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Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen: SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick Die mit Unterstützung durch die DFG an der Otto‑Friedrich‑Universität Bamberg gegründete Forschergruppe BiKS («Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Formation von Selektionsentscheidungen im Vor‑ und Grundschulalter») betrachtet unter einer längsschnittlichen Perspektive bildungsrelevante Entwicklungsprozes‑ se im Vor‑ und Grundschulalter. Fokussiert werden die beiden in diesem Zeitraum bedeutsamen Übergänge vom Elementar‑ in den Primarbereich und vom Primar‑ in den Sekundarbereich.1 Dr. Jutta von Maurice & Prof Dr. Sabine Weinert, Forschergruppe BiKS, Otto-FriedrichUniversität Bamberg Referat gehalten an der SAL-Tagung vom 14.11.2008 Famili e Entw icklung Kompetenzen schulrelevante Vorstellungen & Entscheidungen Kindergarten & Schule Pädagogische Perspektive Abbildung 1: Grundfragestellung von BiKS im Überblick Im Rahmen der BiKS-Studie stehen Bedingungen und Prozesse der Kompe tenzentwicklung und ‑förderung sowie der Entscheidungsformierung im Mittel‑ punkt der Betrachtung. Berücksichtigt wird nicht nur deren Zusammenspiel, son‑ dern auch die Abhängigkeit dieser Prozesse von Lebens‑ und Lernbedingungen sowohl in institutionellen als auch in familiären Kontexten. Schliesslich werden auch die Beziehungen zwischen den Akteuren in den verschiedenen Kontexten (Kindergarten, Schule, Familie) einbezogen (vgl. Abbildung 1). Dieses multipers‑ pektivische Herangehen erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit: Aus psychologischer Perspektive werden sowohl Fragen des Zusammenhangs zwischen verschiedenen Kompetenzbereichen als auch nach deren Entwicklungs‑ bedingungen und Veränderungsverläufen gestellt. Relevant ist es dabei, sich auch mit Vorhersagen über mögliche Risiken in der weiteren Entwicklung der Kinder zu 1 Dieser Beitrag enthält eine aktualisierte, gekürzte Fassung der BiKS-Darstellung durch von Maurice et al. (2007). Die vorliegende Arbeit ist entstanden im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten interdisziplinären Forschergruppe BiKS (Leitung: Prof. Rossbach, Prof. Artelt, Prof. Blossfeld, Prof. Faust, Prof. Wei‑ nert; Fördernummer FOR 543). Wir danken den an der Studie teilnehmenden Kindern, Erzieher/-innen und Eltern für ihre Teilnahme und allen im Rahmen der Datenerhebungen eingesetzten Studierenden für ihre engagierte Mit‑ arbeit. 5 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 befassen. Im Vordergrund stehen dabei die Entwicklung sprachlicher und nichtsprachlicher Kompetenzen sowie Aspekte des Erwerbs von Fähigkeiten der Selbst‑ steuerung. • In der pädagogischen Perspektive geht es speziell darum, das Zusammen‑ wirken von strukturellen und prozessbezogenen Merkmalen von Bildungs‑ institutionen (wie Kindergarten und Schule) einerseits und entsprechenden Merkmalen des Elternhauses andererseits auf die kognitiv-sprachliche Kom‑ petenzentwicklung zu untersuchen. Auch hier ist somit die Frage bedeutsam, welche Kompetenzen erfasst werden, stellen sie doch sowohl die abhängige Variable von Umweltwirkungen als auch die Basis für die Anpassung der päd‑ agogischen Arbeit an den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes dar. • In der soziologischen Perspektive schliesslich stehen vor allem Fragen der Formation von Bildungsentscheidungen im Vordergrund. Kompetenzmessun‑ gen sind in diesem Kontext von besonderer Bedeutung, um analysieren zu können, welche Faktoren – unabhängig von objektiv messbaren Kompetenzen auf Seiten der Kinder – diese wichtigen Weichenstellungen im Bildungssystem und in den individuellen Bildungskarrieren beeinflussen. Spezielle Berücksichtigung finden unter allen diesen Perspektiven Fragen der so‑ zialen Herkunft sowie des Migrationsstatus der Familien (zu den Effekten von sozi‑ aler Herkunft und Migration auf die Bildungsbeteiligung und die Schülerleistungen bei Kindern mit Migrationshintergrund vgl. etwa Baumert, Watermann & Schümer, 2003; Duncan, Yeung, Brooks-Gunn & Smith, 1998; Hart & Risley, 1995; McLoyd, Aikens & Burton, 2006). 1. Hintergrund und Fragestellungen der BiKS-Studie Hintergrund der in BiKS thematisierten Fragestellungen sind Befunde internati‑ onaler Schulleistungsuntersuchungen der vergangenen Jahre, die zwei zentrale Defizite des deutschen Bildungswesens in das Bewusstsein der breiten Öffentlich‑ keit gerückt haben: Zum einen weisen Schüler/‑innen an deutschen Schulen im internationalen Vergleich einen unerwartet niedrigen Kompetenzstand auf. Dies gilt insbesondere in den unteren Leistungsgruppen und über verschiedene Kom‑ petenzbereiche (Leseverständnis, Mathematik, Naturwissenschaften) hinweg. Zum anderen sind bezogen auf soziale Herkunft und Nationalität bzw. Migrationsstatus besonders ausgeprägte Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und im Kompetenzerwerb offenkundig geworden. In Deutschland prägt vor allem auch der Übergang in den Sekundarbereich, der vom gegliederten Schulsystem dominiert ist, die Bildungskarrieren und den Kom‑ petenzerwerb der Schüler/‑innen. Jedoch sind der zu diesem Zeitpunkt erreichte 6 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 Kompetenzstand und die damit verbundene Entscheidung für einen bestimmten Bildungsgang bereits Resultat kumulativer Entwicklungs‑ und Förderungsprozes‑ se sowie vorhergehender Entscheidungen, wie etwa über den Zeitpunkt der Ein‑ schulung. Auf den Wechselbeziehungen zwischen Entwicklungs‑, Förderungs‑ und Entscheidungsprozessen liegt ein Schwerpunkt der BiKS‑Forschergruppe, da diese bislang in ihrer Gesamtheit nur unzureichend untersucht wurden. Wie Kindergarten und Schule die Prozesse des Kompetenzerwerbs und der Entscheidungsformation im Einzelnen beeinflussen – unterstützen oder eventuell sogar behindern –, ist bis‑ her theoretisch und empirisch ebenso wenig aufbereitet wie die Frage, ob und wie die Institutionen bildungsstufenübergreifend zusammenarbeiten. Schliesslich ist das Zusammenspiel der institutionellen mit den familiären Umwelten noch weitge‑ hend ungeklärt. Die zentralen Fragen der BiKS-Forschergruppe sind damit: • Wie entwickeln sich kognitive und sprachliche Kompetenzen über die Jahre? • Wie können Familie, Kindergarten und Schule als massgebliche Umwelten der heranwachsenden Kinder die Entwicklung der Kinder nachhaltig fördern? • Nach welchen Gesichtspunkten treffen Eltern, Erzieher/-innen sowie Lehr personen die Bildungsentscheidungen (wie Einschulungs- oder Übertritts‑ entscheidungen)? Wie stabil oder veränderbar sind Bildungspräferenzen und Bildungsentscheidungen über die Zeit? • Wie kommen soziale Benachteiligungen in Schulkarrieren zustande? Wie gross sind die sozialen Unterschiede in den Bildungsentscheidungen, insbe‑ sondere wenn das Niveau der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder berück‑ sichtigt wird? Eine derartige Orientierung auf Prozesse und Verläufe des Kompetenzerwerbs, sei‑ ne Förderung und die Entscheidungsformierung sowie die Berücksichtigung ver‑ schiedener Kontexte, in und zwischen denen diese Prozesse stattfinden, zeitigen auch spezifische inhaltlich‑methodische Konsequenzen: • eine Fokussierung auf Kompetenz‑ und Entscheidungsverläufe sowie auf die Kumulation von Erfahrungen in verschiedenen Kontexten und damit die kon‑ sequente Umsetzung eines Längsschnitt-Ansatzes bei der Datenerhebung und ‑analyse, • die Betrachtung von Personen in ihren Umwelten und dabei die Fokussierung auf familiäre und institutionelle Umwelten und • einen Multimethoden-Ansatz mit Berücksichtigung von qualitativen und quan‑ titativen Erhebungsinstrumenten. 7 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 2. Der Untersuchungsansatz Die BiKS-Forschergruppe ist an den Bildungsprozessen von Kindern im Alter von drei bis zwölf Jahren interessiert, die mit den Übergängen vom Kindergarten in die Grundschule und von der Grundschule in den Sekundarbereich zentrale Passagen im Bildungswesen bewältigen (zur Bedeutsamkeit des Vorschul- und Schulalters vgl. etwa Kuhn & Siegler, 2006; Rossbach & Weinert, 2008; Schneider, 2004; Stern, 2005). Im Gegensatz zu vielen anderen wichtigen Studien aus dem Bereich der Bil‑ dungsforschung, die eine ausgewählte Altersgruppe im Sinne eines Fotos betrach‑ ten, begleitet die BiKS-Studie die Entwicklung der Kinder in einem Längsschnitt über eine festgelegte Zeitspanne hinweg und kann damit Veränderungen und Ent‑ wicklungsverläufe in dieser Zeitspanne im Sinne eines Films dokumentieren und Aufschlüsse über mögliche Wirkgefüge geben. Übergang in Sekundarschule Einschulung Längsschnitt BiKS-8-12 Längsschnitt BiKS-3-8 Primarbereich Elementarbereich 1. Kindergartenjahr 2. 3. Kinder- Kindergarten- gartenjahr jahr 1. Schuljahr 2. Schuljahr 3. Schuljahr Sekundarbereich 4. Schuljahr 5. Schuljahr 7. 6. Schul- Schuljahr jahr Abbildung 2: Die betrachteten Übergänge der BiKS-Längsschnitte Die betrachtete Altersspanne wurde im Erhebungsdesign in zwei Panelstudien aufgeteilt, die jeweils die Zeit vor, während und nach den Übergängen fokussieren (vgl. Abbildung 2): • Im ersten Längsschnitt BiKS‑3‑8 werden Kinder vom Eintritt in den Kindergar‑ ten bis zum Ende der zweiten Klassenstufe untersucht; damit wird die Phase rund um die Einschulungsentscheidung thematisiert. • Im zweiten Längsschnitt BiKS‑8‑12 werden Kinder von der dritten Klassen‑ stufe über den Übergang in die Schulen des Sekundarbereichs hinaus bis zur siebten Klassenstufe begleitet; dabei wird insbesondere die Formation der Entscheidung zwischen den verschiedenen weiterführenden Schulformen be‑ leuchtet. 8 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 Innerhalb beider Längsschnitte BiKS‑3‑8 und BiKS‑8‑12 wird das Zusammenspiel zwischen kindlicher Kompetenzentwicklung und familiärer sowie institutioneller Umwelt thematisiert (vgl. etwa Griffin & Morrison, 1997; Hayes, Palmer & Zaslow, 1990; Howes et al., 2008; Leseman, Scheele, Mayo & Messer, 2007; Pianta et al., 2005; Sylva et al., 2004; Tabors, Snow & Dickinson, 2001; Tietze, 1998). Das Indivi‑ duum ist nach dem bioökologischen Modell von Urie Bronfenbrenner eine «wach‑ sende dynamische Einheit» (Bronfenbrenner, 1981, S. 38), die zwar einerseits von der Umgebung beeinflusst wird, aber andererseits auch aktiv die Umgebung beein‑ flusst und verändert. Nach diesem Grundsatz der Reziprozität ist das Kind nicht nur Produkt, sondern ebenso auch Gestalter seiner eigenen Umwelt. Die Umwelt wird dabei als eine Abfolge wechselseitig aufeinander einwirkender Strukturen darge‑ stellt, sich dynamisch verändern und sich immer wieder – vor allem bei zentralen Übergängen (z.B. Übergang vom Kindergarten in die Schule) – verschieben. • Im Mittelpunkt stehen das einzelne Kind und seine Kompetenzen. Aufgrund der herausgehobenen Bedeutung der Sprache für die Ausformung, Nutzung wie auch Vermittlung von Kompetenzen und inhaltlichem Wissen liegt ein Un‑ tersuchungsschwerpunkt auf den sich entwickelnden sprachlichen Fähigkei‑ ten und Fertigkeiten der Kinder sowie auf dem Erwerb kognitiv‑sprachlicher Selbststeuerung bzw. deren Vorläuferfähigkeiten und ‑fertigkeiten. Zusätzlich werden Indikatoren für frühe Literacy, kognitive Problemlösefähigkeiten und mathematische Kompetenzen erhoben. Schliesslich werden auch Merkmale der kindlichen Persönlichkeit wie etwa Interessen und Sozialverhalten über entsprechende Fragebogen einbezogen. • Als wichtigste Bezugspersonen des Kindes werden die Eltern befragt. Dabei stehen zum einen Wahrnehmungen und Einschätzungen der kindlichen Kom‑ petenzen sowie die Eltern‑Kind‑Interaktionen im Zentrum des Forschungs‑ interesses, zum anderen aber auch elterliche Merkmale wie pädagogische Orientierungen und soziodemographische Kennwerte wie Bildungsabschlüs‑ se, Sozial‑ und Migrationsstatus. Ebenfalls erfasst werden die Wohn‑ und Le‑ bensbedingungen der Familie. • Zum dritten werden auch Erzieher/‑innen bzw. Lehrer/‑innen hinsichtlich ih‑ rer pädagogischen Orientierungen befragt sowie um kindbezogene Einschät‑ zungen gebeten. Dabei sind Erzieher/‑innen sowie Lehrer/‑innen ihrerseits Teil der globaleren Kontexte Kindergarten und Schule, die etwa durch spezi‑ fische Kompositionen von Kindmerkmalen, pädagogische Anregungsqualität oder Expertiseniveau beschrieben werden können. Die beteiligten Einrichtun‑ gen werden zudem hinsichtlich ihrer pädagogischen Prozessqualität im insti‑ tutionellen Alltag beobachtet und eingeschätzt. 9 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 • Schliesslich ist es durch den Vergleich zweier Bundesländer möglich, die Wirkung etwa der rechtlichen Übertrittsregelungen auf die Bildungs entscheidungen der Eltern und die Entwicklung der Kinder abzuschätzen. 3. Die Stichprobe des Längsschnitts BiKS-3-8 Das Stichprobendesign des Längsschnitts BiKS‑3‑8 sieht eine mehrfach geschich‑ tete Zufallsstichprobe mit disproportionaler Schichtung nach Bundesland (Bayern und Hessen), Stadt/Land, Migrationshintergrund, Gruppenzahl und Zahl der Ein‑ mündungsschulen vor (zur Stichprobenziehung vgl. Kurz, Kratzmann & von Mau‑ rice, 2007). Es konnten 97 Kooperationskindergärten in Bayern und Hessen für eine Teilnahme gewonnen werden. Diese lassen sich wie folgt charakterisieren: • Träger der Einrichtungen: 39.2% katholisch, 19.6% evangelisch, 32.0% Stadt/ Gemeinde, 9.3% Sonstige; • Geschlecht des pädagogischen Fachpersonals: 2.1% männlich, 97.9% weib‑ lich; • Anzahl der Berufsjahre der Gruppenleitung: im Schnitt 15 Jahre (variierend zwischen 0.3 und 40.0 Jahren); • Anzahl der Kinder in einer Gruppe: im Schnitt 24.3 Kinder (variierend zwischen 9.0 und 30.0 Kindern pro Gruppe); • Quote der Kinder mit Migrationshintergrund in der Gruppe: im Schnitt 24.6% Kinder mit Migrationshintergrund (variierend zwischen einer Quote von 0.0% und 100%). Die Auswahl der Kinder in den Kooperationseinrichtungen orientierte sich an den Einschulungsregelungen, die sich zwischen Bayern und Hessen auch durch die dort jeweils vorgegebenen Altersgrenzen unterscheiden. In den 97 ausgewählten Kin‑ dergärten haben sich 547 Familien, deren Kinder zum Schuljahr 2008/2009 schul‑ pflichtig wurden, für eine Teilnahme an der BiKS-Studie bereit erklärt (Geburts‑ fenster Bayern: 01.10.2001 bis 31.10.2002; Geburtsfenster Hessen: 01.07.2001 bis 30.06.2002). Die Kinder und ihre Familien lassen sich wie folgt beschreiben: • Alter: im Schnitt 3;8 Jahre zum ersten Messzeitpunkt (variiert zwischen 2;10 und 4;9 Jahren); • Geschlecht der Kinder: 51.7% Jungen, 48.3% Mädchen; • Für den Alltag des Kindes in erster Linie zuständig: 94.9% Mütter; 5.1% Väter; • Familiensituation: 91.1% verheiratet oder in fester Partnerschaft, 8.9% allein‑ erziehend; • Geschwistersituation: 23.0% Familien mit Einzelkind, 51.7% Familien mit zwei 10 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick • SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 Kindern, 25.3% Familien mit mehr als zwei Kindern; Migrationshintergrund: 78.2% autochton deutsch, 21.8% Migrationshinter‑ grund. Massnahmen der Stichprobenpflege sind im Rahmen des Längsschnitts BiKS‑3‑8 von entscheidender Bedeutung, da das Feld in diesem über mehrere Jahre laufen‑ den, eng getakteten Design stark belastet wird: So erstrecken sich die Kompeten‑ zerhebungen in manchen Einrichtungen auf bis zu zehn Tage, die – obgleich sie bei den Kindern sehr beliebt sind – den Kindergartenalltag häufig durcheinanderbrin‑ gen. Zudem sind die Beobachtungen in den Einrichtungen für die Erzieher/‑innen oftmals ungewohnt. Auch die Bearbeitung der Fragebögen ist relativ aufwendig und keineswegs selbstverständlich. Eltern stimmen einer Befragung im privaten häuslichen Umfeld zu und geben teils sehr persönliche Auskünfte. Dass Teile der Eltern-Kind-Interaktion dabei auf Video aufgenommen werden, stellt für manche Eltern eine ernst zu nehmende Schwelle dar. Schliesslich sind auch die Fragebo‑ genverfahren für die Eltern sehr umfangreich, zumal einige von ihnen den Umgang mit schriftlichem Material wenig gewohnt sind. Vor diesem Hintergrund wurde ab dem Zeitpunkt der Kontaktaufnahme sehr viel Wert auf eine persönliche Ansprache der Teilnehmer/‑innen und den Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses zu den BiKS-Mitarbeiter/-innen gelegt. Ein solches vertrauensvolles Verhältnis ist gerade bei der Durchführung von Längsschnittstudi‑ en unverzichtbar, um den Teilnehmer/‑innen Rückmeldungen zu geben und sie zu‑ gleich zu motivieren, auch weiterhin an der Studie teilzunehmen. Dass bei der «Pfle‑ ge» der Stichprobe auch die klassischen Massnahmen wie etwa Incentives (kleine Geschenke an den Erhebungsterminen, Weihnachtspost), Ausgabe von schriftlichen Informationsmaterialien oder die Ausrichtung von Informationsveranstaltungen er‑ griffen wurden, trägt ergänzend zur Bindung der Studienteilnehmer/‑innen bei. Unabhängig von der intensiven Betreuung aller Studienteilnehmer/‑innen sind Ver‑ änderungen der Stichprobe über die Zeit nicht zu vermeiden. Zunächst sind dabei Stichprobenausfälle und deren Gründe zu betrachten. Von den Kooperationskinder‑ gärten sind bis zur Welle 6 drei Einrichtungen ausgefallen. Die Gründe hierfür wa‑ ren in einem Fall die Schliessung des Kindergartens und in zwei Fällen hatten alle Kinder der BiKS-Stichprobe den Kindergarten verlassen. Auf Familienebene sind bis Welle 6 insgesamt 82 Familien (15.0%) ausgefallen (vgl. Tabelle 1). Die Gründe hierfür waren vorwiegend der Wechsel des Kindergartens (z.B. durch Umzug) und nur selten kein weiteres Interesse an der Studie oder sonstige Gründe. 11 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick Tabelle 1: SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 Entwicklung der BiKS‑3‑8-Stichprobe über die Kindergartenphase hinweg Erhebungszeitpunkt 1 Erhebungszeitpunkt 2 Erhebungszeitpunkt 3 Erhebungszeitpunkt 4 Erhebungszeitpunkt 5 Erhebungszeitpunkt 6 (Herbst 2005) (Frühjahr 2006) (Herbst 2006) (Frühjahr 2007) (Herbst 2007) (Frühjahr 2008) Kindergärten 97 (100.0%) 97 (100.0%) 97 (100.0%) 97 (100.0%) 95 (97.9%) 94 (96.9%) Familien 547 (100.0%) 542 (99.1%) 533 (97.4%) 502 (91.8%) 480 (87.8%) 465 (85.0%) Nach Schuleintritt konnten 21 der durch Kindergartenwechsel ausgefallenen Fami‑ lien wieder in die Studie aufgenommen werden, so dass in der Grundschule noch 486 (88.8%) der Kinder der Startstichprobe untersucht werden können. Die relativ geringen Ausfälle auf Einrichtungsebene sind dabei nicht als Konstanz der befragten Personen zu interpretieren, da ein Wechsel der in dem Längsschnitt befragten Personen hier nicht immer vermieden werden konnte. So blieben zwar in 86.6% der Fälle die Einrichtungsleitungen und in immerhin noch 74.2% der Fälle die Gruppenleitungen über die gesamte Kindergartenphase hinweg stabil, in den verbleibenden Fällen kam es jedoch zu einem ein- oder auch mehrmaligen Wech‑ sel der von uns befragten Personen, was für die Analyse von Längsschnittdaten zu zusätzlichen Schwierigkeiten führt – allerdings der realistischen Situation von Kindern in Kindergärten entspricht. Schliesslich wirkt sich auch die Art der eingesetzten Verfahren (Fragebogen, Be‑ obachtung usw.) unmittelbar auf den Datenrücklauf und damit die Vollständigkeit der erhobenen Daten aus. Die BiKS-Studie zeichnet sich durch die Kombination von verschiedenen Erhebungsinstrumenten und -verfahren aus. Während in allen Verfahren, die im persönlichen Kontakt eingesetzt werden – Kompetenzmessungen der Kinder, Eltern-Interviews (inklusive Beobachtung) und Erzieher/‑innen-Inter‑ views – durchgängig eine hohe Teilnahmequote erreicht werden konnte, geht der Rücklauf in den schriftlichen Verfahren – Eltern-Fragebogen und Erzieher/‑innenFragebogen – über die Erhebungszeitpunkte hinweg deutlich zurück. Ausfälle im Längsschnitt und unvollständiger Datenrücklauf sind in der empiri‑ schen Forschung unvermeidbar. Beide sind jedoch problematisch, da diese zu ei‑ ner kontinuierlichen Reduzierung der Datenlage führen, was die Basis für unsere Analysen schmälert. Überdies sind die Ausfälle häufig nicht zufällig und unsyste‑ matisch, sondern selektiv. Wenn etwa im Laufe einer Studie Eltern aus besonderen 12 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 Bevölkerungsgruppen gehäuft nicht weiter teilnehmen, können Auswertungen der späteren Erhebungswellen nicht mehr auf die Gesamtheit der ursprünglich teilneh‑ menden Familien übertragen und die Ergebnisse entsprechend verzerrt werden. Der Umgang mit solchen Problemen stellt eine Herausforderung dar, für die in der Wissenschaft allerdings inzwischen eine Reihe von Verfahren und Vorgehensweisen entwickelt wurden, die es erlauben, aussagefähige Analysen durchzuführen. 4. Die Erhebungen im Längsschnitt BiKS-3-8 Während der Kindergartenphase wurden an insgesamt sechs Messzeitpunkten in jeweils halbjährlichen Abständen Erhebungen in den Kindergärten und in den Fa‑ milien durchgeführt. Innerhalb der Studie BiKS‑3‑8 werden verschiedene quanti‑ tative und qualitative Verfahren kombiniert; es kommt ein Multimethoden-Ansatz zum Einsatz. Die eingesetzten Erhebungsinstrumente umfassen: • Kompetenzmessungen: Die Erfassung der Kompetenzen der Kinder ist ein wesentlicher Bestandteil des Forschungsdesigns der BiKS-Forschergrup‑ pe. Die Kinder der BiKS‑3‑8-Stichprobe wurden in halbjährlichen – ein Teil der Kinder in jährlichen – Abständen in den Kindergärten in den Bereichen Grammatik, Wortschatz, nonverbale Kompetenzen, verbales Gedächtnis und spezifische vorwissensabhängige Fertigkeiten getestet. Dabei kam eine um‑ fangreiche Batterie standardisierter Testverfahren zum Einsatz, die sowohl grundlegende, eher bildungsunabhängige Fähigkeiten als auch bildungsab‑ hängige Fertigkeiten und sowohl nonverbale als auch sprachgebundene Auf‑ gaben umfasst. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass Teilfähigkei‑ ten und spezifische Fertigkeiten differenziert erhoben werden und nicht in sog. «Omnibus-Massen» in einer bunten Mischung einfliessen, da diese mit einer eher geringen analytischen Schärfe einhergehen, und damit nicht mehr offen legen, durch welche Stärken und Schwächen und welche Interaktionen und Kompensationen die Leistung hervorgebracht wird. Letzteres aber ist bedeut‑ sam, wenn man an Wirkanalysen und Ansatzpunkte für Förderungen denkt. In der Ausgangsmessung im Herbst 2005 wurden die rezeptiven und produkti‑ ven grammatischen Fähigkeiten der Kinder über die Subtests Morphologische Regelbildung, Verstehen von Sätzen und Enkodieren semantischer Relationen aus dem Sprachentwicklungstest für 3-5jährige Kinder (SETK 3-5, Grimm, 2001) erfasst. Der Wortschatz im engeren Sinne (hier: rezeptiver Wortschatz) wurde mit einer deutschen Forschungsversion des Peabody Picture Vocabu‑ lary Test (PPVT, Dunn & Dunn, 1997, deutsche Forschungsversion, Rossbach, Tietze & Weinert, 2005) erhoben, der Wortschatz im weiteren Sinne (hier: As‑ pekte des aktiven Wortschatzes) mit dem Subtest «Rätsel» aus der Kaufman Assessment Battery for Children (K-ABC, Melchers & Preuss, 2003). Zur Er‑ 13 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 fassung der nonverbalen Kompetenzen der Kinder wurden die Subtests «Ana‑ logien» und «Kategorien» des Snijders-Oomen nonverbalen Intelligenztest für 2-5jährige Kinder (SON-R 2½-7, Tellegen, Winkel, Wijnberg-Williams & Laros, 2005) und der Subtest Handbewegungen (nonverbale Gedächtnisspanne) aus der K-ABC verwendet, während die vorwissensabhängigen Fertigkeiten mit den Subtests «Rechnen» und «Gesichter und Orte» aus der K-ABC und das verbale Gedächtnis mit den Subtests «Phonologisches Arbeitsgedächtnis» aus dem SETK 3-5 und «Zahlennachsprechen» aus der K-ABC erfasst wurden. 14 • Elternbefragungen: Bei den Eltern kam ein umfangreiches Befragungs instrumentarium zum Einsatz: Das zentrale Instrument der Elternbefragung wurde als Computer Assisted Personal Interview (CAPI) konzipiert und diente der Befragung in den Themenbereichen Soziodemographie, Migration und In‑ tegration, Entwicklungsprobleme und Gesundheit sowie Betreuungsgeschich‑ te des Kindes. Hier wurde auf die computergestützte Befragungsvariante zu‑ rückgegriffen, da auf diese Weise eine individuelle oder gruppenbezogene Anpassung der jeweiligen Fragen möglich ist. Neben diesen Befragungen, die im jährlichen Abstand bei den Eltern zu Hause durchgeführt wurden, be‑ arbeiteten die Eltern halbjährlich einen schriftlichen Fragebogen und proto‑ kollierten über einige Tage die Art der täglichen Interaktionen mit dem Kind (Aktivitätenliste). • Beobachtungen in der Familie: Die Interaktion zwischen den Eltern (i.d.R. die Mutter) und dem Kind wurde im häuslichen Setting beobachtet. Zum Einsatz kam die «Familien-Einschätzskala» (FES; Kuger, Pflieger & Rossbach, 2005), mit deren Hilfe die bereichsspezifische Anregungsqualität im Rahmen einer halbstandardisierten Bilderbuchsituation eingeschätzt wird, sowie die stan‑ dardisierte Spielsituation «Kodiersystem Eltern-Kind-Spiel» (KEKS; Ebert & Weinert, 2007), die vor allem die sprachliche und (meta)kognitive Anregung in Eltern-Kind-Interaktionen abdeckt. Darüber hinaus wurde der Anregungsge‑ halt in den Familien mit einer modifizierten Version der «Home Observation for the Measurement of the Environment» (HOME; Bradley & Caldwell, 1984) eingeschätzt. • Befragungen des pädagogischen Personals: Die wichtigste Informationsquel‑ le zu den institutionellen Variablen stellen im Rahmen der realisierten Befra‑ gungen die Erzieher/‑innen dar. Zu allen Messzeitpunkten wurden daher die Erzieher/‑innen der ausgewählten Kindergruppen schriftlich zu gruppenspe‑ zifischen Rahmenbedingungen, pädagogischen Konzeptionen, Arbeitsbedin‑ gungen, Erziehungseinstellungen, Einschulungsfragen und migrationsspezi‑ fischen Orientierungen befragt. Bei den ungeraden Erhebungswellen wurden Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 jeweils ergänzend Erzieher/‑innen-Interviews durchgeführt, die vor allem zur Erfassung von Inhaltsbereichen dienten, die eine komplexe Anpassung an Personengruppen und ihre jeweiligen Antworten erfordern. Zeitgleich mit den Fragebogen erhielten die beteiligten Erzieher/‑innen zu jedem Messzeitpunkt für jedes an der BiKS-Studie teilnehmende Kind ihrer Gruppe einen kindbe‑ zogenen Einschätzbogen, mit dessen Hilfe die sozial-emotionale Entwicklung und die kognitiv-sprachlichen Kompetenzen eingeschätzt wurden. Schliess‑ lich wurden den Erzieher/‑innen zu ausgewählten Messzeitpunkten Listen vorgegeben, mit denen sie die Aktivitäten an einem oder zwei normalen Kin‑ dergartentagen protokollieren sollten. Als zweite Informationsquelle aus den Betreuungseinrichtungen wurden die Einrichtungsleitungen zu ausgewählten Messzeitpunkten schriftlich und mündlich befragt. • Beobachtungen im Kindergarten: Neben den Befragungsverfahren kamen im Kindergarten die «Kindergarten-Skala – Revidierte Fassung» (KES‑R; Tietze, Schuster, Grenner & Rossbach, 2005) und die «Kindergarten-Skala Erweiterung» (KES‑E; Tietze, Schlecht & Wellner, 2005) sowie die «Zielkindbeobachtung» (ZiKiB; Kuger, Pflieger & Rossbach, 2006) zum Einsatz. Mit den Instrumenten KES‑R und KES‑E wird im Rahmen einer standardisierten Beobachtung die pädagogische Prozessqualität in Kindergruppen live beob‑ achtet und erfasst. Während die KES‑R den Schwerpunkt auf die globale Be‑ treuungsqualität legt, steht mit der KES‑E ein Verfahren zur Verfügung, das sich vertiefend und bereichsspezifisch auf die Förderung schulischer Vorläu‑ ferfähigkeiten bezieht. Ergänzend wurde in den Gruppen für zwei ausgewählte Zielkinder die kindspezifische globale und bereichsspezifische Förderqualität erfasst. • Qualitative Interviews: Mit leitfadengestützten Interviews wurden unter an‑ derem Substichproben von Eltern vorzeitig, fristgerecht und verspätet einge‑ schulter Kinder bzgl. ihrer Einschulungsentscheidungen befragt. Auch eine Gruppe von Eltern mit türkischem Migrationshintergrund wurde aufgrund der besonderen Situation ihrer Kinder qualitativ befragt. Schliesslich nahmen für weitere Fragestellungen Erzieher/-innen und Schulleiter/-innen an den qua litativen Interviews teil. Alle Erhebungen in den Einrichtungen und in den Familien wurden von ausführlich geschulten Mitarbeiter/-innen durchgeführt. 15 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick 5. SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 Ausblick 5.1. Übergang vom Kindergarten in die Grundschule Insgesamt betrachtet ermöglicht das vorgesehene Erhebungsdesign des Längs‑ schnittes BiKS‑3‑8 gezielte Aussagen über die Entwicklung der Kinder in den Be‑ reichen Sprache und Kognition über den Übergang in die nächste Bildungsphase – vom Kindergarten in die Grundschule – hinweg. Auch die relevanten Bildungs‑ prozesse, die diesen Übergang gestalten, können durch das Erhebungsdesign nicht nur in der Formation, sondern auch in der Bewährung abgebildet werden. Wie aus Abbildung 3 zu ersehen, treten die meisten Kinder des Längsschnitts BiKS‑3‑8 regulär zum Schuljahr 2008/2009 in die Grundschule ein: Abbildung 3: Übertritt vom Kindergarten in die Grundschule im Längsschnitt BiKS-3-8 Da die BiKS-Forschergruppe sich mit der Verschiedenartigkeit der Entwicklung und Förderung von Kindern und explizit mit den unterschiedlichen Bildungsentschei‑ dungen befasst, genügt es nicht, im Längsschnitt BiKS‑3‑8 nur die fristgerecht eingeschulten Kinder weiterzuverfolgen, auch wenn diese den überwiegenden Teil des Samples repräsentieren. Entsprechend thematisiert die BiKS-Forschergruppe auch die Entscheidungen für eine Früheinschulung (4.8% der Stichprobe) oder für eine Rückstellung (4.6% der Stichprobe). In beiden Fällen sind dabei ebenfalls die Beiträge von Eltern, Kindergarten und Schule in die Modellierung einzubeziehen. Der Kenntnisstand über die Entwicklung und Förderung von früheingeschulten und von zurückgestellten Kindern ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt gering (vgl. etwa Fried, Rossbach, Tietze & Wolf, 1992; Puhani, & Weber, 2007; Rossbach, 2001). 16 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 5.2. Das Nationale Bildungspanel Aktuell wird an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg – in Zusammenarbeit mit einem bundesweiten Konsortium – eine Studie «Nationales Bildungspanel» (Na‑ tional Educational Panel Study, kurz NEPS) aufgebaut (vgl. zu einer Darstellung etwa Blossfeld, Doll & Schneider, 2008; Blossfeld, Schneider & Doll, im Druck). Ziel ist es, mehr über zentrale Bildungsprozesse und -verläufe über die gesamte Lebensspanne zu erfahren. Zentral ist dabei, wie sich Kompetenzen im Lebenslauf entfalten, wie Kompetenzen Entscheidungsprozesse an verschiedenen kritischen Übergängen der Bildungskarriere beeinflussen (und umgekehrt), wie und in wel‑ chem Umfang Kompetenzen von Lerngelegenheiten in der Familie, der Gruppe der Gleichaltrigen und den Lernumwelten Kindergarten, Schule, Hochschule und Be‑ rufsausbildung sowie Weiterbildung beeinflusst werden. Von grosser Bedeutung ist auch zu klären, welche Kompetenzen für das Erreichen von Bildungsabschlüssen, welche für lebenslanges Lernen und welche für ein erfolgreiches individuelles und gesellschaftliches Leben massgeblich sind. Die wesentlichen fünf inhaltlichen Di‑ mensionen umfassen: • Entwicklung von Kompetenzen im Lebenslauf, • Bildungsprozesse in lebenslaufspezifischen Lernumwelten, • soziale Ungleichheit und Bildungsentscheidungen, • Bildungsprozesse von Personen mit Migrationshintergrund, • Renditen von Bildung. Zur Klärung der von NEPS skizzierten Fragestellungen ist es notwendig, dass Kompetenzentwicklungen nicht nur im Kindergarten und im allgemeinbildenden Schulsystem, sondern bereits vor Kindergarteneintritt einerseits und auch nach dem Verlassen des allgemeinbildenden Schulsystems andererseits berücksichtigt werden. Im Rahmen des Nationalen Bildungspanels werden daher die Bildungsver‑ läufe in acht Bildungsetappen analysiert: • Neugeborene und Eintritt in frühkindliche Betreuungseinrichtungen, • Kindergarten und Einschulung, • Grundschule und Übertritt in eine Schulart der Sekundarstufe I, • Wege durch die Sekundarstufe I und Übergänge in die Sekundarstufe II, • gymnasiale Oberstufe und Übergänge in (Fach-)Hochschule, Ausbildung oder Arbeitsmarkt, • Aufnahme einer beruflichen Ausbildung und der spätere Arbeitsmarkteintritt, • (Fach‑)Hochschulstudium und Übergänge in den Arbeitsmarkt, • allgemeine und berufliche Weiterbildung. Die methodische Anlage des Nationalen Bildungspanels lässt sich als Multi-Kohor‑ ten-Sequenz-Design beschreiben. In den kommenden Jahren werden verschiedene Startkohorten mit insgesamt mehr als 60.000 Personen in verschiedenen Alters‑ 17 Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick SAL-Bulletin Nr. 131 März 2009 klassen gezogen. Diese Personen werden über einen längeren Zeitraum regelmä‑ ssig befragt; ebenso finden in festgelegten Abständen Kompetenzerhebungen statt. Um historische Veränderungen bei der Absolvierung der verschiedenen bildungs‑ relevanten Übergänge dokumentieren und analysieren zu können, werden in späte‑ ren Jahren neue Startstichproben gezogen (Kohortensukzession) und in die Studie aufgenommen. Literatur 18 • Baumert, J., Watermann, R. & Schümer, G. (2003). Disparitäten der Bildungsbeteiligung und des Kompetenzerwerbs. Ein institutionelles und individuelles Mediationsmodell. 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