Mitmenschen März 2013

Transcription

Mitmenschen März 2013
MITMENSCHEN
MÄRZ 2013
begleiten fördern betreuen
Neue Geschäftsführung:
Eine Frau neu im Führungsteam
der Diakonie de La Tour
Was darf Gesundheit kosten?
Wirtschaftsdirektor Walter Pansi
im Interview
Brandneu und hochmodern:
Endoskopie im Krankenhaus Waiern
Die Suche nach dem Glücksgefühl Leben mit einer Abhängigkeitserkrankung
1
MEDITATION
„Der Herr ist mein Hirte ...
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein
Unglück; denn du bist bei mir ...“ (Psalm 23)
Liebe Leserinnen,
liebe Leser!
Manchmal ist es nicht der Körper, sondern die Seele, die einen krank werden
lässt. In den Gesundheitszentren der
Diakonie de La Tour setzt man daher
darauf, nicht nur die Krankheit, sondern
den Menschen zu behandeln. Das
erfordert professionelle medizinische
Betreuung und intensive psychologische
Therapiearbeit.
Die beiden Krankenhäuser in Treffen
und in Waiern mit den Schwerpunkten Suchttherapie bzw. Psychosomatik
erfahren breiten gesellschaftlichen
Zuspruch. Das spiegelt eine immer
häufiger zu beobachtende Problematik
wieder: Eine Haltung der Unzufriedenheit mit dem, was man ist, was man hat
und was einen umgibt. Manche führt
die Sehnsucht nach Zufriedenheit und
Anerkennung auf den Irrweg der Sucht,
andere zerbrechen an ihrem eigenen
oder den von anderen herangetragenen
Glücks� und Leistungsanspruch und
erkranken an einem Burn�out.
Mit unseren Gesundheitszentren versuchen wir, Oasen zu schaffen für jene,
für die oft alles zerbrochen ist, was ihnen einst Halt und Orientierung gab. Wir
wollen sie begleiten und ihnen helfen,
wieder zu sich selbst zu finden.
Ein multiprofessionelles Team begleitet diese Menschen, arbeitet und
schöpft aus jener Quelle, die Urgrund
und Bestimmung der Diakonie ist: Das
bedingungslose JA Gottes zu jedem
einzelnen Menschen, so wie es uns in
Christus begegnet.
Unsere katholische Schwesterkirche in
Kärnten hat sich das Leitbild gegeben: „In Jesus Christus den Menschen
nahe sein.“ Treffender könnte ich unser
evangelisch�diakonisches Anliegen
nicht formulieren!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine
anregende Lektüre und verbleibe mit
freundlichen Grüßen
Ihr
H aupt sache ges und ?
DIAKON ROBERT SCHÖFFMANN
Inhaltsverzeichnis
Seite 3
Meditation
Seite 4
Diakonie erweitert Geschäftsfühurung:
Rektor Hubert Stotter und Prokuristin
Susanne Prentner-Vitek im Interview
Seiten 7 bis 31
THEMENSCHWERPUNKT "GESUNDHEIT"
•
Was darf Gesundheit kosten?
Wirtschaftsdirektor Walter Pansi
im Interview (S. 8/9)
•
Suchttherapie im Krankenhaus de
La Tour (S. 10 bis 19)
•
Medizinische Schwerpunkte im
Krankenhaus Waiern (S. 20 bis 30)
•
Die Ambulanzen der Diakonie
de La Tour (S. 31 bis 33)
Seiten 34/35
Mit Menschen für Menschen
Seite 36
Impressum
2
der herr ist mein hirte
mir wird nichts mangeln
er führet mich zum ruheplatz am wasser
und ob ich schon wanderte im finstern tal
gewaltsame stürme ziehen auf dunkelheit und leere
der weg zwängt mich ins leiden
ängste sorgen bestimmen mich
der arzt sagt fünf jahre
es gibt aber auch ausnahmen die medizin geht weiter
schau nicht ins internet
leicht gesagt
knochenmarkstransplantation
nicht möglch
diagnose unheilbar
ende
sonne meloneneis sand berge ich liebe das leben
mein herz ist allein und weint ich bin verletzt
ich schreie meine klage heraus
ich bin gelähmt ziehe mich zurück
ich sehe das geschenkte morgen nicht
er weidet mich auf einer grünen aue
er führet mich auf rechter straße um seines namens willen
deine hände gott und deine füße werden aktiv
die nachbarin backt kuchen eine rote rose vor der haustür
liebevolle anrufe gespräche trösten
der mail briefkasten quillt über vor zärtlichkeit
freunde begleiten mich
ich denk an dich höre und lese ich
sitzen reden teetrinken schokoladeessen
das geschenk eines gedichtes eine kinderzeichnung
überrreicht mit leuchtenden augen
du salbest mein haupt mit öl
und schenkest mir voll ein
du holst mich aus meiner einsamkeit und angst
ich habe zeit für mich
du stellst dich neben mich
du gibst mir alles was ich brauch
liebe
ich kann mich erholen ich kann mich freuen
ab und zu
du gibst mir kraft du erquickst meine seele
du reichst mir einen stab er heißt liebe
die macht deiner liebe umgibt und beschützt mich
die augen meines herzens lassen mich weitersehen
angst vor dem leiden ja angst vor dem sterben
ich bin nicht allein
du mein hirte wirst mein leben lang immer bei mir sein
in deinem haus darf ich wohnen für immer
hauptsache geliebt!
3
Was genau ändert sich sonst in der
Geschäftsführung?
Stotter: Ein wesentlicher Unterschied
zu vorher besteht darin, dass nun durch
die Personaldirektorin und den Wirtschaftsdirektor der gesamte operative
Bereich direkt verantwortet wird. Ich
selbst kann mich schwerpunktmäßig
der Vertretung des Werkes in Gremien
und der strategisch�konzeptionellen
Weiterentwicklung widmen. Es kommen
ja immer wieder neue Standorte hinzu
- wir haben nicht nur Einrichtungen in
Kärnten, sondern sind auch in Osttirol
und der Steiermark aktiv - zudem gibt
es Gespräche über Standorte in Wien.
Die Arbeit geht Ihnen als Rektor also
nicht aus?
Verstärkung aus eigenen Reihen: Personalprofi
als Prokuristin in Geschäftsführung berufen
GUDRUN ZACHARIAS
Mit rund 1.200 Mitarbeitern zählt die Diakonie de La Tour zu den größten Sozialdienstleistern Österreichs.
Bisher wurde das Unternehmen von Rektor Hubert Stotter und Wirtschaftsdirektor Walter Pansi geleitet.
Seit Anfang Jänner verstärkt Betriebswirtin und Psychologin Susanne Prentner�Vitek die Geschäftsführung.
Im Interview mit den Mitmenschen erzählen der Rektor und die frischgebackene Personaldirektorin,
welche Herausforderungen auf sie warten.
Die Geschäftsführung der Diakonie de
La Tour hat ein neues Mitglied. Warum
hat man sich dazu entschlossen?
Dr. Hubert Stotter: Mit unserem Unternehmen decken wir ein breites Spektrum ab, das von der Reformpädagogik
über die Jugendwohlfahrt, die Arbeit
mit Menschen im Alter und Menschen
mit Behinderung bis hin zur Hospizbegleitung reicht. Für die Geschäftsführung bedeutet das eine enorme
Verantwortung. Zu zweit konnten wir
diese Verantwortung nicht mehr mit
der Aufmerksamkeit und Intensität
wahrnehmen, wie das die einzelnen
Themenbereiche erforderten. Deswegen
beschlossen wir, uns Verstärkung zu
holen.
Warum fiel die Wahl auf Susanne
Prentner�Vitek?
Stotter: Sie ist seit 2005 bei uns und
hat mit uns zusammen sozusagen in
Harbach auf der "grünen Wiese" begonnen. Damals wurde ja die "Diakonie
Kärnten" gegründet. In den vergangenen sieben Jahren konnte Susanne Prentner�Vitek viel an Erfahrung
4
glauben Sie, dass in Kärnten so wenig
Frauen in solchen Positionen sind?
sammeln und das Unternehmen sehr gut
kennenlernen. Gleichzeitig hat sie hohe
Professionalität und Kompetenz bewiesen. Somit sahen wir keine Notwendigkeit, die Prokuristenstelle auszuschreiben. Es ist eine glückliche Fügung,
dass diese wertvollen Kompetenzen in
diesem Fall bei einer Frau angesiedelt
sind. Immerhin sind 80 Prozent unserer
Mitarbeiter Frauen, da ist es schön,
wenn sich das auch irgendwie in der
Geschäftsführung widerspiegelt.
MMag. Susanne Prentner-Vitek: Frauen
sind in der Regel die schlechteren
Netzwerkerinnen als Männer. Das liegt
vermutlich daran, dass sie meistens
weniger Zeit haben. Es ist immer noch
so, dass die meisten Frauen viel stärker
familiär eingebunden sind. Sobald man
Kinder hat, ist man – zumindest während der Karenzzeit – aus dem Beruf
gerissen und dadurch später dran als
die meisten Männer. Zudem muss man
zu bestimmten Zeiten zu Hause sein,
zum Elternsprechtag in der Schule erscheinen etc. Ich habe selbst zwei Söhne und das Glück, dass mich mein Mann
und meine Eltern sehr unterstützen.
Viele haben so ein familiäres Netz nicht.
Und dann wird es wirklich schwer.
Als erste Frau in der Geschäftsführung der Diakonie de La Tour - warum
Es gibt nun also in der Diakonie de La
Tour eine "Personaldirektorin" - was
darf man genau darunter verstehen?
Stotter: Neben der direkten Verantwortung der Fachbereiche Jugendwohlfahrt,
Menschen mit Behinderung und Bildung
zeichnet Frau Prentner�Vitek für das
Gesamtunternehmen in Bezug auf das
Personalmanagement und die Organisationsentwicklung verantwortlich. Ähnlich beim Wirtschaftsdirektor: Er ist für
die Fachbereiche Gesundheit, Menschen
im Alter und Berufliche Integration
zuständig und trägt in wirtschaftlicher
Hinsicht die Gesamtverantwortung.
Prentner-Vitek: Ich glaube, dass der
Begriff "Personaldirektorin" gut passt.
Walter Pansi und ich werden das
Vieraugenprinzip walten lassen. Diverse
Entscheidungen sind heikel, da sind
vier Augen besser als zwei. Herr Pansi
schaut dabei durch die wirtschaftliche
Brille und ich durch die Personal� und
Organisationsbrille.
5
Stotter: Nein, für mich bleibt genug zu
tun. Zu meinen Ressorts gehört neben
den Pastoralen Diensten und dem Projektmanagement auch die Öffentlichkeitsarbeit. Die hat sich in den letzten
Jahren professionell entwickelt, mit
Mitarbeitern, die mir nicht nur Arbeit
abnehmen, sondern mich auch ganz
schön beschäftigen ... Das ist sicher ein
Bereich, der sich stark verändert hat:
Vor zehn, 15 Jahren war die Kommunikation unser Anliegen in der Öffentlichkeit noch nicht von so hoher Relevanz
wie heute, wo wir das sehr intensiv
betreiben, denn mittlerweile weiß ich:
Wo immer ich nicht präsent bin – sei es
in Wien oder in Deutschland -, heißt es,
die Diakonie de La Tour ist nicht präsent. Zudem glaube ich, dass sich unser
Unternehmen vor anderen Organisationen nicht verstecken braucht. Größere
Werke können sogar von uns lernen und
deshalb ist es wichtig, dass wir präsent
sind und uns zu Wort melden! Und damit
man sich zu Wort melden kann, muss
man Inhalte vorbereiten ... Und dann
bin ich ja noch als Pfarrer gefragt. Das
heißt, ich bin sonntags oft als Prediger
unterwegs. Das ist ja auch Arbeit, auf
die man vorbereitet sein will.
Nicht nur die Kommmunikation hat sich
seit der Zusammenlegung der Werke in
Treffen und Waiern verändert ...
Prentner-Vitek: Stimmt, wir sind in vielerlei Hinsicht professioneller geworden.
Seit einigen Jahren wächst die Diakonie
de La Tour sehr stark. Somit wurde es
notwendig, uns intensiv weiterzuentwickeln. Als ich 2005 anfing, gab es
noch keine eigenen Abteilungen für das
Projektmanagement oder die Öffentlichkeitsarbeit - auch das Personalmanagement war nicht existent. Es war
dringend notwendig, den Professionalisierungsgrad zu erhöhen. Zudem
waren die ersten Jahre natürlich von
der Zusammenführung der beiden
Werke geprägt. Es war wichtig, bei
"der Mensch im Mittelpunkt" zu finden.
Wir haben einen hohen Qualitätsanspruch, dem wir immer gerecht werden
müssen. Man braucht Verhandlungs�
bzw. Organisationsgeschick, damit bei
gleichbleibenden oder geringerwerdenden Mitteln die hohen Ansprüche
und Qualitätsmaßstäbe trotzdem erfüllt
werden können.
Wohin wird sich die Diakonie de La Tour
in den nächsten Jahren entwickeln?
den Mitarbeitern ein Bewusstsein zu
schaffen, dass es sich nicht mehr um
"die aus Treffen" und "jene aus Waiern"
handelt, sondern um ein gemeinsames
Unternehmen, das zentral geleitet wird.
Damals initiierten wir einen Führungskräftelehrgang, mit dem wir dieses
Bewusstsein fördern wollten. Ich denke,
das ist uns gut gelungen.
Die Leitung des Personalmanagements
bleibt Ihnen in Ihrer neuen Funktion als
Mitglied der Geschäftsführung erhalten
- klingt nach sehr viel Arbeit. Wie wird
das alles zu bewältigen sein?
Prentner-Vitek: Wir haben eine zusätzliche Mitarbeiterin angestellt, die vor
allem die operativen Tätigkeiten in der
Personalentwicklung übernehmen wird.
Sicher wird es notwendig sein, sich
stärker abzugrenzen.
Stotter: Es wird sicher auch bei der
Arbeitsweise der Geschäftsführung
eine Veränderung geben. Walter Pansi
und ich haben zehn Jahre lang als Duo
gearbeitet, da wurde viel zwischen Tür
und Angel geklärt, das geht nun in dieser Form nicht mehr. Wir müssen sicher
einen Weg finden, eine neue Besprechungskultur aufzubauen.
Die wirtschaftliche Verantwortung der
Fachbereiche wurde zwischen Personaldirektorin und Wirtschaftsdirektor
aufgeteilt. Nach welchen Kriterien hat
man entschieden, wer für welche Bereiche zuständig ist?
Stotter: Es war naheliegend, die Fachbereiche "Gesundheit" und "Menschen
im Alter" bei Walter Pansi zu belassen.
Mit der wirtschaftlichen Krankenhausleitung hat er ja sehr viel Erfahrung und
der Fachbereich "Menschen im Alter"
passt da wunderbar dazu - wir haben
ja im Krankenhaus Waiern auch eine
Abteilung für Akutgeriatrie.
Prentner-Vitek: Mir passt diese Aufteilung sehr gut. Ich hatte schon viel mit
Pädagogik und Bildung zu tun, habe auf
der Uni unterrichtet und die Akademie
de La Tour aufgebaut. Von meinem Psychologiestudium kann ich bei meinem
neuen Aufgabenfeld auch profitieren.
Stotter: Wir werden das Angebot, das
wir in Kärnten in so hoher Qualität
aufgebaut haben, weiter in anderen
Bundesländern ausbauen, vor allem in
jenen Bundesländern, in denen die Diakonie historisch nicht so stark gewachsen ist wie in Kärnten. Unser natürliches Entwicklungsgebiet liegt südlich
des Alpenhauptkammes. Da sehe ich
die große Herausforderung darin, dass
wir uns mit unseren diakonischen
Schwesterorganisationen in den anderen Bundesländern so vernetzen, dass
wir in dem jeweiligen Bundesland als
eine Diakonie wahrgenommen werden.
Das wird von essentieller Bedeutung
sein, wenn wir mit den vielen anderen
Anbietern am Markt bestehen wollen
und die Diakonie neben der Caritas als
kirchliche Sozialorganisation positionieren wollen.
Wie waren die ersten Tage als Personaldirektorin?
Frau Prentner: Es langen erste Fragen
arbeitsrechtlicher Natur bei mir ein.
Zudem ist der wirtschaftliche Bereich
stärker gefordert und demnächst stehen
Verhandlungen mit der Landesregierung
an. Damit hatte ich vorher nichts zu
tun, da brauche ich noch Unterstützung.
Es ist aber eine spannende Aufgabe, in
diese Bereiche hineinzuwachsen.
Was muss man für einen Posten im
oberen Management mitbringen?
Prentner-Vitek: Man darf keine Angst
vor Verantwortung haben. Wichtig ist
sicher auch ein gewisser Weitblick, um
vieles erfassen zu können. Man muss
oft mit sehr wenig Informationen Entscheidungen treffen. Ein "Richtig" oder
"Falsch" gibt es dabei oft gar nicht.
Man muss sich trauen, Verantwortung
zu übernehmen. Wenn einem das nicht
liegt, dann ist man in diesem Bereich
nicht gut angesiedelt. Zudem braucht
man auch Gestaltungwillen und Spaß an
der Arbeit.
Worin liegen derzeit die schwierigen
Aufgaben?
Prentner-Vitek: Es bedeutet sicherlich
eine Herausforderung, die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und dem Thema
6
Themenschwerpunkt
Susanne
Prentner�Vitek
•
Nach ihrem Eintritt in die Diakonie
de La Tour (2005) baute die
Psychologin und Betriebswirtin
das Personalmanagement des
Unternehmens auf.
•
Zuvor war Prentner�Vitek
als Assistentin im Bereich
Organisations­� ,­ Personal� und
Managemententwicklung an der
Universität Klagenfurt tätig.
•
Seit Jänner 2013 Mitglied der
Geschäftsführung, leitet die
Personaldirektorin auch weiterhin
das Personalmanagement.
•
Die gebürtige Lavanttalerin lebt
mit ihren Söhnen Sebastian und
Fabian in Klagenfurt und ist mit
dem Unternehmensberater und
Soziologen Robert Vitek verheiratet.
Die Gesundheitszentren
der Diakonie de La Tour
Nicht nur die Krankheit, sondern den ganzen Menschen behandeln, so die Intention der Ärzte,
Pfleger und Therapeuten in den Gesundheitszentren der Diakonie de La Tour.
Das Krankenhaus de La Tour in Treffen, die Alkoholambulanzen im LKH Villach und in Spittal/Drau
sowie die Spielsuchtambulanz Villach sind auf Suchttherapie spezialisiert - das soeben rundum erneuerte
Krankenhaus Waiern verfügt als einziges Gesundheitszentrum Österreichs über eine Station für Psychosomatik.
In unserem Themenschwerpunkt (S. 7 bis 33) erhalten Sie einen Einblick über die Vielfalt des Angebotes
der Krankenhäuser und Ambulanzen der Diakonie de La Tour.
7
Gesundheit: Wieviel
darf sie kosten?
GUDRUN ZACHARIAS
Derzeit werden Stimmen laut, das österreichische Gesundheitswesen sei zu teuer;
nach Vorschlägen der Politik sollen bis zu elf Milliarden Euro eingespart werden.
Müssen Patienten Angst haben, nicht mehr bestmöglich versorgt zu werden? Was darf
Gesundheit kosten? Und was bedeuten die Einsparungen für die Krankenhäuser der Diakonie
de La Tour? Verwaltungsdirektor Walter Pansi legt im Interview seine Sicht der Dinge dar.
Bis 2020 sollen elf Milliarden Euro im
Gesundheitswesen eingespart werden.
Ärzte steigen auf die Barrikaden. Wie
sieht das ein Verwaltungsdirektor, der
zwei Krankenhäuser führt?
Mag. Walter Pansi: Ich glaube, das
muss man unter einem anderen Blickwinkel betrachten: Es werden nicht
diese besagten Milliarden eingespart,
sondern die Teuerungsrate, also die
jährliche Kostensteigerung, soll gemindert werden. Das ist aus meiner Sicht
ein wesentlicher Unterschied. Man versucht, überproportionale Steigerungen
einzudämmen. Das ist klarerweise mit
gewissen Einsparungen verbunden, man
wird aber sehen, was das Ganze wirklich für Auswirkungen hat. Ich glaube,
dass gerade bei medizinischen Ge� und
Verbrauchsgütern Einsparungspotenzial vorhanden ist und dass trotzdem
weiterhin eine sehr gute Versorgung der
Patienten möglich sein wird.
Was bedeutet das konkret für unsere
Krankenhäuser?
Pansi: Sowohl das Krankenhaus Waiern
als auch das Krankenhaus de La Tour
haben den Vorteil, dass sie sich baulich
auf einem sehr hohen Niveau befin-
den. Wir haben immer sehr viel in die
Infrastruktur investiert, da ist in den
nächsten Jahren kein großer Investitionsbedarf gegeben. Im Bereich der
Ersatzbeschaffungen, also Röngten�
oder Ultraschallgeräte, sind wir auf
einem sehr hohen Level. Davon können
wir sicher profitieren, weil wir nicht
viel investieren müssen. Wo nicht
gespart werden kann, ist ganz sicher
beim Patienten selbst. Deshalb gilt es,
Strukturen und Abläufe zu überdenken
und zu reorganisieren - aber sicher
nicht in patientennahen, sondern eher
in patientenfernen Bereichen wie der
Administration, beispielsweise durch
Verbesserung der Abläufe - gerade was
die Laborvernetzung mit den Stationen
oder die EDV�Anbindung von Röngten
betrifft. Eine elektronische Patientendokumentation würde das System
erheblich verbessern. Die Administration wäre damit wesentlich einfacher. Bei
der Visite hätte der Arzt alle relevanten
Daten des Patienten vor sich: Labor�
und EKG�Befunde, Röngtenbilder - das
wäre dann alles am Laptop abrufbar. Die Dokumentation der Ärzte wird
derzeit noch händisch auf Fieberkurven
eingetragen.
Patienten der Psychosomatik im Kran-
kenhaus Waiern bleiben mindestens drei
Wochen stationär im Haus, im Krankenhaus de La Tour sind es sogar acht
Wochen. Wird man sich diese langen
stationären Aufenthalte in Zukunft noch
leisten können?
Pansi: Ich glaube, dass unsere beiden
Häuser strategisch so ausgerichtet sind,
dass sie nicht aus der Kärntner Gesundheitslandschaft wegzudenken sind,
Treffen als Suchttherapiezentrum und
Waiern mit den Stationen Psychosomatik, Akutgeriatrie und Interne. Man wird
aber überdenken müssen, ob man bei
den aktuellen Behandlungszyklen bleibt.
Die Praxis zeigt aber, dass beispielsweise in der Akutgeriatrie eine frühere
Entlassung meistens dem System mehr
kostet, weil in solchen Fällen
oft mit einer Wiederaufnahme zu
rechnen ist. Das gilt auch für die
Suchttherapie. Man sollte aber für die
Zukunft Überlegungen anstreben, mehr
im ambulanten Bereich anzubieten. Von
den Kosten her ist das günstiger und
auch die Eintrittsschwelle ist niedriger
- gerade in der Suchttherapie. Bestes
Beispiel dafür sind die Villacher Spielsuchtambulanz und die Alkoholambulanz im LKH Villach, die einen immer
stärkeren Zulauf erfahren. Zudem gibt
es im Bereich der Suchttherapie neue
Behandlungsansätze, die auch eine
teilstationäre Betreuung ermöglichen. In
Linz gibt es ein Projekt, wo Suchttherapie im ambulanten Setting angeboten
wird. Die Patienten schlafen bei ihren
Familien zuhause. Anstatt arbeiten zu
gehen, gehen sie zur Therapie. Das sind
Ansätze, die man sich anschauen muss.
Mit Wartezeiten wird man aber in dem
Bereich weiterhin rechnen müssen, weil
das Angebot sicher zu knapp ist. Das
sehen wir bei der Spiel� oder Kaufsucht
- diese Abhängigkeiten entwickeln sich,
vor allem durch das Internet, exponentiell nach oben.
Heuer ist auch in Spittal/Drau eine
Alkoholambulanz eröffnet worden ...
8
Pansi: Ja, die haben wir im Auftrag
der Felix�Orasch�Stiftung errichtet. Sie
soll auch das Segment "Jugendliche
und Alkohol" abdecken. Angedacht ist
zudem, die Spielsuchtberatung in dieser
Ambulanz von Villach aus weiter auszubauen. Man sieht also schon, dass der
Trend von stationär zu ambulant geht.
Gilt das auch für den Bereich der Endoskopie? Gerade der wird in Waiern ja
besonders stark nachgefragt ...
Pansi: Das liegt daran, dass es im Raum
Feldkirchen nur wenige Internisten
gibt, die endoskopische Untersuchungen durchführen. Daher ist der Druck
auf das Krankenhaus enorm, diese
Untersuchungen, die hauptsächlich
ambulant stattfinden, durchzuführen.
Dabei ist das Krankenhaus eigentlich
nur für Akutfälle gedacht. Vorsorgeuntersuchungen fallen eigentlich nicht in
unseren Aufgabenbereich.
Oft werden Arbeitszeiten von Ärzten
kolportiert, die jenseits von Gut und
Böse liegen. Wie sieht es damit in unseren Krankenhäusern aus?
Pansi: Wir halten nichts von Horrorarbeitszeiten von Ärzten - durch die
Überlastung steigt ja auch die Fehlerhäufigkeit. Wir haben in beiden
Häusern eine gute Ärzteausstattung mit
hoher Facharztquote und bilden unsere
Turnusärzte möglichst praxisnah aus
anstatt sie mit administrativen Arbeiten
zuzudecken.
Nach dem Umbau in Waiern - fünf Millionen Euro wurden investiert - haben
sich die Annehmlichkeiten für Patienten
verbessert - Unterbringung auf engem
Raum gehört der Vergangenheit an warum hat man sich das geleistet?
Pansi: Die Qualität der Unterbringung
ist ein entscheidender Faktor bei der
Genesung. Vor allem im psychosomatischen Bereich wäre es für Patienten
kontraproduktiv, das Zimmer mit vielen
zu teilen. Bei uns ist die allgemeine
Klasse mit Dreibettzimmern ausgestattet, die Sonderklasse mit Zweibettzimmern - auf Wunsch und Zuzahlung von
55 Euro pro Tag gibt’s Einzelzimmer.
Wirtschaftlich betrachtet: Kann man
sagen, dass sich ein Krankenhaus
rentiert?
Pansi: Volkswirtschaftlich auf alle Fälle!
Um im Alter das Leben genießen zu
können, ist die Gesundheit einer der
wichtigsten Faktoren. Dazu bedarf es
einer perfekten Versorgung. Natürlich
steigen die Kosten in den letzten Lebensjahren an.
Wohin entwickelt sich das Gesundheitssystem in den nächsten Jahren? Und
wie werden sich die Krankenhäuser in
Treffen und Waiern dabei schlagen?
9
Pansi: Ich glaube, dass es eine Fokussierung geben wird, eine Zentralisierung
auf einzelne große Abteilungen, die in
ihrem Bereich sehr stark sind. Es wird
nicht mehr jeder alles anbieten können.
Man wird versuchen, Spitzenmedizin
in einzelnen Häusern zu konzentrieren
und in periphären Häusern die Basisversorgung abzudecken. Wir sind ja wie
gesagt gut aufgestellt: Im Rahmen der
internistischen Medizin und Akutgeriatrie versorgen wir vorwiegend den Raum
Feldkirchen, im psychosomatischen
Bereich ganz Kärnten. Bei der Suchttherapie im stationären Bereich kommt
ein hoher Anteil der Alkoholpatienten
aus der Steiermark. In Zukunft wird
es aber sicher spannend. Als Verwaltungsdirektor ist man stark auf die
Kooperation mit der kollegialen Führung
angewiesen, denn es ist ja das Pflege� und Ärztepersonal, das in direktem
Kontakt mit den Patienten steht. Für den
wirtschaftlichen Erfolg maßgeblich ist
sicher die Auslastung unserer Häuser.
Derzeit ist sie überdurchschnittlich, wir
stehen immer knapp bei 90 Prozent.
Dadurch fällt es auch leichter, mit
dem Budget auszukommen. Wenn die
Auslastung nicht gegeben ist, sinken
die Einnahmen und dann steigt natürlich
auch der Druck. Wie heißt es so schön:
Only a filled bed is a good bed - sagt
zumindest der Wirtschafter.
Auf der Suche nach
dem Glücksgefühl
Krankenhaus
de La Tour
•
Im auf Abhängigkeiten
spezialisierten Sonderkrankenhaus
werden Patienten mit Alkohol�,
Medikamenten�, Spiel� oder
Kaufsucht behandelt .
•
56 Betten stehen zur Verfügung. Der
stationäre Aufenthalt dauert in der
Regel acht Wochen. Im Anschluss ist
eine weiterführende Nachbetreuung
vorgesehen.
•
Behandlungsziele: Unterbrechung
des Abhängigkeitsprozesses,
körperliche und seelische
Stabilisierung, Erarbeitung
einer positiven Einstellung zur
Suchtmittelabstinenz u.a.
GUDRUN ZACHARIAS
Den typischen Alkoholiker mit der täglichen Kiste Bier gibt es kaum noch,
meint Renate Clemens�Marinschek, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Spezialistin für Suchterkrankungen
und Primaria im Treffener Krankenhaus de La Tour. Beim Gespräch mit dabei: einer ihrer Patienten,
Alexander B. Den Mitmenschen erzählt der 39�Jährige über seine jahrzehntelange Abhängigkeit
und warum er nun eine 180�Grad�Wende in seinem Leben anstrebt.
Noch jung, keine Vierzig, gutaussehend
und sympathisch - so der Eindruck
des Mannes, der neben der Primaria
des Krankenhauses de La Tour, Renate Clemens�Marinschek, Fachärztin
für Psychiatrie und Neurologie, Platz
genommen hat. Ein wenig nervös sei er,
ein Dauerzustand, der sich, seitdem er
hier ist, erheblich verbessert habe,
betont Alexander B.
Seit knapp einem Monat ist er Patient
im Treffener Sonderkrankenhaus, gerade mal Halbzeit der Therapie.
Vor einigen Wochen hat sein Leben
noch ganz anders ausgesehen - damals
war die 180�Grad�Wende, die er nun
anstrebe, noch nicht eingeleitet.
Da gehörte das Zittern in der Früh und
der Schnaps zum Frühstück sozusagen
wie das Amen zum Gebet.
25 Jahre war die Sucht teure Begleiterin - in doppeltem Sinne, denn gekostet
hat sie viel: Führerschein, Wohnung,
Freudin ... alles weg.
Vier Monate Abstinenz, dann ein arger
Rückfall, die Beziehung kaputt: „Daraufhin habe ich mir zum ersten Mal
Hilfe gesucht und bin zur Alkoholgruppe
nach Klagenfurt gegangen.“
Nicht, dass Alexander B. zuvor nicht
probiert hatte aufzuhören: „Neun Jahre
habe ich versucht, vom Alkohol wegzukommen. Es war ok, drei Wochen nichts
zu trinken. Aber in der vierten Woche
habe ich dann alles wieder aufgeholt,
erzählt der 39�Jährige.
„Handgreiflich bin ich im betrunkenen
Zustand nie geworden, aber zynisch.
Verbal austeilen, das konnte ich wirklich gut ...“
Eine Methode der Selbsttherapie war für
den Kärntner, Alkohol durch Cannabis
zu ersetzen. „Im eingerauchten Zustand
war das Verlangen nach Alkohol nicht so
groß. Aber ich hab’s mit Cannabis auch
übertrieben. Gut 20 Joints an einem Tag
- ich war dauernd auf einer Welle.
Trotzdem war alles zu wenig. Also habe ich wieder
zu trinken angefangen.
Dann kamen die Blackouts. Ich habe Sachen
gemacht, an die ich mich
am nächsten Tag überhaupt nicht mehr erinnern
konnte. So die Kontrolle
zu verlieren - das wollte
ich nie.“
Der Verlauf von Alexander
B.'s Suchterkrankung ist
ein typischer, wie Primaria
Clemens�Marinschek
erklärt: „Wir sind immer öfter mit
Mischkonsum konfrontiert - zum
Alkohol kommen andere Substanzen.
Cannabis, Ecstasy oder Legal Highs,
das sind synthetische Drogen, die noch
nicht illegalisiert sind. Man kann sie im
Internet bestellen. Dort werden sie etwa
als ,Kräutermischungen‘ oder ,Badesalz‘
angepriesen. Das Gesetz hinkt dabei
immer hinterher. Eine Droge wird illegalisiert, im nächsten Moment kommt
schon eine neue auf den Markt.“
In Alexander B.'s Fall kam zu Alkohol
und Cannabis noch ein opiatähnliches
Schmerzmittel - Tramal - hinzu.
„Das bekommt man leicht, man muss
nur sagen, man hat Kreuzweh und
Pakemed (ebenfalls ein Schmerzmittel,
Anm. der Red.) helfen nicht. Kreuzweh
hatte ich ja wirklich. Ich habe jahre-
10
lang am Bau gearbeitet, da ist das kein
Wunder. Für ein Monat erhielt ich 30
Stück zu je 200 Milligramm. Ich habe
die Tabletten allesamt an einem Wochenende genommen.“
Ob er in der Folge einen epileptischen
Anfall bekommen habe, will die Primaria
wissen. „Ja, sofort“, so die Antwort.
„Den habe ich aber weggesteckt. Ich
war in meiner Wohnung und bin am
Küchenboden liegend aufgewacht, unter
mir ein riesiger Schweißfleck. Einen
Zungenbiss hatte ich auch. Aber ich
kannte das schon - es war schon mein
siebter oder achter Anfall.“
Epileptische Anfälle, das seien typische
Begleiterscheinungen beim Alkoholentzug, erklärt Clemens�Marinschek.
„Bei der Einnahme von Tramal war es
hingegen ein Überdosissymptom - das
ist sozusagen eine Spezialität dieses
Medikaments, wenn man zuviel davon
nimmt.“
Ob er denn niemals in einem Krankenhaus gewesen sei, nach so einem
Anfall?
„Freilich. In einer Pizzeria habe ich
einmal einen Anfall bekommen und auch
im Urlaub. Aufgewacht bin ich immer im
Krankenhaus, dort bin ich sofort in Panik geraten, habe einen Revers unterschrieben und bin nachhause gegangen.
Aus Angst vor einem weiteren Anfall
habe ich mich sofort wieder betrunken.
Ich habe dann mit Gleichgesinnten darüber gesprochen. Die meinten nur: ,Ach,
das war nur ein Epi, das passt schon!‘
Aber all das, was ich hier erzähle, ist
eigentlich nichts im Vergleich zu den
Geschichten von 20�Jährigen, mit denen
ich zu tun hatte. 20 Joints am Tag
rauchen die so nebenher, das machen
sie in der Pause. In ihren Zimmern
liegen überall Tabletten, die werden
geschmissen - es ist eine Katastrophe.
Einige spritzen sich die Mittel, damit sie
schneller ins Blut gehen.“
Alexander B.'s Schilderungen passen
11
zu den Erfahrungswerten der Primaria.
„Alkohol ist mit Abstand das größte
Problem im Suchtmittelbereich. Aber ich
denke, das Problem, das mengenmäßig
auf uns zukommt, ist eben der bereits
erwähnte Mischkonsum: vom reinen
Alkohol� oder Benzo�User („Benzos“/
Benzodiazepine sind Beruhigungsmittel,
Anm. d. Red.) hin zu denen, die all das
nehmen, was gerade verfügbar ist.“
Die Verfügbarkeit, die sei mittlerweile
viel größer als vor ein, zwei Jahrzehnten: „Noch vor gut 15 Jahren war
Kokain beispielsweise nur gewissen
Gesellschaftskreisen vorbehalten. Es
war teuer und schwer zu erhalten. Man
brauchte einschlägig Bekannte im Spieler� oder Rotlichtmilieu. Heute ist es
billig und weit verbreitet.“
Eine Eingabe in den Internetbrowser und schon scheint der aktuelle Tarif für
Kokain auf: Ein Gramm erhält man ab
80 Euro. Dazu gibt’s in Chat�Foren die
passenden Erfahrungsberichte:
Ich habe noch nicht gar so oft Koks
gezogen, steht da etwa.
Meist wurde mir gesagt, dass es nur
Standardqualität gibt, was mir egal
war, da ich immer eingeladen wurde.
Jetzt habe ich gehört, dass es dieses
Zeug gibt, mit 80� bis 90�prozentiger
Reinheit, ein Gramm für 100 Euro.
Soweit ich gelesen habe, ist der Preis
eher günstig.
Auch über die bereits erwähnten „Legal
Highs“ werden Erfahrungen ausgetauscht: Nach vier Tagen stand dann der
gelbe Mann an meiner Tür und überreichte mir pünktlich zum Wochenende
mein Päckchen - lediglich eine
durchsichtige Plastiktüte auf der
„3 Gramm“ aufgekritzelt war.
Naja, es kommt ja auf den Inhalt an.
Konsistenz sehr krümelig, sehr fluffig
und ergiebig. Preis: 12,50 Euro für ein
halbes Gramm. „Das gab es in dieser Form vor 15 Jahren nicht“, meint
Clemens�Marinschek.
Beeinflusst werde der Verlauf von
Suchterkrankungen häufig von Komorbiditäten (Begleiterkrankungen, Anm. d.
Red.) oder belastenden Lebensumständen, so die Primaria.
„Wir bemerken eine starke Zunahme psychischer Komorbiditäten. In
erster Linie Depressionen, aber auch
Bipolar�2�Erkrankungen, das ist ein Zustand, wo Betroffene lange depressive
Phasen haben und sich dazwischen in
leicht angehobener Stimmung befinden.
Diese Menschen haben, das weiß man
aus wissenschaftlichen Studien, eine
sehr hohe Suchtgefahr. Sie versuchen,
ihre Stimmung durch Selbstmedikation
auszunivellieren. In dem Moment, wo
sie das machen, geht es ihnen zunächst besser - irgendwann sind sie
dann süchtig. Auch die Zunahme von
Angsterkrankungen fällt auf. Zum Teil
gab’s das sicher auch vor 30 Jahren,
aber Menschen stehen im Allgemeinen heute stärker unter Druck,
sowohl beruflich als auch privat.
Beziehungen zerbrechen viel häufiger, Menschen vereinsamen. Unter unseren Patienten befinden sich
zudem einige Menschen mit ADHS
(Aufmerksamkeits�Defizienz�
Hyperaktivitätssyndrom, Anm. d.
Red.). Bei manchen wächst sich
das nicht in der Pubertät aus,
sondern bleibt im Erwachsenenalter bestehen. Betroffene neigen
zur Einnahme von Beruhigungsmitteln und Cannabis aber auch
Kokain und Amphitaminen.“
Auch ihr Vorgänger, Professor
Herwig Scholz, habe immer auf
Differenziertheit in der Suchttherapie geachtet. „Er war da
sicher ein Vorreiter. Vor 20 Jahren
wurde aber zum Beispiel nicht
zwischen bipolar�1 und bipolar�2
unterschieden - da nannte man
diese Patienten allesamt
,manisch�depressiv‘. Die Differenzierung ist jedoch sehr wichtig denn, je nach Krankheitsbild
erfolgt eine unterschiedliche Behandlung.“
Alexander B. erhält derzeit ein
24�Stunden�Präparat; ein Antidepressivum, das zugleich stimmungsstabilisierend wirkt.
„Es geht mir viel besser“,
beschreibt er seinen Zustand.
„Die erste Zeit war nicht einfach
- ich hatte viele Albträume und
schlaflose Nächte; im einen
Moment Hochgefühle, in der
nächsten Minute war ich am
Boden. Jetzt fühle ich mich gut,
habe tausend Gedanken im Kopf.“
Auch alte Leidenschaften kehren
bei Alexander B. zurück: „Früher
habe ich gerne gekocht - durch meine
Abhängigkeit habe ich es aufgegeben.
Jetzt merke ich, dass ich wieder Freude
an solchen Dingen habe.“
Wichtig sei, sich Etappenziele zu setzen, beschreibt Clemens�Marinschek
eine der Aufgaben der Therapie.
„Im Drogenbereich sagt man, Sucht
bedeute Suche. Und zwar suchen Menschen nach etwas, das sie nicht genau
benennen können, etwas, das ihnen
fehlt; eine Art Geborgenheit, eine Art
Sichwohlfühlen. Warum sie das suchen,
diese Gründe liegen oft in der frühen Kindheit vergraben. In dieser Zeit
entstehen manchmal Leerstellen, die
manche Betroffene durch den Gebrauch
irgendwelcher Substanzen aufzufüllen
versuchen. Das heißt, je weniger Leerstellen in der Kindheit entstehen, umso
stabiler wird der Mensch in Zukunft
bleiben. Mit Prävention muss man also
früh anfangen. In der Therapie heißt
12
das, dass ich die Leerstellen, die neu
entstehen, weil das Suchtmittel aufgrund der Abstinenz wegfällt, mit etwas
anderem füllen muss. Das funktioniert
mit Psychotherapie und positiven Visionen. Man muss realistische Schritte und
kleine Ziele setzen. Wenn diese erreicht
werden, steigert das das Selbstwert�
und Glücksgefühl. Auch Hobbys funktionieren gut als Lückenfüller, egal,
ob es sich dabei um Sport oder etwas
Kreatives handelt.“
Wie die Leerstellen bei Alexander B.
entstanden sind, kann er nicht so genau
sagen. „Meine Eltern waren super,
ich hatte eine tolle Kindheit“, ist er
überzeugt. „Mein Vater war immer auf
Montage, 14 Tage hat er gearbeitet, drei
Tage war er daheim. Am ersten Tag,
wenn der nachhause gekommen ist, haben wir immer ,Dresche‘ bekommen, für
das, was wir in den 14 Tagen ohne ihn
angestellt haben. Am zweiten Tag hat
er dann Geld für uns ausgegeben, für
Kino oder Klamotten. Und am dritten Tag
hat er geflucht, weil er wieder fahren
musste.“
Was daran so super gewesen sein soll,
will die Primaria wissen.
„Naja, meine Mutter hat mich aufgezogen und sie war super. Sie ist auch
heute noch meine Bezugsperson und
mein liebster Mensch. Sie hatte es mit
mir nicht leicht. Ich bin bald in die Leh-
re gegangen, die Abende habe ich in
Lokalen verbracht - mein eigenes Geld
habe ich ja verdient. Es war normal,
nach der Arbeit ein Bier zu trinken.
Alle meine Freunde haben auch bereits
gearbeitet, zu Schülern hatte ich kaum
Kontakt. Zum Bier bestellte ich dann
auch immer öfter einen Schnaps. Das
Trinken hat mich selbstsicherer gemacht, vor allem, wenn ich Kontakt zum
anderen Geschlecht gesucht habe. Ich
bin im angetrunkenen Zustand wirklich
bei den Mädchen besser angekommen, denn durch den Alkohol wurde
ich lockerer. Wenn meine Mutter zu mir
gesagt hat ,schau, dass du um zwölf
zuhause bist!‘, habe ich geantwortet ,du
kannst froh sein, wenn ich um vier
komme‘. Mich hätte keiner halten können ... Ich war auf der Suche nach dem
Glücksgefühl. Ich glaube, das ist für
die meisten der Grund zu trinken. Nur,
irgendwann bist du dann auch im angetrunkenen Zustand nicht mehr glücklich,
sondern denkst nur noch ans Sterben.“
Mit seiner Abhängigkeit steht B. innerhalb seiner Familie nicht allein da.
Auch seine Schwester hat ein massives Suchtproblem. „Ich glaube, es gibt
nichts, was sie noch nicht ausprobiert
hat. Sogar in diesem neuen Mittel, das
dich von innen her auffrisst, hatte sie
schon ihre Nase drin. Sie ist ein Voll-
blutjunkie. Aber sie mag das so. Bereits
mit 13 ist sie zum ersten Mal von
zuhause weg und nach Wien gegangen.
Seitdem sie 16 ist, lebt sie fix dort. Im
Wien war ja damals schon die Szene, in
der du alles kriegst, was du brauchst,
daheim ... Mein Vater ist einmal zu ihr
gefahren und hat sie nachhause geholt.
Aber sie ist wieder abgehauen. Und
dann ist meinem Vater ein Unfall
passiert. Er lebt seit 20 Jahren im
Heim - mit Pflegestufe sieben.“
Der jüngere Bruder hingegen lebt
ohne Suchtkrankheit. „Er ist mit
den Drogenproblemen meiner
Schwester und mir aufgewachsen, hat mich mit aufgeschnittenen Pulsadern am Tisch liegen
gesehen. Vielleicht ist er deswegen so dagegen. Er ist auch kein
Fortgehmensch. Er blieb immer
zuhause und war fleißig in der
Schule, im Gegensatz zu meiner
Schwester und mir. Wahrscheinlich wollte er es einfach anders
machen als wir.“
Zwei von drei Geschwistern sind
also suchtkrank - eine genetische Ursache?
„Es spielen immer mehrere
Faktoren zusammen“, erklärt die
Ärztin. „Aber es stimmt schon,
dass auch die Genetik ihren Teil
dazu beiträgt. Es hat ja nicht
jeder Mensch dasselbe Suchtzentrum. Das ist nicht bei jedem
gleich empfindlich ausgebildet,
sondern das hängt eben von der
genetischen Beschaffenheit der
jeweiligen Person ab. Bis zu einem gewissen Grad kann man
also von Vererbbarkeit sprechen.
Adoptions- und Zwillingsstudien
zeigen gut, dass die Lebensumstände eine große Rolle spielen
Wenn beispielsweise Zwillinge in
unterschiedlichen Gegenden bei
unterschiedlichen Pflegeeltern aufwachsen, wird sicher derjenige der
beiden, der unter widrigen Umständen
aufwächst, eine Sucht entwickeln. Der,
der unter optimalen Bedingungen groß
wird, bleibt trotz seines empfindlichen
Suchtzentrums frei von Sucht.“
Was sein Alter anlangt, zählt
Alexander B. zur Mehrheit der Patienten
im Krankenhaus de La Tour.
„Die meisten, die wir behandeln, sind
mittleren Alters - 35 bis 50 Jahre alt“,
so Clemens�Marinschek.
„Was aber auffällt ist, dass vermehrt
ältere Menschen von Suchtproblematiken betroffen sind. So eine Erkrankung
schaut im Alter anders aus, sie ist viel
schwieriger zu erkennen. Ein alter
Mensch braucht nicht viel, um süchtig
zu werden. Der Betroffene schläft öfters
oder fällt einfach um. Menschen, die
in Altersheimen leben, haben übrigens
13
eine höhere Suchtrate als solche, die in
Familienverbänden leben“, so die Ärztin.
Bei älteren Menschen handle es sich oft
um Beruhigungs� oder Schmerzmittel,
erzählt die Primaria. „Oft nimmt durch
die Suchterkrankung das Sturzgeschehen zu - es kommt zu Oberschenkelhalsbrüchen, medikamentösen Delierien,
Verwirrtheitszuständen oder Halluzinationen. Zudem leidet das vegetative
Nervensystem darunter. Aber gerade bei
alten Menschen verzeichnet man in der
Therapie große Erfolge.“
Auch Frauen seien immer von Suchterkrankungen betroffen, so die Psychiaterin und Neurologin. „Frauen verheimlichen ihre Sucht viel stärker als
Männer und trinken oft heimlich. Eine
Suchterkrankung bei einer Frau ist nach
wie vor höher stigmatisiert, das heißt,
sie wird in der Gesellschaft ganz anders
bewertet. Das führt dazu, dass Frauen
zu Höherprozentigem wie Cognac oder
Wodka greifen, damit sie in kurzer Zeit
die Wirkung spüren, nicht zuletzt, um
sich aus der Realität wegzubeamen,
weil der Druck zu groß wird. Zudem
vertragen Frauen in der Regel deutlich
weniger als Männer und werden damit
auch schneller abhängig.“
Alexander B. steht mit seiner angestrebten 180�Grad�Wende noch am
Anfang. Wie sieht die Primaria seine
Chancen, abstinent zu bleiben?
„Ich denke, er kann es schaffen - wenn
er dranbleibt. Es besteht immer die Gefahr, dass es einem einmal zu gut geht
und man sich irgendwann denkt, ein
Schnaps oder ein Joint können ja nicht
schaden. Wir werden schauen, dass
wir Herrn B. bis zum Ende der Therapie
medikamentös so eingestellt haben,
dass das Bedürfnis nach Suchtmitteln
soweit gefallen ist, dass er auch wirklich davon lässt.“
Und wie sieht Alexander B. seine Zukunft?
„Seitdem ich hier angekommen bin, hat
sich schon viel verändert. Ich wache
in der Früh auf und habe ein Lachen
im Gesicht. Ich gehe hinaus, auf den
Balkon - das habe ich jahrelang nicht
gemacht. Ich habe keine hohen Ziele ich möchte einfach trocken bleiben und
ein normales Leben führen. Arbeiten
gehen, eine schöne Wohnung, eine liebe
Freundin ... Natürlich fehlt mir etwas
- Alkohol ist eben meine Sucht. Aber
es geht mir gut und ich weiß, dass ich
in der Lage bin, mein Leben zu ändern
- aber eben nur, wenn ich nichts mehr
trinke.
Isolde S. hat sich für
Gymnastik und Walken
entschieden. Eine
Dreiviertelstunde am Tag sei
sie außerdem gemeinsam
mit einer Mitpatientin in der
Wäscherei für Bügelarbeiten
zuständig.
Auch Josefine W. soll
mittels der Kreativ� und
Beschäftigungstherapie zu
einem geregelten Alltag
zurückfinden.
E rg oth era p eu ti n D an i el a P i ch l er l ei tet d i e
Krea ti v� u n d Bes ch äfti g u n g s th era p i e
i m Kran ken h au s d e La Tou r.
Kreative Wege in der Therapie:
Fähigkeiten neu entdecken
Sport, Kreativität und einen Beitrag für die Gemeinschaft leisten: Die Kreativ� und Beschäftigungstherapie ist
wichtiger Bestandteil des achtwöchigen stationären Aufenthalts von Suchtpatienten im Krankenhaus de La Tour.
Unter anderem Vorbereitung auf einen regelmäßigen Alltag, stärkt die Therapie auch das Selbstwertgefühl.
Ein Herz, das sich aus neun Tafeln
zusammensetzt: Neun Bilder, die
unterschiedlicher nicht sein könnten
und doch eins ergeben - entstanden
im Rahmen der Kreativtherapie im
Krankenhaus de La Tour in Treffen. Eine
der Bildtafeln stammt von Isolde S. „Ich
habe früher Aquarelle gemalt - hier
arbeite ich mit Acryl“, erzählt die seit
sechs Wochen in Therapie befindliche
Patientin. „Das Malen macht Spaß, es
ist schön, sich selbst so zu entfalten.
Und man kann dabei auch eine Menge
reflektieren“, meint Isolde S. und ihr
Blick wird nachdenklich.
„Es hat mich erschüttert, welche Sorgen
ich anderen Menschen bereitet habe.
Es ist wirklich schlimm, mit wie viel
Lüge die Sucht verbunden ist.“
Alkohol habe sie getrunken und
Beruhigungsmittel genommen, erzählt
Isolde S. weiter. „In Zukunft gibt es für
mich nur noch Abstinenz.“
Bei ihrem Vorhaben unterstützt wird die
Patientin durch die Ergotherapie, die
sich im Krankenhaus de La Tour aus
drei Teilbereichen zusammensetzt, wie
Leiterin Daniela Pichler erzählt.
„Bewegung, Arbeits� und
Kreativtherapie sind jene Teilbereiche,
die den Patienten vermittelt werden.
In Erstgesprächen schauen wir, was
zu wem passt. In der Arbeitstherapie
bieten wir Dienste im Café, als Portier,
in den Werkräumen, der Wäscherei,
im Speisesaal oder der Bücherei an.
Auch Außenarbeiten wie Rasenmähen,
Schneeräumung, Recycling, Einkaufen
oder Betreuung der Blumen werden von
Patienten erledigt“, erklärt Pichler.
14
„ Das Malen mach t Sp aß , es is t
s ch ön , s ich s elb s t s o en t f alt en zu
kön n en . Un d zu d em kan n man b eim
Malen au ch ein e Men g e
ref lekt ieren .
Isolde S.
„Es ist schön, dass ich mich
hier mit Sachen beschäftigen
kann, die ich in der Schulzeit
gemacht habe. Ich wusste
gar nicht, dass ich so kreativ
bin! Das Seidenmalen
macht mir besonders viel
Spaß - ich habe schon
viele Aufträge bekommen“,
erzählt sie und demonstriert
gleich eine besondere
Technik, wo die Seide auf
Joghurtbecher gebettet mit
Farbe übergossen und mit
Salz bestreut wird.
„Das ist bereits mein dritter
Schal, den ich hier gestalte.
Den bekommt meine Tochter. Er wird
genau zu einer ihrer Jacken passen“,
freut sich Josefine W.
„Meine Tochter, die steht wirklich hinter
mir. Zwanzig Jahre habe ich getrunken
- aber ich will nicht mehr so leben wie
bisher. Anfangs hatte ich es ja noch
unter Kontrolle, aber dann ... Mein Mann
hatte vier Schlaganfälle. Sieben Jahre
lang habe ich ihn betreut - aber mit der
Pflege war ich einfach überfordert. Es
ist ein 24�Stunden�Job... Momentan ist
mein Mann im Pflegeheim; sollte ich ihn
wieder nachhause nehmen, dann nur
mit einer 24�Stunden�Pflege. Derzeit
muss ich einmal nur auf mich schauen.“
Mit Bewegung und Kreativem wolle sie
auf jeden Fall weitermachen, betont
„Es geht uns darum, Verantwortung
zu übernehmen und einen Teil für die
therapeutische Gemeinschaft zu leisten.
Die Patienten sollen dadurch wieder
in einen gesünder geregelten Alltag
zurückfinden.“
Zur Arbeitstherapie kommt die
Bewegung: „Auch hier wird zunächst
abgeklärt, was der jeweilige Patient
machen kann. Das Programm ist
vielfältig - es ist wirklich für jeden
etwas dabei: Montag und Freitag
walken wir, Dienstag, Mittwoch
und Donnerstag steht Gymnastik
am Programm. Zusätzlich bieten
wir Wirbelsäulentraining und
Wandereinheiten an. Zudem gibt’s
Kegel� und Schwimmeinheiten sowie die
Möglichkeit für Tennisunterricht.“
15
Josefine W.
„Ich weiß, dass sich meine
Lebensumstände nicht ändern werden,
die sechs Wochen, die ich bisher hier
verbracht habe, haben mir sehr viel
gegeben. Ich kann mich endlich mit mir
selbst beschäftigen.“
Das Angebot im kreativen Bereich ist
vielfältig: Neben der Malerei werden
auch Körbeflechten, Arbeiten mit
Holzbrandtechniken, Gipsen, Töpfern
oder Specksteinarbeiten angeboten.
Offene Werkstätten mit ganztägiger
Betreuung sorgen dafür, dass sich die
Patienten ihre Zeit frei einteilen können.
Warum die Hobbys für die Patienten so
wichtig sind?
„Zum einen soll die Freizeit in Zukunft
sinnvoll gestaltet werden, zum anderen
können diese sinnlichen, unmittelbaren
Erfahrungen dazu beitragen, sich selbst
neu zu erleben und zu spüren.“, erklärt
Pichler.
„Darüber hinaus steigt dadurch das
Selbstwertgefühl - denn viele bemerken
im kreativen Prozess, dass sie zu viel
mehr im Stande sind, als sie dachten.“
Und mit den neu entdeckten Fähigkeiten
wird es vermutlich auch leichter fallen,
der Sucht nicht mehr nachzugeben ...
„ Derz e it mu ss ich e in ma l n u r a u f
mich sch a u e n . H ie r k a n n ich mich
mit D in g e n b e sch ä f t ig e n , d ie ich
zule t z t in me in e r Sch u lz e it
g e ma ch t h a b e.
Josefine W.
Pflege im
Krankenhaus de La Tour
•
Aromapflege: Schutzwall
gegen seelische Tieflagen
Befinden Sie sich in einem Stimmungstief? Wie wäre es mit einer Kickbeduftung? Ein paar Tropfen
ätherische Öle auf ein Tuch und die Welt ist schon gar nicht mehr so grau!
Funktioniert tatsächlich - von der Aromapflege profitieren auch die Patienten des Krankenhauses de La Tour.
Grapefruit, Sandelholz, Bergamotte oder
Jasmin - ein tiefer Atemzug, die Augen
geschlossen. Was entscheidet die ans
Fläschchen gehaltene Nase? Gefällt ihr
der Duft oder lehnt sie ihn ab?
Bevor Elemi, ein Baumharz, dran ist,
noch schnell einmal das Riechorgan
mittels Kaffeebohnen neutralisieren.
Dann den Duft in die Nase steigen
lassen... die sagt eindeutig "ja"!
"Das Wahrnehmen von Duftstoffen
ist eng mit emotionalem Empfinden
verbunden", erklärt Gesundheits- und
Krankenpflegerin Barbara Schmölzer.
"Erlebnisse und Gefühle, die mit
einem Geruch verbunden sind, prägen
sich wesentlich tiefer in unsere
Erinnerungen ein als alles, was wir
hören und sehen."
Im Krankenhaus de La Tour in
Treffen arbeitet die ausgebildete
Aromapraktikerin mit Suchtpatienten.
"Welchen Geruch wir als angenehm
empfinden, hängt von unserer
momentanen Stimmungslage ab. Zudem
können Düfte die Befindlichkeit positiv
beeinflussen", meint Schmölzer.
"Elemi (Canarium luzonicum), ein
zitronig�harziger Duft, der als
wohlriechend und behaglich empfunden
wird, bildet zum Beispiel eine Art
Schutzwall bei Stress, Nervosität und
Hektik, harmonisiert und verbreitet
Ruhe und Besonnenheit. Ein paar
Tropfen auf ein Taschentuch träufeln,
das ich mir unter die Nase halte und
intensiv inhaliere, sorgt bereits für eine
Besserung der momentan belastenden
emotionalen Stimmungslage. Im
Krankenhaus de La Tour wird damit
auch die Motivation der Patienten
gestärkt, bestehende Probleme
mit Unterstützung der Therapeuten
lösungsorientiert zu bearbeiten."
Ätherische Öle haben auch
Einfluss auf den Körper, so die
16
Aromapraktikerin weiter. "Gezielt
eingesetzte Naturaromen können
Ein� und Durchschlafstörungen
entgegenwirken oder auch den
Blutdruck positiv beeinflussen.
Muskelkater, hervorgerufen durch
übermäßiges körperliches Training, wird
durch die Anwendung von Aromabädern
gelindert."
Ob am Taschentuch, in der Duftlampe,
als Raumspray, Aromabad, Fußbad,
Inhalation, Ölkompresse, Einreibung
oder in der Sauna - die Anwendung
ätherischer Öle ist vielseitig.
"Duftvorlieben können aber eben auch
variieren. Wenn meine emotionale
Stimmungslage gedrückt ist und ich am
Duft der Bergamotte großen Gefallen
finde, liegt das daran, dass dieser
Duft Licht ins Dunkel bringt, das heißt
er wirkt stimmungsaufhellend und
entspannend. Das spritzig frische Aroma
der Grapefruit sorgt bei Müdigkeit,
Lustlosigkeit und schlechter Laune
Junge Forschung,
die Stärken fördert
Zu den Kernaufgaben der
Gesundheits� und Krankenpflege
im Krankenhaus de La Tour zählen
u. a. die Unterstützung der Ärzte
bei der medizinischen Versorgung
der Patienten, Krisenmanagement,
Pflegediagnostik, die psychosoziale
Betreuung der Patienten sowie die
Gesundheitsförderung.
Pflegedienstleiterin Theodolinde
Petschniker-Berger steht im
Krankenhaus de La Tour in engem
Kontakt zu den Patienten. Worauf es
im Pflegeberuf ankommt, verrät sie im
Interview mit den Mitmenschen:
•
Am individuell abgestimmten
Therapieprogramm stehen u. a. Qi
Gong, Aromapflege, Kneipptherapie,
Hygiene oder Diabetes�Beratung.
Wie darf man sich die Pflege in einem
Therapiezentrum für Suchtkranke
vorstellen?
•
Damit soll ein Prozess eingeleitet
werden, der dem Patienten trotz
Krankheit ein höheres Maß an
Selbstbestimmung über seine
Gesundheit ermöglicht und zu
einer wesentlichen Verbesserung
seines körperlichen, seelischen und
sozialen Wohlbefindens beiträgt.
für Leichtigkeit, Heiterkeit und ein
positives Lebensgefühl. Zudem regt der
Duft die Kreativität an und verströmt
Optimismus, so die Öle�Kennerin.
Achten müsse man bei der Aromapflege
vor allem auf die Verwendung von
ätherischen Ölen in Bio�Qualität, meint
Schmölzer. "Es gibt sehr viel Schund
am Markt. Synthetisch hergestellte Öle
sind zwar preiswert, haben jedoch keine
therapeutische Wirkung. Außerdem
haben Forschungen ergeben, dass
synthetische Öle das Immunsystem
schwächen und Allergien begünstigen
oder auch auslösen. Naturreine
ätherische Öle hingegen sind chemisch
unveränderte Stoffe, die aus genau
definierten Pflanzenmaterialien durch
schonende Verfahren gewonnen
werden", so Schmölzer.
Wie wichtig ist das Zusammenspiel der
einzelnen Bereiche?
Petschniker-Berger: Der interdisziplinäre Austausch ist wirklich sehr wichtig. Gerade im psychosozialen Bereich
kann ein einzelnes Fach allein nicht
alles abdecken.
DGKS Theodolinde PetschnikerBerger, BA: Den typischen, bettlägrigen
Patienten im Pyjama und Schlafrock,
gibt es bei uns nicht. Dennoch sind
wir - gleich wie in anderen Krankenhäusern - neben den Ärzten die einzige
Berufsgruppe, die rund um die Uhr für
die Patienten da ist. Entsprechend der
komplexen Anforderungen verfügen
wir zudem über ein hochqualifiziertes
und sehr erfahrenes Pflegepersonal.
Wenn ein Patient zu uns kommt, wird
zunächst eine Pflegeanamnese durchgeführt, bei der wir evaluieren, welche
Defizite der Patient hat und wo Förderung notwendig ist. Wir arbeiten mit
den Stärken der Patienten, die durch die
Krankheit verdrängt beziehungsweise
vergessen wurden.
Wie kann das gelingen?
Petschniker-Berger: Wir haben ein
vielfältiges Angebot, aus dem wir für
unser Therapieprogramm schöpfen
können. Unter anderem bieten wir
Entspannungstherapie, Qi Gong, Aroma�
und Kneipptherapie, gesundheitsfördernde Gespräche, Ernährungs� oder
Hygieneberatung an. Mit Hilfe der
Pflegediagnostik, die sich aus der Anamnese ergibt, stellen wir das Programm
ideal auf den jeweiligen Patienten
abgestimmt zusammen. Dabei bleibt
für die Patienten genügend Spielraum
für eigene Aktivitäten. Gleichzeitig soll
möglichst viel Wissen über den eigenen
Gesundheitszustand vermittelt werden.
Klingt nach einem umfassenden Aufgabenbereich ...
Petschniker-Berger: Schon, ja. Pflegepersonen brauchen ein umfassendes
Wissen, das zum einen aus der Pflegeforschung kommt, aber auch aus anderen Wissenschaften wie der Medizin
oder der Psychologie. Seit 1997 gibt es
zudem ein Gesundheits� und Krankenpflegegesetz, das uns mehr Verantwortung einräumt, sowohl im eigenständigen Bereich der Pflege als auch im
mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich.
17
Aber worin genau liegt das Hauptaugenmerk der Pflege im Krankenhaus de
La Tour?
Petschniker-Berger: In erster Linie
leisten wir Beziehungs� und Kommunikationsarbeit. Es ist wichtig, dass die
Patienten Vertrauen in uns haben. Sie
müssen das Gefühl haben, bei uns gut
aufgehoben zu sein. Nur dann schafft
man es, die Patienten richtig zu motivieren. Und das ist ja unser Ziel: Die
Aktivierung auf sehr individueller Basis
- eben abgestimmt auf jeden einzelnen.
Wie einfach fällt die Motivationsarbeit?
Petschniker-Berger: Es erfordert viel
Einfühlungsvermögen. Es gibt Patienten, die nehmen alles in Anspruch, aber
manche muss man sogar bremsen: Die
machen alles, nur um nicht nachdenken
zu müssen!
Glücksspiel und
Kaufrausch:
ein Leben, gesteuert
durch Impulse
Über viele Jahre war das Krankenhaus de La Tour österreichweit das
einzige Suchtzentrum, das Spielsüchtige therapierte. Mit der Villacher
Spielsuchtambulanz konnte das Angebot 2010 erweitert werden.
Abhängigkeiten wie die Kauf� oder die Computer� und Onlinesucht
treten ebenfalls immer mehr in den Vordergrund.
Auch diese Suchterkrankungen werden bei Bedarf mittlerweile
stationär therapiert.
Vom sogenannten "Kaufrausch" wird ab
und zu wohl jeder befallen: Zu verlockend ist das vielfältige Angebot der
Geschäfte. Ein paar Mal im Jahr über
die Stränge zu schlagen ist - solange es das Bankkonto erlaubt - wohl
in Ordnung. Wenn das Verlangen nach
Einkaufen aber zur Sucht wird, stehen
meist heftige Probleme ins Haus ...
"Die Kaufsucht ist kein Phänomen der
Neuzeit, bereits zu Beginn des 20.
Jahrhunderts wurde sie, damals noch
als Oniomanie bezeichnet, als eine Störung mit Krankheitswert beschrieben",
erzählt Bettina Quantschnig.
Die Leiterin des Psychologischen
Dienstes im Krankenhaus de La Tour
therapiert in Treffen sowie in der
Spielsuchtambulanz Villach Menschen
mit Suchtproblematiken, darunter auch
Kaufsüchtige.
Die Möglichkeit der stationären Behandlung von Kaufsüchtigen ist neu.
"Trotz vermehrter
Aufmerksamkeit ist
die Forschungslage
noch dürftig. Die
Problematik dieser
Menschen wird noch nicht richtig gesehen, denn gesellschaftlich wird Geld
und Kaufen mit ,Power' assoziiert", so
Quantschnig. "Oft bleibt die Krankheit
lange im Verborgenen."
Wenn die finanzielle Belastung überhand
nimmt, suchen viele Betroffene dann
doch Unterstützung.
war das Treffener Suchtzentrum österreichweit die einzige Einrichtung mit
diesem Angebot.
"Wir haben ein eigenes Therapiekonzept entwickelt", erzählt Quantschnig. "Spielsüchtige haben besondere
Eigenschaften - zum Beispiel verfügen
sie über ,magisches Denken'. Das sind
Denkmuster, die dazu führen, dass man
glaubt, Einfluss auf den Spielverlauf
nehmen zu können." Darauf müsse
in der Therapie Rücksicht genommen
werden.
Impulsgesteuert handeln auch Menschen mit Kaufsucht. "Deshalb sind sie
ähnlich zu therapieren wie Spielsüchtige", erklärt Quantschnig. Acht Prozent
der Bevölkerung seien betroffen oder
stark gefährdet, der Kaufsucht zu
erliegen. Bei der Spielsucht sind es im
Vergleich 0,5 bis ein Prozent, im
Onlinebereich drei Prozent.
Ein Mythos sei, dass es sich dabei um
ein ausschließlich weibliches Phänomen
handle, so die Psychologin. "Vor allem
bei jungen Erwachsenen zeigt sich die
Tendenz, dass auch immer mehr Männer
betroffen sind."
Geschlechtsspezifische Unterschiede
gäbe es dennoch: "Man kann sagen, dass Frauen eher bei Kosmetik,
Konfektionsware und Nahrungsmitteln
zuschlagen, während Männer vermehrt in Baumärkten zuhause sind", so
Quantschnig. "Die Kaufsucht ist eben
kein homogenes Phänomen, sondern
unterscheidet sich in ihrem Kaufverhalten. Oft tritt sie auch zusammen mit
anderen Suchterkrankungen oder Angst�
und Persönlichkeitsstörungen auf."
Wodurch aber wird süchtiges Kaufverhalten eigentlich ausgelöst?
"Die Kaufsucht dient der Kompensation von Defiziten, die durch Nichtlösen
von Problemen entstanden sind wie
zum Beispiel beruflicher Stress oder
private Enttäuschungen. Im Mittelpunkt
steht nicht der Gebrauchswert, sondern die Befriedigung, die das Kaufen
kurzweilig verschafft. Man geht davon
aus, dass es beim Akt des Kaufens zu
einer verstärkten Dopaminausschüttung
B etti n a
Q u an ts ch n i g
i st p sych ol og i s ch e
Lei t eri n d er
S p i el s u ch tam b u l an z
Vi l l ach u n d
l ei t et d en
P s y c h ol og i s ch en
D i en s t i m
K r an ke n h au s
d e La Tou r.
Ein überzogenes Konto und der Verlust
des (oft gesamten) Vermögens ist auch
meist der Grund für Spielsüchtige, sich
Hilfe von Spezialisten zu holen.
Bereits seit 1987 werden Menschen mit
Spielsuchtproblematik im Krankenhaus
de La Tour behandelt. Viele Jahre lang
18
(Dopamin: Glückshormon, Anm. d. Red.)
kommt. Es führt aber nur zu einer kurzfristigen Stimmungsaufhellung."
Süchtiges Kaufen könne sich unterschiedlich manifestieren, so die
Therapeutin weiter. "Es kann zu phasenweisen oder täglichen Kaufattacken
kommen. Wichtig ist, zu schauen, wofür
das gekaufte Objekt steht. Einer meiner
Patienten, ein Theologe, kaufte zum
Beispiel massenhaft Bücher. Auf der
Suche nach Selbstbestätigung wollte er
sich bilden. Eine andere Patientin, eine
36�jährige verheiratete dreifache Mutter
wollte sich hingegen mit täglichen
Kleiderkäufen Zuneigung erkaufen. In
ihrem Fall hatte der Kaufakt also den
Sinn der Belohnung. Die Waren selbst
hat sie kaum bis gar nicht benützt, ein
typisches Verhalten. Häufig bleiben die
Einkäufe unausgepackt versteckt. Der
Konsum ist ja vom Bedarf gelöst ..."
Einer der markanten Unterschiede der
Kauf� zur Spielsuchttherapie sei, dass
man dabei nicht - wie im Krankenhaus
de La Tour sonst üblich - auf Abstinenz
setzt: "Das geht bei der Kaufsucht nicht
- ich kann schließlich niemandem sagen, er darf ab sofort nie wieder etwas
kaufen", so Quantschnig.
Vielmehr gehe es darum, dass das
Einkaufen zum normalen Bestandteil
des Alltags werde. "Bei der Onlinesucht
ist das genauso. Auch hier ist es nicht
zielführend, das Internet komplett zu
ignorieren. Das geht meist beruflich
schon nicht", erklärt die Psychologin.
"Bei der Spielsucht ist Abstinenz aber
das erklärte Ziel."
Die Therapieerfolge sind übrigens
deutlich höher als man meint: "Bei der
Spielsucht liegt die Quote jener, die
abstinent bleiben, gleich wie beim Alkohol - also dreißig bis vierzig Prozent.
Bei der Kaufsucht gibt es noch zu wenig
offizielle Studien."
Ein Rückfall sei noch keine Katastrophe,
meint Quantschnig. "Es kommt darauf
an, wie man damit umgeht. Man muss
in so einem Fall schnell reagieren,
um den Rückfall zu stoppen. Unsere
Patienten wissen, dass sie sich, sollte
das passieren, jederzeit an uns wenden
können."
" D as Sp i el kan n i ch b eei n fl u s s en ! "
E i n fal s ch es D en km u s ter,
d as vi el e Sp i el s ü ch ti g e i n s i ch tra g en .
I m p u l s g es teu ert w i e Sp i el s ü ch ti g e
s i n d au ch kau fs ü ch ti g e M en s ch en .
D em en ts p rech en d äh n l i ch
verl äu ft d i e T h era p i e.
19
worden ist - wie lange dauert in der
Regel der stationäre Aufenthalt?
Gaugeler: Im Durchschnitt drei Wochen.
Das ist für Psychosomatikkliniken sehr
kurz.
Wie kann eine so kurze Zeit Erfolg
bringen?
Gaugeler: Durch ein umfangreiches
Therapieprogramm. In der Regel
haben unsere Patienten fünf bis sechs
Therapieeinheiten pro Tag. Zudem
werden Patienten bereits vor ihrem
Aufenthalt betreut. Viele besuchen
schon in der Wartezeit - im Schnitt
zwei bis drei Wochen - ambulante
Gruppentherapien. Somit kann man Zeit
gewinnen. In anderen Krankenhäusern
kommen Patienten ohne Vorbehandlung;
dann braucht man erst einige Tage bis
das Ganze anläuft. Zur Vorbetreuung
und dem stationären Aufenthalt
kommt noch die Nachbetreuung, um
langfristigen Erfolg zu sichern.
Für arbeitende Patienten ist die kürzere
Aufenthaltsdauer bestimmt auch eine
Erleichterung.
Bedarfsorientierte Therapie
als Schlüssel zur Qualität
GUDRUN ZACHARIAS
Als einziges Krankenhaus in Kärnten verfügt das Krankenhaus Waiern über eine Psychosomatik�Abteilung. Primar
Richard Gaugeler und Departmentleiterin Christine Adlassnig erklären im Interview mit den Mitmenschen, warum
für ein Department dieser Art durchaus Bedarf besteht.
Gehen wir gleich in medias res: Warum
setzt man in Waiern auf ein eigenes
Psychosomatik�Department?
Prim. Dr. Richard Gaugeler: Die
Psychosomatik ist eine Fachrichtung,
die in alle medizinischen Bereiche
integriert sein sollte. Nur eine
Spezialabteilung kann jedoch die volle
Kompetenz einer Fachabteilung bieten.
Um welche Kompetenzen handelt es
sich dabei? Was wird behandelt?
Dr. Christine Adlassnig: Wir behandeln
Patienten mit verschiedenen
Krankheitsbildern: Depressionen,
Schmerzstörungen, Essstörungen,
Angst� oder Somatisierungsstörungen,
das sind Störungen, wo sich psychische
Probleme in Form von körperlichen
Symptomen wie beispielsweise
Verdauungsstörungen oder kardiale
Probleme ausdrücken.
Gaugeler: Die Mischung aus
einer internen, geriatrischen und
psychosomatischen Station ist ideal.
Oft sehen wir Patienten, bei denen sich
hinter dem körperlichen eigentlich ein
psychosomatisches Problem verbirgt.
Natürlich gibt’s das auch umgekehrt,
dass jemand von der Psychosomatik
körperlichen Untersuchungs� und
Therapiebedarf hat. Laut internationalen
Studien hat an internistischen
Abteilungen ein Drittel der Patienten
auch psychische Erkrankungen als
Begleit� oder Hauptdiagnose. Unsere
Mitarbeiter sind hoch qualifiziert und
speziell geschult, darauf zu achten.
In Anbetracht der Tatsache, dass
eine Million der Österreicher
Burnout�gefährdet sein sollen, scheint
das sinnvoll ...
Adlassnig: Burnout ist ja keine
medizinische Diagnose. Aber die
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sogenannten Burnout�Patienten kommen
meist mit Erschöpfungsdepressionen
oder körperlichen Symptomen zu uns.
Charakteristisch sind Schlafstörungen
oder Störungen des vegetativen
Nervensystems, Übererregbarkeit,
innerliche Unruhe, depressive
Symptome, Gereiztheit, Störungen von
Stimmungen und Antrieb und meist
hohe Anspannung.
Gibt es eigentlich Berufsgruppen, die
besonders von Burnout betroffen sind?
Gaugeler: Was auffällt ist, dass die
Berufsgruppen wechseln. Als es
staatliche Umstrukturierungen gab,
hatten wir viele Postbeamte hier, derzeit
sind viele Patienten bei uns, die in
Pflegeberufen oder im Verkauf, vor
allem in Supermärkten, arbeiten. Auch
Lehrer sehen wir vermehrt.
Wenn nun ein Patient zugewiesen
Gaugeler: Natürlich. Viele Patienten
arbeiten. Aus unserer Sicht sollen
sie schnell wieder in den geregelten
Arbeitsprozess kommen. Der
Arbeitgeber verkraftet es, auf seinen
Mitarbeiter drei Wochen zu verzichten.
Bei Therapiezyklen von acht bis zwölf
Wochen wird es oft schwierig ...
Wie alt sind Patienten der
Psychosomatik im Schnitt?
Gaugeler: Wir bemerken einen
Doppeltrend: Auf der einen Seite
kommen immer jüngere Leute zu uns
- die Hemmschwelle, bis man eine
Therapie angeht, ist nicht mehr so
groß, man fängt also früher an. Auf
der anderen Seite sind viele ältere
Patienten von psychosomatischen
Erkrankungen betroffen. Ein 18�Jähriger
hat aber andere Probleme und
Gesprächsbedarf als ein 75�Jähriger.
Deshalb bieten wir altersdifferenzierte
Gruppentherapien an.
Was denken Sie, warum immer mehr
ältere Menschen betroffen sind? Ist das
ein gesellschaftliches Phänomen?
Gaugeler: Das bedingt die demografische Entwicklung. Wir werden
immer älter. Unser größtes Bevölkerungssegment ist die Gruppe 60+.
Man könnte annehmen, dass bei
Pensionisten der Druck nicht mehr
so groß ist. Burnout würde damit
wegfallen.
Adlassnig: Im Alter gibt es andere
Krankheitsbilder, die Altersdepression
zum Beispiel, oft bedingt durch die
Veränderung von Lebensumständen.
Wenn der Körper schwächer wird
und man plötzlich auf Unterstützung
angewiesen ist oder mit dem Tod
des Partners konfrontiert wird,
dann sind das schwerwiegende
Belastungsfaktoren.
Früher hat man diese Form der
Depression nicht behandelt?
Gaugeler: Nein, man dachte, dass das
zum Leben eben dazu gehört - wenn
man alt wird, darf man depressiv
sein. Man hat Altersdepression nicht
als Krankheit erkannt. Außerdem war
man der Ansicht, es ist normal, dass
alte Menschen Schmerzen haben.
Dass es sich dabei oft um chronische
Schmerzstörungen aufgrund psychischer
Belastungsfaktoren handelte, war
vielfach nicht klar.
Ist die Altersdepression gut
behandelbar?
Gaugeler: Ja, das können wir
durch Studien belegen. Durch die
Miteinbeziehung der Psychosomatik
bei geriatrischen Patienten nehmen wir
eine Vorreiterrolle ein, denn vielfach
wird das in Österreich noch sehr
stiefmütterlich behandelt.
Wir beobachten Patienten auch
noch Monate nach ihrer Entlassung
und erheben ihren Zustand und
somit den Erfolg der Therapie.
Zum Beispiel mit Hilfe des GerN�
Projekts?
Gaugeler: Genau - ein in Österreich
einzigartiges Projekt, das aus einer
Forschungskooperation mit der
Universität Klagenfurt entstanden ist
und das sich mit der Nachbetreuung
geriatrischer Patienten befasst. Das
Projekt selbst ist abgeschlossen, die
Gruppen laufen aber aufgrund des
Erfolges weiter.
Seit wann gibt es eigentlich
Nachbetreuungsprojekte in Waiern?
Gaugeler: Die wurden bereits vor
zehn Jahren entwickelt. Mittlerweile
besuchen 60 Prozent der Patienten
neun Monate lang Nachbetreuungsprogramme.
Was ist mit den übrigen 40 Prozent?
Warum werden die nicht nachbetreut?
Gaugeler: Meistens liegt der Grund
darin, dass die Anfahrt für diese
Patienten zu weit ist. Als einziges
Krankenhaus in Kärnten mit einer
Abteilung für Psychosomatik versorgen
21
wir ja im Prinzip das ganze Land und auch aus anderen Bundesländern
kommen viele zu uns, aus Tirol, der
Steiermark und sogar aus Wien.
Wenn die neun Monate der
Nachbetreuung Psychosomatik vorbei
sind - sind die Patienten dann wieder
ganz auf sich gestellt?
Gaugeler: Nein. Wenn dann noch Bedarf
besteht, gibt es die Möglichkeit, in
eine selbstverwaltete Gruppe, eine
sogenannte Selbsthilfegruppe zu gehen.
Die wird nur noch bedingt therapeutisch
begleitet.
Die Psychosomatik wird ja häufig mit
der Psychiatrie in einen Topf geworfen.
Worin liegt der Unterschied?
Gaugeler: Die Psychiatrie behandelt
akute Psychosen.
Adlassnig: Zudem gibt es bestimmte
Krankheitsbilder, die auf der Station
Psychosomatik nicht behandelt werden
können, weil die Voraussetzungen nicht
gegeben sind, zum Beispiel schwere
Persönlichkeitsstörungen oder wenn
jemand suizidgefährdet ist.
Gaugeler: Wir haben ja keinen
geschlossenen Bereich. Unsere
Qualität liegt im breitgefächerten
Therapiekonzept mit vielen Einzel�
und Gruppentherapien. Die Patienten
müssen aber in der Verfassung sein,
daran teilnehmen zu können.
Könnte man also sagen, dass es
Patienten gibt, die, wenn sie rechtzeitig
auf der Psychosomatik behandelt
würden, sich einen psychiatrischen
Aufenthalt ersparen würden?
Gaugeler: Das trifft in Einzelfällen zu,
prinzipiell aber handelt es sich um
unterschiedliche Krankheitsbilder.
Adlassnig: Ich glaube, das kann
man nicht generalisieren. Bei vielen
Erkrankungen – z.B. Depressionen oder
Zwangsstörungen wie Wasch� oder
Ordnungszwängen – gilt: Je früher man
etwas tut, desto besser die Prognose.
Es gibt nicht so viele Ärzte, die sich auf
Psychiatrie spezialisiert haben - was
ist das Faszinierende an diesem Fach?
Adlassnig: Spannend ist, dass man
es mit einem breiten Spektrum an
Krankheitsbildern, jungen und alten
Patienten mit unterschiedlichen
Schweregraden ihrer Erkrankung zu
tun hat. Interessant ist sicher auch,
dass man so nah am Patienten dran ist.
Auf der Psychosomatik hat deshalb die
Arzt�Patienten�Beziehung einen sehr
hohen Stellenwert.
Nach stationärer
Therapie nicht
alleine gelassen
Seit einiger Zeit werden Patienten der Wairer Psychosomatik und
Akutgeriatrie im Rahmen der Psychosomatischen Nachbetreuung auch
nach ihrem stationären Aufenthalt in Gruppen therapiert. Damit sollen
Patienten langfristig gesundheitlich stabil bleiben. Eine aktuelle Studie
belegt große Erfolge.
Fünfzehn Personen in einem Sesselkreis. Es ist Montagabend, 18:00 Uhr.
Ein wenig müde scheinen schon ein
paar, andere wiederum sind munter und
erfreut, Bekannte zu treffen.
Die Teilnehmer erinnern nicht so
sehr an Patienten, sondern eher an
motivierte Teilnehmer eines Seminars.
"Kursleiter" Horst Rischnig, Psychologe
im Krankenhaus Waiern, hat für die
kommende Stunde ein Programm
"Nach der stationären Therapie
im Krankenhaus Waiern, die in der
Regel drei Wochen dauert, sollen
die Therapieerfolge durch das
Nachbetreuungsangebot gefestigt
werden", erklärt Ingrid Salem, die
für die psychologische Leitung im
Krankenhaus Waiern verantwortlich
zeichnet, das Angebot.
Ins Leben gerufen wurde die
psychosomatische Nachbetreuung im
Rahmen eines Reformpoolprojekts.
"Soeben haben wir den Erfolg dieser
Gruppen seitens einer Studie bestätigt
bekommen", spielt die Psychologin
auf den soeben erschienenen
Evaluationsbericht 2012 von
Universitätsprofessor Walter Renner
an. "Der weit überwiegende Teil der
Patienten berichtete über statistisch
signifikante Verbesserungen im
subjektiven Erleben und Verhalten
im Zuge der Nachbetreuung sowie
eine sehr hohe Zufriedenheit mit
der erlebten Prozessqualität der
evaluierten Angebote", kann Renner
berichten. "Beachtlich war im ersten
Beobachtungsjahr, dass nicht nur in
der Vorbetreuung die Patienten schon
signifikant stabiler und gesünder
wurden, sondern in der Nachbetreuung
22
Wenn die Seele
Trauer trägt
GUDRUN ZACHARIAS
Erfolgreich stand Sabine F. im Berufsleben - bis zu 18 Stunden war
sie täglich für ihren Job im Einsatz.
Burnout und Depressionen waren der Preis, den sie für ihren Hang
zum Perfektionismus zahlte. Ein zu hoher Preis, wie sie heute weiß.
Im Krankenhaus Waiern startet die Patientin der Psychosomatik in
ein neues Leben.
Psychoanalytiker Fritz Riemann, der mit
seinem Werk über die "Grundformen der
Angst" auch außerhalb von Fachkreisen
weitgehend bekannt wurde.
Offen über ihr Innerstes zu reden oder
zu einem psychologischen Thema
Fragen zu stellen, scheint für die
Mitglieder der Gruppe, zwölf Frauen
und drei Männer, kein Problem. Mit
Gruppentherapien sind sie alle vertraut,
schließlich waren sie alle zuvor
stationär in Waiern aufgenommen mit
Diagnosen wie Depression, Burn�out
oder Panikattacken.
Mittlerweile ist einiges an Zeit
vergangen - die Nachbetreuung II ist
bereits für "Fortgeschrittene".
zusammengestellt - zunächst eine
Befindlichkeitsrunde:
"Es ist eine Berg� und Talfahrt",
beschreibt ein Gruppenmitglied seine
aktuelle Befindlichkeit. "Ich mache mir
selbst Druck und weiß eigentlich nicht
wieso ..."
"Mir geht es sehr gut", meint ein
anderes Mitglied. "Ich merke, dass ich
mich mittlerweile viel besser abgrenzen
kann, auch in Stresssituationen."
Im Anschluss an die
Befindlichkeitsrunde folgt eine
Einführung in die Studien von
nach dem stationären Aufenthalt
zusätzlich zur erhofften Stabilisierung
in der längeren Betreuung auch noch
eine bedeutende Verbesserung des
psychischen Gesundheitszustandes zu
beobachten war", ergänzt Primarius
Richard Gaugeler. "Neben der
verbesserten Patientenzufriedenheit
und der nachgewiesenen verbesserten
psychischen Gesundheit konnten
auch durch Auswertung von
Versicherungsdaten reduzierte
Wiederaufnahmeraten und damit ein
enormer finanzieller Einspareffekt
nachgewiesen werden."
Psychosomatische
Nachbetreuung in Waiern
•
•
Die psychosomatische
Nachbetreuung im Krankenhaus
Waiern ist in Kärnten in dieser
Form einzigartig. Angeboten werden
Gruppen für ehemals stationäre
Patienten (Nachbetreuungsgruppen
I und II) sowie eine spezielle
Gruppe für Menschen älter als 60,
die im Rahmen des GerN�Projekts
(Geriatrische Nachbetreuung)
entstanden ist.
Mittlerweile kann auf große Erfolge
verwiesen werden. So wurden,
laut einer aktuellen Studie, die im
Laufe der Nachbetreuung I (erste
Serie von zehn Sitzungen) erzielten
Fortschritte gehalten; während der
Nachbetreuung II (zweite Serie von
zehn Sitzungen) kam es sogar zu
einer bedeutsamen Verringerung der
klinischen Symptomatik.
Weil die Seele nur noch schwarz war,
sei sie auf Anraten ihres Hausarztes
hier gelandet. Hier, auf der Station
Psychosomatik im Krankenhaus Waiern.
Zunächst skeptisch und auch ein wenig
abwehrend.
"Dann hat die Seele aber nach und nach
ihren Schleier verloren."
Sabine F. ist bereits die fünfte
Woche im Krankenhaus Waiern. Den
Eindruck eines depressiven Menschen,
der sich bis vor Kurzem sogar mit
Selbstmordgedanken trug, hat man
nicht. Sabine F. wirkt gar nicht
depressiv, vielmehr entspannt und
lebensbejahend.
"Die Sonne kommt jetzt wieder durch",
erklärt sie. "Und wenn sie durch Wolken
23
verborgen ist, dann weiß ich, wie ich
sie wieder zur Seite schieben kann."
Ganz anders als noch vor ein paar
Wochen: Ausgebrannt habe sich die
Burnout�Patientin damals gefühlt: "Das
Leben fühlte sich sinnlos an."
Nach dem Studium habe sie auch
in ihrem Job als Projektmanagerin
immer auf Perfektion gesetzt. Das
brachte Erfolg, führte jedoch auch
zur Überforderung. "2007 hatte ich
schon einmal einen Zusammenbruch.
Nach einer Woche rief mein Sekretär
an und meinte, er bringe mir jetzt
die Unterlagen ans Krankenbett. Eine
Woche später hat mein Chef angerufen
und gefragt, was los sei, wann ich
wiederkommen würde, alles stehe im
Büro und nichts funktioniere mehr ... Es
interessiert wirklich niemanden, wie’s
einem geht, fürs Kranksein wird man
schließlich nicht bezahlt!"
Den einzigen Ausweg sah Sabine F.
in der Kündigung. "Ich bin gar nicht
erst wieder hingegangen. Ich habe
ihnen gesagt, sie können ihren Kram
allein machen, denn ich komme
nicht mehr wieder", beschreibt die
Burnout�Patientin ihre damalige Flucht
aus der Arbeit. "Das ist mein Muster:
Ich arbeite, bis es nicht mehr geht.
Dann breche ich wirklich zusammen.
Es bleibt nichts übrig als der Gedanke:
,Ich kann und will nicht mehr'. So eine
Situation ist die Hölle."
Zur allgemeinen schwierigen Lage
kam das Unverständnis von Familie
und Bekannten hinzu. "Mein Mann war
zunächst nicht begeistert von meinem
Vorhaben, mich stationär in Therapie
zu begeben. Er dachte, ich würde es
auch alleine schaffen. Mittlerweile
weiß er, dass es notwendig war. Meine
Schwester fand meine Entscheidung
sehr gut. Meine Mutter und meine
Großmutter waren aber sehr geschockt.
,Um Himmelswillen, wie kann das denn
passieren!' Vielleicht wollten sie sich
von Schuld reinwaschen. Nach der
Ursache haben sie nie gefragt, auch
nicht nach der Art der Therapie. Nur
gehen sie jetzt mit mir um wie mit
einem rohen Ei."
So richtig wisse keiner, wie er
mit einem depressiven Menschen
umgehen solle, meint die Patientin.
"Die Ratschläge einer Freundin waren
jedenfalls nicht sehr hilfreich. ,Halt die
Ohren steif, streng dich an, lass dich
nicht so gehen', bekam ich öfters zu
hören. Auch Ausssagen wie ,Das hast
du früher ja immer geschafft! Was ist
denn jetzt anders?' werfen einen noch
mehr zurück, weil man sich für einen
Versager hält. Die Gesellschaft kann
mit Depression nicht umgehen, weil sie
gelernt hat, dass jeder funktionieren
muss. Ist das nicht so? Wenn man nicht
mehr kann, dann muss man gehen. Vier
Wochen arbeitsunfähig außer Gefecht
- die meisten Arbeitgeber haben dafür
überhaupt kein Verständnis ..."
Hinzu kam immer das schlechte
Gewissen, erzählt Sabine F. "Sobald
meine Arbeit eine Woche liegen blieb,
konnte ich nicht einmal mehr richtig
schlafen."
Auch Zukunftsangst plagte die Patientin.
"Wenn du aus dem Management
kommst, glaubst du, du hast, wenn
du aus Waiern rauskommst, einen
Stempel aufgedrückt. Alles, was in
der Gesellschaft mit ,Psycho' zu
tun hat ist ja negativ behaftet. Die
wenigsten wissen, wie die Therapie
auf psychosomatischen Stationen
I hr "inn er es Ich " ha t
Sab in e F. in Waier n
wieder g efu nd en.
Die Pa tien tin d er
Psychosoma tik
l eidet an schwer en
Depr essionen . Ihr
L eb en möch te sie
v on nu n an and er s
or g anisier en u nd
ber u flich
kü r z er tr eten.
24
erfolgt. Man ist sich nur sicher, dass
ein normaler Mensch so etwas nicht
braucht - was auch immer ,normal'
bedeutet in der heutigen Gesellschaft.
Ich finde das, was die meisten darunter
verstehen jedenfalls nicht normal. Viele
würden professionelle Hilfe brauchen,
begeben sich aber nicht in Therapie.
Und dabei bin ich so froh, dass ich
Vertrauen in die Behandlung fassen
konnte."
Bewegung, gesunde Ernährung,
Gespräche machen einen Großteil der
Therapie im Krankenhaus Waiern aus,
erzählt die Patientin. "Es wird darauf
Wert gelegt, dass man sich wieder zu
spüren beginnt, sodass die eigenen
Bedürfnisse wahrgenommen werden
können. Man ist ja auf sein Umfeld
eingestellt und gar nicht auf sich selbst.
Begleitet wird das von einer auf den
jeweiligen Menschen abgestimmten
Medikation."
Durch die Therapie wisse sie heute,
dass sie sich nicht mehr hassen müsse,
erzählt Sabine F.
Viele der psychosomatischen Patienten
im Krankenhaus Waiern bleiben drei
Wochen stationär im Krankenhaus.
Bei Sabine F. reichte dieser Zeitraum
nicht aus. "Ich weiß nicht, ob in den
ersten zwei Wochen überhaupt etwas
zu mir durchgedrungen ist. Ab der
dritten Woche habe ich jedenfalls eine
Veränderung bemerkt. Entspannen kann
ich mich seit zwei Tagen. Es war ein
eigenartiges Gefühl, als ich das erste
Mal im Entspannungsbett lag und auf
einmal eingedöst bin. Ich konnte das
gar nicht glauben! Ab diesem Zeitpunkt
merkte ich, es geht bergauf. Und wenn
ich jetzt einmal runterfalle, dann bin ich
schneller wieder oben."
Der Weg zurück in den Alltag
steht aber noch bevor. "Voriges
Wochenende habe ich das erprobt.
Von Freitag auf Samstag war ich
zuhause. Ich habe vorher mit meiner
Psychologin einen Stundenplan erstellt.
Das war notwendig, weil ich ein
leistungsorienter Mensch bin, der nicht
merkt, wenn etwas ins Extreme kippt.
Ich habe gedacht, dieser Probelauf wird
ein Kinderspiel - das war er dann aber
doch nicht. Zuhause wartete natürlich
Arbeit ... Ich habe den PC aufgedreht
und gleich mal 38 unbeantwortete
E�Mails vor mir gesehen. Mit meiner
Therapeutin hatte ich vereinbart, nur
eine Stunde vor dem Computer zu
verbringen. Wie sollte ich die vielen
E�Mails in nur einer Stunde bewältigen?
Im ersten Moment hatte ich das
Gefühl, als breche alles gleich wieder
zusammen - und das tat es auch. Durch
die Therapie hatte ich aber gelernt,
die Dinge von außen zu betrachten.
Also dachte ich: ,Was hast du denn
jetzt, wegen so einer Kleinigkeit?' Auf
diese Weise bin ich irgendwann wieder
runtergekommen."
Während der Therapie im Krankenhaus
werden Computer� und Handynutzung
bewusst stark eingeschränkt.
"Ich finde das sehr sinnvoll - wenn man
den ganzen Müll von draußen mitnimmt,
könnte man die Therapie ja gleich
bleiben lassen. Vor der Behandlung
konnte ich mir das gar nicht vorstellen,
denn bei mir gibt es normalerweise
keinen Tag ohne PC. Arbeitstage mit bis
zu 18 Stunden waren für mich normal.
Müdigkeit gab es keine für mich, denn
die zeigt Schwäche. Durchhalten war
meine Devise. Das habe ich immer von
mir aus verlangt. Bei meiner letzten
Arbeitsstelle sah ich keine Chance, die
Stundenzahl zu reduzieren. Also reichte
ich die Kündigung ein, bevor ich mit der
Therapie begann. Für mich war das die
richtige Entscheidung. Die Jobsuche
werde ich erstmal hinten anstellen. Ich
muss zunächst auf mich schauen und
Körper und Seele in Einklang bringen,
alles andere ist unwesentlich. Das ist
sicher eine extreme Lebensveränderung,
aber ohne die funktioniert es für mich
nicht. Den Job zu kündigen war der
erste Tritt aufs Pedal auf meinem
Bremsweg."
Zuhause warten Infrarotkabine und
Whirlpool auf Sabine F.
"Vielleicht kann ich das jetzt endlich
genießen. Früher war das nicht möglich,
weil ich - von meinem Leistungssdruck
getrieben - immer etwas anderes zu
tun hatte."
Entspannung ist bei der Therapie
depressiver Patienten ein
wichtiger Faktor. Atemübungen,
Wirbelsäulengymnastik oder Jacobson's
progressive Muskelrelaxation lassen
sich auch zuhause gut anwenden. Auch
Spaziergänge oder Nordic Walking
können zur Entspannung beitragen.
"Mir haben auch die Kunst� und die
Musiktherapie viel gegeben", erzählt
Sabine F. "Dabei wird die Ratio komplett
ausgeschaltet, dann arbeitet wirklich
das Unterbewusstsein. Wir haben ja
alle verlernt, auf unser Bauchgefühl
zu hören. Beim Malen und Musizieren
kann man aber mit dem Kopf nicht viel
machen."
Auch die vielen Gesprächstherapien
haben ihr Halt gegeben, meint Sabine
F. weiter. "Ich glaube, ich werde in
Zukunft viel bewusster leben. Ich werde
versuchen, nein, ich werde es schaffen,
meinen Körper wahrzunehmen. Der ist
schließlich mein Zen�Meister. Wenn
ich schlafe, schlafe ich, wenn ich esse,
esse ich, wenn ich gehe, gehe ich. Das
Wichtigste ist, dass man im Jetzt lebt
und auch im Körper und nicht irgendwo
anders. Ich bin zuversichtlich, dass es
mir in einem Jahr gut gehen wird."
25
Während ihres Aufenthalts in Waiern
habe sie das Haus und seine Umgebung
lieben gelernt, fügt Sabine F. hinzu.
"Man ist hier so gut aufgehoben und
kann sich sehr viele Gedanken zur
Genesung machen. Ganz in der Nähe
vom Krankenhaus habe ich einen
kleinen Garten Eden entdeckt, mit
richtig alten Apfelsorten, von da aus
sieht man über ganz Feldkirchen.
Man kann dort tief Luft holen.
Auch das Spirituelle gefällt mir im
Krankenhaus Waiern gut. Egal, ob man
römisch�katholisch, evangelisch oder
ohne Bekenntnis ist, man wird immer
voll aufgenommen. Ich habe bei Frau
Harnisch (zuständig für die Pastoralen
Dienste im Krankenhaus Waiern, Anm.
d. Red.) einen Termin ausgemacht und
gemeint, dass ich noch nicht wisse,
was wir besprechen könnten. Sie
antwortete: ,Wenn man dem Gespräch
Raum und Zeit gewährt, ergibt sich das
automatisch.' Genauso läuft es auch bei
den psychologischen Einzelgesprächen.
Man legt etwas von sich frei und findet
sich selbst dabei wieder - Stück für
Stück ... Das Krankenhaus, die
Psychosomatik - das alles bedeutet
für mich Freiheit, denn endlich kann
ich wieder durchatmen! Eine Woche,
bevor ich hierher gekommen bin, hat
meine Nichte zu mir gesagt: ,Stolpern,
aufstehen, Krone richten, weitergehen.'
Genau das mache ich jetzt."
Das Wohlfühlen der
Patienten als Erfolgsprinzip
Eng vernetzt arbeiten Therapeuten, Pfleger und Ärzte zusammen, um die Patienten der Akutgeriatrie im
Krankenhaus Waiern wieder fit zu bekommen. Ein spezielles Entlassungsmanagement sorgt dafür, dass auch nach
dem stationären Aufenthalt beste Versorgung gewährleistet wird.
Eine feine Wachsschicht legt sich um
eine zarte Hand - zuvor verkrampft,
scheinen sich die Finger nach und
nach zu entspannen und die Wärme zu
genießen. Auf die Wachsanwendung
folgt eine Behandlung, die für den
Laien wie eine Massage aussieht, sich
aber als gezieltes Feinmotoriktraining
entpuppt: Ergotherapeutin Jasmin
Joainig hält die Hand der Patientin und
übt mit dem Daumen sanften Druck aus.
"Ein Paraffin�Bad ist eine wirksame
Behandlung gegen Schmerzen, zum
Beispiel bei Arthrose�Patienten", erklärt
sie die therapeutische Anwendung.
"Man lässt das Wachs eine halbe
Stunde einziehen. In Kombination mit
dem Feinmotoriktraining wirkt die
Therapie gut drei Tage nach. Die Haut
ist verjüngt, die Hand idealerweise
schmerzfrei, die Finger lassen sich
besser bewegen."
Seit eineinhalb Jahren ist die
Ergotherapeutin im Krankenhaus
Waiern tätig - ihr Aufgabenbereich ist
vielfältig: "Gerade auf der Akutgeriatrie
bezieht sich meine Arbeit auch auf
den Jahreskreis. Wir dekorieren die
Station nach den Jahreszeiten, kochen
mit Patienten Marmelade ein, backen
gemeinsam, gehen die Bauernregeln
für den November durch ... ein ideales
Hirnleistungstraining für die Patienten!"
Auch beim Bingospiel, beim Sitztanz
oder bei Singrunden finden die
Patienten der Akutgeriatrie zusammen,
um ihr Gedächtnis zu trainieren. "Im
Schnitt sind die Patienten drei Wochen
bei uns - oft nach einem Sturz. Da sind
viele am Anfang bettlägrig. Hier sollen
sie fit für zuhause gemacht werden, das
gelingt uns meistens recht gut."
Dass der Patient auch wirklich
fit genug ist, stellt ein spezielles
Entlassungsmanagement sicher.
Christa Hinteregger zeichnet
dafür verantwortlich. "Wir machen
verschiedene Tests, um zu sehen,
was der Patient nach der Entlassung
braucht", erzählt die Pflegerin. "Zudem
unterstützen wir die Angehörigen
dabei, Pflegegeldanträge zu stellen
und die passende Betreuung zu
organisieren. Das Service des
Entlassungsmanagements kann von
den Angehörigen kostenlos in Anspruch
genommen werden."
"Die Arbeit auf den Stationen
erfolgt interdisziplinär", erklärt
Pflegedienstleiter Marko Buttazoni.
"Therapeuten, Psychologen, Pfleger
- es ist notwendig, dass sich
alle vernetzen, um ein möglichst
umfassendes Bild zu erhalten." Im
Team ließen sich die Patienten besser
einschätzen und die gewünschten Ziele
besser festsetzen. Im Vordergrund stehe
immer das Wohlfühlen des Patienten.
"Unsere Patienten müssen sich schon
anstrengen - es gibt manche, die
würden gerne den ganzen Tag nur
sitzen, das geht aber nicht, wenn
der Körper wieder fit werden sollen.
Deswegen ist es so wichtig, dass sie
sich bei uns wohlfühlen, das motiviert
und fördert den Geist", meint Josefine
Pliberschnig, Stationsleiterin der
Akutgeriatrie.
Physiotherapeutin Kerstin Tauscher
scheint mit dem Motivieren kein
Problem zu haben - Patientin Stefanie
Bader macht am Trainingsgerät keine
schlechte Figur: "Die Muskulatur baut
im Alter als erstes ab, 15 Minuten am
Trainingsgerät bringen schon recht
viel", meint die Therapeutin.
Ziele der
Akutgeriatrie
Physi ot h er a p eu t i n K er s t i n
Ta u s c h er, E r g ot h er a p eu t i n
J a s mi n J oai n i g , S t a t i on sl ei t er i n
J o s ef i n e P l i b er sc h n i g u n d
C hr i st a H i n t er eg g er, d i e f ü r
da s E n t l as su n g s m an a g em en t
v e r an t wor t l i c h zei c h n et ,
a r be i t en i m m er v er n et zt i m
Te a m, u m ei n u m f ass en d es B i l d
de r Pa t i en t en zu er h al t en .
26
Das Schöne bei der Arbeit auf der
Akutgeriatrie, da sind sich die vier
Krankenhaus�Mitarbeiterinnen einig,
sei vor allem die Weisheit und das
Erfahrungsgut der Patienten. "Davon
nehmen wir sehr viel mit - und auch
von der Höflichkeit, die wird hier
wirklich noch großgeschrieben."
27
•
Prävention, Diagnostik und
Behandlung akuter Krankheiten .
•
Verbesserung der Lebensqualität
bei chronischen Krankheiten.
•
Ganzheitliche Behandlung:
Patienten werden bei Verdacht
auf Depressionen oder Angsterkrankungen untersucht
und therapiert.
•
Bei Bedarf können Patienten
der Akutgeriatrie an speziellen
altersgerechten psychosomatischen
Nachbetreuungsgruppen teilnehmen.
•
Ein spezielles Entlassungsmanagement stellt sicher, dass
die Patienten auch nach dem
stationären Aufenthalt bestmöglich
betreut werden.
"Vorsorge sollte
man ernst nehmen"
Als Fachärztin für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie
�
führt Borbála Ilona Velosy
im Krankenhaus Waiern täglich Gastro� und
Koloskopien durch. Mit Hilfe der endoskopischen Untersuchungen können
bei rechtzeitiger Vorsorge bösartige Erkrankungen verhindert werden.
Ga st ro e nt e ro lo gin
und He pa t o lo gin
Bo rbá la Ve lo� sy in
de n bra ndne ue n,
ho c hmo de rne n
Rä umlic hk e it e n
de r Endo sk o pie
im Kra nk e nha us
Wa ie rn.
28
29
Die Vorstellung ist wohl für die meisten
Patienten nicht gerade berauschend:
Einen Schlauch in den Darm oder Magen
eingeführt zu bekommen, der mit einer
winzigen Kamera versehen ist, um
nachzusehen, ob sich im Inneren eine
Krankheit verbirgt ... en,
Untersuchung zuschauen wollen",
erzählt die Ärztin.
Menschen über 50 Jahre sollten zur
Kontrolle gehen. "Wenn alles in Ordnung
ist, wird die nächste Untersuchung in
zehn Jahren wieder empfohlen", so
�
Velosy.
Und doch fasziniert die Endoskopie
selbst Laien - nicht zuletzt deswegen,
da mit dieser Untersuchungsmethode
einer der häufigsten Krebserkrankungen
der westeuropäischen Bevölkerung
vorgebeugt werden kann. "Die Vorsorge
wird von der Kasse gezahlt", erzählt
�
Borbála Ilona Velosy,
Fachärztin für
Innere Medizin, Gastroenterologie und
Hepatologie. Im Krankenhaus Waiern
führt die routinierte Ärztin täglich
Untersuchungen dieser Art durch.
"Endoskopische Untersuchungen sind
an und für sich unkompliziert. Bei vielen
Patienten, vor allem bei jüngeren, wird
der Eingriff ambulant durchgeführt,
eine Vollnarkose ist in der Regel nicht
notwendig, es wird meist nur ein
Beruhigungsmittel verabreicht, das den
Patienten locker und schläfrig macht.
Es gibt aber auch einige, die bei der
Soeben umgebaut, werden die
gastroenterologischen Untersuchungen
in brandneuen Räumlichkeiten
durchgeführt. "Wir sind hier wirklich
hochmodern ausgestattet", freut sich
�
Velosy.
"Für die Patienten bedeuten
die neuen Räume eine angenehme
Atmosphäre, zudem verfügen wir
über die neuesten technischen Geräte
und den höchsten Hygienestatus. Die
Topausstattung ist für das gesamte
Team sehr motivierend!"
Gereinigt wird das Endoskop übrigens
in einem Gerät, das wie eine
Waschmaschine anmutet.
Eine Stunde dauert es, bis alles
wieder für den nächsten Patienten
bereitgestellt ist.
Unbedingt zur Vorsorgeuntersuchung
sollten Menschen mit folgenden
M it Hilfe d er
endoskop ischen
G e r äte könn en
Deta i ls im Inn er en
des Kör per s am
hoch auflösend en
Bildschir m
gen auesten s
unte rsu cht wer d en.
Beschwerden gehen: "Auffällige
Symptome sind zum Beispiel
unerklärbar wechselnder Stuhlgang
oder Bauchbeschwerden, Blut im Stuhl,
Schluckstörungen, blutiges Erbrechen
oder ungewollte Gewichtsabnahme",
erzählt die Fachärztin.
"Einige geben im Vorfeld beim Hausarzt
eine Stuhlprobe ab. Ist die positiv, muss
�
man genauer nachschauen", so Velosy.
Meist werde in der Folge eine
Gewebsprobe entnommen oder Polypen
entfernt.
Pro Jahr werden im Krankenhaus
Waiern ungefähr 600 endoskopische
Untersuchungen durchgeführt, jeweils
300 Gastro� und 300 Koloskopien.
Dazu steht ein gut ausgebildetes Team
von internistischen Assistenz� und
Fachärzten zur Verfügung.
"Die Empfehlung zur Vorsorge sollte
man auf jeden Fall ernst nehmen. Angst
braucht man nicht zu haben", so die
Ärztin. "Der Eingriff ist - wie gesagt harmlos und für uns Routine und oft
kann damit eine bösartige Erkrankung
verhindert werden."
Abstinenz und Einsicht 10.000 mal im Jahr
HANSJÖRG SZEPANNEK
1997 wurde die Ambulanz de La Tour im LKH Villach eröffnet.
Als niederschwelliges Angebot war sie in all den Jahren
unverzichtbarer Bestandteil in der Behandlung und Therapie
bei Abhängigkeitserkrankungen. Eine Besonderheit stellt die
Führerscheingruppe der Ambulanz dar.
Über 10.000 mal öffnete sich im
Jahr 2012 für Patienten die Türe zur
Ambulanz de La Tour im LKH Villach jedes Öffnen bedeutete für sie einen
wichtigen Schritt auf dem Weg aus der
Alkoholkrankheit.
Seit 1997 gibt es die Ambulanz
und die Nachfrage nach diesem
niederschwelligen Angebot ist in all den
Jahren stetig gewachsen.
„Die Patienten kommen durch
Zuweisung von Ärzten zu uns, hören
von dem Angebot über Bekannte oder
informieren sich via Internet“, so Hans
Lengyel, einer der Ärzte der Ambulanz
de La Tour.
Besonders wichtig ist die direkte
Anbindung ans LKH Villach. Viele
der Patienten kommen von der
Psychiatrischen Station in die Ambulanz.
Gemeinsam wird mit allen die für sie
passende Behandlungsform erarbeitet.
Diese reicht von der ambulanten
Entgiftung und Entwöhnungsbehandlung
über Einzel� und Gruppentherapien, der
Vor� und Nachbetreuung bei stationären
Aufnahmen bis zur Beratung und
Hilfestellung für Angehörige.
Großes Augenmerk wird auch auf die
Krisenintervention, insbesondere bei
Rückfällen, gelegt.
Die Gruppentherapien finden täglich
statt, bis zu 40 Personen nehmen an
diesem wichtigen Erfahrungs� und
Informationsaustausch teil und helfen
sich so gegenseitig. Zusätzlich gibt es
alle zwei Wochen eine von der Ambulanz
ins Leben gerufene Angehörigengruppe,
die eine wertvolle Ergänzung des
Angebots darstellt.
Alkoholabhängigkeit wird auch die
Medikamentenabhängigkeit behandelt.
Zugenommen hat in den letzten
Jahren auch der Anteil der Frauen an
der Patientengruppe, ein Drittel der
Patienten sind weiblich.
„Angestiegen sind auch zu beachtende
Zusatzerkrankungen, sogenannte
Komorbiditäten. Zunehmende Bedeutung
erlangen dabei vor allem Depressionen
und Angsterkrankung sowie auch
bipolare Störungen“, so Sonja Tiffner,
die zweite Ärztin im Team der Ambulanz,
zu dem auch Psychologin Sarah Scherr
gehört.
Neu entwickelt wurde an der Ambulanz
die „Führerscheingruppe“.
Das Angebot richtet sich an
alkoholauffällige Menschen, die
alkoholisiert ein Fahrzeug gelenkt haben
und von der Bezirkshauptmannschaft
zur Wiedererlangung des Führerscheins
der Ambulanz zugewiesen werden.
Die Gruppe gibt es nun seit einem Jahr,
begonnen wurde mit drei Patienten,
mittlerweile sind es 17 Lenker, die an
der Gruppe teilnehmen.
Die Gruppe wird von einer Verkehrspsychologin geleitet. Nicht die
Abstinenz steht hier im Vordergrund,
sondern die Einsicht, kein Fahrzeug zu
lenken, wenn man getrunken hat.
Vorteil dieses kärntenweit einzigartigen
Angebots ist, dass man mit den
Klienten tiefgreifender arbeiten kann
als in herkömmlichen Settings. Somit
steigen auch die Chancen, durch eine
dauerhafte Verhaltensänderung ein
Kraftfahrzeug zukünftig nur mehr in
nüchternem Zustand zu lenken.
In den ersten Monaten kommen die
Patienten wöchentlich in die Ambulanz,
die Behandlungsdauer erstreckt sich
über Monate, wenn notwendig auch
über Jahre mit größer werdenden
zeitlichen Abständen. Neben der
30
31
Ambulanz
de La Tour
•
Das Angebot der Ambulanz de La
Tour im LKH Villach umfasst Beratung
für Betroffene, Entgiftungs� und
Entwöhnungsbehandlung, Einzel�
und Gruppentherapie, Vor� und
Nachbetreuung, Krisenintervention,
Angehörigen� und Sozialberatung.
•
Ambulanzzeiten: Montag, Dienstag,
Donnerstag und Freitag: 8:30 bis
14 Uhr. Mittwoch: 8:30 bis 13 Uhr.
•
Gruppentherapie: Montag, Dienstag,
Donnerstag und Freitag: 13 bis
14 Uhr. Mittwoch: 19 bis 20 Uhr.
Angehörigengruppe: jeden zweiten
Montag: 18:30 bis 20:30 Uhr.
•
Team: Primaria Dr. Renate
Clemens�Marinschek (Ärztliche
Leitung), Dr. Hans Lengyel, Dr. Sonja
Tiffner, Mag. Sarah Scherr und Silvia
Prochiner.
Alkoholambulanz
de La Tour Spittal/Drau
•
•
Die im Auftrag der Felix�Orasch�
Stiftung gegründete Alkoholambulanz Spittal eröffnete 2012 mit
dem Ziel, das Beratungsangebot für
Menschen mit Alkoholproblematik im
Raum Oberkärnten zu erweitern.
Angebotsschwerpunkt: Beratung
und Unterstützung für Erwachsene
(inklusive Vorbereitung auf
die stationäre Therapie und
Nachbetreuung) sowie für
junge Menschen mit riskantem
Alkoholkonsum.
•
In den selben Räumlichkeiten
ist auch eine Außenstelle der
Spielsuchtambulanz Villach
untergebracht.
•
Team: Univ.�Prof. Dr. Herwig Scholz
(Ärztliche Leitung), Mag. Jutta
Trzesniowski, DSA Norbert Abesser,
Gundi Kaller
Prävention und Therapie für
Jugendliche und Erwachsene
HANSJÖRG SZEPANNEK
Alarmierende Zahlen: Immer mehr Menschen entwickeln Abhängigkeiten, die sie ohne professionelle Hilfe
nicht mehr in den Griff bekommen. Im Auftrag und finanziert von der Felix�Orasch�Stiftung bietet die neue
Alkoholambulanz de La Tour Spittal/Drau kostenlose und anonyme Hilfe an.
Die Alkoholkrankheit betrifft
meist Erwachsene, somit liegt der
Angebotsschwerpunkt der Beratung und
Therapie in der Erwachsenenarbeit dennoch darf nicht vergessen werden,
dass viele ihre Abhängigkeit bereits in
Jugendjahren entwickeln; deswegen
setzt die Alkoholambulanz de La Tour
Spittal auch verstärkt auf Jugendarbeit.
Mit dem Sozialarbeiter und
Gruppentrainer Norbert Abesser und
der Psychologin Jutta Trzesniowski
finden junge Menschen mit
riskantem Alkoholkonsum in der
Alkoholambulanz erfahrene Fachleute.
Die Projektentwicklung durch den
Vorstand der Felix�Orasch�Stiftung,
Universitätsprofessor Herwig Scholz,
Psychologin Jutta Trzesniowski und
Sozialarbeiter Norbert Abesser zog sich
über mehrere Jahre, galt es doch, ein
völlig neues Konzept zu erarbeiten und
umzusetzen.
„In den letzten Jahren gab es
eine dramatische Zunahme von
Suchterkrankungen. Wir wollten ein
Angebot schaffen, das nicht nur
Erwachsene, sondern auch die Jugend
erreicht“, so Universitätsprofessor
Herwig Scholz. Das Wort „Ambulanz“
(lat.: ambulare ‚gehen‘) wird in seiner
ursprünglichen Form verstanden.
„Wir gehen wirklich zu den Leuten“.
Wie das konkret aussieht, beschreibt
Trzesniowski: „Der Erstkontakt mit
Jugendlichen kann auch über SMS
erfolgen. Ein Treffpunkt, auch im
Park, wird vereinbart. Wir gehen auf
die Jugendlichen zu und wir gehen
mit ihnen. Auch wortwörtlich, denn
im Gehen lässt sich vieles leichter
besprechen.“ „Wir sind aber keine
coolen Freunde, sondern professionelle
Begleiter, die mit den Betroffenen
neue Wege gehen und somit neue
Handlungskompetenzen erarbeiten“,
ergänzt Abesser. Dazu gehört auch
einmal ein Besuch zu Hause - dem
Besuch im Jugendzimmer geht aber
ein langer Vertrauensaufbau voraus,
sonst wäre es ein Eindringen in
die Intimsphäre. Nur was von den
32
Ju tta Trz es n i o w s ki u n d
N orb ert Ab es s er
g eh en i n i h rem
Arb ei ts al l ta g
vers tärkt au f
Ju g en d l i ch e z u .
D as An g eb ot
d er Al koh ol am b u l an z
d e La Tou r
Sp i ttal /D rau
ri ch tet
s i ch ab er
au ch an
E rw ach s en e.
Betroffenen gewollt wird, wird auch
gemacht.
Anders als bei alkoholabhängigen
Menschen ist bei den Jugendlichen
nicht eine Abstinenz das Ziel, sondern
das Durchbrechen des ganz normalen
„Alk�Wahnsinns“ am Wochenende.
Getrunken wird nicht, weil man süchtig
ist, getrunken wird, weil es normal ist,
weil Probleme kleiner werden und weil
Jugendliche oft einfach nichts anderes
kennen. Diese riskante Mischung kann
der Beginn einer Bewegung nach unten
sein.
Ziel der Arbeit ist es, ein
Problembewusstsein zu schaffen,
das Blickfeld zu Erweitern und neue
Handlungsstrategien aufzubauen.
„Jugendliche haben oft nicht einmal
eine Idee, was sie außer ‚Party‘ am
Wochenende machen könnten, sie haben
33
nichts anderes gelernt,“ so Abesser
und Trzesniowski. Auch hier setzt das
Angebot an; neben Gesprächen spielen
erlebnispädagogische Elemente eine
wichtige Rolle, um sich in der Welt auch
anders zu spüren.
In den seltensten Fällen kommen
Jugendliche direkt in die Ambulanz,
der Kontakt läuft über Umwege.
Freunde, Familien, Arbeitgeber – ihre
Verantwortung und ihr Verständnis
spielen hier eine wichtige Rolle. Wie
hoch der Bedarf an einer solchen
Beratungsstelle ist, zeigt sich daran,
dass man schon ohne mediale
Bekanntmachung des Angebotes voll
ausgelastet ist.
Mit Menschen für Menschen
Zu zweit ist weniger allein
Ganzkörpertraining
erleichtert Alltag
JÜRGEN CEPLAK
Menschen sind genau wie Tiere. Oder Tiere sind wie Menschen.
Manche haben gern Gesellschaft, manche sind gern allein.
Es gibt Einzelmenschen und Einzeltiere.
Wenn man alleine ist, muss man eine Partnerin suchenaber man muss nicht.
Erst muss man sie fragen, und dann kann man etwas unternehmen.
Sich etwas ausmachen: wann ist der Treffpunkt,
vielleicht um Drei oder Vier.
Dann kann man sich treffen, im Kino oder am Sportplatz oder im Wald,
dann kann man Gemeinschaft kaufen.
Alleine ist einsam und traurig.
Aber manchmal will man sich zurückziehen.
Wenn Du Dich zurückziehst, kannst Du im Bett liegen, Zeitung lesen
oder Computer spielen oder eine CD hören.
Beim Hinlegen will man alleine sein und keinen Lärm haben,
es soll kein Wirbel sein.
Wenn man einsam ist, kann man in die Natur gehen
und Vogelgezwitscher genießen
oder dem Rauschen von Fluss und Wasserfall zuhören,
den Stimmen des Windes lauschen.
Du bist einsam, ein Einsiedler, Einzelgänger und Du bist sehr arm
und von der Welt abgeschnitten.
Lässt den Kopf hängen und saufst einen Liter Bier,
ein runterschlappernder Körper.
Du schläfst mit dem Kopf am Tisch,
arbeitest nicht und du bist faul.
Die Welt ist verkehrt - eine Bande von Gangstern ein Bindestrich im Kopf keiner in der Natur kein Mensch und kein Tier, nur Dunkelheit.
Wissen Sie, wie viele Muskeln ein
Mensch besitzt? Es sind über 400!
Diese gehören, um fit und beweglich zu
bleiben auch regelmäßig trainiert.
Gezieltes Training ist gerade für Menschen mit körperlichen und geistigen
Einschränkungen wichtig, daher steht
für das David-Zentrum 2 ein Ganzkörpertrainingsgerät, das zur sensorischen
Steuerung von Haltung und Bewegung
dient, ganz oben auf der Wunschliste.
„Ein großes Anliegen ist es, die Bewegungsfähigkeit unserer Klienten zu
verbessern bzw. zu erhalten", erzählt
Achim Seebacher, Teamleiter des Förderbereiches, „eine gezielte Bewegungs- und Sporterziehung begünstigen
nicht nur die motorischen, sondern auch
die kognitiven Lernprozesse. Dies führt
zu einer Verbesserung der Gesamtpersönlichkeit.“
Leider ist dieses Gerät nicht gerade
billig, mit Hilfe einer Spende wäre eine
Anschaffung jedoch möglich.
N och erh äl tl i ch :
D er Ku n s tkal en d er
d e La Tou r 2013
- g es tal tet m i t
b eei n d ru cken d en
Werken d er Kü n s tl er
d es Treffen er
Atel i ers d e La Tou r.
34
In Deutschland:
Stadtsparkasse Freudenberg, Kto.
70000971, BLZ 46051733
IBAN:
DE68 4605 1733 0070 0009 71
und BIC: WELADED1FRE lautend auf
Diakonie de La Tour gemeinnützige
BetriebsgesmbH
Danke für Ihre Spende!
Sollten Sie Fragen zu Spenden
sowie Spendenabsetzbarkeit
haben, richten Sie diese bitte
an
P rei s : 20 E u ro,
z u z ü g l i ch
Vers an d kos ten .
Mic ha e l Hel t au b ei sei n em A u f t r i t t .
Mit de m E r l ös d er B en ef i zG al a wi r d
e in Kuns tt h er a p i ep r oj ekt f ü r K i n d er
mit G e w a l t er f ah r u n g en f i n an zi er t .
Volksbank Feldkirchen/Kärnten, Kto.
3006608-0012, BLZ 42600
IBAN: AT20 4260 0300 6608 0012 und
BIC: VOFFAT21XXX lautend auf Diakonie
de La Tour gemeinnützige BetriebsgesmbH
Ihre Spenden an die Diakonie de La Tour
gemeinnützige Betriebsges.m.b.H. sind in
Österreich absetzbar.
Unsere vom BMF erteilte Registriernummer für Spendenbegünstigung lautet:
SO 1315.
"Wir spielen immer - wer es weiß, ist klug."
Künstlern aus dem Atelier de La Tour
mit der Schauspielerin und Regisseurin Katrin Ackerl�Konstantin gestaltet
wurden, verfehlten nicht ihre besondere
Wirkung auf den Betrachter.
Nach dem Kunstgenuss lud das ehemalige Weingut der Gräfin Elvine de
La Tour zu einem Glas seines „LesEntfants"�Weins ein. Serviert wurde
der prämierte Wein von Lehrlingen, die
eine integrative Berufsausbildung in der
Diakonie de La Tour absolvieren.
In Österreich:
Sparkasse Feldkirchen/Kärnten, Kto.
0000-040006, BLZ 20702
IBAN: AT42 2070 2000 0004 0006
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Diakonie de La Tour gemeinnützige
BetriebsgesmbH
In der Schweiz:
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Kto. 80-54843-5, BLZ 9000
IBAN: CH10 0900 0000 8005 4843 5
und BIC: POFICHBEXXX lautend auf
Evang. Diakoniewerk Waiern
Michael Heltau beeindruckte
Publikum bei BenefizGala in Villach
Die Bühne als Lebenselexier, wenn das
in besonderem Maße für jemanden gilt,
dann für Michael Heltau.
Wer die Gelegenheit hatte, den Doyen des Wiener Burgtheaters im
Congress�Center Villach mitzuerleben,
dem wird dieser Abend lange in Erinnerung bleiben. Der Kammerschauspieler
las Amüsantes und Nachdenkliches,
Poetisches und Heiteres aus der Feder
österreichischer Autoren und fesselte
die Anwesenden mit beeindruckendem
Repertoire und besonderem Charme.
Über den Reinerlös der Benefizgala dürfen sich Kinder mit Gewalterfahrungen
aus dem Haus Herrnhilf der Diakonie
de La Tour freuen, denn damit kann das
KunstTherapieProjekt „Pantomime mit
Caroline Koczan“ weitergeführt werden.
Ein weiteres Highlight: Eindrucksvolle
Masken, die von den Künstlerinnen und
Unsere
in� und ausländischen
Spendenkonten:
Bes tel l u n g en u n ter
a tel i er@
d i akon i e�d el a tou r. a t
Dr. Günther Karner
T 0463 32303�306 oder
guenther.karner@diakonie�delatour.at
35
Absender:
Diakonie de La Tour
gemeinnützige Betriebsgesellschaft m.b.H.
Harbacher Straße 70
A 9020 Klagenfurt am Wörthersee
Österreichische Post AG / Sponsoring.Post GZ: 05Z036249 S
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www.diakonie-delatour.at
Impressum: Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Diakonie de La Tour gemeinnützige Betriebsgesellschaft m.b.H., Harbacher Straße 70, 9020 Klagenfurt am Wörthersee
Firmenbuchgericht: Klagenfurt, FN: 257008d, UID: ATU 61392399. Redaktion: Gudrun Zacharias MA, Mag. Hansjörg Szepannek, Elisabeth Schusser, Christian Otto Wissounig,
Dr. Günther Karner, Mag. Nikolaus Onitsch. Fotos: Gerhard Maurer, Adrian Hipp (S.32 unten). Druck: Satz� und Druckteam. www.diakonie�delatour.at © 2013 Diakonie de La Tour
Auf Grund der leichteren Lesbarkeit wird auf die geschlechtsneutrale Schreibweise verzichtet.