„Alesia? Alesia kenne ich nicht.“ – Römische - sebastian
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„Alesia? Alesia kenne ich nicht.“ – Römische - sebastian
Der Inhalt dieser Arbeit unterliegt dem deutschen Urheberrecht und ist über die Creative Commons Lizenz BY-NC-SA zugänglich. Ausdrücklich ausgenommen davon sind die Abbildungen, deren Rechte beim jeweiligen Verlag bzw. Autor/Zeichner liegen. Abbildungsnachweise sind im Anhang zu finden. HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN Institut für Klassische Philologie PS Caesar: Bellum Gallicum SS 2003 „Alesia? Alesia kenne ich nicht.“ – Römische Wahrheit im französischen Nationalcomic von Sebastian Fischer Berlin, 2003 INHALTSÜBERSICHT 1. Vorbemerkung 3 2. Zielsetzung 3 3. Kurzschilderung der beiden Abenteuer: 5 Asterix und der Arvernerschild und Asterix bei den Belgiern 4. „Ich werde ihnen zeigen, wer hier der Herr ist!“ – 6 Caesars Bellum Gallicum als Asterix’ Grundlage a. Geschichtliches 6 b. Fiktive und reale Namen 8 c. Gallierdarstellung 9 a) keltische Gallier 9 d. 5. b) Belgier 11 c) der Stammesführer Majestix 12 d) der Druide Miraculix 13 Sprachspiele 13 Bellum Gallicum in Sprechblasen: 15 Caesaris e commentariis de bello Gallico Bellvm Helveticvm 6. Schluss 16 7. Bildnachweis 17 8. Quellenangabe 18 -2- 1. VORBEMERKUNG Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt… Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die römischen Legionäre, die als Besatzung in den befestigten Lagern Babaorum, Aquarium, Laudanum und Kleinbonum liegen…1 So wie diese Sätze dem geneigten Leser in unzähligen Geschichten des kleinen Galliers Asterix von Kind auf entgegengetreten sind und den Beginn eines jeden Abenteuers markieren, so wird auch der Anfang in Caesars Commentarii de bello Gallico (im Weiteren: BG) – „Gallia est omnis divisa in partes tres“2 – wohl zu den ersten lateinischen Schriftstellerworten jedes Schullateiners gehört haben. Durch die zeitgleiche Lektüre der beiden unterschiedlichen Abhandlungen desselben Geschichtszeitraumes wird der Schüler, wie in späterem Alter auch der Erwachsene, feststellen müssen, dass es sich bei den Asterixbänden nicht um eine komische und rein fiktionale Widerspiegelung heroisch glorifizierten Nationalstolzes zweier Franzosen – Goscinny und Uderzo – handelt, sondern die Historie, wie sie Caesar in seinen Commentarii3 aufzeichnete, die Grundlage für die erzählerische Ausschmückung mit vordergründigem Anspruch auf Amüsement bildet. Weder erwartet der Leser von den Autoren, noch diese von sich selbst eine Abhandlung fundierten antiken Geschichtswissens, jedoch scheint beachtenswert, wie viele Parallelen vom lateinischen Text zum Comicstrip gezogen werden können. 2. ZIELSETZUNG Es wird wohl der Anspruch dieser Arbeit bleiben müssen, nur einen Teil der vorhandenen und die Komik unterstreichenden Bezüge auf Caesars Gallierdarstellung, seine Ereignisabhandlungen und aufgezeigten Kriegsgeschehen in allen Asterixabenteuern aufzuführen. Deshalb scheint es sinnvoll, die Konzentration auf zwei Bände zu legen, die 1 Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix und der Arvernerschild. Berlin 2002, S. 3. Gaius Iulius Caesar: Bellum Gallicum. Vollst. Ausg. mit e. Einleitung v. Hans Jürgen Tschiedel u. Sacherklärungen u. ausgewähltem Bildmaterial v. Gerhard Ramming. Paderborn 1978, S. 31. (BG I, 1) 3 Rüpke schreibt, Caesar setze nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich seinen commentarius auf die Ebene von historia, mache diese sogar (laut Hiritus und Cicero) überflüssig. Die Verwendung der dritten Person Singluar schaffe es, auf semantischer Ebene Überparteilichkeit zu realisieren und Caesars Werk nicht als politisches Pamphlet erscheinen zu lassen. (Jörg Rüpke: Wer las Caesars bella als commentarii?. In: Gymnasium 1992 XCIX: S. 201-226, S. 206-212.) 2 -3- durch das stereotype Auftreten der Hauptpersonen und Orte repräsentativ für die übrigen Geschichten stehen. Der eine greift durch Bezüge zu den Schlachten in Gergovia und Alesia noch weitere wichtige Elemente in der Beziehung RomGallien auf: Asterix und der Arvernerschild;4 der andere widmet, ausgehend von einem kleinen Zitat Caesars – „horum omnium fortissimi sunt Belgae“5 –, eine ganze Geschichte dem gallischbelgischen Kampftemperament: Asterix bei den Belgiern,6 womit ein Nebenschauplatz eröffnet wird, der einen Blick auf das Leben anderer Bewohner der gallischen Regionen erlaubt. In publizierten Abhandlungen7 über historische Grundzüge im französischen „NationalComic“ wird auch auf andere Quellen (wie Livius, Tacitus und Plutarch – um nur einige zu nennen) zurückgegriffen, die in Anbetracht ihrer Quantität hier kaum einfließen werden, da sich vordergründig mit Caesars Darstellung des Gallienfeldzuges beschäftigt und diese mit den Lebensumständen in Asterix’ Gallien verglichen werden soll. Somit stellt die Arbeit sich die Aufgabe zwischen den beiden Werken – in Hinblick auf die geographischen Begebenheiten, die Charakteristika und das äußere Auftreten der Gallier sowie die historische Folie des Comics – Parallelen zu ziehen und Grundmuster zu finden, die zu einer tieferen Lektüre des oftmals als simpel konstruiert verstandenen Genres Comic8 führen sollen. Auch die simplifizierte Sprache der Bildergeschichten erhält durch den Input der Antikendarstellung ein Recht auf Entfaltung, und der Dialog erhebt sich durch Wortspiele und 4 Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix und der Arvernerschild. Berlin 2002. Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1) 6 Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix bei den Belgiern. Berlin 2001. 7 René van Royen; Sunnyva van der Vegt: Asterix – die ganze Wahrheit. Aus d. Niederländ. v. Nicole Albrecht. Übers. franz. Bildtexte ins Dt. v. Gudrun Penndorf. München 1999. Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001. 8 „Comics […], vor allem unter der Jugend verbreitete Unterhaltungslit., die man der Trivialliteratur zurechnen muß, Hefte, die bildnerische, meist farbige Darstellungen und Textdarbietung in verschiedener Form (Sprechblasen, ‚Denkkästchen’, epische Überleitungen) miteinander in Verbindung bringen. […] Die diesen primitiven Bildgeschichten beigegebene Sprache ist weitgehend vereinfacht, standardisiert, im Satzbau unvollständig und äußerst kurz gehalten.“ (Otto Bantel; Dieter Schaefer: Grundbegriffe der Literatur. Berlin 15 1993. s.v. ‚Comics’, S. 31.) „[A]n der Informationsübertragung [sind] gleichzeitig verbale und non-verbale Zeichen (Bilder) beteiligt. Semiotisch gesehen handelt es sich hierbei um multimediale […] Kommunikation.“ (Hans Grassegger: Sprachspiel und Übersetzung. Eine Studie anhand der Comic-Serie Asterix. Tübingen 1985, S. 11) „Die Sprechblase als Gattungscharakteristikum wird begleitet von gelegentlichen Erzähl- und Anmerkungsblöcken, die ebenfalls in den Bilderrahmen integriert sind.“ (Ebd., S. 13) 5 -4- Kraftausdrücke in Verbindung mit verdeckten Anspielungen oder lateinischen Klassikerzitaten9 auf ein „Niveau des […] Latinums“.10 Um Caesars Exkursionsgedanken auch in dieser Arbeit aufzunehmen, wird im letzten Teil auf ein Comic für den Schulunterricht (Caesaris e commentariis de bello Gallico Bellvm Helveticvm11) verwiesen werden, der den Krieg gegen die Helvetier mit Hilfe von Bilderreihen anschaulich macht und durch Lautmalereien sowie teilweise unvollständigen Satzbau Eigenschaften des Genres zwar aufgreift, aber trotzdem eine andere Herangehensweise an den antiken Text verfolgt. 3. KURZSCHILDERUNG DER BEIDEN ABENTEUER: ASTERIX UND DER ARVERNERSCHILD Majestix muss aufgrund von Miraculix’ diagnostizierten Leberleidens zur Kur nach Aquae Calidae in der Nähe des Arvernerlandes; und Asterix, Obelix und Idefix werden ihn dorthin begleiten. Gleichzeitig lässt Caesar nach dem Schild des Vercingetorix suchen, um einen Triumphzug durch das angeblich wieder aufsässiger werdende Gergovia zu veranstalten. Wie das Schicksal es will, beginnt ein Wettlauf zwischen Römern und Galliern um das so für beide Seiten wichtige Triumphutensil. Die beiden Protagonisten bereisen die Gegend um Gergovia, werden mit kämpferischen Römern, unterdrückten, aber dennoch lebenslustigen Arvernern und vor allem verschiedensten kulinarischen Bewirtungen konfrontiert, um am Ende dieser Geschichte feststellen zu müssen, dass Majestix den Schlüssel zur Beendigung des Suchens trägt bzw. vielmehr auf diesem getragen wird. ASTERIX BEI DEN BELGIERN Als den Kelten in Aremorica zu Ohren kommt, dass Caesar die Belgier für die tapfersten aller Gallier hält, brechen Majestix (der seine Ehre angegriffen sieht), Idefix, Obelix und Asterix nach Belgien auf, um sich mit den gallischen Freunden12 in einen Wettkampf um die 9 Kurt Reichenberger: Astérix Le Gaulois. In: Kindlers Neues Literaturlexikon. Hrsg. v. Walter Jens. Studienausgabe. Bd. 6. München 1998, S. 700f. 10 Ebd. 11 Gaius Iulius Caesar: Caesaris e commentariis de bello Gallico Bellvm Helveticvm. composuit Rubricastellanus. pinxit Faber. Stuttgart [u.a.] 1998. 12 „Denn wenn die Belgier tapfer sind, dann ist es recht für sie und schlecht für Cäsar. Wir sollten und lieber um unsre eigenen Angelegenheiten kümmern.“ (Miraculix; in: Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 10.) -5- Tapferkeit zu begeben. Die Leidtragenden sind natürlich die römischen Feldlager der Umgebung, so dass Caesar mit seinen Legionen anrücken muss, die der Kraft der drei vom Zaubertrank gestärkten Kelten und der Belgier nicht gewachsen sind und aufgeben. Nur bleibt letztendlich ein Schiedsspruch des römischen Feldherrn aus, vielmehr unterstreicht er mit dem Satz „Ihr spinnt alle miteinander!“ die Stärke belgisch-gallischer Allianz. 4. „ICH WERDE IHNEN ZEIGEN, WER HIER DER HERR IST!“13 – CAESARS BELLUM GALLICUM ALS ASTERIX’ GRUNDLAGE 4.1. GESCHICHTLICHES Am auffälligsten scheint die Beibehaltung der vereinfachten Gliederung des gallischen Gebietes bei Asterix aus dem ersten Kapitel des BG. Auf der einführenden Karte14 sind die drei Teile, in die Caesar Gallien aufteilt, eingetragen (den Vorgaben folgend: „Gallos ab Aquitanis Garunna flumen, a Belgis Matrona et Sequana dividit.“15) und bilden einen groben Überblick des besetzten Gebietes. Hinzu aber kommen noch die Bezeichnungen „Provincia Narbonensis“ an der Rhônemündung und „Armoricae“ (in der lateinischen Ausgabe:16 „Aremorica“) im Nordwesten Galliens. Majestix bezeichnet dies als seine Heimat („Wir kommen aus Aremorica. Ich habe bei Gergovia mitgekämpft […]“17) und verweist damit auf die übergeordnete Bezeichnung seines Stammes, die im BG zweimal genannt wird: in his ab L. Roscio quaestore, quem legioni tertiae decimae praefecerat, certior factus est magnas Gallorum copias earum civitatum, quae Aremoricae appellantur, oppugnandi sui causa convenisse neque longius milibus passuum octo ab hibernis suis afuisse, sed nuntio adlato de victoria Caesaris discessisse, adeo ut fugae similis discessus videretur.18 imperant […] X milia universis civitatibus, quae Oceanum attingunt quaeque eorum consuetudine Aremoricae appellantur, quo sunt in numero Coriosolites, Redones, Ambibarii, Caletes, Osismi, Veneti, † Lemovices †, Unelli.19 Da auch die Stämme der Bretagne und Normandie am allgemeinen Gallieraufstand teilnahmen, war auch Majestix alter Veteran in Gergovia, „dem Schauplatz unseres großen 13 Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 18. Ebd., S. 3. 15 Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1) 16 Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix. Clipeus Arvernus. in Latinum convertit Rubricastellanus. Stuttgart 1985. 17 Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 14. 18 Caesar: Bellum Gallicum, S. 120. (BG V, 53) 19 Ebd., S. 176. (BG VII, 75) 14 -6- und unsterblichen Sieges“20, in dessen Nähe er sich im Arvernerschild mit seinen Begleitern zur Genesungskur aufhält. Caesar hingegen lässt Gergovia nicht diesen Gallierruhm zukommen, da der Sieg nur vermeintlich scheint: ipse maiorem Galliae motum exspectans, ne ab omnibus civitatibus circumsisteretur, consilia inibat, quemadmodum a Gergovia discederet ac rursus omnem exercitum contraheret, ne profectio nata a timore defectionis similisque fugae videretur.21 Die französischen Autoren füllen so mit ihren „Kriegshelden“ die Lücke, die der Bericht Caesars über die Verfassung der siegreichen Gallier nach Gergovia hinterlässt, nicht ohne auch auf die andere wichtige Schlacht einzugehen. Es wird der gallische Triumph sofort in demselben Bild22 mit der größten Niederlage bei Alesia und der Unterwerfung ganz Galliens in Verbindung gesetzt. Asterix wolle Alesia besuchen,23 wird aber erst von Majestix, dann von Alkoholix auf die Unkenntnis der Lage, ja gar auf die fragliche Existenz des Ortes verwiesen. Erst der Erzähler muss die ironische Situation prosaisch erklären. Dadurch wird – um den reinen Bezug auf die Niederlage 50 v. Chr., die mit dem Ende des gallischen Aufstands einherging, etwas im Hintergrund stehen zu lassen – mit den Befindlichkeiten besiegter Völker in Hinblick auf bestimmte Schlachten gespielt.24 Auch wird ein Bogen geschlagen an den Anfang des Abenteuers, bei dem das fast letzte Bild des caesarschen BG das erste der Asterixgeschichte bildet: Postero die Vercingetorix concilio convocato id bellum suscepisse se non suarum necessitatum, sed communis libertatis causa demonstrat, et quoniam sit fortunae cedendum, ad utramque rem se illis offerre, seu morte sua Romanis satisfacere seu vivum tradere velint. mittuntur de his rebus ad Caesarem legati. iubet arma tradi, principes produci. ipse in munitione pro castris consedit; eo duces producuntur. Vercingetorix deditur, arma proiciuntur.25 20 Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 12. Caesar: Bellum Gallicum, S. 161f. (BG VII, 43) 22 Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 12, siehe auch: Deckblatt. 23 Im Vordergrund steht hier die Kontrastsetzung der beiden für Gallier so wichtigen Orte, die Realität muss auch dabei zurückstehen: Asterix, Obelix, Idefix und ihr arvernischer Begleiter Alkoholix bewandern die Gegend um Gergovia (zwischen dem heutigen Vichy, Clermont-Ferrand und La Bourboule), müssten aber außerstande sein, einen Abstecher nach Alesia (beim heutigen Dijon) zu unternehmen. Somit hat die Nennung des Ortes einerseits (vorrangig) den Zweck des Amüsements – die Reaktion der Veteranen ist doch sehr verschleiernd –, andererseits die Unterstreichung der Objektivität der französischen Autoren. 24 Neuzeitliche Bezüge könnten Waterloo und Stalingrad sein, obwohl bei diesen Schlachten keine unmittelbare Entscheidung über die Besetzung des staatseigenen Gebietes stattfand. 25 Caesar: Bellum Gallicum, S. 182. (BG VII, 89) 21 -7- Im BG bietet Vercingetorix seinen Tod oder seine Auslieferung an die Römer an – der „summae potentiae adulescens“26, der mit Terror herrscht,27 wird zur Geisel Caesars; im Asterix hingegen wird der Verlierer zum vermeintlichen Gewinner und Caesar zum Leidtragenden. Der Arverner tritt mit Würde,28 wenn nicht gar Hass auf, der Römer wird zum Witz seiner selbst und die mit ihm verbundene Unterwerfung Galliens zur Farce, aber immerhin „geht Caesar [danach] neuen Eroberungen entgegen“.29 Es ist dabei denkbar – auch aufgrund der Staatsangehörigkeit der Autoren –, dass durch dieses Bild (Abb. 8) zweitausend Jahre nach dem Ereignis dem historischen Verlierer, der 47 v. Chr. in Rom hingerichtet wurde, Ehre und dem Gewinner Schmach entgegengebracht werden. 4.2. FIKTIVE UND REALE NAMEN In den Asterixbänden gehen reale Personen und Orte der Geschichte mit fiktiven Benennungen der erfundenen Figuren und Schauplätze – die bestimmten Grundmustern folgen – einher: Auf der einen Seite sind Vercingetorix, der Hauptführer des Gallieraufstandes 52 v. Chr., und Caesar, dessen und der Gegner der übrigen Gallier, zu nennen. Der römische Statthalter steht wie in seinem eigens verfassten Werk auch hier im Mittelpunkt der Streitkräfte des Reiches, denn er war bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges 49 v. Chr. größtenteils in Gallien verblieben. Das Bild des brennenden Ehrgeizes und der alles beherrschenden Bestrebungen, das Plutarch über Caesar erstellt, stimmt weitestgehend mit dem überambitionierten Mann in den Comics überein. So wie er schon in jungen Jahren nach großer Macht strebte,30 so erscheint er auch hier unbelehrbar in der Auseinandersetzung mit den widerspenstigen Galliern (indem er 26 Ebd., S. 143. (BG VII, 4) Vgl.: Ebd., S. 145 (BG VII, 5) 28 Eingeflossen sind scheinbar auch Beschreibungen Plutarchs und Florus’, in denen Vercingetorix würdevoll vom Pferd springt und schweigt bzw. sich als „starken Mann“ (Florus) bezeichnet. (Vgl.: Plutarch, Caesar 27,5; Florus I 45,26) 29 Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 5. 30 Vgl.: Plutarch, Caesar 11,3. 27 -8- immer wieder versucht das Dorf zu erobern, indem er ein für allemal die Belgier und Kelten schlagen will,31 indem er die Arverner mit dem Schild einschüchtern will). Da aber Caesar in seinen Commentarii selten über Charakteristika seiner eigenen Person schreibt, soll auch an dieser Stelle die Darstellung nicht vertieft, und auch die folgenden Benennungen nur angesprochen werden: Fiktive Namen in den Comicbänden bestehen aus einem definierenden Teil32 und leitmotivischen Kennzeichen der Stammes- oder Volkszugehörigkeit ihrer Träger (Suffix). Römische Lager enden auf –um (z.B. ist „Laudanum“33 ein Schlafmittel34), Römer auf –us (z.B. ist Gaius Faulus der „schlimmste Drückeberger der Legion“35) und die Bewohner Galliens auf –ix, angelehnt an die Namen der Gallier im BG (z.B.: Ambiorix, Dumnorix, Viridovix). Auffallend bleibt, dass dem Asterix als einziger Hauptperson die Endung –rix für „König“ gewährt wird, und die Stammesführer sich mit dem Suffix –ix, gleichwie der Großteil ihrer Männer, begnügen müssen. 4.3. DIE GALLIERDARSTELLUNG a) KELTISCHE GALLIER Vor allem werden Charaktereigenschaften, mit denen Caesar die Gallier, die sich in des Feldherrn Augen barbarisch verhalten, und es für sie eine Wohltat sein müsse, die Zivilisation als Unterwürfige Roms zu genießen,36 beschreibt, für die Dorfbewohner übernommen. nam ut ad bella suscipienda Gallorum alacer ac promptus est animus, sic mollis ac minime resistens ad calamitates ferendas mens eorum est.37 31 „Ich komme zu dem Treffen! Mit meinen Legionen! Ich zermalme euch! Ich reibe euch auf! Ich murkse euch ab! Ich massakriere euch!“ (Caesar; in: Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 37.) 32 Grassegger unterscheidet dabei zwischen näherer Charakterisierung des Namensträgers („sprechende Namen“) oder ob dieser mit „Anleihen an die heterogensten Bewusstseinsklischees“ etikettiert wird. (Grassegger: Sprachspiel, S. 47) 33 Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 3. 34 Royen; Vegt: Wahrheit, S. 87. 35 Patrouillenführer; in: Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 24. 36 Demetrios E. Koutroubas: Die Darstellung der Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“. Heidelberg 1972, S. 200. 37 Caesar: Bellum Gallicum, S. 79. (BG III, 19) -9- Die Gallier sind leidenschaftlich und mutig, aber auch großsprecherisch, was Caesars Versuch römischen Leser unzuverlässig präsentieren. und entspräche, die dem Gegner als barbarisch zu 38 Inwieweit sich die Kelten im Asterix bei Niederlagen gegen die Römer verhalten, ist, jedenfalls in den betrachteten Abenteuern, nicht herauszufinden, nur zeigt sich im Umgang mit den Belgiern ein Siegesdrang sondergleichen. Jedoch die Schadenfreude,39 die die Kelten gegen die Römer verlauten lassen, kommt nicht von ungefähr. Caesar selbst schreibt im BG: „plerumque omnibus Gallis prae magnitudine corporum suorum brevitas nostra contemptui est“40, wobei das römische Heer im Comic noch übertriebener als „zu groß oder zu klein […], zu dick oder zu dünn und zu lang oder zu kurz“41 dargestellt wird. Die Angriffe auf den Feind geschehen dann auch spontan42 und ohne Ordnung43 und militärische Erfahrung – was bei einer kleinen Gruppe von zwei oder drei Mann nicht verwunderlich scheint. Auch wird der Widerstand der Gallier gegen die römische Unterwerfung von „beiden“ Caesaren (im BG und Asterix) als „rebellio“ definiert.44 Eine schon erwähnte Textstelle45 muss noch einmal aufgeführt werden, da die Bewohner des gallischen Dorfes die dortige Beschreibung Caesars über die Aremoriker nicht erfüllen. In keiner Szene im Asterix lassen sich die Kelten von einem Sieg des Römers auf solche Weise einschüchtern, dass sie sich einer Flucht ähnlich zerstreuen. 38 Koutroubas: Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“, S. 185. Während Obelix einem römischen Soldaten Ohrfeigen en gros verpasst, lässt er verlauten: „Ich fühl mich wie zu Hause. Es sind die gleichen Typen wie bei uns!“ (Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 18.); oder in Vorfreude auf den Angriff auf ein Römerlager: „Jetzt ziehn wir eine Schau ab!“ (Ebd., S. 17.) 40 Caesar: Bellum Gallicum, S. 70. (BG II, 30), siehe auch: Ebd., S. 119. (BG V, 51): „ac sic nostros contempserunt“. 41 Royen; Vegt: Wahrheit, S. 113. 42 Vgl.: Caesar: Bellum Gallicum, S. 74. (BG III, 8): „ut sunt Gallorum subita et repentina consilia“. 43 Vgl.: Ebd., S. 66. (BG II, 19): „incredibili celeritate ad flumen decucurrerunt, ut paene uno tempore et ad silvas et in flumine et iam in manibus nostris hostes viderentur. eadem autem celeritate adverso colle ad nostra castra atque eos, qui in opere occupati erant, contenderunt.” 44 Vgl. Abb. 11 mit Caesar: Bellum Gallicum, S. 75. (BG III, 10): „rebellio facta post deditionem”. 45 Siehe: Fußnote 19. 39 - 10 - b) BELGIER Zwar verwenden Goscinny und Uderzo hier anscheinend den neuzeitlichen Begriff der Belgier, um dem Leser eine Identifikation mit dem heutigen Staat zu ermöglichen, aber es wird eindeutig klar, dass es sich hierbei um die Belger des BG handelt, einerseits durch den Satz, der später noch eine wichtigere Rolle spielen wird,46 andererseits durch die Eigenbezeichnung im Asterix, die mit den Stammesnamen in den Commentarii übereinstimmen. Auch entspricht das Gebiet genau der Beschreibung Caesars: Belgae ab extremis Galliae finibus oriuntur, pertinent ad inferiorem partem fluminis Rheni, spectant in septentrionem et orientem solem.47 Die Aufzählung der Belgierstämme wird dem Antikentext48 ähnlich auch im Comic vorgenommen und somit die Vielfältigkeit dieses Stammesbegriffes erklärt. Allerdings werden die Kelten unter anderen einen Namen nicht vernehmen: den der Remer, die sich nicht an der belgischen Koalition – oder wie Caesar schreibt: „omnes Belgas […] contra populum Romanum coniurare“49 – beteiligten und keine Truppen entsandten. Aber die Bellovaken führen die Liste an, denen schon der römische Feldherr den größten Einfluss zusprach,50 jedoch ist von der Zwietracht unter den Belgiern bei Goscinny/Uderzo nichts zu bemerken. Die Belgier treten so souverän auf, tapfer und stolz auf ihre Kriegstätigkeit und auf die Tatsache, dass sie als einzige die Kimbern und Teutonen von ihrem Land fernhalten konnten.51 secunda vigilia magno cum strepitu ac tumultu castris egressi nullo certo ordine neque imperio52 Auch der undisziplinierte Abmarsch ist den Belgiern im Asterix zu Eigen, da sie den Angriff auf ein Römerlager mit Getöse und einem „Auf cheht’s!“53 beginnen und die Schlacht auch in diesem Sinne führen. Nur von dem ungeheuren belgischen Heer, das Caesar in BG II, 4 46 Siehe: Punkt 4.5. Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1) 48 Vgl.: Caesar: Bellum Gallicum, S. 59f. (BG II, 4) 49 Caesar: Bellum Gallicum, S. 58f. (BG II, 1) 50 Vgl.: Caesar: Bellum Gallicum, S. 60. (BG II, 4): „plurimum inter eos Bellovacos et virtute et auctoritate et hominum numero valere”. 51 Koutroubas: Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“, S. 147. 52 Caesar: Bellum Gallicum, S. 63. (BG II, 11) 53 Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 15. 47 - 11 - aufschlüsselt, 54 ist im Comic nicht viel zu erkennen, obwohl ihre Zahl die der Kelten übertrifft. c) DER STAMMESFÜHRER MAJESTIX Man neigt dazu den Häuptling als einen bedeutenden und allseits respektierten Mann zu betrachten, von dem die Zukunft des Stammes abhängt. In dieser letzteren Hinsicht wird die Aufgabe Majestix’ in den betrachteten Bänden ziemlich genau definiert – er gibt immer der Anstoß der Handlung. Doch wird er auch in dem Moment respektiert, wenn er vom Schild geworfen wird oder seine Frau Gutemine ihm die Leviten liest (siehe Abb. 10)? Dadurch wird aber nur die Uneingeschränktheit einer absoluten Herrschaft aufgebrochen, denn die Gallier lassen oft den Stammesführer hochleben bzw. erkennen seine Machtstellung, wenn auch nicht unkommentiert, an. in Gallia non solum in omnibus civitatibus atque in omnibus pagis partibusque, sed paene etiam in singulis domibus factiones sunt, earumque factionum sunt principes, qui summam auctoritatem eorum iudicio habere existimantur, quorum ad arbitrium iudiciumque summa omnium rerum consiliorumque redeat.55 Obwohl Majestix Beschlüsse fasst, die nicht von allen „Untertanen“ getragen werden, so gibt er sich nicht die Blöße einer internen Niederlage, sondern setzt seinen Dickkopf – wenn nötig auch allein – durch. Trotzdem muss gesagt werden, dass Entscheidungen im gallischen Dorf immer eine demokratische Beratung voraussetzen. 56 Vorbild dafür könnte die Beschreibung der Helvetier im BG sein, die mit den Worten „constituerunt“57 und „lege confirmant“58 eng verbunden ist. Es wird deutlich, dass eine Volksversammlung souverän war und starke Persönlichkeiten lediglich als Sprecher mit möglichst starken Argumenten auftreten konnten.59 54 Koutroubas meint, Caesar gebe diese Zahl von 308.000 Kriegern an, um seinen Sieg zu vergrößern. (Koutroubas: Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“, S. 146) 55 Caesar: Bellum Gallicum, S. 127. (BG VI, 11) 56 „Doch ich berufe eine Versammlung ein! Und zwar stante pede!“ (Majestix; in: Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 9.) 57 Caesar: Bellum Gallicum, S. 32. (BG I, 3) 58 Ebd. 59 René van Royen; Sunnyva van der Vegt: Asterix und die Belgier – oder : Eine frühe westeuropäische Demokratie. In: Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001, S. 178-195, hier: S. 187. - 12 - d) DER DRUIDE MIRACULIX Vorrangig beschäftigt sich der Druide im gallischen Dorf mit der Magie – er braut den so wichtigen Zaubertrank60 –, nimmt aber auch eine respektvolle Stellung (vielleicht sogar eine höhere als Majestix) innerhalb der Gemeinschaft ein. Die Stimme des Druiden ist zusätzlich wichtig in politischen und anderen Konflikten: [Druides] rebus divinis intersunt, sacrificia publica ac privata procurant, religiones interpretantur […] magnoque hi sunt apud eos honore. Nam fere de omnibus controversiis publicis privatisque constituunt, et si quod est facinus admissum, si caedes facta, si de hereditate, de finibus controversia est, idem decernunt, praemia poenasque constituunt.61 […] Druides a bello abesse consuerunt.62 In der Versammlung der Gallier zur Entscheidung über den Wettkampf mit den Belgiern ist Miraculix Häuptlings der und Gegensprecher wird von des den Dorfbewohnern so respektiert, dass diese sich auf die Seite des Weisen schlagen („Unser Druide hat Recht!“63) und selbst seinen Worte stets uneingeschränkt folgen („Ich teile sowieso immer die Meinung unseres Druiden!“64). Weiterhin wird sein Rat auch im Krankheitsfalle gesucht und befolgt, denn „multa praeterea […] de rerum natura […] disputant“.65 In anderen, hier nicht betrachteten Abenteuern der Gallier werden weitere wichtige Begebenheiten der Druidenbeschreibung des BG aufgegriffen: die Wichtigkeit seiner Anwesenheit in Der Seher, das alljährliche Druidentreffen bei den Karnuten in Asterix und die Goten, sein Wissen um politische Gesetze in Das Geschenk Caesars.66 4.4. SPRACHSPIELE Allgemein gesprochen werden hier also ganz bewußt Unschärfen der Sprache für Verwirrspiele genutzt, um eine witzige Wirkung zu erzielen. Gemeinsam ist allen […] Wortspieltypen, daß sie auf den ersten Blick in einer bestimmten Bedeutung verstanden werden sollen, zu der plötzlich – durch Kontext und Bild gestützt – eine weitere unterschwellige Bedeutung hinzukommt.67 60 Die Wirkung der Mistel, die die Grundlage des Trankes bildet, wird schon von Plinius beschrieben (Plinius, Naturalis Historia XVI, 251) 61 Caesar: Bellum Gallicum, S. 128. (BG VI, 13) 62 Ebd., S. 129. (BG VI, 14) 63 Troubadix; in: Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 10. 64 Asterix; in: ebd. 65 Caesar: Bellum Gallicum, S. 129. (BG VI, 14) 66 Royen; Vegt: Wahrheit, S. 32-35. 67 Gudrun Penndorf: Asterix übersetzen – oder das Wechselspiel in Bild und Sprache. In: Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001, S. 212-230, hier: S. 213. - 13 - Im Vordergrund sollen hier nicht Wortspiele stehen, die laut Übersetzer der Asterixbände eine gewisse Schwierigkeit in den verschiedenen Sprachen darstellen (Polysemie, Homonymien, Homophonien, Paronymien, Antonymien, Synonymien u. ä.), da diese größtenteils neuzeitliche Bezüge aufweisen.68 Daher werden an dieser Stelle drei Beispiele der direkten Bezugnahme auf den caesarschen BG gezeigt: • Als Tullius Firlefanzus nicht den gewünschten Arvernerschild aus der Schatzkammer auftreiben kann, antwortet Caesar mit dem polysemen Begriff „Kommentar“ – einerseits zur (durch die bildnerische Gestaltung unterstützten) Veranschaulichung der Ratlosigkeit bzw. des Ärgers, andererseits zum intertextuellen Bezug auf die Commentarii, die die „Erinnerung an den gallischen Krieg“ 69 bilden. Es wäre anscheinend übertrieben, den Autoren zu unterstellen, dass sie sich mit diesem Bild (Abb. 16) in die Debatte sowohl um die Geschichtsschreibung in Kommentarien, als auch um den Zeitraum der Niederschrift des BG70 einmischten. • „Gallia est omnis divisa in partes tres“:71 Die Wiederholung der Worte „Ganz Gallien […] Ganz Gallien?“72 an jedem Beginn der deutschen Ausgaben des Asterix zwingt den Leser die Vorbildstellung des BG zu erkennen. Ein Grund mehr, auch die lateinische Ausgabe des Comics zu betrachten – um feststellen zu können, dass hier zwar „tota Gallia“73 geschrieben steht, im Folgenden aber eine weitere Parallele gezogen werden kann: „est divisa in partes quinque“74 (wie oben schon erwähnt mit Einbeziehung der Gegenden Aremorica und Provincia Narbonensis). • horum omnium fortissimi sunt Belgae, propterea quod a cultu atque humanitate provinciae longissime absunt minimeque ad eos mercatores saepe commeant atque ea, quae ad effeminandos animos pertinent, important proximique sunt Germanis, qui trans Rhenum incolunt, quibuscum continenter bellum gerunt.75 68 Nähere Betrachtungen dazu finden sich in den Abhandlungen Grasseggers und Penndorfs. Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 18. 70 …wenn man bedenkt, dass der Handlungszeitraum der Asterixabenteuer im Jahre 50 v. Chr. liegt, aber angeblich noch kein Kommentar existiert. 71 Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1) 72 Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 3. 73 Goscinny; Uderzo: Clipeus Arvernus, S. 3. 74 Ebd. 75 Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1) 69 - 14 - Die lobende Bemerkung Caesars nimmt im Belgier-Abenteuer eine zentrale Rolle ein und führt zum Wettstreit der beiden Stämme. Direkt oder indirekt – ganz zu schweigen von der häufigen Verwendung des Couragiertheitsbegriffes – wird sechs Mal im ganzen Band erwähnt, die Belgier seien von Caesar als die Tapfersten bezeichnet worden. Allzu inflationär findet man auch in vielen Bänden den „von Caesar Stimmigkeit ohne Rücksicht geäußerte[n] auf historische Ausspruch Veni, vidi, vici“76, entweder in der lateinischen (Abb. 18) oder der deutschen Fassung, in der „Ursprungs-“77 oder einer veränderten Form. Da selbst dieses angebliche Wort des Feldherrn Einzug in den Comic findet, muss man wohl erkennen, dass – wenn auch der Römer der vermeintliche Verlierer ist – doch so viele Themen, Stellen und Bezüge immer wieder auf den römischen Autoren und sein Werk zurückgehen: Er ist der Fadenzieher auf der Ebene der Handlung. 5. BELLUM GALLICUM IN SPRECHBLASEN: CAESARIS E COMMENTARIIS DE BELLO GALLICO BELLVM HELVETICVM Im Unterschied zum Asterix wird hier keine Handlung mit Grundzügen des BG erfunden, sondern die Commentarii – genauer der Krieg gegen die Helvetier – geben den Plot vor. An zwei weitestgehend unkommentierten Beispielen soll belegt werden, dass die indirekte Rede des Antikenwerkes im Comic zur direkten Rede78 umgeschrieben wurde: • Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur.79 76 Penndorf: Asterix übersetzen, S. 226. Vgl.: Sueton, Caesar 37, 2. 78 „[D]ie direkte Rede [eignet sich] besonders, weil sie die Gedanken, die Gefühle und die Persönlichkeit des Sprechers besser ausdrücken kann als die objektivierende indirekte Rede, in der die Persönlichkeit des Redners zugunsten der Tatsachen beiseite geschoben wird. Die direkte Rede ist die frische Frucht des Denkens, während die indirekte Rede sozusagen die Konserve dieser Frucht darstellt. Das gilt besonders, wenn die direkte Rede eine tatsächlich gehaltene Rede genau wiedergibt.“ (Koutroubas: Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“, S. 191f.) 79 Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1) 77 - 15 - Caesar hac oratione Lisci Dumnorigem, Diviciaci fratrem, designari sentiebat, sed quod pluribus praesentibus eas res iactari nolebat, celeriter concilium dimittit, Liscum retinet. quaerit ex solo ea quae in conventu dixerat. dicit liberius atque audacius. eadem secreto ab aliis quaerit; reperit esse vera: ipsum esse Dumnorigem, summa audacia, magna apud plebem propter liberalitatem gratia, cupidum rerum novarum.80 • Durch diese Methode der Dialogisierung ist es möglich, Lesern die indirekte Rede des Originaltextes durch Zuweisung zu Charakteren auf anschauliche (und damit auch verständlichere) Weise näher zu bringen. Es ist durch – den Bilderreihen typisch – Sprech- und Denkblasen, Anmerkungsblöcken, Ausrufen, unvollständigen Sätzen, verbalisierten Geräuschen u. ä. der Urtext hin zum Comic ausgeschmückt. Zusätzliche Textpassagen fördern den Handlungsfluss. Man kann demnach feststellen, dass in dieser Art der Antikendarstellung Caesars Text die wichtigste Rolle spielt. Anders als beim französischen Pendant werden Witz, Amüsement, neuzeitliche Bezüge und Kritik außen vor gelassen, kurz gesagt: Der Comic des 20. Jahrhunderts hat mit dieser Art der Darstellung Caesar vollständig eingenommen, ohne den Text außerhalb der Notwendigkeit der Bildergeschichtendefinition zu paraphrasieren. 6. SCHLUSS Der Graben zwischen dem Asterix der Alltagswelt und der Fachwissenschaft blieb lange Zeit groß, aber im Laufe der Beschäftigung mit der Materie um römische Grundlagen im französischen Comic konnte erkannt werden, dass sich auf verschiedenen Ebenen (Archäologie, Klassische Philologie, Moderne Sprachwissenschaft) dem gallischen Helden genähert wurde. Dies erlaubt Lesern über den Tellerrand reiner Unterhaltung hinauszuschauen und über die antike Welt bzw. antike Autoren zu erfahren. Es ist selbstverständlich, dass noch viele weitere Parallelen ins Altertum bestehen – die hier keinen Eingang fanden – und dass andere Abenteuer auch andere Themen bearbeiten. Es ist daher sehr ratsam, die Asterixreihe mit einem unterhaltendem (lachenden) Auge, aber gleichzeitig einem forschenden und suchenden Auge zu betrachten; und man wird erkennen müssen, dass die Fiktion nicht die überragende Rolle in den Geschichte spielt, sondern Geschichtliches (wie auch Neuzeitbezug und Kritik) immer wieder gefunden werden kann. Die Bildergeschichten werden durch die Chiffrierung antiker Begebenheiten, Texte und Überlieferungen auf eine andere, vielschichtigere Ebene gehoben, die viel zu entdecken erlaubt, ja sogar verlangt. 80 Caesar: Bellum Gallicum, S. 38. (BG I, 18) - 16 - 7. BILDNACHWEIS Deckblatt: Goscinny; Uderzo: Asterix. Clipeus Arvernus, S. 3. Abb. 1 Goscinny; Uderzo: Asterix bei den Belgiern, S. 18. Abb. 2 Ebd., S. 9. Abb. 3 Goscinny; Uderzo: Asterix und der Arvernerschild, S. 27. Abb. 4 Goscinny; Uderzo: Asterix bei den Belgiern, S. 22. Abb. 5 Goscinny; Uderzo: Asterix. Clipeus Arvernus, S. 3 Abb. 6 Goscinny; Uderzo: Asterix und der Arvernerschild, S. 19. Abb. 7 Ebd. Abb. 8 Ebd., S. 5. Abb. 9 Goscinny; Uderzo: Asterix bei den Belgiern, S. 19. Abb. 10 Ebd., S. 9. Abb. 11 Ebd., S. 36. Abb. 12 Ebd., S. 12. Abb. 13 Ebd., S. 14. Abb. 14 Ebd., S. 5. Abb. 15 Goscinny; Uderzo: Asterix und der Arvernerschild, S. 6. Abb. 16 Ebd., S. 18. Abb. 17 Goscinny; Uderzo: Asterix bei den Belgiern, S. 30. Abb. 18 Goscinny; Uderzo: Asterix und der Arvernerschild, S. 18. Abb. 19 Caesar: Bellvm Helveticvm, S. 3. Abb. 20 Ebd., S. 31. - 17 - 8. QUELLENANGABE Primärliteratur 1 Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix und der Arvernerschild. Berlin 2002. (Asterix-Reihe; Band 11) 2 Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix. Clipeus Arvernus. in Latinum convertit Rubricastellanus. Stuttgart 1985. 3 Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix bei den Belgiern. Berlin 2001. (Asterix-Reihe; Band 24) 4 Gaius Iulius Caesar: Caesaris e commentariis de bello Gallico Bellvm Helveticvm. composuit Rubricastellanus. pinxit Faber. Stuttgart [u.a.] 1998. 5 Gaius Iulius Caesar: Bellum Gallicum. Vollst. Ausg. mit e. Einleitung v. Hans Jürgen Tschiedel u. Sacherklärungen u. ausgewähltem Bildmaterial v. Gerhard Ramming. Paderborn 1978. Sekundärliteratur 6 Jörg Rüpke: Wer las Caesars bella als commentarii?. In: Gymnasium 1992 XCIX: S. 201-226. 7 Kurt Reichenberger: Astérix Le Gaulois. In: Kindlers Neues Literaturlexikon. Hrsg. v. Walter Jens. Studienausgabe. Bd. 6. München 1998, S. 700f. 8 René van Royen; Sunnyva van der Vegt: Asterix – die ganze Wahrheit. Aus d. Niederländ. v. Nicole Albrecht. Übers. franz. Bildtexte ins Dt. v. Gudrun Penndorf. München 1999. 9 Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001. 10 René van Royen; Sunnyva van der Vegt: Asterix und die Belgier – oder : Eine frühe westeuropäische Demokratie. In: Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001, S. 178-195. 11 Gudrun Penndorf: Asterix übersetzen – oder das Wechselspiel in Bild und Sprache. In: Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001, S. 212-230. 12 Hans Grassegger: Sprachspiel und Übersetzung. Eine Studie anhand der Comic-Serie Asterix. Tübingen 1985. 13 Demetrios E. Koutroubas: Die Darstellung der Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“. Heidelberg 1972. (zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1972) Hilfsmittel 14 Otto Bantel; Dieter Schaefer: Grundbegriffe der Literatur. Berlin 151993. 15 Plutarch, Caesar (engl. Übers.); in: www.ukans.edu/history/index/europe/ancient_rome/ E/Roman/Texts/Plutarch/Lives/Caesar*.html 16 Florus, Liber I, 45; in: www.thelatinlibrary.com/florus1.html#45 17 Plinius, Naturalis Historia XVI, 251; in: www.ukans.edu/history/index/europe/ ancient_rome/L/Roman/Texts/Pliny_the_Elder/16*.html - 18 -