder aus. Von den restlichen 95% werden 90 - 95% in einem ersten Schritt durch die
Alkoholdehydrogenase wieder zum Acetaldehyd oxidiert. Dieser Schritt passiert im Cytosol der
Leberzellen. Dabei entsteht NADH, das in der Atmungskette 3 Moleküle ATP liefern kann:
CH3CH2OH + NAD → CH3CHO + NADH + H
+
4
Zum Vergleich: Kohlenhydrate und Proteine: 17 kJ/g; Fett: 38 kJ/g
205
+
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
Zwei bis drei Prozent des Acetaldehyds werden durch die Atemluft ausgeschieden, was einen
süsslichen Atem zur Folge hat. Der Hauptanteil wird in den Mitochondrien anschliessend mit Hilfe der
Aldehyddehydrogenase zur Essigsäure oxidiert. Auch hier entsteht wieder ein NADH:
CH3CHO + NAD + H2O → CH3COOH + NADH + H
+
+
Die gebildete Essigsäure wird anschliessend unter ATP-Verbrauch zum Acetyl-CoA aktiviert, das
seinerseits entweder im Citratcyklus und in der Atmungskette nach bekannter Art und Weise
vollständig oxidiert, oder für den Aufbau von Fett verwendet werden kann. Der Aufbau von
Kohlenhydraten aus Ethanol ist nicht möglich.
Aufgabe 1.1
Beschreiben Sie in der gleichen Grafik alle Wege, die ein
Glucosemolekül sowohl in der Hefe als auch im Menschen
durchlaufen kann. Gehen Sie davon aus, dass das Produkt
der Hefe anschliessend durch einen tierischen Organismus
aufgenommen wird.
Führen Sie die Destillation von Wodka nach spezieller
Anleitung durch.
1.3 Auswirkungen auf den Körper
Die Auswirkungen alkoholischer Getränke auf den menschlichen Organismus werden stark
unterschiedlich diskutiert. Preisen einige die Vorzüge geringen Alkoholkonsums, rufen andere
Wissenschaftler zu völliger Abstinenz auf, da jeder Schluck Alkohol das Krebsrisiko erhöht. In einem
ersten Teil sollen deshalb direkte Auswirkungen alkoholischer Getränke auf den Körper diskutiert,
anschliessend einige gesellschaftliche und epidemiologische Aspekte beleuchtet werden.
Den wohl bekanntesten Schaden, den Ethanol im Körper anrichten kann, bezieht sich auf die Leber.
In einem ersten Schritt bei übermässigem Alkoholkonsum entsteht eine sogenannte Fettleber. Die
5
Ursache einer Fettleber ist eine Anhäufung von Triglyceriden , wie es auch beim Diabetes, einer
Proteinmangelernährung oder durch toxische Substanzen wie halogenierte Kohlenwasserstoffe
auftreten kann. Der normale Anteil an Fetten in der Leber liegt zwischen 3% und 4%. Bei einer
Fettleber kann der Anteil bis zu 20% gehen. Der Grund beim Alkoholmissbrauch liegt darin, dass das
gebildete Acetyl-CoA und die beim Alkoholabbau gebildeten NADH den Fettaufbau begünstigen und
den Fettabbau hemmen. Ein weiterer Grund ist auf den Acetaldehyd zurückzuführen. Dieses Molekül
206
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
schränkt die Synthese von Apolipoproteinen ein. Diese Proteine übernehmen im Körper die Aufgabe,
Fette, die hydrophob sind, im Blut von einem Ort an den anderen zu transportieren. Ist ihre Synthese
eingeschränkt, klappt der Abtransport der Fette von der Leber weg nicht mehr. Der stark toxische
Acetaldehyd zerstört zudem die Mitochondrien und das Zellskelett der Leberzellen, wodurch es zum
Absterben der betreffenden Zellen führt. Das Folgestadium der Lebererkrankung, in dem Fall bereits
chronisch, wird als Leberzirrhose bezeichnet. Verursacht wird die Leberzirrhose durch Narbenbildung
und einer Umgestaltung des Gefässapparats, die durch abgestorbene Zellen ausgelöst wird. Eine
normale Funktion ist wegen der Bindegewebsvermehrung und der Zerstörung des Läppchenaufbaus
der Leber nicht mehr möglich. Je nach Stadium und Zirrhoseform werden unterschiedliche Symptome
der Erkrankung beobachtet:
•
Müdigkeit, Leistungsabfall, Appetitlosigkeit,
•
Magen-Darm-Beschwerden,
•
Hautveränderungen (Gefässspinnen im Gesicht, auf den Handrücken und den Oberarmen:
Spinnenartig gehen kleine Blutgefässe von einer kleinen Arterie weg; weisse Flecken bei nur
geringer Abkühlung der Haut; Rötung der Handinnenfläche),
•
Verlust der Achsel- und Schambehaarung,
•
Brustbildung bei Männern, Hodenschwund,
•
Menstruationsstörungen,
•
Lackzunge (Zungenpapillen verschwinden, die Zunge wird glatt),
•
Tod durch Verblutung aus Krampfadern im Bereich der Speiseröhre oder im Koma.
Betrachten Sie die Symptome unter:
http://people.freenet.de/projektgruppealkohol/leberzir.htm#Hauptsymptome:
und das Bild einer Leber unter
http://www.ikp.unibe.ch/lab2/cirrhd.html
Durch die Unterfunktion der Leber sind auch Gerinnungsfaktoren, die dort gebildet werden, vermindert
im Blut anzutreffen. Dies begünstigt jede Blutung und dadurch den Tod durch Verbluten. Die Leber ist
auch zuständig für die Entgiftung. Beim Abbau der Aminosäuren fällt Ammoniak an, das aber
normalerweise in der Leber zu Harnstoff verarbeitet wird. Ist dies nicht mehr möglich, gelangt vermehrt
Ammoniak ins Gehirn, welches sehr empfindlich darauf reagiert und geschädigt wird. Die Folge ist ein
Koma (tiefe Bewusstlosigkeit) und anschliessend der Tod.
5
Speicherfett → drei Fettsäure-Moleküle verestert mit einem Glycerin-Molekül
207
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
Aufgabe 1.2
Tabellieren Sie stichwortartig die direkten Auswirkungen von
Alkohol auf die Leber.
Wie oben schon erwähnt wurde, führt der Abbau von Ethanol zu einer hohen NADH-Produktion.
Dadurch werden im Zellstoffwechsel NADH-abhängige Reaktionen gefördert. Eine weitere Folge
davon ist die vermehrte Bildung von Lactat aus Pyruvat:
Pyruvat + NADH + H → Lactat + NAD
+
+
Das gebildete Lactat hemmt seinerseits in der Niere einen Säurecarrier und bewirkt dadurch eine
verminderte Harnsäureausscheidung über den Urin und Gicht. Unter Gicht versteht man eine
Harnsäureablagerung meist in Form von Natriumsalzen in den Gelenken, den Schleimbeuteln, den
Sehnenscheiden
und
dem
Nierenmark.
Diese
chronische
Erkrankung
ist
begleitet
von
Entzündungsschüben und Schmerzen vor allem in den Gelenken.
Ein weiteres Organ, das durch Alkohol geschädigt wird, ist die Bauchspeicheldrüse, auch Pankreas
genannt. Das Pankreas ist zuständig für die Produktion der Hormone Insulin und Glucagon und die
Produktion der Verdauungsenzyme. Eine akute Pankreatitis (Erkrankung des Pankreas) kann neben
einem zu hohen Alkoholkonsum (30 %) auch andere Ursachen haben. Hingegen hat eine chronische
Pankreatitis als Hauptgrund einen Alkoholmissbrauch (60 - 80 %). Im akuten Fall liegt eine
Selbstverdauung des Organs vor. Die Rolle des Alkohols ist dabei noch unklar. Fest steht, dass das
Verdauungsenzym Trypsin aktiviert wird, das seinerseits über drei verschiedene Wege
•
eine Zerstörung von Membranen und Zellen,
•
Gewebsblutungen,
•
Ödembildung,
•
Schmerzen,
•
Blutdruckabfall und Kreislaufkollaps bewirkt.
Bei der chronischen Pankreatitis findet man eine erhöhte Proteinkonzentration im Pankreassekret.
2+
Darin eingebettet sind Ca -Ionen. Dies führt zu einer Verkalkung und somit zu einer Aktivierung der
Pankreasenzyme, also wieder einer Selbstverdauung führt. Daraus ergibt sich ein Umbau des
Pankreas
zu
vermehrtem
Bindegewebe
und
so
zur
verminderten
Produktion
von
Verdauungsenzymen. Vor allem die Fettverdauung ist stark gestört, erkennbar an einem breiigen,
stark fetthaltigen Stuhl.
Ein weiterer Effekt von Alkohol ist die Hemmung der Gluconeogenese und einen darauf
zurückzuführenden tiefen Blutzuckerspiegel. Ein rascher Blutzuckerabfall äussert sich in
•
Unruhe,
•
Angstgefühl,
•
Übelkeit,
208
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
•
Zittern,
•
Schwitzen,
•
Kopfschmerzen,
•
Gereiztheit.
Alkohol
Bei langsamem Abfall stehen Verwirrtheit, Sprach- und Sehstörungen im Vordergrund.
Wer kennt sie nicht, die viel gepriesene wärmende Wirkung des Alkohols? Doch dieses subjektive
Wärmegefühl kann schnell zu einer Unterkühlung führen. Alkohol veranlasst im Körper die
Ausschüttung des Hormons Serotonin. Dieses Hormon hat zur Folge, dass sich die Adern der
Skelettmuskulatur und der Haut ausweiten. Dadurch kommt sehr schnell warmes Blut in die
Extremitäten und bewirkt das erwähnte Wärmegefühl. Dieses Blut kühlt sich aber schneller ab, da
durch die Ausweitung der Gefässe eine grössere Oberfläche entstanden ist. Ohne Gegenmassnahme
kommt es zu einer Unterkühlung.
Alkohol beeinflusst auch die Sexualhormone. Dies führt beim Mann zur Ausbildung einer Brust und
einer typisch weibliche Schambehaarung, bei der Frau hingegen zu schütterem Haar und einer rauhen
männlichen Stimme.
Weiter wird bei Alkoholikern aufgrund einer Fehlernährung, aber auch einer verminderten
Aufnahmefähigkeit, häufig ein Folsäuremangel festgestellt.
Abbildung1.2. Gestörte Folatresorption bei aktiv trinkenden Alkoholikern. Diese gestörte Resorption
ist auf eine direkte Schädigung des Darmepithels durch Alkohol zurückzuführen.
(http://www.ikp.unibe.ch/lab2/Pp/etoh/sld028.htm)
Folsäure ist ein wasserlösliches Vitamin, das Methylgruppen überträgt. Besonders wichtig ist dies
beim Aufbau von Nucleotiden, den Bausteinen der DNA. Ein Mangel zeichnet sich deshalb auch
schnell im Blutbild ab. Die blutbildenden Zellen im Rückenmark haben im Vergleich zu anderen Zellen
eine besonders hohe Teilungsrate. Fehlt ihnen die DNA, vermindert sich auch die Teilungsrate der
Zellen, und es hat weniger rote Blutkörperchen im Blut. Symptome sind:
•
Müdigkeit,
209
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
•
Depression,
•
Blässe, vor allem an den Innenseiten der Lippen und Augenlider, sowie am Zahnfleisch,
•
Atemnot,
•
Herzklopfen.
Bei länger dauerndem Mangel werden aber auch andere Zellstoffwechsel gestört, da auch die Lipidund Aminosäuresynthese von der Folsäure abhängen.
Aufgabe 1.3
Fassen Sie in Stichworten die Auswirkungen des Alkohols auf
den Körper zusammen
Aber auch der Acetaldehyd, das Zwischenprodukt beim Alkoholabbau, hat neben seinen toxischen
Wirkungen auf Organe des Körpers auch Auswirkungen auf das Gehirn. Mit Proteinen (Tryptamin)
oder Aminen (Dopamin) kann Acetaldehyd eine Addition eingehen, woraus halluzinogene Stoffe
entstehen. Die Wirkungsweise ist jedoch noch weitgehend unbekannt.
1.4 Auswirkungen auf das Gehirn
Im Hypophysenhinterlappen befindet sich das im Hypothalamus gebildete Hormon Vasopressin, auch
Adiuretin genannt. Seine zwei Namen sind auf zwei unterschiedliche Wirkungen des Vasopressin
zurückzuführen. Einerseits bewirkt es eine Kontraktion sämtlicher glatter Muskeln. Dies führt zu
•
einer Erhöhung des Blutdrucks,
•
einer Steigerung der Darmperistaltik und einer
•
Verstärkung der Spannung in den Galle- und Harnwegen.
Andererseits fördert Vasopressin die Reabsorption von Wasser in den Nieren und wirkt so
6
antidiuretisch . Alkohol hemmt die Ausschüttung dieses Hormons. Dies führt zu einem erhöhten
Harndrang und zu einer Absenkung des Blutdrucks. Damit werden aber auch vermehrt Kalium-,
Magnesium-, und Natrium-Ionen ausgeschwemmt. Dieser Mangel an Elektrolyten wiederum
beeinflusst die Aktivität der Nervenzellen im Gehirn. Eine anfängliche Unbeschwertheit kann tags
darauf zu ermatteten Gliedern und vernebeltem Denken führen. Auch die Entwässerung des Körpers
kann am nächsten Tag zu Kopfschmerzen führen. Theorien zum „Brummschädel“ am Morgen danach
gibt es aber noch weitere, keine ist aber zu 100 % verantwortlich dafür. Wahrscheinlich ist es eine
Kombination der unterschiedlichen Wirkungen alkoholischer Getränke, die zum „Kater“ führen. Neben
der Entwässerung wird auch die auf die Blutgefässe erweiternde Wirkung durch das Hormon
Serotonin diskutiert. Eine dritte Möglichkeit könnte das in einigen alkoholischen Getränken, vor allem
aber in billigem Rotwein, Fruchtlikören und Whisky vorkommende Methanol sein. Methanol wird wie
Ethanol über den Aldehyd zur Säure oxidiert. Der erste Schritt zum Methanal (Formaldehyd) verläuft
jedoch etwa 10 Mal langsamer als derjenige des Ethanols. Es konnte gezeigt werden, dass die
210
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
schlimmsten
Alkohol
Katersymptome
zeitlich
mit
der
höchsten
Methanalkonzentration
im
Blut
zusammenfallen. Eine gefährliche Abhilfe kann das Konsumieren von Ethanol sein, da die
Alkoholdehydrogenase eine viel höhere Affinität zum Ethanol als zum Methanol hat. Dies bewirkt,
dass die Methanalkonzentration im Blut wieder sinkt. Durch die erneute Konsumation von
alkoholischen Getränken kann somit der „Kater“ zwar vermindert werden, es besteht jedoch die
Gefahr, so in eine Abhängigkeit zu geraten.
Eine
weitere,
wohl am
besten erhärtete Ursache für
die Kopfschmerzen, liegt in der
Acetaldehydkonzentration im Blut. Zwei Tatsachen sprechen für diese These. Einerseits besitzt jede
zweite japanische Person einen natürliche Gendefekt, der den Abbau vom Acetaldehyd zur
Essigsäure unterbindet. Diese Personen haben schon nach kleinen Mengen Alkohol sehr starke
Kopfschmerzen, ähnlich wie Disulfiram-Patienten. Disulfiram ist der Wirkstoff, der im Antabus
®
vorkommt. Antabus wurde früher bei Alkoholikern eingesetzt, um ihre Sucht zu therapieren.
S
C2H5 N
C
C2H5
S
S
S
C
N
C2H5
C2H5
Abbildung 1.3. Der im Antabus
vorkommende Wirkstoff Disulfiram
Disulfiram hemmt die Aldehyddehydrogenase, was beim Patienten sehr starke Kopfschmerzen, aber
auch Schwindel, Brechreiz, Angstgefühl, Herzklopfen und Blutdruckabfall zur Folge hat. Nicht alle
Symptome sind auf die entstandene Menge an Acetaldehyd zurückzuführen, weshalb ein
Reaktionsnebenprodukt angenommen wird. Disulfiram verwendet man wegen diesen starken
Wirkungen nur bei Patienten, die bereit und fähig für eine Zusammenarbeit mit dem Arzt oder der
Ärztin sind.
Ein Kater nach übermässigem Alkoholkonsum hat nicht eine
Ursache, sondern ist bedingt durch viele Einflüsse, die
Alkohol und der Acetaldehyd auf unseren Körper haben.
Neben diesen meist nicht erwünschten Wirkungen des Alkohols auf das Gehirn führt er aber auch zu
einer von der trinkenden Person erwünschten Berauschung und in einem ersten Stadium auch zu
Euphorie. Gründe für diesen Zustand und Mechanismen, wie Ethanol auf das Gehirn wirkt, war lange
unklar und wird erst jetzt langsam verstanden. Bis in die achtziger Jahre wusste man lediglich, dass
Ethanol das limbischen System des Gehirns beeinflusst, da während eines Rausches der Übergang
vom Kurzzeitgedächtnis zum Langzeitgedächtnis blockiert ist. Dies bedeutet für die betroffene Person,
dass sie sich nicht mehr an die Geschehnisse während des Rausches erinnern konnte. In den
neunziger Jahren machte man in dieser Beziehung jedoch grosse Fortschritte. Heute hat man
Hinweise, an welchen Stellen Ethanol einwirkt. Die Interaktionen sind jedoch noch nicht bekannt.
6
ausführlicher im Modul II behandelt
211
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
Verschaffen
Sie
sich
einen
Überblick
über
die
Transmittersysteme im Gehirn. Die Tabelle dazu finden Sie im
Exkurs des Modul III.
1.4.1 Die Neurotransmitter GABA und Glutamat
Die wohl wichtigste Rolle bezüglich der Ethanolwirkung spielen die Rezeptoren für GABA und
Glutamat. GABA (Gamma-Aminobutteracid) ist der wichtigste Neurotransmitter bei hemmenden
Neuronen im ZNS, während Glutamat der wichtigste Neurotransmitter für erregende Neuronen im
ZNS ist. Während Ethanol die Wirkung von GABA verstärkt, wird diejenige von Glutamat verringert.
Durch diese zwei Wirkungen können die beruhigende bis betäubende Wirkung des Alkohols, die
Bewegungsstörungen und die beängstigende Wirkung erklärt werden. Doch was ist genau über die
Wirkungsweisen an diesen Rezeptoren bekannt?
1.4.2 Der GABA-Rezeptor
1+ &+ &+
&+
&22
Abbildung 1.4. GABA; das erste Kohlenstoffatom nach der funktionellen Gruppe wird in
der organischen Chemie als α bezeichnet, danach wird mit dem griechischen Alphabet
weiter buchstabiert.
Wichtig für die Wirkung des Ethanols am GABA-Rezeptor sind die sogenannten Neurosteroide.
Neurosteroide leiten sich wie auch die Steroidhormone vom Cholesterin ab. Ihre Bezeichnung
erhielten sie bereits 1981, als bekannt wurde, dass das Gehirn seine eigenen Steroide synthetisieren
kann. In der Zwischenzeit wird der Begriff auch für neuroaktive (an Neuronen aktive) Steroide, die
nicht im ZNS gebildet werden, verwendet. Seit 2000 ist auch bekannt, dass diese Moleküle von
Neuronen und Glia-Zellen gebildet werden. Anders als die Steroide mit einer hormonellen Aufgabe
7
wirken Neurosteroide nicht an der DNA, sondern an einem Rezeptor auf einem Neuron. Am besten
bekannt ist die Interaktion mit dem GABAA-Rezeptor. Der Buchstabe A beim GABA-Rezeptor
bezeichnet einen Untertyp des Rezeptors. Der GABAA-Rezeptor ist ein Chloridionenkanal, der sich bei
seiner Aktivierung durch GABA öffnet. Positiv geladene Ionen stimulieren das postsynaptische
8
Neuron, negativ geladene Ionen haben einen hemmenden Effekt auf das postsynaptische Neuron .
Neurosteroide binden nun allosterisch an den Rezeptor und erhöhen dessen Affinität für den Liganden
GABA. Gewisse Neurosteroide haben eine 20-fach stärkere Wirkung als Benzodiazepine und eine
7
vgl. Modul I
212
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
200-fach stärkere Wirkung als Barbiturate. Benzodiazepine sind Psychopharmaka zur Beruhigung der
Patienten, Barbiturate dienen als Narkosemittel.
2+
21
+2
5
3
+
2
Cl-
Bindungsstelle für ein
Neurosteroid
Bindungsstelle für GABA
Chloridionenkanal im
postsynaptischen Neuron
Abbildung 1.5. Das Neurosteroid 3α,21-Dihydroxy-5α-pregnan-20-on (oben links) bindet allosterisch
am postsynaptischen Neuron und bewirkt dadurch, dass die Affinität des Rezeptors
für GABA erhöht wird.
Es gibt nun Hinweise, dass die Synthese vor allem zweier dieser Neurosteroide (vgl. Abb. 1.5; dem
zweiten Neurosteroid fehlt die Hydroxygruppe am C-21) durch Ethanol stimuliert wird. Folgende
Experimente führen zu dieser Vermutung:
•
Die Ethanolwirkung wird durch Medikamente, die den GABAA-Rezeptor besetzen, unterdrückt.
•
An gewissen Stellen veränderte GABAA-Rezeptoren verhinderten die Ethanolwirkung auf den
Körper.
•
Die durch Ethanol induzierte Synthese von einem dieser Neurosteroide war zeitgleich mit den
symptomatischen Wirkungen des Ethanols auf den Organismus.
•
Das Lernverhalten von Ratten ist genau gleich vermindert, ob man ihnen Ethanol oder eines
dieser Neurosteroide verabreicht.
•
Entzugserscheinungen bei Alkoholikern wie beklemmende Gefühle und Anfälle können durch
Neurosteroide vermindert werden.
•
Stoffe, die eine Synthese der Steroide verhindern, bewirken, dass Ethanol keine Wirkung auf den
Körper hat.
8
vgl. Exkurs Modul III
213
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
Alkohol beeinflusst den GABA-Rezeptor indirekt, indem er die
Synthese von Neurosteroiden positiv beeinflusst.
1.4.3 Der Glutamat-Rezeptor
Auch bei diesen Rezeptoren gibt es Untertypen. In Bezug auf die
Ethanolwirkung ist der NMDA-Rezeptor von Interesse. NMDA steht für das
synthetische
Molekül
N-methyl-D-aspartat,
das
diesen
Rezeptor
auch
stimulieren kann. Dieser Rezeptor ist wie der GABA-Rezeptor ein Ionenkanal,
+1
& 22
&+
& +
bewirkt aber eine Stimulation des nächsten Neurons. Ethanol verhindert nun,
&+ dass dieser Rezeptor aktiviert wird. Dadurch werden die Symptome, wie sie im
&22
vorhergehenden Kapitel beschrieben wurden, verstärkt. Bei vermehrten
Alkoholgaben reagiert das Gehirn mit der Synthese von neuen GlutamatRezeptoren. Der Mechanismus ist also derselbe wie bei den Opiaten.
Abbildung1.6.
Die Aminosäure
Glutamat hat
auch die Funktion
eines
Neurotransmitters
Schlagen Sie im Biologie heute S II auf den Seiten 332 und 333
nach und informieren Sie sich, wie eine Sucht entstehen kann.
Beachten Sie, dass im Buch von einem anderen Rezeptor die
Rede ist.
Fehlt dem Gehirn der Ethanol, kommt es durch eine Überstimulation dieser Gehirnregionen zu den
Entzugssymptomen wie:
•
Unruhe
•
Zittern
•
Übelkeit
•
Erbrechen
•
Schlaflosigkeit
•
Unruhe
•
Nervosität
•
Übererregbarkeit
•
Angst
•
Schreckhaftigkeit
•
Panikattacken
214
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
•
Alkohol
depressive Verstimmungen
Im schlimmsten Fall kommt es zum sogenannten „Delirium tremens“, das sich zusätzlich durch
Halluzinationen, Muskelzuckungen und Krämpfen bis hin zum Koma äussert. Für die Krämpfe werden
die vielen neu gebildeten Glutamatrezeptoren verantwortlich gemacht, die Halluzinationen jedoch
werden durch die neuen Dopamin-Rezeptoren verursacht (siehe unten).
Nicht alle Symptome des Ethanols sind auf diese zwei Rezeptoren zurückzuführen. Dies zeigt, dass
Ethanol nicht wie die meisten anderen Drogen nur an einem Rezeptorsystem wirkt, sondern neben
den beiden bereits behandelten Rezeptoren auch noch andere Neurone beeinflusst.
1.4.4 Weitere Transmittersysteme
Zwar sind die bereits behandelten Rezeptoren hauptsächlich an den direkten Folgen der
Ethanolwirkung beteiligt. Andere Neurotransmitter, die auf irgendeine Weise von Ethanol beeinflusst
werden, sind jedoch weiter von Interesse: Dopamin, Serotonin und die Enkephaline. Dopamin wird
verantwortlich gemacht für ein erhöhtes Glücksgefühl, das sich bei Alkoholkonsum einstellen kann.
Dadurch wird der Drang zu vermehrtem Alkoholkonsum erhöht, was zu einer psychischen
Abhängigkeit führt, die anschliessend in eine physische Abhängigkeit mündet.
Serotonin wird in Verbindung mit Aggressivität gesetzt. Ethanol hemmt die Ausschüttung oder
Synthese von Serotonin. Eine reduzierte Serotoninausschüttung im Gehirn bewirkt ein zunehmend
aggressives Verhalten der betroffenen Person gegenüber ihrer Umwelt. Serotonin kann im Gehirn ein
Neurotransmitter sein, aber es wirkt an anderen Stellen des Körpers auch als Hormon!
Enkephaline besetzen die sogenannten Opioidrezeptoren im Gehirn. Dadurch wird ein betäubendes
angenehmes Gefühl wahrgenommen. Alkohol verstärkt die Freisetzung solcher Enkephaline. Auch
dies kann zur psychischen Abhängigkeit führen.
Alkohol beeinflusst mehrere Rezptorsysteme im menschlichen
Gehirn.
215
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
1.5 Langzeitwirkungen
Über die längerfristigen Auswirkungen des Alkohols auf den menschlichen Körper wurden bereits viele
Studien gemacht.
Lesen Sie „Alkohol: Das unterschätzte Gift“ im Spektrum der
Wissenschaft April/2001 Seite 58 - 67.
Aber auch positive Erfahrungen werden im Zusammenhang mit häufigem Konsum von alkoholischen
Getränken beschrieben. Ein Beispiel dazu ist das 1992 erstmals erwähnte „French Paradoxon“.
Lesen Sie dazu den Text unter
http://www.alexanderstoff.de/Deutsch/1/gesund_mit_rotwein
1.htm
Unter den Polyphenolen ist vor allem das Resveratrol Gegenstand intensiver Untersuchungen, da
man bei ihm den Hauptverursacher des French Paradoxon vermutet.
HO
O
OH
HO
OH
OH
216
Abbildung 1.7. Lewis-Formel des
Resveratrol-trans-Dehydrodimers
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
1.6 Alkohol und Sport
Lesen Sie das Faltblatt „Alkohol und Sport“ herausgegeben
von Laola und dem BASPO
Wer kennt sie nicht, die Bilder in den Tageszeitungen von einem Sieg einer Fussball- Hockey- oder
Handballmannschaft. Dabei wird ausgiebig gefeiert, und die „Helden der Nation“ werden mit
Champagner-Flaschen in der Hand und Zigarren im Mund abgelichtet. Statt die sportliche Leistung mit
den entsprechenden Bildern in den Mittelpunkt zu setzen, wird von den Medien nur allzu gern das
ausgiebige Fest danach ins Zentrum gerückt. So erstaunt nicht, dass die meisten Jugendlichen vor
allem in Sportvereinen zum ersten Mal mit ausgiebigem Alkoholkonsum in Kontakt kommen, wie eine
Langzeitstudie der SFA (schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme) 2001
zeigte. Junge Männer, die mit 16 in einer Mannschaftssportart Sport trieben, konsumierten drei Jahre
später mehr Suchtmittel als ihre Kollegen, welche damals weniger sportlich aktiv waren. Beim
Betrachten einzelner Sportarten zeigen sich klar bestimmte Zusammenhänge zwischen Sport und
Drogenkonsum. Dies allerdings in beiden Richtungen. So geht mit „sanfteren“, risikoärmeren
Sportarten (ohne körperlich-aggressive Kontakte) wie Badminton oder Volleyball ein geringerer
Konsum von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen einher. Hingegen kommt es etwa beim typischen
Körpersport Fussball zu wesentlich höherem Cannabiskonsum (37%), immer im Vergleich mit dem
nicht Sport treibenden Teil der Bevölkerung. Solche Mannschaftssportarten übernehmen eine soziale
Funktion. Entsprechend wird in der „3. Halbzeit“ der Sieg gefeiert oder die Niederlage verdaut, indem
man gemeinsam raucht, trinkt und sich einen Joint dreht.
Dopingfälle mit Alkohol sind wenige bekannt. Als Beispiel sei hier lediglich die dreifache irische
Schwimmolympiasiegerin Michelle Smith-De Bruin erwähnt. Im Januar 1998 musste sie ohne
Vorwarnung während eines Trainings an eine Dopingkontrolle antreten. In ihrer Urinprobe wurde eine
Alkoholkonzentration gefunden, die unter normalen Umständen tödlich wäre. Dieser hohe
Alkoholgehalt ist normalerweise ein Zeichen von Manipulation. Durch das Beifügen von Alkohol zum
Urin kann das Vorhandensein von Dopingmitteln kaschiert werden.
"Der Weinstock trägt drei Trauben:
die erste bringt die Sinneslust,
die zweite den Rausch, die dritte das Verbrechen."
(Epiklet, 60-140 n. Chr.)
"...und der Trunk ist ein grosser Beförderer von drei Dingen:
rote Nasen, Schlaf und Urin.
Buhlerei befördert und dämpft er zugleich:
er fördert das Verlangen und schwächt das Tun."
(Shakespeare, Macbeth)
217
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
LERNKONTROLLE KAPITEL 1
Aufgabe 1.4
Zu technischen Zwecken wird Alkohol synthetisch hergestellt. Dazu wird Ethen bei hohem
Druck (250 hPa) und hoher Temperatur direkt katalytisch hydratisiert, oder über eine
indirekte katalytische Hydratisierung mit Schwefelsäure und anschliessender Hydrolyse des
erhaltenen Esters synthetisiert. Stellen sie die Reaktionsgleichungen der Alkoholsynthesen
auf und geben Sie die Lewis-Formeln der daran beteiligten Teilchen.
Aufgabe 1.5
In geringen Mengen (0,2 Liter Bier, 0,1 Liter Wein) wirkt Alkohol anregend, bei höherer
Dosierung wirkt er dämpfend auf das Zentralnervensystem. Die erheiternde Wirkung ist auf
einen Abbau der Hemmungen zurückzuführen. Auf welche Transmittersysteme wird bei der
dämpfenden Wirkung Einfluss genommen (Begründung)?
Aufgabe 1.6
40 bis 60 Gramm Alkohol täglich bewirken beim Mann schon eine deutliche Leberschädigung,
bei der Frau reichen bereits 20 Gramm. Bei täglich 70 Gramm kommt es beim Mann zu einer
Verdoppelung, bei der Frau sogar zu einer Verhundertfachung der Leberzirrhose-Häufigkeit!
Berechnen Sie, welche Mengen Bier, Wein und Schnaps 20 g resp. 70 g Alkohol pro Tag
entsprechen. Nehmen Sie jeweils eine Dichte von 1 kg/L und folgende Alkoholgehalte an:
Bier:
5 Vol-%
Wein:
12 Vol-%
Schnaps:
40 Vol-%
Aufgabe 1.7
Bei plötzlichem Absetzen des Alkohols (z.B. nach einem Unfall in der Klinik) kann es nach 1 3 Tagen zu einer dramatischen Fehlschaltung im Gehirn kommen. Das Delirium tremens ist
somit
eine
besonders
schwere
Form
von
Entzugserscheinungen.
Merkmale
Halluzinationen ("weisse Mäuse", Einbildung von Stimmen), Unruhe, d.h.
sind:
aufgeregt,
orientierungslos, "nestelnde Bewegungen", Gefahr von Kreislaufkollaps. Etwa 20 % der
Delirien verlaufen tödlich. Wie erklären Sie sich das Delirium tremens?
Aufgabe 1.8
Mit Hilfe des NMR9 kann Alkohol im Gehirn nachgewiesen werden. Bereits nach 12 Minuten
misst man eine Erhöhung der Alkoholkonzentration, die nach 40 bis 45 Minuten ihr Maximum
erreicht. Danach sinkt sie langsam wieder ab. Was passiert während den einzelnen
Zeitabschnitten im Körper?
9
nuclear magnetic resonance; eine in der Chemie und Medizin oft angewendete Methode, die den Spinumkehr von
Elektronen im Wasserstoff-Atom bei unterschiedlichen Magnetfeldern ausnutzt.
218
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Alkohol
Aufgabe 1.9
Werden
alkoholische
Getränke
zu Hause
gebraut,
muss man
Früchte in luftdicht
abschliessbaren Plastiktonnen vergären. Dabei wird ein Loch in die Tonne gebohrt, in das
man einen Schlauch steckt, der draussen in ein Wasserbad taucht. Während der ganzen
Gärung lässt man die „Apparatur“ so stehen. Erklären Sie den Aufbau aus der Sicht eines
Biochemikers oder einer Biochemikerin.
Aufgabe 1.10
Ethylenglykol (HO-CH2-CH2-OH) verwendet man in Kosmetika und Frostschutzmitteln. Die
selbst ungiftige Substanz wird über den Glykolaldehyd (HO-CH2-CHO), die Glykolsäure (HOCH2-COOH) und die Glyoxylsäure (OHC-COOH) zur Oxalsäure10 (HOOC-COOH) oxidiert. Eine
zu hohe Konzentration von Oxalsäure führt unweigerlich zum Tod. Wie könnte man eine
Oxalsäurevergiftung verhindern, wenn man weiss, dass die betroffene Person zu viel
Ethylenglykol geschluckt hat?
Aufgabe 1.11
Weshalb muss bei Alkoholikern besonders aufgepasst werden, wenn eine Operation ansteht?
10
lat.: Oxalis: Sauerklee. Klee wie auch Rhabarber enthalten besonders hohe Konzentrationen an Calciumoxalatkristallen.
Auch Nierensteine bestehen meistens aus diesen Kristallen.
219
2 CANNABIS
Inhalt
2
CANNABIS
220
2.1
Die Pflanze
221
2.2
Geschichte
222
2.3
Chemismus
224
2.4
Biochemie
231
2.4.1.
Die Cannabinoidrezeptoren
231
2.4.2.
Die Liganden
232
2.4.3
Direkte Wirkungen von THC im Körper
234
2.5
Medizinische Anwendung
235
2.6
Cannabis im Sport
236
LERNKONTROLLE KAPITEL 2
Lernziele
1.
Sie wissen, was ein Cannabinoid ist.
2.
Sie wissen, wie und wo THC und endogene Cannabinoide im Körper angreifen.
3.
Sie kennen die therapeutischen Möglichkeiten von THC.
238
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2.1 Die Pflanze
Cannabis (Hanf) gehört neben der Gattung Humulus (Hopfen) zur Familie der Cannabinaceae
(Hanfgewächse). Systematisch wird die Hanfpflanze also wie folgt aufgeteilt:
Familie:
Cannabinaceae
Gattung:
Cannabis
Art:
sativa LINNE
Obschon Uneinigkeit herrscht in Bezug auf die Art, scheint sich diese Bezeichnung durchzusetzen. In
einigen Literaturstellen wird noch zwischen drei Arten unterschieden: C. sativa, C. indica und C.
ruderalis.
Diese
Unterschiede
sind
jedoch
höchst
wahrscheinlich
auf
unterschiedliche
Anbaumethoden, Züchtungen und Einfluss von Wildbeständen zurückzuführen. Im Volksmund werden
für Hanf und seine Produkte auch andere Namen verwendet. Die gebräuchlichsten sind:
Gras:
amerikanischer Slang für Marihuana.
Haschisch:
das (meist gepresste) Harz der weiblichen Hanfpflanze (zum einen vom Wort hasisi,
arab.: Heu, Gras abgeleitet, zum andern mit der Sekte der Haschaschinen in
Verbindung gebracht).
Marihuana:
tabakähnliches Gemisch aus den Blüten und Blätterspitzen der weiblichen
Hanfpflanze (abgeleitet von dem Kosenamen Mary Jane beziehungsweise spanisch
Maria Juana).
Joint:
Zigarette, die Hanfprodukte enthält.
Haschischöl:
hochkonzentrierte Haschisch-Lösung, die ungefähr zehnmal so viel THC enthält wie
normales Haschisch in Plattenform und somit bis zu hundertmal stärker angereichert
ist als Marihuana.
Kif:
tabakartige Mischung aus Blüten und Blättern der weiblichen Hanfpflanze; davon
abgeleitet kiffen = Cannabis rauchen.
Shit:
(wörtlich: Scheisse) Slang für Haschisch.
Die Hanfpflanze wird im Durchschnitt 2 m hoch, Exemplare bis 8 m wurden aber auch schon
beschrieben.
Betrachten Sie unter
http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0600.htm
http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0610.htm
http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0620.htm
http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0630.htm
http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0640.htm
die Bilder der Hanfpflanzen
221
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2.2 Geschichte
Hanf erscheint in den Quellenüberlieferungen als weltweit eine der ältesten und am häufigsten
angebauten Nutzpflanze. Der Einsatz von Hanfprodukten in der Textil-, Seil- und Papierherstellung
machte diese Nutzpflanze zu einem äussersts umweltverträglichen Rohstofflieferanten. Im 17. und 18.
Jahrhundert war der Anbau von Hanf in Amerika sogar staatlich verordnet. Aber auch als Öllieferant
zu Nahrungsmittel- oder Heilmittelzwecken wurde Hanf geschätzt. Sowohl in religiösen Kreisen als
auch im Alltag schätzte man Ihre bewusstseinsverändernde Wirkung. In China verarbeitete man Hanf
vor 6000 Jahren zu Nahrung, Kleidung, Fischnetzen, Öl und Medikamenten. Im 1. Jahrhundert vor
Christus begann man dort mit der Papierherstellung aus Hanf, in Europa erst im Jahr 1200 n. Chr. Am
Ende des 19. Jahrhunderts bestanden drei Viertel des in der Welt hergestellten Papiers aus Hanf. So
ist zum Beispiel die heute noch gültige amerikanische Verfassung auf Hanfpapier geschrieben. Bereits
im Jahr 800 wurde von Karl dem Grossen (768 - 814) das erste Hanfgesetz in Kraft gesetzt, in dem er
den Anbau von Hanf verordnete. Im 19. Jahrhundert verdrängte in der Textilindustrie zunehmend die
Baumwolle den Hanf. In Europa ersetzte Getreidebau und Futterwirtschaft die Hanfproduktion. Mitte
des 19. Jahrhunderts wurde Hanf in der Schweiz nur noch für die Selbstversorgung angebaut. In
verschiedenen Texten des 19. aber auch des beginnenden 20. Jahrhunderts beklagte man den
sinkende Anbau von Hanf und versuchte ihn mit fehlendem Fleiss der Bevölkerung zu erklären. In der
Medizin wurde Cannabis als Heilmittel stark geschätzt. So findet man bereits in Kräuterbüchern aus
dem 16. Jahrhundert Cannabis als Heilmittel, aber auch in Indien ist es seit 1400 v. Chr. als Heilmittel
dokumentiert. Cannabis war bis ins 20. Jahrhundert das beliebteste Schmerzmittel, bekam aber ab
1898 Konkurrenz vom Aspirin. Zwischen 1850 und 1950 waren in Europa bis zu 100 Medikamente mit
Cannabis erhältlich.
Cannabis wurde über Jahrhunderte als Heil- und Nutzpflanze
geschätzt.
Nach dem ersten Weltkrieg setzte jedoch eine Kampagne gegen den Hanf ein. Zu dieser Zeit waren
die technischen Möglichkeiten zu einer rationellen und kapitalintensiven Bewirtschaftung des Hanfs
gegeben, und dieser ökologische Rohstoff wurde wieder interessanter. Dies zum Unmut der
Papierholzindustrie und der Petrochemie, welche ähnliche Produkte auf den Markt brachten.
Zusammen mit religiösen Gruppierungen gelang es der Industrie, dass Hanf zunehmend unter Druck
geriet und kriminalisiert wurde, obwohl dies wissenschaftlich unhaltbar war. 1929 wurde in
Deutschland der Handel und Konsum von indischem Hanf und seinem Harz unter Strafe gestellt. 1933
1
hob Roosevelt in Amerika das Alkoholverbot auf . Während des Verbots wurde ein riesiger Apparat zu
dessen Einhaltung aufgebaut. Da ihm nun sein Objekt, der Alkohol, entzogen wurde, trat eine enorme
Forcierung der Cannabisbekämpfung ein, die sich über die ganze Welt zog. 1937 leitete man in den
USA mit dem Marihuana Tax-Act ein Kesseltreiben sondergleichen gegen den Hanf ein.
1
Während 13 Jahren galt in Amerika ein totales Alkoholverbot (vgl. Modul IV, Kapitel 1).
222
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
Nach dem zweiten Weltkrieg setzte weltweit in allen Gebieten ein grosser Fortschritt ein. Als
Tugenden galten Karriere, Normalität, Kompromisse eingehen, Konsum und ein Rückzug in die
Familie. Der Schein nach aussen musste bewahrt bleiben. Hinter diesem Glitzervorhang gab es aber
verbreitet grosse Langeweile. Die Jugend der 60er Jahre ging auf Distanz zu diesen Tugenden. Für
die Jugend war die ganze Gesellschaft „drogenabhängig“: Spiessbürgertum und Workaholics mit einer
riesigen Konsumwut. Aus diesem Grund begann 1964 der Cannabiskonsum in Amerika stark
anzusteigen, um 1967 im „summer of love“ einen Höhepunkt zu erreichen. Die Hippiebewegung
verstand sich als Protest gegen die herrschenden Gesellschaftsnormen. Der Zusammenhalt wurde
gross geschrieben. Der Joint heisst nicht vergebens „joint“. Im Verlaufe der 70er Jahre wurde der
„Flower-power“ kommerzialisiert, und mit Nixon’s „War on Drug“ wurden Drogen zu Amerikas Feind
Nr. 1 erklärt, wobei nicht zwischen Cannabis und anderen psychoaktiven Substanzen unterschieden
wurde. Diese Politik wurde fast weltweit übernommen. Zwischen 1970 und 1990 konsumierten in der
Schweiz ca. 20 % der 15- bis 39-jährigen mindestens ein Mal pro Woche Hanfprodukte. Während der
80er Jahre wurde die Bekämpfung der Cannabiskonsumenten in der Schweiz noch einmal forciert,
während das Waschen von Geldern, das aus kriminellen Aktivitäten stammte noch bis 1990 straffrei
blieb. Auch in den darauffolgenden Jahren war in dieser Beziehung eine effiziente Rechtshilfe nicht
gewährleistet. In der heutigen Politik gibt es Tendenzen zu einem liberaleren Ansatz, der der Utopie
einer „drogenfreien Gesellschaft“ realistischer gegenübersteht, gerade da Cannabis im Vergleich zu
Tabak und Alkohol besser abschneidet. Es gilt vor allem als weniger risikoreich, hauptsächlich in
Bezug auf Aggressivität und gesundheitliche Auswirkungen. Trotzdem bestehen in einigen Ländern
immer noch hohe Strafen für den Besitz von kleinen Mengen Cannabis. In Griechenland muss man
beim Besitz von kleinen Mengen Cannabis mit 18 Monaten Gefängnis, im Libanon mit 3-15 Jahre und
auf den Philippinen, Malaysia und Singapur sogar mit der Todesstrafe rechnen. Trotzdem wird aber
auch in der Industrie wieder zunehmend auf nachwachsende Rohstoffe gesetzt. So werden die
CO2-neutralen Naturfasern als Werkstoffe des 21. Jahrhunderts gepriesen. Daimler Chrysler
entdeckte den Hanf, aber auch Flachs neu für den Ersatz der Glasfasern im Aussenbereich ihrer
2
Fahrzeuge. Bereits vor 60 Jahren präsentierte Henry Ford ein Auto bestehend aus Hanf, Sisal ,
Holzfasern und Weizenstroh, dessen Karosserie leichter als Stahl war und 10 Mal so viel aushalten
konnte ohne zu verbeulen. Der Treibstoff war Hanföl. Leider gelang diesem Auto aus politischen
Gründen nie der Durchbruch. In der Zwischenzeit sind auch Bestrebungen im Gang, mit Hilfe der
Gentechnologie THC-freien Hanf zu konstruieren.
Amerikas „War on Drug“ bewirkte eine wissenschaftlich
unhaltbare weltweite Verteufelung des Cannabis.
2
Bezeichnung für die aus den Blättern der Agave sisalana gewonnenen Hartfasern. Der Name führt zurück auf den ersten
Ausfuhrhafen für diese Fasern, den Hafen Sisal auf der Halbinsel Yucatán.
223
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2.3 Chemismus
Aus der Gruppe der Cannabinoiden sind 61 Strukturen bekannt, die in 12 Hauptgruppen unterteilt
werden:
2+
5
52
5
Cannabigerol-Typ
R1
R2
R3
Cannabigerolsäure
COOH
C5H11
H
Cannabigerolsäure monomethylether
COOH
C5H11
CH3
Cannabigerol
H
C5H11
H
Cannabigerol monomethylether
H
C5H11
CH3
COOH
C3H7
H
H
C3H7
H
Cannabigerovarinsäure
Cannabigerovarin
224
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2+
5
2
5
Cannabichromen-Typ
R1
R2
Cannabichromensäure
COOH
C5H11
H
C5H11
COOH
C3H7
H
C3H7
Cannabichromen
Cannabichromevarinsäure
Cannabichromevarin
2+
5
52
Cannabidiol-Typ
5
R1
R2
R3
COOH
C5H11
H
Cannabidiol
H
C5H11
H
Cannabidiol monomethylether
H
C5H11
CH3
Cannabidiol-C4
H
C4H9
H
COOH
C3H7
H
Cannabidivarin
H
C3H7
H
Cannabidiorcol
H
CH3
H
Cannabidiolsäure (CBDA)
Cannabidivarinsäure
225
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2+
5
2
5
5
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol-Typ
R1
R2
R3
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure A
COOH
C5H11
H
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure B
H
C5H11
COOH
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol
H
C5H11
H
COOH oder H
C4H9
H oder COOH
H
C4H9
H
COOH
C3H7
H
H
C3H7
H
COOH oder H
CH3
H oder COOH
H
CH3
H
9
9
9
9
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure-C4
9
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol-C4
9
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure-C4
9
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabivarin
9
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabiorcolsäure
9
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabiorcol
9
2+
5
2
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol-Typ
R
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol
H
8
8
∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure
8
COOH
226
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2+
5 2
5 Cannabicyclol-Typ
R1
R2
Cannabicyclolsäure
COOH
C5H11
Cannabicyclol
H
C5H11
Cannabicyclovarin
H
C3H7
2+
2
5
+2
Cannabielsoin-Typ
5 R1
R2
Cannabielsoinsäure A
COOH
H
Cannabielsoinsäure B
H
COOH
Cannabielsoin
H
H
227
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
25
5
2
5 Cannabinol-Typ
R1
R2
R3
Cannabinolsäure
H
COOH
C5H11
Cannabinol
H
H
C5H11
CH3
H
C5H11
Cannabinol-C4
H
H
C4H9
Cannabivarin
H
H
C3H7
Cannabiorcol
H
H
CH3
Cannabinolmethylether
2+
+2
Cannabinodiol-Typ
5
R
Cannabinodiol
C5H11
Cannabinodivarin
C3H7
228
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2+
5
5
2+
2
Cannabitriol-Typ
R1
R2
(-)-Cannabitriol
H
OH
(+)-Cannabitriol
H
OH
-tetrahydrocannabinol
H
OH
6α(10α)
H
OC2H5
OH
H
H
H
(±)-9,10-dihydroxy-∆
6α(10α)
(-)-10-ethoxy-9-hydroxy-∆
(±)-8,9-dihydroxy-∆
6α(10α)
-tetrahydrocannabinol
-tetrahydrocannabinol
Cannabidiolsäure tetrahydrocannabitriolester (CBDA verestert an
der OH-Gruppe von C9)
Hinzu kommen noch zwei Gruppen mit 9 bzw. 4 Cannabinoidstrukturen, die aber von geringerer
9
Bedeutung sind. Die psychisch und pharmazeutisch wirksame Form im Cannabis ist das (-)∆ Tetrahydrocannabinol, kurz ∆ -THC oder nur THC genannt. Seine chemische Struktur wurde 1964 von
9
Mechoulam und Gaoni von der hebräischen Universität in Jerusalem entschlüsselt. THC ist in Wasser
nahezu unlöslich, jedoch löslich in Alkohol, organischen Lösemitteln und Fetten bzw. Ölen. ∆ -THC ist
9
bei 0 Grad Celsius eine harzige Masse und verflüssigt sich bei 20 °C zu einem harzigen Öl. In der
Pflanze liegen die Cannabinoide als Carbonsäuren vor. Jedoch entfalten nur die Phenole
pharmakologische Wirkungen. Eine Umwandlung der Carbonsäuren in die zugehörigen Phenole - eine
Decarboxylierung (Abspaltung von CO2 aus einer COOH-Gruppe) - wird zum Beispiel durch kurzes
Erhitzen erreicht. Beim Essen von nicht erhitztem Haschisch oder einer Hanftinktur ist die Wirkung des
THC geringer, da im Körper nur eine minimale Umwandlung in die wirksamen Formen der
Cannabinoide stattfindet. Je nach Herkunft wurde das Haschisch eventuell bereits bei der Herstellung
erhitzt. Die pharmakologisch wirksamen Cannabinoid-Phenole werden insbesondere bei Lagerung
über Raumtemperatur und bei erhöhter Lichteinstrahlung zu unwirksamen Verbindungen abgebaut.
UV-Bestrahlung beschleunigt den Abbau der Cannabinoide. Cannabisprodukte sind daher am besten
im Dunkeln und nicht über Raumtemperatur (20 Grad und darunter) zu lagern.
Die in der Hanfpflanze vorkommenden Stoffe bilden eine
Gruppe von mindestens 61 Strukturen. Die psychoaktive Form
ist das ∆9-Tetrahydrocannabinol.
229
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
Je nach Nummerierung der Kohlenstoffatome spricht man anstelle des ∆ -THC auch vom ∆ -THC. Der
9
1
systematischer Name ist Tetrahydro-6,6,9-trimethyl-3-pentyl-6H-dibenzo[b,d]pyran-1-ol.
2+
2
µ
µ
µ
µ
2
2+
µ
µ
µ
µ
Abbildung 2.1. Zwei mögliche Nummerierungen des THC
THC ist bei einer oraler Aufnahme nur zu 10-20% verfügbar. Spitzenkonzentrationen im Plasma misst
man nach 1-6 Stunden. Gerauchtes THC hat eine etwas höhere Bioverfügbarkeit: 15-30%.
Spitzenkonzentrationen misst man bereits während des Rauchvorgangs. Wegen der geringen
Verfügbarkeit werden zu medizinischen Zwecken rektale Applikationen bevorzugt, bei denen mit einer
Bioverfügbarkeit von bis zu 67% gerechnet werden kann. Innerhalb von fünf Tagen wird THC
vollständig aus dem Körper ausgeschieden. Zu 65% in den Fäces, 20% im Urin. Zwei der drei
ausgeschiedenen Hauptmetaboliten sind noch psychisch aktiv. Es besteht deshalb die Gefahr, dass
noch Auswirkungen auf empfindliche Funktionen im Menschen über das Rauschempfinden hinaus
beeinträchtigt werden können, wie zum Beispiel die schlechtere Adaptation an die Dunkelheit,
nachdem man geblendet wurde. Dies ist vor allem beim Auto fahren bei Nacht zu beachten. Obwohl
der Rauschzustand von den meisten Versuchspersonen als angenehm empfunden wird, können bei
hohen Dosierungen panische Angst und kurzzeitige paranoide Zustände auftreten.
Aufgabe 2.1
Bestimmen
Sie
Kohlenstoffatome,
im
indem
(-)∆9-THC
Sie
das
die
asymmetrischen
Molekül
mit
einem
Molekülbaukasten zusammenstecken.
Geringere pharmakologische Bedeutung haben Cannabidiol, Cannabinol, Cannabigerol und
Cannabichromen. Ob sie jedoch die Wirkung des THC verstärken oder herabsetzen, ist weitgehend
noch unklar. Sowohl die Cannabinoidkonzentration als auch das Verhältnis zwischen den einzelnen
Cannabinoiden weisen bei verschiedenen Subtypen der Pflanze erhebliche Unterschiede auf.
230
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2.4 Biochemie
2.4.1. Die Cannabinoidrezeptoren
Bis in die 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts glaubte man, dass die Interaktion von THC im Gehirn
unspezifisch verlaufe. Aufgrund des lipophilen Charakters von THC könne das Molekül die Zellwand
durchdringen und seine Wirkung im Gehirn entfalten. Erst 1988 gab es Hinweise auf eine spezifische
Interaktion von THC mit einem Rezeptor. Daten und erste Forschungsergebnisse zu diesem Thema
sind deshalb noch relativ neu und können deshalb, vor allem was die medizinischen Aussagen
betreffen, noch leicht ändern. 1990 wurde der erste Cannabinoidrezeptor, CB1 genannt, von Ratten
kloniert und charakterisiert. Drei Jahre später wurde ein zweiter Rezeptor, CB2, kloniert. Neuere
3
Forschungsergebnisse mit CB1 / CB2 knockout Mäusen weisen darauf hin, dass es möglicherweise
noch weitere Cannabinoidrezeptoren geben könnte.
Aber auch in Amphibien wurden Cannabinoidrezeptoren gefunden. Dies lässt darauf schliessen, dass
es sich hier um eine in der Evolution relativ früh entstandene Rezeptorart handelt. Der Mechanismus,
wie das Signal, also die Stimulierung der CB durch einen Liganden von aussen, intrazellulär
weitergeleitet wird, erfolgt durch eine verminderte Produktion von cyklischem AMP (cAMP).
1
1
1
1
1
1
1
1
2
2
2
2 3 2 3 2 3 2 &+ 2
2
2
2
2
2
2 3 2 3 2
2
2
2+ 2+
+
2 &+ 2
2 3
2
ATP
1
1
PPi
2 2+
cAMP
Abbildung 2.2. Bildung des intrazellulären „second messengers“ cycl-3‘5‘-Adenosinmonophosphat
(cAMP) aus Adenosintriphosphat (ATP). Dabei wird ein Diphosphat abgespalten (PPi:
inorganic phosphate)
Doch wo liegt der Unterschied zwischen den zwei Rezeptoren? Ursprüngliche dachte man, dass CB1Rezeptoren ausschliesslich im Gehirn zu finden sind, während CB2-Rezeptore ausserhalb des ZNS
vorkommen. CB1-Rezeptore wurden vor allem in den Gehirnregionen gefunden, die mit der
Erinnerung und der Bewegung zu tun haben. Es handelt sich dabei um Hippocampus, Cerebellum und
Basalganglien. Die Rezeptoren befinden sich an Neuronen, die GABA als Neurotransmitter
verwenden und befinden sich vor dem synaptischen Spalt (präsynaptisch). Des weiteren wurden CB1Rezeptoren auch in anderen Geweben, wie der Lunge, der glatten Muskulatur und anderen,
gefunden. CB2-Rezeptoren fand man in der
3
Milz und den Zellen des
Immunsystems.
Mäuse, denen das Gen für CB1 und CB2 entfernt wurde. Sie können deshalb diese zwei Rezeptoren nicht mehr herstellen.
231
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
Interessanterweise liess sich beobachten, dass beim Menschen die Dichte der CB1-Rezeptoren im
fötalen und neonatalen Gehirn viel grösser ist als im Gehirn einer erwachsenen Person. Zwar konnten
keine Entwicklungsstörungen in CB1-, CB2- und CB1/CB2-knockout Mäusen gefunden werden,
jedoch litten CB1-knockout Mäuse unter einer
verminderten Schmerzwahrnehmung, einer
verminderten Aktivität und unter einer erhöhten Sterblichkeit. Dazu kam eine verminderte
Ausschüttung von Endorphinen (vgl. Modul II). Über die Arten hinweg ist der CB1-Rezeptor in seiner
Aminosäuresequenz weitgehend konserviert, während der CB2-Rezeptor kleinere Homologien
aufweist.
Zwei Cannabinoidrezeptore sind bis jetzt bekannt. CB1
kommt vorwiegend im Gehirn vor, CB2 findet man vor allem
in Immunzellen.
2.4.2. Die Liganden
Es gibt keinen Rezeptor ohne einen endogenen Liganden. Nachdem bekannt war, dass THC im
Körper einen Rezeptor hat, ging die Suche nach einem endogenen Liganden los. 1992 wurden zwei
4
Liganden gefunden: Anandamid (Sanskrit ananda: Seligkeit, Wonne) und Arachidonylethanolamid,
5
beides Moleküle, die zu den sogenannten Eicosanoiden gehören. In der Zwischenzeit wurden noch
weitere endogene Cannabinoide, die alle zur Klasse der Eicosanoide gehören, gefunden. Vor allem
Anandamid, mit systematischem Namen Arachidonylethanolamid genannt, ist Gegenstand von
intensiven Untersuchungen. Dabei wurde das Molekül an verschiedenen Stellen abgeändert und
untersucht, wie stark der Rezeptor noch auf diese Form anspricht. Dies im Hinblick auf eventuelle
pharmakologische Verwendungen der entsprechenden Moleküle bei gewissen Krankheiten.
4
Verbreitung und Ursprung siehe unter: http://www.weikopf.de/Sprache/Indischer_Zweig/body_indischer_zweig.html
Eicosanoide (eicosan gr.: zwanzig) leiten sich von der essentiellen Fettsäure Arachidonsäure ab. Diese ist auch
Ausgangssubstanz für die Prostaglandine, die ihrerseits an Entzündungsreaktionen beteiligt sind (vgl. Modul II).
5
232
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2
2
2+
+
1
2+
Abbildung 2.3. Lewis-Formel der Arachidonsäure (links) und von Anandamid (oben rechts);
Kalottenmodell von Anandamid (unten rechts)
Betrachten Sie die 3-dimensionale Struktur des THC auf dem
Computer. Für Instruktionen zum Programm fragen Sie Ihre
Lehrkraft.
Aufgabe 2.2
Vergleichen Sie die Struktur von Anandamid mit derjenigen
von THC. Können Sie sich vorstellen, welche Teilstrukturen im
Molekül auf die gleichen Stellen im Rezeptor passen?
Von Anandamid ist weiter seine Biosynthese und der Abbau nach seiner Ausschüttung aufgeklärt. So
konnte gezeigt werden, dass Anandamid als Phospholipid in der Zellmembran gespeichert wird, und
dass die Wiederaufnahme aus dem synaptischen Spalt durch einen aktiven Transporter erfolgen
muss. Neben diesem Anandamidtransporter wurde auch ein Enzym gefunden, das Anandamid
hydrolysiert (Anandamidamidohydrolase) und somit „unschädlich“ macht. Anandamid wird im Gehirn
synthetisiert, aber auch in Geweben ausserhalb des ZNS wie der Milz und sogar von Zellen des
Immunsystems, vor allem den Makrophagen.
Endogene Liganden gehören zur Gruppe der Eicosanoide. Der
bis jetzt wichtigste Vertreter ist Anandamid.
233
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2.4.3 Direkte Wirkungen von THC im Körper
Wie die genaue Interaktion von THC auf Nervenzellen funktioniert und was vor allem die direkten
Konsequenzen sind, ist noch weitgehend unklar. Trotzdem können physiologische Wirkungen
beobachtet werden und es besteht die Möglichkeit, THC als Medikament einzusetzen (s. nächster
Abschnitt). Es scheint jedoch erhärtet zu sein, dass THC das Immunsystem erheblich beeinflussen
kann. So hat THC auf verschiedene Zellen des Immunsystems einen erheblichen Einfluss, indem es
die Produktion von Cytokinen stimuliert oder herabsetzt. So konnte zum Beispiel mit THC bei Tieren
ein Schockzustand mit tödlichen Folgen oder Katalepsie hervorgerufen werden. Synthetische
Cannabinoide waren in der Lage, bakterielle Entzündungen und Schädigungen des Gehirns durch die
Beeinflussung der entsprechenden Cytokine schneller und besser auszuheilen. Weiter konnte gezeigt
werden, dass Anandamid in der Lage ist, die Bildung von Brustkrebszellen in Kultur zu unterdrücken.
Es scheint, dass vor allem der CB2-Rezeptor die Produktion der Cytokine beeinflusst, da er auf den
Zellen des Immunsystems in hohen Konzentrationen gefunden wurde. Immunsuppressive Effekte,
also eine Herabsetzung der Immunantwort, sind bis jetzt aber nur im Tier- oder Zellversuch gezeigt
worden. Beim Menschen werden sogar gegenteilige Wirkungen, nämlich eine Stimulation des
Immunsystems, diskutiert.
THC stimuliert in Konzentrationen wie sie nach einem Joint im Blut vorhanden sind in den
Gehirnzellen und anderen Zellen mit CB-Rezeptoren eine erhöhte Verbrennung von Glucose.
Weiter beeinflusst THC vor allem das Gehirn. Die genauen Umstände und die physiologische
Bedeutung der CB-Rezeptoren bleiben weiter Gegenstand von intensiven Untersuchungen. So wird
zum Beispiel der Einfluss auf Bewegungen und auf die Entwicklung des Gehirns diskutiert, aber auch
die Rolle als endogenes Analgetikum (Schmerzmittel) oder seine Funktion bei der Beeinflussung der
Sexualhormone während der Schwangerschaft. Beim letzten Fall nimmt man an, dass die
Beeinflussung über den Hypothalamus und die Hypophyse geschieht. Ratten waren zum Beispiel
länger schwanger als normal und hatten mehr Totgeburten zu verzeichnen. Direkt beeinflusst THC
den Prolactin- und Testosteronspiegel und bewirkt eine Abnahme der Hodengrösse und der
Spermaproduktion. Klarheit über die biochemische Bedeutung der CB-Rezeptoren und Anandamid
wird es erst in der Zukunft geben.
Aufgabe 2.3
Fassen Sie stichwortartig die Auswirkungen von Cannabis
zusammen.
234
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2.5 Medizinische Anwendung
Aufgrund der politischen Situation sind Versuche mit Cannabis und THC noch spärlich vorhanden. So
liess zum Beispiel die Administration Bush/Reagan in den 80-er Jahren möglichst alle Ergebnisse, die
Cannabis positive Eigenschaften zugestanden, vernichten. Weiter sollten die Forschungsresultate
kritisch betrachtet werden. So kam zum Beispiel eine von der Regierung bezahlte amerikanische
Studie zum Schluss, dass Cannabis Krebs auslösen kann, obwohl mehrere unabhängige Studien eher
das Gegenteil behaupten, nämlich dass Cannabis gewisse Krebsarten bekämpfen könnte. In der
amerikanischen Studie wurde jedoch die 70-fache Cannabiskonzentration verwendet, wie sie für einen
Rauschzustand ausreichen würde. Trotzdem hat die Medizin in den letzten zehn Jahren auf diesem
Gebiet beträchtliche Fortschritte gemacht.
Lesen Sie den Text anlässlich eines Vortrags von Professor
Brenneisen, den Sie unter folgender Internetadresse finden:
http://www.sfaispa.ch/ServicePresse/allemand/Abhangigkeiten/brenneisen.pdf
Neben den positiven Eigenschaften von Cannabis müssen aber auch die Risiken eines erhöhten
Cannabiskonsums berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang sei hier die „Schweizerische
Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme“ (sfa) mit den folgenden acht Punkten zitiert:
•
Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit (Aufmerksamkeit, Konzentration, Lernfähigkeit)
•
Verminderte Gedächtnisleistung
•
Verstärkung der Krankheitssymptome bei psychischen Störungen (Behauptungen über direkt
auslösende Cannabiseffekte bei Schizophrenie und Psychosen sind ungenügend belegt)
•
Einhergehender
Motivationsverlust,
verminderte
Aktivität,
Interessenverlust
(ein
direkter
ursächlicher Zusammenhang zwischen regelmässigem Cannabiskonsum und Motivationsverlust
ist wissenschaftlich jedoch nicht nachgewiesen)
•
Beeinträchtigte Lungenfunktion, chronische Bronchitis
•
Schädigungen des Immun- und Fortpflanzungssystems werden vor allem in Tierversuchen
beschrieben (gelten jedoch beim Menschen nicht als ausreichend wissenschaftlich belegt;
gleiches trifft für hormonale Störungen zu)
•
Wachstumsverzögerungen bei Föten und Verhaltensauffälligkeiten bei Neugeborenen sind nicht
auszuschliessen
•
Erhöhte Unfallgefährdung (der Verlauf des Cannabisrausches und seine spezifischen Wirkungen
sind nicht mit dem Führen eines Fahrzeuges, der Handhabung komplexer Maschinen oder mit
anderen Aufgaben, die viel Aufmerksamkeit erfordern, zu vereinbaren)
235
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
2.6 Cannabis im Sport
Lesen Sie das Faltblatt „Cannabis und Sport“, herausgegeben
von Laola und dem BASPO, und Informieren Sie sich zum
Thema Cannabis unter
http://www.dopinginfo.ch
Die Handhabung der Cannabinoide im Sport ist unterschiedlich. Grundsätzlich gilt, dass es im
Ermessen der Sportverbände liegt, ob sie THC-Spuren im Urin bestrafen wollen oder nicht. Das
olympische Komitee legt einen Grenzwert von 15 ng Carboxy-THC / ml Urin fest. Dies deshalb, damit
keine Sportler bestraft werden, die THC passiv, also unbewusst, konsumiert haben. Cannabis gilt zwar
als nicht leistungsfördernd, hingegen könnte es in Sportarten, die ein hohes Risiko beinhalten, sinnvoll
sein, Grenzwerte festzusetzen, ähnlich wie es beim Alkohol gemacht wird.
Zu einer breiten Diskussion in der Schweiz führte im Januar 2001 die Tatsache, dass mehrere
Nationalliga A Handballer des Cannabiskonsums beschuldigt und bestraft wurden. Bei Severin Boser
von Grasshoppers, Janosz Molnar vom TV Zofingen und Tsuyoshi Ito von Amicitia Zürich konnten
Grenzwertüberschreitungen nachgewiesen werden. Dazu kamen in der gleichen Zeit ein Wasserballer
und ein Basketballspieler. Während Janosz Molnar fristlos gekündigt wurde, kamen die anderen
Spieler mit einigen Spielsperren davon. Handball ist in der Schweiz klarer Spitzenreiter in Bezug auf
Cannabisgrenzwertüberschreitungen. Jedoch nur ein gutes Dutzend Sportverbände in der Schweiz
ahnden den Konsum von Cannabis, darunter neben den oben genannten Sportarten Billard, Judo,
Sportklettern und Rollsport. Im Fussball und Eishockey hingegen kann so viel Cannabis konsumiert
werden wie man will. Während der Eishockeyverband nach Olympia 1998 aus dem „Hardliner-Club“
(Facts 25.1.2001) austrat, erlassen andere Verbände ein neues Cannabisverbot. Cannabis als soziale
Droge wird vor allem in Mannschaftssportarten konsumiert. Die Ausnahme ist das Snowboarden als
Einzelsportart. Neben dem Chaos innerhalb und zwischen den Sportverbänden kommen auch noch
unterschiedliche Grenzwerte dazu. So setzt der internationale Radsportverband seinen Grenzwert auf
40 ng/ml Urin fest. Dies aber nur für den Mountainbike-Downhillbereich, allen anderen Radsportlern
bleibt der Joint nicht verwehrt. In einem Interview mit Facts kritisiert der Handballer Severin Boser
denn auch seinen Verband, er sei nie darauf aufmerksam gemacht worden, dass auf Cannabis geprüft
werde. Nur Wacker Thun und die Nationalmannschaft wurden diesbezüglich vorgewarnt. Weiter
kritisiert er „die unverständliche Tatsache, dass Exponenten unseres Handballverbands die fossile
Meinung vertreten, dass Cannabis mit harten Drogen oder Doping gleichzustellen und repressiv zu
handhaben sei“.
Zu diesem Thema seien hier am Schluss noch einige Zitate aufgeführt, die am 25.1.2001 im Facts
erschienen sind.
236
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
Beat Villiger, Mannschaftsarzt HC Davos: „Würde der Cannabiskonsum im Schweizer Eishockey
geahndet, würden wir Überraschungen erleben. Denn ein rechter Teil der Spieler kifft gelegentlich“;
„Hasch hat eine Teamkultur. Meistens wird in kleinen Gruppen gekifft“.
Brigitte de Roche, Dopingverantwortliche Snowboard: „Das Kiffen ist in unserem Sport ein
Megaproblem. Ich wage zu behaupten, dass sich nur die Topfahrer an die Dopingliste halten“.
Bruno Huber, Präsident FC Winterthur: „Im Fussball wird mehr gekokst als gekifft“.
Jean-Jacques Fasnacht, Mannschaftsarzt Kadetten Schaffhausen (Handball): „Ich möchte eine
Amnestie für die Cannabis-Sünder. Wir sollten unter klaren Voraussetzungen neu beginnen“.
Bernhard Marti, Präventivmediziner am Sportwissenschaftlichen Institut Magglingen: „Wir dürfen die
Dopingbekämpfung und die Drogenprävention nicht vermischen. Ich finde es schlecht, dass man im
Sport nun noch gegen Haschisch loszieht“.
Jean-Pierre Desarzens, Nationalliga-Direktor Basketball: „Wir wollen keine Drogen in unserem Sport,
das ist unsere Philosophie“.
Facts: „Im Handball führt Cannabis, im Fussball überwiegt Kokain. Im Eishockey ist Snus, ein
Kautabak, ebenso verbreitet wie Cannabis, und im Basketball steht Ecstasy zahlenmässig auf der
Höhe von Haschisch“.
Eine einheitliche Regelung zum Gebrauch von Cannabis im Sport scheint in der näheren Zukunft zu
erfolgen. Informieren Sie sich deshalb auch immer wieder auf der Dopingseite von Magglingen
(www.dopinginfo.ch).
237
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Cannabis
LERNKONTROLLE KAPITEL 2
Aufgabe 2.4
Mit welchen chemischen Labormethoden könnte man das Harz, reich an Cannabinoiden, aus
der Hanfpflanze gewinnen?
Aufgabe 2.5:
Würde eine Person, der Anandamid intravenös gespritzt würde, ein „high“ wie bei einer THCGabe verspüren? Begründen Sie kurz Ihre Antwort.
Aufgabe 2.6:
Die höchste Dichte an CB-Rezeptoren im Gehirn befindet sich in den Basalganglien. Worauf
lässt dies bei einem THC-Rausch schliessen?
238
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Praktikumsanleitungen
3 PRAKTIKUMSANLEITUNGEN
Inhalt
3
3.1
PRAKTIKUMSANLEITUNGEN
239
Destillation von Wodka
240
239
MODUL IV: Volksdrogen & Sport
Praktikumsanleitungen
3.1 Destillation von Wodka
Destillieren Sie in einem Zweihalskolben 200 mL Wodka in einem Wasserbad. Verwenden Sie dazu
ein langes Steigrohr und protokollieren Sie während der Destillation dauernd die Temperatur des
Wodkas und diejenige des Dampfs kurz vor dem Kühler. Bestimmen Sie die Dichte des Destillats.
Wiederholen Sie die Destillation mit einer Vakuumdestillation.
Achtung: Bevor Sie die Destillation starten, zeigen Sie Ihrer Lehrerin oder Ihrem Lehrer den Aufbau
der Destillationsapparatur.
Aufgabe 3.1
Interpretieren Sie die Resultate, insbesondere die
Siedetemperatur und die Dichte des Destillats.
Dichte reiner Ethanol:
Sdp. reiner Ethanol:
Sdp. bei 95 mm Hg:
240
0.79 kg/L
78.5 °C
Ethanol:
Wasser:
33.5 °C
51 °C
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
ANHANG A: Lösungen der Übungsaufgaben
Inhalt
A
1
LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL I
3
1.1
Einleitung
3
1.2
Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körpers
4
1.3
Exkurs 2: Biotransformation
1
1.4
Kapitel 1: Steroidhormone: „natürliche Anabolika“
3
1.5
Kapitel 2: Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar
5
1.6
Praktikum: Nachweis von hCG im Urin: Schwangerschaftstest
7
2
LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL II
9
2.1
Exkurs 1: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
2.2
Exkurs 2: Hormone bestimmen, wie oft wir auf die Toilette rennen müssen
11
2.3
Kapitel 1: Hilfe beim Wasserlösen: Diuretika
14
2.4
Exkurs 3: Aua – das schmerzt
16
2.5
Kapitel 2: Wie Schmerzen mit einem Lächeln weggesteckt werden können - Analgetika
18
2.6
Kapitel 3: Praktikumsanleitungen
20
3
LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL III
9
21
3.1
Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
21
3.2
Kapitel 1: Stimulantien
25
3.3
Kapitel 2: Beta-Sympatholytica
26
A1
ANHANG
4
Lösungen zu den Aufgaben
LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL IV
27
4.1
Kapitel 1: Alkohol
27
4.2
Kapitel 2: Cannabis
30
4.3
Kapitel 3: Praktikumsanleitungen
31
A2
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
1 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL I
1.1 Einleitung
Aufgabe Einleitung 1
Alraunwurzel: Radix Mandragorae (Alraunwurzel, Atropa mandrogara), verbreitet in Südeuropa, der Schweiz und im Mittelmeerraum; Inhaltsstoffe: L-Hycoscyamin, Atropin, Lund D,L-Scopolamin (Hauptalkaloid), Belladonoin, Cuskhygrin (Gesamtgehalt an
Alkaloiden: 0.3 – 0.4 %. Anwendung: Früher als Narkotikum, Anästhetikum und
Aphrodisiakum (im Altertum über das Mittelalter bis heute als Zaubermittel bekannt;
Alraunmännchen)
Alkaloide: Bezeichnung für vorwiegend in Pflanzen auftretende basische Naturstoffe mit
einem oder mehreren, meist heterocyclisch eingebauten N-Atomen im Molekül, die häufig
eine ausgeprägte pharmakologische Wirkung haben. Ausser dem natürlichen Vorkommen
der Alkaloide lässt sich kein allgemeines Charakteristikum angeben. Mothes schlug 1950
die folgende Definition vor: „Alkaloide sind klassische Pflanzenstoffe mit vorwiegend
heterocyclisch eingebautem basischem Amin-Stickstoff, die eine starke, meist sehr
spezifische Wirkung auf verschiedene Bezirke des Nervensystems besitzen.“
Verwendung: Wegen ihrer spezifischen Wirkung insbesondere auf das Nervensystem sind
eine Vielzahl von Alkaloiden seit alters her in der Pharmazie heimisch , z.B. die MorphinAlkaloide (als Schmerz- u. Betäubungsmittel). Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass unter
den A. sowohl die stärksten, Sucht erzeugenden Rauschmittel als auch die stärksten Gifte
zu finden sind: Heroin (Morphin-Derivat), Lysergsäurediethylamid, Meskalin, Kokain bzw.
Strychnin, Batrachotoxin, Tetrodotoxin, Saxitoxin, Aconitin u.a. Freilich gehören auch die
Genussmittel (Genussgifte) Coffein und Nicotin hierher. Quelle: CD Römpp Chemie Lexikon
– Version 1.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1995
Aufgabe Einleitung 3
Mehrere Umstände haben zum Tod Simpsons geführt: die Hitze, die Luftfeuchtigkeit und die
körperliche Überbeanspruchung, aber auch der Gebrauch von gefährlichen Medikamenten.
Dabei handelte es sich um Amphetamine und Methyl-Amphetamine. Die Dosen, die Simpson
eingenommen hatte, waren zwar nicht tödlich, doch wegen dieser Aufputschmittel hatte er
seine Leistungsgrenze überschreiten können.
Aufgabe Einleitung 4
Vergleiche folgende Internetseiten:
Dieter Baumann: http://www.tu-bs.de/schulen/Wilhelm-Gym_BS/html/sport/doping/baum1.htm
Ben Johnson: http://www.tu-bs.de/schulen/Wilhelm-Gym_BS/html/sport/doping/johns.htm
A3
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
1.2 Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körpers
Aufgabe E1.1
Hormone sind Wirkstoffe, die im Körper selber aufgebaut werden, und die bereits in kleiner
Konzentration steuernd in den Stoffwechsel eingreifen. Sie werden von besonderen Zellen oder
Drüsen gebildet und an das Blut abgegeben. Da Hormone ihre Wirkung oft nicht am
Bildungsort entfalten, werden sie auch als Botenstoffe bezeichnet.
Aufgabe E1.2
Schlagen Sie in Ihrem Biologie- oder Chemiebuch, bzw. andern Büchern Ihrer Bibliothek
folgende Begriffe nach und erklären; bzw. definieren Sie sie in Ihren eigenen Worten:
Fettsäure: Gruppenbezeichnung für aliphatische, gesättigte Carbonsäuren mit nahezu
ausschliesslich unverzweigter Kohlenstoff-Kette. Vorkommen: Die Fettsäuren
kommen in der Natur sowohl in freiem Zustand wie auch als Ester vor (Å
Fette). Besonders häufig sind die Palmitin- (C16), Stearin- (C18) und die
Ölsäure (C18), die in vielen pflanzlichen Ölen (z.B. Palmöl) und tierischen
Fetten enthalten sind; ferner sind die Laurin- (C12) und Myristinsäure (C14)
als Bestandteile von Kokos- u. Palmkernöl zu nennen. Fettsäuren mit
weniger als 12 C-Atomen sind in der Milch von Säugetieren enthalten (vgl.
Fette u. Öle). Die meisten Fettsäuren, die in natürlichen Fetten u. Ölen
gebunden vorliegen, zeigen einen linearen Aufbau; verzweigte Ketten findet
man jedoch im Bürzeldrüsenfett der Vögel sowie in Bakterienfetten.
Ungesättigte Fettsäuren, die insbesondere Bestandteil von Fischölen
darstellen, liegen in der Regel cis-(Z) konfiguriert vor.
Aminosäure: Molekül mit den funktionellen Gruppen –COOH und –NH2 (R2NH). In der
Natur kennt man nur ca. 200 verschiedene Aminosäuren
HO
O
(AS), wovon die α-AS die weitaus grösste Bedeutung
C
haben. Diese sind die Bausteine der Proteine. Sie tragen
die Aminogruppe am Nachbar-C-Atom (α-C-Atom) zur H2N Cα H
Carboxylgruppe. R steht für eine beliebige Seitenkette. In
R
Proteinen existieren jedoch nur ca. 20 verschiedene AS (Å
proteinogene AS).
-
Peptid:
In Analogie zur Esterbildung, können Amino- und Säuregruppen unter
Wasserabspaltung zu Säureamiden reagieren. Handelt es sich bei den
Reaktionspartnern um a-AS, deren funktionelle Gruppen am C1 (-COOH)
bzw. Cα (-NH2) reagieren, so wird das Produkt je nach Anzahl kondensierter
AS als Dipeptid, Tripeptid usw. bezeichnet..
H2N
H
O
C
C
R1
-
Protein:
H
OH
+
H
N
C
R2
COOH
H2N
H
O
H
C
C
N
R1
C
COOH
+
H2 O
R2
(Eiweisse, Eiweissstoffe, Eiweisskörper). Sammelbezeichnung für natürlich
vorkommende Copolymere, die sich in der Regel aus 20 verschiedenen α-AS
als Monomeren zusammensetzen. Ab etwa 100 AS-Resten spricht man meist
von Proteinen. Es ergeben sich Molmassen von 10000 bis mehrere Millionen.
Man teilt die Proteine nach Gestalt und Verhalten gegen Wasser bzw. Salze
ein in: globuläre Proteine (Sphäroproteine) wie z.B. Albumine oder Globuline,
sowie: Skleroproteine (oder fibrilläre, Gerüst- oder Faser-Proteine), wie z.B.
Keratine oder Kollagen.
Proteine sind in der belebten Welt allgegenwärtig. Neben Kohlenhydraten u.
Fetten sind sie die dritte grosse Gruppe von Nahrungs- und Reservestoffen.
Auf der Anwesenheit bestimmter Proteine beruhen Struktur, Funktion und
Stoffwechsel aller lebenden Zellen und Gewebe; in gewissem Sinn sind die
Proteine die Träger der Lebensfunktionen schlechthin. Man findet sie
gleichermassen in Tieren, Pflanzen u. Mikroorganismen, so z.B. in den
A4
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Muskeln (Actin, Myoglobin, Myosin), im Blut (Hämoglobin), in Bindegewebe,
Sehnen u. Bändern (Kollagen, Elastin), im Serum (Fibrinogen,
Immunglobuline, in Wolle, Haaren, Hörnern, Hufen, Klauen, Nägeln usw.
(Keratine), in den Seidenfäden (Fibroin), in Weichtierschalen (Conchagene),
in Knochen (Ossein), in der Milch (Albumine, Casein) usw.
Vielfältig sind auch die Funktionen der Proteine im Organismus: Als
Enzyme, Transport- u. Speichermoleküle (Ferritin, Hämoglobin), molekularen
Motoren (Dynein, Kinesin, Myosin), Gerüstsubstanzen (Sklerop., GerüstEiweiss) mit mechanisch stützenden Funktionen (Keratine, Kollagene,
Ossein), in der Immunabwehr (Immunglobuline, Komplement), Hormone
(Follitropin, Thyreotropin), Hormon- u. Neurotransmitter-Rezeptoren,
Regulatoren (Enzym-Inhibitoren, Transkriptionsfaktoren), Schlangengifte,
Bakterientoxine,
als
Reservestoffe
(Gliadin,
Zein,
Edestin)
in
Pflanzenorganen usw.
-
Eigenschaften: Die meist gut wasserlöslichen Proteine (Ausnahme:
Membran-Proteine uns Skleroproteine) sind gegen physikalische und
chemische Einwirkung im allgemeinen ziemlich empfindlich. So gerinnt z.B.
das Hühner-Eiweiss (Eiklar) oberhalb 65 °C; man bezeichnet diesen Vorgang
als Denaturierung. Er beruht auf einer Zerstörung der Raumstruktur der P.
unter Aufbrechen der schwachen innermol. Wechselwirkungen (vgl. unten
den Abschnitt zur Struktur).
Stoffwechsel: (Metabolismus). Bezeichnung für die Gesamtheit der chemischen
Umsetzungen
im
Organismus,
die
zur
Aufrechterhaltung
der
Lebensvorgänge notwendig sind; diese betreffen die Aufnahme, den Ein-,
Um- u. Abbau wie auch die Ausscheidung von Stoffen, die Erhaltung bzw.
Vermehrung der Körpersubstanz und die Energiegewinnung. Der
intermediäre Stoffwechsel findet in den Zellen und Geweben statt. Er
umfasst
alle
chemischen
Umsetzungen,
angefangen
bei
den
Ausgangsstoffen, die von der Verdauung geliefert werden, über Bildung und
Wiederabbau von Reservestoffen bis hin zu den Endstoffen, die zur
Ausscheidung kommen. Von Energie- oder Betriebs-Stoffwechsel spricht
man beim Umsatz der körpereigenen Stoffe zur Gewinnung von Energie.
.
Aufgabe E1.3
Hypothalamus und Hypophyse, zwei eng miteinander verbundene Hormondrüsen.
A5
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe E1.4
1 mol Adrenalin = 183.16 g Å 1 g Adrenalin = 5.46·10-3 mol; für eine 10-10 mol·L-1
konzentrierte Lösung braucht es also 54'594.48 m3 Wasser; das entspricht einem
Durchmesser von ca. 186.5 m.
1.3 Exkurs 2: Biotransformation
Aufgabe E2.1
Ohne funktionsfähige Biotransformation würden sich die hydrophoben Xeno- und Endobiotica
in unserem Körper (Zellmembranen) anreichern. Die Ausscheidung über den Urin wäre also
drastisch eingeschränkt.
Aufgabe E2.2
a) Monooxigenasen (auch Hydroxylasen genannt) sind Enzyme, welche beim biologischen
Abbau eine zentrale Rolle spielen. Dabei katalysieren sie die folgende Reaktion (X =
Xeno- bzw. Endobioticum; D = sonstiger Wasserstoffdonator)
XH2 + DH2 + O2 Å XHOH + D + H2O
b) Viele enzymatische Umwandlungen können in ein- und demselben Organismus durch
mehr als eine Spezies eines Enzyms bewirkt werden. Diese im gleichen Sinne
wirksamen multiplen Enzym-Formen werden als Isoenzyme bezeichnet, wenn ihre
Unterschiedlichkeit genetisch bedingt und nicht auf an die Protein-Biosynthese.
anschließende Modifikation zurückzuführen ist. Isoenzyme unterscheiden sich mehr
oder weniger stark hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften.
c)
Viele wasserstoffübertragende Enzyme übertragen den Wasserstoff vom Substrat
entweder, auf das Nicotinamid-adenin-dinucleotid (NAD+) oder auf das Nicotin-amidadenin-dinucleotidphosphat (NADP+). NAD+ und NADP+ sind Coenzyme (Vitamine) der
B-Gruppe. Die Funktion dieser Coenzyme besteht in der reversiblen Aufnahem von
Wasserstoff; dabei wird der Pyridin-Ring reduziert – er nimmt ein zusätzliches
Wasserstoffatom auf – und der Stickstoff verliert seine positive Ladung. Der
Mechanismus dieser Reaktion besteht in der Übertragung eines Hydrid-Ions (H¯) vom
Substrat auf das C-4 des Pyridinrings.
A1
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe E2.3
Einteilung Alkohole:
nullär
primär
H
H
H
C
OH
H
R
C
sekundär
tertiär
R2
OH
R1
C
H
R2
OH
R1
H
C
OH
R3
R2
Tertiäres Amin:
R1
C
NH2
R3
Aufgabe E2.4
Im weitesten Sinne Stoffe, die einem bestimmten Ökosystem, Organismus oder Gestein fremd
sind. Im engeren Sinne Sammelbezeichnung für in der Umwelt des Menschen – im engsten
Sinne: in seiner Nahrung – nicht natürlich vorkommende Stoffe anthropogenen Ursprungs
(Umweltchemikalien). Insofern haben Xenobiotica. begrifflich weniger mit Zusatzstoffen zu tun
als vielmehr mit Fremdstoffen in Nahrungsmitteln (z.B. Rückstände von Extraktionsmitteln
oder von Pflanzenbehandlungs- und Arzneimitteln) und allgemein mit anthropogenen Boden-,
Luft- und Gewässerverunreinigungen, deren biologischer Abbau nur langsam vonstatten geht.
Manchmal werden unter X. auch körperfremde Stoffe verstanden, die einen Organismus zur
Entwicklung von Abwehrmechanismen und -stoffen anregen können, z.B. Gifte, Toxine und
Antigene.
Aufgabe E2.5
Bei der Reaktion von Glucose zu Glucuronsäure handelt es sich um eine Oxidation der
Alkoholgruppe am C-6 zur Carbonsäuregruppe.
+III
-I
&22+
&+2+
O
O
OXIDATION
OH
H, OH (α,β)
OH
H, OH (α,β)
OH
OH
OH
OH
Aufgabe E2.6
COOH
COOH
O
H
H
C
N
C
O
H
C
CH3
O
O
C
CH3
OH
O
.
Acetylsalicylsäure (I)
Salicylsäure (II)
A2
Salicylursäure (III)
COOH
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
1.4 Kapitel 1: Steroidhormone: „natürliche Anabolika“
Aufgabe 1.1
Siehe Text.
Aufgabe 1.2
Am besten Sie diskutieren hier mit einer Mitschülerin bzw. einem Mitschüler.
Aufgabe 1.3
Die relevanten Oxidationszahlen sind direkt in den Abbildungen vermerkt. OX = Oxidation,
RED = Reduktion, RED&OX = verschiedene C-Atome werden sowohl oxidiert als auch
reduziert.
Progesteron
O
+II
Androgene
+II
Androstendion
4
(∆ -Androsten-3,17-dion)
O
5('
OH
NADP
O
NADPH
+II
0
2;
-II
HO
Oestradiol-17β
4
(∆ -Androsten-3,17-dion)
3
+I
2;
Oestron
OH
0
3
HO
Ausscheidung
nach Reduktion,
Hydroxylierung und
Konjugation
(Sulfat, Glucuronsäure)
OH
Östriol
HO
Aufgabe 1.4 (für Interessierte)
Zusatzinformation zum Menstruationszyklus der Frau
Lehrbüchern, welche am Ende des Kapitels aufgeführt sind.
A3
finden
Sie
in
verschiedenen
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 1.5
-
-
-
Agonisten:
(Synergist). Von griech. agónistés = Streiter. Stoff (od. Umweltfaktor), der
in die gleiche Richtung wirkt wie ein anderer.
β2-Agonisten: Hinter dem Kürzel „β2“ verbirgt sich ein bestimmter Rezeptortyp. Dabei
handelt es sich um einen sogenannten adrenergen Rezeptor, oder in
anderen Worten einen Rezeptor für die Hormone (und auch
Neurotransmitter) Adrenalin und Noradrenalin. Diese Rezeptorklasse
lässt sich, gemäss ihrer Wirkung nach der Bindung ihres Substrates, in
vier Unterklassen unterteilen - α1, α2, β1 und β2. Bindet ein β2-Agonist an
einen β2-Rezeptor, so löst er dort die gleiche Wirkung wie Adrenalin
bzw. Noradrenalin aus
Antagonisten: (griech.: Gegenspieler). Bezeichnung für Organe oder Stoffpaare
(Agonist/Antagonist, A/A), welche einander entgegengesetzte Wirkung
ausüben.
In
der
Pharmakologie
kommen
A/A-Paare
bei
unterschiedlichen Substanzklassen vor. Man unterscheidet hier
verschiedene Arten von Antagonismen. So werden Substanzen, die
Rezeptoren für ihre physiologischen Bindungspartner (Liganden)
blockieren, als kompetitive Antagonisten bezeichnet. Sie konkurrieren
mit dem Agonisten um den Rezeptor, bleiben aber, am Rezeptor
gebunden, ohne eigene Wirkung. Der Effekt eines kompetitiven A.
kommt durch das Ausbleiben der Agonisten-Wirkung zustande (z.B.
Histamin/Histamin-Rezeptorenblocker).
Der
nicht
kompetitive
Antagonismus kommt durch die Reaktion des Antagonisten mit Teilen
des Rezeptors zustande, ohne dass der Platz des Agonisten dadurch
besetzt wird. Der Effekt ist die Verhinderung der Wirkung des
Agonisten.Beim funktionellen Antagonismus handelt es sich um den
Angriff zweier Rezeptor-Ligand-Paare mit gegensinniger Wirkung auf
das gleiche Effektorsystem. Ein solcher Antagonismus besteht bei den
Antagonisten Adrenalin und Acetylcholin an der glatten Muskulatur.
Aufgabe 1.6
Wasserlösliche Hormone können wegen Ihrer geringen Fettlöslichkeit die Zellmembran nicht
durchdringen; sie heften sich an Rezeptoren auf der Zellaussenfläche. Beim Adrenalin ist
dieser Rezeptor ein Enzym, das in der Zelle die Bildung des second messengers cAMP
katalysiert.
Fettlösliche Hormone gelangen dagegen leicht in das hydrophobe Innere der Zellmembran.
Wenn sie sich in der Zelle befinden, können sie unmittelbar auf Ihre Zielmoleküle oder
Rezeptoren einwirken.
Aufgabe 1.7
Sie können so ihren Monatszyklus selber bestimmen und steuern. Menstruationsbeschwerden
während einer Olympiade z.B. können sehr „ärgerlich“ sein.
Aufgabe 1.8
Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Athleten um einen Kraftsportler, der versucht
durch die Einnahme von Anabolika seine Muskelmasse möglichst schnell aufzubauen bzw. zu
vergrössern. Die Nebenwirkungen können fatal sein. Eine Zusammenstellung finden Sie im
Kapitel 1.1.3.2
A4
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
1.5 Kapitel 2: Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und
schwer nachweisbar
Aufgabe 2.1
Die Biosynthese von Insulin (modifiziert nach Löffler, G. & Petrides, P.E. (1990) Biochemie und
Pathobiochemie, Springer, Berlin Heidelberg New York). Das Insulingen enthält zwei Introns
(I). Die nach Transkription und Spleissen entstehende mRNA codiert für ein Protein vom Nzum C-Terminus wie folgt aufgebaut ist: Signalpeptid (S, 24 Aminosäuren, AS), vollständige
Sequenz der B-Kette (B), C-Peptid (C), Sequenz der A-Kette (A). Wir die mRNA translatiert, so
entsteht das Peptid Präpro-Insulin, welches je nach Spezies aus 104 bis 109 AS besteht. Die
Synthese erfolgt an den Ribosomen des rauhen endoplasmatischen Reticulums (rER). Das
Signalpeptid zeichnet sich verantwortlich für die Einschleusung der synthetisierten Peptidkette
in das Lumen des ER, wo es abgetrennt wird und Pro-Insulin entsteht. Insulin wird im Golgi-
A5
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Apparat unter Einschaltung einer spezifischen Protease (Prohormon-Convertase) durch
Entfernung des C-Peptids gebildet.
Aufgabe 2.2
EPO ist ein Glykoprotein, es enthält also Zuckerketten. Die Modifizierung der
Aminosäureketten mit Zuckerresten erfolgt je nach Organismus unterschiedlich und dadurch
kann für EPO keine genaue Molmassenbestimmung durchgeführt werden.
Aufgabe 2.3
a) ca. 14.25 g Sauerstoff
b) Bei einer Steigerung des Hämatokritwertes auf 50 %, erreichen knapp 16.7 g Sauerstoff
die Muskelzelle. Dies bedeutet eine Mehrversorgung des Organismus mit Sauerstoff um
17 %. Ein enormer Leistungsschub!
Aufgabe 2.5
Da Prohormone und Präprohormone inaktiv sind, können sie in sekretorischen Zellen (in deren
Granula) in grösseren Mengen gespeichert werden. Sie werden schnell aktiviert, wenn Enzyme
sie auf ein geeignetes Signal hin spalten.
Aufgabe 2.6
Die Einnahme von Wachstumshormon führt zu einem allgemeinen Wachstum, also auch des
Kiefers. Dies kann zu Zahnfehlstellungen führen, welche durch das Tragen von Zahnspangen
korrigiert werden müssen.
Aufgabe 2.7
Choriongonadotropin (hCG) wird während der Schwangerschaft von der Plazenta gebildet.
Das Hormon fördert die Östrogen- und Progesteronproduktion und damit sekundär das
Uteruswachstum (Gebärmutter). Da das Choriongonadotropin unmittelbar nach der Einnistung
des befruchteten Eis in ansteigenden Mengen gebildet wird, kann sein Auftauchen ein als
Indikator für eine Schwangerschaft dienen. Wegen seiner geringen Grösse wird es über den
Urin ausgeschieden.
Aufgabe 2.8
Erythropoietin, kurz EPO, stimuliert die Bildung von roten Blutkörperchen (Erythrocyten). EPO
wird in der Niere gebildet. Die Wirkungsmechanismus kann wie folgt beschrieben werden:
Eine gesteigerte körperliche Anstrengung führt zu erhöhtem Sauerstoffbedarf. Diesen versucht
der Körper durch vermehrte Atemtätigkeit zu decken. Bei Mangel von Erythrocyten genügt dies
jedoch nicht. Beim Gesunden reagiert die Niere darauf mit der Bildung des Hormons EPO.
Dieses gelangt über die Blutbahn ins rote Knochenmark, wo die Produktion von roten
Blutkörperchen angeregt wird, die dann ins Blut gelangen, welches nun mehr Sauerstoff
transportieren kann. Im Sport wird EPO als Ersatz eines Höhentrainings verwendet: In hohen
Lagen ist die Luft ärmer an Sauerstoff. Der Körper bildet also mehr Erythrocyten, um
genügend Sauerstoff aufnehmen und die Leistungsfähigkeit aufrecht erhalten zu können.
Zurück in tiefere Lagen bleibt die grössere Anzahl roter Blutkörperchen über mehrere Tage
erhalten, was die Ausdauerfähigkeit verbessert.
Bei ausdauernden Anstrengungen kann es durch Flüssigkeitsverlust zu einer Verdickung des
Blutes kommen. Wird zusätzlich EPO verwendet, so kann das Blut noch zähflüssiger werden
und der Athlet kann einen Gefässverschluss erleiden. Als schwerwiegende Folgen können
somit bei gesunden Personen überhöhter Blutdruck, Thrombosen und Embolien in Lunge und
Hirn im Extremfall mit Todesfolge eintreten. Verschiedene Todesfälle im Ausdauersport (z.B.
Rad oder Orientierungslauf) werden mit der Verwendung von EPO in Zusammenhang
gebracht. Eindeutige Beweise fehlen aber.
A6
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 2.9
Hämoglobin (Hb), ein tetrameres Eisenprotein, ist der rote Blutfarbstoff der Wirbeltiere, der in
den Erythrocyten (roten Blutkörperchen) des Blutes enthalten ist und 95% von deren
Trockenmasse ausmacht. Er wird während der Erythropoese genannten Entstehung dieser
Zellen in den Blutbildungszentren des Körpers (beim erwachsenen Menschen im
Knochenmark) synthetisiert. Der Hb-Gehalt der Erythrocyten ist im erwachsenen Organismus
eine Konstante, die auch im Tierreich weitgehend gültig ist: ca. 31 pg pro Zelle. Die auf das
Blut-Volumen bezogene Menge an Hb beträgt bei erwachsenen Frauen ca. 140 g/l Vollblut
gegenüber etwa 160 g/l beim Mann. Demnach stehen dem Körper bei 5–6 l Blut ca. 700–
900 g Hb zur Verfügung. Da Hb 0,334% Eisen enthält, sind ca. 3 g oder 70 % des
Gesamtkörper-Eisens darin gebunden. Wie unter 2.2 ausgeführt, wird durch EPO die
Produktion von Erythrocyten stimuliert und somit steigt auch der Eisenbedarf des Patienten
bzw. Sportlers.
1.6 Praktikum: Nachweis von hCG im Urin: Schwangerschaftstest
Aufgabe 3.1
Es müssen dieselben Bedingungen vorherrschen wie im Testfeld T bei einer hCG-positiven
Urinprobe; es muss hCG über einen Antikörper im Kontrollfeld C bereits gebunden vorliegen.
Aufgabe 3.2
Das C-Feld zeigt an, ob der Test, bzw. das Prozedere, korrekt ausgeführt wurden. Ein
Schwangerschaftstest kann nur dann als positiv gewertet werden, wenn beide Felder (T und
C) eine rote Bande anzeigen.
Aufgabe 3.3
C
T
C
TS
A7
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 3.4
Antikörper werden meist nur gegen gewisse kleine Regionen der Peptidkette gebildet. Da die
α-Ketten alle identisch sind muss eine Region auf der β-Kette gewählt werden. Dabei gibt es
grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder macht man Antikörper gegen die spezifische
Sequenz am 5’-Ende (1), oder man wählt eine Sequenz aus der Mitte der β-Kette (2), in welcher
sich alle vier Hormone unterscheiden:
α
β
hCG
2
1
α
β
LH
α
β
FSH
α
β
TSH
A8
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
2 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL II
2.1 Exkurs 1: Recycling oder auf den Müll? Die Niere
Aufgabe E1.1
1.
2.
3.
4.
Ultrafiltration im Glomerulus
Reabsorption
Sekretion
Ausscheidung in die Harnblase; Miktion
Aufgabe E1.2
Ort im Nephron
Stoff
Vorgang
Proximaler Tubulus
Na+-Ionen
aktive und passive Reabsorption
Proximaler Tubulus
Cl-Ionen
Diffusion, Reabsorption
Proximaler Tubulus
Wasser
Diffusion, Reabsorption
Proximaler Tubulus
Ammoniak (NH3)
Sekretion
Proximaler Tubulus
Glucose (C6H12O6)
Reabsorption
Absteigender Ast
Wasser
Diffusion, Reabsorption
Aufsteigender Ast
Na+-Ionen
passive Reabsorption (dünnes Segment)
bzw. aktive Reabsorption (dickes
Segment)
Aufsteigender Ast
K+-Ionen
aktive Reabsorption
Distaler Tubulus
K+-Ionen
aktive Sekretion
Distaler Tubulus
Na+-Ionen
aktive Reabsorption
Distaler Tubulus
Wasser
Diffusion, Reabsorption
Sammelrohr
Wasser
Diffusion, Reabsorption
A9
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe E1.3
Im proximalen Tubulus. System:
Lumen
interstitielle
des
Zellen
Tubulus
Blutseite
Cl H2O
+
+
Na
HCO3
H
Flüssigkeit;
Na
+
H
+
+
Na
K
+
HCO3
H2CO3
CO2
H2O
H2CO3
selektiver Transport
ATP-getriebener Transport
Diffusion
Aufgabe E1.4
Ammoniak reagiert im Innern des Nephrons mit den Protonen zu Ammoniumionen, die
aufgrund ihrer Ladung die Zellmembran nicht mehr passieren können und somit
ausgeschieden werden. Bei einer Alkalose reagieren alle Protonen mit dem
Hydrogencarbonation (vgl. Aufgabe E1.3), und diffundieren als CO2 und H2O wieder in die
Zelle.
NH3 + H → NH4
+
+
Aufgabe E1.5
Der Glomerulus, da dies die einzige Stelle ist, bei der Proteine in das Nephron eintreten
können. Da aber alle physiologisch aktiven Proteine ein grösseres Molekulargewicht als
50'000 u haben, können sie nur bei einer Schädigung des Glomerulus in das Nephron
eintreten.
Aufgabe E1.6
Die Henle-Schleife des Känguruhs ist relativ lang, diejenige des Bibers kürzer als beim
Menschen. Känguruhs leben in der Wüste und müssen dementsprechend sparsam mit ihrem
Wasser umgehen. Mit einer langen Henle-Schlefe können sie einen stärker konzentrierten Urin
herstellen. Je tiefer die Henle-Schleife in das Nierenmark eindringt, desto höher wird die
Osmolarität. Beim Biber, einem Wassertier ist es umgekehrt. Da diese Tiere dauernd die
Möglichkeit haben, Wasser zu trinken, brauchen sie nicht um ihren Wasserhaushalt besorgt
zu sein.
A10
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
2.2 Exkurs 2: Hormone bestimmen, wie oft wir auf die Toilette
rennen müssen
Aufgabe E2.1
Angiotensinogen, Angiotensin I, Angiotensin-Konversionsenzym (ACE), Renin, Angiotensin II,
Aldosteron
Ó
Angiotensin II:
Reabsorption von Natriumionen und Wasser.
Blutdruckregulation
Stimulus für Aldosteronausschüttung
Ó
Aldosteron:
Vermehrte Bildung der NaK-ATPase und der Natriumkanäle
Synthese einiger Enzyme des Citratcyklus
Aufgabe E2.2
RAAS:
Reiz:
Wirkung:
Vasopressin: Reiz:
Wirkung:
Absinken der Natriumionenkonzentration im Blut
Anstieg der Kaliumionenkonzentration im Blut
Abnahme der extrazellulären Flüssigkeit
Tiefer Blutdruck
Reabsorption von Natriumionen und Wasser
Zunahme der Serumosmolarität
Reabsorption Wasser
Aufgabe E2.3
A11
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Anstieg des Plasmavolumens
Abnahme der Plasmaosmolarität; Absinken
der Natriumkonzentration;
Ansteigen der Kaliumkonzentration
ANF
Vasopressin
Wasser- und
+
Na -Ausscheidung
Filtration im
Glomerulus
peripherer
Gefässwiderstand
Renin
Angiotensin II
Natriumverlust
Hemmt
Stimuliert
A12
Aldosteron
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe E2.4
Aldosteron wird bei einer Abnahme der Natriumionenkonzentration ausgeschüttet, und
bewirkt, dass Na+-Ionen in der Niere reabsorbiert werden. Die gleiche Funktion übt Aldosteron
auch im Darm und den Schweissdrüsen aus (eingetrockneter Schweiss hinterlässt auf der
Haut Kochsalzspuren).
Aufgabe E2.5
Der Hauptzweck liegt in der erhöhten Ausscheidung von Wasser.
a) Mehr Primärharn wird gebildet.
b) Die Na+-Ionenreabsorption wird gehemmt. Wasser bleibt aus osmotischen Gründen im
Nephron.
c) Das RAAS wird gehemmt.
d) Auf das RAAS wird an einer zweiten Stelle negativ eingewirkt.
e) Das zweite antidiuretische Hormon wird gehemmt.
Aufgabe E2.6
a)
b)
Na+-Ionen werden vermehrt reabsorbiert (Dies allein kann schon zu Übelkeit und
Erbrechen führen), womit auch Wasser vermehrt im Körper vorhanden ist. Dies kann zu
Ödemen führen.
Eine Ausscheidung von täglich bis zu 10 L verdünntem, geschmacklosem Harn ist
feststellbar.
Aufgabe E2.7
Vasopressin:
RAAS:
ANF:
Reagiert nicht, da die Osmolarität im Körper konstant bleibt.
Renin wird auf Grund des verringerten Volumens ausgeschüttet.
Ausschüttung kommt zum Erliegen, da das Volumen ab nimmt.
A13
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
2.3 Kapitel 1: Hilfe beim Wasserlösen: Diuretika
Aufgabe 1.1
Diuretika-Klasse
Angriffsort im Nephron
Strukturmerkmal
Osmotische Diuretika
Proximaler Tubulus
Polyalkohole
Carboanhydratase-Hemmer
Proximaler Tubulus
Aromatischer Ring
Sulfonamidgruppe
(-SO2NH2)
Thiazid-Diuretika
Distaler Tubulus
Wie Carboanhydratase-Hemmer
Zusätzlich –Cl in o-Stellung zur
Sulfonamidgruppe im Ring
Schleifen-Diuretika
Dicker Teil der HenleSchleife
Unterschiedlich;
Furosemid-Typ mit
Sulfonamidgruppe
Aldosteron-Antagonisten
Distaler und proximaler
Tubulus
Steroidstruktur
Cycloamidin-Derivate
Ende des distalen
Tubulus; Beginn des
Sammelrohrs
Xanthin-Derivate
Glomerulus
+ 1
&
1
1
1
&
1
1+
Xanthin
Aufgabe 1.2
Das RAAS wirkt vor allem auf den proximalen Tubulus, Triamteren hingegen auf den distalen
Tubulus und das Sammelrohr. Ist das RAAS aktiv, sinkt das Wasserangebot an den distalen
Tubulus stark ab. Triamteren kann seine Wirkung nicht mehr entfalten, da durch diesen Teil
des Nephrons nur noch wenig Wasser fliesst.
Aufgabe 1.3
Bei einer Monotherapie mit einem Schleifendiuretikum kann im distalen Tubulus eine
verstärkte kompensatorische Reabsorption auftreten.
Aufgabe 1.4
Durch das Ausscheiden von Hydrogencarbonationen stehen diese dem extrazellulären Raum
nicht mehr zur Verfügung. Dies kann zu einer Acidose führen.
Aufgabe 1.5
Aldosteron bewirkt, dass neue Proteine gebildet werden (Natriumkanäle, NaK-ATPase und
Enzyme des Citratcyklus). Ist kein Aldosteron mehr vorhanden, kommt die Biosynthese dieser
Proteine grösstenteils zum Erliegen. Die „alten“ Proteine können aber noch eine Zeit lang ihre
Funktion erfüllen.
Aufgabe 1.6
Die Weiterleitung der Reize in einem Neuron erfolgt durch unterschiedliche
Elektrolytkonzentrationen innerhalb und ausserhalb des Neurons. Durch die Anwendung von
Diuretika werden Elektrolyte ausgeschieden, und der Nerv kann die Signale nicht mehr richtig
zu den Muskeln leiten.
Aufgabe 1.7
A14
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Vor allem zur Gewichtsreduzierung bei Sportarten mit Gewichtsklassen bei denen ein tieferes
Startgewicht von Vorteil ist (Skispringen, Jockey, Hochsprung). Ferner werden sie zum
Ausschwemmen anderer Dopingsubstanzen aus dem Körper verwendet.
A15
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
2.4 Exkurs 3: Aua – das schmerzt
Aufgabe E3.1
Protonen:
Kaliumionen:
Acetylcholin:
Histamin:
Serotonin:
Kinine:
Prostaglandine:
Wenig potenter Schmerzstoff, da die Konzentration unter
10-3 mmol/L (10-3 mg/L) sinken muss
Werden bei einer Zellschädigung ausgeschüttet, und entfalten ihre
Wirkung bei einer Konzentration über 20 mmol/L (782 mg/L)
Ist sowohl Neurotransmitter als auch schwacher Schmerzstoff, und
verstärkt die Wirkung anderer Schmerzstoffe.
Ist sowohl Neurotransmitter als auch schwacher Schmerzstoff mit einer
Wirkungskonzentration von 9 • 10-8 mmol/L (10-5 mg/L)
Ist sowohl Neurotransmitter als auch Schmerzstoff mit der kleinsten
Wirkungskonzentration unter den Neurotransmittern
Peptide mit starker Schmerzwirkung
Sensibilisieren die Schmerzrezeptoren und sind für den Dauerschmerz
verantwortlich
Aufgabe E3.2
Reiz von Aussen
Rückenmark
Reflex
Weiterleitung an das
Hirn
Hemmung
Verarbeitung
Aktivierung des endogenen
schmerzhemmenden Systems
Ausschüttung von
Endorphinen
Aufgabe E3.3
Schmerz ist eine Reaktion zur Verhinderung einer Verletzung, und veranlasst uns, den
betroffenen Körperteil zu schonen, damit die Heilung unterstützt wird.
Aufgabe E3.4
Die absteigenden Bahnen können durch eine schmerzhafte Stimulation aktiviert werden, so
dass es am Schluss zu einer Freisetzung von Endorphinen führt.
A16
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe E3.5
KHPPHQGHV,QWHUQHXURQ
5FNHQPDUN
6WUHFNHUHUVFKODIIW
6FKPHU]
%HXJHUNRQWUDKLHUW
JUDXH6XEVWDQ]
ZHLVVH6XEVWDQ]
DNWLYLHUHQGHV,QWHUQHXURQ
6LJQDO]XP+LUQ
6FKPHU]KHPPHQGHV6LJQDO
Aufgabe E3.6
Die Störung der Myelinisierung bewirkt eine verminderte Leitungsgeschwindigkeit der
Nervenimpulse. Dies äussert sich im ersten bis dritten Lebensjahrzehnt in zunehmender
symmetrischer Muskelschwäche und Gewebeschwund.
A17
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
2.5 Kapitel 2: Wie Schmerzen mit einem Lächeln weggesteckt
werden können - Analgetika
Aufgabe 2.1
Dihydrocodein hat eine Doppelbindung weniger, hat also zwei Wasserstoff angelagert.
Aufgabe 2.2
Morphin-Derivate:
Pethidin- und Methadon-Gruppe:
Morphin mit seinem Fünf-Ringe-System
Pethidingruppe nur ein Wirkstoff auf dem Markt.
Methadongruppe: zwei Benzolringe über ein C
verknüpft.
Fentanyl-Gruppe:
2
&
& + 1
1
5
Partielle Opiat-Agonisten:
&
+
&
+
5
Unterschiedliche Strukturen
Aufgabe 2.3
Opioide Analgetika besetzen die Rezeptoren der Endorphine, die nicht-opioiden Analgetika
haben unterschiedliche Angriffspunkte, obschon sie wahrscheinlich häufig die Cyclooxigenase
hemmen.
Aufgabe 2.4
Auswahl aus folgenden Punkten:
Ó
Herabsetzung des Schmerzempfindens.
Ó
Reduktion der geistigen Aktivität.
Ó
Beseitigung von Konflikt- und Angstgefühlen.
Ó
Erhöhung, z.T. aber auch eine Absenkung (je nach Patient) der Stimmungslage.
Ó
Hemmung des Atem- und Hustenzentrums.
Ó
Bei der erstmaligen Einnahme eine Stimulation des Brechzentrums. Später wird das
Brechzentrum gehemmt.
Ó
Verengung der Pupille.
Ó
Freisetzung von Vasopressin.
Ó
Toleranzentwicklung und Abhängigkeit.
Ó
Verzögerung der Magenentleerung.
Ó
Krampfartige Verstopfungen.
Ó
Kontraktion des Schliessmuskels im Bereich der Gallenwege.
Ó
Steigerung der Spannung der Harnblasenmuskulatur und des Blasenschliessmuskels.
Ó
Verringerung der Spannung der Blutgefässe.
Ó
Hautrötung und Juckreiz.
Aufgabe 2.5
Sie wird reduziert. Opiate besetzen die gleichen Rezeptoren wie die Endorphine und führen zu
Verstopfungen. Werden also die Opiatrezeptoren im Darm durch Endorphine oder durch
Opiate besetzt, wird die Aktivität des Gastrointestinaltraktes reduziert.
Aufgabe 2.6
Codein kommt vor allem als Hustenmittel zum Einsatz. Es muss im Körper zuerst zu Morphin
demethyliert werden, damit es als Schmerzmittel wirken kann. In der Zwischenzeit kann aber
eine beträchtliche Menge an Codein bereits zu Abbauprodukten metabolisiert worden sein,
bevor sie zu Morphin demethyliert werden. Acetylsalicylsäure, der Wirkstoff im Aspirin, hat
keine direkten Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem und kann deshalb nicht so
effektiv wirken, wie diejenigen Schmerzmittel, die direkt die Endorphinrezeptoren besetzen.
A18
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 2.7
Codein hat eine Wirkungsdauer von 4 – 5 Stunden, während die Halbwertszeit von Methadon
bei 15 bis 30 Stunden liegt. Methadon kann sich deshalb im Körper anreichern, während
Codein bereits ausgeschieden ist.
Aufgabe 2.8
Damit der Körper über den Urin entgiftet werden kann, muss die Substanz wasserlöslich sein.
Codein ist jedoch hydrophob. Erst durch das Anhängen eines Zuckers wird Codein hydrophil.
Aufgabe 2.9
Bei Schmerz erzeugenden Tätigkeiten kann der Körper diese Schmerzen durch körpereigene
Substanzen, den Endorphinen unterdrücken. Diese Endorphine besetzen alle Opiatrezeptoren
im Körper, was zu einem rauschähnlichen Zustand führen kann.
A19
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
2.6 Kapitel 3: Praktikumsanleitungen
Aufgabe 3.1
Die Kälte- bzw. Wärmerezeptoren haben sich an die veränderte Temperatur (10 °C bzw. 40 °C)
gewöhnt, und die Schmerzrezeptoren waren bei dieser Temperatur noch nicht aktiv. Beim
Wechsel in das 27 °C warme Wasser werden die Temperaturrezeptoren wieder aktiv, jedoch
auf unterschiedliche Weise: Eine Hand empfindet das Wasser warm, die andere kühl.
A20
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
3 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL III
3.1 Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem
Aufgabe E1.1:
Hormonrezeptoren haben eine grössere Affinität, da die Ligandenkonzentration viel kleiner ist
und diese Rezeptoren schon bei kleineren Konzentrationen reagieren müssen als die
Rezeptoren beim synaptischen Spalt.
Aufgabe E1.2:
Das Signal ist räumlich und zeitlich sehr genau. Es werden keine Nachbarzellen stimuliert.
Aufgabe E1.3:
Transport entgegen einem Konzentrationsgradienten; Kaliumionen wollen einen
Konzentrationsausgleich erreichen.
A21
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe E1.4
5XKHSRWHQWLDO
1D .
.
Kaliumionensickerkanal
geöffnet
$XVVFKQLWWHLQHV1HXURQV
Natriumionenkanal
geschlossen bzw.
geöffnet
+
Na
'HSRODULVDWLRQ
Kaliumionenkanal
geschlossen bzw.
geöffnet
1D .
1D .
+
+
Na /K -ATPase
.
$XVVFKQLWWHLQHV1HXURQV
5HSRODULVDWLRQ
1D .
.
+
$XVVFKQLWWHLQHV1HXURQV
K
Aufgabe E1.5
1D
+
_
+ +
_ _
P9
+
_
.
+ +
_ _
_ _
_
_
+
+
+
+
P9
Aktionspotential
A22
+ + + + +
_ _ _ _ _
P9
+ +
_ _
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe E1.6
Die Schwannschen Zellen wickeln ihre Zellmembran um die Axone. Eine Zellmembran besteht
vorwiegend aus Lipiden. Deshalb hat die Myelinscheide eine hohen Lipidanteil.
Aufgabe E1.7
Eine Depolarisation einer Membranregion bewirkt die Depolarisation der Nachbarregionen,
unabhängig von der Richtung. Falls die Nachbarregionen im Axon, die näher beim Axonhügel
sind, bereits depolarisiert waren, also der Natriumionenkanal schon geöffnet war, ist dies
kurz darauf nicht mehr möglich. Das Aktionspotential wird gezielt in nur eine Richtung
weitergeleitet.
Aufgabe E1.8
-
Motoneuron: Das Neuron endet an einem Muskel und bewirkt dessen Kontraktion.
-
Sensorisches Neuron: Nimmt einen Reiz (Schmerz, Licht, Druck, Schall usw.) von aussen
auf, und leitet diesen weiter.
-
Interneuron: Fungiert als Verbindung zwischen zwei anderen Neuronen. Es kann dabei
das nächste Neuron hemmen oder stimulieren.
Aufgabe E1.9
Ein Molekül, das intrazellulär auf ein Signal von aussen durch ein Transmembranprotein
gebildet wird und dieses Signal weitergibt.
Aufgabe E1.10
Stress ist ein psychisches Problem, und somit im ZNS lokalisiert. Die Verbindung zur
Peripherie erfolgt hauptsächlich durch das Nervensystem. Vor allem das durch den
Sympathikus und Parasympathikus gesteuerte vegetative Nervensystem unterliegt keiner
bewussten Kontrolle und kann so durch psychischen Stress gestört werden.
Aufgabe E1.11
Da die Aminosäure Tryptophan der Vorläufer von Serotonin ist, steht sie bei einer
Überproduktion von Serotonin den Proteinen nicht mehr zur Verfügung. Dies hat zur Folge,
dass die Proteinsynthese gestört ist (Proteinämie). Betroffen sind vor allem Zellen mit einer
hohen Umsatzrate wie die Darmzellen. Dies kann zu Durchfall führen.
Aufgabe E1.12
750 ml/min • 60 min/h • 24 h/Tag • 0.5mmol/l : 1000 ml/l = 540 mmol Glucose/Tag
540 mmol • 0.18 g/mmol = 97.2 g Glucose/Tag
0.54 mol Glucose • 36 mol ATP/mol Glucose = 19.44 mol ATP
25 % unserer empfohlenen Kohlenhydratzufuhr verbraucht ein Organ, das nur 2 % des
Körpergewichts ausmacht (in Industriestaaten sind es sogar einen Drittel bis 40 %)!
A23
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe E1.13
In jedem Neuron müssen die K/Na-ATPasen auch bei einem Ruhepotential in dauerndem
Betrieb sein. Diese Membranproteine verbrauchen also dauernd ATP.
Aufgabe E1.14
Die unzureichende Myelinisierung der Neuronen bewirkt eine abnehmende
Nervenleitgeschwindigkeit. Dies hat bei den Motoneuronen zur Folge, dass sie unzureichend
funktionieren, was wiederum zu einer Muskelschwäche in den Beinen und Armen führt.
Zusätzlich wird eine Abnahme der Grösse des Gewebes beobachtet.
Aufgabe E1.15
Steigerung:
Das Medikament muss den Acetylcholinrezeptor stimulieren können, d.h. es muss eine
ähnliche Struktur haben wie Acetylcholin;
Das Medikament hemmt die Acetylcholinesterase (Beispiel: das Nervengift Sarin).
Hemmung:
Der Rezeptor für Acetylcholin wird gehemmt, d.h. ein anderes Molekül geht in das aktive
Zentrum des Rezeptors, ohne eine Wirkung zu erzielen;
die Freisetzung von Acetylcholin wird gehemmt;
das Medikament verhindert die Aufnahme von Cholin in das Axon.
Aufgabe E1.16
Alle Symptome, die gegenteilig zur Acetylcholingabe sind:
•
Das Auge kann sich nicht mehr auf einen Gegenstand konzentrieren
(Akkomodationslähmung),
•
Pupillenerweiterung,
•
Doppeltsehen,
•
Herabhängendes Oberlid,
•
Sprachstörungen,
•
Schluckstörungen,
•
Muskelschwäche und Herzstillstand,
•
Atemnot und Atemlähmung,
•
Krämpfe.
A24
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe E1.17
Verabreichung von Acetylcholinantagonisten. Dopamin verabreichen (dabei muss beachtet
werden, dass Dopamin die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann. Es muss deshalb Dopa,
eine Vorläufersubstanz, die diese Schranke überwindet, gegeben werden).
3.2 Kapitel 1: Stimulantien
Aufgabe 1.1
Als Stimulans wirkt Cocain aufpeitschend, als Lokalanästheticum betäubend.
Aufgabe 1.2
a) Gemeinsames Element aller Moleküle
NH
b) Die beiden Hydroxygruppen am Benzolring.
c)
Adrenalin hat drei Hydroxygruppen im Molekül, welche Wasserstoffbrücken ausbilden
können. Im Amphetaminmolekül fehlen diese Gruppen, daher sind die
zwischenmolekularen Kräfte kleiner.
Aufgabe 1.3
NH2
O
NH
O
Amphetamin
Ecstasy
NH
Å Gemeinsam ist das Element:
Zwei Unterschiede bestehen zwischen den Molekülen:
Am Stickstoffatom sind im Amphetaminmolekül zwei Wasserstoffatome gebunden, im
Ecstasymolekül eine Methylgruppe und ein Wassersoffatom
Beim Ecstasy-Molekül findet man am Benzolring eine Methylendioxy-Gruppe -OCH2O-.
Aufgabe 1.4
Beide Moleküle weisen einen 6-Ring an einem 5-Ring auf, die Verteilung der Stickstoffatome in
den beiden Ringen ist identisch.
A25
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
3.3 Kapitel 2: Beta-Sympatholytica
Aufgabe 2.1
NH2
OH
Dieser Molekülteil ist in allen Betablockern und im Noradrenalinmolekül enthalten.
Aufgabe 2.2
Coffein bildet nadelförmige Kristalle. Häufig bilden sich Sterne aus mehreren Kristallnadeln,
welche vom gleichen Zentrum aus wachsen.
Aufgabe 2.3
Variante 1:
Verdrängung der Neurotransmitter aus den Vesikeln und Behinderung des Rücktransports ins
präsynaptische Neuron: Amphetamin (im Gehirn und im Sympathicus)
Variante 2:
Besetzung des Rezeptors ohne einen Reiz auszulösen: Betablocker (z. B. Propanolol)
(im Symphathicus)
Variante 3:
Auslösen des Reizes am Rezeptor des postsynaptischen Neurons: Beta-Sympathomimetica
(im Symphathicus)
Aufgabe 2.4
Die Pflanze ist nicht nährreich, sie unterdrückt bloss das Hungergefühl. Der Körper wird in
einen höheren Wachheitszustand versetzt, so dass die Indianer tagelang arbeiten können.
A26
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
4 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL IV
4.1 Kapitel 1: Alkohol
Aufgabe 1.1
*OXFRVH
Hefe anaerob
Leber
3\UXYDW
&2
(WKDQRO
3\UXYDW
(WKDQDO
/DFWDW
/DFWDW
Muskel anaerob
+&2
(WKDQRO
(WKDQDO
(VVLJVlXUH
$FHW\O&R$
&2
&LWUDWF\NOXV
(O
(O
&2
(O
2 +2
(OHNWURQHQWUDQVSRUWNHWWH
Leber aerob
Muskel und Hefe aerob
A27
+
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Hinweis:
- Es treten nicht nur Elektronen aus dem Citratcyklus in die Elektronentransportkette ein,
sondern auch aus der Glykolyse.
- Am Schluss der Elektronentransportkette werden 12 Wasser-Moleküle gebildet, obschon
in der Summengleichung nur 6 Wasser-Moleküle auftreten (C6H12O6 + 6 O2 → 6 CO2 + 6
H2O). Der Grund liegt darin, dass auch schon während der Glykolyse und im Citratcyklus
6 H2O verbraucht werden.
Aufgabe 1.2
Fettleber wegen a) Acetyl-CoA und NADH begünstigen Fettaufbau und
b) Acetaldehyd hemmt die Synthese von Apolipoproteinen, die Fett
wegtransportieren würden.
Acetaldehyd zerstört die Mitochondrien und das Zellskelett → Tod der Zellen und Bildung von
Bindegewebe.
Aufgabe 1.3
-
Leberzirrhose
Verminderung von Gerinnungsfaktoren
Gicht
Pankreatitis
Störung der Blutzuckerregulation
Erweiterung der Adern
Wenig rote Blutkörperchen aufgrund eines Folsäuremangels
Störung der Sexualhormone
Aufgabe 1.4
+
+
+
+
&
&
&
&
+
+
+
+
2
+
+
&
+
+
&
+
+
+
6
2
+
&
&
+
+
+
+
2
2
2
+
2
+
+
2
6
2
2
+
2
+
+
+
2
+
+
&
&
+
+
+
+
&
&
+
+
+
2
2
6
2
2
+
2
2
+
2
+
6
2
2
+
Aufgabe 1.5
Auf die GABAA- und Glutamat-Rezeptoren. Die durch Alkohol stimulierten GABA-Rezeptoren
wirken inhibitorisch auf das nächste Neuron. Auf die stimulierenden Glutamat-Rezeptoren
A28
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
hingegen wirkt Alkohol hemmend. Insgesamt ergibt sich so ein stark hemmender Effekt auf
das Gehirn, wie es auch bei Narkosemitteln der Fall ist.
Aufgabe 1.6
Getränk
20 g Alkohol
70 g Alkohol
Bier
4 dl
1.4 L
Wein
12/3 dl
55/6 dl
Schnaps
0.5 dl
1.75 dl
Aufgabe 1.7
Unruhe:
Das Gehirn kompensierte bei den GABA- und Glutamatrezeptoren die
Alkoholwirkung und ist bei einer Absetzung überstimuliert.
Halluzinationen: Dafür wird der für die Bewustseinswahrnehmung verantwortliche
Neurotransmitter Dopamin verantwortlich gemacht.
Kreislaufkollaps: Wird durch die unterschiedlichsten Wirkungen des Alkohols auf den Körper
verursacht (Bluthochdruck, giftige Stoffe, Neurotransmittersystem im
Gehirn).
Aufgabe 1.8
Erste Minuten: Alkohol wird über den Magen (zu einem sehr kleinen Teil auch schon über die
Mundschleimhäute) aufgenommen.
Danach erfolgt die Aufnahme des grössten Teils des Alkohols über den Darm.
Gleich zu Beginn beginnt aber auch schon der Abbau über die Leber.
Nach 40 Minuten: die gesamte Alkoholmenge ist über den Darm aufgenommen; der Abbau
wird jetzt auch im Gehirn sichtbar.
Aufgabe 1.9
Die Plastiktonne muss luftdicht abgeschlossen sein, da die Hefe sonst die Glucose aus den
Früchten vollständig zu CO2 und Wasser abbauen würde. So wird der weniger effiziente Weg
zum Ethanol und CO2 gewählt. Der Schlauch verhindert einen Überdruck im Gefäss durch das
entstehende CO2 (würde bei einer vollständigen Oxidation nicht passieren, da pro CO2-Molekül
auch ein O2-Molekül verbraucht wird). Der Schlauch muss im Wasser enden, da so
gewährleistet ist, dass keine Luft von aussen nach innen gelangt.
Aufgabe 1.10
Ethylenglykol (1,2-Ethandiol) unterscheidet sich vom Ethanol lediglich durch eine OH-Gruppe
und wird deshalb durch die gleichen Enzyme oxidiert wie Ethanol. Durch das Verabreichen
alkoholischer Getränke kann verhindert werden, dass die Oxalsäurekonzantration zu hoch
wird, da die Enzymsysteme nun zusätzlich auch mit dem Ethanol beschäftigt sind.
Aufgabe 1.11
Bei einer Abnahme der Gerinnungsfaktoren im Blut aufgrund einer Leberzirrhose würde die
Möglichkeit bestehen, dass eine Blutung nicht mehr gestillt werden könnte.
A29
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
4.2 Kapitel 2: Cannabis
Aufgabe 2.1
2+
*
*
2
Aufgabe 2.2
THC
Anandamid
phenolischer O O der Hydroxylgruppe vom Ethanolamin
Pyran-O
O der Amidgruppe
C3
C15
C5‘
C20
Aufgabe 2.3
-
-
Beeinflussung der Cytokine mit folgenden möglichen Auswirkungen (Dosisbeeinflusst):
Schockzustand
Katalepsie
Abtötung von Tumoren
Immunsuppression oder Stimulierung des Immunsystems
Erhöhte Verbrennung von Glucose
Beeinflussung gewisser Hirnregionen (Hypothalamus, Hypophyse, psychomotorisches
Zentrum) mit folgenden peripheren Auswirkungen:
Sexualhormonespiegel werden verändert
Analgetikum
Aufgabe 2.4
Früher verwendete man dazu die Destillation oder Vakuumdestillation. Bei Normaldruck
verdampfen die Cannabinoide etwa bei 250 °C. Dabei werden aber viele Stoffe auf Grund der
hohen Temperaturen verändert. Heute werden die Cannabinoide wegen ihres lipophilen
Charakters meist mit einem organischen Lösemittel mit tiefem Siedepunkt (Diethylether,
Chloroform, Hexan, Ethanol, Aceton) am Rückfluss extrahiert und anschliessend filtriert, damit
die Pflanzenteile zurück bleiben. Danach wird das Lösemittel verdampft.
Aufgabe 2.5
Nein, höchstens sehr kurz. Anandamid wird aktiv im Körper wieder abgebaut.
Aufgabe 2.6
Da die Basalganglien für die Motorik verantwortlich sind, werden motorische Funktionen
beeinflusst.
A30
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
4.3 Kapitel 3: Praktikumsanleitungen
Aufgabe 3.1
Bei einer Destillation lässt sich oft nicht die reine Substanz gewinnen, sondern nur ein
sogenanntes Azeotrop. Die Daten für das Azeotrop Ethanol-Wasser sind wie folgt:
1 atm:
H2O : Ethanol = 4.4 : 95.6
Siedepunkt: 78.2 °C
Dichte:
0.804 kg/L
95 mm Hg: H2O : Ethanol = 0.5 : 99.5
Siedepunkt: 33.4 °C
Dichte:
0.792 kg/L
A31
ANHANG B
Glossar
ANHANG B: Glossar
In diesem Teil werden einige im Text vorkommende Begriffe erklärt. Für Interessierte sind die
Erläuterungen jedoch absichtlich nicht zu knapp gehalten, so dass ein grösserer Zusammenhang
hergestellt werden kann. Nicht enthalten in diesem Glossar sind Begriffe, die bereits im Text
ausführlich erläutert werden.
Adrenalin: Hormon / Neurotransmitter. Wird in den Nebennieren gebildet.,
OH
NH
HO
OH
[C9H13NO3, M=183,2 g/mol].
Agonist: gr.: Teilnehmer an einem Wettkampf oder einem Streitgespräch. In der Medizin ein Stoff, der ein
bestimmtes Wirkungsspektrum hat.
Alkaloide: Bezeichnung für vorwiegend in Pflanzen auftretende basische Naturstoffe mit einem oder mehreren,
meist heterocyklisch eingebauten N-Atomen im Molekül, die häufig eine ausgeprägte pharmakologische
Wirkung haben. Ausser dem natürlichen Vorkommen der Alkaloide lässt sich kein allgemeines
Charakteristikum angeben, und es ist damit unmöglich, diese Stoffklasse eindeutig von chemisch ähnlichen
N-haltigen Substanzen (z.B. Aminen, Nukleosiden, Aminosäuren etc.) abzugrenzen. Mothes schlug 1950 die
folgende Definition vor: „Alkaloide sind klassische Pflanzenstoffe mit vorwiegend heterozyklisch
eingebautem basischem Amin-Stickstoff, die eine starke, meist sehr spezifische Wirkung auf verschiedene
Bezirke des Nervensystems besitzen.“ In der Einteilung der Alkaloide herrscht keine Einheitlichkeit.
Biochemie: Im Organismus spielt NAD(P) bei der Mehrzahl der unter Dehydrierung und Hydrierung
verlaufenden Prozesse die Rolle des Wasserstoff-Überträgers. Dabei wird NAD, das in vivo überwiegend in
der oxidierten Form vorliegt, im Katabolismus (z.B. Glykolyse) reduziert und speist schliesslich den
Wasserstoff in die Atmungskette ein. NADP, das mehr in der reduzierten Form vorliegt, wie sie z.B. bei der
Photosynthese gebildet wird, liefert die im Anabolismus benötigten Reduktionsäquivalente (z.B. bei
Fettsäure-Biosynthese).
allosterisch: an einer anderen Stelle
Alveole: Lungenbläschen
NH2
N
N
O
O
P
O CH2
N
N
O
O
AMP: Adenosinmonophosphat;
OH OH
.
NH2
Amphetamin: Stimulans (Aufputschmittel); [C9H13N; M = 135.20 g/mol]
; unter
Amphetaminen versteht man Derivate (Abkömmlinge) des Grundkörpers Amphetamin.
B1
ANHANG B
Glossar
Anabolismus: Aufbaustoffwechsel; Teilgebiet des Stoffwechsels, in dem die durch den Katabolismus
gelieferten Bausteine als Ausgangssubstanzen zur Synthese von Makromolekülen etc. verwendet werden.
Beispiel: Gluconeogenese. Gegenteil von Katabolismus.
Analgesie: Schmerzlosigkeit.
Analgetika: Schmerzmittel; von griech.: an = nicht, ohne; algedon = Schmerz.
Angina pectoris: Unterdurchblutung des Herzmuskels durch Krämpfe oder Verengung der Herzkranzgefässe.
Anorexie: Ablehnung der Nahrungsaufnahme
Antagonist: ein Gegner; in der Medizin ein Stoff, der eine Wirkung aufhebt.
Antiphlogistisch: entzündungshemmend; von griech.: Phlogiston = Feuer.
Antiport: Kanal, der einen Stoff im Austausch gegen einen anderen Stoff über die Zellmembran transportiert.
Antipyretisch: fiebersenkend.
Arteriosklerose: (griech.: skleros = hart). Bezeichnung für eine mit Verdickung und Verhärtung
einhergehende chronische Erkrankung der arteriellen Gefässwand. Die verbreitetste Form der
Arteriosklerose ist die Atherosklerose, welche die häufigste Todesursache in den westlichen
Industrienationen darstellt. Die Gefässwandveränderungen führen durch Lipideinlagerung,
Bindegewebsvermehrung und Verkalkung mit unregelmässiger Verteilung zur Wandinstabilität,
Gefässverengung und zur Ablagerung von Gerinnseln. Je nach bevorzugter Lokalisation sind
Durchblutungsstörungen im Gehirn (Schlaganfall), im Herzen (Herzinfarkt) und in den peripheren Arterien
(arterielle Verschlusskrankheit) die Folge. Theorien zur Entstehung der Arteriosklerose beinhalten die
chemische, mechanische oder immunologische Störung der Integrität der Gefässinnenwand, Störung der
Wachstumskontrolle von glatten Muskelzellen der Gefässwand und Beeinträchtigung des Abbaus gealterter
Zellbestandteile. Als ursächliche Bedingungen der Arteriosklerose-Entstehung gelten Faktoren, die häufig
mit der Arteriosklerose korreliert sind, die sogenannten Risikofaktoren. Nach diesem Konzept erhöhen
abgesehen von Alter und genetischen Faktoren vor allem Hyperlipidämie, Hypertension,
Zigarettenrauchen, erhöhter Blutzuckerspiegel und Diabetes mellitus, Fettsucht und physische Inaktivität
das Erkrankungsrisiko. Eine Behandlung der Arteriosklerose selbst ist nicht möglich, das Ziel ärztlicher
Bemühungen ist die Vorbeugung durch Verminderung der RisikofaktorenATPase: Protein, das für seine
Funktion Energie in Form von ATP braucht.
Arthritis: Gelenkentzündung
Asthma: Erkrankung der Bronchien. Bei einem Anfall verkrampfen sich die Bronchien, was zu Atemnot führt.
Beta-Blocker (β -Blocker): Im vegetativen Nervensystem wirkende Medikamente, welche
Nervositätssymptome vermindern. Strukturelement aller Beta-Blocker:
R
+
NH2
O
OH
Beta (β-) Sympathomimeticum: Bronchienerweiterndes Asthmamedikament.
B2
ANHANG B
Glossar
Blut-Hirn-Schranke: Umhüllung von Blutgefässen, welche den Übertritt von grossen und geladenen
Molekülen vom Blut ins Gehirn verhindert. Kleine unpolare Moleküle können durch die Blut-HirnSchranke diffundieren.
NH2
N
O
O
P
CH2
O
O
cAMP: cyclisches Adenosinmonophosphat (second messenger).
N
O
N
N
OH
Chromatin: Bezeichnung für das aus Zellkernen der Interphase (in der Mitose) gewinnbare, mit basischen
Farbstoffen anfärbbare fädige Material (daher Name von griech.: chroma = Farbe), das während der
Kernteilung in verdichteter Form als Chromosomen vorliegt. Es besteht qualitativ aus
Desoxyribonukleinsäuren (DNA), Proteinen, und zwar 5 verschiedenen Histonen sowie Nicht-HistonProteinen, zu denen z.B. spezifische Enzyme gehören, sowie geringen Anteilen an Ribonukleinsäuren, die
teils als Matrizen für die Protein-Biosynthese dienen, vermutlich aber auch regulatorische Funktionen
ausüben.
O
O
N
O
O
Cocain (Kokain): Stimulans
[C17H21NO4; M = 303.35 g/ mol].
O
H3C
O
Coffein (Koffein): Stimulans
CH3
N
N
N
CH3
N
[C8H10N4O2; M=194,19 g/mol].
Colitis ulcerosa: geschwürige Dickdarmentzündung
Coubertin, Pierre Baron de: *Paris 1.1.1863, ú Genf 2.9. 1937, französischer Historiker. Begründer der
modernen Olympischen Spiele (1896 Athen).
Cytokine: Mediatoren, d.h. Moleküle, die von Zellen des Immunsystems und z.T. auch von Gewebezellen
freigesetzt werden, relativ lokal auf andere Zellen wirken und relativ kurzlebig sind (Gewebshormone).
Dehydratation: chemisch: Abspaltung eines oder mehreren Wassermolekülen; pathophysiologisch:
Entwässerung.
Denaturierung: In der Biochemie versteht man unter Denaturierung allgemein eine durch chemische oder
physikalische Einwirkung hervorgerufene Strukturänderung (z.B. Gerinnung), durch welche die
biologischen Eigenschaften (z.B. enzymatische Wirkung oder Hormonwirkung) verloren gehen und die
Löslichkeit in Wasser stark verringert wird. Die Denaturierung entspricht dem Übergang von einem
hochgeordneten in einen ungeordneten Zustand (engl.: random coil). Bei der DNA versteht man unter
Denaturieren das Schmelzen bzw. Lösen der beiden komplementären Stränge.
B3
ANHANG B
Glossar
Derivat: Eine Verbindung welche sich in der Molekülstruktur nur wenig von einer andern unterscheidet.
Diabetes mellitus: Stoffwechselkrankheit. Der Abbau von Glucose wird nicht richtig gesteuert.
Differenzierung: In der Biologie Bezeichnung für die Tatsache, dass sich bei vielzelligen Lebewesen bei der
Entwicklung von der Eizelle zum ausgewachsenen Organismus die Zellen in unterschiedlicher Weise nach
Aussehen und Funktion verändern und damit den unterschiedlichen Aufgaben der Organe und Gewebe, die
sich aus ihnen zusammensetzen, gerecht werden. Dabei ändert sich im allgemeinen nicht der Genbestand
der Zellen, sondern es kommt zu einer differentiellen Regulierung der Genaktivität (Transkriptionsaktivität,
Genexpression), so dass auf dem Weg über Transkription und Protein-Biosynthese (Translation) für
verschiedene Zellen jeweils verschiedene Protein-Bestände realisiert werden.
Dilatation: Erweiterung.
Distal: weiter von der Körpermitte (bei Blutgefässen vom Herz) gelegen.
Diurese: Harnausscheidung.
Diuretika: Medikament, das die Harnausscheidung erhöht.
NH2
HO
Dopamin: Neurotransmitter im Gehirn
OH
[C8H11NO2; M=153,18 g/mol].
Doping: Doping ist die beabsichtigte oder unbeabsichtigte Verwendung von Wirkstoffen aus verbotenen
Substanzklassen und von verbotenen Methoden (Medizinischer Code des IOC). Die Dopingliste ist eine
offene Liste.
Dyskinesie: motorische Fehlfunktion.
Dysmenorrhoe: schmerzhafte Regelblutung
Ecstasy: Designerdroge, Entaktogen:
O
O
NH
[C11H15NO2; M=193,24 g/mol].
Elektrolythaushalt: Bezeichnung für den durch Aufnahme und Ausscheidung geregelten Bestand an
Elektrolyten (Säuren, Basen, Salze; also Verbindungen, die in wässriger Lösung zu Ionen reagieren), im
Organismus sowie dessen Regulation, die in einem Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt steht.
ELISA: Der Name dieses Verfahrens stammt aus dem englischen Enzyme Linked Immuno-Sorbent Assay. Es
handelt sich dabei um ein immunologisches Nachweisverfahren, welches auf der Reaktion des zu
bestimmenden Antigens (Ag) mit spezifischen Antikörpern (Ak) beruht. Der Vorteil solcher Immunoassays
besteht in der Einfachheit ihrer Durchführung und in der hohen Spezifität und Empfindlichkeit (die
Nachweisgrenze liegt im Pikomol-Bereich; 10-12 mol). Im Prinzip lassen sich mit Immunoassays sämtliche
Substanzen nachweisen, gegen die Antikörper erzeugt werden können. Das weit verbreitete ELISAB4
ANHANG B
Glossar
Verfahren vereint die hohe Spezifität der Immunreaktion mit der Empfindlichkeit einfacher,
spektrophotometrisch auswertbarer Enzymtests. Es handelt sich dabei um eine Festphasentechnik, bei
welcher das Antigen – entweder durch direkte Adsorption oder über einen weiteren Antikörper (sandwich
assay) an die feste Phase gebunden wird (heute meist in den Vertiefungen einer Mikrotiter-Platte). Nach
Behandlung (Inkubation) mit dem Immunreagenz, dessen Überschuss durch einfaches Spülen entfernt
werden kann, wird das Ag mittels einer Farbreaktion nachgewiesen. Alternativ können durch
entsprechende Abwandlung der Methode Antikörper-Konzentrationen bestimmt werden.
Embolie: Verlegung eines Gefässlumens; die Ablösung eines Thrombus im venösen System und seine
Verschleppung in ein entfernt gelegenes System, vor allem in die Lunge, führt zur Embolie.
Endogen: körpereigen; im Körper.
Endokrin/parakrin: Werden Hormone von den Drüsenzellen in die Blutbahn abgegeben und wirken sie
entfernt vom Bildungsort, spricht man von endokriner Sekretion bzw. endokriner (hormonaler) Wirkung im
engeren Sinn. Beeinflussen sie dagegen benachbarte Zellen, so wird von parakriner Sekretion bzw.
Wirkung gesprochen. Manche Hormone weisen sowohl endokrine wie parakrine Effekte auf.
Embolie: Verlegung eines Gefässlumens; die Ablösung eines Thrombus im venösen System und seine
Verschleppung in ein entfernt gelegenes System, vor allem in die Lunge, führt zur Embolie.
Endogene, paranoide Schizophrenie: Psychische Krankheit, welche nicht durch äussere Einflüsse
ausgelöst wurde (endogen). Äussert sich durch Angstzustände, oft in einer Form von Verfolgungswahn.
Entaktogen: Droge, welche „innere Berührungen hervorruft“.
OH
NH
Ephedrin: Bronchienerweiternder Stoff,
[C10H15NO, M=165,23 g/mol].
Epithel: oberste Zellschicht der Haut.
Erythrocyten: rote Blutkörperchen. Rotgefärbte, bei den Säugetieren und dem Menschen kernlose Zellen, die
den grössten Anteil der zellulären Elemente des Blutes ausmachen. Die Erythrocyten des Menschen sind
bikonkave Scheiben mit einem Durchmesser von ca. 7,4 mm und einer Dicke von ca. 2,5 mm. Durch diese
Form entsteht eine Gesamtoberfläche der zirkulierenden Erythrocyten von 3500 m2. Etwa 95 % des
Trockengewichtes der Erythrocyten bestehen aus Hämoglobin. Mit Hilfe der Eigenschaft des Hämoglobins,
Sauerstoff reversibel zu binden, versorgen die Erythrocyten über die Blutzirkulation die Gewebe mit
Sauerstoff. Die Konzentration der Erythrocyten im Blut beträgt 4,5 - 5,9 Millionen pro mL, abhängig von
Geschlecht, Alter und Sauerstoff-Bedarf.
Die Produktion der Erythrocyten (Erythropoese) findet im Knochenmark statt, wo sie durch Zellteilungen
und Reifungsvorgänge aus sogenannten Stammzellen über verschiedene Zwischenstufen hervorgehen.
Hierbei sind regulatorische Polypeptide wie das Erythropoietin als Wachstumsfaktoren beteiligt. Nach
Verlust des Kernes werden die Erythrocyten in die Zirkulation entlassen und verlieren bei der weiteren
Reifung Ribosomen und Mitochondrien und damit die Fähigkeiten zur Zellteilung, Protein-Synthese und
oxidativen Phosphorylierung. Der Energielieferant für die Erythrocyten ist im wesentlichen Glucose, die
zum grössten Teil über die Glykolyse zu Laktat abgebaut wird, wobei im Nebenweg 2,3-Diphosphoglycerat
entsteht. Dieses kann die Sauerstoff-Affinität des Hämoglobins verändern. Ein kleiner Teil der Glucose
wird über den Pentosephosphat-Weg metabolisiert. Das Tripeptid Glutathion, das in Erythrocyten in hoher
Konzentration vorliegt, schützt Enzyme, das Hämoglobin und die Zellmembran vor Oxidation.
B5
ANHANG B
Glossar
Die Membran der Erythrocyten besteht aus einer oberflächlichen Lipid-Doppelschicht sowie einem innen
angelagerten Membranskelett aus Protein-Elementen. An der äusseren Oberfläche der Erythrocyten sind
Glykolipide und Glykoproteine wie Blutgruppen-Antigene, Rezeptoren oder Transportproteine fixiert. Nach
einer mittleren Überlebenszeit von 120 Tagen werden die Erythrocyten durch Zellen des
retikuloendothelialen Systems in Milz, Leber und Knochenmark abgebaut. Dabei wird das aus dem
Hämoglobin freiwerdende Eisen in Form von Ferritin gespeichert, das Porphyrin-Gerüst zu den
Gallenfarbstoffen abgebaut und ausgeschieden, der Protein-Anteil in Aminosäuren gespalten und in den
Stoffwechsel eingeschleust.
Essentiell: Von lat.: essentia = Wesen abgeleitetes Adjektiv für „lebensnotwendig“. Als essentielle Stoffe
werden in der physiologischen Chemie solche Substanzen bezeichnet, die für einen Organismus
unentbehrlich sind, die er aber nicht selbst synthetisieren kann, so dass sie (oder wenigstens ihre
Vorstufen) ihm als Nahrungsbestandteile zugeführt werden müssen. Für den menschlichen Organismus
sind dies eine Reihe von Aminosäuren, bestimmte Fettsäuren, einige Spurenelemente und die meisten
Vitamine; letztere werden teilweise als prosthetische Gruppen von Enzymen beansprucht. – Im weiteren
Sinn nennt man in der Enzymologie solche Aminosäure-Reste und funktionellen Gruppen essentiell, die für
die Katalyse unverzichtbar sind.
Exogen: von aussen; nicht im Körper hergestellt.
Extrazellulär: ausserhalb der Zelle.
Fetus: Bezeichnung für die Frucht im Mutterleib nach Abschluss der Organogenese (Entwicklung der Organe),
d.h. im Anschluss an die Embryonalentwicklung bis zum Ende der Schwangerschaft.
Gallenflüssigkeit, Galle: Sekret der Leber, das beim Menschen und einigen Tieren in der Gallenblase
gesammelt wird und durch Wasserrückresorption eingedickt wird. Neben 75 – 99 % Wasser sind die
wichtigsten Bestandteile die Gallensäuren, welche die Fette im Speisebrei emulgieren und damit verdaubar
machen. Ausserdem enthält die Galle eine Reihe körpereigener und –fremder Substanzen, meist
Glukuronide wie Hormone (Steroidhormone, Insulin) und Medikamente, sowie einen geringen Anteil
Cholesterin.
Gallensteine: Konkremente (feste Masse, die durch Ausfällung vorher gelöster Stoffe in Hohlkörpern oder im
Gewebe gebildet wird) in der Gallenblase oder den Gallengängen. Die meisten Gallensteine (80%) sind
Cholesterinsteine oder bestehen aus einem Gemisch aus zum grössten Teil Cholesterin und CalciumSalzen, Gallensäuren, Gallenpigmenten, Fettsäuren und Phospholipiden. 20% der Gallensteine sind
Pigmentsteine und bestehen aus Calciumbilirubinat ohne grösseren Cholesterin-Anteil.
Die Entstehung von Gallensteinen wird durch Veränderungen in der Zusammensetzung der
Gallenflüssigkeit begünstigt. Ihre Grösse reicht vom feinen Gallengries bis zum einzelnen, die ganze
Gallenblase ausfüllenden Stein. Gallensteine können zu Entzündungen der Gallenblase und durch
Verschluss des abführenden Ganges zu Gallenstau und Koliken führen. Gallensteinleiden werden
chirurgisch durch Entfernung der Gallenblase oder medikamentös durch Auflösung behandelt. Zudem
bietet sich die Möglichkeit der Steinzertrümmerung von aussen.
Gastrointestinal: Magen und Darm betreffend.
Gelbkörper: Corpus luteum; Bildungsort der Gestagene. Der Gelbkörper entsteht nach der Ovulation (siehe
dort) in den Ovarien (Eierstöcken) aus dem gesprungenen Follikel (siehe MenstruationsyklusLernprogramm).
Genese: Entstehung.
B6
ANHANG B
Glossar
Genexpression: Im engeren Sinne die Synthese eines vollständigen, funktionellen Polypeptids oder Proteins
auf der Basis eines bestimmten DNA-Abschnitts, charakterisiert durch die Abfolge Transkription, die bei
Eukaryonten stattfindende Prozessierung des primären Transkripts (Exon, Spleissen) und Translation der
reifen mRNA zum Protein. – Im weiteren Sinne Bez. für die Ausprägung der genetischen Information zum
Phänotyp eines Organismus, wobei verschiedene Gene auf noch bisher unbekannte Weise bei
Entwicklungsprozessen zusammenwirken.
Glaukom: grüner Star; krankhafte Steigerung des Augeninnendrucks mit schädigender Einwirkung auf den
Sehnerv und die Netzhaut
Glia-Zellen: Bindegewebszellen im ZNS mit einer Stützfunktion
Glykoproteine: Aus glyk(o)... und Proteine zusammengesetzte Bezeichnung für eine grosse Gruppe im Tierund Pflanzenreich weit verbreiteter Verbindungen, die im selben Molekül Kohlenhydrate und Protein
enthalten. Die Zucker-Komponenten, die mit wenigen Ausnahmen weniger als 50% des GesamtGlykoproteins ausmachen, sind über (durch Glykosidasen spaltbare) O-, N- oder esterglykosidische
Bindungen mit dem Peptid-Anteil verknüpft. Sie beeinflussen die physiko-chemische Eigenschaften der
Gesamt-Moleküle, indem sie Konformations-Stabilität und Beständigkeit gegen Proteinase-Verdauung
(Proteolyse) sowie elektrische Ladung und Wasserbindungs-Kapazität erhöhen.
Gonaden: hier: Sammelbegriff für Geschlechtsdrüsen (Keimdrüsen); Eierstöcke (Ovarien) und Hoden (Testes).
Halluzinationen: Trugwahrnehmungen, die ohne reale Ursachen und Mitwirkung der Sinnesorgane zustande
kommen.
HDL (High Density Lipoprotein): siehe Lipoproteine.
Hippies: (von engl. hip = auf dem laufenden) Blumenkinder.
Hormone: (von griech.: horman = anregen). Sammelbezeichnung für eine uneinheitliche Gruppe
biochemischer Substanzen, die im Organismus synthetisiert werden und an verschiedene Organe, Gewebe
oder Zellgruppen, die vom Bildungsort mehr oder weniger entfernt liegen können, Signale oder Botschaften
übermitteln und so auf deren Funktion bestimmte physiologische Wirkungen ausüben.
Hydrolyse, hydrolytisch: (von Hydro... und ...lyse). Unter Hydrolyse versteht man eine chemische Reaktion,
bei der eine Verbindung durch Einwirkung von Wasser gespalten wird, gemäss der formalen Gleichung:
AB + HOH D AH + BOH
Hydrophil: (von Hydro... und ...phil, wörtlich: Wasser-liebend). Der hydrophile Charakter einer Substanz wird
durch ihre Tendenz bestimmt, in Wasser einzudringen und darin zu verbleiben. Synonym: lipophob,
Gegensatz: hydrophob, lipohil oder apolar.
Hydrophob: (von Hydro... und ...phob, wörtlich: Wasser-abstossend). Der hydrophobe Charakter einer
Substanz wird durch ihre Tendenz bestimmt, nicht in Wasser einzudringen und darin zu verbleiben.
Synonym: lipophil, Gegensatz: hydrophil, lipophob oder polar.
Hyper-, hyper-: gr.: Über-, über-.
Hyperkinetisches Syndrom: „Zappelphilipp-Syndrom“, vermutlich eine Stoffwechselstörung, tritt v.a. bei
Kindern und Jugendlichen auf.
B7
ANHANG B
Glossar
Hyperkaliämie: Zu viel Kaliumionen im Körper.
Hypo-, hypo-: gr.: Unter-, unter-.
Hypoglykämie: Unterzuckerung (Glucose-Konzentration im Blut zu tief).
Hypophyse: (Hirnanhangsdrüse). Kleines, 0,6 g schweres Hormon-bildendes Organ von 6 mm Durchmesser
am Boden des Zwischenhirns (vgl. die Abb. 1). Die Hormonausschüttung der Hypophyse wird durch den
Hypothalamus, also das Zentralnervensystem, reguliert.
Hypothalamus: Entwicklungsgeschichtlich alter Gehirnteil, der von der grauen Hirnsubstanz im unteren Teil
des Zwischenhirnes (vgl. Abb. 1) gebildet wird. Der Hypothalamus ist ein wichtiges Integrations- und
Steuerungszentrum, das Zuflüsse aus vielen Systemen erhält. Er wirkt über Bahnen zum Hirnstamm und
über das Hypothalamus-Hypophysen-System auf das vegetative Nervensystem und das Hormonsystem ein.
So steuert der Hypothalamus z.B. die Regulation von Körpertemperatur, Durst und Hunger, Schlaf,
Hormonsekretion sowie von sexuellen Reifungsvorgängen. Seinen Einfluss übt er zum einen durch direkten
Kontakt seiner Neurone (Nervenzellen) mit untergeordneten Zentren, zum anderen durch die Freisetzung
von Hormonen über die Hypophyse aus. Die Ausschüttung von Hormonen der Hypophyse, die die
endokrinen Drüsen des Körpers beeinflussen, unterliegt der Kontrolle durch Hormone des Hypothalamus,
die je nach Wirkungsweise als Releasing- oder Inhibiting-Hormone (Freisetzungs- oder Hemm-Hormone)
bezeichnet werden. Ein negatives Rückkoppelungssystem zwischen Hypothalamus, Hypophyse und
endokrinen Drüsen bewirkt einen stabilen Hormonhaushalt und. wird von höheren zentralnervösen
Strukturen an akute Bedürfnisse des Organismus angepasst. Elektrische Reizung bestimmter Areale im
Hypothalamus löst bei Tieren Verhaltensweisen wie Abwehr- und Fluchtreaktionen, Nahrungsaufnahme
oder Sexualverhalten mit ihren motorischen, vegetativen und hormonalen Komponenten aus.
Ice: Designerdroge. Kristallisiertes Metamphetamin.
Inhalator: Asthmaspray.
Interstitium; interstitiell: bezeichnet den Raum zwischen den Zellen, also alles ausser Zellinneres und
Blutbahn.
Intestinaltrakt: intestinalis; zum Darmkanal gehörend.
Ischämie: Blutleere von Organen bzw. Organteilen infolge mangelnder Blutzufuhr.
Isoelektrische Fokussierung: (IEF, Elektrofokussierung). Von lat.: focus = Brennpunkt, Schnittpunkt
abgeleitete Bezeichnung für eine Trennmethode der Elektrophorese, bei der amphotere, geladene Teilchen
(z.B. Proteine, Peptide) im elektrischen Feld durch einen pH-Gradienten bis zu dem pH-Wert wandern, an
dem ihre Nettoladung null ist; dieser pH-Wert wird Isoelektrischer Punkt genannt. Dieses Trennprinzip
beruht also auf der pH-Abhängigkeit der Ladungseigenschaften von amphoteren, geladenen Teilchen. So
enthalten z.B. Proteine Carboxy-Seitengruppen, die bei niedrigem pH-Wert als -COOH-Gruppen
ungeladen und bei hohem pH-Wert als -COO¯ -Gruppen geladen sind; umgekehrt sind z.B. die AminoSeitengruppen bei niedrigem pH-Wert als -NH3+-Gruppen geladen und bei hohem pH-Wert als -NH2Gruppen ungeladen. Die Nettoladung eines Proteins resultiert aus der Summe aller Ladungen der
Seitengruppen. Der pH-Wert, bei dem sich positive und negative Ladungen kompensieren, wird
Isoelektrischer Punkt genannt; er ist für jedes Protein eine physiko-chemische Konstante.
Kachexie: Kräfteverfall, Auszehrung.
B8
ANHANG B
Glossar
Katabolismus: Gesamtheit derjenigen Reaktionen des Stoffwechsels (des Metabolismus), bei denen durch
biologischen Abbau höhermolekulare Substanzen unter Energiegewinn in niedermolekulare Grundstoffe
umgewandelt werden. Beisp.: Glykolyse. Gegenteil von Anabolismus.
Katalepsie: anhaltendes Verharren in einer bestimmten – evtl. sogar unbequemen – Körperhaltung unter
Erhöhung der Muskelspannung („Muskeltonus“).
Kreatinin: Kreatinin bildet sich aus Kreatin, einem Muskel-Stoffwechselprodukt (Kreatinphosphat: kurzzeitige
Energiespeicherform).
LDL (Low Density Lipoprotein): siehe Lipoproteine.
Libido: (lat.: Lust). In der psychoanalytischen Triebtheorie (Freud) entwickelter Grundbegriff für die jede
Triebmanifestation begleitende psychische Energie; hierbei ist neben dem Sexualbetrieb der
Aggressionstrieb beteiligt.
Limbisches System: Im Innern des Gehirns liegende Strukturen. Wichtig für die Steuerung vegetativnervöser und hormoneller Vorgänge, für Affekte, Gedächtnis und angeborene Triebe.
Lipide: (von griech.: lipos = Speck). Sammelbezeichnung für strukturell sehr unterschiedliche, in allen Zellen
vorkommende Stoffe mit übereinstimmenden Lösungseigenschaften: Lipide sind im allgemeinen in Wasser
unlöslich, amphiphile Lipide können jedoch Kolloide, Micellen oder flüssig-kristalline Phasen bilden; mit
wenig polaren organischen Lösungsmittel wie Benzol, Ether oder Chloroform sind sie aus tierischem oder
pflanzlichem Gewebe extrahierbar. Zu den Lipiden gehören die eigentlichen Fette und die fettähnlichen
Stoffe. Man unterscheidet:
1. Einfache Lipide: Kohlenwasserstoffe (z.B. Carotinoide), Alkohole (z.B. Retinol oder Cholesterin),
Ether, Carbonsäuren (Fettsäuren), Ester (z.B. Neutralfette – d.h. Mono-, Di- und Triacylglycerine
oder Wachse) und Amide (Ceramide)
2. Komplexe Lipide („Organfette“ mit mehr als 2 Hydrolyseprodukte): Sieht man von den
höhermolekularen Konjugaten wie den Lipoproteinen und Lipopolysacchariden ab, so verbleiben
die Glykolipide und Phospholipide
Physiologie: Die komplexen Lipide sind ebenso wie die oben genannten einfachen Lipide in ihren
Eigenschaften, Vorkommen und physiologischen Wirkungen äusserst vielfältig. Stichworte sind etwa
Membranen, Blutfette (Entstehung von Arteriosklerose) oder Lipoproteine.
Ein übersichtliche Zusammenstellung der Arten, Eigenschaften und Funktionen von Lipiden findet man im
Artikel von Löffler, G. (1997) Lipide in: Löffler, G. (1997) Biochemie und Pathobiochemie , SpringerVerlag zu finden.
B9
ANHANG B
Glossar
Lipoproteine: Sammelbezeichnung für Konjugate aus Lipiden und Proteinen. Die Lipoproteine sind nicht nur
am Aufbau zellulärer Membranen grundlegend beteiligt, sondern bewirken auch in Plasma und Serum den
Transport der wasserunlöslichen Lipide im Blut (Lipidanteile zwischen 50 und nahezu 99%). Im
Dichtegradienten einer Ultrazentrifuge lassen sich die Serum-Lipoproteine in 4 Dichteklassen auftrennen:
Chylomikronen, VLDL (very low-density lipoproteins), LDL (low-density lipoproteins), HDL (high-density
lipoproteins). Auf diese Lipoproteine verteilen sich die wichtigsten Lipide (Triglyceride, Cholesterin und
Phospholipide) in charakteristischer Weise (siehe Tabelle):
Zusammensetzung [%]
Dichte [g/mL]
GesamtLipide
Triglyceride
Cholesterin
Phospholipide
Chylomikronen
0.95
99
89
6
4
VLDL
0.95 – 1.006
90
60
12
18
LDL
1.006 – 1.063
75
10
50
15
LDL
1.063 – 1.210
50
5
20
25
Tabelle:
Lipidzusammensetzung der Lipoprotein-Dichteklassen.
Die Protein-Anteile der Lipoproteine, die sogenannten Apolipoproteine, werden kurz „Apo“ geschrieben
und mit den Grossbuchstaben A–G bezeichnet. Chylomikronen treten nur vorübergehend während der
Verdauung der Fette – auf. Wird besonders fettreiche Nahrung verdaut, so kann es durch sie zu einer
Trübung des Blutplasmas kommen (Lipidämie). Die VLDL entstehen in der Leber. Im Blut wirkt auf sie eine
Lipoprotein-Lipase, so dass sie an Triglyceriden verarmen und zu den Cholesterin-reichen LDL werden.
Störungen des Lipoprotein-Stoffwechsels, die sich durch überhöhte Blutfett-Werte (Hyperlipidämien) zu
erkennen geben, können verschiedene Ursachen haben . Die Bestimmung der verschiedenen Lipoproteine
hat diagnostische Bedeutung für die Erkennung der spezifischen Störung. Da die LDL besonders reich an
Cholesterin sind, wird ihr erhöhtes Auftreten für die Entstehung von Arteriosklerose und Herzinfarkt
verantwortlich gemacht.
Locus coeruleus: Kleine Stelle im Hirnstamm. Ursprung der noradrenergen Neuronen.
LSD: Lysergsäurediethylamid. Droge.
Lumen: Hohlraum, Innenraum.
Medikation: Behandlung mit Medikamenten.
Menstruation: monatliche Regelblutung, Periode. Mit Blutung einhergehende Abstossung der
Gebärmutterschleimhaut während der Geschlechtsreife. Eine echte Menstruation liegt nur dann vor, wenn
im vorangegangenen Zyklus ein Gelbkörper (Corpus luteum) gebildet wurde, also eine Ovulation stattfand.
Metabolite: Nicht eindeutig definierter Begriff, mit dem man entweder die aus dem Stoffwechsel
(Metabolismus) resultierenden oder die im Stoffwechsel umgesetzten Produkte meint. Endogene Metabolite
werden durch den Organismus selbst synthetisiert (z.B. Hormone) und z.B. im Falle von Mikroorganismen
auch industriell genutzt (Antibiotika), exogene Metabolite werden durch den einen Organismus erzeugt und
B10
ANHANG B
Glossar
durch einen anderen aus der Umwelt aufgenommen (z.B. Vitamine). Arzneimittel, Gifte und dergleichen
(Xenobiotika) werden meist zu Konjugaten metabolisiert und ausgeschieden.
NH
Methamphetamin: Stimulans,
[C10H15N; M = 149,23 g/mol].
Methylxanthin: (s. Xanthin).
MDMA: (s. Ecstasy).
Mineralstoffe: Sammelbezeichnung für die mineralischen Bestandteile der pflanzlichen und tierischen
Organismen (beim Menschen ca. 3.5 kg). Man unterscheidet sogenannte Mikroelemente mit
Spurenelement-Charakter, die hauptsächlich katalytische Funktionen ausüben (F, Br, I, Fe, Cu, Mn, Co.
Zn, Mo, V, Se), und die mengenmässig weit überwiegenden Makroelemente, die als Baustoffe (bei Tieren
für das Skelett) unentbehrlich sind (Ca, Na, K, P, S, Mg, Cl). Bisher wurden 24 chemische Elemente als
essentielle (lebensnotwendige) Wirkstoffe für den menschlichen Organismus erkannt. Die Mineralstoffe
werden mit den Nährstoffen in den Organismus aufgenommen. Sie werden zu einem grossen Teil durch die
natürlichen Ausscheidungen (Kot, Harn, Schweiss) oder bei vielen Pflanzen durch den herbstlichen
Blattfall und Welkprozess wieder abgegeben und müssen daher ergänzt werden. Auf der Annahme, dass
Krankheiten die Folge eines gestörten Mineralstoffwechsels seien, beruhte ein von dem oldenburgischen
Arzt Schüssler (1821–1898) begründetes Heilverfahren, bei dem 12 anorg. Verb. (CaF2, CaSO4, KCl,
K2SO4, NaCl, Na2SO4, Ca-, Mg-, K-, Na- und Fe-Phosphat, Kieselsäure) in homöopathischen Verreibung
mit Laktose, meist in der 6. Potenz, zur Anwendung kamen. Den Ausgleich des Mineralhaushalts bei mehr
oder weniger künstlichen Ernährungsbedingungen muss der Mensch durch entsprechende
Essgewohnheiten, ggf. auch diätetische Lebensmittel, Elektrolyt- und Mineralstoff-Infusionen und andere
Mineralstoff-Zusätze erreichen.
Mitochondrium, mitochondrial: Mitochondrien sind formvariable, ca. 0,5–1 mm breite und 1–5 mm lange,
im Mikroskop direkt oder nach Färbung sichtbare Einschlüsse im Zytoplasma der Zellen von
eukaryontischen Einzellern, Pflanzen und Tieren. Die Zahl der Mitochondrien variiert von wenigen
Einzelexemplaren bis zu mehreren 100’000 pro Zelle, je nach Art der Zelle und des Organismus. Bei den
Mitochondrien handelt es sich um Zellorganellen, deren Hülle von 2 Membranen gebildet wird, von denen
die innere mit Lamellen, seltener auch Röhrchen in den Innenraum vorspringt. Diese Einstülpungen
(Cristae) entsprechen in Funktion und Bau in etwa den Thylakoiden der Chloroplasten. Wichtige
Bestandteile sind die auf der Innenmembran lokalisierten Enzyme der Atmungskette sowie der oxidativen
Phosphorylierung (ATP-Synthase). Für den chemiosmotischen Mechanismus dieser Reaktion (Mitchell,
1979, Chemie-Nobelpreis) ist die innere Mitochondrien-Membran von ganz entscheidender Bedeutung. Die
in der Atmungskette gewonnene Energie wird zum Transport von Wasserstoff-Ionen (Protonen) von der
Matrix in den Intermembranraum verwendet; beim „Zurückfliessen“ treibt die protonenmotorische Kraft
die ATP-Synthase an. Die Mitochondrien sind somit die Orte der energieliefernden Zell-Atmung; man hat
sie daher auch die „Kraftwerke der Zelle“ genannt.
Mucoide, Mukoide: Mukoide sind Bestandteile der Körperschleime. Sie haben meist eine sehr hohe
Molekülmasse, bedingt durch eine lange Polypeptidkette und sehr zahlreiche kurze Oligosaccharidketten.
B11
ANHANG B
Glossar
NAD(P)+/NAD(P)H {NAD(P)H}: Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid(-Phosphat). Gemeinsame Bezeichnung für
die oxidierte und die reduzierte Form eines aus Adenin, (1,4-Dihydro-)Nicotin(säure)amid, β-DRibofuranose und Diphosphorsäure zusammengesetzten Coenzyms, das in vielen enzymatischen
Redoxreaktionen als Wasserstoff-Überträger dient. Von der IUPAC/IUB werden die Abk. NAD+ (für die
oxidierte Form), NADH (reduziert) vorgeschlagen (Abb. 2).
NaK-ATPase: Membranprotein, das Natrium- gegen Kaliumionen unter Verbrauch von ATP austauscht.
Narkolepsie: Krankhaeit, spontanes Einschlafen.
Narkotika: Rausch-, Betäubungsmittel.
Nausea: Übelkeit.
Nebennieren(rinde): Glandula suprarenalis; paarige, endokrine Drüse, liegt von Fett umgeben am oberen
Pol der Niere (Gewicht: ca. 8- 10 g). Sie besteht aus einer gelblich braunen Rinde und rotbraunem Mark.
Die Nebennierenrinde produziert über 40 verschiedene Steroide, welche nach ihrer Funktion in drei
verschieden Gruppen unterteilt werden: Mineralkortikoide (z.B. Aldosteron), Glukokortikoide (z.B.
Cortisol) und Sexualhormone (z.B. Androgene). Im Mark werden u.a. die Hormone (bzw. Neurotransmitter)
Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin synthetisiert.
Nephron: Sammelröhre der Niere.
Neuralgie, neuralgischer Schmerz: tritt bei anhaltender Reizung von Schmerzrezeptoren oder der
Hinterwurzel des Rückenmarks auf
Neuron: Nervenzelle.
Neuropathie: Nervenleiden
Neurosteroide: In Neuronen gebildete oder an Neuronen wirkende Steroide
Neurotransmitter: Botenstoff, welcher in Nervenendigungen gespeichert wird und bei Erregung des Neurons
durch den synaptischen Spalt diffundiert und durch Anlagerung an Rezeptoren eine Erregung des
benachbarten Neurons auslöst.
Noradrenalin: Neurotransmitter im Gehirn und im Sympathicus,
OH
NH2
HO
OH
[C8H11NO3; M=169,18 g/mol].
Noradrenerge Bahnen: Neuronen im Gehirn, in denen Noradrenalin als Neurotransmitter wirkt.
Ödem: krankhafte Flüssigkeitsansammlung im Interstitium oder in den Zellen des Gewebes.
B12
ANHANG B
Glossar
Osmolarität: gesamte Konzentration der in einer Flüssigkeit pro Liter gelösten Teilchen (Moleküle und Ionen);
1 osm/L bedeutet 1 mol Teilchen pro Liter Flüssigkeit.
Ovar: lat.: ovarium; Eierstock; weibliche Keimdrüse (pflaumengrosses Organ) mit der Funktion der Produktion
von befruchtungsfähigen Eiern (Follikelreifung, Follikelsprung etc.) sowie der Hormonbildung (Östrogene,
Gestagene (Progesteron).
Ovulation: die bei der geschlechtsreifen Frau mit einem 28-tägigen Menstruationszyklus normalerweise ca. am
15. Tag nach Einsetzen der Menstruation erfolgende Ausstossung einer reifen Eizelle aus dem Follikel des
Eierstocks (Ovariums) nach Follikelsprung.
Parasympathicus: Gegenteil des Sympathikus. Im vegetativen Nervensystem alle Funktionen, die die
Fähigkeit zur Arbeitsleistung und zur Auseinandersetzung mit der Umwelt vermindern. Dafür nimmt die
Tätigkeit der Verdauungsdrüsen und der Darmmuskulatur zu, die Kreislaufleistung und die Atmung
nehmen ab (Nacht).
Peptide: (von griech.: peptos = verdaulich). Bezeichnung für durch Peptid-Bindungen (Abb.) Säureamidartig
verknüpfte Kondensationsprodukte von Aminosäuren. Bauen sich die Moleküle aus 2 Aminosäure-Resten
auf, so spricht man von Dipeptiden, bei 3 und mehr von Tri-, Tetra-, Pentapeptiden etc.; Peptide mit 2–10
Aminosäure-Resten fasst man als Oligopeptide, solche mit 10–100 als Polypeptide zusammen, doch ist der
Übergang von den letzteren zu den makromolekularen Proteinen (Eiweisstoffen) fliessend.
H2N
R1
O
CH
C
NH
R2
O
CH
C
Abbildung: Allgemeine Lewisformel der Peptide.
Phänotyp: In der Genetik Bezeichnung für die äussere Erscheinungsform (morphologische Strukturen und
physiologische Leistungen) eines Organismus, wie sie durch Wechselwirkungen zwischen seiner
genetischen Ausstattung (Genotyp) und Umwelteinflüssen entsteht. Variationen im Phänotypen können
nicht vererbt werden. In der Mikrobiologie wird die Bezeichnung Phänotyp bei einzelligen Organismen
auch auf die Eigenschaften einer Population, eines Stammes oder einer reinen Linie bezogen.
Phosphodiesterase: Enzym, welches Phosphorsäure(di-)ester spaltet.
Plasma: Vom griech.: plasma = Gebildetes, Geformtes abgeleitete Bezeichnung unterschiedlicher Bedeutung.
Hier bedeutet es eine Kurzbezeichnung für das Blutplasma; die von geformten Bestandteilen freie, flüssige
und gerinnbare Grundsubstanz des Blutes, aus der man nach Abtrennen der gerinnbaren Bestandteile das
Serum erhält.
Plazenta: Organ innerhalb der Gebärmutter von höheren Säugetieren, das während der Schwangerschaft aus
mütterlichen und fetalen Anteilen gebildet wird und der Versorgung des Fetus dient. Nach der Geburt wird
die Plazenta ausgestossen (Nachgeburt). Beim Menschen ist die Plazenta am Ende der Schwangerschaft
scheibenförmig mit einem Durchmesser von 15–20 cm und etwa 500 g schwer.
Polyphenole: Phenol mit weiteren angehängten aromatischen Ringen, die z.T. auch noch Hydroxygruppen
enthalten können
Postsynaptisch: Nach dem synaptischen Spalt.
B13
ANHANG B
Glossar
Präsynaptisch: Vor dem synaptischen Spalt.
Prostata: (Vorsteherdrüse, griech.: prostates = Vorsteher). Kastaniengrosse Drüse, die den Anfangsteil der
männlichen Harnröhre umgibt. Das alkalische Prostatasekret wird bei der Ejakulation dem Samen
beigemischt und erhöht die Beweglichkeit der Spermien.
Proximal: der (Körper-)Mitte zu gelegen.
Psychose: Psychische Krankheit.
Pumpe: Kanalsystem in der Zellmembran, welches unter Energieaufwand Substanzen durch die Zellmembran
transportiert.
Rekombinant: Generelle Bezeichnung für Moleküle, die durch Expression von in vitro verknüpfter DNA
entstanden sind. Unter Rekombination versteht man allgemein die Bildung neuer Kombinationen aus
genetisch verschiedenen Genomen.
Retention: lat.: retentio, Zurückhaltung.
Rezeptor: (von lat.: receptor = Empfänger). In Biologie und Medizin versteht man unter Rezeptoren
physiologische Sensoren, d.h. bestimmte Empfangsorganellen (Makromoleküle oder Zellen) für spezifische
physiologische Signale (Reize). Hier: Ein in die Zellmembran verankertes Protein, das den Liganden (hier
das Hormon) nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip binden kann und die Information an das Zellinnere
weiterleiten kann
Rezeptoren für Steroidhormone sind nicht in der Zellmembran, sondern als lösliche Proteine im
Zellinneren beheimatet und stellen Liganden-abhängige Transkriptionsfaktoren dar; die Rezeptor-HormonKomplexe binden im Zellkern an spezifische Desoxyribonucleinsäure-Sequenzen (DNS) und induzieren die
Synthese bestimmter Messenger-Ribonucleinsäuren (mRNS) und damit auch bestimmter Proteine.
Saluretika: Stoff, der bewirkt, dass vermehrt Elektrolyte mit dem Harn ausgeschieden werden.
Sedativa: Beruhigungsmittel am Tage. Sedativa wirken relativ unspezifisch auf alle Funktionen des ZNS. Sie
dämpfen die vegetativen, sensorischen und vor allem die motorischen Zentren.
HO
NH2
N
Serotonin: Neurotransmitter im Gehirn,
H
Serum (Blut-): Blut ohne Zellen und ohne Gerinnungsfaktoren.
Somatisch: Den Körper betreffend, körperlich.
Spasmus: krampfartige Kontraktion, erhöhter Muskeltonus.
Speed: Designerdroge, Stimulans, Amphetaminderivat.
B14
[C10H12N2O; M=176,21 g/mol].
ANHANG B
Glossar
Stimulantien: Drogen, welche den Wachheitszustand erhöhen.
Stoffwechsel: (Metabolismus). Bezeichnung für die Gesamtheit der chemischen Umsetzungen im Organismus,
die zur Aufrechterhaltung der Lebensvorgänge notwendig sind; diese betreffen die Aufnahme, den Ein-,
Um- und Abbau wie auch die Ausscheidung von Stoffen, die Erhaltung bzw. Vermehrung der
Körpersubstanz und die Energiegewinnung.
Sympathicus: Im vegetativen Nervensystem alle Funktionen, die die Fähigkeit zur Arbeitsleistung und zur
Auseinandersetzung mit der Umwelt erhöhen: Herz, Kreislauf und Atmung werden aktiviert, Glykogen wird
mobilisiert, die Tätigkeit des Magen-Darm-Trakts dagegen vermindert (Tag).
Synapse: Verbindungsstelle zwischen zwei Neuronen oder zwischen einem Neuron und einem Erfolgsorgan.
Synaptischer Spalt: Zwischenraum zwischen den Neuronen.
Thaipillen: Designerdrogen, Stimulantien.
Thrombose: lokalisierte Blutgerinnselbildung durch (intravitale, während des Lebens) Blutgerinnung in Venen
oder Arterien. Dabei kann es zu einem partiellen oder auch vollständigen Gefässverschluss kommen.
Thrombosen in den Herzgefässen und in den Hirngefässen sind in vielen Teilen der Welt die führende
Todesursache. Vergleiche auch Embolie.
Trimethylxanthin: systematischer Name für Coffein.
Tube: Kurzform des lateinischen Ausdrucks tuba uterina, Eileiter.
Tubulus: Röhre.
Ultrafiltrat: Flüssigkeit, unmittelbar nach der Filtration im Glomerulus.
Uterus: Gebärmutter; muskelstarkes, birnenförmiges Organ zwischen Blase und Mastdarm.
Vagina: Scheide.
Vegetatives Nervensystem: Steuert die Aktivität der innern Organe. Wird in Sympathicus und
Parasympathicus unterteilt. Erregter Sympathicus: Fluchtbereitschaft, erregter Parasympathicus:
Ruhezustand.
Vesikel: „Bläschen“ innerhalb der Zelle z.B. in Nervenendigungen. Neurotransmitter sind in den Vesikeln
gespeichert. Bei Erregung des Neurons verschmelzen die Vesikel mit der Zellmembran.
Viszeral: Die Eingeweide betreffend.
Vitamine: Heute werden Vitamine definiert als organische Substanzen, die zur Aufrechterhaltung von
Gesundheit und Leistungsfähigkeit des menschlichen Organismus notwendig sind und mit der Nahrung
zugeführt werden müssen. Es genügen täglich wenige mg, um die Verwertung der Nährstoffe
B15
ANHANG B
Glossar
(Kohlenhydrate, Fette, Proteine und Mineralstoffe) zu regulieren. Jedes einzelne der Vitamine erfüllt
besondere Aufgaben, die von einem anderen Vitamin nicht in gleicher Weise ausgeübt werden können.
Manche stellen Coenzyme bzw. prosthetische Gruppen von Enzymen dar, andere greifen in die Regulation
des Stoffwechsels ein oder sind Hormone.
Vin Mariani: Cocainhaltiges alkoholisches Getränk.
Xanthine: Alkaloide wie Coffein, Theobromin und Theophyllin.
Xenobiotica: Im weitesten Sinne Stoffe, die einem bestimmten Ökosystem, Organismus oder Gestein fremd
sind. Im engeren Sinne Sammelbezeichnung für in der Umwelt des Menschen – im engsten Sinne: in seiner
Nahrung – nicht natürlich vorkommende Stoffe anthropogenen Ursprungs. Insofern haben Xenobiotica
begrifflich weniger mit Zusatzstoffen zu tun als vielmehr mit Fremdstoffen in Nahrungsmitteln (Beispiele:
Rückstände von Extraktionsmitteln oder von Pflanzenbehandlungs- und Arzneimitteln) und allgemein mit
anthropogenen Boden-, Luft- und Gewässerverunreinigungen, deren biologischer Abbau nur langsam
vonstatten geht. Manchmal werden unter Xenobiotica auch körperfremde Stoffe verstanden, die einen
Organismus zur Entwicklung von Abwehrmechanismen und -stoffen anregen können; z.B. Gifte, Toxine und
Antigene.
Zytoplasma, zytoplasmatisch: Von einer Zellmembran umschlossenes Plasma der Zelle, das in Wasser
gelöste Proteine, Lipide, Kohlenhydrate, Mineralsalze und Spurenelemente sowie eine Vielzahl kleinerer
(Granula, Vesikel) und grösserer (Zellorganellen) Einschlüsse enthält.
B16
ANHANG C
Anhang für Lehrkräfte
ANHANG C: für Lehrkräfte
Inhalt
C
1
VORBEREITUNGEN ZU DEN EXPERIMENTEN
2
1.1
Vorbereitung Experiment MODUL I (Kapitel 3)
2
1.2
Vorbereitung Experimente MODUL II
3
1.3
Vorbereitung Experimente MODUL III
4
2
HANDBIBLIOTHEK
5
2.1
Modul I: Hormone im Sport
5
2.2
Modul II: Missbrauchte Medikamente
5
2.3
Modul III: Tatort Synapse
5
2.4
Modul IV: Volksdrogen & Sport
6
3
VERWENDETE LITERATUR UND LEHRBÜCHER
3.1
Lehrbücher und Literatur
3.2
Internetadressen
7
7
10
C1
ANHANG C
Anhang für Lehrkräfte
1 VORBEREITUNGEN ZU DEN EXPERIMENTEN
1.1
Im
Vorbereitung Experiment MODUL I (Kapitel 3)
Modul
ist
als
Experiment
ein
Schwangerschaftstest
vorgesehen.
Aus
Gründen
des
Persönlichkeitsschutzes sowie eines möglichen Infektionsrisikos, darf als Probenmaterial nicht
menschlicher Urin verwendet werden. Deshalb werden den Schülern künstlich hergestellte
„Urinproben“ als Testsubstanzen zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei um wässrige gepufferte
(PBS)
Lösungen, welche mittels eines organischen Farbstoffs, p-Nitroanilin, gelb gefärbt sind.
Positive Proben enthalten zusätzlich 5 µL·mL hCG.
-1
Material und Chemikalien
-
z.B. “Clearview HCG II” der Firma Unipath, Art.-Nr. 501665/500158.
-
hCG, Sigma (Art. Nr. C1063, 2500 IU pro vial, sFr. 64.60; oder CG10, 10000 IU pro vial, sFr.
77.70); pro sample 200 – 300 mIU·mL (maximal 5 µL·mL )
-1
-1
-
Einweg-Pipetten (im Lieferumfang enthalten)
-
PBS-Puffer (137 mmol·L
-1
-1
NaCl, 2.7 mmol·L
-1
KCl, 8.1 mmol·L
-1
Na2HPO4, 1.5 mmol·L
KH2PO4, pH 7.2)
-
p-Nitroaniline, FLUKA
Durch die Lehrkraft vorzubereitende Lösungen:
-
-1
PBS-Puffer: 137 mmol·L NaCl
-1
2.7 mmol·L KCl
-1
8.1 mmol·L Na2HPO4
-1
1.5 mmol·L KH2PO4
-
positive Probe:
einstellen auf pH 7.2 bis 7.4
hCG (ca. 5 µL·mL ) in pBS-Puffer (enstpricht ca. 250 mIU·mL ) versetzt mit
-1
-1
p-Nitroanilin. Die Zugabe von p-Nitroanilin solange erfolgen, bis eine
„uringelbe“ Farbe erreicht worden ist (ca. Spatelspitze pro mL).
-
negative Probe: PBS-Puffer versetzt mit p-Nitroanilin. Die Zugabe von p-Nitroanilin solange
erfolgen, bis eine „uringelbe“ Farbe erreicht worden ist (ca. Spatelspitze pro
mL).
Pro Gruppe werden nur ca. 1 mL obiger Lösungen gebraucht. Die Probelösungen sollten mindestens
pro Woche frisch hergestellt werden. Die Lagerung muss bei 2 bis 8 °C erfolgen; vor der Messung
sind die Proben auf Zimmertemperatur einzustellen. Der PBS-Puffer kann über mehrere Wochen bei 4
°C aufbewahrt werden. Durch die Zugabe von 0.05 % Na-Azid (Na3N, Achtung giftig) wird die
Haltbarkeit des Puffers verlängert.
C2
ANHANG C
1.2
Anhang für Lehrkräfte
Vorbereitung Experimente MODUL II
Material und Chemikalien
-
Pro Gruppe eine Schweineniere
-
Mohnkuchen
-
Paracodin-Tabletten
-
Resyl-Plus
-
Codipront-Kapsel oder Codipront-Sirup
-
37 % Salzsäure
-
1 M NaOH
-
Dichlormethan
-
Isopropanol
-
Natriumsulfat
-
Methanol
-
DC-Platten (Kieselgel GF254)
-
Ethylacetat
-
Methanol
-
konz. Ammoniak
-
Platin(IV)-chlorid
-
Kaliumiodid
-
Rotavapor
1.2.1 Vorbereitungen für den ersten Exkurs
3 Hühnereier werden 1 Woche in Speiseessig gelegt, damit die Kalkschicht vollständig verschwindet.
Je ein Ei wird anschliessend 1 Woche in destilliertes Wasser, in 0.9 % Kochsalzlösung bzw. in
gesättigte Kochsalzlösung gelegt. Die dünne Hautschicht um das flüssige Ei kann als semipermeable
Membran betrachtet werden.
1.2.2 Rezeptvorschlag für einen Mohnkuchen
-
150 g Planta Margarine weich rühren
-
175 g Zucker und
1.5 Teelöffel Vanillinzucker zugeben
-
5 Eigelb beigeben, weiterrühren, bis die Masse hell ist.
-
5 Eiweisse
1 Prise Salz
1 Messerspitze Backpulver zusammen steif schlagen.
-
2 Esslöffel Zucker dem Eischnee beifügen, kurz weiterschlagen.
-
125 g Mandeln zugeben
-
200 g Mohnsamen ganz oder gemahlen* langsam mit dem Eischnee auf die gerührte Masse
geben, mit dem Gummischaber vorsichtig darunterziehen und in die vorbereitete Form füllen.
Backform:
Die Masse ist für eine Cakeform von 28-30 cm Länge berechnet. Die Form ganz mit
Blechreinpapier auslegen.
C3
ANHANG C
Anhang für Lehrkräfte
-
Backen: Ca. 60 Minuten auf der untersten Rille des auf 180 °C vorgeheizten Ofens.
-
Garnitur: Falls gewünscht, den Cake mit einer weissen Kirschglasur überziehen und mit Mohn
bestreuen.
-
Haltbarkeit: In Folie eingepackt und im Kühlschrank aufbewahrt 1 Woche.
*Wird ein intensives Mohnaroma gewünscht, können die kleinen Mohnsamen auch gemahlen gekauft
werden. Wenn dies nicht möglich ist, geht man wie folgt vor: Mohnsamen ca. 2 Stunden tiefkühlen,
dann im Mixer portionenweise fein mahlen. Wird der Mohn nicht gekühlt, entsteht beim Mahlen ein
fettiger Brei.
Weitere Rezepte finden Sie unter:
http://kochbuch.unix-ag.uni-kl.de (evtl. nur mit Netscape abrufbar); weiter unter „Stichwortsuche“ Mohn
eingeben.
Hinweis:
Da die Morphinkonzentration in den Mohnsorten stark schwanken kann, wird empfohlen, bei mehreren
Kuchen verschiedene Hersteller zu wählen. Zusätzlich sollten einige SchülerInnen Resyl-Plus oder
Codipront zu sich nehmen, damit sicher mindestens eine Probe positiv ist. Die gegessenen
Kuchenstücke und der Mohnanteil im Kuchen sollten möglichst gross sein.
1.3
Vorbereitung Experimente MODUL III
Das ELPHA II 3000 kann bei Parsenn Produkte in Küblis bestellt werden. Kosten: höchstens 560.--.
Es kann auch bei den Autoren ausgeliehen werden. Frühzeitige Anmeldung ist erwünscht.
C4
ANHANG C
2
Anhang für Lehrkräfte
HANDBIBLIOTHEK
Die folgenden Artikel bzw. (Lehr-)Bücher sollten während der Bearbeitung der einzelnen Kapitel den
Schülern
in
einer
kleinen
Handbibliothek
zur
Verfügung
stehen.
Einerseits
sind
dies
Nachschlagewerke, andererseits Texte, welche als Lernaufgabe zu lesen sind (kursiv gedruckt).
Letztere sollten in mehreren Exemplaren aufliegen.
2.1
Modul I: Hormone im Sport
-
Alberts, B. (1990) Molekularbiologie der Zelle, VCH, Weinheim Basel Cambridge New
York.*
-
Born, M. (2000) 13. Juli 1967 – der Tag an dem Tom Simpson starb. In: die
Sonntagszeitung vom 9. Juli 2000
-
CD Römpp Chemielexikon, Version 1.0, Hrsg.: Falbe, J. & Regitz, M., Thieme, Stuttgart New
York
-
Kamber, M et al. (2000) EPO – vom Medikament zur perfekten Wunderwaffe im Sport. In:
NZZ vom 18./19. März 2000.
-
Kamber, M. (1997) Doping Info – Gladiatoren unserer Zeit, Lehrunterlagen, ESSM.
-
Karlson, P. (1994) Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und
Naturwissenschaftler, Thieme, Stuttgart New York.*
-
Parisotto, R et al. (2000) Haematologica 85, 564-572.
-
Voet, W. (1999) Gedopt – der Ex-Festina-Masseur packt aus. Oder: Wie die Tour auf
Touren kommt (aus dem Französischen von Stefan Rodecourt), Sportverlag Berlin; Titel der
französischen Originalausgabe im Verlag Calmann-Lévy: Massacre à la Chaine – Révélations
sur 30 ans de tricheries (1999)
-
Wagner, E. (2000) Aus der Perspektive des Sportlers – eine Innensicht. In: Doping
(Gamper, M., Mühlethaler, J. & Reidhaar, F. Herausgeber) NZZ-Verlag, Seiten 34 - 43.
*
Es können auch andere Standardwerke der Biochemie bzw. Molekular- und Zellbiologie
verwendet werden.
2.2
Modul II: Missbrauchte Medikamente
-
Schrödel Bilogie heute S II
-
Natura II
-
Natura III
2.3
Modul III: Tatort Synapse
-
Biologie heute SII, Schroedel Schulbuch Verlag.
-
Natura III, Klett Schulbuch Verlag.
C5
ANHANG C
Biochemie-Lehrbücher (siehe 3.)
-
2.4
Anhang für Lehrkräfte
Modul IV: Volksdrogen & Sport
Die Faltblätter „Alkohol und Sport“ und „Cannabis und Sport“ können unter www.laola.ch bestellt
werden.
THC kann unter http://wwwchem.uwimona.edu.jm:1104/spectra/thc.pdb heruntergeladen werden.
Dargestellt werden kann es mit einem geeigneten Programm. Diese können unter
http://www.expasy.org/spdbv/mainpage.htm
oder
http://www.mdli.com/downloads/downloads.html bzw.
http://www.mdli.com/downloads/free.html
heruntergeladen werden.
Unter der zweiten Adresse kann zusätzlich ein Plug-in heruntergeladen und installiert werden, das es
erlaubt,
Moleküle
direkt
im
Browser
sichtbar
zu
machen.
Als
drittes
kann
man
das
Zeichnungsprogramm für chemische Strukturen ISIS Draw herunterladen. 3D-Moleküle auf einer
Internetseite können entweder auf der HD gespeichert und jederzeit betrachtet, aber auch direkt als
Lewis-Struktur ins ISIS Draw übertragen und anschliessend gegebenenfalls verändert werden.
Beim ersten Aufruf der Seite wird seit kurzem eine Registrierung verlangt. Danach kann man immer
mit der e-mail Adresse einloggen.
-
Natura III, Klett Schulbuch Verlag.
-
Biologie heute SII, Schroedel Schulbuch Verlag.
-
Baars, G. & Christen, H.U. (2002) Allgemeine Chemie: Theorie und Praxis, 4. Auflage,
Sauerländer, Diesterweg.
-
Tabelle E1.1 (Modul III)
-
Spektrum der Wissenschaft (2001) Alkohol: das unterschätzte Gift, 58-67.
-
Faltblätter: „Alkohol und Sport“; „Cannabis und Sport“, herausgegeben von Laola und dem
BASPO.
-
http://www.sfa-ispa.ch/ServicePresse/allemand/Abhangigkeiten/brenneisen.pdf
C6
ANHANG C
3
Anhang für Lehrkräfte
VERWENDETE LITERATUR UND LEHRBÜCHER
3.1
Lehrbücher und Literatur
-
Alberts, B. (1990) Molekularbiologie der Zelle, VCH, Weinheim Basel Cambridge New York.
-
Alcohol Clin Exp Res. 2001 May;25(5 Suppl ISBRA):40S-45S (Review).
-
Analytical Biochemistry 277, 187 – 195 (2000) (www.idealibrary.com)
-
Baratta, M. von (2000) Hrsg. Fischer Weltalmanach, Fischer Taschenbuchverlag (ISBN 3-59672200-1).
-
Berendonk, B. (1991/92) Doping, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg.
-
Bertelsmann Lexikon (1992) Das neue Taschenlexikon (ISBN 3-570-04204-9)
-
Biologie heute SII, Schroedel Schulbuch Verlag.
-
Campbell, N.A. (1998) Biologie; Spektrum Akad. Verlag GmbH, Heidelberg, Berlin, Oxford
-
Campenhausen C. von (1993), Die Sinne des Menschen, 2. völlig neu bearbeitete Auflage,
Thieme, Stuttgart New York
-
CD Römpp Chemielexikon, Version 1.0, Hrsg.: Falbe, J. & Regitz, M., Thieme, Stuttgart New
York.
-
Di Marzo, V. Biosynthesis and inactivation of endocannabinoids: relevance to their
proposed role as neuromodulators, Life Science, Vol 65, p 645-655.
-
Dissertation von Martin Shahin Pour Nikfardjam an der Universität Giessen (2001):
Polyphenole in Weissweinen und Traubensäften und ihre Veränderung im Verlauf der
Herstellung.
-
Faller, A (1988) Der Körper des Menschen, Thieme, Stuttgart New York (ISBN 3-13-3297112)
-
Fernandez-Ruiz J.J. et al. (1999) Role of endocannabinoids in brain development, Life
Science, Vol 65, p 725-736.
-
Ferrari, F. et al. (1999) Influence of the cannabinoid agonist HU 210 on cocaine- and CQP
201-403-induced behavioural effects in rat, Life Science, Vol 65, p 823-831.
-
Fuentes, J.A. et al. (1999) Cannabinoids as potential new analgesics, Life Science, Vol 65,
p 675-685.
-
Gorwood, P. (2001) Biological markers for suicidal behavior in alcohol dependence, Eur.
Psychiatry 16, pp. 410 – 417.
-
Guzman M. & Sanchez, C. (1999) Effects of cannabinoids on energy metabolism, Life
Science, Vol 65, p 657-664.
-
Hai und Rippchen (1998) Hanf Handbuch, Werner Pieper’s MedienXperimente, Löhrbach.
C7
ANHANG C
Anhang für Lehrkräfte
-
Hauri-Bionda, R. (1999) Ecstasy, Homepage des Instituts für Rechtsmedizin, Univ. Zürich,
http://www.irm.unizh.ch/infos/ecstasy.htm.
-
Howlett, A. C. et al. (1999) Signal transduction of eicosanoids CB1 receptor ligands, Life
Science, Vol 65, p 617-625.
-
Hunnius, C. (1986) Pharmazeutisches Wörterbuch 6. Auflage, de Gruyter, Berlin New York.
-
Ibelgaufts, H. (1992) Gentechnologie von A bis Z, VCH, Weinheim Basel Cambridge New
York.
-
Janeway, C. A., Travers, P., Walport, M. & Shlomchik, M. Immuno Biology, Garland
Publishing New York.
-
Kamber, M. (1997) Doping Info – Gladiatoren unserer Zeit, Lehrunterlagen, ESSM.
-
Karlson, P. (1994) Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und
Naturwissenschaftler, Thieme, Stuttgart New York.
-
Kayser, F. (1989) Medizinische Mikrobiologie, Thieme, Stuttgart New York..
-
Khanolkar, A. D. & Makriyannis, A. (1999) Structure-activity relationship of anandamide,
an endogenous cannabinoid ligand, Life Science, Vol 65, p 607-616.
-
Klein, T. W., Lane, B., Newton, C. A. & Friedman, H. (2000) Minireview: The Cannabinoid
System and Cytokine Network, P.S.E.B.M., Vol 225, p. 1-8.
-
Koolman J. (1998) Taschenatlas der Biochemie, Thieme, Stuttgart New York.
-
Koolman, J. et al. (1998) Kaffee, Käse, Karies ..., VCH, Weinheim Basel Cambridge New
York (ISBN 3-527-29530-5)
-
Lasne, F. & de Ceaurriz, J. (2000) Nature 408, 635.
-
Lehninger, A.L. (1998) Prinzipien der Biochemie, 2. Auflage, Spektrum, Akad-Verlag,
Heidelberg Berlin Oxford.
-
Linder, H. (1989) Biologie, (Bayrhuber et al hrsg., 20. Auflage) Schroedel Schulbuch Verlag
(ISBN 3-507-02347-4)
-
Lippert, H. (1989) Anatomie: Text und Atlas, Urban und Schwarzenberg, München Wien
Baltimore.
-
Löffler, G. & Petrides, P.E. (1998) Biochemie und Pathobiochemie, 6. Auflage; SpringerVerlag Berlin Heidelberg New York
-
Lüllmann, H. Mohr, K. & Ziegler, A. (1994) Taschenatlas der Pharmakologie, 2.
überarbeitete und erweiterte Auflage, Thieme, Stuttgart New York
-
Martin, B. R. (1999) Discovery and characterization of endogenous cannabinoids, Life
Science, Vol 65, p 573-595.
-
Morrow, A.L. et al. (2001) The role of GABAergic neuroactive steroids in ethanol action,
tolerance and dependence Brain Research Reviews 37, pp. 98-109.
-
Mutschler, E. (1997) Arzneimittelwirkung, Lehrmittel der Pharmakologie und Toxikologie;
7., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH,
Stuttgart.
C8
ANHANG C
Anhang für Lehrkräfte
-
Neurochem. Int. Vol. 31, No. 1, pp. 1.10, 1997.
-
Neurochemical Research, Vol. 26, Nos. 8/9, September 2001, pp. 907 – 913.
-
Pachaly, P. DC-Atlas, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart.
-
Parisotto, R et al. (2000) Haematologica 85, 564-572.
-
Parolaro, D. (1999) Review: Presence and functional regulation of cannabinoid
receptores in immune cells, Life Science, Vol 65, p 637-644.
-
Pertwee, R. G. (1999) Evidence for the presence of CB1 cannabinoid receptors on
peripheral neurons and for the existence of neuronal non-CB1 cannabinoid receptors,
Life Science, Vol 65, p 597-605.
-
Porter, A.C. & Felder, C. C. (2001) The endocannabinoid nervous system: unique
opportunities for therapeutic intervention, Pharmacology and Therapeutics, Vol 90, p. 4560.
-
Pschyremebel, W. (1994) Klinisches Wörterbuch 257. Auflage, de Gruyter, Berlin New York.
-
Rätsch, C.
Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Botanik, Ethnopharmakologie
und Anwendungen, AT Verlag Aarau.
-
Schänzer W. Doping und Dopinganalytik Analytische Chemie
-
Schänzer, W. (1997) Chemie in unserer Zeit 31 (5), 218-228.
-
Schänzer, W. (2000) Die medizinische Revolution – über die Effizienz von
Dopingkontrollen und die Nebenwirkungen verbotener Substanzen. In: Doping (Gamper,
M., Mühlethaler, J. & Reidhaar, F. Herausgeber) NZZ-Verlag, Seiten 191-218.
-
Snyder, S.H. (1988, 1994) Chemie der Psyche, Spektrum, Akad. Verlag, Heidelberg Berlin
Oxford (ISBN 3-86025-143-0)
-
Spektrum der Wissenschaft, 8 (1998) S. 62-67; Kleine Kulturgeschichte des Alkohols.
-
Thevis, M. & Schänzer, W. Dopingproblematik und Ernährung, Institut für Biochemie an der
Deutschen Sporthochschule Köln
-
Thews, G. (1989) Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen,
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart.
-
Thomas Hengartner, Christoph Maria Merki (2001) Genussmittel, eine Kulturgeschichte,
insel taschenbuch
-
Thomas, A. (2000) Hormone im Ausdauersport – EPO, Steroide, Wachstumshormone,
ASS-Verlag.
-
Unterlagen zum IFWE-Weiterbildungskurs „Die Betreuung von Drogenabhängigen“,
Pharmakologie der Drogen und Suchtstoffe.
-
Ventura, R. & Segua,J. (1996) J. Chromatogr. B; 127-144.
-
Viitasalo, J.T., Kyröläinen, H., Bosco, C. & Alen, M. (1987) Int. J. Sports Med. 8, 281-285.
-
Voet, W. (1999) Gedopt – der Ex-Festina-Masseur packt aus. Oder: Wie die Tour auf
Touren kommt (aus dem Französischen von Stefan Rodecourt), Sportverlag Berlin; Titel der
C9
ANHANG C
Anhang für Lehrkräfte
französischen Originalausgabe im Verlag Calmann-Lévy: Massacre à la Chaine – Révélations
sur 30 ans de tricheries (1999).
-
Wagner, E. (2000) Aus der Perspektive des Sportlers – eine Innensicht. In: Doping
(Gamper, M., Mühlethaler, J. & Reidhaar, F. Herausgeber) NZZ-Verlag, Seiten 34 - 43.
-
Weber, T. (1999) Tramu; The effects of cannabinoids on the regulation of reproduction,
Life Science, Vol 65, p 695-701.
-
Zimmer, A. et al. (1999) Increased mortality, hypoactivity, and hypoalgesia in
cannabinoid CB1 receptor knockout mice, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Vol. 96, p. 57805785.
3.2
Internetadressen
-
http://antoine.frostburg.edu/chem/senese/101/features/anandamide.shtml
-
http://home.t-online.de/home/ilona.Buehring/namalk.htm
-
http://home.t-online.de/home/uwe.biesen/thc.htm
-
http://molecool.wustl.edu/PDFs/Covey-Han2000.pdf (Journal of Medicinal Chemistry, Vol. 43,
No. 17, August 2000, pp. 3201-3204)
-
http://raphaello.univ-fcomte.fr/Biochimie/etudiants-1999-2000/heitz-rognon/effets.html
-
http://www.3sat.de/3satframe.php3?a=1&url=http://www.3sat.de/nano/bstuecke/15184/
-
http://www.acmed.org/german/home.htm
-
http://www.admin.ch/bag/sucht/aktuell/d/index.htm
-
http://www.admin.ch/bag/sucht/drog-pol/drogen/d/dpolitik/brosch-d.html
-
http://www.aerztezeitung.de/docs/1999/10/21/191a1401.asp?nproductid=789&narticleid=7343
6
-
http://www.asso.univ-paris5.fr/ewcbr/Francais/EWCBR2000/Abstracts/ABST85.htm
-
http://www.asso.univ-paris5.fr/ewcbr/Francais/EWCBR2000/Abstracts/ABST85.htm
effects of Neurosteroids in the nervous system)
-
http://www.bag.admin.ch/sucht/politik/alkohol/d/aktionsplan.pdf
-
http://www.biopsychiatry.com/neurster.html
-
http://www.biopsychiatry.com/neurster.html
-
http://www.biopsychiatry.com/pregnenolone.html
-
http://www.biopsychiatry.com/pregnenolone.html
-
http://www.cannabislegal.de/studien/thckrebs.htm
C10
(Trophic
ANHANG C
Anhang für Lehrkräfte
-
http://www.caresproject.org/docs/ed/drug/disc2.htm
-
http://www.cx.unibe.ch/ivv/immunol/Deutsch/Scripten/scripten.html
-
http://www.daimlerchrysler.de/index_g.htm?/products/products_g.htm
-
http://www.doctordeluca.com/Documents/SeroDysfxnNegMood-ResponseAlc.htm
-
http://www.drogen-aufklaerung.de/texte/sachtext/alkohol10.htm
-
http://www.drugscience.org/Petition/C8G.htm
-
http://www.drugwatch.org/Glossary_Terms.htm
-
http://www.eje.org/eje/145/0669/1450669.pdf (Review: Neurosteroid metabolism in the human
brain; Eur. J. Endocrinology (2001) 145; pp. 669-679)
-
http://www.halal.de/eug_s02a.htm
-
http://www.inchem.org/documents/pims/plant/cannabis.htm
-
http://www.laola.ch/d/pdf/canabis.pdf
-
http://www.med.unc.edu/wrkunits/1dean/research/Girdler126.html
-
http://www.mhsource.com/pt/p011052.html
-
http://www.mhsource.com/pt/p011052.html
-
http://www.m-ww.de/pharmakologie/drogen/alkohol.html
-
http://www.netdoktor.de/topic/alkohol/giftalkohol.htm
-
http://www.neuland.com/jahrbuch/pdf/alk2001.pdf
-
http://www.neuland.com/jahrbuch/pdf/valk2001.pdf
-
http://www.niaaa.nih.gov/publications/arh24-1/12-16.pdf (Alcohol, the Brain, and Behavior;
Mechanisms of Addiction; Alcohol Reseach and Health Vol 24, No.1 (2000))
-
http://www.physiopaed.de/Nervensystem.htm
-
http://www.pnas.org
-
http://www.schachbund.ch/doping/
-
http://www.sfa-ipsa.ch
-
http://www.sfa-ispa.ch/Librairie/allemand/PDF_D_info/Cannabisd.pdf
-
http://www.sfa-ispa.ch/ServicePresse/allemand/Abhangigkeiten/brenneisen.pdf
-
http://www.skispringen.ch/zeitung.php?zeinzz1.php
-
http://www.winespectator.com/Wine/Daily/News/1,1145,1551,00.html
-
http://xray.bmc.uu.se/Courses/PT/Project/Projects2000/Anders_final.html
C11