Vernetzung von TutorInnen präsent und virtuell

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Vernetzung von TutorInnen präsent und virtuell
eBologna – AP 3
Dokumentation & Materialien
Lehrveranstaltung „190758 SE Medienkompetenz
für TutorInnen in der Studieneingangsphase“
Modul: „Vernetzung von TutorInnen präsent und virtuell auf der Basis des
‚Professional Community’-Konzepts“
Mag.a Esther Hutfless, Mag.a Sylvia Logar, Mag.a Barbara Wenninger
1. Inhaltlicher Überblick und Relevanz des Themas für
Tutorien, TutorInnen und die Studieneingangsphase
(STEP)
Ziel der gesamten Lehrveranstaltung inklusive aller Module ist es,
TutorInnen
(vor
allem
Vernetzungsstrategien
der
(präsent
Studieneingangsphase)
wie
auch
virtuell)
im
in
ihren
Sinne
des
„Professional Community“-Konzepts zu stärken, ihnen neue Methoden und
Anwendungsgebiete vorzustellen sowie ihre Medienkompetenz zu steigern.
Dabei wird es als notwendig erachtet, die Gruppe der TutorInnen immer
wieder
als
solche
zu
thematisieren;
dem
gemäß
erwies
sich
als
empfehlenswert, das im Anschluss beschriebene gruppenspezifische Modul
mit den anderen zu verzahnen und es zweigeteilt – sowohl zu Beginn als
auch am Ende der Gesamtlehrveranstaltung – anzubieten.
Die Vernetzung der TutorInnen auf der Lernplattform WebCT Vista soll
ihnen „Rückhalt“ während der Durchführung der Tutorien geben. Die LVLeiterInnen
sollen
sich
die
Präsenz
im
virtuellen
Raum
(Forums-
„Bereitschaft“/Moderation) über das Semester hinweg aufteilen, damit sich
die TutorInnen keinesfalls „allein gelassen“ fühlen. Bewusstsein über
Gruppenphasen erlangen und entsprechende
Methoden für (Klein-)Gruppenarbeiten in jeweiligen Phasen einsetzen
können.
Stand: 30. September 2006
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lehrentwicklung@univie.ac.at
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1.1
Dokumentation & Materialien
Studien-/Lernziele
Ziel des Moduls „Vernetzung von TutorInnen präsent und virtuell auf der
Basis
des
‚Professional
Community’-Konzepts“
ist
es,
Erfahrungen
auszutauschen und verschiedene Traditionen von Fachtutorien kennen zu
lernen. In einem ersten Schritt sollen sich die TutorInnen über Ihre eigene
Rolle bewusster werden; sie sollen bewusster mit ihrer Funktion als
LeiterInnen einer Gruppe umgehen können, wobei sie der präsentierte
theoretische Hintergrund zum Arbeiten mit Gruppen unterstützen soll; die
LV-Gruppe
soll
unterschiedliche
sich
als
Gemeinschaft
Gruppenmethoden,
erleben
und
im
Kollektiv
Herangehensweisen
sowie
Sozialformen erfahren, die auch auf den virtuellen Kontext übertragen
werden. Durch die unmittelbare Erfahrung sollen die TutorInnen verstärkt
Bewusstsein über Gruppenphasen erlangen und entsprechende Methoden
für (Klein-)Gruppenarbeiten in den jeweiligen Phasen einsetzen können.
Am
Ende
soll
in
der
Gruppe
als
Gruppe
über
die
gesamte
Lehrveranstaltung reflektiert werden, um in weiterer Folge eine Brücke
zum anschließend durchzuführenden Tutorium zu schlagen.
1.2
Ablauf und Methodisches Konzept
Dieses Modul bildet gleichzeitig den Einstieg in die Blockveranstaltung.
Nach der Vorstellung der Lehrenden wird den TutorInnen ein „Roter
Faden“ einerseits zum groben Ablauf der Schulungstage und andererseits
zum Ablauf dieses speziellen Moduls geboten. Die TutorInnen erhalten
zunächst einen Überblick über das Projekt und ihre Aufgaben. Danach
lernen sie verschiedene Gruppen-Methoden kennen und erfahren sich als
Gruppe
und
in
einer
Gemeinschaft
als
theoretische
Input
Gruppe/Community
unterstützendes
besteht
–
Netzwerk
in
der
sie
sollen
verstehen
Erläuterung
dabei
die
lernen.
Der
verschiedener
Gruppenphasen und –prozesse vor dem Hintergrund des (Professional)
Community-Ansatzes.
Indem
die
TutorInnen
bestimmte
Gruppen-
Methoden selbst erfahren, sollen sie sie gleichzeitig für die eigene
Anwendung nutzbar machen.
Stand: 30. September 2006
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In diesem gruppenspezifischen Modul liegt das Hauptaugenmerk in der
Selbsterfahrung von verschiedenen Methoden in den unterschiedlichen
Gruppenphasen.
Aufgrund
der
zeitlichen
Limitierung
wurden
drei
ausgewählte Gruppenmethoden in jeweils markanten Gruppenphasen
durchgeführt:
Während
der
Kennenlernphase,
der
produktiven
Arbeitsphase und im Zuge der abschließenden Reflexionsphase. Weitere
Gruppen-Methoden,
die
dem
langjährigen
ÖH-Tutoriumskonzept
entnommen sind, stehen auf der Lernplattform zum Download bereit bzw.
können dem Handapparat entnommen werden. Zusätzlich zu den in der
Präsenzphase
der
LV
durchgeführten
Methoden
werden
weitere
Herangehensweisen für die Arbeit mit und in Gruppen im virtuell
bereitgestellten Handout „Gruppendynamik & Führungsstile“ erläutert,
welches auch in das vorliegende Manual integriert ist (vgl. 3.).
2. Realisierung des Modul-Konzepts im Rahmen der LV
und erste Erfahrungen
Teil 1: Do 2. März 2006 von 12-15:00 Uhr
2.1
Einführung in die Inhalte des Moduls
Nach einer kurzen Vorstellung der Lehrveranstaltungsleiterinnen wird das
Konzept des Seminars „190758 SE Medienkompetenz für TutorInnen in
der Studieneingangsphase“ vorgestellt.
2.2
Kennenlernphase – Methode „Gerüchteküche“
Vorüberlegungen:
In
der
Kennenlernphase
wird
die
Methode
„Gerüchteküche“ eingesetzt, bei der sich die TeilnehmerInnen – anstatt im
Plenum einfach ihre Namen zu nennen – einander über persönliche
Symbole
vorstellen.
Da
die
TeilnehmerInnen
aus
unterschiedlichen
Fachbereichen stammen und ihr zunächst die einzige Gemeinsamkeit ihr
Status
als
TutorIn
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ist,
erscheint
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es
besonders
wichtig
eine
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Kennenlernmethode einzusetzen, die mehr als nur personenbezogene
Daten ins Spiel bringt.
Zeitlicher Rahmen: 30 min.
Ziel: Kennenlernen der Gruppenmitglieder durch eine nicht-traditionelle
Methode
Material: Moderationskärtchen, Stifte
Ablauf:
•
Jede/r TutorIn teilt ein rechteckiges Kärtchen graphisch in zwei
Hälften und zeichnet auf die linke Seite ein Symbol, das ihre
Motivation für die Tutoriumstätigkeit ausdrückt und auf die rechte
Seite ein Symbol, das ihre größte Stärke beschreibt. Die Symbole
variieren je nach Kontext. Dies soll nicht länger als fünf Minuten in
Anspruch nehmen.
•
Als nächstes bewegen sich die TutorInnen im Raum und erzählen
einer anderen Person von sich, indem sie ihr ihren Namen nennen
und die Symbole auf den Kärtchen beschreiben. Das Gegenüber tut
dies ebenso; dann werden die Kärtchen ausgetauscht und
•
die Personen gehen jeweils mit einer fremden Karte weiter zu
einer/einem anderen TeilnehmerIn. Denen erzählen Sie nun, dass
sie die Karte von „…..“ hätten und beschreiben die Symbole eben
dieser Person. Sie tauschen wiederum die Karten aus und gehen
weiter zur nächsten Person. Es soll so viel Zeit einberaumt werden,
dass die Karten ca. fünf Mal ausgetauscht werden können.
•
Am Ende kehren die TutorInnen ins Plenum zurück und stellen die
Person vor, deren Karte sie am Schluss bei sich haben.
•
Diese Person kann dann direkt rückmelden, ihre Beschreibung
ergänzen, korrigieren, usw. Dieser Vorgang erfolgt reihum bis jede/r
ein anderes Gruppenmitglied vorgestellt hat.
•
Die Kärtchen werden am Schluss auf einer Pinwand angebracht und
verbleiben den gesamten Seminartag dort. Die TeilnehmerInnen
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assoziieren dann zu den Symbolen jeweils die dahinter stehenden
Menschen.
Erfahrungen im Seminar „Medienkompetenz für TutorInnen in der
Studieneingangsphase“
Diese Kennenlernmethode war für die Studierenden anfangs etwas
irritierend. In der Feedbackrunde gaben sie an, ein wenig verwundert
gewesen zu sein, dass sie, als höhersemestrige TutorInnen in der ersten
halbe Stunde ihres Seminarbesuchs zeichnen und spielen sollten. Doch
nachdem die LV-Leiterinnen ihnen das Ziel dieser Methode näher gebracht
und vermerkt hatten, dass dies nur eine von vielen Methoden sei, die sie
als TutorInnen auch selbst mit ihren Studierenden ausprobieren könnten,
war diese Irritation verflogen.
2.3
Erste Arbeitsphase – Methoden „Cooperative Clustering“
und „Advance Organizer“
Vorüberlegungen:
Um
Aufschluss
über
den
Informations-
bzw.
Wissensstand der TutorInnen zum Projekt und ihrer Tätigkeit zu erhalten
sowie Meinungen und Einstellungen zum Thema zu erörtern, wird die
Gruppenmethode
„Cooperative
Clustering“
eingesetzt,
bei
der
die
TeilnehmerInnen in Kleingruppen ihre Erfahrungen und Ansichten zum
Thema offen legen und visualisieren. Diese wird in Kombination mit der
Methode „Advance Organizer“ angewendet, die es ermöglicht, neues
Wissen (im vorliegenden Fall auf die Tutoriumstätigkeit bezogen) an
bereits vorhandenes anzuknüpfen.
Zeitlicher Rahmen: 1 Stunde
Ziel: Erheben von Vorwissen, -erfahrungen und Einstellungen um die im
Modul neu aufbereiteten Informationen an das bestehende Wissen der
TeilnehmerInnen anzubinden.
Material: Tischgruppen, Flipcharts, (Moderationskärtchen), Stifte
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Ablauf:
•
Je nach Anzahl der TutorInnen werden sie in max. vier Gruppen (in
diesem Fall drei) zu drei bis fünf Personen aufgeteilt. Pro Gruppe
steht ein Tisch im Raum bereit, darauf ein Flipchart und Stifte.
•
Jedes Flipchart steht für ein Thema, das auch bereits in der Mitte
des Papiers (möglichst farblich markiert) verschriftlicht ist. Themen
im
SE
„Medienkompetenz
für
TutorInnen
in
der
Studieneingangsphase sind auf die Tische wie folgt aufgeteilt:
o TISCH A: Was ist ein Tutorium?
(Zusatzfragen: Welche
Arten von Tutorien gibt es? Welche Aspekte sind Ihrer
Meinung nach in einem Tutorium wichtig?)
o TISCH B: Welche Kompetenzen braucht ein/e Tutor/in?
o TISCH C: Was hätte ich an Orientierung zu Beginn meines
Studiums gewünscht/gebraucht?
•
Die Gruppen setzen sich nun zu je einem Tisch und haben 8-10
Minuten Zeit, sich Gedanken zum jeweiligen Thema zu machen.
Ihre Gedanken visualisieren sie stichwortartig auf dem Flipchart,
wobei sie die Punkte thematisch clustern sollen.
•
Nach Ablauf der Zeit wandern die Gruppen weiter zum nächsten
Tisch, wo sie dann schon erste Überlegungen der Vorgängergruppe
vorfinden. (vgl. Abb. 1)
•
Sie haben nun 5 Minuten Zeit, diese zu ergänzen, nachvollziehbar
zu verändern, Fragen zu stellen, etc. Anschließend machen sie das
Gleiche beim dritten Tisch. Am Ende steht ein Advance Organizer
(Visualisierung des Vorwissens / Informationsstandes), der die
Ergebnisse von drei Gruppen repräsentiert.
•
Die gesammelten Punkte werden in weiterer Folge im Plenum
diskutiert.
Die Flipcharts werden aufgehängt und gemeinsam durchgesprochen. Das
Besondere an dieser Diskussion ist die Tatsache, dass alle Beteiligten an
diesem Plakat mitgearbeitet haben und Argumente vorbringen können. Je
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nach Ausführlichkeit der Ergebnisse oder bei etwaigen Unklarheiten fließen
in diesem Seminar Zusatzinformationen zum Projekt bzw. zur Tätigkeit als
TutorInnen von Seiten der LV-Leiterinnen mit ein.
Die Diskussion soll in eine „Kurzreflexion“ übergehen. Dabei wird die
Position der Lehrenden, die zur Unterstützung der TutorInnen hier sind,
transparent gemacht. Befürchtungen, Ängste, Unklarheiten werden in
dieser Phase diskutiert. Am Ende sollen die TeilnehmerInnen mit einer
positiven Einstellung ins nächste Modul gehen.
Beispiel Gruppe A
Weiterführung der
Gedankengegänge der
vorherigen Gruppe,
Entwicklung weiterer Ideen
Frage 2
5´
Erste Überlegungen/
inhaltliche Gliederung
zu einer Frage
Frage 1
8-10´
Frage 3
5´
Weiterführung der
Gedankengegänge der
vorherigen Gruppen,
Entwicklung weiterer Ideen,
Versuch einer
abschließenden Ordnung
Abbildung 1 "Cooperative Clustiering"
Erfahrungen im Seminar „Medienkompetenz für TutorInnen in der
Studieneingangsphase“
Diese LV-Gruppe war sehr engagiert und brachte sich auch gerne ein. Es
wurde angeregt diskutiert, da es durch das Arbeiten in unterschiedlichen
Gruppen an einem Plakat immer wieder zu Missverständnissen kam,
welche in Dialogform durch gegenseitiges Zuhören, Erfassen bestimmter
Vorannahmen und Definitionsversuche bereinigt werden konnten.
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Unserer Ansicht nach waren die Gruppen sehr stolz auf diese gemeinsam
produzierten Papiere und sahen sich nunmehr eher als ein großes Team
mit einem gemeinsamen Ziel.
Teil 2: (2 Tage später)
2.4
Reflexion – Methode „Kaffee-Klatsch“
Vorüberlegungen: Zu Beginn des zweiten Teils dieses Moduls wird
anhand der Methode „Kaffee-Klatsch“ (ähnlich der „Fishpool/FishbowlDiskussion“) über die vergangenen zwei Ausbildungstage reflektiert. Diese
Methode regt die intensive Auseinandersetzung mit dem Gelernten an,
durch die Diskussion werden die Erfahrungen verstärkt in den eigenen
Erlebnishorizont transformiert. Den Leiterinnen ermöglicht die Übung viele
Informationen über den momentanen Stand in der Gruppe zu gewinnen.
Zeitlicher Rahmen: 1 Stunde
Ziel:
Reflexion
über
Erlebnisse/Erfahrungen
im
Seminar;
Informationsstand abgleichen
Material: Tisch, Stühle, Kaffee und Snacks (zur Auflockerung)
Ablauf:
•
Die Gruppe wird in zwei Untergruppen geteilt. Der größere Teil der
Gruppe bildet einen Sesselkreis. Der kleinere Teil der Gruppe (etwa
fünf Personen) nimmt in der Mitte des Sesselkreises rund um einen
•
Tisch mit Frühstück (Tee, Kaffee, Plundergebäck) in der Mitte Platz.
Aufgabenstellung
ist
der
Austausch
über
den
bisherigen
Seminarverlauf, eine Reflexion und Diskussion über die bisherigen
Seminarinhalte und deren Relevanz für die eigene Praxis. Darüber
hinaus können jene Punkte zur Sprache kommen, bei denen die
Gruppe noch Lern- oder Diskussionsbedarf sieht. Drei TutorInnen
stellen eine Kaffeehaus-Situation nach und sprechen / plaudern
quasi informell über das Erlebte der letzten Ausbildungstage und
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tauschen so ihre Erfahrungen im offenen lockeren Rahmen aus.
Diese Gruppe diskutiert und reflektiert während
•
die
restlichen
Gruppenmitglieder
außerhalb
(Kreis)
sitzen,
beobachten und vorerst zuhören.
•
Wenn eine BeobachterIn eine Anmerkung hat oder mitdiskutieren
möchte, kann sie eine Person des Innenkreises abklatschen. Die
beiden Personen wechseln dann die Plätze.
•
Das Gespräch geht nun in der neuen Konstellation weiter.
Dieser Vorgang kann sich beliebig oft wiederholen und wird nur
durch das Zeitlimit begrenzt.
•
Die Diskussion wird je nach Bedarf durch Nachfragen und
Anmerkungen der LeiterInnen moderiert.
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3. Theorieinput „Gruppenphasen und Führungsstile“
Zeitlicher Rahmen: 30 Minuten
Ziel und Relevanz für das Tutorium: Der Theorieinput dient der
Sensibilisierung gegenüber Prozessen in der Gruppe. TutorInnen sollen
ihre Leitungsfunktion gezielt wahrnehmen und der Situation und der
Gruppe angepasst einsetzen können.
Materialen: Handout, Power-Point-Präsentation
Input:
1. Gruppendynamik und Führungsstile
1.1 Was ist eine Gruppe?
Eine Gruppe ist eine Anzahl von Menschen (mindestens drei), die ein
gemeinsames Ziel verfolgen und ein hochorganisiertes soziales Gefüge
bilden. Die Mitglieder einer Gruppe nehmen sich selbst als Gruppe war,
wobei sie in unterschiedlicher Weise wechselseitige Beziehungen mit
veränderlicher Intensität zueinander eingehen. Eine Gruppe entwickelt
u.a.
durch
das
gemeinsame
Ziel
ein
Wir-Gefühl,
also
eine
Gruppenidentität.
Innerhalb von sehr kurzer Zeit werden von den Mitgliedern einer Gruppe
verschiedene Rollen bzw. Funktionen eingenommen die sich an der
Scheidelinie von Macht, Einfluss,
Autorität und Irritation herausbilden.
Diese Rollen werden zugewiesen in vielen Fällen auch selbstständig
angenommen und können sich über einen längeren Zeitraum wieder
verändern. Sie bleiben im Normalfall unreflektiert und werden nur in einer
intensiven Auseinandersetzung bewusst. Zu Rollen in Gruppen gibt es
unterschiedliche Theorien und unterschiedlichste Rollendefinitionen. Es
sollen
hier
nur
exemplarisch
EntscheidungsträgerInnen,
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einige
MitläuferInnen,
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angeführt
werden:
AußenseiterInnen,
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„Sündenböcke“, usw. Wichtig ist festzuhalten, dass die Rolle in einer
Gruppe nicht unbedingt etwas mit der Person zu tun haben muss, die sie
einnimmt. Personen fungieren meist als TrägerInnen von Funktionen die
zu jeder Gruppe als konstruiertes Sozialsystem gehören.
Für eine Gruppe ist die Größe ein entscheidendes Kriterium. Zwei
Personen bilden ein Paar und noch keine Gruppe. Kleine Gruppen (3 - 4
Personen) sind im Allgemeinen sehr konfliktanfällig während bei großen
Gruppen die Gefahr besteht, dass sie in einige kleinere Untergruppen
zerfallen. Bei einer Anzahl von 30 - 40 Personen kann man kaum mehr
von einer Gruppe sprechen, da sich das Wir-Gefühl hier meist schon über
Untergruppen
definiert
und
alle
40
Personen
nicht
mehr
wirklich
aufeinander bezogen sind. Ab dieser Größenordnung spricht man daher
meist bereits von einer Organisation.
1.2. Gruppenphasen
Gruppen
haben
als
dynamische
soziale
Systeme
eine
bestimmte
Entwicklungsgeschichte. Obwohl jede Gruppe eigene Normen, Regeln und
Dynamiken entwickelt, lässt sich die Entwicklung in Phasen darstellen, die
bei allen Gruppen in ähnlicher Form verläuft. Dennoch stellen diese Phase
keine zwangsläufigen Naturgegebenheiten dar.
Das
Verhalten
der
Gruppe
als
Gesamtheit
sowie
der
einzelnen
TeilnehmerInnen zu den gleichen Problemen gestaltet sich in jeder Phase
anders. Ein Grundlagenwissen über diese Entwicklung ermöglicht es den
LeiterInnen die Gruppe und die einzelnen besser einzuschätzen, ein
Programm besser auf die Bedürfnisse der Gruppe abzustimmen und ein
Verständnis für Verhalten, Rollen, Gefühle und Kommunikation der Gruppe
zu entwickeln.
Aus den vielen Theorien zu Gruppenphasen möchte ich das gängigste
Modell nach Bruce Tuckman kurz darstellen. Es wurde bereits in den 60er
Jahren entwickelt stellt aber noch immer das am weitesten verbreitete
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dar.
Allgemein
verlaufen
die
Phasen
nie
geradlinig,
es
kommt
zu
Überschneidungen und Übergängen, einzelne TeilnehmerInnen können
schon in eine neue Phase übergegangen sein, sie treiben dann die
Geschwindigkeit der Entwicklung voran. Verharren in einer Phase hemmt
den weiteren Verlauf der Entwicklung einer Gruppe.
In Anschluss an Tuckman wird die Entwicklungsgeschichte von Gruppen in
vier
Phasen
gegliedert.
Die
Weiterentwicklung
des Modells
kommt
schließlich auf folgende sieben (Phase 3-6 stammt von Tuckman, die
anderen kamen später hinzu):
1. Preforming
Preforming beginnt vor dem eigentlichen Seminar. Die TeilnehmerInnen
sind bereits eingetroffen, die LeiterInnen noch abwesend. Es beginnt ein
vorsichtiges Kennenlernen einzelner TeilnehmerInnen.
2. Warming
Leitung und Gruppe sehen sich zum 1. Mal.
Auch die TeilnehmerInnen
kennen sich in der Regel nicht zur Gänze. Dadurch entsteht Unsicherheit
und der Wunsch andere kennenzulernen und aufeinander zuzugehen. Ein
vorsichtiges Erkunden der TeilnehmerInnen und der Leitung beginnt. Es
werden Anknüpfungs- und Differenzierungspunkte zu anderen gesucht.
Leitungsverhalten:
Es sollte in dieser Phase klare Vorgaben der Leitung geben. Dadurch
klären sich oft diffuse Erwartungen der TeilnehmerInnen. Ein klarer
inhaltlicher und methodischer Rahmen erhöht die Sicherheit in der Gruppe
und
ermöglicht
das
Kennenlernen.
Ratsam
ist
es
die
einzelnen
TeilnehmerInnen rasch einzubinden und sie durch eine Vorstellrunde oder
mittels einer Übung „zum Sprechen“ zu bringen. So ist das Eis schnell
gebrochen.
Stand: 30. September 2006
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3. Forming
„Wir als Gruppe“ beginnt zu entstehen. Unsicherheit wird nach und nach
abgebaut.
Es
beginnt
ein
„Abtasten“
und
Kennenlernen
der
TeilnehmerInnen. Mit Beginn des Forming wird es schwierig für andere
Personen in die Gruppe einzusteigen.
Leitungsverhalten:
ähnlich Warming, erste Freiräume zulassen;
4. Storming
Die TeilnehmerInnen kennen sich, sie sind bereit sich auf die anderen und
auf die Gruppe einzulassen, sich einzubringen und etwas zu investieren.
Erste Konflikte und Meinungsverschiedenheiten können auftreten. Die
TeilnehmerInnen beginnen ihren Status in der Gruppe zu testen, sie
grenzen sich voneinander ab und differenzieren sich. Positionen und
Funktionen in der Gruppe verfestigen sich. Durch Diskussionen entstehen
Regeln und Normen.
Es wird klar welches Verhalten in der Gruppe als
erwünscht und als unerwünscht gilt. Sanktionen können auftreten. Die
Gruppe grenzt sich von der Leitung ab.
Diese Phase gilt auch als „Machtkampfphase“. Es entscheidet sich wer
Mitglied der Gruppe wird und bleibt und in wie weit die Leitung als solche
akzeptiert wird.
Leitung:
In dieser Phase ist es wichtig auf die Mitglieder in der Gruppe einzugehen.
Es sollte nicht zu viel und nicht zu autoritär vorgegeben werden, da sich
Widerstand regen kann. Meinungen und Positionen sollten gehört und
ausdiskutiert werden. Dennoch muss die Leitung sehr präsent sein, vor
allem intervenierend und moderierend eingreifen, denn in dieser Phase
lernt
die
Gruppe
mit
Konflikten
umzugehen.
Schwächere
Gruppenmitglieder müssen durch die Leitung unterstützt werden, in vielen
Fällen muss sich die Leitung zur Abarbeitung von Konflikten und als
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„Sündenbock“ zur Verfügung stellen.
5. Norming
Die Spielregeln und Funktionen in der Gruppe sind klar.
Das Vertrauen
der Gruppenmitglieder untereinander hat sich entwickelt. Es wird dadurch
möglich eigene Stärken und Schwächen zu zeigen. Das „Wir-Gefühl“ ist
sehr stark ausgeprägt, nicht mehr die einzelnen stehen im Vordergrund
sondern die Gruppe.
Konflikte können leichter ausgetragen werden, da
die Gruppe Verfahren entwickelt hat um Arbeitsfähigkeit herzustellen und
Entscheidungen rasch zu treffen. Die Gruppe erreicht einen hohen
selbstständigen Organisationsgrad.
Die Gefühlsebene wirkt durch das
Storming noch in dieser Phase fort, wodurch einige Entscheidungen noch
sehr emotional getroffen werden können.
Leitung:
Was inhaltliche Vorgaben betrifft so kann die Leitung viel Verantwortung
an die Gruppe abgeben. Die Leitung sollte aber hinter der Gruppe, die
Einzelnen und ihre Bedürfnisse nicht aus den Augen verlieren.
6. Performing
Die Gruppe befindet sich am Höhepunkt ihrer Produktivität, auch das „WirGefühl“ ist in dieser Phase am stärksten ausgeprägt. Einzelne können sich
gut
einbringen
und
Gruppenentscheidungen
eine
werden
eigene
immer
Meinung
mehr
auf
vertreten.
sachlicher
Ebene
getroffen. Erst in dieser Phase, in der die Gruppe die eigenen Probleme
gelöst hast, könnten wieder neue Mitglieder aufgenommen werden, sofern
die Bereitschaft besteht sich in die gruppeneigene Tradition einzufügen.
Leitung:
Die Gruppe kann selbstständig arbeiten und selbst
Verantwortung
übernehmen. Die Leitung tritt in den Hintergrund, gibt Hilfestellung bei
der Reflexion von gruppendynamischen Prozessen.
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7. Informing
Alle Beziehungen der Mitglieder sind geklärt, die Gruppe als Ort verliert an
Spannung. Die Mitglieder knüpfen andere Beziehungen oder die Gruppe
vermischt sich mit einer anderen. Allgemein geht es in dieser Phase um
die Trennung. Erfahrungen, die in der Gruppe gemacht wurden, werden in
die eigene Praxis übertragen.
Die Gruppenvergangenheit wird verklärt; bestimmte Erfahrungen in der
Gruppe immer wieder ins Gedächtnis gerufen. Die Einzelnen wollen sich
zwar nicht trennen, aber dennoch nichts neues mehr in die Gruppe
investieren.
Leitung:
Unterstützung bei der Auflösung der Gruppe und Hilfe bei der Trennung.
Je nach Ziel und Intention der Gruppe Initiierung neuer Arbeitsgruppen
und Prozesse um wieder Arbeitsfähigkeit herzustellen und ein neuerliches
Durchlaufen der Phasen zu ermöglichen.
1.3. Leiten und Führen von Gruppen
Wie in 1.2. gezeigt wurde, verlangen die einzelnen Phasen in denen sich
eine Gruppe befindet unterschiedliche und an diese Phase angepasste
Führungskonzepte.
Eine Gruppe die an ihrem Anfang steht kann selbstständig wenig
Funktionen übernehmen. Die Leitung muss in diesem Fall vieles vorgeben,
z.B. Ziele,
Arbeitsformen, die einzelnen in die Gruppe einbeziehen,
moderieren, usw.
Mit
fortschreitender
Entwicklung
kann
die
Gruppe
immer
mehr
Verantwortung übernehmen. Die Leitung kann nach und nach Funktionen
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und Verantwortung an die Gruppe abgeben.
Wird von der Leitung mehr Verantwortung übernommen als der Gruppe in
einer
bestimmten
Übersteuerung.
Phase
Die
entsprechen
Leitung
wird
als
würde,
so
autoritär
kommt
und
es
zur
bevormundend
wahrgenommen.
Übernimmt die Leitung die entsprechende Funktion und Verantwortung in
der Gruppe nicht oder nur unzureichend, entsteht ein Machtvakuum. Die
Gruppe fühlt sich verunsichert und im Stich gelassen.
Allgemein unterscheidet man verschiedene Führungsstile, die an die
jeweilige
Gruppenphase
bzw.
an
eine
bestimmte
Gruppensituation
angepasst werden sollten. Dieses Anpassen und Eingehen auf die
Gruppe und ihre Bedürfnisse wird als situativer Führungsstil
verstanden und stellt die Idealform dar. Er setzt sich im Wesentlichen aus
folgenden anderen Formen zusammen, die nur für sich genommen und
einseitig angewendet viele Führungskonflikte auslösen können.
1. Autoritärer Führungsstil
Strikte
Vorgaben
durch
die
Leitung.
Ziele
und
Methoden
werden
vorgegeben, die Arbeitsausführung wird überwacht und kontrolliert, die
Anweisungen werden nicht begründet.
Kurzzeitig ermöglicht dieser Stil hohe Produktivität und vermittelt den
Einzelnen Sicherheit, da sie selbst keinerlei Verantwortung übernehmen
müssen. Langfristig kommt es zur Abhängigkeit von der Leitung, die
Gruppe
entwickelt
keine
eigenen
Kommunikations-
und
Problemlösungsstrategien, es entsteht Frustration und Aggressivität, die
Leitung wird abgelehnt, die Produktivität der Gruppe sinkt rapide.
2. Demokratisch-Kooperativer Führungsstil
Die Leitung behält die Führung ermöglicht der Gruppe viele Freiräume zur
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Entfaltung. Die Leitung hat vor allem die Aufgabe die Gruppenprozesse zu
beobachten und die Gruppe zur Reflexion anzuleiten.
Die TeilnehmerInnen werden in Entscheidungen miteingebunden, ist die
Gruppe weit genug entwickelt können die Entscheidungen unter Anleitung
und Moderation von der Gruppe getroffen werden. Auch in Abwesenheit
der Leitung kann sich die Gruppe selbst organisieren und weiterarbeiten.
Die Gruppe lernt Konflikte zu lösen und kann diese Fähigkeit auch alleine
einsetzen.
3. Laissez-Faire Stil
Die Leitung verhält sich passiv und nachgiebig, schreitet nicht ein und
lässt
alles
angewendet
geschehen.
Im
Extremfall
vermittelt
die
Leitung
Geschehnisse in der Gruppe.
und
in
absolutes
falschen
Situationen
Desinteresse
für
die
Die Gruppe ist nicht Arbeitsfähig. Die
Teilnehmerinnen sind ratlos, Unsicherheit verbreitet sich. Längerfristig
zerfällt die Gruppe, schwächere Gruppenmitglieder können sich nicht
entfalten und werden hinausgedrängt.
Im Idealfall sollte die Leitung möglichst rasch vom autoritären Stil zum
demokratischen übergehen.
Nur so kann eine Gruppe zu einer sich selbst führenden Gruppe werden,
die lange Bestand hat. In dieser Konstellation ohne Leitung werden die
verschiedenen
Funktionen
abwechselnd
von
den
TeilnehmerInnen
wahrgenommen. Notwendig allerdings ist ein tiefgreifendes Vertrauen
aller Gruppenmitglieder zueinander und die Möglichkeit sich selbst gemäß
seinen Fähigkeiten einzubringen.
2. Anwendung von Methoden
Bei der Anwendung von Methoden sollten immer die Gruppengröße, die
Dauer, das Ziel, die Beobachtungskriterien und das benötigte Material
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bedacht werden.1
Gruppengröße:
Ist diese Übung mit dieser Anzahl an TeilnehmerInnen durchführbar?
Kann ich alle TeilnehmerInnen im Auge behalten?
Ist die Gruppe zu klein und die Übung dadurch langweilig oder eintönig?
Gibt es genügend TeilnehmerInnen die sich offensiv einbringen werden?
....
Dauer:
Zu schnell zu langsam?
Wie lange wird diese Gruppe benötigen?
Könnte es durch eine zu lange Dauer langweilig werden? ....
Ziel:
Weshalb setze ich genau diese Methode, dieses Setting ein?
Welche Ergebnisse erwarte ich von der Gruppe?
Welche Möglichkeit der Aufarbeitung gibt es um den TeilnehmerInnen den
Sinn der Übung zu vermitteln?
Wie schätze ich die Gruppensituation ein?
Kann die Gruppe mit dieser Übung umgehen oder werden Probleme
auftreten?
Ist die Übung emotional überfordernd?
Können Probleme und Konflikte auftreten, die nicht aufgearbeitet werden
können? ....
Beobachtungskriterien:
Wie kann ich einen Überblick über die TeilnehmerInnen behalten?
Welche verbalen und nonverbalen Signale gibt es?
Kann ich alleine die Moderation übernehmen?
Wie aktiv können sich einzelne an Diskussionen beteiligen?
1
Die folgenden Tipps und Fragestellungen sind dem Potz Blitz – TutorInnenhandbuch der ÖH entnommen.
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Gibt es einen freien Meinungsaustausch?
Sind die vorgebrachten Argumente sachlich?
Welche Regeln und Normen gibt es in der Gruppe? .....
Material:
Ist die nötige Infrastruktur (Computer, Internet, TV, etc.) vorhanden?
Brauche ich zusätzliche Materialen (Papier, Kärtchen, Stifte, ...)?
Was muss vor der Sitzung vorbereitet werden (Flips, Power Point
Präsentationen, ...)? ....
3. Literatur
Gäde, E. und Listing, Th.: Gruppen erfolgreich leiten, Empfehlungen für
die Zusammenarbeit mit Erwachsenen, Mathias-Grünewald-Verlag, Mainz,
1993
Heitger, Barbara; Schmitz, Christoph; Zierler, Hans Peter; Hantschk, Ilse:
Potz Blitz, TutorInnenhandbuch des Tutoriumsprojekts der ÖH, Wien ?
Langmaack, B. und Braune-Krickau, M.: Wie die Gruppe laufen lernt,
Anregungen zum Planen und Leiten von Gruppen, Ein praktisches
Lehrbuch, Psychologie Verlags Union, München, 1989
Rabenstein, R., Reichel, R. und Thanhoffer, M.: Das Methoden-Set, 5
Bände für Referenten und Seminarleiterinnen, Ökotpia Verlag, Münster
2001
Schwäbisch, L. und Siems, M.: Anleitung zum sozialen Lernen für Paare,
Gruppen und Erzieher, Rororo, Reinbeck 1974
Vopel, K.W.: Wirksame Workshops, Iskopress, Salzhausen 1996
Stand: 30. September 2006
19
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4. Theorieinput „Gruppenprozesse im virtuellen Raum“
Zeitlicher Rahmen: ca. 1 Std.
Ziel und Relevanz für das Tutorium:
Der Theorieinput dient der Sensibilisierung für den differenzierten Umgang
mit
neuen
Medien.
Gruppenbildung
herkömmliche
durch
Den
TutorInnen
virtuelle
soll
Elemente
Community-Building-
bewusst
anderen
Prozesse
in
werden,
Regeln
der
dass
folgt
als
face-to-face-
Kommunikation.
Des Weiteren sollen die TeilnehmerInnen einen Zusammenhang zur
Vernetzungsstrategie im Sinne des Professional Community – Ansatzes
begreifen.
Da,
wie
schon
angesprochen
wurde,
die
Professional
Community eine Verschränkung von präsenten und virtuellen Strukturen
voraussetzt soll nach den Inputs zur Gruppendynamik (vor allem im
präsenten Raum) auch die virtuelle Komponente bearbeitet werden.
Nachdem die TeilnehmerInnen schon selbst sehr viel über ihre eigene
Gruppe erfahren und reflektiert haben, ist es an der Zeit, alle Erfahrungen
in
einen
theoretischen
Hintergrund
zu
betten
und
Einblicke
in
Gruppenprozesse im virtuellen Raum zu bekommen.
Material: PPT-Folien, Handouts und Literaturhinweise
Input:
1. Gruppenprozesse im virtuellen Raum
1.1 Einleitung
Jedes Mal, wenn neue Technologien an den Markt kommen stellen sich
WissenschaftlerInnen & AnwenderInnen die gleichen Fragen: „Wie lernen
wir mit der neue Technologie?“, „Wie kann neues Wissen generiert
werden“ oder ganz einfach ausgedrückt, „welchen Mehrwert bietet uns
eigentlich diese neue Technologie?“ Diese und viele anderen Fragen
Stand: 30. September 2006
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beschäftigten
auch
herauszufinden,
Gilly
was
Salmon,
wirklich
die
sich
funktioniert,
bzw.
vor
wie
allem
bemüht
Lehrende
und
Lernende die Technologien zufrieden stellend anwenden können bzw. wie
man diese Lernumgebung gestalten könnte um erfolgreicher damit zu
agieren.
Im Folgenden wird nun Salmons Konzept der„eTivities“2 vorgestellt. Sie
beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit den virtuelle Lehr/ und
Lern- Erfahrungen von Studierenden, TutorInnen und Lehrenden und
versucht, durch diverse Studien, die oben aufgeworfenen Fragen zu
beantworten.
Bei einer genaueren Betrachtung von asynchroner3 und synchroner4
Kommunikation hat sich in ihren Studien herausgestellt, dass „obwohl
synchrone Kommunikation attraktiv ist und Spaß macht, nachhaltige
Kurse vor allem auf asynchroner Kommunikation basieren. Über mögliche
Vor- und Nachteile der Kommunikationsform könnten Bücher gefüllt
werden, doch trotz allem ist auch Salmon davon überzeugt, dass OnlineAktivitäten, die so genannten eTivities, vor allem auf asynchroner
Interaktivität basieren und bezeichnet diese Form des Lernens als
nachhaltiger
und
berücksichtigen,
kostengünstiger.
dass
Kommunikationsregeln
dies
passiert,
Jedoch
nicht
sondern
nach
viel
auch
hierbei
den
ist
zu
traditionellen
Engagement,
aktiver
Teilnahme und Moderation voraussetzt (siehe dazu Modul „Spezielle
Medienkompetenz). Der Aspekt des Neuen und Unvertrauten muss allen
Initiatorinnen von virtuellen Strukturen bewusst sein. Salmon stellt in
ihrem Buch „eModerating“5 deutlich fest, wie bedeutsam eine geführte
Moderation
bzw.
die
Ausbildung
von
eModeratorInnen
in
Online-
Arbeitsgruppen sein kann.
2
Salmon, G. (2002): E-tivities the key to active only learning. Sterling, Kogan Page Limited Stylus Publishing Inc. London.
http://www.atimod.com/e-tivities/intro.shtml
3
Nicht gleichzeitig,; Nicht in Takt –nicht auf Gleichzeitigkeit in der Datenübertragung angewiesen. www.langenscheidt.de. Bei
asynchronen Kommunikationswerkzeugen geschehen Interaktionen mit zeitlicher Verzögerung. Bsp.:Diskussionsforen, E-Mail
etc.
4
gleichzeitig, zeitlich: Im Ablauf übereinstimmend; sofort, unmittelbar und direkt. www.langenscheidt.de. Bei synchronen
Kommunikationswerkzeugen geschehen Interaktionen ohne wesentliche zeitliche Verzögerung. Bsp.: Chat, Videokonferenz,
Skype etc.
5
Salmon G. (2000): E-Moderating: The key to Teaching and Learning Online. Kogan Page Limited Sterling. Stylus Publishing
Inc. London.
Stand: 30. September 2006
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„Zum Glück wissen wir heute, dass wir nicht nur für die technische
Infrastruktur sorgen dürfen, sondern dass wir die ModeratorInnen
trainieren müssen.“
Ein erster Schritt ist nun durch die Ausbildung der Medienkompetenz für
TutorInnen der Studieneingangsphase schon getan.
Das nun vorgestellte 5-Stufenmodell der eTivities nach Gilly Salmon soll
vor allem dafür eingesetzt werden, um die Online (bzw. Blended)
LernerInnen an die Zusammenarbeit in virtuellen Räumen zu gewöhnen.
Die Lernenden sollen durch die angeleiteten Online-Aktivitäten kollaborativ
arbeiten
und
Reflexionsprozesse
innerhalb
der
Gruppen
bzw.
Selbstreflexionen initiieren. Die von Gilly Salmon konzipierten eTivities
bestehen
wie
schon
erwähnt,
hauptsächlich
aus
geschriebener
Kommunikation (z.B. Online-Forum).
2. Fünf Stufen-Modell für virtuelle Communities in der Lehre nach
Salmon
Das Fünf-Stufen –Modell nach G.Salmon zeigt, welche Gruppenprozesse in
einer
Online-
Lernumgebung
ablaufen
können.
eTivities
(Klare
Aktivitätshäppchen, die den Lernprozess strukturieren und unterstützen)
fördern den Übergang der LernerInnen von einer Stufe zur nächsten:
2.1 Acess & Motivation
Ausgehend von einer universitären Lehrveranstaltung stellt dies den
Einstieg auf diese Stufe dar. Hier haben die TeilnehmerInnen das erste
Mal Zugang zur Community. Sie lernen sich zumeist präsent kurz kennen
und haben die Aufgabe bzw. die Möglichkeit ins virtuelle System
einzutreten und sich umzusehen (zu „Lurken“6). Diese Phase dient dazu,
die Scheu in der neuen Umgebung abzulegen und sich mit den neuen
Gegebenheiten
vertraut
zu
werden.
In
dieser
Phase
müssen
die
TeilnehmerInnen noch keine Aktionen setzen, es reicht, wenn sie stille
6
Lurker: Zaungast. „Ein Lurker ist ein passiver Teilnehmer an einer Online-Diskussion. Er liest nur mit und beteiligt sich nicht
aktiv an der Diskussion.( http://www.itwissen.info/definition/lexikon///__lurker_sp%E4her.html)
Stand: 30. September 2006
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BesucherInnen („Lurker“) sind. Dass heißt nach Wenger7 (Begründer der
Communities of Practice), dass sich die TeilnehmerInnen zuerst in der
„Peripherie“ befinden und langsam und bedacht Teil der Community
werden.
In dieser Phase liegt es sehr stark an dem/der Lehrenden, den
Studierenden die Scheu vor den Neuen Medien zu nehmen, Ihnen (auch
technische) Hilfestellung zu bieten, um die Technologiehürden besser
überwinden zu können. Ziel dieser Phase ist es, dass die Lernenden
kompetent mit den anzuwendenden Tools umgehen können bzw. diese
auch kritisch hinterfragen; das Für und Wider der Neuen Medien abwägen
und sich fragen, welchen persönlichen Mehrwert diese Art des Lernens mit
sich bringt.
Als Lehrender sollte man diese Stufe nicht unterschätzen. Es sollen
jederzeit konkrete (auch technische) Probleme angesprochen werden
können. Des Weiteren sollte man allen
TeilnehmerInnen genügend Zeit
lassen, aus der „Lurker- Rolle“ herauszutreten und aktiv zu werden. Dies
ist vor allem durch unverbindliche Aufwärmübungen wie zum Beispiel
durch unterschiedlichste Methoden des Kennenlernens, möglich.
2.2 Online –Socialization
In der zweiten Stufe nach Salmon gewöhnen sich die TeilnehmerInnen an
die eLearning-Tools. Sie übernehmen kleinere Aufgaben, informieren sich
über ihre Gruppenmitglieder und beginnen über irrelevante Punkte zu
chatten/im Forum zu posten. Wichtig ist, dass sich die Mitglieder der
Community aneinander und an den virtuellen Prozess gewöhnen. Die
TeilnehmerInnen beginnen laut Salmon in dieser Phase ihre Rolle in ihrem
gemeinschaftlichen Lernprozess zu definieren.
Dies stärk vor allem die Zugehörigkeit zur Gruppe und das Wir –Gefühl.
(Bsp:
Offene
Gruppenfindungprozesse
nach
der
Kennenlernphase;
7
vgl. Wenger, Etienne: Communities of Practice. Learning, Meaning and Identity.- Cambridge : Cambridge University Press,
1998.
Stand: 30. September 2006
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Festlegung eigener Gruppenbereiche auf der Plattform in der jedes
Gruppenmitglied die Möglichkeit hat, sein/ihr eigenes Profil zu erstellen).
Die
Gruppenmitglieder
lernen
unterschiedliche
Persönlichkeiten
und
Interessen kennen.
Zu diesem Zeitpunkt sollten unbedingt gemeinsame „Spielregeln“ (oder
auch Nettiquette genannt) festgelegt werden um transparent zu machen,
wie
die
Gruppenmitglieder
miteinander
umgehen
möchten,
da
die
Lernenden auch darauf sensibilisiert werden sollten, dass Online-Regel
nicht durch Präsenzregeln determiniert sind.
Gleich darauf folgt die erste inhaltliche Auseinandersetzung und der
zunehmende Informationsaustausch unter den TeilnehmerInnen in der
sich der kommunikative Austausch über eine virtuelle Plattform etabliert
und die Lernenden wie auch die Lehrenden auf einen eigenen Rhythmus
des gemeinsamen Online- Arbeitens einigen.
Beispiele aus dem Buch:
„Diskutieren
Sie
über
eingebracht
werden.
Randthema
Wie
stehen
XY
Sie
wo
persönliche
zu….Regeln
Erfahrungen
aktiv
festlegen:
Erarbeiten Sie in der Gruppe…und überlegen sie sich dabei, wie sie am
Besten online zusammenarbeiten.“
3.3 Information Exchange
In dieser Phase tauschen sich die TeilnehmerInnen immer intensiver
miteinander aus. Es wird Material bereitgestellt, gelesen und mit anderen
diskutiert. Lehrende sollten immer gruppengerechtes Lernmaterial zur
Verfügung stellen und die Gruppen zur aktiven Mitarbeit auffordern, indem
sie ihnen zum Beispiel die Möglichkeit geben und die Erwünschtheit
vermitteln, kritische Äußerungen, kreative Lösungen und praktische
Beispiele zum Lernmaterial zu äußern, um so den Diskussionsprozess in
der Gruppe noch stärker zu aktivieren.
Stand: 30. September 2006
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3.4 Knowledge Construction
LernerInnen werden nun fähig, ihr Wissen zu konstruieren. Sie reflektieren
ihre Konzepte, diskutieren diese mit anderen LernerInnen, erweitern Ihren
Horizont und denken über Qualitätssicherung nach. In dieser Phase sollen
die
TeilnehmerInnen
nun
autonom(er)
werden
und
selbst
Diskussionsprozesse bzw. Gruppenprozesse anregen. In dieser Phase geht
es nicht mehr nur um bloßen Informationsaustausch sondern um kreative
Lösungen und praktische Anwendungen tatsächlich in die Thematik zu
integrieren. Wissen soll nicht „vermittelt“ werden; Die Lernenden sollen
stattdessen versuchen,
ihre Wissenskonzepte „abzugleichen“. In dieser
Phase ist es wichtig, ModeratorInnen einzusetzen, die u.a. persönliche
Erfahrungen und Ansichten einfordern und Diskussionen stimulieren bzw.
sie auch einmal beenden. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die
Ergebnissicherung jeder moderierten Online-Aktivität.
3.5 Development
In
dieser
Phase
soll
Lehrenden/ModeratorIn
Anregungen
für
der
Prozess
versucht,
weitere
die
Diskussion
abgeschlossen
Thematik
(meist
werden.
Der
abzuschließen
und
nach
Beendigung
der
Lehrveranstaltung) zu geben. In einer herkömmlichen Lehrveranstaltung
mit Benotungsabsicht ist diese Phase aber erfahrungsgemäß nicht sehr
erfolgsversprechend, da die Lernenden nach Ende des Semesters wieder
neue Kurse belegen, und sich kaum mit den Inhalten einer schon
abgeschlossenen Lehrveranstaltung beschäftigen.
In dieser fünften Stufe beenden die LernerInnen ihre Zeit als Studierende.
Sie entscheiden sich im Idealfall selbst was sie lernen möchten, sie
organisieren sich selbst ihre Lernumgebung und entscheiden, mit wem sie
diskutieren möchten und tauschen ihre Ideen aus. Nun sind sie fähig, neu
hinzugekommene Personen zu unterstützen.
Die Gruppe wird autonom, übernimmt selbst die Steuerung des Prozesses.
Im Idealfall setzt neben einer inhaltlichen Reflexion eine Reflexion über
die eigene Gruppe ein, in der es unter anderem um die Frage „Wie lernen
Stand: 30. September 2006
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wir, wie arbeiten wir“ gehen könnte.
Besonders erfolgsversprechend scheint diese Phase als berufsbegleitendes
Modell zu sein in der die LernerInnen immer wieder zurückkommen, um
sich über Probleme aus dem Arbeitsbereich zu unterhalten (Beispiel:
Professional Community).
Als Lehrender bzw. ModeratorIn ist darauf zu achten, die richtige
Geschwindigkeit
für
das
„Loslassen“
der
Gruppe
zu
wählen
und
individuelle Entwicklungen in den einzelnen Gruppen immer wieder zu
unterstützen. Auch nach Autonomisierung der Gruppe sollte der Lehrende
ab und an als Moderator agieren, das Gruppenklima beobachten und
soziale Probleme innerhalb der Gruppe ansprechen. Des Weiteren sollte
darauf geachtet werden, dass die Gruppen nicht von einer einzelnen
Person dominiert werden und dadurch der kreative Arbeitsprozess zum
Stillstand kommt.
Als ModeratorIn/Lehrende/r könnte man u.a. mit folgenden Aktivitäten die
Autonomie der Gruppe fördern:
Erstellen Sie einen Arbeitsplan in Ihrer Gruppe für …
Welche Ziele formulieren Sie sich für…
Welche gemeinsamen Aktivitäten schlagen Sie für Ihre Gruppe vor?
4. Weitere Prinzipien
4.1 Zusammenfassende Prinzipien erfolgreicher eTivities (nach
Salmon):
Salmon hat versucht, den AnwenderInnen der eTivities noch einige
Prinzipien mit auf den Weg zu geben, welche nun im folgenden Abschnitt
zusammengefasst wurden:
Versuchen Sie den TeilnehmerInnen immer transparent zu machen,
welche Zielvorstellungen und Lehrinhalte Sie vermitteln wollen, bzw.
Stand: 30. September 2006
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versuchen Sie zu erläutern, welche Beurteilungskriterien zur Benotung
(z.B. von Lehrveranstaltungen) herangezogen werden. Des Weiteren sollte
auch
darauf
geachtet
werden,
die
Aufgaben
der
so
genannten
eModeratorInnen immer explizit zu machen.
Vergewissern
Sie
Aufgabenstellungen
sich,
und
dass
die
TeilnehmerInnen
Zieldefinitionen
für
die
über
jeweiligen
Ihre
eTivities
bescheid wissen. Beachten Sie bei Einsetzen einer eTivity, einen Anfang
und ein Ende zu definieren, sodass sich die TeilnehmerInnen auf die Dauer
und Arbeitsintensität der Online- Aktivität einstellen können.
Vergewissern
Sie
sich,
dass
Ihre
geplante
Evaluation
und
Leistungsüberprüfung mit den Zielen der eTivities einhergehen.
1. Versuchen Sie die Motivation an der Teilnahme an eTivities als Teil des
Lernprozesses in Ihre Lehrveranstaltung einzubinden. Vermeiden Sie
es, die TeilnehmerInnen zum einfachen „Einloggen“ und „Diskutieren“
zu animieren. Vermitteln Sie den TeilnehmerInnen das Gefühl, dass die
Teilnahme an allen eTivities erstrebenswert für Ihren Lernfortschritt ist.
2. Versuchen
Sie
Erfahrungen
zu
erstrebenswert
den
TeilnehmerInnen
sammeln,
erscheint.
welche
D.h.
für
setzten
die
Möglichkeit
den/die
Sie
zu
geben,
Lernende
immer
Teilziele
die
wirklich
bewältigbar sind und versuchen Sie den Aktivitäts-Fluss nicht zu
unterbrechen.
3. Gehen Sie sorgsam mit Zeit und Tempo der Aktivitäten um. Teilen Sie
eventuell eTivities in kleinere Aktivitätshäppchen. Achten Sie aber
darauf, dass Sie nicht mehr als zwei oder drei eTivities pro Woche
einsetzen (weniger wären noch idealer).
4. Wenn Sie mehr als eine eTivity zur selben Zeit einsetzen ist es
empfehlenswert, diese miteinander in Bezug zu setzen und ein
“Programm entwickeln, welches für die TeilnehmerInnen transparent
ist. Verwenden Sie dazu das 5-Stufen-Modell.
5. Vergewissern Sie sich, dass die eTivities immer auf das Teilen,
Gestalten, Elaborieren oder tiefgründigeres Verstehen von Inhalten
fokussiert sind.
Stand: 30. September 2006
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6. Überprüfen Sie regelmäßig, ob Ihre TeilnehmerInnen miteinander
arbeiten müssen um ihre Lernziele zu erreichen. Wenn Sie keinen Weg
finden, wie die TeilnehmerInnen miteinander partizipieren müssen
(sollen) sind eTivities vielleicht nicht der richtige Weg für Sie.
7. Seien Sie großzügig bei der Zuteilung der eModeratorInnen –Zeit, vor
allem wenn die eTivities mit Stufe 1 bis 3 verzahnt sind.
8. Seien Sie bereit und vorbereitet. Seien Sie nicht überrascht über
glückliche Events.
9. Seien
Sie
immer
darauf
vorbereitet
eine
lehrreiche
Nachricht
bereitzustellen, die alle Informationen beinhaltet, um an der eTivity
teilzunehmen.
10.
Jede anweisende eTivity Nachricht sollte Folgendes beinhalten:
a. Die Zielsetzung der eTivity (warum die TeilnehmerInnen
bestimmte Dinge tun sollten). Wenn die eTivity beurteilt wird,
teilen Sie den TeilnehmerInnen mit, welche Indikatoren dafür
herangezogen werden und wie man die verlangten Ziele am
Besten erreichen könnte.
b. Was die TeilnehmerInnen tun sollen, und wie sie dies am
Besten tun könnten.
c. Wie lange die eTivity dauern sollte, oder dauern könnte.
Geben Sie an, wann die Aktivität ca. starten und enden sollte.
d. Wie die TeilnehmerInnen kollaborieren sollten.
4.1
Weiterführende Methode „Brainstorming“
Zeitlicher Rahmen: 45 Minuten
Ziel: Bei dieser Methode sollen sich die TeilnehmerInnen zuerst auf ein
Beispiel einigen und anschließend versuchen, alle Facetten und Phasen
einer
Online-Aktivität
(in
unserem
Fall
einer
Textbearbeitung)
zu
berücksichtigen und durchzuspielen. Das Beispiel soll graphisch dargelegt
und nach einer Kurzvorstellung zur Diskussion gestellt werden. Dies dient
Stand: 30. September 2006
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dem
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Ideenaustausch
unweigerlich
zu
der
einem
gesamten
bereichernden
Seminar-Gruppe
und
führt
Erfahrungsaustausch,
wenn
theoretisch durchgespielte Beispiele tatsächlich von manchen KollegInnen
schon in Realität durchgeführt wurden.
Material:
PPT-Folien
der
vom
Lehrenden
vorgestellten
Methoden,
Flipchart, Moderationskärtchen, Stifte, Handout
Ablauf:
•
Gruppenteilung, ca. 4 Personen pro Gruppe. Die einzelnen Gruppen
bekommen
ein
Flipchart,
Moderationskärtchen
und
Stifte
zur
Verfügung und versuchen der Aufgabenstellung gerecht zu werden.
•
Aufgabe: „Versuchen Sie, sich in der Gruppe eine Online-Aktivität
auszudenken, in der ein Text bearbeitet werden soll. Wie wurden Sie
diese Arbeit didaktisch umsetzen? Was müssen/sollten Sie dabei
beachten? Wie würden Sie die Studierenden anleiten?“
•
Nach
ca.
15
Minuten
Textbearbeitungsmethoden
werden
besprochen
und
die
eine
einzelnen
moderierte
Diskussion darüber geführt.
•
Im Anschluss daran bekommen die TeilnehmerInnen von den
Lehrenden
noch
ein
paar
Methoden
präsentiert,
bzw.
den
Literaturhinweis8 (101 eLearning-Seminarmethoden) inkl. einem
Handout mit ausgewählten Übungen aus diesem Buch.
5. Theorieinput „Gestaltungsstrategien erfolgreicher
Communities“
1. Einleitung:
Nicht in der Lehrveranstaltung bearbeitet, aber sehr hilfreich sind die
Leitlinien von Amy Jo Kim zur Gestaltung erfolgreicher Communities im
virtuellen
Raum.
Diese
sollen
vor
allem
TutorInnen
und
8
Häfele, Hartmut: Maier-Häfele, Kornelia: 101 eLearning – Seminarmethoden: Methoden und Strategien für die Online- und
Blended Learning Seminarpraxis. Bonn. managerSeminar VGmbh. 2004.
Stand: 30. September 2006
29
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LehrveranstaltungsleiterInnen helfen, bei Blended-Learning-Szenarien die
Plattform so zu gestalten, dass das Community-Building bzw. die
Implementierungsphase für alle Beteiligten lernfördernd wirkt.
Amy Jo Kim beschreibt in ihrem Buch „Community Building on the Web“9
neun zeitlose Gestaltungs-Strategien zur Aufrechterhaltung erfolgreicher
virtueller Communities. Kim bezeichnet dieses Zusammenspiel aller
Charakteristika des architektonischen, system-orientierten Community Building - Ansatzes als „Social Scaffolding“:
1.1 Definition und Artikulation der Ziele
Kim geht von der Natur des Menschen aus, dass nur aktuelle Bedürfnisse
die
Bereitschaft
schaffen,
sich
einer
Gemeinschaft
(Community)
anzuschließen. Um eine erfolgreiche Community zu ´builden´ muss den
einzelnen Mitgliedern klar werden, warum und für wen diese Gemeinschaft
von Nutzen sein soll. Nach dieser Klarstellung sollen im Folgenden
Vorstellung
über
das
Design,
die
Technologie
und
strategische
Vorgehensweisen offen gelegt werden.
1.2 Errichten von flexiblen, erweiterbaren, versammelnden Orten
Eine Community kann laut Kim nur dort ´Wurzeln schlagen´ wo sich
Menschen wegen eines gemeinsamen Zieles zusammenschließen sich
untereinander austauschen. Nach einer gemeinsamen Zieldefinierung
sollten flexible, klein gehaltene Umgebungen als Ort der Gemeinschaft
entstehen, in denen gemeinsam gearbeitet werden kann und sich ihre
Mitglieder entfalten können.
1.3
Bedeutungsvolle
und
entfaltende
Mitglieder-´Profiles´
gestalten
Die Maßnahme, stabile und aktuelle Mitgliederprofile zu erstellen,
soll
helfen, die Mitglieder einer Community untereinander besser bekannt zu
9
Kim, Amy Jo (2000): Community Building on the Web. Secret Strategies for Sucessfull Online Communities. Berkeley.
Peachpit Press.
Stand: 30. September 2006
30
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machen. Die historische, kontextuelle und persönliche Bereicherung kann
beim
Vertrauensgewinn,
der
Pflege
von
Freundschaften
und
der
Einbindung des persönlichen Engagements innerhalb der Gruppe als
hilfreich erachtet werden.
1.4 Zur Verfügung stellen einer Auswahl an Rollen
Die
Bedürfnisse
neuer
Mitglieder
zu
berücksichtigen
ohne
jedoch
Diejenige/Denjenigen vom seiner früheren Abstammung zu entfremden
bedarf einem permanenten Balance-Akt. Wenn eine Community weiter
wächst und ständig neue Mitglieder aufgenommen werden ist unbedingt
eine Anleitung nötig. Jedoch dürfen die anderen Mitglieder auch nicht
vernachlässigt
Möglichkeit
werden.
bestehen,
Je
nach
Führung,
Dauer
und
der
andere
Mitgliedschaft
soll
Beschäftigungen
die
bzw.
Aufgaben an die Mitglieder zu vergeben.
1.4.1 Rollen nach Kim (2000)
Visitor: Gäste oder Besucher, die keinen dauerhaften Zugang zur
Community besitzen.
Novices: Neue Mitglieder, die erst in die Gemeinschaft hineinwachsen
müssen.
Regulars: Etablierte Mitglieder der Gemeinschaft, die schon länger an den
Community-Aktivitäten teilnehmen.
Leaders: Freiwillige und unterstützende Personen, die die Community am
Leben erhalten und viele der organisatorischen Dinge übernehmen.
Elders: Langfristige Mitglieder, die ihr Expertenwissen mit den anderen
teilen und die Kultur der Gemeinschaft weitergeben.
1.5. Entwicklung einer stabilen Leitung
Kim beschreibt die Führung innerhalb einer Community als Treibstoff eines
Motors. Führung soll hierbei aber auch den/die ModeratorIn beinhalten.
LeiterIn oder ModeratorIn begrüßen Lurker und Besucher der Community,
Stand: 30. September 2006
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unterstützen ´Newbies´(Neulinge im Netz), unterrichten, beantworten
Fragen,
lösen
Konflikte
Moderationsprogramm
etc.
bedarf
Ein
aber
effektives
einer
Führungs-
sorgfältigen
Planung
bzw.
und
laufender Managementaufgaben, doch die Resultate sind laut Kim ihre
Investitionen und Anstrengungen wert.
1.6 Ermutigung zu angemessenen Umgangsformen (Etiquette)
Jede Gemeinschaft ist zeitweise mit internen Zankereien konfrontiert.
Werden diese Konflikte professionell abgewickelt, so kann dies auch
belebend
für
das
Gruppengeschehen
sein.
Anders
könnten
Unstimmigkeiten außer Kontrolle geraten und die Community sogar
auseinander reißen. Um diese Szenarien zu vermeiden schlägt Amy Jo Kim
einige grundlegenden Benimmregeln für die Teilnahme an Communities
vor.
1.7
Förderung
regelmäßiger
(periodischer)
Veranstaltungen
(Events)
Communities kommen zu bestimmten regelmäßigen Anlässen (wie z.B.
den
sonntäglichen
Abendessen,
die
Kirchenbesuch,
jährliche
das
monatliche
Konferenz,
die
gemeinsame
gemeinsame
Präsenzlehrveranstaltung) zusammen. Um eine ´loyale Anhängerschaft´
zu entwickeln und Freundschaften unter Gruppenmitgliedern zu pflegen
bedarf es regelmäßiger (Online) Treffen.
1.8 Integrieren von Community-Ritualen
Jede Gemeinschaft pflegt bestimmte Rituale um ihre Mitglieder zu ehren,
ihnen Anerkennung zu schenken und wichtige soziale Übergänge zu feiern.
Durch das Feiern von z.B. Ferien, Jahreszeitenwechseln, Beförderungen
etc. kann ein Fundament für eine wahrhaftige Online-Kultur gelegt
werden.
Stand: 30. September 2006
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1.9 Unterstützung von ´Member-Run´Subgruppen
Wenn das Ziel einer Community darin besteht, möglichst breit und groß
angelegt agieren zu können müssen vor allem Technologien bereitgestellt
werden, die die Schaffung und Realisierung von Untergruppen ermöglicht.
2. Merkmalsausprägungen erfolgreicher Communities nach Kim
Neben
diesen
neun
Merkmalsausprägungen
einer
erfolgreichen
Community beschreibt Amy Jo Kim noch drei weitere grundlegende
Prinzipien für die Gestaltung von (virtuellen) Communities, die, mit
geringfügigen Änderungen auch sehr gut auf Lehrveranstaltungsszenarien
umgelegt werden können:
1. Design for growth and change
2. Create and maintain feedback loops
3. Empower your members over time
Ad.1.:
Communities sollen laut Kim immer so angelegt werden, dass diese immer
wieder erweitert werden können. Dieser Ratschlag klingt fast banal,
jedoch zeigt sich aus Erfahrung, dass manche Technologien nicht darauf
ausgerichtet sind, Veränderungen innerhalb der Struktur einer Community
vorzunehmen.
Erfolgreiche,
lang
aufrechterhaltende
Communities
beginnen meist sehr klein, einfach und auf ein bestimmtes Thema
fokussiert und wachsen stetig im Laufe der Zeit. Die Komplexität nimmt
zu, die Community zeigt sich verantwortlich für die Bedürfnisse der
Mitglieder, die veränderten Bedingungen und der sich stetig wandelnden
Umwelten.
Ad.2.:
Eine
erfolgreiche
Community
beschreitet
immer
wieder
eine
Gratwanderung zwischen den Bemühungen der Leitung (Moderation) bzw.
des Managements und den Bedürfnissen der einzelnen Mitglieder. Um
dieser Co-Entwicklung von unterschiedlichen Bedürfnisse gerecht zu
Stand: 30. September 2006
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werden bedarf es einem direkten Kontakt der Leitung zur Community
(definiert durch ihre Mitglieder). Dieser Kontakt könnte durch regelmäßige
Feedback-Schleifen zwischen dem Management und den Mitgliedern
passieren
und
somit
unterschiedlichen
Ebenen
gewisse
Berührungspunkte
darstellen(in
unserem
zwischen
Beispiel:
den
Feedback-
Runden mit den TutorInnen nach jedem absolvierten Semester, Reflexion
unter den Studierenden, Reflexion unter den Lehrenden).Dieses Feedback
gibt vor allem dem Management Information darüber, inwieweit die
Mitglieder weiter eingebunden werden (müssen) wollen, welche Updates,
in technischer und informativer Hinsicht fällig sind.
Ad.3.:
Nachdem
die
Leitungsebene
geworden
Initialzündungen,
ausgehen,
ist,
sollen
die
die
wie
Gruppe
Zieldefinitionen
stetig
etc.
gewachsen
Community-Mitglieder
von
und
der
reifer
stufenweise
umfangreichere, verantwortungsvoller Rollen bzw. Funktionen im Aufbau
und der Aufrechterhaltung einer Community Kultur übernehmen. Wenn
man eine gut gedeihende große Community aufbauen möchte, sollte man
laut Kim eine gestufte Strategie verfolgen um die Idee und Bestrebung
der einzelnen Mitglieder in Schwung zu halten.
70
60
50
40
Members
30
Staff
20
10
0
Abb. Influence & Contributions (in Kim, 2000)
Stand: 30. September 2006
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Dokumentation & Materialien
3. Literatur
Kim, Amy Jo (2000): Community Building on the Web. Secret Strategies
for Sucessfull Online Communities. Berkeley. Peachpit Press.
Bacsich, P., Ash, C., Boniwell, K., Kaplan, L (1999). The Costs of
Networked Learning. Sheffield Hallam Univeristy.
e-teaching@university
e-Moderation : Katja Bett/Dr. Birgit Gaiser
http://www.e-teaching.org/lehrszenarien/vorlesung/diskussion/emoderation.pdf (24.04.2006)
Häfele,
Hartmut:
Maier-Häfele,
Kornelia
(2004):
101
eLearning
–
Seminarmethoden: Methoden und Strategien für die Online- und Blended
Learning Seminarpraxis. Bonn. managerSeminar VGmbh.
Logar, Sylvia/ Barbara Wenninger: Professional Communities –präsente
und virtuelle Form kollaborativen Lernens.- In: GÜNTHER, Johann (Hg.)
(2005): Virtuelle Kommunikation und Kollaboration. Tagungsband zum 10.
Business Meeting des Vereins Forum Neue Medien - Austria. Wien, Graz
(Verlag Neue Medien in der Lehre).
Salmon, G. (2002): E-tivities: The key to active only learning. Sterling,
Kogan Page Limited Stylus Publishing Inc. London.
http://www.atimod.com/e-tivities/intro.shtml
Salmon, G. (2000): E-Moderating: The key to Teaching and Learning
Online. Kogan Page Limited Sterling. Stylus Publishing Inc. London.
All Things in Moderation – Homepage von Gilly Salmon
http://www.atimod.com/ (09.05.2006)
Stand: 30. September 2006
35
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Review von G.Salmons eTivities
http://www.elearningreviews.org/topics/pedagogy/communication/moderating/2002-salmonetivities/ ( 10.05.2006)
Wenger, Etienne (1998): Communities of Practice. Learning, Meaning and
Identity.- Cambridge : Cambridge University Press.
6. Theorieinput „Die Professional Community im Kontext
von eBologna“
Zeitlicher Rahmen: ca. 30 Minuten
Ziel und Relevanz für das Tutorium:
Die TutorInnen sollen Einblicke in ein spezielles Vernetzungskonzept im
universitären Kontext erhalten, wobei ein konkreter Bezug zu ihrem
Praxisfeld
„Tutorium“
hergestellt
wird.
Relevant
ist
die
Vernetzungsstrategie im Sinne der Professional Community insofern als
die
Studierenden
der
Studieneingangsphase
über
ihre
Lehrveranstaltungen und die Gruppe der Studierenden hinaus mit bereits
erfahrenen StudentInnen – nämlich den TutorInnen – präsent aber in
diesem Fall vor allem im virtuellen Raum vernetzt werden. Ein Merkmal
der Professional Community ist die Heterogenität der Mitglieder, die von
einander aufgrund unterschiedlichen Vorwissens und Vorerfahrungen
gleichermaßen jedoch in unterschiedlicher Ausprägung lernen.
Material: PPT-Folien Literaturhinweise
Stand: 30. September 2006
36
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Input:
1. Begriffliche Orientierung – die Community
Ursprünglich
im
Zusammenhang
angloamerikanischen
mit
Raum
als
Wohltätigkeitskonzepten
Alltagsbegriff
wie
etwa
im
der
Nachbarschaftshilfe oder des Fundraisings von soziologischer Bedeutung,
hat sich der Begriff Community während der letzten Jahre zunehmend im
Internet und in weiterer Folge im Bereich des eLearnings etabliert. Auch
im deutschsprachigen Raum wird vorwiegend die englische Bezeichnung
Community und weniger die Übersetzung Gemeinschaft verwendet. Dies
mag einerseits auf die Zunahme an Anglizismen v.a. in der ‚IT-Welt’
zurückzuführen sein, andererseits aber auch an der historisch bedingten
politischen
Konnotation
des
deutschen
Gemeinschaftsbegriffs
(Volksgemeinschaft) liegen.10
Der
Terminus Community begegnet uns in verschiedenen Kontexten –
etwa
im
Arbeitsumfeld,
im
Zusammenhang
mit
Freizeit
oder
im
Bildungsbereich - und in vielfältigen Begriffskombinationen. So reicht die
Palette
der
Community,
Bezeichnungen
Virtual
von
Community,
Learning
Community
Knowledge
über
Community,
Online
Dynamic
Learning Community bis hin zu Communities of Practice. Der Ausdruck
Professional Community, der im Allgemeinen im Kontext von Lernen steht
und im Besonderen – also im Zusammenhang mit dem im vorliegenden
Manual beschriebenen Modul – auf die Vernetzung von TutorInnen präsent
und
virtuell
verweist.
Die
Professional
Community
wird
als
„eine
kombinierte präsente- und virtuelle Struktur“ definiert, die „zur Methode
der Vernetzung einer reflektierten Gruppe“ wird und gleichzeitig „den
Inhalt der Reflexion darstellt“, wodurch „signifikantes Lernen durch
Generierung von Wissen in der Community und über die Community
entsteht.“11
10
11
SEUFERT, 2002.
SCHRITTESSER, 2004.
Stand: 30. September 2006
37
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2. Die Professional Community im Kontext von „Medienkompetenz
für TutorInnen der Studieneingangsphse“
2.1
Konstellation einer Professional Community
Ursprünglich stammt das Konzept der Professional Community (PC) aus
dem Kontext der universitären LehrerInnenbildung, wo es derzeit als
Ausbildungskonzept
für
angehende
LehrerInnen
im
Zuge
eines
Forschungsprojekts beforscht wird. Der Ansatz kann allerdings auf
unterschiedliche Disziplinen und Bereiche übertragen werden, wie im Fall
der LV „Medienkompetenz für TutorInnen der Studieneingangsphase. In
diesem
Kontext
setzt
sich
die
PC
aus
TutorInnen,
Studierenden,
Lehrenden (STEP), ExpertInnen und LV-LeiterInnen (vorliegende LV)
zusammen, wobei die Mitglieder zwischenzeitlich ihre Rollen innerhalb der
Community wechseln oder in Doppelrollen schlüpfen können. D.h. die
TutorInnen können sowohl Studierende sein oder die LV-LeiterInnen
können auch als ExpertInnen auftreten, wenn sie etwa die TutorInnen
während ihrer Praxis beraten. (Abb. 2)
ExpertInnen
LV-LeiterInnen
Reflexion
Wissen
Können
Studierende
Austausch
Integration
TutorInnen
Lehrende (STEP)
Abbildung 2 „Konstellation einer Professional Community“
Stand: 30. September 2006
38
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2.2
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Charakteristika einer Professional Community
Um die Eigenschaften der Professional Community (PC) zu explizieren,
wird das Konzept in Kontrast zu der am häufigsten eingesetzten
Community, nämlich Etienne Wengers12 Communitiy of Practice (CoP)
gesetzt. Einerseits sind hier Gemeinsamkeiten, wie etwa die zugrunde
liegende Lernauffassung des situierten Lernens nach Lave & Wenger13 zu
erkennen, andererseits bestehen aber auch markante Differenzen, von
denen die augenfälligsten im Folgenden dargestellt werden.
2.2.1 Virtualität
CoPs weisen nicht zwingend eine virtuelle Struktur auf, wogegen sich PCs
definitiv als eine kombinierte präsente- und virtuelle Struktur verstehen.
Im Kontext dieser Lehrveranstaltung bedeutet dies, dass sich die
TutorInnen
während
der
mehrtägigen
Ausbildung
zu
Beginn
des
Semesters präsent als Gruppe formierten und über den Rest des
Semesters auf einer Lernplattform vernetzt wurden, wo sie sowohl
individuelle
Arbeitsbereiche
(vgl.
„Tutoriumstagebuch“)
als
auch
allgemeine Kommunikationsforen zur Verfügung haben. Weiters habend
die TutorInnen, die in der Konzeption und im Umgang mit
der
Lernplattform
der
geschult
sind,
den
Auftrag,
den
Studierenden
Studieneingangsphase zusätzlich zu den Präsenzlehrveranstaltungen die
Möglichkeit der Vernetzung im virtuellen Raum zu bieten, sodass sie eben
als Teil der PC mit anderen Mitgliedern (siehe 2.1) in Austausch treten
können.
2.2.2 Entstehung der Community
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen COPs und PCs liegt in
der Entstehung der Gemeinschaften. PCs entstehen nicht aufgrund einer
12
13
WENGER, 1998.
LAVE / WENGER, 1991.
Stand: 30. September 2006
39
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subjektiven Herausforderung sondern aus einer Notwendigkeit heraus und
werden aus diesem Grunde formal und intendiert implementiert. Im
Gegensatz dazu weiß man laut Wenger14 in der Regel nicht genau, wo
CoPs beginnen und wo sie enden – es fehlt Gründungs- und Enddatum.
2.2.3 Aufgabe
Mitglieder von CoPs gruppieren sich zwar um eine Aufgabe (joint
enterprise), haben aber keinen spezifischen Auftrag. Anders bei PCs,
deren explizite Aufgabe darin besteht, durch Austausch, Reflexion und
schrittweise Integration von Community-Mitgliedern je nach Einsatzgebiet
relevantes Wissen und Können zu generieren. (vgl. 2.3)
2.2.4 Gruppenstruktur
Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal bezieht sich auf die Struktur der
jeweiligen Community. CoPs besitzen normalerweise keine Struktur, in der
Personen a priori eine bestimmte Rolle (Wenger et al. bezeichnen dies als
‚Identitäten, die sich ausbilden’) innehaben, sondern eine solche, in der
Mitglieder der Community ihre Rolle aufgrund ihrer Tätigkeit und der
Akzeptanz durch andere Mitglieder erwerben. So entwickeln sich auf der
Basis von Kommunikationsprozessen aktive und weniger aktive Mitglieder,
ModeratorInnen, ExpertInnen etc.
Dies zeigt sich in der PC anders, da deren Struktur, wie unter 2.1
erwähnt, bestimmte Rollen vorsieht. Durch die Teilnahme von Lehrenden,
Studierenden, TutorInnen, LV-LeiterInnen und ExpertInnen ist eine
bestimmte Rollenzuweisung nicht zu vermeiden. TutorInnen, die sich in
der PC befinden werden im Laufe der Zeit immer wieder Doppelrollen
annehmen, da sie gleichzeitig als Studierende und TutorInnen oder auch
ExpertInnen (z.B. für die Studierenden der STEP) agieren.
14
WENGER, 1998.
Stand: 30. September 2006
40
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2.2.5 Steuerungsmechanismus
Das
theoretische
Ideal
einer
Community
kommt,
wie
Reinmann-
Rothmeier15 beschreibt, einer Wildblume gleich. D.h. sie wächst ohne
unnatürliche Einflüsse durch die Gegebenheiten der Natur dort, wo ein
Samen hinfällt und kann sich, wenn die Rahmenbedingungen (Wasser,
Sonne) stimmen voll entfalten. Genauso zufällig wie sie gekommen ist,
wird
sie
auch
wieder
verschwinden;
Sie
lebt
sozusagen
in
Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Selbstorganisation. Genau dies
trifft auch auf CoPs zu, denen man, wie unter 2.2.2 angeführt, kein
Gründungs-
und
Enddatum
zuschreiben
kann.
Die
Community
als
Wildblume stellt aber vor allem für Organisationen ein Hindernis dar, da
durch die Ungewissheit der Entstehung und des Ablebens keinerlei Einfluss
von
Außen
genommen
werden
kann
und
somit
auch
die
Entwicklungsrichtung unbeeinflussbar ist.
Das Konzept der PC vereint hingegen Selbst- und Fremdsteuerung. Diese
Verschmelzung
in
quasi
eine
kultivierte
Wildblume
soll
nun
als
Charakteristikum der PC fungieren. Die große Herausforderung dabei ist,
herauszufinden, wie viel externe Unterstützung eine Gruppe benötigt,
ohne jedoch ihre Besonderheit und ihr Potenzial als eigenständiges
soziales System zu verlieren.
Heintel / Königswieser16 haben versucht, diese Frage für Präsenzgruppen
in
Organisationsentwicklungsprozessen
zu
bearbeiten,
nachdem
sie
annahmen, dass Teams gut zusammengesetzt sind, ein klarer Auftrag
vorhanden ist und die Rahmenbedingungen allen Mitgliedern transparent
gemacht wurden. Das Selbststeuerungsprinzip von Heintel / Königswieser
besagt,
„dass
man
sich
selbst
beobachtet,
thematisiert,
Feedback
aufnimmt und reflektiert“. Durch diese Art der Metakommunikation lernen
Gruppen, sich zu „sich selbst in Beziehung zu setzen, an Ihren Ängsten
und Wünschen zu arbeiten“ und agieren somit „nicht naturwüchsig
sondern
15
16
steuern
sich
selbst“.
Gemäß
diesem
Prinzip
werden
die
REINMANN-ROTHMEIER, 2001.
HEINTEL / KÖNIGSWIESER, 1997.
Stand: 30. September 2006
41
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Besonderheiten der Fremd- und Selbststeuerung einer PC sichtbarer
gemacht.
2.3
Aufgaben einer Professional Community
Die Hauptaufgabe der Professional Community ist die Generierung von im
jeweiligen Einsatzbereich (z.B. LehrerInnenbildung) relevantem Wissen
und Können sowie – am Beispiel professionalisierten pädagogischen
Handelns - die Unterstützung der Reflexion und Habitualisierung einer
professionsbezogenen Identität.17
Dies geschieht durch Reflexion von Lernprozessen, durch Selbstreflexivität
und
Organisationsbewusstsein.
Des
Weiteren
finden
über
Erfahrungsaustausch, über kooperatives Erarbeiten von Inhalten sowie
durch
die
schrittweise
Integration18
der
Studierenden
Sozialisierungsprozesse zwischen den Mitgliedern statt. (Abb. 2)
Im
Rahmen
der
LV
„Medienkompetenz
für
TutorInnen
der
Studieneingangsphase“ wird mit der Implementierung einer PC die
Vernetzung der betroffenen AkteurInnen (vgl. 2.1) sowohl präsent als
auch virtuell während des Semesters verfolgt. Auf diese Weise bietet die
Community über die anfängliche Präsenzzeit hinaus - in der sich die
TutorInnen kennen lernen und die Gruppe gebildet und erlebet wird; wo
sie weiters bereits vorhandene Erfahrungen austauschen sowie einen
Methodenkoffer an die Hand bekommen – einen Ort des Austauschs und
möglichen Strategieentwickelns; der Reflexion, der Begleitung sowie der
Integration durch stete Kompetenzentwicklung.
2.4
Die Professional Community im virtuellen Raum
Im Zuge der hier beschriebenen Lehrveranstaltung wird der PC –
vorwiegend den TutorInnen und LV-LeiterInnen bzw. auch ExpertInnen –
ein abgegrenzter Bereich auf der universitätsweiten Lernplattform WebCT
17
18
Detaillierte Ausführungen vgl. SCHRITTESSER, 2004.
LOGAR / WENNINGER, 2005.
Stand: 30. September 2006
42
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Dokumentation & Materialien
Vista zur Verfügung gestellt. Neben einem Archiv für Materialien wie
Präsentationsfolien, Handouts oder spezifische Literatur, sowie einen
Ordner für Organisatorisches und mit Kurzinformationen zu den LVLeiterInnen, finden die TutorInnen einen Kommunikationsbereich mit
Foren und einem Chat wie auch einen persönlichen Arbeitsbereich vor. In
ihrem privaten Bereich verfassen die TutorInnen im Laufe des Semesters
ein
so
genanntes
Tutoriums-Tagebuch.
Es
dient
sowohl
der
Dokumentation von Erfahrungen als auch der Rekonstruktkon und Analyse
von Situationen indem diese verschriftlicht und somit sichtbar und
bearbeitbar werden. Dadurch gewonnene Erkenntnisse können später
wieder in das Praxishandeln einfließen. Neben den Erfahrungen aus den
Tutorien im Rahmen der Studieneingangsphasen soll im TutoriumsTagebuch über den (individuellen) Gewinn aus der LV „Medienkompetenz
für TutorInnen der STEP“ (nützliche Methoden, Vorteile für Lehrende und
Studierende aus der STEP), über die erlebte Gruppe sowie über etwaige
Befürchtungen und Probleme reflektiert werden; und natürlich über
Themen,
die
den
TutorInnen
im
Verlauf
des
Semesters
relevant
erscheinen.
3. Literatur
Heintel, Peter / Königswieser, Roswita: Teams als Hyperexperten im
Komplexitätsmanagement.- In: Ahlemeyer, Heinrich W. / Königswieser,
Roswita
(Hg.):
Komplexität
managen.
Strategien,
Konzepte
und
Fallbeispiele.- Frankfurt am Main : Frankfurter Allgemeine, Zeitung für
Deutschland; Wiesbaden : Gabler, 1997, S.93-103.
Lave, Jean / Wenger, Etienne: Situated Learning. Legitimate Peripheral
Participation.- Cambridge : Cambridge University Press, 1991.
Stand: 30. September 2006
43
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Dokumentation & Materialien
Logar, Sylvia / Wenninger, Barbara: Professional Communities – präsente
und virtuelle Form kollaborativen Lernens.- Tagungsband anlässlich des
10.Business Meetings, Wien 2005.
Reinmann-Rothmeier, Gabi: Wissen managen. Das Münchner Modell.Forschungsbericht Nr. 131, Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für
Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, München, 2001.
Schrittesser, Ilse: Professional Communities: Mögliche Beiträge der
Gruppendynamik zur Entwicklung professionalisierten Handelns. In: Hackl,
B./
Neuweg,
Handelns.
H.G.
(Hrsg.):
Beiträge
Lehrerbildungsforschung
aus
in
Zur
Professionalisierung
der
der
Sektion
pädagogischen
Lehrerbildung
österreichischen
Gesellschaft
und
für
Forschung und Entwicklung im Bildungswesen.- Münster : LIT-Verlag,
2004
Seufert, Sabine: Virtuelle Lerngemeinschaften: Konzepte und Potenziale
für die Aus- und Weiterbildung.- In: Ergebnisbericht des Bundesinstituts
für Berufsbildung (BIBB), Oktober 2002.- Online im WWW unter URL:
http://www.scil.ch/seufert/docs/virtuelle-lerngemeinschaften.pdf
[24.11.2005].
Wenger, Etienne: Communities of Practice. Learning, Meaning and
Identity.- Cambridge : Cambridge University Press, 1998.
Stand: 30. September 2006
44
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Dokumentation & Materialien
7. Abschluss – Methode „Blitzlicht“
Zeitlicher Rahmen: 10 Minuten
Ziel: Rückmeldung über Ausbildungstage, Feedback
Material: keines
Ablauf:
•
Mit dieser Methode werden Stimmungen in einer Momentaufnahme
festgehalten. Die TutorInnen sitzen im Plenum.
•
Reihum erhält jede/r TeilnehmerIn die Möglichkeit, in wenigen
Sätzen (kann auch zeitlich limitiert werden – z.B. eine Minute) die
eigene Zufriedenheit oder die eigene Befindlichkeit wiederzugeben.
Unterstützende Leitfrage war: „Was nehmen Sie aus der LV mit?
Bzw. „Was lassen Sie hier?“
•
Die Äußerungen werden nicht kommentiert.
Unterstützt mit Mitteln des bm:bwk im Rahmen der Ausschreibung
e-Learning/e-Teaching-Strategien an Universitäten und Fachhochschulen
Stand: 30. September 2006
45
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