Integrationsjournal Mai 2010
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Integrationsjournal Mai 2010
INTEGRATIONSJOURNAL Der Stadtschulrat für Wien informiert Mai 2010 Das Coverfoto zeigt eine Schülerarbeit des Projektes „Mal-& Kunstwerkstatt in Förderklassen“ des SPZ 14, Hadersdorf – mehr Informationen dazu ab Seite 44 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 INHALTSVERZEICHNIS Aufwand und Effekt ............................................................................................................... 4 In eigener Sache ................................................................................................................... 5 Resilienz - Was Kinder in ihrer Entwicklung stärkt ................................................................ 6 Lernmotivation Hund ............................................................................................................12 Begabt und auffällig anders – was tun?................................................................................15 Soziale Dienste für Familien mit behinderten Kindern...........................................................18 Neuigkeiten aus dem Bereich „Inklusive Pädagogik“ ...........................................................20 Das Modell der „Wiener Mittelschule“ und die Integration von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf – Erfahrungen einer Integrationslehrerin......................................23 Integration und die WienerMittelSchule: Mehr als nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ ....................................................................25 Copy! Paste! Save! The SHAPES Project............................................................................................................29 Lernvielfalt in unserer integrativen Mehrstufenklasse ...........................................................37 „Wo Sprache fehlt, können/sollen Bilder sprechen!“ .............................................................44 Sozialarbeit geht in die Schule .............................................................................................46 Ein guter Start ......................................................................................................................53 Vernetzen, miteinander reden, Informationen austauschen … ...........................................61 Die Aufgaben der Schulärztin/des Schularztes in der Integrationsklasse..............................61 Triangel ................................................................................................................................63 Anreicherung der Bildung durch Bildung für alle … ..............................................................65 Afrika....................................................................................................................................70 Eindrücke vom Erfahrungsaustausch und Hospitationen an Wiener Integrationsschulen .....79 Leserbriefe ...........................................................................................................................89 Liebe Leserin! Lieber Leser! .................................................................................................91 3 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Aufwand und Effekt Grundsätzlich besteht die Annahme und auch die Hoffnung, dass durch das Setzen von aufwändigen Maßnahmen auch deutlich feststellbare Änderungen die Folge sind. Annahmen, die sich nicht immer bewahrheiten und auch im Bereich der Pädagogik scheint diese „wenn – dann Automatik“ nicht immer im erwarteten Ausmaß einzutreten. Als ein Beispiel aus dem Bereich der Organisation mag die mit dem nächsten Schuljahr abgeschlossene Senkung der KlassenschülerInnenhöchstzahlen von 30 auf 25 (bzw. von 15 auf 13 in Allgemeinen Sonderschulen) dienen. Diese sehr grundlegende und kostenintensive Lösung für alle Schulen war mit hohen Erwartungen verknüpft, so etwa, dass diese Verminderung der GesamtschülerInnenzahl eine gute Grundlage bietet, deutlich individueller auf einzelne Kinder, die es brauchen, eingehen zu können. Zahlreiche Berichte von betroffenen Eltern und SchülerInnen, aber auch eigene Wahrnehmungen aus Unterrichtsbeobachtungen zeigen, dass diese Erwartung nur sehr beschränkt eingetroffen ist und im Gegenteil sich in vielen Fällen die Unterrichtssituation in ein rigides Muster in Richtung Frontalunterricht und Vereinheitlichung (rück)entwickelt hat. Ein anderes Beispiel bezieht sich auf die Umsetzung des zum Teil ungewöhnlich hohen Aufwands im Bereich der LehrerInnenfortbildung in die Realität der „Tagesarbeit“. Der Fokus richtet sich auf die jahrelang mit wirklich hohem finanziellem Aufwand durchgeführte Fortbildungen, in denen VolksschullehrerInnen mit den Inhalten der Stützbzw. FörderlehrerInnenausbildung bekannt gemacht wurden. Nach den vorliegenden Unterlagen sind es insgesamt mehr als 800 Kolleginnen und Kollegen aus dem Volksschulbereich, die über diese zusätzlichen Qualifikationen verfügen. Damit befinden sich an jeder Wiener Volksschule durchschnittlich 4 LehrerInnen mit dieser speziellen Qualifikation, die zur besonderen Förderung von lernschwachen SchülerInnen nicht nur befähigt, sondern auch einen Kompetenztransfer zu anderen, nicht in diesem Bereich ausgebildeten KollegInnen des jeweiligen Standortes erwarten lassen müsste. Auch in diesem Falle zeigt sich bedauerlicherweise, dass sich diese Erwartung nicht in dem erhofften Ausmaß erfüllte bzw. erfüllt. Langsam, aber doch stetig wächst die Zahl jener Kinder, die die Lehrplananforderungen der Grundschule kaum oder nur teilweise erfüllen bzw. sogar einem sonderpädagogischen Förderbedarf zugeordnet werden. Ohne auf die vielfältigen Tatsachen für diese Entwicklung eingehen zu können, muss doch festgehalten werden, dass unbestritten ein deutlich individualisierender Unterricht die optimale Grundlage bieten müsste, um diesen Phänomenen gegenzusteuern. Auch hier lässt bedauerlicherweise die Realität solche Entwicklungen als Gesamtbewegung gegen den Trend nicht erkennen. Als Hoffnungsschimmer bleibt, dass der erneute Anlauf zur Mobilisierung der Kräfte zur besonderen Betreuung jener Kinder, die nicht im Mainstream liegen, diesmal im Zusammenhang mit den Bildungsstandards gelingen könnte. Möge diese sichtlich schwierige Übung in der Pädagogik zumindest diesmal gelingen, hofft Ihr Gerhard Tuschel 4 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 In eigener Sache Liebe Leserinnen, Autorinnen und Kolleginnen! Liebe Leser, Autoren und Kollegen! Meine Mutter ist 78 Jahre alt. Sie und ich, wir beide lesen gerne, wir können uns ein Leben ohne Lesestoff nicht vorstellen. Kaum habe ich ein Buch ausgelesen, bekommt sie es. Dann können wir darüber reden, erzählen einander von den Passagen, die uns besonders gut gefallen haben. Staunen darüber, wie unterschiedlich die Schreibstile der AutorInnen sind und wundern uns, woher sie all die Ideen für ihre Bücher hernehmen. Meine Mutter kann jedoch nicht mehr so „am Stück“ lesen wie ich. Dazwischen liest sie gerne Zeitschriften. Ich versorge sie daher unter anderem auch mit dem Integrationsjournal. Sie steckt derzeit mitten in der letzten Ausgabe. „Ich bewundere alle LehrerInnen, die mit diesen Kindern arbeiten!“ – gemeint hat sie damit die Arbeit mit schwerstbehinderten Kindern. „Ich wusste gar nicht, dass …“, auch so fangen oft ihre Sätze an, wenn sie über einen Beitrag aus dem Integrationsjournal spricht. „Kannst du mir erklären, was …“, fragt sie mich, wenn sie einen neuen Begriff nicht kennt. Nehmen Sie ein Exemplar des Integrationsjournals einmal mit nach Hause! Geben Sie es beim nächsten Treffen an einen Ihrer Bekannten weiter! Denn so wie meiner Mutter wird es vielen Nicht-LehrerInnen gehen, wenn sie die Beiträge lesen. Sie werden erstaunt, vielleicht auch beeindruckt sein, Neues lernen, andere Einblicke in die Unterrichtsarbeit bekommen – mit einem Wort: ein aktuelles Bild der LehrerInnen wird vor ihrem geistigen Auge entstehen – ein LehrerInnenbild, das die Realität widerspiegelt. Das Lesen nimmt so gut wie das Reisen die Einseitigkeit aus dem Kopfe.1 Durch das Lesen des Integrationsjournals kann das besonders gut gelingen. Und weil wir schon beim Lesen sind, darf ich Ihnen einen Buchtipp mit in die Ferien geben: Das Labyrinth der Wörter von Marie-Sabine Roger, ich hab’s schon gelesen, meine Mutter ist gerade dabei ☺ Auch Ihnen viel Spaß beim Lesen! HObln Gerda Kargl Referentin für Sonderpädagogische Fragen im Stadtschulrat für Wien gerda.kargl@ssr-wien.gv.at 1 Jean Paul, (1763 - 1825), eigentlich Johann Paul Friedrich Richter, deutscher Dichter, Publizist und Pädagoge 5 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Resilienz Was Kinder in ihrer Entwicklung stärkt In unserer Arbeit begegnen uns immer wieder Kinder, die sehr schwierige Lebensbedingungen haben, es aber trotzdem schaffen, psychisch gesund zu bleiben und ihre Probleme zu meistern. Als LehrerInnen fragen wir uns oft: Was haben diese Kinder, was andere in einer ähnlichen Situation nicht haben? Der Fachbegriff dafür heißt Resilienz. Das Wort Resilienz kommt von „resilence“ und bedeutet Elastizität, Spannkraft – nach Verformung die ursprüngliche Gestalt wieder annehmen können. Resilienz bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, Krisen und schwierige Lebenssituationen unbeschadet zu überstehen. Ein Symbol dafür ist das Stehaufmännchen. Es ist in der Lage aus jeder beliebigen Position seine aufrechte Haltung wieder einzunehmen. Resilienz entsteht im „Trotzdem“. Der Psychiater und Auschwitz - Überlebende Victor Frankl, Begründer der Logotherapie, gab seinem Leben im größten Leiden einen Sinn durch die Vorstellung, wie er nach dem Lager Lesungen über die Psychologie des Lagers halten würde – um Außenstehenden zu vermitteln, was er durchlebt hatte. Diese Hoffnung ermöglichte ihm sich immer wieder für Momente über das Leiden zu erheben. Das Gegenstück zur Resilienz heißt Vulnerabilität und bedeutet Verwundbarkeit, Verletzbarkeit oder Empfindlichkeit einer Person gegenüber belastenden Ereignissen. Resiliente Kinder und Jugendliche haben eine Art psychische Widerstandskraft gegenüber biologischen, psychologischen und sozialen Entwicklungsrisiken. Sie können mit belastenden Situationen wie z. B. Misserfolgen, Notsituationen, traumatischen Erfahrungen oder auch Diskriminierungen so umgehen, dass sie in ihrer Integrität keinen Schaden nehmen und sich weiter gut entwickeln. Ein gutes Beispiel aus der Jugendliteratur ist Pippi Langstrumpf. Ihre Mutter starb früh, der Vater kümmert sich nur sporadisch um sie. Dennoch hat sie Zugang zu ihren eigenen Stärken und verfügt über zahlreiche Bewältigungsstrategien. Resilienz bedeutet nicht Unverwundbarkeit, bedeutet nicht: „was mich nicht umbringt, macht mich hart.“ Resilienz ist mehr als Anpassung an widrige Umstände, mehr als pures Durchstehen oder Überleben. Stresserfahrungen können Stärke in einem Menschen hervorrufen, die er selbst nicht für möglich gehalten hätte. Nach Walsh ist Resilienz die Fähigkeit „aus widrigsten Lebensumständen gestärkt und mit größeren Ressourcen ausgestattet als zuvor herauszukommen.“ 6 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Studien haben ergeben, dass viele problembelastete Jugendliche später als Erwachsene wesentlich positivere Eigenschaften zeigten. Der größte Sprung geschah zwischen dem Alter als junge Erwachsene und der Lebensmitte, als die frühere Instabilität der Untersuchten abgelöst wurde durch feste Bindungen an eine neue Partnerschaft oder eine neue berufliche Identität. Offensichtlich ist es falsch Menschen zu einem einzigen Zeitpunkt ihres Lebens zu betrachten und von da aus auf ihre ganze Entwicklung zu schließen. Begonnen hat die Resilienzforschung mit der „Kauai – Längsschnittstudie“, die von der Entwicklungspsychologin Emmy Werner auf der Insel Kauai (Hawaii) durchgeführt wurde. Im Rahmen dieser Studie wurde über einen Zeitraum von 40 Jahren die Entwicklung von 698 Kindern dokumentiert, die 1955 geboren wurden. Das besondere Augenmerk lag dabei auf denjenigen Kindern, die unter schwierigen sozialen Bedingungen aufgewachsen sind. Die Untersuchung zeigte, dass ein Drittel der Kinder trotz der erschwerten Bedingungen zu lebenstüchtigen Erwachsenen heranwuchs, während die anderen zwei Drittel Schul – oder Drogenprobleme hatten, aggressiv waren oder straffällig wurden. „Die Annahme, dass sich ein Kind aus einer Risikofamilie zwangsläufig zum Versager entwickelt, wird durch die Resilienzforschung widerlegt.“ Resilient zu sein bedeutet also auch stark zu sein trotz schwerer Kindheit. Das Resilienzkonzept geht auf den Medizinsoziologen Dr. Aaron Antonovsky zurück. Er untersuchte Frauen, die während der Nazizeit in Konzentrationslagern interniert gewesen waren. Er fand heraus, dass immerhin 29 Prozent der Frauen trotz des extremen Traumas, dem sie ausgesetzt gewesen waren, psychisch gesund und in einem guten mentalen Zustand waren. Antonovsky begann danach zu forschen, warum Menschen gesund bleiben – er entwickelte das Prinzip der Salutogenese. Salutogenese bedeutet Entstehung von Gesundheit und steht damit im Gegensatz zum Begriff der Pathogenese – der Entstehung von Krankheit. Die Salutogenese (was hält / macht Menschen gesund?) bietet eine gute Ergänzung zur Resilienzforschung. (was hält / macht Menschen stark?). Woran erkennt man resiliente Menschen? Die 7 Säulen der Resilienz Sie bleiben optimistisch. Sie akzeptieren die Krise und ihre Gefühle. Sie suchen nach Lösungen ( Zielorientierung ). Sie fühlen sich nicht als Opfer. Sie übernehmen Verantwortung. Sie lösen ihre Probleme nicht allein ( Netzwerke nutzen ). Sie planen voraus ( Zukunftsorientierung ). Resiliente Menschen wissen, dass es im Leben gute und schlechte Zeiten gibt und dass negative Ereignisse genauso wie glückliche Zeiten begrenzt sind. Sie stellen die Gegenwart, auch wenn sie schmerzhaft ist, in einen gesamten Lebenskontext und verlieren nicht die Hoffnung, dass die Zukunft wieder besser wird. Krisen werden nicht als unüberwindbare Probleme gesehen. 7 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Welche Voraussetzungen haben resiliente Kinder? Resilienzfaktoren ( innere und äußere Schutzfaktoren ) ausgeglichenes Temperament, Impulskontrolle Frustrationstoleranz Talente nutzen können, Kreativität Humor Kommunikations, - und Problemlösungsfähigkeit Intelligenz und schulische Kompetenz Selbstvertrauen guter Gesundheitszustand, Vitalität genetische Faktoren emotional sichere Bindung an eine Bezugsperson soziale Unterstützung in und außerhalb der Familie positive Rollenmodelle Erleben von Sinn und Struktur im Leben positives Klassenklima Anerkennung von Gleichaltrigen, positive Peer - Kontakte 8 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Resilienzfördernde Faktoren können aber auch zu Risikofaktoren werden. So kann z.B. überdurchschnittliche Intelligenz, ein überhöhtes (narzistisches) Selbstbild aber auch eine Cliquenzugehörigkeit zu negativen psychischen Konsequenzen führen. Es ist also die richtige Dosierung, die über Risiko oder Resilienz entscheidet. Resilienz ist keine Eigenschaft, die Menschen zufällig haben oder nicht. Manche Menschen sind insofern begünstigt, als sie vorhandene Ressourcen aus eigener Kraft ausschöpfen können. Andere brauchen dabei Unterstützung. Resilienz aber ist eine Fähigkeit, die jeder Mensch lernen kann. Sie ist beeinflussbar und entwickelbar und wird in der Kindheit am leichtesten gelernt. Was kann Kindern und Jugendlichen dabei helfen Resilienz zu entwickeln? Wie können Kinder in ihrer Entwicklung gestärkt werden? Resilienzförderung Das Gefühl eigener Stärke entsteht vor allem aufgrund der erfolgreichen Überwindung von Hindernissen. Erfolge verschaffen soziale Anerkennung und das Gefühl von „Ich hab’s geschafft.“ Kindern und Jugendlichen sollte vermittelt werden: „Was mit dir richtig ist, ist stärker als das, was mit dir verkehrt ist“. Kernpunkte der Resilienz: Suche dir einen Freund und sei anderen ein Freund! Fühle dich für dein Verhalten verantwortlich! Glaube an dich selbst! Negative Erfahrungen sollen nicht verhindert, aber Kinder dürfen in Krisenzeiten nicht allein gelassen werden. Von großer Bedeutung ist eine stabile Bezugsperson, die auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht, von der es Unterstützung und Anerkennung bekommt und die dem Kind zeigt, wie es Probleme konstruktiv lösen kann. Die Schule kann dazu beitragen, dass SchülerInnen Resilienz entwickeln können: durch: Verstehbarkeit Sinnhaftigkeit Machbarkeit und Handhabbarkeit Wertschätzung 9 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Positive Peer – Kontakte Verantwortungsübernahme Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus Kooperation mit außerschulischen Einrichtungen Der Kindertherapeut Sam Goldstein verwendet den Begriff „Kompetenzinseln“ und bezieht sich damit auf die Stärken, die jedes Kind hat: „In unseren Kursen bitten wir Eltern, eine Liste mit den Stärken ihrer Kinder zu machen, und dann überlegen wir, wie man auf diesen Inseln aufbauen kann. Zum Beispiel hatten wir einen Jungen, der Probleme beim Lesen und in Folge dessen immer mehr Angst vor der Schule hatte. Seine Eltern haben seine künstlerische Begabung als Kompetenzinsel ausgemacht. Also hat dieser Junge mit der Unterstützung seines Lehrers und des Direktors bunte Schilder gemalt, die im Eingangsbereich der Schule aufgestellt wurden, z.B. „Willkommen“ oder „Besucher, bitte melden Sie sich im Büro an“. Das erste, was er jeden Morgen gesehen hat, wenn er in die Schule kam, waren die Zeichen seiner Stärke. Das hat ihm geholfen, selbstsicherer und weniger ängstlich zu werden. Wir sollten weniger versuchen unsere Kinder zu „reparieren“ und mehr nach Möglichkeiten suchen ihre Stärken auszubauen.“ Kinder verbringen viel Zeit ihrer Kindheit in der Schule. Die Schule ist neben der Familie das wichtigste Lernfeld. Schule kann zu einem Schutzfaktor für die kindliche Entwicklung werden, wenn sie solche Rahmenbedingungen schafft, dass sich Kinder als positiv handelnd und wirkend erleben können. Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.“ ( A. Camus ) Marietta Horky Psychagogin in der Lernwerkstatt Donaustadt 10 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Literatur: Annie Greef Resilienz Widerstandsfähigkeit stärken, Leistung steigern Praktische Materialien für die Grundschule Robert Brooks / Sam Goldstein Das Resilienz – Buch Wie Eltern ihre Kinder fürs Leben stärken Das Geheimnis der inneren Widerstandskraft Günther Opp, Michael Fingerle ( Hrsg.) Was Kinder stärkt Erziehung zwischen Risiko und Resilienz Fröhlich – Gildhoff, Rönnau – Böse Resilienz Reihe: UTB Profile Marion Kipker Kinder, die nicht aufgeben Förderung der Resilienz in der pädagogischen Praxis Wolfgang Jaede Kinder für die Krise stärken Selbstvertrauen und Resilienz fördern Victor Frankl … trotzdem ja zum Leben sagen Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager Internet-Tipp http://oe1.orf.at/libero/132254.html 11 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Lernmotivation Hund Tiergestützte Pädagogik und Tiergestützte Therapie im Pflichtschulbereich Einführung Ein erfolgreicher Stützpfeiler der pädagogischen Arbeit am Standort KMS 11, Svetelskystraße 4 – 6 ist der Einsatz von Therapiehunden. In der Vergangenheit wurde viel darüber diskutiert, ob die Bezeichnungen „Therapiehund“, „Tiergestützte Pädagogik“ und „Tiergestützte Therapie“ treffend sind oder nicht. Ich möchte im Folgenden versuchen, diese Frage aufzugreifen und zu klären, sowie einen Einblick in die Arbeit mit meiner Therapiehündin Bella im Schulalltag zu geben! Der Begriff der Therapie Für den Begriff der Therapie lassen sich zwei Bedeutungen nachlesen: [1] Behandlungen bei einer Krankheit [2] Maßnahmen gegen unerwünschte Zustände Mag für den Bereich der Medizin eher die Definition der Therapie als Behandlung bei Krankheiten zutreffen, so ist es für den schulischen Bereich eine der Maßnahmen gegen unerwünschte Zustände! θεραπεια − therapiea, welches „Therapie“ entstammt dem griechischen gleichbedeutend ist mit: „das Dienen, die Bedienung, die Dienstleistung“, „die Pflege“! Genau das ist es, was fundiert ausgebildete Hunde im Schulalltag zu leisten imstande sind. Sie unterstützen die Arbeit des Menschen! Hunde wirken einerseits beruhigend und als Sicherheitssignal, andererseits funktioniert ihre Kommunikation anders als die zwischenmenschliche Kommunikation. Diese Verschiebung der Kommunikationsweise bewirkt, dass zwischen Hund und Mensch verletzungsfreier und offener agiert wird, als im zwischenmenschlichen Kontakt. Hunde besitzen einen hohen Aufforderungscharakter, was wir uns in unserer Arbeit sehr gut zunutze machen können. Darüber hinaus verbessert sich bei Anwesenheit eines Hundes die Befindlichkeit aller Beteiligten! Tiergestützte Pädagogik und Tiergestützte Therapie Den unterschiedlichen Zielsetzungen entsprechend, muss die Einsatztätigkeit im Rahmen des Vormittagsunterrichts von den Absichten unterschieden werden, welche hinter Einzelkontakten im Rahmen eines seit dem Schuljahr 2009/2010 genehmigten, extradisziplinären Stundenkontingents stehen! Steht am Vormittag die Tiergestützte Pädagogik (TGP) im Vordergrund, so geht es bei den Einzelkontakten um tiergestützte pädagogisch-therapeutisch indizierte Maßnahmen und somit um Tiergestützte Therapie (TGT). 12 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Tiergestützte Pädagogik baut auf den Erfahrungen der tiergestützten Therapie auf! Unter Tiergestützter Therapie versteht man per Definitionen alle Maßnahmen, bei denen durch den gezielten Einsatz eines Tieres positive Auswirkungen auf das Verhalten und Erleben von Menschen erzielt werden sollen. Diese positiven Auswirkungen sind per se nicht davon abhängig zu machen, wer den Hund führt, da sie durch das Tier an sich bewirkt werden. Tiergstützte Pädagogik (TGP) Bella vom Retrieverzwinger ist ein geprüfter Therapiehund der Rettungshunde Niederösterreich (www.therapiehunde.at). Sie begleitet unsere Schülerinnen und Schüler durch ihren Unterrichtsalltag! Viele wissenschaftliche Studien belegen mittlerweile, dass sich der Einsatz eines Therapiehundes in mehrfacher Hinsicht positiv auf das Klassenklima auswirkt. Ein Therapiehund bringt den Kindern Vertrauen entgegen, hilft beim Abbau von Stress, etwa bei Klassenarbeiten, beim Erlernen von Pflichten und Aufgaben, sowie bei der Entwicklung von Zuverlässigkeit und Freundschaft. Durch die Interaktion mit dem Tier entwickeln die Kinder Empathie, also die Fähigkeit, sich auf andere Lebewesen einzustellen. In vielfältiger Weise können Therapiehunde in das Unterrichtsgeschehen eingebunden werden und sorgen so für eine entspannte, lustvolle Lernatmosphäre! Tiergestützte Therapie (TGT) In Einzelkontakten wirkt Bella im emotionalen Bereich beruhigend bzw. als nicht wertende Zuhörerin bei Lernsituationen. Die Kinder lesen „ihrem Hund“ vor, lernen „mit ihr“ gemeinsam Vokabeln oder stellen ihr selbst kleine „Denksportaufgaben“, wodurch es ihnen möglich ist, ihren Hund auch einmal als „Schülerin“ zu erleben – somit ein Stück weit die Rolle einer Lehrerin oder eines Lehrers zu übernehmen. Die positive Wirkung des Hundes fällt mir beispielsweise bei einem sprachbeeinträchtigten Mädchen auf, das im Unterrichtsgeschehen das Sprechen verweigert, in der Einzelsituation mit dem Hund jedoch zunehmend an Stimmkraft und Selbstvertrauen gewinnt! 13 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Im Einzelkontakt wird es möglich, auf besondere Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler näher einzugehen. Emotionale Settings können genauso gezielt bearbeitet werden, wie Problemstellungen im motorischen oder taktilen Bereich. Die Kinder erfahren hier ein besonderes Gefühl der Geborgenheit in einem geschützten Rahmen außerhalb des Unterrichts. Als maximale Gruppengröße können drei Kinder angesehen werden, wobei hier bereits ein großer Teil des „Sich-geborgen-Fühlens“ wieder verloren geht. Es ist obligatorisch, dass ausschließlich die den Hund führende Person über Gruppengröße und Ablauf einer solchen Einheit entscheiden kann! Dipl. Päd. Sobl. Thomas Wagner Sonderpädagoge Besuchsschullehrer Therapiehundeführer Rettungshundeführer Kontaktadressen: www.therapiehunde.at www.rettungshunde.at Literaturhinweis: www.wikipedia.at http://de.wiktionary.org www.turner-iet.ch www.tierealstherapie.org 14 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Begabt und auffällig anders – was tun? „Für Bastian F., nachweislich überdurchschnittlich begabt, zurzeit in einer dritten Wiener VS-Klasse, muss ein neuer Schulplatz gefunden werden. Warum? Bastian ist extrem zappelig und lebt als Einzelkind mit seiner allein erziehenden Mutter. Er meistert die sozialen Anforderungen einer Großgruppe für einen ganzen Schultag nur bedingt. Bastian hat es schwer in der Klasse, aber auch die Klasse hat es schwer mit ihm. Seine Lehrerin ist verzweifelt, alle schulischen Ressourcen, wie z.B. Beratungslehrerin wurden bereits zur Gänze ohne positive Nachhaltigkeit ausgeschöpft. Obwohl Bastian Routinearbeiten grundsätzlich verweigert, scheinbar nie zuhört, sich ständig mit anderen Dingen beschäftigt, ist er trotzdem im Lernstoff den meisten seiner Gruppe voraus. Die engagierte Lehrerin erkennt zwar sein Potenzial, aber sein auffälliges Sozialverhalten steht im Vordergrund. Im Einzelkontakt oder in der Kleingruppe ist Bastian engagiert und relativ unauffällig, jedoch ein ganzer Schultag ist für alle Beteiligten schlicht und einfach zu viel. Die Klassenlehrerin hat in ihrer 25Kindergruppe noch viele andere Herausforderungen zu meistern…“ Was tun? Begabte, sozial-emotional schwierige Kinder wie Bastian brauchen zumindest temporär eine spezielle Betreuung und gleichzeitig intellektuelle Herausforderungen. Durch die spezielle Betreuung im Tandem-Projekt wird gezielt auf diese besondere Bedürfnislage reagiert. Seit drei Jahren bereichert dieses Projekt die Schullandschaft in Wien. In vier öffentlichen Grundschulen gibt es eine zusätzliche personelle und räumliche Ressource. Die vier Tandemlehrerinnen zeichnen sich durch besonderes Engagement und entsprechende Ausbildung auf den Gebieten der Begabungsförderung und der Verhaltensauffälligkeit aus. Grundsätzlich können bis zu sieben Kinder in das Tandem-Projekt des jeweiligen Standortes aufgenommen werden. Das Projekt ermöglicht eine neue Form der integrativen Beschulung. Je nach Bedürfnislage des Kindes und den schulischen Gegebenheiten kommt es zu einem Wechsel der sozialen Settings. Jede Form ist möglich: Einzelarbeit, Kleingruppenarbeit, betreut in der Großgruppe, unbetreut in der Großgruppe. Ein ganz „normaler“ Tandem-Tag: „Bastian kommt am Dienstagmorgen in seiner Stammklasse an. In der ersten Stunde ist Sachunterricht, sein absolutes Lieblingsfach. Danach ist Sport und Bewegung. Beim Völkerballspiel fällt es ihm schwer, die damit verbundenen Regeln zu akzeptieren. Bastian geht aufgeregt in die große Pause und wird danach von der Tandem-Lehrerin für eine Stunde aus der Großgruppe herausgenommen. Die Tandem-Lehrerin bearbeitet in Absprache mit der Klassenlehrerin einerseits den Mathe-Lernstoff, gleichzeitig bekommt das begabte Kind auch Enrichmentmaterialien zur Förderung. Die vierte und die fünfte Stunde verbringt Bastian wieder in seiner Stammklasse, und die TandemLehrerin kommt in der fünften Stunde zur Großgruppe dazu. So ist es ihr möglich, sowohl Bastian als auch die anderen Kinder der Gruppe zu unterstützen. Denn erfahrungsgemäß werden gegen Ende des Schultages Bastians Durchhaltevermögen und das der Großgruppe bisweilen auf die Probe gestellt…“ 15 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Ziel ist es, das Kind so kurz wie möglich und so lange wie nötig während eines Schultages in der Kleingruppe bzw. einzeln zu betreuen und zu fördern. Im Moment (Stand Jänner 2010) werden zwölf Buben im TandemProjekt betreut. Die Frage, warum nur Burschen bis jetzt ins Projekt aufgenommen wurden, drängt sich auf. Die möglichen Antworten darauf sind vielfältig, mehrheitlich geschlechtsbedingt erklärbar. Mädchen sind tendenziell anders im Ausdruck ihrer sozial-emotionalen Bedürfnisse, neigen eher dazu sich zurückzuziehen oder sich zu arrangieren, reagieren eher Therapiehund Nelly an der VS Wichtelgasse psychosomatisch als aggressiv – um nur ein paar der vielfältigen Gründe zu nennen. Der Anteil von Burschen in Mosaik- und Förderklassen ist ebenfalls erheblich höher als der von Mädchen. Grundsätzlich ist das Tandem-Projekt sowohl für Buben als auch für Mädchen gedacht. Die Tandem-Lehrerinnen werden bei ihrer herausfordernden pädagogischen Arbeit durch eine monatliche Supervision begleitet. Das Begabungsförderungszentrum unterstützt sie bei pädagogischen Fragen, stellt Material und Literatur zur Verfügung und versucht gleichsam als Außenstelle mitzubetreuen. Die Tandem-Lehrerinnen unterstehen dienstrechtlich der Schulleitung bzw. dem/der jeweiligen Bezirksschulinspektor/in. Mag. Renate Deininger – VS Deckergasse, Natascha Zillner – GVS Spielmanngasse, Sandra Fiedler – VS Wichtelgasse, Mag. Katharina Rozsa – OVS Märzstraße beschulen und begaben „ihre Buben“ unterschiedlich. An jedem Standort liegen besondere Gegebenheiten vor. Auch die Zusammenarbeit mit den Tandem-Klassenlehrerinnen gestaltet sich vielfältig. So ergibt sich an jedem Standort eine individualisierte pädagogische Umsetzung. Zu den Aufgaben der Tandemlehrerinnen gehört die aktive Vernetzung mit Einrichtungen wie z.B. Schulpsychologie, Jugendamt, AKH, Therapeuten/innen, etc. falls notwendig. Die Erfahrung zeigt, dass auch hier extrem unterschiedliche Bedürfnisse vorhanden sind. Natürlich braucht nicht jedes Tandem-Kind eine begleitende Therapie, die Mehrzahl wird jedoch psychologisch betreut. Auf jeden Fall ist eine intensive, beständige Elternkommunikation Teil der Arbeit. Die Tandemlehrerinnen fassen in einem „Log-Buch“ die soziale und kognitive Entwicklung jedes Kindes schriftlich zusammen. Diese Zusammenfassung mündet in eine ausführliche Jahresdokumentation. 16 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Im Moment endet das Projekt nach der vierten Schulstufe. Da es, wie auch hier die Erfahrung zeigt, bei einigen Kindern notwendig wäre, eine spezielle Betreuung in der Sekundarstufe weiterzuführen, bleibt von Seiten der direkt und indirekt Betroffenen der Wunsch offen, das Tandem-Projekt in unserem Schulsystem fortführend umzusetzen. Die Begleitung und Betreuung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen braucht viele helfende Hände und Köpfe. An dieser Stelle soll allen Lehrerinnen und Lehrern gedankt werden, die letztendlich das Projekt mittragen und diesen besonderen Kindern mit ihrer ebenfalls besonderen pädagogischen Haltung entgegenkommen. Falls Sie an dem Projekt interessiert sind, so wenden Sie sich bitte an das Begabungsförderungszentrum: begabung@ssr-wien.gv.at www.wien.gv.at/bildung/stadtschulrat/beratung/begabungsfoerderung.html Brigitte Palmstorfer MSc Schritte zur Aufnahme in das Tandem-Projekt: Eltern Schule BSI 2 Andere BFZ Aufnahmeportfolio: Antrag der Eltern, Daten und Gutachten, Schulische Maßnahmen, … KOMMISSION Schulpsychologie + bfz 3 + BSI entscheidet Verbleib an der Schule 2 3 Spezielle Begabungsförderung im Tandem-Projekt Wechsel der Schule BSI = BezirksschulinspektorIn bzi = Begabungsförderungszentrum 17 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Soziale Dienste für Familien mit behinderten Kindern Situation bis 1.1.2010: Für die Unterbringung behinderter Kinder bis zum vollendeten 15. Lebensjahr war die MAG ELF4 zuständig, ab dem 15. Lebensjahr der FSW5. Voraussetzung für eine Unterbringung eines behinderten Kindes war eine Gefährdung des Kindeswohls und daher eine Jugendwohlfahrtsmaßnahme, d. h. die Obsorge für das Kind ging immer an die MAG ELF über. Neu ab 1.1.2010: Die Mag ELF ist für die Unterbringung aller behinderten Minderjährigen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zuständig. Die Unterbringung kann auch im Rahmen des Sozialen Dienstes erfolgen, d. h. die Obsorge bleibt bei den Eltern! Angebote im Sozialen Dienst: Familienhilfe für Kinder mit Behinderung Träger: Caritas Familienhilfe ist ein freiwilliges Unterstützungsangebot zur Entlastung der Hauptbetreuungsperson von geistig oder/und körperlich behinderten Kindern. Gewährleistet wird eine familiennahe, zeitlich begrenzte Betreuung der behinderten Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 0 und 15 Jahren in ihrer vertrauten Umgebung. Die Betreuungspersonen sollen die Möglichkeit haben, aus der Belastungssituation kurzzeitig auszusteigen. Familienhilfe kann auch zur regelmäßigen Entlastung (ein Halbtag pro Woche) gewährt werden. Das soll der Familie einen fixen Zeitrahmen pro Woche als Entlastung ermöglichen. Familienhilfe dient auch als Überbrückung von Betreuungslücken, z.B. bei Erkrankungen von Kindern, Ausfall der Betreuungspersonen, Krankenhausaufenthalt der Eltern, usw. Das Höchststundenkontingent beträgt pro Familie vier bis sechs Stunden pro Woche, befristet auf drei Monate. Kurzzeitunterbringung Die Eltern behinderter Kinder haben die Möglichkeit, ihre Kinder einige Tage, bis zu vier Wochen im Jahr, in bestehenden Behinderteneinrichtungen (Caritas – Am Himmel, ClaraFey-Kinderdorf, St. Benedikt, …) unterzubringen. Dieses Angebot dient der Entlastung der Eltern behinderter Kinder. Wichtig ist: die Obsorge bleibt bei den Eltern. 4 5 MAG ELF – Amt für Jugend und Familie, http://www.wien.gv.at/menschen/magelf/ FSW – Fonds Soziales Wien, http://www.fsw.at/ 18 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Teilstationäre Unterbringung Die Unterbringung erfolgt von Montag bis Freitag, an den Wochenenden und während der Urlaubszeit werden die Kinder von den Eltern betreut. Wichtig: auch hier verbleibt die Obsorge bei den Eltern. Die Eltern zahlen einen Teil der Kosten (nach Einkommenssituation, analog der „Vollen Erziehung“). Um den Sozialen Dienst in Anspruch nehmen zu können, ist es erforderlich einen Beratungstermin im Kompetenzzentrum für Integrationsfragen der MAG ELF zu vereinbaren. Ansprechperson: Ingrid Pollmann Tel: 4000/90 887 oder ingrid.pollmann@wien.gv.at 19 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Neuigkeiten aus dem Bereich „Inklusive Pädagogik“ Vom 24. – 27. Februar 2010 fand in Innsbruck die 24. InklusionsforscherInnentagung des deutschen Sprachraums statt. Abb. 1: „Hausherr“ Prof. Dr. Volker Schönwiese Abb. 2: TagungsteilnehmerInnen Im Mittelpunkt stand die UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen, die am 26. Oktober 2008 für Österreich in Kraft trat. Bei der Tagung wurde ein besonderes Augenmerk auf Forschungsbeiträge gelegt, bei denen Menschen mit Lernschwierigkeiten und Beeinträchtigungen an den Projekten als ForscherInnen beteiligt waren. Abb. 3: Barrieren – Auf- oder Abbau?! 20 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Des Weiteren wurde von den VeranstalterInnen darauf geachtet, dass es zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeitskreisen in akademischer und in leichter Sprache kam. Abb. 4: Prof. Dr. Georg Feuser; „Inklusionsgerede und UNKonvention – neue Mythen des Vergessens einer selbst induzierten Integrationsproblematik“ Abb. 5: Andreas Paukner, Peter Pigler, Wolfgang Orehounig; „Empowerment – miteinander und voneinander Lernen in Ausbildung und Schulentwicklung“ Neben den zahlreichen Arbeitskreisen fand am 25. Februar eine öffentliche Podiumsdiskussion zur Thematik „Bildung in Österreich und die UN-Konvention“ statt. 21 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Abb. 6: Podiumsdiskussion alle Fotos: Rainer Grubich Am Podium diskutierten (von links nach rechts): Michaela König a Mag. Marianne Schulze Dr. Anton Dobart Prof. Dr. Ewald Feyerer in Prof.in Dr. Irmtraud Schnell in Dr. Marianne Hirschberg Selbstvertreterin Vorsitzende des österreichischen Monitoringausschusses zur Einhaltung der in der Konvention beschriebenen Menschenrechte Sektionschef im Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Professor an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich Professorin an der Goethe-Universität Frankfurt wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Menschenrechte Bei der Diskussion wurde ein Forderungspapier der „Initiative Inklusion Österreich“ – einer Plattform von LehrerInnen, WissenschafterInnen, ElternvertreterInnen und Betroffenen – vorgestellt. In diesem wird u. a. Folgendes gefordert: Fortführung der gesetzlichen Verankerung des Rechts auf gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Jugendlicher von der 9. bis zur 12. bzw. 13. Schulstufe Flächendeckender Ausbau von Ganztagsschulen, denn jedes Kind muss auch gesetzlichen Anspruch auf Nachmittagsbetreuung haben Anpassung der Curricula aller Lehramtsstudiengänge an die Anforderungen inklusiver Bildung Weiterentwicklung der Sonderschulen in allgemeine, inklusive Schulen und somit die Abschaffung der Sonderschulen Das Forderungspapier wurde an Dr. Anton Dobart mit der Bitte um Weiterleitung an Bundesministerin Dr.in Claudia Schmied übergeben. Sollten Sie Interesse an dem Forderungspapier haben, so bitte wir um Kontaktaufnahme über unten stehende E-Mail-Adresse. Mag. Rainer Grubich Lehrer im Bereich des SSR für Wien, Mitarbeiter der PH-Wien (Bereich Fortbildung) Mitbegründer der Plattform „Initiative Inklusion Österreich“ Kontakt: rainer.grubich@gmx.at 22 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Das Modell der „Wiener Mittelschule“ und die Integration von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf – Erfahrungen einer Integrationslehrerin Seit Beginn des Schuljahres 2009/2010 arbeite ich als Integrationslehrerin in einer „Wiener Mittelschule“ im 16. Bezirk. Ich unterrichte in einer Integrationsklasse der fünften Schulstufe, die sich aus 21 Schüler/innen, davon fünf Integrationskindern, zusammensetzt. Der Schulversuch „Wiener Mittelschule“ ist seit dem heurigen Schuljahr in meiner Schule angelaufen. Im Folgenden möchte ich einige Besonderheiten des neuen Modells erläutern und aufzeigen, wie Integrationskinder von dieser Schulform profitieren. Die Schule, an der ich tätig bin, ist eine Ganztagsschule mit verschränkter Unterrichtszeit, das bedeutet, dass sich Lernzeit und Freizeit abwechseln. Die Schüler/innen sind von Unterrichtsbeginn bis Unterrichtsende am Nachmittag in der Schule und erhalten dort auch ihr Mittagessen. In der Freizeit werden den Kindern einige Kurse angeboten. Unser Freizeitangebot umfasst Aktivitäten, die entweder in unseren schuleigenen Einrichtungen, wie Freizeiträumen, Computerräumen, Bibliothek, Turnsälen, oder außerhalb der Schule, im Schwimmbad, im Bowlingcenter, in der Sporthalle stattfinden. In meiner Klasse werden Schüler/innen mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf, gemeinsam unterrichtet. Hierbei ist es wichtig, Themen in unterschiedlichen Ausmaßen und Schwierigkeitsgraden vorzubereiten und zu behandeln. Die Lernziele können dabei ebenso variieren. Jeder Lernende soll von seinem derzeitigen Leistungsstand abgeholt werden, sodass er sich im Unterricht auch einbringen kann. Gerade für Integrationsschüler/innen ist es wichtig ein Teil der Klassengemeinschaft zu sein und, wenn möglich, ins Unterrichtsgeschehen miteinbezogen zu werden. Durch das Arbeiten an gleichen Themen, oftmals zwar für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in vereinfachter Form, gelingt dies in meiner Klasse recht gut. Alle Kinder können ihr Wissen einbringen und ebenso erweitern. In den Gegenständen Deutsch, Mathematik und Englisch ist der Unterricht in Kernkurs und Leistungskurs gegliedert. Im Kernkurs werden die Kernelemente der Lerninhalte des Lehrplans unterrichtet. Die Teilnahme an diesem Kurs ist für alle Schüler der Klasse verpflichtend. Dies gilt ebenso für den Leistungskurs, wobei sich dieser in Trainingskurse und Erweiterungskurse gliedert. Trainingskurse dienen dazu, den bereits gelernten Kernstoff zu trainieren und zu festigen. Erweiterungskurse sollen den Schülern Wissen, das über den Unterrichtsstoff des Kernkurses hinausgeht, vermitteln. 23 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Welchen Kurs welche/r Schüler/in zu besuchen hat, wird vom unterrichtenden Fachlehrer/innenteam bestimmt. Dieses Team beobachtet die Leistungen des einzelnen Kindes und entscheidet, ob es mehr Lerninhalte verstärkt wiederholen sollte oder, ob es bereits in der Lage ist, sein Wissen zu erweitern. Integrationsschüler/innen beispielsweise müssen nicht immer Trainingskurse besuchen, denn wenn sie zeigen, dass sie einen Abschnitt des Kernstoffes bereits beherrschen, so können sie in den Erweiterungskurs wechseln. Die Kinder werden durch diese Kurse in Kleingruppen von dort abgeholt, wo sie gerade stehen und bestmöglich gefördert. Einmal wöchentlich ist die so genannte „Lerncoaching-Stunde“ im Stundenplan verankert. In dieser Stunde bekommen die Schüler/innen die Gelegenheit, sich selbst und ihr Lernen zu organisieren und passende Lerntechniken zu erlernen. Sie sollen sich auf die Arbeitswoche vorbereiten und bei schulischen Problemen einen Lerncoach zu Rate ziehen. Es ist mir ein Anliegen den Schüler/innen eigenverantwortliches Arbeiten und Handeln näher zu bringen. Folgende Themen werden zum Beispiel in dieser Stunde durchgenommen: Verhalten während des Unterrichts Gestaltung des Arbeitsplatzes Vorbereitung auf den Schultag Kalenderarbeit Zusammenarbeit mit dem Lernhelfer, … Integrationskinder profitieren von dieser Stunde ebenso wie ihre Mitschüler/innen. Sie sollen erkennen, dass sie selbst für ihr Lernen mitverantwortlich sind und durch kleinere Änderungen ihres Verhaltens oder ihrer Lernumgebung beispielsweise eine Verbesserung beim Lernen bewirken können. In meiner Klasse unterrichten Lehrer/innen aus unterschiedlichen Schularten. Zum einen werden fachgeprüfte Lehrer/innen aus dem Hauptschulbereich eingesetzt, um den Schüler/innen bestmöglich Wissen zu vermitteln. Zum anderen unterrichtet ein Pädagoge aus der Allgemeinbildenden höheren Schule die Kinder, um ihr Wissen über den Kernstoff hinaus zu erweitern. Weiters begleitet ein Volksschullehrer als Nahtstellenpädagoge den Unterricht, um den Schüler/innen den Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe 1 zu erleichtern. Ich bin als Sonderpädagogin in meiner Klasse tätig und betreue besonders die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Das Team, mit dem ich zusammenarbeite, setzt sich aus relativ wenigen Lehrer/innen zusammen. Dies macht es den Schüler/innen einfacher, sich auf die Lehrer und deren Unterricht einzustellen. Damit all dies gelingt, kommt es vor allem auf gute Unterrichtsvorbereitung an. Mein Lehrer/innenteam und ich besprechen unsere Lehrvorhaben in einer einmal pro Woche stattfindenden Teamsitzung, die im Stundenplan verankert ist. Planung von Unterricht und Erziehung ist meiner Meinung nach besonders in einer Integrationsklasse von Bedeutung. Da Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf bestmöglich in den Unterricht integriert werden sollen, müssen meine Kolleginnen/Kollegen und ich im ständigen Austausch über die Gestaltung des Unterrichts sein. Abschließend möchte ich noch anmerken, dass meiner Meinung nach dieser Schulversuch den Vorteil hat, dass Integrationskinder durch die genannten Neuerungen bestmöglich gefördert werden können. Autorin: Dipl. Päd. Barbara Haider WMS Roterdstraße 1 1160 Wien 24 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Integration und die WienerMittelSchule: Mehr als nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ Dieser Beitrag befasst sich mit den positiven Wechselwirkungen von Sonderschulintegration und dem Konzept der WienerMittelSchule, kurz WMS. Neben der Darstellung persönlicher Lehrerfahrungen werden auch derzeit offene Punkte und Desiderate andiskutiert. Den ersten direkten Kontakt mit der „WienerMittelSchule“ hatte ich vor ungefähr einem Jahr, als im Frühjahr 2009 bei einer Konferenz an unserem Schulstandort für den neuen Schulversuch abgestimmt wurde. Das Thema WMS und die Möglichkeiten zur Umsetzung waren im weiteren Verlauf des Schuljahres allgegenwärtig. So wurden zu schulinternen Fortbildungen KollegInnen aus anderen Schulen eingeladen, um Modelle zur alternativen Leistungsbeurteilung in der Sekundarstufe zu präsentieren, die sie ausgearbeitet hatten und im Schulalltag praktizierten. Andere wiederum konnten Erkenntnisse vorstellen, die sie bei ihrer Arbeit mit Kurssystemen, wie diese ebenfalls in der WMS verankert werden sollen, gewonnen hatten. Als Sonderschullehrer an einem (damals noch) KMS6-Standort wurde mir rasch bewusst, welch wichtigen Schritt die WMS für die Sonderschulintegration7 darstellt. Denn wie von Anfang an ersichtlich war, beziehen sich viele Neuerungen, die die WMS mit sich bringt, direkt auf die Konzepte der Sonderpädagogik sowie auf die Grundsätze der Sonderschulintegration, beziehungsweise nutzen sie die dort seit mehreren Jahren praktizierten Ansätze. Aus dieser Perspektive lässt sich die Sonderpädagogik als der Bereich betrachten, in dem in den vergangenen Jahren wesentliche Pionierarbeit geleistet wurde, die sich nun im größeren Kontext – nämlich dem der Didaktik in der WMS – durchsetzt. So sind beispielsweise im Schulversuch Grundgedanken wie „Förderung statt Selektion“ und „Individualisierung und Differenzierung“8 sowie ein Ausbau pädagogischer Hilfs- und Stützsysteme zur Förderung der Integration innerhalb der WMS für alle beteiligten LehrerInnen verbindlich.9 Dass alle SchülerInnen das richtige Maß an Förderung benötigen, um einen von ihnen selbst gesteuerten Lernweg einzuschlagen, ist dabei für mich eine dringend gewordene Zusage und ein Bekenntnis zur bestmöglichen Förderung der/des Einzelnen. Wie von Ewald Feyerer in einem 2009 erschienenen Beitrag beschrieben, wird hier dem Grundgedanken der WMS aus Sicht der Sonderpädagogik schon vorgegriffen: Im Konzept der Inklusion ist nicht mehr die Integration der Minorität in die Majorität das Ziel, sondern eine Schule für alle. In einer Pädagogik der Vielfalt werden Kinder als individuell verschieden und als prinzipiell zuwendungs- und förderbedürftig gesehen. Feyerer 2009: S. 24110 6 KMS – Kooperative Mittelschule Ich verwende in diesem Beitrag die Bezeichnung „Sonderschulintegration“, da zurzeit mit dem Terminus „Integration“ eher der Bereich der professionellen Eingliederung von Kindern bezeichnet wird, die mit einer anderen Erstsprache als Deutsch in die Schulen kommen. 8 Dies zählt zu den Hauptsäulen der sonderpädagogischen Förderung. Individualisierung hat als Grundlage das Wissen darüber, dass jede/r SchülerIn und das Lernen an sich eine persönliche Eigenaktivität besitzt. Für den Unterricht bedeutet Individualisierung somit methodische (Bildkarten, Teilschritte…), personelle, strukturelle (Tages, Wochen- und Monatspläne, transparente Gestaltung des Lerninhaltes) und materielle Hilfestellung (Lernkarteien, EDV…). Differenzierung findet SchülerInnenzentriert statt, d. h., dass beispielsweise bei der Planung des Unterrichts unterschiedliche Lerntypen in der Methodenauswahl berücksichtigt werden oder dass eine individuelle Herausarbeitung von Lernzielen erfolgt. 9 Vgl. auch den aktuellen Flyer des Stadtschulrats für Wien zum Thema: http://www.stadtschulrat.at/files/content_mittelschuledl_1/WienerMittelschule.pdf 10 Feyerer, Ewald: Ist Integration „normal“ geworden? In: Erziehung und Unterricht. Österreichische Pädagogische Zeitschrift, 3– 4/2009 (159), S.241–254. 7 25 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Genau dieser Zugang ist es, in dem nach meiner Auffassung das einzigartige Potenzial des Schulversuchs WienerMittelSchule liegt. Dadurch bietet die WMS nämlich nicht nur IntegrationsschülerInnen mehr Chancen, sondern zugleich allen SchülerInnen. Damit eng verknüpft ist die Ausrichtung (Spezialisierungen) des Lehrberufes. auf neue berufliche Anforderungen Ein Beispiel aus dem neuen Schulalltag Gestern war im Kursunterricht gute Stimmung. Zwei SchülerInnen waren zu Beginn zwar etwas verblüfft, als ich die erste Gruppeneinteilung für die erste Kursstunde der Klasse getroffen habe: Michael11, ein Integrationskind mit Sonderpädagogischen Förderbedarf12 und Lehrplanabstufung in Mathematik und Deutsch, und Tamara, die Schülerin mit den besten Noten, sollten gemeinsam in einer Mathematikkursstunde arbeiten. Eigentlich ist dies kein wirklich neuer Ansatz, denn es entspricht seit langem dem Alltag der Hauptschulintegration, dass Integrationskinder und Kinder ohne SPF generell gemeinsam und nur bei Bedarf in Einführungssequenzen getrennt oder einzeln beschult werden. Meine Wahl nun war für die Kinder in der 1. Klasse (Sekundarstufe I) etwas Ungewohntes. Das Kurssystem der WienerMittelSchule ist mittels Kleingruppen organisiert, in denen die SchülerInnen individuell betreut werden können13 und dennoch alle Themen nacheinander durchlaufen. Thema dieses Kurses (Basiskurs14) war „der Kreis“. Während mein Mathematikkollege an der Tafel die Grundbegriffe der Geometrie erörterte und die Nahtstellenlehrerin als Einstieg den Wissensstand der SchülerInnen (Kreis, Geometrie, verschiedene Werkzeuge, z. B. Geodreiecke, Zirkel usw.) ermittelte, konnte ich die für den nächsten Schritt eingeplanten Werkzeuge für die anwesenden sechs SchülerInnen vorbereiten, um den praktischen Umgang mit ihnen einüben zu können. Eine Kursgruppe in den so genannten Trägerfächern Deutsch, Mathematik und Englisch besteht aus sechs bis acht SchülerInnen. Diese Gruppen wechseln wöchentlich nach Themenschwerpunkten, in diesem Fall „Geometrie – der Kreis“, „Multiplikation – Zahlenbereiche“ und „Addition und Subtraktion – Zahlenbereiche“. Alle drei Kurse sind Basiskurse, die alle SchülerInnen absolvieren sollen, bevor sie in speziellen Erweiterungskursen vertiefend mit Themenwissen konfrontiert werden. Das bedeutet für die Integration und die Kursgruppenorganisation, die 11 Namen vom Autor geändert. Im Folgenden mit SPF abgekürzt. 13 Praktische Anwendung des Prinzips von Individualisierung und Differenzierung. 14 Die WMS-Kurse sind durch Basis- und Erweiterungskurse organisiert, wobei jede/r SchülerIn sowohl Basis- als auch Erweiterungskurs durchläuft. 12 26 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 jeder/jedem SchülerIn die Teilnahme an speziellen Kursen ermöglicht, eine Durchmischung, die positive Effekte auf das Lernen des Einzelnen hat. Die einzelnen Lerntypen und Lerntechniken werden durch die beratende Tätigkeit eines Lerncoaches15 unterstützt, und es wird versucht, den Unterricht entsprechend zu gestalten, damit die individuellen Gegebenheiten berücksichtigt werden können. Um dies zu erreichen, ist eine konsequente Planungsschiene aller Beteiligten erforderlich. Wie schaut nun eine Teamzusammensetzung innerhalb der WMS aus? Teamzusammensetzung Aufgrund der individuelleren Anforderungen (z. B. lernförderliches Klima, individuelles Fördern, klare Leistungserwartungen und Rückmeldungen16) innerhalb des Schulversuches war es notwendig, ein „SpezialistInnen-Team”17 zu installieren, das sich einzelner Bereiche im Schulversuch professionell widmet und das verschiedenen Aufgabenbereichen zugeordnet werden kann18. Eine erste Neuerung im WMS-Team ist der Bereich Nahtstelle 10Plus. Dieser Bereich widmet sich dem oftmals schwierigen Umstieg von der Primarstufe in die Sekundarstufe I. Mithilfe engerer Kooperationen der einzelnen Schulen (also VS und WMS) soll dies erreicht werden. Geleitet wird dieser Prozess sowohl für Eltern als auch für SchülerInnen durch sog. NahtstellenpädagogInnen aus der Primarstufe und der Sekundarstufe I. Diese arbeiten in einem „Feedbackprozess“ zusammen, um eine stetige Verbesserung des Überganges zu ermöglichen. Der Nahtstellenpädagoge/die NahtstellenpädagogIn bringt wesentliche didaktische Kenntnisse aus der Primarstufe in die Sekundarstufe I ein und stützt gleichermaßen die Individualisierungs- und Differenzierungsanforderungen der WMS. Die Vorteile dieser Teamzusammensetzung liegen auf der Hand: Eltern und SchülerInnen werden individuell auf den Umstieg vorbereitet und bei jedem Schritt bestmöglich betreut, und der Austausch mit den zuständigen LehrerInnen findet auf Augenhöhe statt, da alle Beteiligten von einem gemeinsamen Wissensstand profitieren. Weitere Spezialistinnen/Spezialisten, die bereits im Zuge der Umstrukturierung auf die WMS etabliert wurden, sind der oben bereits erwähnte Lerncoach sowie ein/eine SchulpsychologIn. An einzelnen Standorten werden zudem auch Jugend- und SozialarbeiterInnen eingesetzt, um eine persönliche Rund-um-Betreuung anbieten zu können. 15 Der Lerncoach in der WMS hat eine eigene spezielle Ausbildung der PH, fungiert selbst aber nicht als Lehrer. Er kann beispielsweise Lerntypentests durchführen, kümmert sich um die Vermittlung von Lernkonzepten in speziellen Einheiten im Ausmaß einer Wochenstunde und ist auch der Ansprechpartner für Themen rund um das soziale Lernen. 16 Lernförderliches Klima: Bezeichnet eine Unterrichtsatmosphäre mit humaner Qualität der Beziehungen. (z. B.: gegenseitiger Respekt, verlässlich eingehaltene Regeln, keine Diskriminierung, Platz für Humor und Begeisterung …) Individuelles Fördern: Jede/r SchülerIn soll eine Chance erhalten, Potenziale optimal entwickeln zu können. Klare Leistungserwartungen und Rückmeldungen: Je transparenter und klarer eine Leistungserwartung (Lernziele) angeboten wird, desto besser kann sich der/die SchülerIn orientieren. Vgl. im Einzelnen dazu Meyer, Hilbert: Was ist guter Unterricht? Zehn empirisch abgesicherte Kriterien. Berlin 2004. 17 Das Fachlehrerprinzip an weiterführenden Schulen hat zur Folge, dass LehrerInnen in vielen Klassen unterrichten müssen, sodass sie die einzelnen SchülerInnen kaum noch kennen. Dies hat Auswirkungen auf LehrerInnen und SchülerInnen. LehrerInnen haben „ein geringeres Gefühl ihrer eigenen Wirksamkeit, können sich nur begrenzt an den Vorkenntnissen der SchülerInnen orientieren. Dies vermittelt den SchülerInnen den Eindruck, dass sich LehrerInnen um ihre Person, ihr Können und ihre Bedürfnisse nicht angemessen kümmern.“ Siehe Wellenreuther, Martin: Lehren und Lernen – aber wie? Empirischexperimentelle Forschung zum Lehren und Lernen im Unterricht. Hochgehren 2004, S. 256. 18 Vgl. Corazza, Rupert: „Die WienerMittelSchule – im Kontext zwischen Perspektiven und Historie“. In: Erziehung und Unterricht. Österreichische Pädagogische Zeitschrift, Nr. 7–8, 2009 (159), S.774–786. 27 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Ein positiver Effekt dieser neuen Teamzusammensetzung ist, dass fast alle Stunden assistiert geführt werden können, was dem Konzept des Team Teaching entspricht. Gerade hinsichtlich der Förderplanung sind so gezieltere Beobachtungen möglich. Gute sechs Monate Integration und WMS: Die Anfänge sind gemacht! Eine erste Zwischenbilanz nach dem ersten Schulhalbjahr in einer WMS fällt demnach also sehr positiv aus: Das Team, das sehr kurzfristig zusammengestellt wurde, konnte trotz der kurzen praktischen Vorlaufzeit zahlreiche Erfolge erzielen, der Unterricht mit dem Kurssystem entwickelt sich gut und hat förderliche Effekte auf Lehrende und Lernende gleichermaßen. Trotz dieser insgesamt sehr positiven Entwicklungen im Zuge des Schulversuchs WienerMittelSchule werden immer wieder auch kritische Stimmen laut. So ist zum einen der Vorwurf zu hören, die WMS schmücke sich bei der Präsentation ihrer Ansätze mit fremden Federn, da sie sich bewährte Konzepte z. B. aus dem Bereich der Sonderschulintegration zu eigen mache und als innovativ „vermarkte“. Dies sollte der WMS jedoch nach meiner Auffassung nicht angekreidet, sondern vielmehr als wertvolles Verdienst betrachtet werden. Im gleichen Zusammenhang werden jedoch von KollegInnen Befürchtungen geäußert, die die Errungenschaften der Sonderschulpädagogik in Gefahr sehen: Denn sollte der Schulversuch scheitern (wenngleich nach aktuellem Ermessen kein Anlass besteht, dessen langfristigen Erfolg in Zweifel zu ziehen!), würden damit auch die Konzepte der Sonderschulpädagogik in Misskredit gebracht oder in Abrede gestellt – ein keinesfalls zulässiger Umkehrschluss. Daneben wäre wünschenswert, dass in der Marketingstrategie für die WMS neben der Hervorhebung der gezielten Förderung von „Spitzenleistungen“19 auch die Stärken der Integration von Kindern mit SPF eine prominentere Platzierung finden. Aus eigener Erfahrung wird ersichtlich, dass die deutlichere Hervorhebung der Vorteile für begabte Kinder zu einer Hemmschwelle für Eltern von Kindern mit SPF wird, da sie sich nicht sicher sind, ob ihr Kind an einer WMS entsprechend richtig aufgehoben wäre. Auch für den praktischen Lehrbetrieb ist aus eigener Erfahrung ein Manko zu verzeichnen, denn es zeigt sich nach einem guten halben Jahr Schulversuch WMS, dass es zurzeit an geeigneten Lernräumen mangelt, um die neuen Lehr- und Lernkonzepte so individuell umsetzen zu können, wie es sinnvoll und wünschenswert wäre. Hier bleibt abzuwarten, welche Entwicklungen im Rahmen des Schulversuchs noch auf uns zukommen. In jedem Fall könnten wir hier von Ländern mit Vorreiterstellung, z. B. in Skandinavien, für die WMS viel lernen. Abschließend ist zu sagen, dass der Schulversuch WMS nach meiner subjektiven Einschätzung gut gestartet ist und es jetzt an den Lehrenden und Schulverantwortlichen liegt, die neuen installierten Methoden sukzessive mit den richtigen Inhalten zu füllen und für die Qualitätssicherung zu sorgen. So kann sichergestellt werden, dass die WienerMittelSchule nicht zum bloßen Etikett für eine Schulform wird, sondern als eigenes Gütesiegel die Schullandschaft in Wien, aber auch in den Bundesländern maßgeblich mitbestimmen kann. Autor: Mag. Gerhard Krottenauer, BEd. Integrationslehrer 19 Vgl. wiederum: http://www.stadtschulrat.at/files/content_mittelschuledl_1/WienerMittelschule.pdf. Ein differenzierteres Bild bietet erfreulicherweise die Homepage: http://www.neuemittelschule.at/ 28 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Copy! Paste! Save! The SHAPES Project It is my privilege and joy to be involved in the integration ‘Projekt 1,2,3’ for a second year running. I wrote an article in the May 2009 issue of the ‘Intergration Journal’ about some of the wonderful things that I had experienced in my first year in this project. In this article I would like to concentrate on a project that is at the time of writing still being implemented (i.e. ‘work in progress’) at the KMS 2., Max-Winter-Platz, 1020 Vienna with a group of pupils from a 5th grade integration class, who had registered for a computer module in English. It was and still is my privilege and joy to be involved in this computer module. There are 3 pupils with special needs in the group. The idea behind the project, called ‘The SHAPES Project’, is to combine elements from different subjects and disciplines in the context of English as a working language (that is my role as the Scottish (English) native speaker teacher at the school in the context of the Project 1,2,3) so that all the pupils with their various individual abilities, strengths and weaknesses, can enjoy success and see something concrete as a result of their hard work. Since the project is still ‘work in progress’ I will formulate parts of this article in the present tense. The subjects and disciplines in ‘The SHAPES Project’ are as follows: Maths: First of all ‘The SHAPES Project’ is all about shapes, i.e. eight geometrical shapes or forms: (1) a circle, (2) an ellipse, (3) a square, (4) a rectangle, (5) a triangle, (6) a line, (7) a parallelogram, and (8) a crescent. You might think that this was very difficult for the pupils to learn and recognise geometrical shapes in English but I can assure it was not. In the first lesson the shapes and their English names were introduced. In the next lesson, they were revised and it was amazing to see just how much they could remember. But nothing helps the learning process more than when what has been learnt is put into practice in a meaningful context. And that brings us to the next stage of the project – using computers. Computer Technology: The pupils then went on to draw these shapes in PowerPoint©, in a software application that the majority of them had not used before. So, this meant that they had to be able to master the basic skills needed to produce a PowerPoint© Presentation. Again you might think that this would prove to be too much of a challenge. But the pupils managed, and, I must admit they learned very quickly. Within a few weeks, they had become very creative Power-Point-Professionals (PPP). Even at this early stage the differences in individual creativity became obvious as the pupils experimented with the possibilities that PowerPoint© presented to them. And this is what the first page of some of the presentations looked like: 29 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 <Bild 1> <Bild 2> 30 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 <Bild 3> English: But ‘The SHAPES Project’ is not only about geometrical shapes and the use of PowerPoint© it is also about using English as working language, as a means of instruction. In an international context this type of teaching is called CLIL “Content and Language Integrated Learning”. A quote from the homepage of the European Commission underlines the importance of CLIL “Content and Language Integrated Learning (CLIL) involves teaching a curricular subject through the medium of a language other than that normally used. The subject can be entirely unrelated to language learning, such as history lessons being taught in English in a school in Spain. CLIL is taking place and has been found to be effective in all sectors of education from primary through to adult and higher education. Its success has been growing over the past 10 years and continues to do so.” http://ec.europa.eu/education/languages/language-teaching/doc236_en.htm In ‘The SHAPES Project’ the pupils are given the opportunity to tackle different types of challenges in an inter-disciplinary context. The actual idea behind the project is for the pupils to tell and illustrate a story: i.e. to become storytellers: one of the oldest, most wonderful, and most admirable ‘professions’ in the world, in my humble opinion. The story is all about the SHAPE Family and to be absolutely correct, the story is all about the SHAPE Family dog. The dog is called Shaper. But more about Shaper a little later… 31 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 So the next task was to draw the SHAPE Family. Based on my template, the pupils revised parts of the body and the shapes they would need to draw these parts of the body: “What shape is the head?” “It’s a circle.” “What shape are the eyes?” “The eyes are ellipses with circles in the middle.” “The mouth? “It’s a crescent.” “What about the neck?” “The neck is a square.” “And the body?” “It’s a rectangle.” And so on… <Bild 4> Equipped with this information, the pupils then created their own SHAPE Family: <Bild 5> <Bild 6> <Bild 7> Are they not wonderful? I think they are so fantastic. 32 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 In my PowerPoint© Presentation template there are eight slides. So far, we have looked at three of them. In slides four and five, the pupils concentrated on or are still concentrating on ‘parts of the body’ and ‘parts of a house’ (as I mentioned at the beginning of the article this is ‘work in progress’ because ‘The SHAPES Project’ is still being implemented). <Bild 8> <Bild 9> 33 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 The real story of Shaper the SHAPE Family’s dog starts with slide six: <Bild 10> Slide seven: <Bild 11> 34 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Slide eight: <Bild 12> And this is when the whole situation becomes really interesting. “What WILL Shaper (really) do now?” I do not know. It is now up to the the Max-Winter-Platz storytellers who are equipped with the necessary shapes, the necessary skills in PowerPoint© and if necessary with the help of myself as a native speaker teacher to help them formulate in English what they want to write. They now have to finish the story and add their own individual ending. At the point of writing this article I have no idea what they will write and what they will draw. But one thing is certain, whatever they write will be what they draw and whatever they draw will be what they write. Is that not a wonderful feeling for a teacher to admit: ‘I have helped my pupils to attain certain skills but I really do not know what they will make of them? It is now their responsibility.’ Somebody once said, a teacher can have two roles: ‘A Sage on the Stage’ or ‘A Guide on the Side’. What would you like to be? I know what I want to be. By the way, if you are interested in the final fate of Shaper the dog visit the Max-Winter-Platz homepage www.kms2-mwp.com where towards the end of the term you will be able to see the final presentations. PS Finally, I would like to take this opportunity to sincerely thank the head teacher of Max-Winter-Platz, Ms Doris Astleitner and the whole team at the school, and in particular the two teachers who were and are with me in the computer module: Ms Katja Neuhold and Ms Elfriede Schmiedhuber for all their help and support. Stuart Simpson Stadtschulrat für Wien, Europa Büro Next side: Our Photogallery 35 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 36 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Lernvielfalt in unserer integrativen Mehrstufenklasse "Das ist der wahre Umgang mit Menschen: eifrig, lebenswissbegierig von jedem lernen, was er weiß und kann." Autor: Leopold Schefer Die integrative Mehrstufenklasse – Lerngruppe Cilli – an der Wiener Volksschule Phorusgasse 4, in 1040 Wien besteht bereits seit 10 Jahren. Kinder im Alter von 5-11 Jahren mit den Lehrplänen für VS, ASO und SSO, haben hier ihren Platz gefunden. Allein durch diese Heterogenität in der Gruppenstruktur ergibt sich eine große Vielfalt im Lernen und Tun dieser Klasse. Rahmenbedingungen: Da dieser Standort als „Offene Schule“ geführt wird, gibt es nach dem Unterricht sowohl eine Essens- als auch Nachmittagsbetreuung. Für den Unterricht stehen uns zwei Klassenräume, aufgeteilt in unterschiedliche Lernbereiche, zur Verfügung. In unserer Klasse unterrichtet ein dreiköpfiges Team: Klassen-, Sonderschul- und Teamlehrerin. Die Klasse besteht aus 20 Kindern, davon 4 Kinder in der 1. Schulstufe, 5 Kinder der 2. Schulstufe, 4 Kinder der 3. Schulstufe und 3 Kinder der 4. Schulstufe. Außerdem gibt es 3 Kinder mit ASO-LP und 1 Kind mit SSO-LP. Die Bedeutung von Lernvielfalt: Schon von der Herkunft her hat das Wort „lernen“ etwas mit Spuren hinterlassen, nachspüren zu tun. Lernen soll im Gedächtnis also Spuren hinterlassen und ebenso in der Umwelt. Lernen geschieht aktiv und passiv. Die Bedeutung des Wortes „Vielfalt“ meint die Fülle verschiedener Ausprägungen eines Konzepts. Als Synonym dafür wird auch Verschiedenartigkeit genannt. ich lerne etwas über mich ich lerne von anderen begeistert sein soziales Lernen Interesse wecken Lernen bedeutet für uns wir lernen miteinander Motivation und Anerkennung erhalten und geben Selbständigkeit fördern Lerntypendifferenzierung verschiedene Methoden und unterschiedliche Systeme einsetzen 37 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Lernvielfalt in LFD und KDL: Unsere Beurteilungsform ist ein Zusammenschluss aus Lernfortschrittsdokumentation und Kommentierter direkter Leistungsvorlage (4. Klasse Noten). Für jede/n Schüler/in wird eine individuell zusammengestellte Mappe vorbereitet, die vom Kind, mit Lehrerbegleitung, durch das gesamte Schuljahr hindurch geführt und ausgefüllt wird. Sind die Mappen vom Lehrstoff und manchen Inhalten her noch so unterschiedlich, haben sie dennoch folgende gemeinsame Punkte: Inhalte der LFD: - sich selbst beobachten Welche Leistungen habe ich erbracht? sich selbst einschätzen eigene Fähigkeiten und Talente erkennen Lernfortschritte und Weiterentwicklung sehen Übungsbedarf erkennen daraus sich ergebende Lernschritte entwickeln Beispiel aus einer LFD – Mappe Ich lerne etwas über mich: Aufgrund der Vielfalt der Auseinandersetzung mit mir selbst, lerne ich mich besser kennen und entwickle mich weiter. Der nächste Schritt, der daraus folgt, ist die Präsentation meiner Leistungen und Einschätzungen. Ich präsentiere die Ergebnisse meinen Eltern KDL. Durch Lernmaterial, individuell erstellte Arbeitsblätter und von mir ausgewählte Heftseiten zeige ich meine persönliche Weiterentwicklung. Dies ist eine Möglichkeit mich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Wichtigkeit der Reflexion über mich und mein Tun ist ein wesentlicher Aspekt zum Thema Lernen und hat ebenso Einfluss auf alle anderen Bereiche innerhalb der Klasse. Lernvielfalt im Unterrichtsalltag: Durch verschiedene Unterrichtsangebote ergeben sich Einzel-, Partner- und Gruppenarbeiten. Die Grundannahme des Lernens basiert auf folgenden Aspekten: jeder Mensch ist lernfähig jeder lernt auf seine eigene Art und Weise (verschiedene Lerntypen) und im eigenen Rhythmus grundsätzlich greift jeder auf bereits gemachte Erfahrungen zurück und verbindet diese mit neuen Lerninhalten Lernen mit anderen bietet Anregung und Motivation eine strukturierte und anregende Lernumgebung erleichtert das Lernen Basierend auf den obigen Punkten, bieten wir den SchülerInnen unterschiedliche Möglichkeiten und Angebote, um sich Lerninhalte anzueignen, diese zu vertiefen und zu üben. 38 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Eigenständiges Erarbeiten, Üben und Wiederholen von Lerninhalten: Beispiel Einzelarbeit: - Ich arbeite selbständig und konzentriert. - Ich arbeite in meinem Tempo und auf meine Art und Weise. - Ich übe und wiederhole unterschiedliche Lerninhalte, indem ich auf Lernerfahrungen zurückgreife. - Es werden neue Verknüpfungen gebildet und ich erhalte neue Erkenntnisse. Ich übe mit dem Verbenbaum. Beispiel Partnerarbeit: - Wir arbeiten an einem gemeinsamen Thema. - Ich stelle mich auf meinen Lernpartner ein (Tempo, Bedürfnisse) - Ich tausche mich mit meinem Partner aus – so erwerben wir wechselseitig Kenntnisse und Fertigkeiten. - Wir sind ebenbürtig und tragen gemeinsam Verantwortung. - Im kleinen Rahmen der Gruppe legen zurückhaltende Schüler eher ihre Scheu ab. Wir arbeiten an den Malreihen 39 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Beispiel Partnerprinzip: - Jedem neuen Kind wird ein erfahrenes Partnerkind für mindestens ein Jahr zur Seite gestellt. - Anleitung, Hilfestellung und Unterstützung untereinander verstärken das Verständnis, die Akzeptanz und die Sensibilität innerhalb der Gruppe. - Das Miteinander fördert den Zusammenhalt und Freundschaften in der Klasse. Ich arbeite mit meinem Partnerkind an den Buchstaben Beispiel Gruppenarbeit: - Die Teamfähigkeit wird geschult und gestärkt. - Soziale Kontakte werden geknüpft und gefestigt. - Schüler sind in hohem Maße selbstaktiv und bringen sich ihren Fähigkeiten entsprechend in die Aufgabenerarbeitung ein. - Das gemeinsame Treffen von Entscheidungen und die Übernahme von Verantwortung innerhalb der Gruppe stärkt soziale Kompetenzen. Wir arbeiten gemeinsam an einem Thema. Innerhalb der Klasse kann jedes Kind, unabhängig von Lernstufe oder Lehrplan alle Positionen einnehmen (Partnerkind, Gruppenleitung,…). Diese so genannten „Experten“ bringen sich mit ihren Talenten, Fähigkeiten und Stärken ein. Damit wird klar, dass jedes Kind von jedem lernen kann und darf und keine Unterschiede zwischen Lehrplänen und Schulstufen gemacht werden. 40 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Erarbeiten, vertiefen und wiederholen von Lerninhalten mit Lehrerbeteiligung: Beispiel Einzelarbeit: - Die Lehrperson fungiert als Begleitung und unterstützt und motiviert das Kind in seinem Handeln und Tun. - Sie greift intrinsische Motivation (Impulse) des Kindes auf und begleitet es dabei. - Das Kind steht mit seinem Tun im Vordergrund und es gilt jeden Lernfortschritt anzuerkennen. - Die Lehrerin erkennt dabei, welche weiteren Unterstützungsmaßnahmen das Kind braucht, um sich weiter entwickeln zu können. Spindelkasten – Mengenarbeit Beispiel Kleingruppenarbeit: - Die Lehrperson kann sich individueller den einzelnen Kindern widmen – der Lehrstoff kann anders vermittelt werden. - Auf Fragen kann rasch eingegangen werden. - Die Lehrerin erkennt bald, welche weiteren Unterstützungsmaßnahmen das einzelne Kind braucht, um sich weiterentwickeln zu können. - Durch mehrere Gruppenmitglieder kommt es zu einem regen Austausch und einer Sammlung von Informationen. Wir erarbeiten Ein- und Mehrzahl von Namenwörtern mit Umlauten Beispiel Klassenarbeit: - Durch das gemeinsame Zusammensammeln ergibt sich eine größere Auswahl an Infoquellen und es entsteht ein abgerundetes Gesamtbild. Der Lehrer ist dabei und wirkt steuernd und leitend. Hier kommt es zu einem verstärkten Fokus auf den Umgang miteinander in der Großgruppe Gesprächsregeln, Sozialverhalten Jede/r kann sich individuell einbringen – wir lernen voneinander und miteinander. 41 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Aus den obigen Faktoren ergibt sich die Präsentation: Wir präsentieren unser Japan-Projekt Ein wichtiger Teil der Arbeit ist die Präsentation der Ergebnisse. Individuelle Lernerfolge finden durch Präsentationen Ausdruck und das Anfertigen dient auch der Selbstvergewisserung. Nach Erarbeiten bestimmter Themen, werden in Präsentationsrunden Texte vorgelesen, Bilder und Werkstücke gezeigt, Referate gehalten, Ergebnisse von Recherchen zu einem Sachthema mitgeteilt und vieles mehr. Die Kinder, die ja oft sehr individuell arbeiten, gliedern so ihre Arbeit in die Gemeinschaft ein und bekommen auch die Anerkennung der Anderen. Dies alles lernen die Kinder ab der 1.Lernstufe, vor allem auch im Tun miteinander und voneinander. Nicht nur im Klassenverband selbst können die Kinder ihre Leistungen präsentieren, sondern auch in einem größeren Rahmen, wie zum Beispiel in Ausstellungen, Projekten, Theaterstücken und vieles mehr. Dadurch erhalten sie Anerkennung und Motivation von außen. 42 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Kommentare der Kinder zum Thema Lernen in der Mehrstufenklasse: „Zusammen lernen macht Spaß!“ (3.Kl.) „Ich finde es toll mit den Älteren zu arbeiten – ich lerne immer so viel von denen!“ (2.Kl.) „Früher habe ich ein Partnerkind gehabt und jetzt kann ich den jüngeren Kindern zeigen wie es geht!“ (4.Kl.) „Es ist toll, dass wir uns die Arbeit auch aussuchen können.“ (4.Kl.) „Ich finde es toll, dass ich mir die Arbeit selber einteilen darf. Wird es mir einmal zu viel, höre ich einfach auf.“ (3.Kl.) „Das tolle am Partnerkind ist, dass es so gut erklären kann.“ (1.Kl.) „Die Partnerkinder helfen auch immer.“ (1.Kl.) „Bei den Flaggen habe ich mehr gewusst als mein Partnerkind. Da habe ich alles erklären können.“ (1.Kl.) „Gut, dass ich nicht immer auf die anderen warten muss beim Arbeiten.“ (2.Kl.) „Es macht Spaß, weil wir gemeinsam an Projekten arbeiten können.“ (alle) „Gerade weil wir so unterschiedlich sind, können wir voneinander so viel lernen.“ Andrea Forster – Teamlehrerin Katharina Traxler – Klassenlehrerin Christine Drexler - Sonderschullehrerin Quellennachweis: Lernen: http//de.wikipedia.org/w/index.php?title=Lernen&printable=yes Vielfalt: http://de.wiktionary.org/wiki/Vielfalt 43 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 „Wo Sprache fehlt, können/sollen Bilder sprechen!“ Das Projekt: „Mal-& Kunstwerkstatt in Förderklassen“ 2007 gab es die ersten Ideen zur Mal-& Kunstwerkstatt. Auch den vielfach benachteiligten Kindern in Förderklassen sollte ermöglicht werden, ihr eigenes kreatives Potential unter kompetenter künstlerisch-pädagogischer Anleitung entdecken zu können. Wohl aufgrund unserer Unsicherheit, ob denn die Kinder „mit besonderen Bedürfnissen“ auch interessiert und annehmend auf die Begegnung mit „Kunst und Kunsttechniken“ reagieren würden, dauerte es bis zum Herbst 2008, bis die Idee in die Tat umgesetzt wurde. Die Mal-& Kunstwerkstatt startete mit einer selbst produzierten Schülerzeitung als Erlebnisbericht über eine Schullandwoche. Texte, Zeichnungen und Produktion wurden von den Schülern der Förderklasse mit Hilfe der „Künstlerin“ Andrea Pernegr und mir als unterstützendem Klassenlehrer gestaltet. Das erste Produkt gelang uns gut und „wir als Gruppe“ hatten damit die erste Hürde geschafft. In der Auseinandersetzung mit den neuen Materialien und teilweise sehr aufwändigen und Geduld abverlangenden Techniken waren die Kinder wie von uns befürchtet, anfangs sehr unsicher und gaben bei der geringsten Anstrengung auf. Es gelang uns aber mit viel Aufwand in der Beziehung zu den Kindern, diese zu unterstützen. Mit jedem Gelingen fassten die Kinder mehr Mut, und ihr Selbstbewusstsein in der Konfrontation mit Neuem begann zu steigen. Als Folge entwickelte sich eine höhere Frustrationstoleranz und Flexibilität in verunsichernden Situationen. Nach einem Jahr mit regelmäßigen Kunststunden war der Zugang der Kinder zu neuen Techniken bereits unvergleichlich selbstbewusster, und es begann jeder seinen eigenen Stil zu entdecken. Die Kinder entwickelten ihr künstlerisches Potential und in weiterer Folge stärkte sich auch ihr persönliches Selbstbewusstsein! Im Sinne von sich selbst gewahr sein, sich mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen. Mit großer Freude sahen wir auch immer wieder, wie die Kinder in der Gruppe sich selber Platz nahmen, aber auch den anderen einen solchen zugestanden. In den Arbeitsphasen der Kunststunden war die Atmosphäre zwischen den Kindern großteils sehr konfliktarm und angstfrei. In der Phase der Nachbesprechung präsentierten manche Kinder gern ihre entstandenen Werke, während andere keine Zeit mehr hatten oder sie am liebsten gleich in ihr privates Fach wegschließen wollten. Das Kunsttagebuch, das jedes Kind „privat“ führt und verwaltet, ist dabei ein individuelles Sammelgefäß geworden. Es birgt den persönlicher Bildschatz – in dem kann erinnert, gesichtet, besprochen und reflektiert werden. Das Kunsttagebuch wird somit zum eigenständigen Dokument der persönlichen Entwicklung der Kinder und der entstandenen Kommunikation mit sich und der Welt. Entdeckungsreise in ihre eigene Welt. Die Kinder probieren sich aus. Sie werden neugierig. 44 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Seit Herbst 2009 findet die Mal-& Kunstwerkstatt bereits in zwei Förderklassen statt. In einer Förderklasse mit Kindern im Alter von 6 bis 9 Jahren, und in einer Förderklasse mit Jugendlichen im Alter von 13 bis 14 Jahren. In der Arbeit mit den Jugendlichen ist eine ähnliche Entwicklung zu bemerken, wie sie bei den „Kleinen“ schon zu sehen war. Alle sind wir neugierig, ob der Prozess ähnlich intensiv wird wie bei den Volksschulkindern. Doch was ist Kunst ohne Publikum? Was sind Bilder, die keiner ansieht? Was ist mit Künstlern ohne Aufmerksamkeit? Aus diesen Fragen heraus formte sich die verwegene Idee für eine Ausstellung, mit der Präsentation der Werke der Kinder, als konsequente Fortführung der Idee, mit Hilfe der Kunst die Kinder mit sich selbst und der Welt in Kontakt zu bringen. Eine Ausstellung als Form der Kommunikation, als Plattform des Ausdruckes und der Wertschätzung der jungen Künstler. Dabei ergaben sich wieder neue Fragestellungen für uns und die Kinder: sind sie als „Künstler“ und Urheber überhaupt damit einverstanden, ihre Werke einer Öffentlichkeit zu zeigen, diese eventuell gegen eine Spende herzugeben, usw. Es war sehr spannend, die Kinder mit diesen Fragen zu befassen und ihre Einstellungen und Meinungen dazu mit ihnen zu diskutieren. Es kam schließlich im Jänner 2010 zur Vernissage der produzierten Werke im SPZ Hadersdorf unter Beisein einiger der jungen Künstler. Die Freude der Kinder und Jugendlichen an den gestalterischen Prozessen und das Vertrauenkönnen auf „gute Lösungen“ prägten die Atmosphäre ebenso wie der Dialog, in dem sich die zahlreichen Anwesenden befanden: sie redeten über die Kunstwerke. Das Projekt „Mal-& Kunstwerkstatt in Förderklassen“, mit einer kleinen Zeitung über eine Schullandwoche gestartet, ist deutlich gewachsen, hat sich verzweigt, treibt Blüten und ist ein „Gesamtprojekt“ geworden, von der Konfrontation mit Techniken über die Produktion von „Kunst“ bis hin zur selbstbewussten Präsentation von Objekten und den Künstlern. Text und Fotos: Mag. Karl Staudinger Weitere Fotos zur Vernissage der Ausstellung: http://www.schulen.wien.at/schulen/914033/datei%20spz/vernissage.html Sie machen eigene „Erfindungen“, experimentieren - und übersetzen oftmals die neu erworbenen „Bildwortschätze“ in Sprache. Arbeit mit der “heißen Platte“ 45 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Sozialarbeit geht in die Schule Die Wiener SchulSozialarbeit stellt sich vor Mag. Thomas Fröhlich (4. & 5. Bezirk) a Mag. Marlies Höllmüller (2. Bezirk) Mag. Stefan Klemenjak (6. & 12. Bezirk) Mit Beginn des Schuljahres 2009/10 wurde seitens des Wiener Stadtschulrats etappenweise die SchulSozialarbeit an diversen Pflichtschulen Wiens „eingeschult“ bzw. eingeführt. Ein Lernprozess hat begonnen – und zwar für alle Beteiligten in der SchulpartnerInnenschaft sowie auch für externe KooperationspartnerInnen, wie die Jugendwohlfahrtsbehörde oder außerschulische Institutionen. Die Wiener Schulsozialarbeit wurde vorerst mit 19 SozialarbeiterInnen vor Ort – hauptsächlich an Kooperativen Mittelschulen – implementiert, um das bisherige Netz von psychosozialer Versorgung und Begleitung mit den spezifischen Methoden der Sozialarbeit zu ergänzen. Oliver Bodmer Zurück in die Zukunft – Renaissance der SchulSozialarbeit Sozialarbeit in Schulen hat in Wien gewissermaßen Tradition, und zwar in Form des Schulverbindungsdienstes der MAG ELF, dem Amt für Jugend und Familie. Über viele Jahre bestand dadurch regelmäßiger Kontakt mit den für die Kinder und Jugendlichen zuständigen SozialarbeiterInnen. Einmal im Monat konnten Informationen ausgetauscht, sowie im persönlichen Gespräch Problemlagen von SchülerInnen (abseits der klassischen Gefährdungsmeldung) besprochen werden. Finanzielle Probleme, sowie die Installierung und Verdichtung von anderen psychosozialen Hilfssystemen (PsychagogInnen, BeratungslehrerInnen, Begleit- und Stütz-LehrerInnen, SchulpsychologInnen etc.) an Pflichtschulen, hat zu einer Einstellung des Schulverbindungsdienstes geführt. Die im Dezember 2008 neu angelobte österreichische Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm für die Bildungsarbeit unter anderem die Aufstockung der SchulpsychologInnen, eine verstärkte Kooperation mit außerschulischen PartnerInnen sowie die Umsetzung von Modellprojekten zum Einsatz von SozialarbeiterInnen und SozialmoderatorInnen in den Schulen beschlossen. Zudem wurde im Jahr 2009 das 20-jährige Bestehen der UN-Kinderrechtskonvention gefeiert – aber alle Kinderrechte sind noch immer nicht ausreichend verwirklicht. Das Recht der Kinder auf Chancengleichheit steht dabei häufig nur auf dem Papier. Im Rahmen des ersten Anti-Gewalt-Gipfels im November 2008 merkte BMin Dr. Claudia Schmied an, dass „die Schule ein Ort sei, der gesellschaftliche Probleme früh aufzeige“. Der verstärkte Einsatz von SchulSozialarbeit ist ein effektives Mittel zum Erwerb und zur Stärkung sozialer Kompetenzen, die auch von Seiten der Wirtschaft als wesentliche Qualifikation von SchulabsolventInnen eingefordert werden. 46 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Soziale Probleme in der Schule nehmen zu Eine österreichweite OnlineUmfrage der Fachhochschule „FH Campus Wien“ unter 940 LehrerInnen aller Schultypen über den Bedarf an SchulSozialarbeit hat ergeben, dass sich das Lehrpersonal von den Erziehungsaufgaben überfordert fühlt. Acht von zehn Befragten wünschen sich diesbezüglich Unterstützung. Achtzig Prozent der LehrerInnen fühlen sich für private Anliegen ihrer SchülerInnen zuständig. Allerdings trauen sich deutlich weniger von ihnen zu, SchülerInnen kompetent bei derlei Problemen zu helfen. Schoenfeld/CCC, www.c5.net Nahezu Dreiviertel der Befragten gaben an, dabei Unterstützung zu benötigen. Erziehung sowie Stärkung sozialer Kompetenzen von SchülerInnen gehört laut Studie für fast alle PädagogInnen zum Schulalltag. Mehrfach werden Auseinandersetzungen mit Verhaltensauffälligkeiten, Probleme durch Scheidung der Eltern, Gewalttätigkeit sowie Mobbing als Hauptpunkte ihrer zusätzlichen Tätigkeiten genannt. Mehr als die Hälfte des Lehrpersonals gibt außerdem an, mit kulturellen Unterschieden, psychischen Erkrankungen und Verwahrlosung von SchülerInnen konfrontiert zu sein. LehrerInnen an Hauptschulen, Kooperativen Mittelschulen (KMS), Polytechnischen- und Sonderschulen haben laut der Fachhochschul-Studie besonders oft mit Problemen wie Gewalttätigkeit, Mobbing, Verwahrlosung oder finanziellen Schwierigkeiten der Kinder bzw. der Familien zu kämpfen. Bei zusätzlichen Tiefeninterviews an zwei Wiener KMS wurde die Situation an Schulen mit hohem MigrantInnenanteil erhoben. Die daraus gewonnenen Daten belegen, dass die LehrerInnen neben den herkömmlichen, vorhandenen Problemen, die geringen Deutschkenntnisse der Eltern als „sehr belastend“ erleben. Laut Studie fühlt sich das pädagogische Personal gezwungen, die Eltern in Erziehungsfragen zu beraten, was aber teils durch mangelnde Motivation und fehlenden Respekt der Eltern gegenüber der Institution Schule, teils durch den Zeitmangel der LehrerInnen erschwert wird. Die Kernfrage der Studie, ob Sozialarbeit an den Schulen gewünscht wird, bejaht ein Großteil der Befragten. Nahezu 100% der LehrerInnen können sich Unterstützung durch SozialarbeiterInnen vorstellen. Dabei halten aber nur 20% dieser BefürworterInnen von SchulSozialarbeit eine Betreuung im Bedarfsfall für ausreichend. Die Mehrheit wünscht sich zumindest regelmäßigen Kontakt. SchulSozialarbeiterInnen sollen dabei vor allem bei Beratungsgesprächen mit Eltern und SchülerInnen eingesetzt werden, als Unterstützung für LehrerInnen zur Verfügung stehen, Präventionsarbeit leisten und bei sozialen Problemen sowie in der Zusammenarbeit mit anderen sozialen Institutionen mitwirken. 47 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Zudem konnte erhoben werden, dass sich nur 27% der Jung-LehrerInnen durch ihre Ausbildung ausreichend auf den Schulalltag - bei dem sehr häufig die privaten Probleme der SchülerInnen präsent sind - vorbereitet fühlen. In diesem Zusammenhang werden von LehrerInnen auch häufig starke Belastung durch Stress, Überlastung bis hin zu Burn-Out genannt. Die Studie kommt daher zum Schluss, dass „es nahe liegt, dass viele der anderen auftretenden Probleme in engem Zusammenhang zu dieser Überforderung, der die LehrerInnen ausgesetzt sind, stehen. SchulSozialarbeit könne dazu eingesetzt werden, SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern zu entlasten.“ BMin Dr. Claudia Schmied unterstreicht mit ihrer Aussage beim ersten Anti-Gewalt-Gipfel im November 2008 den Anspruch auf Vernetzung von Schule und Sozialarbeit: „Die Lehrer können soziale Probleme nicht alleine lösen. Sie brauchen Partner wie Sozialarbeiter, Psychologen und die Polizei, die sie bei dieser Herausforderung unterstützen.“ Definition Sozialarbeit „Sozialarbeit“ ist ein neuer „Player“ im System Schule – ein schon oft geforderter und damit fast vertrauter Begriff, aber in der Umsetzung, in der konkreten Vorgangsweise, in der Auftragsklärung sowie in der Angebotsvermittlung weitgehend unbekannt. Bei der Internationalen Konferenz in Montreal im Jahr 2004 wurde „Soziale Arbeit“ wie folgt definiert: „Soziale Arbeit ist eine Profession, die sozialen Wandel, Problemlösungen in menschlichen Beziehungen sowie die Ermächtigung und Befreiung von Menschen fördert, um ihr Wohlbefinden zu verbessern. Indem sie sich auf Theorien menschlichen Verhaltens sowie sozialer Systeme als Erklärungsbasis stützt, interveniert Soziale Arbeit im Schnittpunkt zwischen Individuum und Umwelt bzw. Gesellschaft. Dabei sind die Prinzipien der Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit für die Soziale Arbeit von fundamentaler Bedeutung.“ Müller/Zimmermann Mit der bundesweiten Förderung von Pilotprojekten der SchulSozialarbeit wurde nun die Basis geschaffen, dass die Soziale Arbeit in die schulischen Unterstützungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen, sowie in die spezifische Zusammenarbeit mit LehrerInnen und Eltern einfließen kann. Derzeit wird der schulische Erfolg von SchülerInnen maßgeblich durch Faktoren wie den Bildungsstand der Eltern, die finanziellen und zeitlichen Ressourcen der Familien, sowie deren familiäre Struktur mitbestimmt. Soziale Arbeit im Schulsystem soll aktiver Partner in den Bemühungen werden, die Schule als Ort der reinen Wissensvermittlung hin zu einem partizipativen Lebensraum mit umzugestalten, in dem alle Beteiligten mit ihrer spezifischen Persönlichkeit Platz und Anerkennung finden. Wiener Modell der SchulSozialarbeit Die Wiener SchulSozialarbeit wendet sich prinzipiell an alle beteiligten Personen in der Schulpartnerschaft sowie im außerschulischen Helfersystem. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern sind hier die SozialarbeiterInnen innerhalb des Wiener Stadtschulrates angestellt und somit einerseits ein fixer Bestandteil im Personalstand der Institution, andererseits mit einer Zuteilung zu einer Stammschule auch direkt vor Ort tätig. 48 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Primär ist die Wiener SchulSozialarbeit für die Anliegen und Bedürfnisse der SchülerInnen an den zugewiesenen Standorten des jeweiligen Inspektionsbezirks zuständig. Zurzeit sind 19 SozialarbeiterInnen, hauptsächlich an Kooperativen Mittelschulen tätig. Durch die ganzheitliche Arbeitsweise, etwa in Form der Vernetzungsarbeit, wirkt die SchulSozialarbeit im gesamten Stadtteil bzw. Bezirk. Durch diese „Brückenkopffunktion“ können zudem neue Wege in der ganzheitlichen Beratung gegangen werden. Zwei weitere Faktoren zeichnen die Wiener SchulSozialarbeit aus. Mit Mobilität und Flexibilität sowie einem multikulturell und multiprofessionell geschulten Team kann den Anforderungen in diesem Arbeitsgebiet entsprochen werden. Aufgrund des hohen Anteils von SchülerInnen mit Migrationshintergrund ist die Mehrsprachigkeit einiger SchulsozialarbeiterInnen eine gute Voraussetzung, um Kommunikation und Kooperation zu fördern. Oliver Steingötter Mit dem Instrument „Hausbesuch“ in der nachgehenden Sozialarbeit können nun bisherige organisatorische Grenzen in der Betreuung und/oder Begleitung von SchülerInnen überwunden werden, um so auch ein zusätzliches Angebot des niederschwelligen Kontakts zu schaffen. Die Hereinnahme und Etablierung der eigenständigen Berufsgruppe der SozialarbeiterInnen in einem gewachsenen System wie dem des Stadtschulrates, ist sicherlich für beide Seiten Auftrag und Verpflichtung zugleich. Zurzeit werden fachliche und zeitliche Leitungsfunktionen noch von unterschiedlichen Dienststellen wahrgenommen. Durch begleitende Maßnahmen in der Prozessorientierung sowie einer stetigen Weiterentwicklung des Rohkonzepts, verbunden mit einer angedachten wissenschaftlichen Begleitung bei der Evaluierung des Pilotprojekts, seitens der Fachhochschule „FH Campus Wien“, sollen diese spezifischen Herausforderungen der Integration einer Berufsgruppe in einem komplexen System transparent gemacht werden. Ziele & Angebote der Wiener SchulSozialarbeit Durch die vielfältigen Methoden der Sozialarbeit wie beispielsweise Einzelfallhilfe („Casework“), Empowerment, psychosoziale Beratung, soziale Gruppenarbeit, mediative Konfliktberatung, Krisenintervention sowie der Ansatz der gemeinwesenorientierten Arbeitsweise können Beratung, Begleitung und Betreuung klientInnenzentriert optimal aufeinander abgestimmt werden. Zielsetzung sowie konkrete Angebotslegung gehen oftmals ineinander über, weil nur so ganzheitliches und handlungsorientiertes Arbeiten die Kompetenzen fördern kann. 49 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 In diesem Sinne kann SchulSozialarbeit sein: • • • • • • • • • • • • • • • • • • Ansprechpartnerin für LehrerInnen, Erziehungsberechtigte bei Problemstellungen in Schule, Familie und Freizeit Themenzentrierte Beratung für SchülerInnen Unterstützung in Krisensituationen sowie Begleitung in schwierigen Lebensumständen Aussprache und Anregung Informationsweitergabe beispielsweise in Bezug auf Entwicklung einer beruflichen Perspektive Hilfe zur Selbsthilfe Präventive sowie anlassbezogene Projektarbeit (Workshops …) Vernetzung und Weitervermittlung mit inner- sowie außerschulischen Institutionen Begleitung zu Ämtern & Behörden, Polizei und anderen Institutionen Gesprächsangebote, Begleitung sowie Intervention bei Schulabsentismus Hilfestellung zur konstruktiven Lebensgestaltung Geschlechtssensible Angebote im Gewalt- und Konfliktbereich Gewaltprävention (sexuelle Übergriffe, Mobbing, Cyber-Bullying …) Aufklärungsund Bildungsarbeit zu diversen Themen (Sexualität, Gesundheitsvorsorge …) Stärkung persönlicher Kompetenzen sowie der Eigenverantwortlichkeit durch Selbstreflexion sozialarbeiterische Unterstützung in Krisen, Konflikten sowie in Fällen von Verständnisschwierigkeiten aber auch Planung und Vorbereitung von Projekten mit sozialen Schwerpunkten konkrete Hilfestellungen durch Hausbesuche, bei Vernetzungen, durch Seminartätigkeiten, … ermöglichen ein rasches und unbürokratisches Handeln, nicht nur in Krisensituationen Präventionsschwerpunkte zur Findung von Lösungsmöglichkeiten bei schulischen, sozialen und familiären Problemen bei SchülerInnen Die Arbeit der SchulSozialarbeiterInnen Durch viele Faktoren sind die Arbeitsweisen der SchulSozialarbeiterInnen mitunter recht unterschiedlich. Die Arbeit an der Stammschule ist jedoch grundsätzlich besonders intensiv, da hier durch die zeitliche Präsenz der SozialarbeiterInnen Beziehungsarbeit geleistet werden kann. Dies führt dazu, dass SchülerInnen sich selbstständig an die SozialarbeiterInnen wenden, wenn sie sich in einer problematischen Situation wiederfinden, einen Rat brauchen oder einfach nur den Austausch suchen und erzählen wollen. Hier kann angenommen werden, dass sich die SchulSozialarbeit schnell etabliert und sowohl für die SchülerInnen als auch für das Lehrpersonal zur „Normalität“ wird. Intensiver Beziehungsaufbau ist an den weiteren, zu betreuenden Schulen nur sehr schwer möglich. Hier konzentriert sich die Arbeit auf Einzelfälle, die durch ihre Intensität die Ressourcen sowie Kompetenzen der PädagogInnen überschreiten würden, wo jedoch fraglich ist, ob die Regionalstellen – Soziale Arbeit mit Familien der MAG ELF (im Sinne einer Kindeswohlgefährdung) hinzuzuziehen ist. In derlei Fällen sind es zumeist die LehrerInnen, die sich an die SchulSozialarbeiterInnen wenden, um den ersten Kontakt zu SchülerInnen bzw. Eltern herzustellen. 50 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Durch unterschiedliche Problematiken an den verschiedenen Schulen bzw. in den Schulbezirken Wiens, setzen die SchulSozialarbeiterInnen individuelle Schwerpunkte. Bei regelmäßig stattfindenden Treffen findet Vernetzung sowie Erfahrungsaustausch statt, Problematiken werden definiert und diskutiert. In Arbeitsgruppen werden dann zu spezifischen Themen Fortbildungsmaßnahmen, Schulprojekte und präventive Maßnahmen konzipiert. Mitunter kommt die Frage auf, wie sich das Tätigkeitsfeld der SchulSozialarbeiterInnen von jenem der BeratungslehrerInnen und PsychagogInnen unterscheidet. Hierbei lässt sich zum Teil keine klare Trennlinie ziehen, jedoch gibt es Bereiche, die eindeutig sozialarbeiterische Maßnahmen erfordern und Bereiche, in denen psychologische, therapeutische und/oder beratende Maßnahmen getroffen werden müssen. Idealerweise kooperieren SchulSozialarbeiterInnen, PsychagogInnen, BeratungslehrerInnen sowie PsychologInnen und vernetzen sich, um eigene Arbeitsbereiche abzugrenzen, sich auszutauschen und ohne „Doppelbetreuung“ SchülerInnen bestmögliche Begleitung, Hilfe bzw. Unterstützung zu gewährleisten. Weiters ist zu betonen, dass die Inanspruchnahme von SchulSozialarbeit freiwillig erfolgt. Weder SchülerInnen noch Erziehungsberechtigte können gegen ihren Willen zum Kontakt mit den SchulSozialarbeiterInnen gezwungen werden. Hierbei ist eine klare Abgrenzung gegenüber der MAG ELF (Regionalstellen – Soziale Arbeit mit Familien) zu ziehen. Jedoch kann die SchulSozialarbeit als Bindeglied zwischen Schule und MAG ELF agieren und kooperativ arbeiten. Chancen und Risiken der SchulSozialarbeit Die Etablierung sowie Implementierung der SchulSozialarbeit an bestimmten Pflichtschulen Wiens findet zu einem spannenden Zeitpunkt statt. Die sozialen Herausforderungen an den Schulen erwecken vielerorts den Wunsch, die Zusammenhänge und Interaktionen zwischen den Bereichen Schule, Familie und Freizeit aufzuzeigen. Erste Erfahrungen haben gezeigt, dass die Situation an den (Pflicht)Schulen nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern die beschriebenen Problemlagen häufig im gesellschaftlichen Kontext gesehen werden müssen und sehr an den familiären Hintergrund gebunden sind. Die Schule als Kulisse für außerschulische Probleme, die Schule als „Bühne des Lebens“, die Schule als Brennpunkt – das alles schafft mitunter Ungleichheit in einem zu früh differenzierenden Schulsystem. Das alles kann unter Umständen zu einer Überforderung aller Beteiligten in der Schulpartnerschaft führen, das alles bietet aber auch die Chance für neue Einsichten und Ansichten in Lern- und Verhaltensprobleme von SchülerInnen. Letztendlich gilt es auch, seitens der Sozialarbeit Antworten zu finden, welche Unterstützung PädagogInnen in deren Doppelrolle „ErzieherInnen vs. WissensvermittlerInnen“ gegeben werden kann. Der bisher häufig beklagte Wechsel bzw. das Fehlen von zuständigen Ansprechpersonen in der Sozialarbeit, beispielsweise bei der MAG ELF, sowie die Einstellung des Schulverbindungsdienstes, bietet nun der SchulSozialarbeit sowohl durch die Möglichkeiten der „Soforthilfe in Krisensituationen“ als auch mit konstanter Anwesenheit in den Schulen in Form von Sprechstunden die Gelegenheit, einen organisatorischen Gegenentwurf zu etablieren. Zudem kann die Tatsache, dass SozialarbeiterInnen nun als selbstverständlicher Personalbestandteil im Schulsystem wahrgenommen werden, eine fachliche Ergänzung zu den bisherigen Bemühungen im psychosozialen System erfolgen. Dadurch können gemeinsam neue Impulse der Prävention gesetzt, sowie vielfältige Perspektiven der Intervention entwickelt werden. 51 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 SchulSozialarbeit wird daher in Zukunft den anderen Berufsgruppen Entlastung bieten, wird die soziale Kompetenz aller Beteiligten stärken, wird Kooperation auf multiprofessioneller Ebene fördern, wird aber zugleich auch selbstbewusst ihren Platz sowie ihre professionelle Rahmenbedingungen im (Schul)System einfordern müssen. Infoblock: Die Dimensionen von SchulSozialarbeit können wie folgt kurz umrissen werden: SchulSozialarbeit ist ein FORUM für eine Neubelebung von vertrauten Inhalten, neuen Ideen sowie deren Verwirklichung SchulSozialarbeit ist BEGEGNUNG für alle LehrerInnen, SchülerInnen, Eltern & Erziehungsberechtigte sowie außerschulische Behörden, Organisationen und Vereine SchulSozialarbeit ist ANREGUNG für neue Lebens-. und Lernkonzepte sowie für eine Förderung des Klassen- und allgemeinen Schulklimas SchulSozialarbeit ist positive AUFREGUNG in der Politik, Jugendkultur und Gesellschaft SchulSozialarbeit ist eine BEWEGUNG für mehr Solidarität und soziale Integration 52 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Ein guter Start Brückenschlag zwischen Kindergarten und Schule 1) Einleitung Jeden Herbst beginnen viele 6-Jährige mit der Schule. Für einige dieser Schulneulinge ist es wichtig, dass wir sie bereits vor diesem markanten Zeitpunkt kennen lernen. In Wien findet die so genannte „vorgezogene Einschreibung“ statt. Fast zwei Jahre vor dem tatsächlichen Schulbeginn erfolgt eine erste Datenerfassung an den Volkschulen. Eltern von (schwerst-) beeinträchtigten Kindern können so frühzeitig über die verschiedenen Möglichkeiten der Beschulung ihres Kindes informiert werden. 2) Zielgruppe Kinder, in deren Entwicklung Verzögerungen aufgetreten sind und bei denen anzunehmen ist, dass diese Entwicklungsverzögerungen in weiterer Folge das Lernen behindern können, sind unsere vorrangige Zielgruppe. Wenn es möglich ist, Kinder mit besonderen Bedürfnissen und deren Eltern bereits einige Zeit vor ihrem Schuleintritt zu sehen, mit ihnen zu arbeiten und zu sprechen, können bereits im Vorschulalter entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, um den weiteren Entwicklungsverlauf positiv zu gestalten. 3) Rahmenzeit Der Zeitraum möglicher Interventionen ist im Normalfall das Jahr vor Beginn der Schulpflicht. 4) Ziele Im Rahmen der Möglichkeiten des bestehenden Systems bemühen wir uns, den Eltern die am besten geeignete Form der Beschulung für ihr Kind nahe zu bringen und/oder an den Volksschulstandorten eine förderliche Lernumgebung zu schaffen. 53 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 5) Die übliche Vorgangsweise ist folgende: Durch gute Vernetzung mit Kindergärten der Region, regelmäßige Kommunikation mit mobilen Sonderkindergärtner/innen oder außerschulischen Institutionen werden Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen motiviert, mit ihrem Kind ins SPZ zu kommen. Hier führen wir ein Erstgespräch mit den Erziehungsberechtigten und begutachten das Kind. Erhebung zur Lernausgangslage Name, Geburtsdatum des Kindes Angaben zur Familie Zahl der Familienmitglieder Geschwister ☺Nr./Geschlecht Alter Schulart / Kindergarten Wohnort (zu Hause, eigene Wohnung, …) Berufliche Tätigkeit und Alter der Personen, bei denen das Kind überwiegend lebt Person (Namen) Familienzugehörigkeit (Vater, Mutter, Onkel,…) Berufstätigkeit Alter Wohnverhältnisse Art der Wohnung (Anzahl der Zimmer einer Wohnung, Notunterkunft, Wohngemeinschaft, eigenes Haus) Zahl der Wohnräume Eigenes Zimmer (ja / nein) – wenn nein, mit wem ist das Kind zusammen untergebracht? Mehrmaliger Wohnungs- / Wohnortwechsel (ja / nein)? Wenn ja, nähere Angaben Wenn ja, wann war der letzte Wohnungs- / Wohnortwechsel? ☺ die Kinder werden nach der Reihenfolge ihrer Geburt eingetragen, das betroffene Kind selber erhält zusätzlich ein X. So ist der Rang in der Geschwisterreihe unmittelbar ersichtlich. (Knaben: , Mädchen ) 54 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Besondere Lebensumstände und Verhaltensweisen des Kindes Schwangerschaftsverlauf, Schwierigkeiten in der Schwangerschaft? Wunschkind? Schwierigkeiten bei der Geburt? Besonderheiten in der Säuglings- und Kleinkinderzeit? Wann wurde das Kind sauber? Das Kind nässt / kotet ein (ja / nein) – wenn ja tags / nachts? Daumenlutschen, Nägelkauen, Tics, Haare ausreißen, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Ängste, Stottern …. (Ja / nein) Längere oder schwere Krankheiten, Unfälle (Art und Zeitraum)? Längere Krankenhausaufenthalte (Krankheit und Zeitraum, Operationen)? Heimaufenthalte / Fremdunterbringungen / Krisenzentrum? Wenn ja, von / bis: Änderung der familiären Konstellation (etwa durch Trennung, Tod eines Familienmitgliedes usw.) – Art der Änderung und Zeitraum Weiter bedeutsame Umstände / Ereignisse Sinnestüchtigkeit Ist das Kind schon auf (leichte) Seh- und Hörstörungen untersucht worden (ja / nein)? Wenn ja, Befunde, Ergebnisse und Konsequenzen: Motorik Mit welchem Alter begann das Kind zu krabbeln? Mit welchem Alter begann das Kind zu laufen? Welche Hand bevorzugt das Kind beim die rechte Hand die linke Hand beide Hände unbekannt Essen? Malen? Werfen? Schneiden? Ist eventuell bei einer ursprünglichen Linkshändigkeit der Versuch einer Umgewöhnung vorgenommen worden (ja / nein / unbekannt)? Wenn ja, durch wen und mit welchem Ergebnis? 55 INTEGRATIONSJOURNAL Sprachverhalten MAI 2010 Muttersprache: Mit welchem Alter begann das Kind zu sprechen? Sprachauffälligkeiten (ja / nein)? Wenn ja, genauer beschreiben: Das Kind spricht fließend / gebrochen / kaum / kein Deutsch: Satzbildung (Einwortsätze / unvollständige Sätze / grammatikalische Fehler / vollständige Sätze / Satzgefüge) Kindergartenbesuch (ja / nein / unbekannt) – wenn ja, Adresse des Kindergartens: ______________________________ Kindergartenpädagogin____________________, Zeitraum: _________________ Integrationskind: ja / nein Zurückstellung (ja / nein) - Vorschulkind – wenn ja, Grund: Gegebenenfalls Informationen über die Entwicklung und das Verhalten des Kindes in dieser Zeit: Hat das Kind feste Freunde (ja / nein / unbekannt)? Wenn ja – wen und wo? Lieblingsbeschäftigung des Kindes Was macht das Kind gerne / nur ungern zu Hause? Besucht das Kind einen Sportverein / eine Jugendgruppe? Bringt das Kind manchmal Freunde/Innen mit nach Hause? Wie oft bewegt sich das Kind an der frischen Luft (Parkanlage, Spielplatz)? (täglich / mehrmals in der Woche / nur am Wochenende / sehr selten / gar nicht)? Welche Fixpunkte gibt es im Tagesablauf? Betreuung: Welche Personen, Institutionen, Vereine … kümmern sich um das Kind (Art, Häufigkeit, Zeitraum und Tageszeit)? Besondere Belastungen und Beanspruchungen (Z. B. starke Beanspruchung im Haushalt, auf kleinere Geschwister aufpassen, Erziehungsstil, usw.): Stärken und Schwächen des Kindes aus der Sicht der Eltern / Erziehungsberechtigten Problemlage des Kindes aus der Sicht der Eltern Bereits in Anspruch genommene psychologische, fachärztliche, therapeutische Beratung und / oder Behandlung Bisherige Fördermaßnahmen (was, wie oft, wie lange, bei wem, mit welchem Erfolg) Mit Einverständnis der Eltern erfolgt möglichst zeitnahe eine Beobachtung des Kindes im Kindergarten und ein strukturiertes Gespräch mit den Kindergartenpädagoginnen/pädagogen. 56 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Adaptierter Leitfaden zur Strukturierung teilnehmender Beobachtung (siehe: Verstehen und Fördern: Von der Diagnostik zum pädagogischen Handeln Sabine Knauer Themenheft 01 eine Publikationsreihe der deutschen Kinder- und Jugendstiftung im Rahmen von „Ideen für mehr! Ganztägig lernen.“) Name, Geburtsdatum des Kindes Sozialverhalten und Persönlichkeitsentwicklung Affektives Verhalten: Kann das Kind seine Gefühle zeigen? Wie? Kann sie/er darüber sprechen? Ist das Kind klärenden Gesprächen zugänglich und bereit, Konflikte beizulegen? Selbststimulierung fein: Zeigt das Kind eine der folgenden Verhaltensweisen? Am Daumen lutschen ja - nein, an den Nägeln kauen ja - nein, in der Nase bohren ja - nein, am Kopf kratzen ja - nein, auf Papier kritzeln ja - nein, mit Gegenständen herumspielen ja - nein Selbststimulierung grob: Zeigt das Kind eine der folgenden Verhaltensweisen? Mit dem Stuhl schaukeln ja - nein, Stühle und Bänke rücken ja - nein, den Kopf rhythmisch hin und her bewegen ja - nein, die Füße ständig in Bewegung halten ja - nein, in der Klasse herumlaufen ja - nein Kontakt: Nimmt das Kind von sich aus Kontakt auf? Auf welche Art? Wie geht das Kind auf Kontaktwünsche anderer ein? Wie geht das Kind mit anderen um? Kann das Kind sich mit anderen freuen oder traurig sein? Interessiert sich das Kind für andere? Vermisst das Kind fehlende Mitschüler/innen / Kindergartenkinder? Einfühlungsvermögen: Nimmt das Kind auf andere Rücksicht? Kann das Kind mitfühlend sein und trösten? Erfüllt das Kind die Wünsche anderer Kinder? Verlässlichkeit: Übernimmt das Kind gerne Aufträge/Aufgaben und erfüllt sie zuverlässig? Behandelt das Kind eigene und geliehene Dinge sorgfältig? Hält sich das Kind an Vereinbarungen? Gesprächsverhalten: Unterhält sich das Kind gerne mit anderen Kindern in der Klasse / Kindergartengruppe? Erzählt das Kind gerne Erlebnisse in Gruppen/im Sesselkreis? Hört das Kind anderen zu und lässt sie ausreden? Geht das Kind auf Beiträge anderer ein? Äußert das Kind seine Meinung verständlich und begründet sie? Hilfsbereitschaft: Ist das Kind von sich aus bereit, anderen Kindern bei der Lösung von 57 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Aufgaben zu helfen? Tut das Kind dies nach Aufforderung? Sieht das Kind, wenn jemand Hilfe braucht? Kann das Kind selbst um Hilfe bitten und/oder sie annehmen? Zusammenarbeit: Spielt und arbeitet das Kind lieber mit einem oder mehreren Kindern zusammen oder allein? Hält das Kind Absprachen ein? Macht das Kind eigene Vorschläge? Kann das Kind Aufgaben verteilen (delegieren)? Kann das Kind sich mit anderen auf eine gemeinsame Lösung einigen? Beachtet das Kind die Wünsche der anderen Kinder? Setzt sich das Kind für die gemeinsame Arbeit ein? Selbstbewusstsein: Äußert das Kind eigene Wünsche und Meinungen auch gegen die Mehrheit? Kann das Kind sich gegen Kinder und Erwachsene behaupten? Nimmt das Kind Vorhaben optimistisch oder eher zögernd/unsicher/ängstlich in Angriff? Konfliktverhalten: Kann das Kind Streit mit Worten schlichten? Macht das Kind Lösungsvorschläge? Kann das Kind eigene Interessen vertreten, durchsetzen, zurückstellen? Kann das Kind sich verteidigen/wehren/Zumutungen zurückweisen? Kann das Kind Schuld einsehen/annehmen? Geht das Kind auf die Argumente anderer ein? Ist das Kind kompromissbereit/ausgleichend? Macht das Kind Lösungsvorschläge? Kritikfähigkeit: Übt das Kind Kritik konstruktiv und sachlich? Kann das Kind Kritik annehmen? Hinterfragt das Kind zweifelhaft erscheinende Informationen/Ansichten/Entscheidungen? Lern- und Arbeitsverhalten Leistungsbereitschaft: Arbeitet das Kind aus Interesse an den Aufgaben? Arbeitet es nur bei Zuspruch und Lob? Konzentration/Ausdauer/Arbeitstempo/Arbeitseifer: Unter welchen Bedingungen kann das Kind sich gut/besser konzentrieren, lange und zügig arbeiten? Sorgfalt: Geht das Kind sorgfältig mit Arbeitsmaterialien um? Arbeitet es übersichtlich/geordnet/genau? Beendet es die einzelnen Arbeitsschritte? 58 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Räumt es nach dem Spielen/Arbeiten die benutzten Materialien weg? Regelbefolgung: Versteht das Kind die Arbeitsanweisungen und führt sie aus? Hält es die Abmachungen, Arbeits- und Spielregeln von sich aus/nach Erinnerung ein? Systematisches Lernen: Geht das Kind planvoll vor? Berücksichtigt es die einzelnen Arbeitsschritte der Reihe nach? Bringt es die Arbeiten zu Ende? Selbstständigkeit: Arbeitet das Kind ohne Hilfe? Setzt es sich selbst Ziele? Sucht es sich selbst Aufgaben aus? Kontrolliert es selbst die Ergebnisse? Nutzt es die Arbeitszeit? Eignet es sich selbst Wissen und Fertigkeiten an? Bringt es selbstständig Material für ein Vorhaben mit? Benutzt es von sich aus die notwendigen Hilfsmittel beim Arbeiten? Neugier: Ist das Kind offen für Neues, Unbekanntes? Stellt es Fragen, hat es bestimmte Interessen entwickelt? Nimmt es Anregungen auf? Kreativität: Macht das Kind häufig Vorschläge? Äußert es neue Ideen? Findet es bei Problemen alternative Lösungen? Initiiert es neue Spiele? Merkfähigkeit: Unter welchen Bedingungen kann das Kind sich Informationen am besten merken (optisch, akustisch, handelnd)? Gibt es aufgenommene Informationen teilweise – vollständig – zusammenhängend wieder? Aufgabenverständnis: Versteht das Kind Aufgaben, wenn es – selbst mit Material umgehen kann –, die nur optisch oder mündlich erklärt werden? Versteht es Aufgaben, die schriftlich erteilt werden? Transferleistung: Überträgt das Kind das Gelernte – eigenständig – auf Anregung – mit Unterstützung auf neue Aufgaben? Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit: Kann das Kind die eigenen Leistungen einschätzen? Neigt es bei Erfolgen zu vermehrter Anstrengung oder Nachlässigkeit? Wie geht es mit Misserfolgen um? Spielt es sie herunter oder setzt es sich mit ihnen auseinander? Bemüht es sich daraufhin verstärkt oder wird es mutlos? 59 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 6) Handlungsplan Aus den daraus resultierenden Erkenntnissen versuchen wir gemeinsam mit den Eltern einen Handlungsplan zu erstellen. • Sind zusätzliche Abklärungen medizinischer und/oder therapeutischer Art notwendig? • Welche Maßnahmen würden wir aus unserer Sicht noch vor Schuleintritt empfehlen? Bei all den notwendigen Schritten sind wir auch gerne bereit, die Erziehungsberechtigten zu unterstützen. Sei es durch Terminvereinbarungen oder Vermittlung von Adressen außerschulischer Institutionen, Bereitstellung von Fördermaterial sowohl für die Erziehungsberechtigten als auch die Kindergartenpädagogin, ... 7) Check-Up Nach einigen Monaten gibt es einen neuerlichen Termin, um zu sehen, was sich in dieser Phase getan hat. Rücksprache halten wir auch mit allen bereits im Vorfeld beteiligten außerschulischen Stellen. 8) Weichenstellung Gemeinsam mit den Eltern besprechen wir die möglichen Weichenstellungen oder zusätzlichen Maßnahmen im schulischen System. Dazu ist umfassendes Wissen der strukturellen Gegebenheiten eines Inspektionsbezirkes notwendig: • Die objektiven Rahmenbedingungen an Schulen und deren Umfeld (Hort, Ganztagsschule, ...) zu kennen ist unumgänglich. • Spezielle personelle Stärken eines Standortes sind zu beachten. Diese Informationen finden sich auch im Schulprofil oder im standortspezifischen Förderkonzept. Unsere Arbeit endet natürlich nicht mit dem Schuleintritt eines Kindes. Es wird von uns natürlich weiterhin beobachtet und wenn notwendig auch betreut. Wenn es gelingt in dieser Zeit vor dem Schuleintritt flankierende Maßnahmen zu setzen, ist die Schullaufbahn meistens erfolgreich und ein sonderpädagogischer Förderbedarf kann vermieden werden. Die Statistik für das Schuljahr 2008/09 zeigt den Erfolg. Die Zahlen dieser Aufstellung, vor allem aber die Zufriedenheit der Lehrer/innen, Schüler/innen und Erziehungsberechtigten sprechen für diese Vorgangsweise. Bei Rückfragen zur Statistik wenden Sie sich bitte an SDn Elisabeth Stricker. Autorinnen: SDn Irene Bauer, Leiterin der Wiener Sprachheilschule Landstraßer Hauptstraße 146, 1030 Wien SDn Elisabeth Stricker, Leiterin des/r SPZ/ASO 10 Sonnleithnergasse 32, 1100 Wien 60 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Vernetzen, miteinander reden, Informationen austauschen … Um ein Kind mit besonderen Bedürfnissen/Behinderungen möglichst gut betreuen und fördern zu können, ist die Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team nötig. Das ist nichts Neues. Dass auch Schulärztinnen und Schulärzte eine wichtige Rolle spielen (sollten) ist Tatsache und beileibe auch keine neue Erkenntnis. Der heute 81-jährige Hofrat Dr. Felix Wilk, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde sowie Kinderneuropsychiatrie, war, neben vielen anderen Tätigkeiten, auch viele Jahre als Schularzt in St. Isidor/O.Ö. tätig. Vor ca. 20 Jahren, während seiner aktiven Zeit in dieser Funktion, verfasste er u.a. ein kurzes Statement zu den Aufgaben der Schulärztin/des Schularztes hinsichtlich Betreuung von Schüler/innen in Integrationsklassen. Wir wollen dieses Statement hier abdrucken, weil es kein bisschen von seiner Aktualität eingebüßt hat und wir damit auch zeigen wollen, dass es schon längst Erkenntnisse zu unterschiedlichen Facetten, die zum guten Gelingen von Integration beitragen, gibt, dass also das Rad nicht neu erfunden werden muss, sondern manchmal nur schon längst gewonnene Erkenntnisse umgesetzt werden müssten….. Das Redaktionsteam Die Aufgaben der Schulärztin/des Schularztes in der Integrationsklasse Es ist anzunehmen, dass die behinderten Kinder in einer Integrationsklasse an jeweils unterschiedlichen Krankheitsbildern leiden. Obwohl Diagnose, Prognose und Therapie meist schon feststehen, hat die Schulärztin/der Schularzt die Aufgabe, dies mit den Klassenlehrer/innen zu besprechen, um sie über alle Symptome des Leidens aufzuklären und auf mögliche Komplikationen, sowie auf körperliche, psychische und geistige Belastbarkeit hinzuweisen. Es ist wichtig, dass auch geringfügige psychische oder somatische Veränderungen beim Kind sofort der Schulärztin/dem Schularzt mitgeteilt werden, damit diese/r entscheidet, ob andere, aufwändigere Untersuchungen zu empfehlen sind. 61 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Es ist daher auch Aufgabe der Ärztin/des Arztes, mit den behandelnden Kolleginnen und Kollegen oder Therapeutinnen und Therapeuten ständig Kontakt zu pflegen und sich über das Befinden des Kindes laufend zu informieren, um nun seinerseits mit den Lehrpersonen darüber und die nötigen Konsequenzen im schulischen Bereich zu sprechen. Die Schulärztin/der Schularzt soll auch mitentscheiden, ob und unter welchen Bedingungen eine Beteiligung des behinderten Kindes an Schulveranstaltungen (z.B. Schullandwochen, sportlichen Veranstaltungen, etc.) möglich ist. Schließlich müssen mit den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern auch Maßnahmen der ersten Hilfe durch besprochen werden, speziell bei akuter Exazerbation (Ausbruch eines Krankheitsschubs) des jeweiligen Krankheitsbildes, damit auch wirksame Hilfe geleistet werden kann, wenn der Schularzt/die Schulärztin nicht anwesend ist. Dies alles ist aber in befriedigendem Maß nur dann möglich, wenn Lehrer/innen und Ärztinnen und Ärzte intensiv zusammenarbeiten; die Pädagoginnen und Pädagogen sollen sich nicht scheuen, den Rat und die Hilfe der Medizinerin/des Mediziners öfter in Anspruch zu nehmen. Besonders soll auch darauf hingewiesen werden, dass der regelmäßige Kontakt zwischen Ärztin/Arzt und Erziehungsberechtigten von großer Bedeutung ist. Autor: Hofrat Dr. Felix Wilk http://community.schule.at/index.php?cid=592 62 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Triangel Hainburgerstraße 40 1030 Wien Tel: 01/71 34 634 Email: tr3angel1@gmail.com Eine Einrichtung des 18. Inspektionsbezirks für Lehrerinnen und Lehrer: Reflexion des Schulalltags (einzeln, Team, Gruppe) Beratung Fortbildung Eltern: Erziehungsberatung Beratung bei besonderem Bedarf Schülerinnen und Schüler: Beratung bei Schulproblemen Entsprechend den Interessen und Bedürfnissen der LehrerInnen sowie den Rückmeldungen der SchulleiterInnen und InspektorInnen haben wir unser Angebot erweitert und bieten seit dem Schuljahr 2008/09 Vernetzungstreffen und Fortbildungsveranstaltungen zu folgenden Themen an: • • • • • • • • Zwischenwelten - Adoleszenz Gewaltprävention Teamarbeit Die LehrerInnenrolle - Arbeit mit der Maske Verdacht auf sexuellen Missbrauch Balintgruppen Multikulturalität Burnout Alle Beratungen und Fortbildungsveranstaltungen finden im Triangel statt und sind kostenlos. Das Triangel-Team: Mag. Regina Aigner Ingrid Neudhart Inge Palacz Hemma Stallegger-Dressel Beratungslehrerin, Psychotherapeutin Beratungslehrerin, Psychotherapeutin Beratungslehrerin, Kunsttherapeutin Beratungslehrerin, Psychoanalytikerin www.schulen.wien.at/schulen/909013 63 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Rückmeldungen von Seminarteilnehmerinnen, Supervisandinnen, Eltern: Liebes Triangel-Team! Ich möchte hiermit ein DANKESCHÖN an Euch übermitteln, für die bereichernden Seminarnachmittage in Euren gemütlichen Räumlichkeiten bei TRIANGEL. Die von mir belegten Seminare "Gewaltprävention" und "Adoleszenz" gestalteten sich äußerst interessant von den vortragenden Seminarleiterinnen, sowie von der bunten Mischung der TeilnehmerINNEN. Es ist so erfrischend, dass sich die Veranstaltungen von stereotypen Angeboten abheben, ich kein einziges Mal versucht war auf die Uhr zu schauen und auf Grund der Gruppengröße, jeder der etwas zu sagen hatte auch Raum dafür bekam, die Atmosphäre stimmte einfach. Natürlich ist es mein subjektives Empfinden, aber entsprechend den anschließenden "Plaudereien" mit teilnehmenden KollegINNEN erging es allen so, das so wichtige Austauschen von Erfahrungen in einem passenden Rahmen tat allen gut. Die SeminarleiterINNEN schafften es den Fokus der "Schularbeit" wieder ein bisschen zu verrücken und für andere Sichtweisen zu sensibilisieren, denn gerade dieses Ausprobieren neuer Methoden sowie das "Sich Erinnern" an die Methodenvielfalt, über die wir alle verfügen, ist wertvoll! Ich konnte sehr viel positive Kraft mitnehmen und hoffe, dass das TRIANGEL-Team in Zukunft noch mehr spannende Nachmittage bieten kann. In diesem Sinne - schön dass es Euch für uns im Bezirk gibt- bitte weiter so! Mit freundlichen Grüßen, Claudia Rosner „Durch die 14tägige Supervision und das Bewusstwerden bestimmter Mechanismen fühlen wir uns im Berufsalltag unterstützt, wodurch ein entspanntes Arbeiten möglich wird. Die Supervision hilft uns dabei, in die verschiedensten Bereiche unserer Arbeit Klarheit zu bringen (Elternarbeit, Teamarbeit,…) Die Supervision im Triangel ist ohne großen Aufwand (Anreise, Organisation) und kostenlos zu nutzen.“ Ein Vorschulklassenteam „Ich arbeite als Sonderschullehrerin mit verhaltensauffälligen und sozial beeinträchtigten Kindern. Da ich die besonderen Anforderungen, die durch meine Arbeit entstanden und weiterhin entstehen, nicht allein zu verarbeiten vermag, bin ich seit über einem Jahr regelmäßig im TRIANGEL in Supervision. Hierbei kann ich belastende Situationen in meinem Berufsalltag bearbeiten, wobei die psychoanalytische Orientierung der Supervision im Besonderen dazu verhilft, die unbewussten Vorgänge verstehen zu können, die zu möglichen Konfliktsituationen zwischen den SchülerInnen und auch zwischen SchülerInnen und mir geführt haben könnten. Als einen besonders wichtigen Teil meiner Supervision erachte ich die Arbeit am Bewusstmachen von Übertragungen, denen ich in der Arbeit mit den großteils stark traumatisierten Kindern ständig ausgesetzt bin, die aber auch innerhalb der Institution Schule (KollegInnen, Vorgesetzte, usw.) wirken. Die Reflexion der belastenden Situationen im Unterricht verhilft mir dazu professionelle Arbeit leisten zu können.“ Eine Sonderschullehrerin „Ich bin immer glücklich, wenn ich hier war. Die Beratung hat mein Leben bedeutend verbessert und vereinfacht. Es ist schön, dass ich mit meinen Problemen ernst genommen werde, dass mich jemand versteht und dass ich kompetente Hilfe bekomme.“ Eine Mutter 64 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Anreicherung der Bildung durch Bildung für alle … Gespräche wurden und werden sehr viele geführt … Ich führe sie in meiner Eigenschaft als Bezirksschulinspektorin und Dienststellenleiterin mit Lehrer/innen, Schulleiter/innen, Eltern und aber auch oft mit Schüler/innen. Immer wieder – und in den letzten Jahren vermehrt – wird das Thema Integration angesprochen. Eigentlich ist dieser Begriff in der Gesellschaft längst eine politische Selbstverständlichkeit, es ist kein wirklicher „Aufreger“ mehr. Was dazu wirklich aufregt sind die erforderlichen Personalressourcen, die zu gering sind. Man muss auch festhalten, dass die Deckelung von 2,7 % an Dienstposten vor allem im Wiener Bereich unterdotiert ist. Aus solchen Situationen und Diskussionen entstehen manchmal „Streitgespräche“. Ein solches ist mir in guter Erinnerung. Ein Lehrer, der in der Sekundarstufe eine Integrationsklasse mit lernbehinderten Kinder führt, darunter auch sehr verhaltensauffällige Schüler betreut, kam zum Problem Integration im Lauf eines Gespräches zu folgendem Schluss: „Man kann nicht alles und jeden integrieren“. Auf das Ende der Diskussion will ich gar nicht eingehen, doch es hat mich sehr dazu angeregt diese Aussage zu hinterfragen. Ist nicht alles von dieser Welt in dieser Welt? Sind wir nicht alle Lebewesen und ist nicht auch alles Unbelebte integrativer Bestandteil unserer Welt, in der wir leben? Ist nicht unsere Gesellschaft insgesamt ein soziales Gebilde, in das alle hinein geboren sind und von dem niemand das Recht hat, Menschen daraus zu verbannen? Ich möchte Ihnen gerne Beispiele aus meinem Bezirk bringen, wie Integration von hörbehinderten Kindern gelingen kann. Was kann ausgehend von einem Bildungsbegriff, der „Bildung für alle“ grundlegt, bei Menschen mit einer Hörbehinderung entwicklungspsychologisch speziell beachtet werden, beziehungsweise welche Rahmenbedingungen sind Voraussetzung dafür, dass Bildung für Hörbehinderte gelingen kann? Die Hörbehinderung eines Menschen ist für die Umwelt nicht äußerlich sichtbar und wird daher im intersubjektiven Austausch häufig nicht als solche erkannt. Das fehlende Wissen um die Behinderung, beziehungsweise eine Fehleinschätzung des Ausmaßes an Beeinträchtigung, kann zu folgenreichen Missverständnissen in der Kommunikation führen. Diese verläuft häufig für alle beteiligten Gesprächspartner unbefriedigend. Zum einen für den Hörbehinderten, der trotz hoher Anspannung und Konzentration den Sinn und Gehalt des Gespräches nicht ausreichend zu erfassen vermag. Zum anderen für die gut hörenden Gesprächsteilnehmer/innen, die ob ihrer Unkenntnis oder Fehleinschätzung ungeduldig und möglicherweise enttäuscht reagieren. Information und Offenheit sind wichtige Voraussetzungen für die Begegnung mit hörbehinderten Menschen. 65 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Erziehung und Unterricht? Wie kann Kindern dabei geholfen werden, sich trotz ihrer Behinderung zu selbstbewussten, selbständigen, lebenstüchtigen, umfassend gebildeten Menschen zu entwickeln? Zunächst soll auf die Notwendigkeit Hörbehinderte hingewiesen werden. einer förderlichen Lernumgebung für Die Bildung von Kindern mit Schwer- oder Fehlhörigkeit vollzieht sich in einem Spannungsfeld von Strukturierung und Kompensation. Ein eingeschränktes Hörvermögen bedingt, dass Schallereignisse verzerrt oder unzusammenhängend wahrgenommen werden. Bei sprachlichen Ereignissen prägen möglicherweise nur Rhythmus und Intonation den Höreindruck. (vgl. Renzelberg, 1999, S. 26) Bei hochgradiger Schwerhörigkeit können die derzeit bekannten Hörhilfen nicht den Umfang und die Differenzierung von Tönen und Geräuschen vermitteln, die ein Mensch mit normalem Hörvermögen verarbeitet. Unvollständige Höreindrücke müssen strukturiert und mit bereits bekannten Höreindrücken und anderen Informationen in Beziehung gesetzt werden, um einen Sinnzusammenhang erkennen zu können. Fehlende Möglichkeiten sprachlich zu kommunizieren werden durch nonverbale Kommunikation oder ein bestimmtes Verhalten kompensiert. Es müssen daher der Behinderung gerechte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Abgesehen von räumlichen Bedingungen wie guter Ausleuchtung und geringem Schall- und Lautpegel, ist die Aufbereitung der Lerninhalte von großer Bedeutung. Bildung von hörbehinderten Kindern kann nicht nur über sprachliche Kommunikation erfolgen, sondern sollte durch anschaulich vollziehendes Lernen ermöglicht werden. Herausragende Bedeutung fällt dabei dem visuellen Wahrnehmungsbereich zu. In der Hörbehindertenpädagogik kann von zwei Schwerpunkten ausgegangen werden: Erstens müssen die eingeschränkten Wahrnehmungsmöglichkeiten berücksichtigt werden, indem ein entsprechendes, ganzheitliches Lernangebot zur Verfügung steht, zweitens müssen vorhandene Hörerfahrungen intensiviert und die Sprech- und Sprachkompetenz der Kinder gezielt gefördert werden. Eine „Bildung für alle“ muss für Hörbehinderte bedeuten, dass sie einerseits faire Ausgangsbedingungen und Bildungschancen vorfinden, andererseits ihre besondere Situation und pädagogischen Ansprüche berücksichtigt werden. Hörbehinderte Menschen, denen Bildung in einem förderlichen, verständnisvollen Umfeld ermöglicht wurde, werden in der Regel der hörenden Umwelt weder intellektuell noch in psycho-sozialer Hinsicht unterlegen sein. Ebenso ist dem psychosozialen Aspekt der Hörbehinderung besonderes Augenmerk zu schenken. „Das Hören an sich und speziell das Hören von Gesprochenem spielt als Grundlage jeglicher sprachlichen Entwicklung die tragende Rolle.“(Renzelberg, 1999, S. 22) Kommt es auf Grund einer Hörbehinderung zu Verzögerungen oder Einschränkungen in der sprachlichen Entwicklung und damit in Verbindung zu relevanten Schwierigkeiten in der Kommunikation, können andere Bildungsziele auch nur erschwert erreicht werden. Für die kindliche Entwicklung sind insgesamt die Form und Intensität der Kommunikation mit den nächsten Bezugspersonen entscheidend. In der Auseinandersetzung mit ihnen entfalten und bilden sich Persönlichkeit und Identität, wird emotionales und soziales Verhalten erlernt und erweitern sich der Wissens- und Bildungsstand sowie das Abstraktionsvermögen. Durch eine Hörbehinderung besonders gefährdete Bildungsziele sind die soziale Eingliederung, die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und die Entfaltung der Lern- und Leistungsfähigkeit. (vgl. Renzelberg, 1999, S. 28) 66 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Maßgeblich für die persönliche Entwicklung ist die soziale Situation. Befinden sich Kinder in einem ausschließlich hörenden Umfeld, kann sich das stabilisierend, aber auch demotivierend auswirken. Ein vorwiegend auf lautsprachliche Kommunikation ausgerichtetes Umfeld kann ein hörbehindertes Kind leicht überfordern, weil ihm permanent ein hohes Maß an Konzentration abverlangt wird. Menschen, die sprechtechnische und/oder sprachliche Probleme haben, werden häufig missverstanden und fehl eingeschätzt, was massive zwischenmenschliche Schwierigkeiten hervorrufen kann, die von Ignoranz bis zu Ablehnung führen können. Hörbehinderte Menschen ziehen sich daher häufig zurück und vermeiden soziale Kontakte. Die soziale Eingliederung kann bei Kindern schon in den ersten Lebensjahren eine empfindliche Einschränkung erfahren, wenn Eltern und Geschwister nicht genügend Verständnis und Einfühlungsvermögen aufbringen. „Durch die häufigen Erfahrungen eines Nicht-Verstehens und eines Nicht-Verstanden-Werdens verlieren hörgeschädigte Kinder Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit.“ (Renzelberg, 1999, S. 28) Die Eingliederung in außerfamiliäre Gruppen kann einerseits durch mangelndes Verständnis von Seiten der sozialen Umwelt erschwert werden, andererseits auch aufgrund von geringer Flexibilität der Hörbehinderten selbst oder beidseitiger Kommunikationsschwierigkeiten. Bei Kindern mit einer Hörstörung sind Art und Grad der Hörbehinderung, Zeitpunkt der Erfassung sowie entsprechende Maßnahmen und das familiäre Umfeld prägend, für Jugendliche gewinnt die Frage zunehmend an Bedeutung, wie es ihnen gelingt, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. (vgl. Renzelberg, 1999, S. 23) Einerseits suchen hörbehinderte Menschen Schutz und fühlen sich besonders von Menschen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, zum Beispiel von hörbehinderten Geschwistern, verstanden und zu ihnen hingezogen. Andererseits müssen sie damit umgehen lernen, dass sie einer Welt angehören, in der die meisten Menschen gut hören. Ausschlaggebend für eine positive Entwicklung zu einem selbstbewussten Menschen ist, dass die Schwerhörigkeit von der sozialen Umwelt und von den Hörbehinderten selbst nicht als das entscheidende, die Persönlichkeit prägende Merkmal gesehen wird, das häufig einen Ausschluss aus der Gesellschaft bedeutet, sondern als eine Behinderung, mit der der betroffene Mensch selbst und alle anderen umgehen lernen können und müssen. Die Entfaltung der Lern- und Leistungsfähigkeiten ist in einer „Bildungsgemeinschaft“, die bereit ist, hörbehinderte Kinder aufzunehmen, auf vielfältige Weise möglich. Seit etlichen Jahren gibt es für gehörlose Menschen die Möglichkeit einer operativen Versorgung mit einem Cochlear Implantat. Dadurch wird es für sie möglich, Hörerfahrungen zu machen und Lautsprache zu erlernen. Die Fragen zur Versorgung mit Cochlear-Implantaten und damit verbunden die Entscheidung für lautsprachliche oder nonverbale Erziehung, werden in Gehörlosenverbänden heiß diskutiert. Lautsprachliche Frühförderung muss zum Ziel haben, dass die Kinder intensive Hörerfahrungen machen, damit sie an Sicherheit gewinnen und sprachlich zu kommunizieren lernen. Der medizinische Fortschritt hat enormen Einfluss auf die Bildungsangebote für Hörbehinderte. Die Entwicklung wird dahin gehen, ihnen verstärkt Bildung als gleichwertige „Bildungssubjekte“ in Regelschulen zu ermöglichen. Individuelle Bildungs- und Lernprozesse der Schüler/innen zu fördern heißt, nach Lernvoraussetzungen zu differenzieren und bei der Aufbereitung der Lernangebote individuelle Zugänge beachten. Das bedeutet auch, dass bei Bedarf entsprechende individuelle Fördermaßnahmen zu treffen sind. (vgl. Lehrplan der Sonderschule für gehörlose Kinder, 2008, S. 7) Individualisierung und Differenzierung sind die Qualitätsmerkmale eines offenen Unterrichts in heterogenen Lerngruppen und damit grundsätzlich in jeder Bildungsgemeinschaft. Das gilt auch für Bildungseinrichtungen, die sich um möglichst homogene Lerngruppen bemühen. Ob eine Gruppe von Menschen als heterogen oder homogen empfunden wird, ist von der Sichtweise bestimmt. Kinder mit einer Hörbehinderung können nur in einer Bildungsgemeinschaft, die sich ihrer Heterogenität bewusst ist und entsprechend zu handeln bereit ist, ein förderliches Lernumfeld finden. 67 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Hörbehinderte Kinder in der Regelschule/VS Börsegasse und PVS Judenplatz (Erfahrungen 2-er Kinder Valentin und Agnes) Ein erheblicher Anteil der Kinder mit einer Hörbehinderung besuchen Regelkindergärten und Regelschulen im Rahmen der Integration oder auch ganz ohne sonderpädagogische Maßnahmen. Im Sinne einer „Bildung für alle“ muss für hörbehinderte Kinder, die keine großen Sprach- oder und psycho-sozialen Entwicklungsrückstände aufweisen, Bildung auch ohne Integrationsmaßnahmen möglich sein. Wenn Unterschiede als „normal“ empfunden werden, gilt das auch für den Unterschied von gut und schlecht hören. Die Hörbehinderung kann in einer Bildungsgemeinschaft von normal Hörenden als ein spezifisches Problem unter anderen aufgefasst werden und muss nicht als ein Merkmal gelten, das die Betroffenen schlechtweg zu Behinderten stempelt. Die Audiopädagogin Susi Ungricht-Brumm listet in einem Vortrag die psychologischen und psychosozialen Voraussetzungen des hörbehinderten Kindes, das eine Regelschule besuchen will, folgendermaßen auf: „Gesundes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, altersgemäße Selbständigkeit, Frustrationstoleranz, Belastungsfähigkeit, altersgemäße emotionale und affektive Ausgewogenheit (keine aktive und passive Verweigerung, kein Trotz, keine Mutlosigkeit), Kontaktfähigkeit zu anderen Kindern und zu anderen Bezugspersonen, keine sozialen Ängste, sich einlassen können, altersgemäße Konzentrationsfähigkeit, altersgemäßes Durchhaltevermögen,...“ (Ungricht-Brumm, 1995, S. 13) Betreffen die aufgeführten Entwicklungsziele nicht alle Kinder, die in Regelschulen gebildet werden sollen? Die altersgemäße psycho-soziale Entwicklung des hörbehinderten Kindes ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Weiterbildung in einem hörenden Umfeld. Die von Susi Ungricht-Brumm angeführten Voraussetzungen sollten im Idealfall alle Kinder erfüllen, die eine Regelschule besuchen wollen. Doch Bildung muss auch für Kinder möglich sein, die diese Bildungsziele der vorschulischen Erziehung noch nicht erreicht haben, ob aufgrund einer Hörbehinderung oder auf Grund eines anderen entwicklungsverzögernden Einflusses. Für diese Kinder müssen ausreichend geeignete Pädagogen/innen oder andere kompetente Personen zur Verfügung stehen, um entsprechende Fördermaßnahmen setzen zu können. „Dass zwischen Hörverlust und schulischem Versagen ein enger Zusammenhang besteht, ist durch viele Untersuchungen belegt, die alle nachgewiesen haben, dass auch eine nur leichtgradige und selbst eine nur einseitige Schwerhörigkeit schulisches Versagen zur Folge haben können.“(Sonderpädagogischer Förderbedarf, 1999, S. 30) Diese Feststellung wirft zwei Fragen auf. Zunächst müsste überlegt werden, was uns ein Zusammenhang von geringfügiger Schwerhörigkeit und schulischem Scheitern über Unterricht und Schule berichtet. Weiters stellt sich die Frage nach dem Begriff des „Versagens“. Es kann kein schulisches Versagen als Folge von festgelegten Anforderungen geben, weil es im Wesentlichen darauf ankommt, auf individuellen Wegen ausreichend Kompetenzen zu erwerben, um das Leben führen zu können.(vgl. Stinkes, S. 7) Welche Kompetenzen in welchem Ausmaß, in welchem Zeitraum auf welchem Weg erworben werden, wird von Persönlichkeit zu Persönlichkeit verschieden sein. Die Wege müssen für alle offen sein und in Begleitung einer offenen Bildungsgemeinschaft gefunden werden können. Die erfolgreichen Bildungswege von Valentin und Agnes, die vom Kindergarten, über die Volksschule (PVS Judenplatz und VS Börsegasse) bis zur Matura an einem humanistischen Gymnasium ohne sonderpädagogische Förderung unterrichtet werden konnten zeigen, dass unter entsprechenden Voraussetzungen, wie einer frühen, gezielten Förderung, Bildung im Regelsystem möglich ist. 68 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Dieser im Grunde nicht defizitorientierte Ansatz korreliert in wesentlichen Aspekten mit einem ganzheitlichen Bildungsbegriff. Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass Fehleinschätzungen bezüglich ihrer Behinderung und mangelnde Bereitschaft zur Rücksichtnahme von Gleichaltrigen und Lehrpersonal, zu Schwierigkeiten führten, mit denen beide während ihrer Schulzeit regelmäßig konfrontiert waren. Durch die Weitergabe von Information über ihre Behinderung an Pädagogen/innen und Mitschüler/innen versuchten sie, diesen Problemen zu begegnen. Entscheidend wird es sein, den beeinträchtigten Menschen nicht über seine Behinderung zu definieren, ihn nicht als defizitäre Abweichung eines „Normalfalls“ mit unangemessenen Anforderungen zu konfrontieren. Es muss für eine soziale Umwelt gesorgt sein, die zu einer offenen und rücksichtsvollen Kommunikation mit ihnen bereit ist und sich im intersubjektiven Austausch auf den ganzen Menschen einlässt. Bezirksschulinspektorin Mag. Ulrike Mangl Stadtschulrat für Wien 1. Inspektionsbezirk Karl-Borromäus-Platz 3, 1030 Wien Literaturverzeichnis LEHRPLAN der Sonderschule für gehörlose Kinder In: BGBl. II - Ausgegeben am 30. April 2008 Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien 2008 RENZELBERG, Gerlinde Schwerhörigenpädagogik In: Bleidick, Ulrich u. a.: Einführung in die Behindertenpädagogik Bd. 3 Schwerhörigen-, Sehbehinderten-, Sprachbehinderten-, Verhaltensgestörtenpädagogik 5. Auflage. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart Berlin Köln 1999 STINKES, Ursula Auf der Suche nach einem veränderten Bildungsbegriff. In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft. Nr. 3/1999 Online unter: http//bidok.uibk.ac.at/library/beh3-99-suche.html (Stand: 21.09.2009) UNGRICHT-BRUMM, Susi Die Betreuung integrierter hörgeschädigter Kinder in Schule und Ausbildung. In: Kongressbericht. Internationales Beratungszentrum/Meggen, Berchtesgaden 1995 69 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Afrika (Ein Projekt-Bericht von Marianne Hackl, SPZ 6, Spalowskygasse) Was ist uns da bloß eingefallen? Von Februar bis Ende März wurden drei Schulen von afrikanischen Tieren bevölkert, von afrikanischen Farben dominiert, von AfrikanerInnen besucht und sie wiegten sich im Takt zahlreicher afrikanischer Rhythmen. Wie das geschehen konnte? Ganz einfach! Im Jänner dieses Jahres begannen Martina Bonner und Trude Ptacek (SPZ 6, Mittelgasse) und Monika Giuliani (VS 14, Lortzinggasse), die sie als Kontaktstudentin kennen gelernt hatten, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, ein gemeinsames Projekt in Angriff zu nehmen. Bald schon stieg auch Marianne Hackl (SPZ 6 Spalowskygasse) in das Projekt ein. So kam es, dass aus einer kleinen Idee plötzlich ein schulenübergreifendes Projekt wurde, das sogar die Grenzen der Inspektionsbezirke zum Wackeln brachte. Schließlich beteiligten sich sieben Lehrerinnen mit ihren Klassen an diesem Projekt: - Martina Bonner und Trude Ptacek mit der „FÖKL 6“ des SPZ Mittelgasse - Marianne Hackl und Dominique Unseld mit der „6 ALG“ des SPZ Spalowskygasse - Agnes Ortner und Monika Giuliani mit der Integrationsklasse „3 A“ der VS Lortzinggasse - Clara Reininger als medienpädagogische Unterstützung aus der SPZ Mittelgasse Warum gerade dieses Thema gewählt wurde, ist leicht zu erklären. Wer mit offenen Augen und Ohren durch diese Stadt geht, wird merken, wie Menschen nach wie vor nur aufgrund ihrer Hautfarbe massiven Anfeindungen ausgesetzt sind. Wir Lehrerinnen wurden damit in der Vergangenheit immer wieder konfrontiert, weil die afrikanischen Kinder, die wir bisher unterrichteten, viele ähnliche Geschichten zu erzählen hatten. Obwohl wir immer wieder versuchen, dagegen zu arbeiten, gelingt es uns nicht immer – nicht einmal in der eigenen Klasse – diese Form von Anfeindungen zu beseitigen. Wie man sieht, ein Problem, das unter den Nägeln brennt. Ein Problem, dem wir mit diesem Projekt etwas entgegensetzen wollten. 70 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Darüber hinaus ist 2010 für Afrika ein Jubiläumsjahr. Vor fünfzig Jahren wurden siebzehn afrikanischen Staaten unabhängig. Dies ist wohl der Grund, warum Afrika momentan in so vielen Radio- und Fernsehsendungen zum Thema gemacht wird. Natürlich bewog uns noch ein weiterer Grund zu diesem Thema. Ein Grund, der für viele Kinder der greifbarste war: Die Fußballweltmeisterschaft findet heuer in Südafrika statt. Schnell wurden die Grenzen des Projektes klar. Wir konnten aus finanziellen und stundenplantechnischen Gründen nicht das komplette Programm gemeinsam machen. So einigten wir uns darauf, gemeinsame Highlights zu erleben, zu denen alle Klassen zusammenkommen würden. Die restliche themenspezifische Arbeit würde in den Klassen stattfinden, was jedoch auch den Vorteil brachte, dass die Themen an das jeweilige Klassenniveau angepasst wären. Schließlich gab es bei den teilnehmenden Kindern doch einen Altersunterschied von sieben Jahren zu berücksichtigen! Gemeinsame Highlights 1) Trommeln und Tanzen mit Herrn Prince Ashirifie aus Ghana Alle drei Klassen trafen einander in Lortzinggasse zu einem Trommelworkshop. der VS Prince brachte uns nicht nur erste Rhythmen bei, sondern auch afrikanische Spiele und schließlich brachte er unsere Hüften zum Lied „Pati Pata“ von Miriam Makeba so richtig zum Schwingen. 71 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 2) Workshoptag am SPZ 6 An den Workshops nahmen die Kinder der FÖKL 6 und der 6 ALG teil. Die Kinder wurden auf vier Gruppen aufgeteilt und machten die folgenden Stationen durch: 1. Station: Trude Ptacek: Tingatinga-Malerei Edward Saida Tingatinga war ein junger Afrikaner, der in seinem Heimatland Tansania einen neuen Malstil begründete. Er malte Tiere so, wie sie in Wirklichkeit nie aussahen. 2. Station: Marianne Hackl: Afrikanische Masken als Linoldruck Lieber hätten wir die Masken ja originalgetreu aus Holz gefertigt. Aber dann wären wir jetzt noch nicht fertig. 3. Station: Dominique Unseld: Akua-Ba-Figuren aus Salzteig Akua-Ba-Figuren sind kleine Holzfiguren, die schwangeren Frauen geschenkt werden, damit sie gesunde und schöne Kinder zur Welt bringen. 4. Station: Martina Bonner: Forschungsstation zu afrikanischen Tieren In diesem Workshop entstanden Forschungsstationen für die gesamte Schule. Durch Aufklappen von kleinen Türchen in vergrößerten afrikanischen Tieren aus Karton kommt man zu wichtigen Informationen über das jeweilige Tier. 72 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 3) Kochen mit Frau Amina Fahra Hassan aus Somalia Die 6 ALG lud Frau Hassan zu einem Kochnachmittag ein. Frau Hassan ist die Mutter einer Schülerin der 6 ALG. Gemeinsam wurden an diesem Nachmittag Unmengen Sambouzas, afrikanische Fleischtaschen, zubereitet. Auch Martina Bonner kam als Gast und backte mit den Kindern afrikanisches Erdnussnougat. Gegessen wurden die Speisen allerdings erst am Tag darauf beim gemeinsamen Buffet 4) Kochen mit Mag. Mahoudagba Christophe Adjassoho aus Benin Mit der FÖKL 6 und der 3 A kochte Christophe Adjassoho afrikanisches Ba (=Hühnergericht) mit Maniokteig und Monjo (Tomatensauce), eine Speise aus Benin. Außerdem zubereitet. wurden frittierte Kochbananen 73 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 5) Afrikanisches Buffet Zum afrikanischen Buffet am SPZ 6 reisten nicht nur die 3 A der VS Lortzinggasse an, sondern es lockte auch alle beteiligten DirektorInnen an. (Wir bedanken uns sehr fürs Kommen. Das hat nicht nur den Kindern sehr viel bedeutet!) Alle ließen sich die Sambouzas, das Erdnussnougat, das Ba, die Kochbananenchips und den Bananenkuchen so richtig schmecken. An diesem Tag gab es auch eine erste Zwischenpräsentation der bisher entstandenen Werke und einstudierten afrikanischen Gesänge und Tänze. Jede/r Teilnehmer/in bekam als Gastgeschenk von der 6 ALG einen afrikanischen Glücksbringer. 6) Exkursion nach Schönbrunn Auch an dieser Exkursion nahmen alle drei Klassen teil. Die Kinder wurden bunt durchgemischt und in drei Gruppen auf Rätselralley geschickt, um die Tiere Afrikas besser kennen zu lernen. Schließlich trafen wir einander wieder bei der Elefanten-Fütterung und einer anschließenden gemeinsamen Kinder-„Fütterung“ am Spielplatz. 7) Gemeinsame Präsentation und Auftritt des Reggae-Rappers Cola-Man (Herr Michael Igboanugo) Am 24.3.2010 beendeten wir unser Projekt mit einer Präsentation im Turnsaal des SPZ 6 Spalowskygasse. Der Turnsaal wurde von den Kindern der FÖKL 6 und der 6 ALG eifrig mit allen Kunstwerken und Plakaten geschmückt, die im Laufe des Projektes entstanden waren. Auch die VS Lortzinggasse brachte ihre Werke für die Präsentation mit. Außerdem präsentierten wir das Kochbuch, das sämtliche Rezepte der Buffetspeisen enthielt. Das gesamte SPZ sah zu, als die Kinder über die Arbeiten im Projekt berichteten, ihre Lieder vorsangen und vortanzten. 74 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Den Höhepunkt dieses Tages bildete der in Österreich lebende Reggae-Rapper Cola-Man aus Nigeria. Er gab einige Lieder seiner CD zum Besten und schaffte es, wirklich jedes Kind und auch alle Erwachsenen mit seiner Musik mitzureißen. Diese Highlights bildeten jedoch nur einen kleinen Teil unseres Projektes. Denn die Hauptarbeit wurde in den Klassen durchgeführt. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die Themen, die wir behandelt haben. 75 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Projekt FÖKL 6 Mittelgasse Kognitive Themen: - Klassenlektüre: Meine Oma lebt in Afrika von Annelies Schwarz Thema Ausgrenzung – Andersartigkeit akzeptieren lernen. Afrikanische Tiere Afrikanische Ureinwohner Leben in afrikanischen Städten und am Land Kreative Themen - Faschingsmasken: Afrikanische Tiermasken aus Papptellern, Pappbechern, Pappmachee und Kreppbändern - Lied: Simama Ka – ein Sitztanz bei dem alle Hühner zu gackern beginnen, und die ZuschauerInnen schließlich auch. - Lied: Geresiya - Bild: Afrika aus der Vogelperspektive - Tischtücher: afrikanische Symbole wurden auf zwei Tischtücher gedruckt Kognitive Themen: - Klassenlektüre: Meine Oma lebt in Afrika von Annelies Schwarz Selbstgemachte Projektbüchlein: Wissenswertes über Afrika Kinder in Afrika (Familienleben, Wohnen, Schule, Arbeit) Kreative Themen: - - - Faschingsmasken: Afrikanische Tiermasken aus Papptellern, Pappbechern, Pappmachee und Kreppbändern Lied: Der Löwe schläft heut Nacht (Deutsche Version von The lion sleeps tonight) Lied: Geresiya Bild: Male einen Afrikaner, wie du ihn dir vorstellst Afrikanische Perlenketten Afrikanische Masken aus Salzteig 76 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Projekt der 6 ALG am SPZ Spalowskygasse Kognitive Themen: - Afrikanische Landschaftsformen Tiere in Afrika Landwirtschaft in Afrika Thema Ausgrenzung - Apartheid in Afrika Thema Ausbeutung - Kolonisation in Afrika Klassenlektüre: Meine Oma lebt in Afrika von Annelies Schwarz Kreative Themen: - Faschingsmasken: Afrikanische Tiermasken aus Papptellern, Pappbechern, Pappmaché und Kreppbändern Lied: The lion sleeps tonight (wurde mehrstimmig mit allen drei Klassen aufgeführt) Lied: Yakanaka vanghieri aus Südafrika Tanz: Afrikanische Tanzbewegungen in einer eigenen Choreographie zum Lied Alane von Wes Afrikanische Glücksbringer aus Holz wurden im Werkunterricht hergestellt. Ndebele-Türverkleidung: Im GZ-Unterricht wurde eine neue Türverkleidung ausgemessen und hergestellt. Muster wurden von Ndebele-Häusern abgezeichnet und schließlich originalgetreu mit Fingern bemalt. Am Ende dieses Projektes können wir nicht überprüfen, ob wir alle unsere Ziele erreicht haben. Aber wir wissen, dass wir unseren SchülerInnen den Kontinent und ein paar Menschen Afrikas von einer äußerst positiven Seite zeigen konnten. Die Kinder konnten in den Reichtum, die Vielfalt Afrikas hineinschnuppern und waren immer wieder überrascht, wie viele Gesichter dieser Kontinent zu bieten hat. Und was mindestens genauso wichtig ist: Die Kinder haben in diesem Projekt Leistungen vollbracht, auf die sie sehr stolz sind und noch lange sehr stolz sein werden. 77 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Danksagung Natürlich ist so ein tolles Projekt nur möglich, wenn eine ganze Menge Menschen sinnvoll zusammenarbeiten. Deshalb soll am Ende dieses Artikels den tragenden Personen gedankt werden. Vor allem tausend Dank an alle Gäste, die mit uns gearbeitet und dieses Projekt zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben: Frau Amina Fahra Hassan, Herr Prince Ashirifie, Herr Christophe Adjassoho und Cola-Man. Vielen Dank an alle DirektorInnen, die uns finanziell und organisatorisch in jedem einzelnen Anliegen hundertprozentig unterstützt haben: Frau Dir. Roswitha Jily (SPZ 6, Spalowskygasse), Herr Dir. Josef Heissenberger (SPZ 6, Mittelgasse), Frau Dir. Susanne Krumpholc (VS Lortzinggasse) und Frau Dir. Brigitte Schopper (SPZ 14, Linzerstraße). Ein ganz großes Dankeschön an das Afro-Asiatische Institut, das uns Herrn Adjassoho und an die Caritas Wien/Interkulturelle Bildungsprojekte, die uns Herrn Ashirifie vermittelt hat. Vielen Dank an alle Kolleginnen, die bei dem Projekt mitgearbeitet haben, für die wunderbare, humorvolle und erfrischende Zusammenarbeit. Und natürlich gilt ein großes Dankeschön auch den 39 Kindern, die mitgearbeitet haben. Denn ihre Begeisterung war es, die uns zu immer neuen Ideen beflügelte. 78 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Herr Bruno Sternath, Projektleiter und Dozent am Heilpädagogischen Institut an der Pädagogischen Hochschule in Bern, war im Jänner 2010 eine Woche in Wien um hier in Integrationsklassen zu hospitieren und mit diversen Expert/innen Erfahrungen auszutauschen. Er hat diese Eindrücke sehr ausführlich dokumentiert und uns einen Bericht geschickt. Es würde den Rahmen des Integrationsjournals sprengen, diese Dokumentation in der vollen Länge wiederzugeben. Außerdem sind verschiedene Inhalte in diesem Beitrag den Leser/innen in Wien auch schon bekannt (sieh auch „Leitfaden für schulische Integration in Wien“). Wir möchten aber die Einleitung und auszugsweise vereinzelte Passagen abdrucken, um zumindest einige seiner Eindrücke zu vermitteln und bedanken uns ganz herzlich für die Übermittlung dieses Berichts. Für Interessierte kann er auch in der vollen Länge unter www.humanpsychology.ch Rubrik: Projekte – Evaluation – nachgelesen werden. Brigitte Mörwald Integrationsberatungsstelle Wien Eindrücke vom Erfahrungsaustausch und Hospitationen an Wiener Integrationsschulen 15. Januar bis 22. Januar 2010 Einleitung Zwischen dem 15. Januar und dem 22. Januar 2010 fand in Wien ein Erfahrungsaustausch mit Expertinnen/Experten in Bezug auf Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) statt. Der vorliegende Bericht fasst die in dieser Woche gewonnen Eindrücke von Gesprächen und Beobachtungen zusammen und trägt dazu bei, die Geschichte und die momentane Situation der Integration von Kindern mit SPF im Bundesland Wien kennen zu lernen. Ab Abschnitt 2.1ff werden die Gespräche vom Freitag, 15. Januar 2010, mit Frau Dipl. Päd. Brigitte Mörwald und mit Frau Mag. Judith Stender zusammengefasst. Die beiden Integrationsexpertinnen zeigten zuerst die Geschichte der Integrationsbewegung in Österreich und insbesondere im Bundesland Wien auf. Näheres zur Integrationsberatungsstelle wird ab Abschnitt 2.1.3.1 erläutert. Danach (2.1.4ff) wird ein Überblick über den effektiven Weg aufgezeigt, den ein Kind mit SPF in die Integration zurücklegen muss. Dabei wird dem Leser aufgezeigt, dass dieser Weg diverse Herausforderungen an alle beteiligten Parteien stellt (siehe 2.1.4.1), die Vorteile bzw. positiven Punkte der Integration aber klar überwiegen. Die Integration von Kindern mit SPF scheint in Wien dank verschiedener Maßnahmen (beispielsweise die Festlegung von Fördermaßnahmen, Richtlinien und Qualitätsstandards) und nicht zuletzt dank jahrelanger Erfahrung relativ gut zu funktionieren. 79 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Am Montag, 18. Januar 2010, (siehe 2.2) fand ein Mentoren-Meeting zur diagnostischen Fortbildung an Schulen mit der Referentin Anke Aschhoff statt. Am Dienstag, 19. Januar 2010, (siehe 2.3) erfolgte ein Besuch bei einer Integrationsklasse, bei welcher Gelegenheit ein Kind mit Autismus Spektrum Störungen (ASS) befragt werden konnte. Die gewonnen Erkenntnisse sind ebenfalls auf den zahlreichen Fotos (Abb. 1-6) ersichtlich. Am Dienstag, 19. Januar 2010, fand ein Besuch bei der Autismushilfe Wien statt (siehe 2.4). Mag. Dr. Martin Felinger, der Leiter der Autismushilfe Wien, erklärt wie der Assistenzeinsatz von Psychologinnen/Psychologen sowie Sonderpädagoginnen/-pädagogen und wie die Schulung von sonderpädagogischen Lehrkräften vor sich geht. Später konnte hinter Einwegscheiben Elterngesprächen beigewohnt werden (siehe 2.4.4). Am Mittwoch, 20. Januar 2010, erfolgte die zweite Hospitation an einem Gymnasium (siehe 2.5). Frau Mag. Claudia Kaluza war zu einem Gespräch bereit. Bei dieser Gelegenheit konnten auch zwei Kinder mit ASS (Asperger) besucht werden (siehe dazu auch Abb. 6-8). Am Donnerstag, 21. Januar 2010, erfolgte die dritte Hospitation am Kaisermühlendamm in Wien (2.6). Es konnten Gespräche mit der diplomierten Sonderpädagogin Sabrina Haider und der Schuldirektorin Dr. Susanna Bews geführt werden, die die wichtigsten Punkte der Integration beschrieben haben. Im weiteren Verlauf des Tages konnte zudem ein Kind mit frühkindlichem Autismus besucht werden (siehe auch Abb. 10-12). Am Donnerstag, 21. Januar 2010, erfolgte ein Besuch der kirchlichen pädagogischen Hochschule in Wien (2.7). Zusammen mit Mag. Dr. Edeltraud Wedl konnte ein fachlicher Erfahrungsaustausch über die schulisch-pädagogischen Strukturen, die Weiterführung von integrativen Schulen und die Vorbereitung von Regellehrkräften geführt werden. Anlässlich des Besuches der Pädagogischen Hochschule Wien (2.8) fand am Freitag, 22. Januar 2010, zusammen mit Mag. Rainer Grubich ein Gespräch über Inhalte der Fortbildung sowie die Evaluation von Forschungsprojekten mit autistischen Kindern statt. Am Nachmittag bildete der Besuch im Naturhistorischen Museum den Abschluss des Wiener Erfahrungsaustauschs. Zusammen mit der Pädagogin Andrea Ackerer konnte dort ein Jugendlicher mit Autismus-Spektrum Störung Typ Asperger besucht werden (siehe auch Abb. 13 und 15). In Kapitel 3 wird der Erfahrungsaustausch in Wien reflektiert und festgehalten, dass die Integration von Kindern mit SPF in Wien mehrheitlich positiv umgesetzt werden konnte. Der Autor dieses Berichts wurde durch Heike Meyer, Univ. Dipl. Behindertenpädagogin, auf die Literaturarbeit von Mag. Rainer Grubich „Autismus und Integration – Die Quadratur des Kreises?!“ und dadurch auf die Wiener Integrationsbewegung aufmerksam gemacht. Ein erstes persönliches Treffen fand am 4. Ostschweizerischen Autismus-Symposium unter dem Titel „Vom Rand in die Mitte“ am 7. November 2009 statt. Durch Mag. Rainer Grubich konnte der Kontakt zu Mag. Claudia Kaluza geknüpft werden, die eine Arbeit zum Thema „Autismus und berufliche Integration, Wien, Uni. Dipl. Arbeit 2007“ verfasst hat. Diese schlug vor, einen persönlichen Erfahrungsaustausch in Wien bezüglich Integration an Wiener Schulen zu organisieren. Daraufhin wurde mit der diplomierten Pädagogin und Mitarbeiterin der Integrationsberatungsstelle Wien, Brigitte Mörwald, Kontakt aufgenommen. Die Programm-Besprechung sowie die offizielle Einladung erfolgte durch den Landesschulinspektor für Sonderschulen und Integration von Wien, Gerhard Tuschel. 80 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Dienstag 19. Januar 2010 Hospitation 1 Integrationsklasse Der Besuch der Integrationsklasse (Klassenlehrerin Irmi Güttner) am Dienstag, 19. Januar 2010, war tief beeindruckend. Die Eindrücke sind vor allem auf den nachfolgenden Fotos ersichtlich. Die Teamarbeit zwischen dem Sonderpädagogen sowie der Volksschullehrerin, welche den Unterricht abwechslungsweise gestaltet haben, war imponierend. In der Klasse herrschte zudem eine äußerst integrative Atmosphäre. Mit der Zeit konnte beinahe nicht mehr festgestellt werden, welche Kinder nun der Förderung bedurften und welche nicht. Hilfestellung leisteten die beiden Lehrkräfte denn auch meistens gemeinsam, sie waren sehr gut aufeinander abgestimmt. In der Lektion wurde gerade das Thema „Uhrzeit“ behandelt. Der Unterricht setzte sich aus verschiedenen didaktischen Unterrichtsformen (Einzelarbeit, Gruppenarbeit) zusammen und war sehr ritualisiert (Eingangsübungen, körperliche Übungen etc.). Beeindruckend war überdies, dass die stärkeren Schüler oft den schwächeren Schülern geholfen haben. In der zweiten Hälfte des Tages wurde die Klasse aufgeteilt in eine Handarbeitsgruppe und eine Gruppe, die den Werkunterricht Abbildung 1: besuchte. Der Werkunterricht ist Schulsituation Gruppenunterricht auf den nachfolgenden Fotos sehr mit vorbildlichem Teamteaching gut ersichtlich. Die Kinder durften ein Boot bauen. Auch da standen wieder beide Lehrkräfte unterstützend zur Verfügung. Im Laufe der Lektion konnte ein Kind mit Autismus Spektrum Störungen befragt werden. Es machte folgende beeindruckende Aussagen: Allgemeine Aussage des Kindes: „Ich bin stolz auf mich“ Erwiderung auf die Tatsache, dass das Kind beobachtet wird: „Schlaf nicht ein, wenn du mir zuschaust“ Im Rahmen einer Schreibübung: „Ich schreibe unheimlich langsam“ Auf die Frage „Kannst du auch schneller schreiben?“ meinte das Kind: „Ich bin schnell, wenn ich will“. Auf die Frage „Wann schreibst du denn schnell?“ meinte das Kind: „Wenn ich es jemanden zeigen will, dann bin ich schnell“ Einen besseren Eindruck über die gewonnen Erkenntnisse geben die folgenden Abbildungen (Abb. 1-6): 81 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Abbildung 2: Einzelförderung je nach Situation und Bedarf Abbildung 3: Kinder beim selbständigen spielerischen Aufgabenlösen Abbildung 4: Individuelle Förderung eines Kindes 82 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Abbildung 5: Teil der Klasse beim Werken und Erstellen eines Segelschiffs Abbildung 6: Individuelle Selbsteinschätzung im Verhalten Der Besuch der Integrationsklasse war ein sehr beeindruckendes Erlebnis. Die daraus gewonnen Erkenntnisse werden mir in meiner persönliche Forschungsarbeit dienlich sein. Mittwoch 20. Januar 2010 Besuch der Hospitation II am Gymnasium Am Mittwoch, 20. Januar 2010, erfolgte die zweite Hospitation mit Frau Mag. Claudia Kaluza in einer Kooperativen Mittelschule und an einem Gymnasium. Besuch bei zwei Kindern mit ASS (Autismus-Störung Syndrom) Am selben Tag erfolgte ein Besuch bei zwei Kindern. Das erste Kind mit ASS war in einer Kooperativen Mittelschule in der zweiten Klasse integriert. Frau Kaluza coachte an diesem Tag die Assistenz. Das Kind hatte vor allem Mühe, die Konzentration während längerer Zeit aufrechtzuerhalten, und legte zudem Verhaltensstörungen an den Tag. Dennoch zeichnete es sich durch eine hohe Exaktheit sowie eine ausgeprägte Feinfühligkeit aus. Im Laufe der Schulstunde konnte beobachtet werden, wie die Klassenkameraden sowie die Lehrkräfte und insbesondere die Sonderpädagogin mit dem Kind umgingen. Während den Arbeiten wollte es immer wieder weglaufen, wurde aber durch die Sonderpädagogin davon abgehalten. Zudem musste das Kind oft aufgefordert werden, den Unterricht sowie seine Mitschüler/innen nicht zu stören. 83 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Das zweite Kind mit ASS war in eine Klasse am Gymnasium integriert und hatte eher Mühe im Sozialverhalten, drückte sich aber sehr gewählt aus und beeindruckte durch seine Vitalität. Die besuchte Englisch- und Mathematikstunde erfolgte ohne Assistenz. In der Englischstunde zeigte mir das Kind Karikaturen (siehe nachfolgende Fotos), wobei sich die spezifischen Stärken des Kindes präsentieren. Abbildung 7: Cartoon von einem Gymnasiasten (Typ Asperger) Abbildung 8: Figurenlegende Abbildung 9: Visualisierung von Regeln und zugleich Orientierungsrahmen für alle Kinder Auch dieser Besuch in einer Integrationsklasse hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen, der durchwegs positiv bewertet werden kann. Auch dabei war es interessant, sowohl die Lehrkräfte als auch die Kinder mit SPF zu beobachten. Im folgenden Unterkapitel wird die dritte Hospitation zusammengefasst. Bei dieser Gelegenheit konnte ein Kind mit frühkindlichem Autismus besucht werden. 84 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Donnerstag 21. Januar 2010 3. Hospitation am Kaisermühlendamm Am Donnerstag, 21. Januar 2010, erfolgte die dritte Hospitation in der Volksschule am Kaisermühlendamm in Wien. Im weiteren Verlauf des Tages konnte zudem ein Kind mit frühkindlichem Autismus besucht werden (2.6.5). Im Gespräch mit der diplomierten Sonderpädagogin Sabrina Haider und der Schuldirektorin Dr. Susanna Bews wurden die Integrationsbemühungen am Kaisermühlendamm aufgezeigt. Dabei wurde insbesondere auf die Situation Eltern und Kind (2.6.2) sowie die Unterschiede zwischen Sonderschul- und Regelschullehrkräften (2.6.3) eingegangen. Integrationsschule am Kaisermühlendamm Die Integrationsschule (Volkschule mit Integrationsklassen) am Kaisermühlendamm ist eine Musterschule in Bezug auf die Integration von Kindern mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Das Ziel der Schule ist die individuelle, integrative Förderung von jedem Kind. Die Schule schafft zudem für jedes Kind eine passende Lernumgebung. Gleichzeitig wird auf soziales Lernen und alternative Leistungsbeurteilungen Wert gelegt. Wenn immer möglich, soll das Gespräch gesucht werden, und zwar sowohl innerhalb des Lehrerteams als auch mit allen anderen involvierten Parteien (Erziehungsberechtigte etc.). Die Lernthemen sollen wenn möglich spielerisch angegangen werden. An der Schule besteht denn auch ein großes Angebot an verschiedenen Spielmöglichkeiten (vor allem am Nachmittag). Individuelle Förderpläne Im Gespräch mit den Eltern und dem Kind wird halbjährlich ein Lernplan festgelegt. Es ist möglich, dass die verschiedenen Kinder mit SPF komplett unterschiedliche Lernpläne erhalten. Dies rührt daher, dass vereinzelt große Unterschiede zwischen den Kindern mit Förderbedarf bestehen. Besuch eines Kindes mit frühkindlichem Autismus Bei dem Kind, das beobachtet werden konnte, wurde ein frühkindlicher Autismus diagnostiziert. Es befindet sich in der 1. Klasse einer Integrationsklasse, in der insgesamt vier Kinder mit SPF integriert sind. Das autistische Kind hat sehr wenig gesprochen (für einen besseren Eindruck dienen auch die nachfolgenden Fotos). Auf den Bildern ist ebenfalls ersichtlich, wie wichtig es für die Orientierung des Kindes ist, dass alle Tätigkeiten und Handlungen visualisiert und strukturiert sind. Es wurde eine Situation erwähnt, in der sich einer der Klassenkameraden verletzt hatte. Das autistische Kind konnte dies nicht richtig interpretieren und schlug paradoxerweise sogar noch auf das verletzte Kind ein. Aufgrund dieser und anderen Situationen wurden visuelle Handlungsanweisungen an neuralgischen Punkten angebracht (siehe Foto), damit das Kind nicht in eine Art Ohnmacht verfällt, sondern weiß, was in solchen Situationen zu tun ist. Dieselben Maßnahmen wurden übrigens auch in der häuslichen Umgebung des Kindes getroffen (bspw. für Morgentoilette etc.). Im Laufe des Schuljahres hat das Kind große Entwicklungsschritte durchgemacht, so dass die Förderplanung, die zuvor für ein schwerstbehindertes Kind ausgelegt war, deshalb mit demjenigen der allgemeinen Volksschule abgestimmt werden konnte. 85 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Abbildung 10: Prototyp von schulischer Integration (Inklusion) Abbildung 11: Visualisieren von erwünschten alternativen Verhaltensweisen Abbildung 12: Wöchentlicher Besuch der ‚Leseomi‘ für eine Lektion Der Besuch am Kaisermühlendamm war äußerst interessant und hat erneut die Problematik der Ausbildung von Lehrkräften, die Integrationsklassen leiten, aufgezeigt. Im folgenden Unterkapitel wird kurz auf den Besuch der kirchlichpädagogischen Hochschule in Wien eingegangen. 86 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Donnerstag 21. Januar 2010 Besuch der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems Dr. Edeltraud Wedl war gemeinsam mit Frau Mag. Holzhacker zu einem Gespräch bereit. Es fand ein fachlicher Austausch über die Module der Ausbildung an der Hochschule statt. Im anschließenden Gespräch mit Dr. Wedl ging es dann um die Führung von Integrationsklassen sowie um essentielle Bereiche in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung (Persönlichkeitsbildung, Interventionsstrategien etc.). Im Anschluss erfolgte ein Gespräch mit der Institutsleiterin Frau Mag. Grosser und Frau Mag. Holzhacker über grundsätzliche Fragen zur Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Dr. Edeltraud Wedl bildet Lehrerinnen und Lehrer aus, die vorwiegend im Bereich der Integration tätig sind. Freitag 22. Januar 2010 Pädagogische Hochschule Wien Beim Besuch der Pädagogischen Hochschule in Wien fand ein Erfahrungsaustausch mit Mag. Rainer Grubich statt. Er war ursprünglich Volksschullehrer und hatte schon früh ein Interesse für integrative Maßnahmen. Rainer Grubich war denn auch seit den Anfängen der Integrationsbewegung in Wien engagiert. Heute ist er planender Mitarbeiter der Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer, die in Integrationsklassen unterrichten. Zudem betreibt er auch Forschung im Bereich Autismus Spektrum Störung. Als Mentoren besuchen Rainer Grubich und sieben weitere Personen zudem regelmäßig Klassen in Wien. Nachfolgend werden die Inhalte der Fortbildung sowie die Evaluation eines Forschungsprojekts mit autistischen Kindern (2.8.2) erläutert. Freitag 22. Januar 2010 Hospitation IV im Naturhistorischen Museum Der Besuch am Freitag, 22. Januar 2010, im Naturhistorischen Museum bildete den Abschluss des Wiener Erfahrungsaustauschs. Die Mentorin für Schülerinnen und Schüler mit ASS und Sprachheilpädagogin Andrea Ackerer betreuen dort einen Jugendlichen mit Frühkindlichem Autismus. Dieser darf im Museum ein Praktikum absolvieren. Seine Aufgabe besteht darin, die Besucher zu begrüßen und das Ticket abzureißen. Nach Aussagen von Andrea Ackerer und anderen Mitarbeitern fühlt sich der Jugendliche sehr wohl bei der Arbeit. Auch seitens der Mitarbeitenden erfährt der Jugendliche Wertschätzung und Wohlwollen. Es ist jedoch zurzeit noch eine ständige Eins-zu-Eins-Betreuung notwendig (siehe dazu folgende Bilder). Abbildung 13: Praktikant, Assistenz, Mentorin an einem Tisch Abbildung 14: Praktikant am Naturhistorischen Museum in Wien (Berufliche Integration) Auch dieser letzte Besuch hinterließ einen bleibenden Eindruck. Er zeigte ein gutes Beispiel der beruflichen Integration von Jugendlichen mit SPF auf. Im letzten Kapitel erfolgt das Fazit des Wiener Erfahrungsaustauschs. 87 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Fazit Das Fazit des Erfahrungsaustauschs und der Hospitationen an den Wiener Integrationsschulen fällt durchwegs positiv aus. Es gab sehr berührende und beeindruckende Momente. Die Integration in Wien scheint aus meiner Sicht sehr gut zu funktionieren. Beeindruckend war vor allem, wie die Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen mit den Kindern mit SPF umgehen. Das individualisierte Lernen ist sehr gut umgesetzt. Der Umgang der Lehrkräfte mit Kindern ohne SPF war überdies genauso liebevoll und wertschätzend. Auch die Kinder untereinander gingen sehr liebe- und verständnisvoll miteinander um. Abbildung 15 :‚ Wir sind ein Team‘ mit diesen Worten und dem Bild wir Integrationsgedanke auch gelebt. Mehrmals konnte ein beeindruckendes Teamteaching beobachtet werden. Die Zusammenarbeit zwischen Regelschullehrerinnen und -lehrern und Sonderpädagoginnen und -pädagogen ist vorbildlich. Trotz einfacher Infrastruktur wird das Optimum aus den integrativen Maßnahmen herausgeholt, beispielsweise wird auch der Pausengang als zusätzliches Lehrerzimmer genutzt; die Türen der Schulzimmer sind denn auch mehrheitlich offen. Was bleibt, ist ein Prototyp-Bild, wie Integration eigentlich sein sollte und könnte. Der Kontext ist zwar in der Schweiz verschieden, aber dennoch kann Essentielles aus der 20-jährigen Wiener Integrationserfahrung gezogen werden und im Rahmen des Schweizer Projekts in modifizierter Form an die schweizerischen Verhältnisse angepasst werden. Danksagung Ich möchte allen Personen, die an diesem Erfahrungsaustausch beteiligt gewesen waren, meinen herzlichen Dank aussprechen. Die gemachten Erfahrungen haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen, der durchwegs positiv war. Es gab in dieser Woche mehrere Momente, die mich tief berührt haben. Zudem konnte ich durch den Besuch in den meiner Meinung nach vorbildlichen Integrationsschulen Erkenntnisse gewinnen, die mir in meinem Forschungsprojekt dienlich sein werden. Nicht zuletzt konnte ich dank der hervorragenden Organisation eine äußerst interessante und angenehme Woche in Wien verbringen. Bruno Sternath Psychologe, lic. phil. hum. Evaluator, DAS Uni Bern Projektleiter und Dozent am Heilpädagogischen Institut an der Pädagogischen Hochschule in Bern Literaturverzeichnis Feuser, G., & Meyer, H. (1986). Integrativer Unterricht in der Grundschule. Ein Zwischenbericht: Solms-Oberlbiel, Solms. Integrationsberatungsstelle, S. f. W. (2009). Leiftaden für schulische Integration in Wien (Stadtschulrat für Wien Integrationsberatungsstelle ed., pp. 36). Wien. Sternath, B. (2010). Evaluationsstudie des Beratungs-Coaching und Assistenz Projekts an Berner Regelsschulen. Unpublished Article. Institut für Heilpädagogik der pädagogische Hochschule, Bern. 88 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Leserbriefe An die Redaktion des Integrationsjournals -----Original Message----From: Weidinger(UNI) *EXTERN* Sent: Tuesday, December 01, 2009 10:30 AM To: TUSCHEL Gerhard Subject: AW: Integrationsjournal Dezember 2009 O´ du mein Integrationsgerhard! Ich durfte bereits vor ein paar Tagen die gedruckte Version der jüngsten Ausgabe des Integrationsjournals bewundern! Ganz toll, wie du mit deinem sicher nicht allzu großem Team das alles bewältigst. Dieses Journal ist nicht nur "schön" anzusehen sondern auch inhaltlich voll geglückt. Herzliche Gratulation, auch an deine MitarbeiterInnen! Liebe Grüße Walter 89 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 90 INTEGRATIONSJOURNAL MAI 2010 Liebe Leserin! Lieber Leser! Wir freuen uns, Ihnen die neueste Ausgabe des Integrationsjournals präsentieren zu dürfen. Unser herzlicher Dank gilt auch diesmal wieder allen Autorinnen und Autoren, ohne deren Beiträge es uns nicht möglich wäre, dieses Journal herauszugeben. Die Qualität und die Vielfalt der Artikel sind immer wieder beeindruckend und bringen sehr deutlich auch die Vielfältigkeit der Arbeit mit den uns anvertrauten Kindern zum Ausdruck. Wir planen, die nächste Ausgabe im Herbst 2010 erscheinen zu lassen und freuen uns über Ihre/Deine Beiträge. - Die Auswahl der Artikel, die publiziert werden, trifft das Redaktionsteam. - Fotos bitte im jpg. Format mitschicken. Bitte unbedingt das Einverständnis der Erziehungsberechtigten zur Veröffentlichung der Fotos einholen. - Alle Autorinnen und Autoren sind eigenverantwortlich für den Inhalt der Artikel. Beiträge bitte als Word-Dokument (Standard, 12pt, Arial) mittels E-Mail oder CD an die unten angeführte Adresse senden. Wir bitten alle Autorinnen und Autoren um geschlechtergerechtes Formulieren, wie es in der Broschüre des bm:ukk (vormals bm:bwk) erläutert wird: http://www.bmukk.gv.at/medienpool/15104/2002_22_beilage.pdf Die Beiträge senden Sie bitte an: Stadtschulrat für Wien - Integrationsberatungsstelle Brigitte Mörwald, Mag. Judith Stender, Gerda Kargl 1010 Wien, Wipplingerstraße 28 bzw. per E-Mail an: brigitte.moerwald@ssr-wien.gv.at judith.stender@ssr-wien.gv.at gerda.kargl@ssr-wien.gv.at Abgabeschluss für Beiträge: 15. Oktober 2010 Online finden Sie unser Journal unter der Internetadresse: www.lehrerweb.at Wir freuen uns auf Ihre/Deine Mitarbeit! Das Redaktionsteam: Brigitte Mörwald Mag. Judith Stender Gerda Kargl (Redaktion) (Redaktion) (Redaktion und Layout) 91