Himmelsbeobachtungen mit der Webcam
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Himmelsbeobachtungen mit der Webcam
Gerald PFISTER Himmelsbeobachtungen mit der Webcam Ein unterrichtspraktisches Beispiel für den Computereinsatz in der Astronomie Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Dr. Arnold Hanslmeier Mag. Dr. Gerhard Rath Institut für Physik April 2004 Kapitel 1 Einleitung Ziel dieser Diplomarbeit ist es, eine kleine Einführung in eine Beobachtungstechnik der Astronomie zu geben, die vor allem in der Amateurszene zurzeit sehr beliebt ist. Die Rede ist von der Beobachtung mit der Webcam. Dabei sollte diese Arbeit neben den Astronomieinteressierten vor allem Lehrern helfen, einen Einblick in diese neue Technik zu erlangen. Ihnen sollte mit dieser Arbeit ein möglicher „praktischer Zugang“ zur Astronomie gezeigt werden und jenen, die beabsichtigen Astronomie in ihren Unterricht mit einzubeziehen, gleichzeitig als Hilfestellung dienen. Die Arbeit besteht aus vier Teilen. Der erste Teil gibt einen kleinen Einblick in die geschichtliche Entwicklung von astronomischen Instrumenten – angefangen von der Sonnenuhr bis hin zur Entwicklung der CCD-Technik. Im zweiten Teil werden am Anfang typische Schulteleskope und deren physikalische Kenngrößen beschrieben. Anschließend stehen die in der Webcam vorkommende CCDTechnik, die Handhabung der Webcam und die Nachbearbeitung der Kurzvideos unter näherer Betrachtung. 4 Kapitel 1 Einleitung Der dritte Teil dieser Arbeit beinhaltet ein mit Schülern durchgeführtes Beobachtungsprojekt und dessen Ergebnisse. Dabei werden die einzelnen Unterrichtseinheiten und deren Auswertungen etwas ausführlicher dargestellt. Der vierte und letzte Teil sollte die Situation des gegenwärtigen Physikunterrichtes erläutern. Es wird darauf hingewiesen, dass durch ein verstärktes Einbinden von Astronomie in den Physikunterricht es sehr wohl einen Ausweg aus dieser Misere geben könnte. Am Ende werden noch denkbare Zugänge zur Astronomie, sowie zwei Möglichkeiten wie ein Astronomieunterricht aussehen könnte, angeboten. 5 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente In diesem Kapitel soll ein kleiner Einblick in die geschichtliche Entwicklung der Astronomie gegeben werden. Im Vordergrund steht die Entwicklung der für die Astronomie so wichtigen Beobachtungsinstrumente. Dabei wird nur auf die wichtigsten und in fast allen Lehrbüchern erwähnten Entdeckungen und Entwicklungen genauer eingegangen. Der Hauptteil dieses Kapitels soll besonders die zeitliche Epoche von der Entwicklung der Fernrohre bis zur Gegenwart hervorheben. Es soll aber nicht verabsäumt werden, am Anfang sehr interessante Instrumente vorzustellen, die den Astronomen als wichtige Wegbegleiter von der Antike bis ins 18. Jahrhundert dienten. 2.1 Instrumente zur Gestirns- und Zeitmessung Um dem hohen Rang des Sonnenjahres in der Antike gerecht zu werden, mussten Hilfsmittel zu dessen genauer Bestimmung erschaffen werden. Eines der ersten Hilfsmittel war der Gnomon1, ein Schatten werfender Stab, der ab dem 7. Jh. v. Chr. in babylonischen und chinesischen Quellen erwähnt wird. 1 vgl. [1] 6 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Er diente vor allem zur Feststellung der Mittagszeit. Schon die Babylonier stellten anhand der unterschiedlichen Schattenlängen der Sonne zur Mittagszeit fest, dass sich die Sonne nicht am Himmelsäquator entlang bewegen konnte. Ein gewisser Anaximander (um 611 bis 546 v. Chr.) ermittelte mit Hilfe des Gnomons die Lage der Ekliptik2. Er stellte diesen Wert bereits mit 24° fest, während man mit heutigen Methoden auf den Wert 23°40,5’ kommt. Als man die Bewegungen der Sonne und des Mondes ausreichend erforscht hatte, kam der Drang auch andere Himmelskörper genauer zu studieren. Dafür war es unbedingt von Nöten, neue Beobachtungsinstrumente zu erfinden. Der Schattenstab war durch die geringe Leuchtkraft der Beobachtungsobjekte nicht zu gebrauchen. Man wollte auch den Winkelabstand von Sternen zueinander bestimmen und dazu war es unerlässlich, neue Geräte zu erfinden. Drei Geräte der antiken Astronomen sind uns durch genaue Beschreibung im Almagest (bedeutendes Werk über Astronomie und Sternbilder - von Ptolemäus (um 100 bis ca. 160 n. Chr.))3, bekannt. Es handelt sich um Instrumente, die zum bevorzugten Gerätebestand der Astronomen bis zur Erfindung des Fernrohrs gezählt werden können. Aus diesem Grund will ich sie kurz vorstellen und die prinzipielle Funktionsweise etwas erläutern. Den Dreistab oder auch Triquetum (siehe Abb.4 2.1) verwendete schon Ptolemäus zur Bestimmung der Mondparallaxe, daher auch die Bezeichnung „parallaktisches Instrument“. Später benutzte ihn auch Kopernikus (1473 bis 1543) als er ein neues Weltsystem5 entwarf. Das Gerät bestand aus einem senkrechten Stab an dessen oberer Seite ein zweiter Stab (Diopter) drehbar angebracht war. Am unteren Ende war ebenfalls ein drehbarer Stab mit einer Längsteilung befestigt. Nachdem man das Gerät aufgestellt hatte, peilte man das Objekt an und las die Richtung des beweglichen Stabes auf der Skala des zweiten Stabes ab. Den abgelesenen Wert verglich man dann mit einer Sehnentafel (Vorgänger der Sinustafel) und las daraus den dazugehörigen Winkel ab. Mit dem Dreistab konnten die Höhen der Gestirne, besonders auch die des Mondes bestimmt werden. 2 Neigung der scheinbaren Sonnenbahn vgl. [1] 4 vgl. [1, S. 127] 5 Kopernikanisches Weltsystem – heliozentrisches System (Sonne steht im Mittelpunkt) 3 7 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Abbildung 2.1: Dreistab des Kopernikus (N. Copernicus, Amsterdam 1617) Abbildung 2.2: Ptolemäische Armille (Johannes Regiomontan. Scripta. Nürnberg 1544) Die Armille (siehe Abb.6 2.2) war ein antikes Instrument, das die Hauptabschnitte des Himmels und die Bewegung der Himmelskörper anzeigt. Es bestand aus einer Reihe von Metallringen, die mit Gradzahlen versehen waren. Diese stellten die Haupthimmelskreise dar, so z. B. den Himmelsmeridian, den Himmelsäquator, die Ekliptik, den Horizont, die Wendekreise und die Koluren (Kreise, die sich an den Polen im rechten Winkel schneiden). Ein Gestirn konnte durch die auf dem Deklinations- und dem Breitenring verschiebbaren Absehen anvisiert und sein Ort auf den Skalen der entsprechenden Ringe abgelesen werden. Fehlen diese Absehen, dann sprechen wir von einer Armillarsphäre. Berichten zur Folge wurde das Instrument etwa 255 v. Chr. von dem griechischen Astronomen Eratosthenes (276 bis 196 v. Chr.) erfunden. Armillarsphären fanden bis ins 17. Jahrhundert Verwendung. Ein anderes Instrument war das Astrolabium (siehe Abb.7 2.3), das zur Positionsbestimmung von Himmelskörpern verwendet wurde. Es bestand aus einem mit Gradzahlen markierten Kreis oder Kreissegment mit einem beweglichen Schenkel. Der Schenkel war drehbar am Kreismittelpunkt befestigt. Wurde der Nullpunkt des Kreises auf den Horizont ausgerichtet, konnte die Höhe oder das Azimut jedes Himmelskörpers gemessen werden, indem dieser mit dem Schenkel des Geräts anvisiert wurde.8 6 vgl. [1, S. 44] vgl. Microsoft Encarta 2003 8 vgl. Microsoft Encarta 2003 7 8 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Das Astrolabium wurde vermutlich erstmalig von dem griechischen Astronomen Hipparchos (um 190 bis 120 v. Chr.) verwendet. Im 16. Jahrhundert, kurz vor der Erfindung des Teleskops, konstruierte der dänische Astronom Tycho Brahe (1546 bis 1601), dessen erstaunlich genaue Beobachtungen die Formulierung der heutigen Theorien über das Sonnensystem möglich machten, ein Astrolabium mit einem Durchmesser von drei Metern. Kleinere Typen des Astrolabiums waren bis ins 18. Jahrhundert - dann wurden sie vom Sextanten abgelöst - die Hauptinstrumente der Navigatoren. Abbildung 2.3: Astrolabium Der Quadrant diente besonders zur Bestimmung der Zenitdistanz und Position von Gestirnen. Dieses Instrument regte viele Astronomen und Instrumentenbauer zum Bau vielfältiger Variationen an. Bei Ptolemäus war der Quadrant eine in der Mittagslinie aufgestellte Platte, die eine Viertelkreisteilung hatte. An der oberen Ecke, die Richtung Süden zeigte, war ein Stab angebracht, der zur Mittagszeit den Sonnenschatten auf die Skala warf.9 Es waren vor allem zwei Bauweisen, die bei späteren Astronomen Anwendung fanden: Der Azimutalquadrant (siehe Abb.10 2.4), der beweglich war oder der ortsfeste Mauerquadrant. Der Mauerquadrant ist das wohl berühmteste von Tycho Brahe verwendete Instrument und erreichte eine Messgenauigkeit von zehn Bogensekunden11. 9 vgl. [1] vgl. [1, S. 163] 11 Eine Bogensekunde ist der 3600ste Teil eines Grades (1° entsprechen 3600 Bogensekunden) 10 9 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Abbildung 2.4: Azimutalquadrant der Kasseler Sternwarte um 1560 Die eben vorgestellten Instrumente waren Instrumente zur Zeitbestimmung oder Positionsbestimmung. Eine Entdeckung sollte den Astronomen aber die Möglichkeit gewähren, die Himmelsgeschehnisse noch besser beobachten und verstehen zu lernen. Diese Entdeckung war sicherlich auch an der Wende vom alten Weltsystem des Ptolemäus zum neuen heliozentrischen – oder auch kopernikanischem Weltsystem genannt – beteiligt. Die Rede ist von der Entdeckung des Fernrohrs. 10 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente 2.2 Anfang 16. Jahrhundert – Entdeckung des Fernrohrs Zuerst drehen wir aber das Rad der Zeit nochmals ein wenig zurück. Genauer gesagt auf das Jahr 1215. In diesem Jahr wurde Roger Bacon (1215 bis 1294) geboren. Der große mittelalterliche englische Gelehrte war Franziskanermönch in Oxford und verfasste zahlreiche naturwissenschaftliche Werke. Darunter war auch ein Lehrbuch der Optik, indem er Gesetze der Reflexion und der Brechung darstellte. In diesem Buch lassen sich Eigenschaften von Linsen finden, die die Entdeckung des Fernrohrs, wenn auch etwas unklar, vorwegnehmen. In seinem Werk schrieb er: „Wir können durchsichtigen Körpern eine solche Gestalt geben und sie in solcher Weise in Bezug auf unser Gesicht und die gesehenen Objekte anordnen, daß die Strahlen in jeder Richtung die wir wünschen, gebrochen werden; und unter jedem Winkel, den wir wünschen, werden wir das Objekt nahe oder entfernt sehen. So können wir aus unglaublicher Entfernung die kleinsten Buchstaben lesen und die Körner des Staubes oder Sandes zählen. Also könnten wir auch die Sonne, den Mond und die Sterne in Erscheinungen zu uns herabsteigen lassen.“12 In der Praxis setzte Bacon diese Idee aber nicht um. So dauerte es bis zum Jahre 1608, als der Brillenmacher Hans Lippershey (1507 bis 1619) besonders in Erscheinung trat. Der in Wesel am Rhein geborene und später im niederländischen Middelburg lebende Lippershey suchte am 2. Oktober 1608 bei den Generalstaaten in Den Haag um ein Patent für ein Linsenfernrohr an.13 Dieses wurde ihm aber mit der Begründung nicht gewährt, es gäbe bereits mehrere Hinweise auf bereits existierende Linsenfernrohre. Bereits im Jahre 1589, gab es eine Schilderung von Giambattista della Porta (1538 bis 1615) aus Neapel, in dem er eine Kombination von Linsen beschreibt, mit der man in die Ferne sehen konnte.14 Lippershey bekam zwar nicht das Patent, aber er stellte trotzdem als einer der ersten Linsenfernrohre her. Somit wird er von den meisten Büchern als Erfinder des Linsenfernrohres gefeiert. Während Lippershey nur die Absicht verfolgte, terrestrische Ziele ins Visier zu nehmen, hatte Galileo Galilei (1564 bis 1642) ganz andere Pläne. Galileo Galilei war wohl einer der bedeutendsten Physiker seiner Zeit. Er entdeckte unter anderem die Gesetze des Pendels, die Fallgesetze und auch die Wasserwaage. 12 vgl. [2, S. 37] vgl. [2] 14 vgl. [3] 13 11 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Als Anhänger des kopernikanischen Systems bekam er aber immer wieder Schwierigkeiten mit der Kirche, die ihn 1616 das erste Mal vor das Inquisitionsgericht stellte. Er durfte nicht mehr öffentlich für das kopernikanische System eintreten. Erst als mit Urban VIII. ein Freund Galileis zum Papst gewählt wurde, glaubte Galilei seine Ideen öffentlich kundgeben zu können. Er veröffentlichte 1632 eines seiner Meisterwerke, das Buch „Dialogo“. In diesem Buch, ein Dialog über die zwei großen Weltsysteme (ptolemäische und kopernikanische Weltsystem), ließ er drei Charaktere über die Natur des Universums diskutieren. Über einen, den er Simplicio nannte und der das ptolemäische Weltsystem vertrat, machte sich Galileo Galilei nach Ansicht des Papstes lustig. Dieser lieferte ihn daraufhin wieder der Inquisition aus. Galileo Galilei wurde zwar nicht verhaftet, aber er wurde bis zu seinem Tode mit Hausarrest bestraft. Eigentlich war es seltsam, dass Galileo Galilei zuerst vom holländischen Fernrohr erfuhr und nicht von den früheren italienischen Instrumenten. In Venedig führte er 1609 ein Fernrohr vor und 1610 baute er sich sogar ein eigenes Fernrohr, das dem holländischen System sehr ähnlich war. Zu Hilfe kamen ihm seine wissenschaftlichen Kenntnisse über die Lichtbrechung, die er aber nie vollständig verstand, wie seine Notizen verraten. Bei einem „galileischen-“ oder auch „holländischen Fernrohr“ (siehe Abb.15 2.5) besteht das Objektiv aus einer konvexen Linse (auch Sammellinse genannt) und das Okular aus einer konkaven Linse (auch Zerstreuungslinse genannt). Abbildung 2.5: Prinzipieller Aufbau des galileischen Fernrohrs Abbildung 2.6: Galileis erstes Fernrohr Mit diesem Teleskop entdeckte er im Laufe weniger Jahre Krater auf dem Mond, die Phasen der Venus, die vier hellsten Monde des Jupiters, einzelne Sterne im himmlischen Band der Milchstraße und die dunklen Sonnenflecken.16 15 16 vgl. [4, S. 30] vgl. [13] 12 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Seine ersten astronomischen Entdeckungen, die ihm bereits im August 1609 gelungen waren, veröffentlichte er im März 1610 im Sidereus Nuncius (Sternenbote).17 Dieses Werk gelangte auch in die Hände eines weiteren zu dieser Zeit sehr bekannten und großen Naturwissenschaftlers. Die Rede ist von Johannes Kepler (1571 bis 1630), der zu dieser Zeit gerade als Nachfolger von Tycho Brahe am Prager Hof unter Rudolph II. als kaiserlicher Mathematiker wirkte. Kepler hatte schon mit seinem Werk Mysterium Cosmographicum (1596) seine Begeisterung über das kopernikanische System kundgetan. Mit hervorragendem Beobachtungsmaterial von Tycho Brahe ging er daran, die Bahn des Planeten Mars zu berechnen. Im Jahre 1609 konnte er mit seiner Astronomia Nova die Ergebnisse veröffentlichen und formulierte bereits zwei wichtige Gesetze, das erste Keplergesetz18 und das zweite Keplergesetz19. Nun fand er im Sidereus Nuncius die Anregung mit einem Hilfsmittel noch genauer zu beobachten. Durch seine Studien war Kepler bereits darauf vorbereitet, die Wirkungsweise eines Fernrohrs zu verstehen. Bereits im Herbst 1610 hatte er die Gelegenheit, durch ein geliehenes Instrument die Jupitermonde zu betrachten. Begeistert und angeregt von dieser Beobachtung fertigte Kepler eine Schrift mit dem Namen Dioptrice (1611) in Augsburg an. Dioptrice gilt als erstes modernes Optikerlehrbuch. Es beschreibt die Wirkungsweise von Linsen und Linsenkombinationen sowie ihr Zusammenwirken mit dem menschlichen Auge. Diese Studien führten ihn auch zum Entschluss, ein anderes und vielleicht noch effektiveres Fernrohr zu bauen. Es wurde auch durch den Namen „keplersches- bzw. astronomisches Fernrohr“ bekannt (siehe Abb.20 2.7). Der Unterschied zum galileischen Fernrohr bestand darin, dass das keplersche Fernrohr nun aus zwei Konvexlinsen (Objektiv und Okular) bestand. Es hatte auch ein größeres Gesichtsfeld. Abbildung 2.7: Prinzipieller Aufbau des keplerschen Fernrohrs 17 vgl. [1] vgl. [13, S. 9] (1. Keplergesetz: Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, in deren gemeinsamen Brennpunkt die Sonne steht) 19 vgl. [13, S. 9] (2. Keplergesetz: Der von der Sonne zum Planeten gezogene Radiusvektor überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen) 20 vgl. [4, S. 30] 18 13 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente 2.3 Fernrohrbeobachtungen im 17. Jahrhundert und die dabei auftretenden Probleme Unabhängig von Galilei machten auch andere Beobachter bedeutende Entdeckungen. Beispielsweise beobachtete Thomas Harriot (1560 bis 1621) bereits im Jahr 1609 den Mond und auch die Sonnenflecken. Bedauerlicherweise notierte dieser alles nur in seinem Notizbuch und veröffentlichte dies nicht. Im Jahre 1610, nur einen Tag später als Galilei entdeckte Simon Marius (1573 bis 1624), ein Schüler von Tycho Brahe und Johannes Kepler, die vier Jupitermonde. Er konnte durch weitere sorgfältige Beobachtungen sogar deren Umlaufzeiten um Jupiter und ihre veränderliche Helligkeit entdecken. Ein weiterer sehr bekannter Astronom war der Jesuitenpater Christoph Scheiner (1573 bis 1650). Er war der Erste, der durch jahrelange Beobachtungen der Sonnenflecken die Rotation der Sonne feststellte und dies in seinem Werk Rosa Ursina (1630) verewigte.21 Als Galilei 1610 Saturn mit dem Fernrohr ins Visier nahm, war für ihn Saturn ein Gestirn, der von zwei kleinen Gestirnen umgeben war. Sein Fernrohr mit einem Objektivdurchmesser von ca. drei Zentimetern und einer Vergrößerung von 30-fach erlaubte nicht mehr zu erkennen. Es sollte bis zum März 1656 dauern, bis Christian Huygens (1629 bis 1695) mit einem 3,5 Meter langen Fernrohr bei etwa 50-facher Vergrößerung die Ringnatur des Saturns besser erkannte. Eine weitere großartige Leistung in dieser Zeit war die Entdeckung des Großen Roten Flecks (abgekürzt GRF) auf Jupiter von Robert Hooke (1635 bis 1703). Das selbst in kleinen Fernrohren auch heute noch sehr gut sichtbare Wirbelgebiet der Jupiteratmosphäre hat ein Ausmaß von 40.000 Kilometer Länge – also ca. dreimal so groß wie die Erde – und 13.000 Kilometer Breite. Bei der Weiterentwicklung der Fernrohre stieß man aber bald auf große Schwierigkeiten, welche auf Gesetzmäßigkeiten der Lichtausbreitung in Linsenkörpern in Form von Abbildungsfehlern beruhten. Objektive der damaligen Zeit bestanden aus einer einzelnen von einer Kugelfläche begrenzten Linse. Solch eine Linse war nicht in der Lage, alle von einem unendlichen Punkt kommenden Strahlen in einem Punkt zu vereinigen. Randnahe Strahlen wurden stärker gebrochen als mittelpunktnahe Strahlen. 21 vgl. [1, 3] 14 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Diesen Abbildungsfehler nennt man auch sphärische Aberration (siehe Abb.22 2.8) Abbildung 2.8: Sphärische Aberration; die Randstrahlen werden stärker gebrochen . Die sphärische Aberration führt dazu, dass sich einzelne Linsenzonen zu einem Streuungsscheibchen überlagern. Schon Kepler wies bei Verwendung von Linsen auf so einen existierenden Fehler hin. Ein weiterer und vielleicht noch schlimmerer Abbildungsfehler damaliger Linsen – und teilweise auch jetziger Linsen schlechter Qualität – war die chromatische Aberration (siehe Abb.23 2.9). Sie entsteht dadurch, dass die verschiedenen Farbanteile des Lichtes unterschiedlich gebrochen werden und keinen gemeinsamen Brennpunkt haben. Bei einem Himmelsobjekt entstehen somit ein farbiger Saum und ein heller über dem ganzen Bild liegender Schleier. Dies führt dann zu einer allgemeinen Kontrastminderung und Unschärfe des Bildes, wodurch wiederum wichtige Details verloren gehen. Abbildung 2.9: Chromatische Aberration 22 23 vgl. [15, S. 58] vgl. [15, S. 59] 15 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Es sollte noch einige Zeit dauern, bis man auch diese Fehler vermindern konnte. Somit gab es nur einen Weg, diese Fehler zu minimieren. Man musste das Öffnungsverhältnis24 – das Verhältnis Objektivdurchmesser zu Brennweite – verkleinern. Nun konnte man um dies zu erreichen, den Durchmesser des Objektivs bei gleich bleibender Brennweite verkleinern. Dies war aber eine schlechte Lösung, da die Leistungsfähigkeit eines Fernrohrs von einem möglichst großen Objektivdurchmesser abhing. Also war man bestrebt, die Brennweite zu verlängern. Das Zeitalter der Riesenfernrohre war geboren. Weil ein Tubus von mehreren Metern ein zu großes Gewicht gehabt hätte, entstand die Idee von so genannten „Luftfernrohren“ 25 , bei denen die Verbindung zwischen Objektiv und Okular durch einen Seilzugmechanismus hergestellt wurde. Der Danziger Ratsherr und Astronom Johannes Hevelius (1611 bis 1687) konstruierte um ca. 1641 ein solches Luftfernrohr (siehe Abb.26 2.10). Es hatte eine Länge von 45 Metern und wurde in seinem Werk Machina coelestis (1673) genauer beschrieben. Mit diesem Fernrohr machte er schon genaue Mond- und Kometenbeobachtungen und veröffentlichte dazu die zwei Werke Selenographia (1647) und Cometographia (1668). Abbildung 2.10: Das „Luftfernrohr“ von J. Hevelius in Danzig. Stich aus dem Jahr 1908 Abbildung 2.11: Mondzeichnung von J. Hevelius; 17. Februar 1644 24 siehe Kapitel 3 – Abschnitt 3.1.1 vgl. [1, 3] 26 vgl. [3, S. 18] 25 16 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Da beim Herstellen so riesiger Linsenfernrohre ein großer technischer und finanzieller Aufwand von Nöten war, strebte man eine andere Lösung an. Es wurde ein anderes System entwickelt. Es war die Idee geboren, anstelle der Linsen einfach Spiegel in Form eines Hohlspiegels zu verwenden. Während bei einem Linsenfernrohr – auch Refraktor genannt – eine Sammellinse als Objektiv dient und das Licht bündelt, erfüllt dies bei einem Spiegelteleskop – auch Reflektor genannt – ein sphärischer Spiegel. Ein anfängliches Problem war, dass nur parabolische Spiegel einen scharfen Brennpunkt aufwiesen, diese aber erst später hergestellt werden konnten. Somit diente als Reflektor ein leicht fehlerhafter kugelförmiger- bzw. sphärischer Spiegel, dessen Querschnitt ein Kreisbogen war. James Gregory (1638 bis 1675) beschrieb im Jahr 1663 die Konstruktion eines Spiegelteleskops, das dann auch große Verbreitung an allen Sternwarten fand. Ein Parabolspiegel reflektierte die Strahlen und warf sie auf einen kleinen konkaven Sekundärspiegel außerhalb des Brennpunktes, von wo sie dann durch ein Loch im Hauptspiegel auf die plankonvexe Augenlinse gelangen. Im Jahre 1672 konstruierte Guillaume Cassegrain (1625 bis 1712) ein Spiegelteleskop, dessen Bauprinzip (siehe Abb.27 2.12) erst im zwanzigsten Jahrhundert große Wirkung entfaltete. Im Gegensatz zum Gregory Spiegelteleskop sitzt hier im Brennpunkt des Hauptspiegels ein konvexer (hyperbolischer) Sekundärspiegel. Abbildung 2.12: Schematische Skizze eines Cassegrain-Teleskops 27 vgl. [6, S. 21] 17 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Ein weiterer Gelehrter, der Vorteile bei der Verwendung von Spiegeln sah, war der englische Naturforscher Isaac Newton (1643 bis 1727). Im Jahr 1668 diskutierte er in Folge seiner spektroskopischen Experimente die farbigen Ränder um die Sterne, die bei der Beobachtung durch Linsenfernrohre auftraten. Er kam zum Schluss, dass eine einfache aus einem Stück Glas zusammengesetzte Linse für jede Farbe im Spektrum eine andere Brennweite besitzt.28 Durch die farbigen Ränder konnte somit kein scharfes Bild entstehen. Den Effekt der chromatischen Aberration hielt er sogar für störender als die sphärische Aberration, welche etwa ein Kugelspiegel – im Gegensatz zum Parabolspiegel – hervor rief. Wie sich später herausstellen sollte, kam er sogar zum falschen Schluss, es könnten keine achromatischen29 Linsenteleskope existieren oder auch hergestellt werden. Dadurch stellte er im Jahre 1672 der Royal Society, dessen Vorsitz er auch innehatte, sein etwa 30 Zentimeter langes Spiegelteleskop vor (siehe Abb.30 2.14). In den Brennpunkt des Hauptspiegels setzte er einen geneigten Planspiegel, der die Strahlen seitlich aus dem Rohr zum Okular leitete.31 Abbildung 2.13: Isaac Newton Abbildung 2.14: Spiegelteleskop von Isaac Newton 1671 Alle drei Systeme, Gregory, Cassegrain und auch das Newton-Teleskop setzten sich aber im 17. Jahrhundert nicht durch. Gründe dafür waren, dass die Metallspiegel sehr schnell trüb und „blind“ wurden. Zudem ließ sich das weiche Metall nicht so präzise polieren wie Glaslinsen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es auch zur Institutionalisierung der Himmelsforschung, indem immer mehr Sternwarten entstanden. In vielen Städten wie Paris 28 vgl. [1, 3] Linsen, die den Farbfehler für zwei oder drei Farben korrigieren 30 vgl. [1, S. 218] 31 siehe Kapitel 3 – Abschnitt 3.1 29 18 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Kopenhagen, Greenwich und Berlin wurde der Bau von großen Observatorien vorangetrieben. In Frankreich war es Ludwig XIV. – bekannt unter dem Namen der „Sonnenkönig“– der die Academie Royale des Sciences im Jahr 1666 gründete und ein Jahr später ein angemessenes Observatorium bauen ließ. Anfangs diente es aber mehr als Repräsentationsort und nicht unbedingt der Wissenschaft. Bedeutende Wissenschaftler wie Christian Huygens und Giovanni Domenico Cassini32 (1625 bis 1712) wurden vom „Sonnenkönig“ an den Hof geholt. Im Jahr 1675 erfolgte die Gründung des Observatoriums Greenwich. Wobei aber nicht der Himmel, sondern die Seefahrt den Anlass dazu gegeben hatte. Die Kolonial- und Handelsmacht England wollte ihren Schiffen eine sichere Fahrt auf Übersee ermöglichen und für die astronomische Navigation benötigte man eben genaue Sternörter. Mit dem Bau der Sternwarte Greenwich änderte sich auch die Begründung für Forschungsförderung. Am Anfang diente rein die Astrologie als Antriebsfeder, wenn es um Herrschaftskraft und Weltanschauung ging. Doch nun traten die Interessen des Handels, des Verkehrs sowie die der materiellen Produktion, immer mehr in den Vordergrund. Auch die Zentren der Forschung verlagerten sich immer mehr westwärts. Abbildung 2.15: „Flamsteed-Trakt“ der Sternwarte Greenwich mit dem Zeitball als 12 Uhr-Signal für die Schiffe im Londoner Hafen 32 Entdeckte unter anderem auch eine Teilung des Saturnringes (Cassini-Teilung) 19 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente 2.4 18. bis 19. Jahrhundert - die ersten Erfolge großer Metallspiegel und die Verbesserung der Linsensysteme Im 18. Jahrhundert kam es zu einem großen Aufschwung in der Teleskopbaukunst. Immer größere Spiegelteleskope entstanden und wuchsen als tatsächliche Konkurrenz zu den Linsenteleskopen heran. Ein Großer zu dieser Zeit war Friedrich William Herschel (1738 bis 1822). Eigentlich hatte er keine richtige astronomische Ausbildung erfahren, stattdessen wurde er Musiker beim Militär. Autodidaktisch bildete er sich in der Astronomie und begann mit den Himmelsbeobachtungen. Heutzutage würde man Herschel als „Amateur“ bezeichnen, was seine Leistungen auf keinen Fall schmälern sollte. Im Jahr 1773 begann er mit der Herstellung von Spiegelteleskopen und sein Größtes stammt aus dem Jahre 1787 und hatte eine Brennweite von 40 Fuß33 sowie eine Öffnung von 1,2 Metern.34 Berühmt wurde er durch seine Entdeckung des Planeten Uranus im Jahre 1781. Er verfasste auch einen Nebelkatalog, der die Positionen von über 2000 Nebeln35 und an die 200 Sternhaufen enthielt. Sein Sohn, John F.W. Herschel (1792 bis 1871) setzte die Arbeiten seines Vaters fort und ging sogar noch weiter, indem er in Südafrika die Kapstadtsternwarte errichtete (siehe Abb.36 2.17). Mit dieser beobachtete er den Südhimmel und veröffentlichte als Ergebnis 1864 den General Catalogue of Nebula and Clusters Abbildung 2.16: 40 füßiges Spiegelteleskop von W. Herschel in Slough of Stars (oder als Kürzel GC). Abbildung 2.17: John Herschels Sternwarte am Kap der Guten Hoffnung, 1834-38 33 1 Fuß = 0,30479 Meter (40 Fuß = 12,1916 Meter) vgl. [1, 3] 35 Verdichtung von interstellaren Gasen und Staubpartikeln 36 vgl. [1, S. 250] 34 20 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Chester Moore Hall (1703 bis 1771) gelang es im Jahr 1730 den Farbfehler, also die chromatische Aberration, von Linsenfernrohren zu verringern. Er verwendete dazu eine Kombination aus zwei Linsen, eine aus Kronglas und die andere aus Flintglas. Wie schon so oft in der Geschichte, veröffentlichte auch er seine Entdeckung nicht. Somit oblag es John Dolland (1706 bis 1761), ein nach England geflüchteter französischer Protestant, diese Entdeckung bekannt zu machen. Er meldete 1756 in England das erste Patent auf achromatische Linsen an und verbesserte die bisher schlechte Situation für Linsenteleskope schlagartig. Anstelle der langen unhandlichen Fernrohre wurden nun wesentlich kleinere und leistungsfähigere Instrumente hergestellt. Anfangs war es aber nur die „Probiermethode“ – unterschiedliche Glassorten wurden dazu ausprobiert – welche bei der Herstellung eine Rolle spielten. Dies änderte sich, als Joseph Fraunhofer (1787 bis 1826) und der Glasmacher Pierre Louis Guinand (1748 bis 1824) sich genauer damit beschäftigten. Von beiden erlangte ersterer sicherlich mehr Ansehen und Berühmtheit. Auch heute noch ist in der Astronomie die FH- (Fraunhofer) Optik ein Begriff. Fraunhofer beschäftigte sich mit dem Einfluss der chemischen Zusammensetzung auf die Eigenschaften von Gläsern. Als er die Brechungseigenschaften für die einzelnen Farben gesondert ermitteln wollte, entdeckte er im Farbspektrum der Sonne über 500 dunkle Linien, die auch heute noch „Fraunhofer-Linien“ genannt werden. Sie treten bei der Spektralanalyse auf, bei der chemische und physikalische Eigenschaften des Universums untersucht werden können. Unter Fraunhofer entstanden die ersten Teleskope in Serienproduktion. Leider war man mit der Größe der Linsen sehr eingeschränkt. Fraunhofer erzeugte damals eine der größten achromatischen Linsen mit 38 Zentimetern Durchmesser für das Observatorium in Petersburg. Deshalb war man nun bestrebt, die Entwicklung der Reflektoren besser voranzutreiben. Der Chemiker Justus von Liebig (1803 bis 1873) erfand im Jahr 1835 das chemische Versilberungsverfahren. Die bis dahin entstandenen Teleskopspiegel waren alle aus poliertem Metall. In den Jahren 1856 und 1857 wurden nun die ersten Teleskopspiegel aus Glas mit einer versilberten Oberfläche von Leon Foucault (1818 bis 1868) hergestellt. Sie erbrachten anfangs aber nicht die erwarteten Leistungen und es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis Isaac Roberts (1829 bis 1904) mit seinem 51 Zentimeter Glasspiegelteleskop und fotografischen Aufnahmen der Andromeda-Galaxie37 weltweit bekannt wurde. Von da an waren alle großen Himmelsforscher vom Leistungsvermögen des Glasspiegels überzeugt. Die Glasspiegelteleskope setzten sich um die Jahrhundertwende nach und nach zunächst in England, den USA und dann auch in Deutschland durch. 37 Spiralgalaxie - unserer Milchstraße sehr ähnlich 21 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente So kam es auch, dass im Jahre 1897 das letzte große Linsenteleskop der Welt aufgestellt wurde und auch jetzt noch zu den größten Linsenteleskopen zählt. Es wurde im Yerkes Observatory in Wisconsin aufgestellt. Mit einem Linsendurchmesser von 102 Zentimetern ist es auch heute noch das größte Linsenteleskop der Welt (siehe Abb.38 2.18). Das Ende der Ära der großen Linsenteleskope war somit eingeläutet worden. In den großen Observatorien hielten immer mehr die großen Spiegelteleskope Einzug. Abbildung 2.18: Refraktor mit 102 Zentimetern Durchmesser, Yerkes Observatory 1897 38 vgl. [3, S. 22] 22 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente 2.5 20. bis 21. Jahrhundert – Zeitalter der modernen Teleskope Von 1910 bis 1960 waren die Amerikaner federführend, was die Erforschung des Himmels betraf. Es entstanden damals die großen Observatorien an der amerikanischen Westküste. Die bereits bestehenden Observatorien wurden mit noch größeren leistungsfähigeren Geräten ausgestattet. Im Jahr 1917 wurde am Mount Wilson in Kalifornien ein 2,5 Meter Teleskop in Betrieb genommen. Im Jahre 1948 wurde auf dem Mount Palomar in Kalifornien der Bau eines 5 Meter Spiegels vollendet. Die Entwicklungen in der Physik und in der Technik brachten also immer größere und leistungsstärkere Instrumente zu Tage. Erst der wirtschaftliche Aufschwung in den sechziger Jahren kam der astronomischen Forschung Europas zugute und im Jahr 1962 wurde die „Europäische Organisation für Astronomie“, auch ESO (European Southern Observatory) genannt, gegründet. Heute sind schon an die zehn Länder daran beteiligt. Sie zählt zu den weltweit bedeutendsten und größten astronomischen Forschungszentren und ist im Norden Chiles stationiert. Die ESO gehört außerdem zu den wichtigsten Einrichtungen in der Beobachtung des südlichen Sternenhimmels. Das ESOHauptquartier befindet sich heute in München-Garching. Aber auch bei der Entwicklung immer größerer Spiegelteleskope stieß man sehr bald – wie schon damals bei den Linsen – an die Grenzen des Machbaren. Bei der Errichtung eines sechs Meter Spiegelteleskops im Kaukasus war man nun an eine Grenze gestoßen.39 Um Verbiegungen vorzubeugen, hatte der Spiegel eine sehr große Masse und diese verhinderte in der Nacht die schnellere Anpassung an die Umgebungstemperatur. Verformung der Spiegelfläche war die Folge. Zudem brachte die große Masse des Spiegels eine aufwändige Montierung mit sich, um die Stabilität des Teleskops zu gewährleisten. Es dauerte bis in die 1980er Jahre, bis man mit Hilfe der fortschreitenden Computertechnik auf neue Technologien setzen konnte. Es galt vor allem der Verformung aufgrund der großen Spiegelmasse entgegenzuwirken. Es wurde das Prinzip der aktiven Optik40 verwendet. Heute werden extrem dünne Spiegel hergestellt, die sich leicht verformen. Um dem entgegenzuwirken ruht der Spiegel nicht mehr auf eine Trägerkonstruktion, sondern er ist vielmehr mit einem Unterstützungssystem (siehe Abb.41 2.19) verbunden. Die einzelnen Elemente, die mit einem Computer verbunden sind, registrieren jede kleine Verformung. 39 vgl. [3] vgl. [7] 41 vgl. [7, S. 34] 40 23 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Durch schnelle Steuerbefehle an das Unterstützungssytem wirken sie den Verformungen sofort entgegen. Beim Galileo-Teleskop auf den „kanarischen Inseln“ werden an die 78 solcher Korrekturelemente angewandt.42 Abbildung 2.19: Schematische Darstellung der aktiven Optik Das in den Jahren 1998 bis 2000 von der ESO im chilenischen Küstengebirge Paranal fertig gestellte VLT (Very Large Telescope), verfügt sogar über 150 solcher Elemente. Das VLT (siehe Abb.43 2.20) ist das zurzeit größte Spiegelteleskop und verfügt über vier Spiegel, die je einen Durchmesser von 8,2 Metern haben. Die vier Spiegel können auch unabhängig voneinander betrieben werden. Mit den vier Großteleskopen könnte man zusammengeschaltet, also im Interferometriebetrieb, ein rein rechnerisches Auflösungsvermögen eines 130-Meter-Teleskops erreichen44. Abbildung 2.20: Das VLT (Very Large Telescope) der ESO auf dem Cerro Paranal in Chile 42 vgl. [7] vgl. [3, S. 30] 44 vgl. Microsoft Encarta 2003 43 24 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Bei der astronomischen Interferometrie beobachtet man einen Himmelskörper mit mehreren Teleskopen und das Licht wird in einem gemeinsamen Fokus bzw. Brennpunkt zusammengeführt. Werden die unterschiedlichen Lichtwege bis auf wenige Wellenlängen ausgeglichen, treten im Fokus Interferenzstreifen auf. Diese enthalten die Information über die Form des Körpers.45 Zwei weitere Riesenteleskope sind das von den Amerikanern betriebene Keck-Teleskop auf Hawaii (siehe Abb.46 2.21) und das noch im Bau befindliche LBT (Large Binocular Telescope – siehe Abb.47 2.22). Das Keck-Teleskop hat zwei Spiegel mit einem Durchmesser von zehn Metern. Das LBT auf dem Mount Graham, welches ebenfalls von den Amerikanern, in Kooperation mit deutschen Astronomen gebaut wird, ist gerade in Fertigstellung. Der erste Spiegel wird im Jahre 2004 und der zweite im Jahre 2005 den Betrieb aufnehmen. Diese Spiegel werden jeweils einen Durchmesser von 8,4 Metern haben. Abbildung 2.21: Kuppeln von Keck 1 und Keck 2, zwei 10 m Teleskope auf dem Gipfel des Vulkans Mauna Kea auf Hawaii Abbildung 2.22: LBT (Large Binocular Telescope) auf Mt. Graham in Arizona. USA Eine andere Technik als sie beim VLT angewandt wurde, ist jene, in der man große Spiegelteleskope aus mehreren Einzelspiegeln (Multi-Mirror-Telescope) oder aus zusammengesetzten Segmentspiegeln (Segment-Mirror-Telescope) herstellt. Der sphärische Spiegel des HET (Hobby-Eberly-Telescope) am texanischen McDonald-Observtorium ist ein Beispiel für ein Teleskop mit zusammengesetzten Segmentspiegeln. Es besitzt einen 11Meter-Spiegel, der aus 91 sechseckigen Segmentspiegeln entstanden ist48. 45 vgl. [8] vgl. [9, S. 25] 47 vgl. [3, S. 31] 48 vgl. [3] 46 25 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Neben der Zunahme der Spiegeldurchmesser, gab es noch weitere Entwicklungsschritte beim Teleskopbau, welche die Leistungen der Teleskope steigerten. Ein weiterer Fortschritt war die Entwicklung der adaptiven Optik. Durch diese Technik werden die sphärischen Einflüsse verringert. Die durch die Erdatmosphäre hervorgerufenen Störungen können in Echtzeit durch verformbare Spiegel korrigiert werden. Die adaptive Optik enthält einen Wellenfrontsensor, der das gestörte Sternenlicht misst und über Computer den Spiegel für die Korrektur ansteuert. Mit dieser Optik können Teleskope bei günstigen Wetterverhältnissen nahezu ihr theoretisches Auflösungsvermögen49 erreichen. Mit der Entwicklung der Raumfahrt kamen die Forscher auf eine andere Idee, die störenden Einflüsse der Erdatmosphäre zu umgehen. Sie entwickelten Teleskope, die oberhalb der Erdatmosphäre agieren sollten. Hierzu sei vor allem das Weltraumteleskop Hubble genannt, das in Kooperation der beiden größten Raumfahrtorganisationen NASA (National Aeronautics and Space Administration) und der ESA (European Space Agency) entwickelt und gebaut wurde. Das Hubble-Teleskop (siehe Abb.50 2.23), benannt nach dem Wegbereiter der modernen Kosmologie, Edwin Hubble (1889-1953), hob nach einer fast 15 jährigen Planungs- und Bauphase im Jahre 1990 zu seiner Weltraummission ab. Leider stellte man bald einen Fehler in der Optik fest, der durch ein falsches Schleifen des 2,4 Meter Spiegels verursacht wurde. Erst mit einer Reparaturmission im Jahre 1993 konnte der Fehler behoben werden, und das Hubble-Teleskop konnte ab diesem Zeitpunkt mit seiner Mission so richtig beginnen. Seitdem wurde bzw. wird es noch immer seiner Aufgabe mehr als gerecht und liefert schon über Jahre aufschlussreiche Bilder aus dem All. Abbildung 2.23: Hubble-Teleskop 49 50 siehe Kapitel 3 vgl. [14, S. 91] 26 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente In nächster Zukunft sind noch weitere Großprojekte geplant. Die ESO ist gerade bei der Planung des OWL (Overwhelmingly Large Telescope) in der chilenischen Wüste. Es soll einen Spiegeldurchmesser von 100 Metern haben und dadurch eine enorme Lichtstärke erreichen. Sein Auflösungsvermögen soll 0,5 Millibogensekunden betragen. Zum Vergleich: das menschliche Auge hat, wenn man den mittleren Spektralbereich hernimmt, ein Auflösungsvermögen von 23 Bogensekunden. Ein anderes Projekt ist das JWST (James Webb Space Telescope), Nachfolgerteleskop von Hubble, dessen Start für 2010 geplant ist.51 Zusammengefasst kann gesagt werden, dass meine Ausführungen auf den Bereich der visuellen Astronomie beschränkt waren. Natürlich gibt es noch weitere Forschungsgebiete in der Astronomie, die wichtige Beiträge zur Erforschung unseres Universums liefern. Sei es die Sonnenforschung, die Spektroskopie der Sterne oder die vor allem in diesem Jahrhundert entdeckte Radioastronomie. Insgesamt sind sie zu sehr wichtigen Bestandteilen der heutigen Astronomie geworden. Doch das genauere Eingehen auf diese Teilgebiete würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Eines ist aber klar, durch die raschen Entwicklungen in der Astronomie wird sich in nächster Zeit noch einiges tun. Die Menschheit kann somit gespannt in die Zukunft, oder wie es eigentlich beim Blick durch ein Teleskop heißt, in die Vergangenheit blicken. 51 vgl. [11] 27 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente 2.6 Beginn der Astrofotografie und deren Entwicklung Neben den Entwicklungen der astronomischen Instrumente gab es noch eine große wissenschaftliche Entdeckung, die als eines der größten Hilfsmittel in der Astronomie bezeichnet werden kann. Die Rede ist von einer Errungenschaft, die im 19. Jahrhundert entdeckt wurde und später auch in der Astronomie Einzug gehalten hat: die Fotografie. Die fotografische Methode setzte sich um die Jahrhundertwende mehr und mehr gegenüber den visuellen Beobachtungen durch. Es wurde die Möglichkeit geschaffen, auf Glasscheiben auf denen eine lichtempfindliche Emulsion aufgebracht wurde, viele Sterne gleichzeitig zu erfassen und sie auch für spätere Vergleiche aufzubewahren. Ein großer Vorteil war die immer größer werdende Empfindlichkeit der Fotoplatten – so werden diese Glasscheiben genannt – gegenüber den Augen. Bereits im Jahr 1887 fand der erste Astrofotografische Kongress in Paris statt, in dem man sich einigte, eine gesamte fotografische Dokumentation des Himmels vorzunehmen. Es wurde ein Standardlinsenfernrohr, der so genannte Astrograf mit 34 Zentimetern Öffnung und einer Brennweite von 3,4 Metern für diese Zwecke konzipiert.52 Ein sehr wichtiges Kriterium bei der Fotografie war das Öffnungsverhältnis. Bei einem kleinen Öffnungsverhältnis des Teleskops hatte man ein größeres Gesichtsfeld und eine größere Lichtstärke. Es wurden spezielle Fotobjektive für astronomische Zwecke entwickelt. Durch die Ablöse der großen Linsenteleskope durch immer größer werdende Spiegelteleskope stieß man aber auf ein Problem. Anders als eine Sammellinse produziert ein Parabolspiegel nur in einem begrenzten Teil des Gesichtsfeldes wirklich scharfe Sternbilder. Für parallel zur optischen Achse einfallenden Lichtstrahlen war die Fokussierung zwar perfekt, doch je größer der Winkel der vom Stern ausgehenden Lichtstrahlen zur optischen Achse wurde, desto schwieriger wurde das Fokussieren. Die Lösung hatte Bernhard Schmidt (1879 bis 1935), indem er einen sphärisch geschliffenen Spiegel verwendete, um die Randunschärfe des Parabolspiegels zu vermeiden. Die dadurch auftretende sphärische Aberration überwand er durch eine im Krümmungsmittelpunkt des Kugelspiegels angebrachte Korrektionslinse53. Auch heute erinnern uns die vielen SchmidtCassegrain-Teleskope54 im Amateurbereich an diesen großartigen Forscher. Der größte Schmidt-Spiegel der Welt mit einer Öffnung von 134 Zentimetern steht in der Sternwarte Tautenburg bei Jena. 52 vgl. [3] vgl. [10] 54 siehe Kapitel 3 53 28 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Über die Jahre verbesserten sich immer mehr die Technik des Fotografierens und die dazugehörigen Materialien, sodass großartige Bilder entstehen konnten. Auch die Entwicklung in der Computertechnik brachte in der Astronomie einen weiteren Vorteil. Die Fotoplatten wurden seit den 1980er Jahren, zumindest für kleinere Bildfelder bei Direktaufnahmen und für die Spektroskopie, weitgehend durch moderne Technik ersetzt. Das Zeitalter der elektronischen Detektoren hatte zu dieser Zeit begonnen. Es kamen so genannte IDS (Image Dissector Scanner) zum Einsatz, welche das Bildfeld abtasten und das Licht einem Photomultiplier55 zuführen. Die größten Erfolge verzeichneten die Astronomen aber mit dem Einsetzen von zweidimensionalen Bildspeichergeräten, wie den IPC (Image Proportional Counter)- und den CCD (Charge Coupled Device)-Kameras. Wobei letztere wohl die größten Erfolge erzielen konnten. In den letzten 15 Jahren wurden die herkömmlichen Fotoplatten zunehmen durch diese lichtempfindlichen Empfänger, so genannten Halbleiterdetektoren ersetzt. Diese Kameras besitzen CCD-Chips, oder auch auf Deutsch „Ladungsgekoppelte Bauelemente“, die vor ca. 25 Jahren von W.S. Boyle und G.E. Smith entwickelt wurden. Die zwei Forscher aus den Bell-Laboratorien in den USA hatten eigentlich ganz andere Absichten mit dieser Entdeckung. Ursprünglich waren diese CCD-Chips für die Realisierung von Schieberegistern und als analoge Speicher gedacht. So dauerte es einige Zeit, bis auch sie in der Astronomie als Bilderfassungssystem eine Anwendung fanden. Abbildung 2.24: CCD-Kamera so wie sie auch in der Astronomie verwendet wird 55 dient zur Verstärkung in photoelektrischen Schaltungen 29 Kapitel 2 Geschichtliche Entwicklung der astronomischen Instrumente Der große Vorteil dieser CCD-Chips ist wie schon erwähnt ihr lichtempfindlicher Halbleiterchip. Moderne CCD-Kameras sind so empfindlich, dass sie nahezu jedes einfallende Photon registrieren. Bei den Fotoplatten sind dagegen mehrere Photonen erforderlich, um überhaupt ein Silberkörnchen in der fotochemischen Emulsion 56 freizusetzen. Auch in der Amateurastronomie haben sich in den letzten Jahren immer mehr die CCDKameras durchgesetzt. Es gibt dazu auch regelmäßig CCD-Treffen, bei denen man sich gegenseitig seine Erfahrungen erzählt. Ein großer Nachteil dieser Technik ist der Preis. Gute CCD-Kameras sind ab ungefähr tausend Euros zu haben und das sprengt allzu oft das Budget vieler Amateure. Seit den letzten paar Jahren gibt es dazu eine Alternative. Im Zeitalter des Internet und der Internettelephonie haben sich so genannte Webcams, entwickelt. Das sind Kameras, mit denen man kurze Videos aufnehmen oder sogar Videokonferenzen abhalten kann. In diesen Webcams befinden sich ebenfalls solche CCD-Chips. Sie sind zwar kleiner als die CCDChips von speziellen „CCD-Astrokameras“, doch im Preisleistungsverhältnis liegen sie weit voran. Kostet doch eine Webcam nur ein zehntel von dem, was eine „CCD-Astrokamera“ (siehe Abb.57 2.24) kostet. Natürlich ist aber auch der Einsatzbereich – er beschränkt sich eher auf die Aufnahmen von Planeten und sehr hellen Himmelsobjekten – eingeengt, aber für eine „kleinere Geldbörse“ das ideale Werkzeug in der Astrofotografie. Diese neue Technik will ich in meiner Arbeit detailliert vorstellen. In den nächsten Kapiteln sollen Handhabung und Funktionsweise der Webcam ausführlich beschrieben werden. 56 57 vgl. [3] vgl. [7, S. 31] 30 Kapitel 3 Webcam-Astronomie In der Amateurszene setzte sich die CCD-Technik in den letzten Jahren immer mehr gegen die herkömmliche Fotografie durch. Aufgrund der größer werdenden Lichtempfindlichkeit dieser kleinen Halbleiterchips können immer bessere Ergebnisse erzielt werden. Die daraus resultierenden immer kürzer werdenden Belichtungszeiten erlauben, die störenden Luftbewegungen (auch „Seeing“ genannt) fast ganz auszuschalten. Weitere Vorteile ergeben sich durch die Möglichkeiten der digitalen Ansteuerung. Die rasche Entwicklung in der CCDund der Computertechnik lassen die Astrokameras immer leistungsfähiger werden und eröffnen dadurch immer mehr Einsatzmöglichkeiten. Der große Nachteil solcher CCDAstrokameras ist ihr Preis. CCD-Kameras besserer Qualität sind erst ab 1000 € zu haben. Durch die doch eher schlechte finanzielle Lage der Schulen wird es wohl selten sein, dass sie sich solche Kameras leisten können. In den letzten Jahren hat sich aber eine Technologie entwickelt, die es erlaubt, zu einem vernünftigen Preis diese Technik trotzdem zu nützen. Die Rede ist von den Webcams, die mit der Entwicklung des Internets entstanden sind. Manche Webcams sind nämlich schon mit so genannten CCD-Chips ausgestattet. Webcams sind im Vergleich zu den CCD-Astrokameras um einiges preiswerter und dadurch für Schulen eine interessante Alternative. Mit der Webcam hat man in der Schule die Möglichkeit, den Schülern Astronomie auf eine andere Art näher zu bringen. Für den Einsatz der Webcam im Unterricht gibt es drei wesentliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. 31 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Man braucht: • Teleskop und Zubehör • Webcam (+ IR-Sperrfilter58) • Computer und Nachbearbeitungssoftware Stehen diese Dinge zur Verfügung, ist einem interessanten Physik- bzw. Astronomieunterricht nichts mehr in den Weg gelegt. In diesem Kapitel wird auf die benötigten Voraussetzungen genauer eingegangen. Es werden die in Schulen wohl am ehesten anzutreffenden Teleskope, die Webcam, die enthaltene CCDTechnik und ihre Handhabung genauer vorgestellt. Am Ende des Kapitels werden noch die Aufnahmeergebnisse gezeigt und die für den Schulunterricht möglichen Beobachtungsobjekte vorgestellt. 3.1 In der Schule häufig verwendete Fernrohre und Teleskope Manche Schulen sind schon mit einer richtigen Sternwarte ausgerüstet und setzen diese auch gezielt im Unterricht ein.59 Schulen, die nicht so gut ausgestattet sind, haben aber die Möglichkeit sich in ihrer näheren Umgebung umzusehen. Oft gibt es öffentliche oder private Sternwarten, die von astronomischen Vereinigungen betreut werden und ganz in ihrer Nähe sind. Diese könnten sicherlich besucht werden, denn die Betreiber freuen sich immer wieder über jegliches Interesse aus der Öffentlichkeit. In diesem Punkt sollen nun die gängigsten Teleskoparten vorgestellt werden, die – wenn vorhanden – am häufigsten in Schulen oder Sternwarten vorkommen. Es gibt zwei Hauptarten von Teleskopen. Das wären zum einen die Refraktoren (Linsenteleskope) und zum anderen die Reflektoren (Spiegelteleskope). Beide Typen kommen in den Schulen zum Einsatz. Refraktor Ein Refraktor enthält eine oder mehrere Linsen, welche das Licht sammeln und eine Abbildung erzeugen. 58 59 Ein Infrarot (IR) –Sperrfilter blockt die Infrarotstrahlung ab – näheres unter Abschnitt 3.2.2 siehe Kapitel 4 – BRG Kepler Schulsternwarte 32 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Bei sehr billigen Geräten, wie man sie oft in Kaufhäusern erhält, besteht das Objektiv60 aus einer Einzellinse. Diese Einlinsensysteme sind mit einigen Abbildungsfehlern, wie zum Beispiel der chromatischen – oder auch der sphärischen Aberration61 behaftet. Um den Farbfehler zu korrigieren sind die meisten etwas besseren Fernrohre bereits mit einem Fraunhofer-Objektiv (FH-Objektiv) ausgestattet (siehe Abb.62 3.1). Diese nach dem Erfinder Josef Fraunhofer63 benannten Objektive sind zweilinsig. Solche Linsensysteme, welche die chromatische Aberration auf diese Weise verringern, werden auch Achromaten genannt. Abbildung 3.1: Fraunhofer-Refraktor Werden „Drei“ –oder sogar „Vierlinser“ verwendet, spricht man von so genannten Apochromaten (farbfehlerfrei). Der große Nachteil dieser mehrlinsigen Systeme ist die komplizierte Herstellung und der dadurch sehr stattliche Preis. Deshalb nehmen die meisten Amateurastronomen lieber kleinere Abbildungsfehler in Kauf, bevor sie doch einige tausend Euro mehr investieren. Newton-Reflektor Dieses Spiegelteleskop, nach der Bauform von Newton, erzeugt die optische Abbildung alleine durch Reflexion. Hauptbestandteil des Newton-Reflektors sind zwei Spiegel. Einer davon ist der Hauptspiegel, der zur Vermeidung von Bildfehlern meist parabolisch geschliffen wird. Die von ihm reflektierten Strahlen werden kurz vor dem Brennpunkt von einem kleinen um 45° geneigten Fangspiegel seitlich aus dem Tubus64 gelenkt. 60 siehe Abschnitt 3.1.1 siehe Abschnitt 3.1.2 62 vgl. [14, S. 14] 63 siehe Kapitel 2 64 jene Röhre, die beim Teleskop das Objektiv und das Okular miteinander verbindet 61 33 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Der Beobachter muss nun seitlich in das Teleskop hineinblicken (siehe Abb.65 3.2). Der große Vorteil gegenüber Linsenfernrohren ist das farbreine Bild des reflektierten Lichtstrahls. Abbildung 3.2: Newton-Reflektor Es gibt aber auch Nachteile bei der Verwendung von Newton-Reflektoren. Der vor dem Hauptspiegel im einfallenden Licht sitzende kleine Fangspiegel sorgt für Lichtverlust infolge von Abschattung (Obstruktion). Beim Vergleich der üblichen Fläche des Fangspiegels und die des Hauptspiegels stellt man fest, dass der Lichtverlust aber nur minimal ist. Beim typischen Newton-Teleskop für Einsteiger (Hauptspiegeldurchmesser 114 mm und Brennweite 900 mm) ist der Fangspiegel rund 25 mm groß. So bewirkt dessen Fläche durch Abschattung einen unmerklichen Lichtverlust von nur 4,8%.66 Gravierender ist da schon die durch den Fangspiegel und dessen Haltestreben hervorgerufene Lichtbeugung. Diese sorgt für eine leichte Unschärfe und Kontrastminderung, was wiederum die Leistungsfähigkeit des Teleskops herabsetzt. Es gilt dafür eine Faustformel, die folgendes besagt: ein Newton Teleskop leistet höchstens soviel wie ein Linsenfernrohr folgender Größe Hauptspiegeldurchmesser – Fangspiegeldurchmesser. Cassegrain-Reflektor Neben dem Newton-Teleskop mit seitlichem Einblick gibt es noch eine weitere Grundbauform des Spiegelteleskops. Bei dieser Bauform ist der Hauptspiegel im Zentrum durchbohrt und der Fangspiegel wirft das gebündelte Licht in die Richtung des Hauptspiegels zurück. Die Einblickposition entspricht somit der eines Refraktors. Beim klassischen Cassegrain-System besteht der Hauptspiegel aus einem parabolischen und der Fangspiegel aus einem hyperbolischen Spiegel. Durch die kurze Brennweite des Hauptspiegels erreicht man eine sehr kompakte Bauweise. 65 66 vgl. [14, S. 14] vgl. [14, S. 17] 34 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Bei diesen erwähnten Bauarten (Newton– und Cassegrain-Teleskop) gibt es aber einen wesentlichen Nachteil. Der Nachteil der beiden Systeme ist die Bauweise des offenen Tubus. Durch den offenen Tubus kommt es bei der Tubusöffnung zu Luftturbulenzen, die durch unterschiedliche Lufttemperaturen innerhalb und außerhalb des Tubus zustande kommen. Diese flimmernde Luft führt dann zu einer Bildverschlechterung. Um die soeben geschilderten Effekte des Luftaustausches und die vorher erwähnte Lichtbeugung an den Streben der Fangspiegelhalterung zu verringern, stellt man Tubusse her, die nach vorne hin mit einer Glasplatte abgeschlossen werden. Solche Systeme werden auch katadioptrische Systeme genannt. Ein katadiotrisches Spiegelteleskop ist kein reinrassiges Spiegelteleskop, denn es befindet sich zusätzlich ein linsenähnlicher Glaskörper im Strahlengang. Die Vorsilben „kata“ (herunterbrechen) und „di“ (zwei) weisen schon darauf hin, dass man es hier mit zwei optischen Systemen (Linsen und Spiegel) zu tun hat. Ein typischer und vor allem weit verbreiteter Vertreter dieses Typs ist das Schmidt-Cassegrain-Teleskop. Schmidt-Cassegrain-Teleskop (siehe Abb.67 3.3) Bei diesem Teleskoptyp wird das Problem der sphärischen Aberration durch eine Korrektionsplatte (Schmidt-Platte) korrigiert. Diese Korrektur erlaubt die Benutzung eines Hauptspiegels mit einem hohen Öffnungsverhältnis68. Vor allem amerikanische Hersteller haben dieses für den Amateurbereich sehr zweckmäßige Teleskop in großen Mengen und zahlreichen Variationen auf den Markt gebracht. Abbildung 3.3: Schmidt-Cassegrain-Teleskop 67 68 vgl. [14, S. 14] siehe Abschnitt 3.1.1 35 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.1.1 Wichtige Kenngrößen bei Teleskopen Es ist wichtig über die verschiedenen Arten und Bauweisen von Teleskopen bzw. Fernrohren Bescheid zu wissen. Aber ebenso wichtig ist es, bestimmte physikalische Kenngrößen dieser Instrumente zu kennen. Das Objektiv ist die abbildende Optik und fast der wichtigste Teil des Fernrohrs bzw. Teleskops. Für die Leistung ist der Objektivdurchmesser (Öffnung des Teleskops) der wohl wichtigste physikalische Parameter. Je größer dieser ist, desto mehr Licht kann das Fernrohr sammeln. Wie wir später noch sehen werden, ist auch das Auflösungsvermögen (Detailschärfe) des Fernrohres von der Größe des Objektivdurchmessers abhängig. Ein weiteres wichtiges Merkmal des Objektivs ist seine Brennweite. Sie gibt an, welche grundsätzlichen Vergrößerungsmöglichkeiten bei den Spiegelteleskopen bzw. Linsenfernrohren bestehen. Für die Leistung ist sie aber weniger entscheidend. Das Öffnungsverhältnis (bei Fotoobjektiven die „Blende“) ist wesentlich entscheidender. Es drückt das Vielfache der Objektivbrennweite im Verhältnis zum Objektivdurchmesser aus.69 Ist Dobj der Objektivdurchmesser und ist fobj die Brennweite des Objektivs, dann lässt sich das Öffnungsverhältnis O wie folgt berechnen: 70 O = f obj Dobj (3.1) Das Linsenfernrohr der Schulsternwarte des BRG Kepler71 (Dobj=150mm; fobj=1210mm) hat das Öffnungsverhältnis f:8 und das Cassegrain Spiegelteleskop (Dobj=320mm; fobj = 4760mm) ein Öffnungsverhältnis von f:15.72 Die Vergrößerung eines Teleskops bzw. Fernrohrs ist jener Faktor, um den das von seinem optischen System erzeugte Bild gegenüber dem mit bloßem Auge betrachteten Bild vergrößert worden ist. Die Vergrößerung V errechnet sich nach folgender Formel: 73 V = f obj f ok (3.2) Dabei sei mit fok die Brennweite des Okulars gemeint. 69 vgl. [14] vgl. [5, S. 81] 71 siehe Kapitel 4 – Schulpraktischer Teil 72 siehe Internetadresse http://www.brgkepler.at/sternwarte/instrumentarium.asp 73 vgl. [5, S. 82] 70 36 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Für unterschiedliche Vergrößerungen werden nun Okulare mit verschiedenen Brennweiten verwendet. Leider misst man der Vergrößerung oft allzuviel an Bedeutung bei. Höhere Vergrößerungen können zwar mehr Details zeigen, jedoch ist eine zu hohe Vergrößerung auch oft mit negativen Begleiterscheinungen behaftet. Folgende Punkte sollen dies zeigen. Je höher die Vergrößerung um so: • lichtschwächer wird das Bild • kleiner wird der Bildausschnitt am Himmel • stärker wird die Luftunruhe mitvergrößert • stärker tritt das Zittern eines schlecht montierten Fernrohres in Erscheinung Deshalb ist es besser, mit der Vergrößerung zwischen der minimalen- und der maximalen Vergrößerung zu bleiben. Um diese gerade erwähnten Grenzen genauer definieren zu können, ist es wichtig, noch eine Kenngröße einzuführen. Als AP (AustrittsPupille) wird der Durchmesser der Austrittspupille bezeichnet. Dabei handelt es sich um den Durchmesser des aus dem Okular austretenden Lichtbündels. Um eine bestmögliche Bildhelligkeit zu erreichen, sollte deshalb bei allen astronomischen Beobachtungen die Austrittspupille etwas kleiner als die Augenpupille AE (AugenEintrittsöffnung) sein. Ist nämlich AP größer als AE, geht ein Teil des einfallenden Lichtes an der Regenbogenhaut des Auges verloren.74 Zu berücksichtigen ist, dass der Durchmesser der Augenpupille mit dem Lebensalter abnimmt, wie folgende Tabelle (siehe Abb.75 3.4) zeigen soll. Abbildung 3.4: Diese Tabelle zeigt, dass der Durchmessers der Augenpupille über die Jahre hinweg abnimmt 74 75 vgl. [6, S. 32] vgl. [6, S. 31] 37 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Die Austrittspupille AP lässt sich wie folgt berechnen: 76 AP = Dobj [ mm ] V (3.3) Um die noch sinnvolle Minimalvergrößerung Vmin zu berechnen, nimmt man diese Formel und ersetzt die Austrittspupille AP durch die Augenpupille AE. Man erhält durch umformen von (3.3): 77 Vmin = Dobj [mm] AE (3.4) Nimmt man jetzt als Rechenbeispiel das 6“ Linsenteleskop (Dobj=150mm) der Schulsternwarte des BRG Kepler und eine Augenpupille AE von 7mm (entspricht dem Augenpupillendurchmesser bei ca. 30 Jährigen), ergibt sich eine Minimalvergrößerung von 21,5. Das heißt, dass eine Vergrößerung unter diesen Wert nicht sinnvoll wäre. Bei der Maximalvergrößerung Vmax wirkt das Auge als begrenzendes Element. Das menschliche Auge kann gerade noch Details von rund 0,5mm Abstand unterscheiden. Dadurch lässt sich eine sinnvolle Vergrößerung wie folgt angeben: 78 Vmax = 2 ⋅ Dobj [mm] (3.5) Wenn wir nun wieder als Rechenbeispiel das 6“ Linsenteleskop (Dobj=150mm) hernehmen, kommt man auf einen Wert von 300-fach sinnvoller maximaler Vergrößerung. Dieser Wert ist aber sehr von den Luftverhältnissen und von der Qualität der Verarbeitung der optischen Teile abhängig. In den meisten Fällen bleibt er nur ein theoretischer Wert. Eine weitere grundlegende Kenngröße ist das Auflösungsvermögen θ des Teleskops. Es ist abhängig von der Öffnung des Teleskops. Das Auflösungsvermögen ist direkt proportional zur Wellenlänge λ des beobachteten Lichtes und indirekt proportional zur Öffnung des Teleskops. 76 vgl. [14, S. 80] vgl. [14, S. 81] 78 vgl. [14, S. 81] 77 38 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Das Auflösungsvermögen θ eines Teleskops wird in Bogensekunden angegeben und errechnet sich aus: 79 Θ = (1,22 ⋅ λ Dobj ) ⋅ 206265" (3.6) Der Wert 206265“ ergibt sich durch die Umrechnung aus dem Bogenmaß (Radiant) in Bogensekunden. 80 1rad = 3600 ⋅ 180 π = 206265" (3.7) Der Wert 1,22 (Radiant) beschreibt den minimalen Abstand, bei dem zwei gleich helle Beugungsscheibchen (Airy-Scheiben) noch getrennt erscheinen. Nach Rayleigh ist dies die größtmögliche Annäherung zweier Sternscheibchen, die man noch getrennt erkennen kann, bevor sie den Anschein erwecken, miteinander verschmolzen zu sein. Man bezeichnet die obige Formel (3.6) daher oft als „ Rayleigh-Kriterium“.81 Um wieder eine Abschätzung für die Größe des Auflösungsvermögens zu bekommen, errechnen wir es am Beispiel des 6“ Linsenteleskops. Für den Wert λ nehmen wir 550nm (grünes Licht), denn dort ist das menschliche Auge am empfindlichsten. Dobj setzen wir noch in Meter ein (also: 0,15m) und erhalten dann: Θ = (1,22 ⋅ 550 ⋅ 10 −9 0,15) ⋅ 206265" = 0,92" Würden also zwei Sterne einen Abstand von 0,92“ haben, könnte man sie mit diesem Fernrohr (Dobj=150mm) noch als getrennt wahrnehmen. 3.1.2 Häufig auftretende Abbildungsfehler Verschiedene optische Hilfsmittel, seien es nun Spiegel oder Linsen, neigen zu bestimmten Bildfehlern, die man als optische Aberrationen bezeichnet. Es gibt verschiedene Arten solcher Aberrationen, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. 79 vgl. [14, S. 114] vgl. [5, S. 83] 81 vgl. [14, S. 111] 80 39 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Sphärische Aberration (siehe Abb. 2.8 – Kapitel 2) Dieser Fehler, der auch Öffnungsfehler genannt wird, tritt bei Spiegelteleskopen und Linsenfernrohren auf. Die äußeren Zonen einer Linse oder eines Spiegels haben eine kürzere Brennweite als die mittleren Zonen, was zu einer unscharfen Abbildung führt. Bei Linsenfernrohren kann der Fehler korrigiert werden, in dem man eine Linsenkombination aus einer Sammel- und Zerstreuungslinse verwendet (viele optische Instrumente benützen sogar mehrere Linsenkombinationen). Bei Reflektoren kann man mit Hilfe eines Parabolspiegels diesen Fehler umgehen.82 Chromatische Aberration (siehe Abb. 2.9 – Kapitel 2) Dieser Fehler ergibt sich aus der Tatsache, dass der Brechungsindex von Glas von der Wellenlänge abhängt. Kurzwelliges Licht (blaues Licht) wird stärker gebrochen als langwelliges Licht (rotes Licht). Durch Verwendung von Achromaten, also zwei Linsen mit unterschiedlichem Brechungsindex, kann dieser Abbildungsfehler minimiert werden. Beide Abbildungsfehler beziehen sich auf achsenparallel einfallende Lichtbündel. Es gibt auch Abbildungsfehler, die bei schräg einfallendem Licht auftreten können. Koma Bei diesem Abbildungsfehler erscheinen die Bilder punktförmiger Objekte (Sterne) kometenförmig. 83 Astigmatismus Dieser Bildfehler kommt daher, dass für schief einfallende Lichtstrahlen das Objektiv kein Kreis, sondern eine Ellipse ist. Dadurch erfolgt die Abbildung nicht in einen Punkt, sondern in zwei Brennebenen. Bildfeldwölbung Parallele Lichtbündel die gegen die Achse geneigt sind, werden nicht in einer Ebene abgebildet. 82 83 vgl. [7, S. 32] vgl. [5] 40 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.1.3 Montierung Alle Teleskope auf der Erdoberfläche brauchen eine Tragekonstruktion. Zwei zueinander senkrechte Achsen müssen drehbar gelagert sein, um das Teleskop exakt auf bestimmte Punkte am Himmel ausrichten zu können. Um das Teleskop den Himmelsobjekten - die scheinbar über den Himmel wandern nachführen zu können, ist eine stabile Montierung unbedingt nötig. Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Typen: • Azimutale Montierung (siehe Abb.84 3.5): Diesen Typ kennt man von Foto- oder Videostativen. Die Bewegung um die Altitude (Höhenachse) erfolgt durch „nach Oben“ oder „Unten schwenken“. Bewegungen parallel zum Horizont (nach links oder rechts drehen) nennt man Drehung um den Azimut (Horizontalachse). Bei dieser Montierung muss man beide Achsen nachführen, um das Objekt im Gesichtsfeld behalten zu können. Ohne Nachführmotor ist mit dieser Montierung das Aufnehmen mit der Webcam nicht zu empfehlen. Abbildung 3.5: Azimutale Montierung 84 vgl. [17, S. 26] 41 Kapitel 3 • Webcam-Astronomie Parallaktische bzw. Äquatoriale Montierung (siehe Abb.85 3.6): Diese Montierung erlaubt, dass Sterne nur mit einer Drehbewegung verfolgt werden können. Hier zeigt eine Achse (Polachse) auf den nördlichen Himmelspol. Das ist jener Punkt, um den die Sterne scheinbar rotieren. Die Achse um die man das Teleskop nachführt, wird parallel zur Erdachse ausgerichtet (geographische Breite einstellen). Diese Art der Montierung ist vor allem bei der Himmelsfotografie oder speziell beim Einsatz der Webcam von großem Vorteil. Falls kein Nachführmotor vorhanden ist, braucht man nur in einer Achse nachführen. Voraussetzung dafür ist die genaue Ausrichtung zum Himmelspol. Abbildung 3.6: Äquatoriale Montierung 85 vgl. [17, S. 26] 42 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.1.4 Zubehör Zu den wichtigsten Teilen gehören sicherlich die Okulare. Mit den Okularen wird das von der Teleskoplinse oder dem Hohlspiegel gewonnene Bild vergrößert. Sinnvoll sind drei bis vier Okulare. Zwei davon sollten für die Maximal– und Minimalvergrößerung und ein bis zwei für den Zwischenbereich Verwendung finden. Okulare sind bei Benützung der Webcam besonders für die vorher nötige Bildeinstellung sehr wichtig. Ein weiteres wichtiges Zubehör ist die Barlowlinse. Sie soll die Fernrohrbrennweite und damit die Vergrößerung, um einen gewünschten Faktor verlängern. Der Zenitspiegel bzw. das Zenitprisma ist ein Zubehör, das vor allem bei der visuellen Beobachtung nicht fehlen sollte. Da sich bei den Refraktoren und den Schmidt-CassegrainTeleskopen der Einblick hinter dem Teleskop befindet, ist besonders das Beobachten der Objekte im Zenit sehr anstrengend. Da wird einem die Wichtigkeit eines solchen Teiles schnell klar. Bei der Benützung der Webcam braucht man dies nicht unbedingt. Filter gibt es für die verschiedenen Beobachtungsvorhaben (Sonne, Mond und Planeten). Diese sind aber mit besonderer Vorsicht auszuwählen. Vor allem bei der Sonnenbeobachtung ist die richtige Wahl des Filters sehr wichtig. Der Sucher auf dem Teleskop ist ebenfalls von großer Bedeutung. Da das Teleskop auch bei schwächster Vergrößerung nur einen kleinen Ausschnitt (auch Blickfeld genannt) des Himmels zeigt, wird grundsätzlich die Suche nach den Beobachtungsobjekten erschwert. Ein Sucherfernrohr, das eine geringere Vergrößerung und damit ein größeres Blickfeld aufweist, kann dabei die Sache wesentlich erleichtern. Auch Taukappen, die das Beschlagen bei Schmidt-Cassegrain-Teleskopen verhindern, sollten bei langen Beobachtungen nicht fehlen. In letzter Zeit kann auch die Webcam als wichtiges Zubehörteil dazugezählt werden. Hier bieten sich die Philips ToUCam 740K oder vergleichbare Modelle an. Für meine Arbeit verwendete ich die Philips ToUCam 740K. 43 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.2 Alles rund um die Webcam Mit Hilfe der Webcam wurde eine neue Ära der Planetenfotografie eingeleitet. Auch zur Beobachtung der Sonne (Achtung, nur mit Sonnenfiltern!!) oder des Mondes, stellt sie eine hervorragende Alternative zur sonst so teuren CCD-Astrokamera dar. Aufgrund der begrenzt verstellbaren Belichtungszeit ist ihr Einsatzbereich aber auch etwas eingeschränkt. Der Webcam stehen nur die helleren Objekte wie • Sonne • Mond • Planeten • hellere Doppelsterne • Sternhaufen? (bei günstigen Beobachtungsabenden und Beobachtungsplätzen) zur Verfügung. Diese sind aber für den Schulalltag völlig ausreichend und bieten genügend Stoff für den Unterricht. Für lichtschwächere Objekte müsste die Kamera elektronisch umgebaut werden, um die Belichtungszeiten zu verlängern (längere Belichtungszeiten sind für Deep-Sky-Objekte notwendig). Zusätzlich müsste sie durch die längeren Belichtungszeiten gekühlt werden. Für meine Arbeit benutzte ich die nicht modifizierte Webcam Philips ToUCam 740K. Es können natürlich auch andere Webcams verwendet werden. Man sollte nur darauf achten, dass die Webcam mit einem „richtigen“ CCD-Chip und nicht mit einem auf CMOS(Complementary Metall-Oxid-Semiconducter)-Technik basierenden CCD-Chip ausgestattet ist. Ein mit CMOS-Technik ausgestatteter CCD-Chip weist ein stärkeres Rauschen auf und hat auch eine geringere Lichtempfindlichkeit als ein „richtiger“ CCD-Chip. 86 Die Philips ToUCam ist mit einem „richtigen“ CCD-Chip ausgestattet und wird auch in der „Amateur-Astroszene“ am häufigsten verwendet. Mittlerweile gibt es schon das Nachfolgemodell (Philips ToUCam 840K) der Philips ToUCam 740K, welches sich aber nur im Aussehen vom Vorgänger unterscheidet. Berichten zur Folge sind Funktion und Bildqualität gleich geblieben. 86 näheres siehe Abschnitt 3.2.1.1 44 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Die Philips ToUCam (siehe Abb. 3.7) besteht aus einem Plastikgehäuse und einer eingeschraubten Optik. Sie kann über einen USB-Port mit dem Computer verbunden werden. Wenn man das Gehäuse aufschraubt, zeigt sich auf einer Platine der CCD-Chip (siehe Abb. 3.8) – das Herzstück der Webcam. Abbildung 3.7: Philips ToUCam 740K Abbildung 3.8: Platine mit darauf befindlichem CCD-Chip 45 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.2.1 CCD-Technik Die Abkürzung CCD (Charge Coupled Device) stammt aus Amerika und heißt übersetzt soviel wie „Ladungs-Kopplungs-Einheit“. Das Grundprinzip eines CCD-Bildaufnahmesystems ist mit dem einer normalen Filmkamera vergleichbar. Der Unterschied liegt in der Bildaufnahme und Bildausgabe. Bei der Filmkamera wird der fotoempfindliche Film zum Objektiv bewegt, belichtet und abtransportiert. Das Filmmaterial wird über mechanische Teile zu den Filmrollen transportiert, wo die Information dann gelagert wird. Bei der CCD-Technik wird nichts mechanisch bewegt. Auf dem CCD-Sensor wird das durch das Objektiv einfallende Licht abgebildet. Die Lichtinformation wird durch den inneren Fotoeffekt87 als elektrische Ladung gespeichert und nun rein elektronisch durch eine zentrale Ablaufsteuerung abtransportiert.88 3.2.1.1 Aufbau und Funktion der Photodetektoren in CCD-Zellen Ein CCD-Chip besteht aus einer geometrischen Anordnung vieler einzelner lichtempfindlicher Halbleiterzellen89, den so genannten Pixel (picture elements). So ein Einzelpixel hat eine definierte geometrische Abmessung und ist in der Größenordnung von einigen Mikrometern Länge und Breite (1µm entspricht 10-6m – bei der Philips ToUCam hat ein Pixel die Abmessungen: 5,6µm (Horizontal)*5,6µm (Vertikal)90). Fällt nun Licht auf eine dieser Zellen, wird eine Ladung aufgebaut, die umso größer ist, je länger die Zelle sich im Belichtungsmodus (auch Integrationsmodus genannt) befindet. 87 dieser Effekt wird vor allem bei Isolatoren und Halbleitern beobachtet; die durch Photonen angeregten Elektronen verlassen das Material nicht (deshalb der Name „innerer Fotoeffekt“), sondern werden vom Valenzband in das Leitungsband angehoben 88 siehe Abschnitt 3.2.1.2 89 als Halbleitermaterialen werden meist Silizium und Germanium verwendet 90 siehe Internetseite http://home.arcor.de/mariow1/webcam.htm – Link zu CCD-Chip der Firma Sony 46 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Photogeneration Da in Halbleitern nur wenig freie Ladungsträger in den Bändern vorhanden sind, können zusätzlich durch Absorption von Photonen Elektronen-Loch Paare erzeugt werden. Diesen Vorgang nennt man auch Photogeneration 91 (siehe Abb.92 3.9). Abbildung 3.9: Strahlengang durch einen Halbleiter Die Energie der Photonen E = h ⋅ν , wobei h=6,626*10-34Js das Plancksche Wirkungsquant93 ist, muss dabei größer sein als der Bandabstand ∆W, um ein solches Ladungsträgerpaar erzeugen zu können (siehe Abb.94 3.10). Das ν ist dabei die Frequenz des eingestrahlten Lichtes. Abbildung 3.10: Photogeneration in einem Halbleiter Abbildung 3.11: Photogeneration in einem n-dotierten Halbleiter 91 vgl. [23] vgl. [23] 93 vgl. [16, S. 572] 94 vgl. [23] 92 47 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Um noch leichter freie Ladungsträger erzeugen zu können, werden viele Halbleiter bewusst verunreinigt (dotiert). Es gibt die Möglichkeit einer n-Dotierung und einer p-Dotierung. Bei der n-Dotierung wird zum Beispiel das vierwertige (vier Valenzelektronen) Siliziumkristall mit fünfwertigen (fünf Valenzelektronen) Fremdatomen „verschmutzt“. An bestimmten Stellen wird einfach ein Siliziumatom durch solch ein Fremdatom ersetzt und da dieses fünfte Elektron dann jeweils überzählig ist (findet keinen Partner zur Bindung), wandert es auf einen Zwischengitterplatz ab. Aus diesem Grund entsteht eine elektrische Leitfähigkeit durch die negativen Elektronen und man spricht deshalb auch von einer n-Leitfähigkeit (siehe Abb.95 3.12). Abbildung 3.12: n-Dotierung (hier wurde ein Siliziumkristall mit Zinn (Sb) verunreinigt) Abbildung 3.13: p-Dotierung (hier wurde ein Siliziumkristall mit Indium (In) verunreinigt) Bei der p-Dotierung wird der Siliziumkristall mit dreiwertigen (drei Valenzelektronen) Fremdatomen dotiert. Es entstehen „Löcher“ (Defektelektronen), die nun Elektronen aufnehmen können. Somit entsteht wieder eine elektrische Leitfähigkeit, da Elektronen von Loch zu Loch wandern können. Diese Löcher verhalten sich wie positive Ladungen und man spricht deshalb auch von einer p-Leitfähigkeit (siehe Abb.96 3.13). Bei dotierten Halbleitern muss eine geringere Energiedifferenz zwischen Leiterbandkante WL und dem Donatorniveau WD überwunden werden, um ein Ladungsträgerpaar zu erzeugen (siehe Abb.97 3.11). 95 vgl. [15, S. 110]] vgl. [15, S. 111] 97 vgl. [23] 96 48 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Abhängigkeit der Ladungsträgererzeugung von der Wellenlänge Die Erzeugung von Ladungsträgern ist aber auch von der Wellenlänge abhängig. So wird Licht mit kurzer Wellenlänge (UV-Bereich, Blau) bereits in der Nähe der Oberfläche absorbiert. Licht mit längerer Wellenlänge (IR-Bereich) dringt dagegen tief in den Halbleiter ein. Dadurch ist der Kontrast der Bilder, die mit rotem oder infrarotem Licht aufgenommen werden, auch geringer als der Kontrast jener Bilder, die mit blauem oder grünem Licht aufgenommen wurden. Als Abhilfe besitzen viele Bildsensoren einen optischen Filter, der den infraroten Lichtanteil herausschneidet. In der Abb.98 3.14 kann man anhand eines Diagramms die Abhängigkeit der Eindringtiefe des Lichts von der Wellenlänge sehr gut erkennen. Dabei soll X die Eindringtiefe repräsentieren.99 Abbildung 3.14: Eindringverhalten von Licht (Photonendichte Φ) und Absorptionskoeffizienten α verschiedener Wellenlängen Photoempfindliche CCD-Pixel können in zwei verschiedenen Bauformen auftreten: • CCDs mit Photodiode (n+p-Photodiode100 – wird bei der Philips ToUCam verwendet) • CCDs mit Photogate (In MOS- (Metal Oxide Semiconducter) oder CMOS-(Complementär Metal Oxide Semiconducter) Ausführung) 98 vgl. [23] vgl. [23] 100 ein n- und ein p-dotierter Halbleiter werden zu einer Diode zusammengeführt 99 49 Kapitel 3 Webcam-Astronomie CCD mit Photodiode Abbildung 3.15: Schematischer Aufbau eines CCD mit Photodiode und örtlicher Verlauf des Oberflächenpotentials φS in verschiedenen Phasen der Bildaufnahme In der Abb.101 3.15 ist der schematische Aufbau eines CCD mit Photodiode dargestellt. Es ist zu sehen, dass ein Pixel aus einer n+p-Photodiode, einem Transfergate und einem Transportgate besteht. Das Transfergate dient als Verbindungsglied zwischen der Photodiode und dem Transportgate, wogegen das Transportgate die Ladungen zum Ausgang transportieren soll. Das eigentliche CCD besteht sogar aus mehreren solcher Transportgates pro Pixel.102 Unabhängig von der Zahl der Taktphasen des CCD geschieht der Betrieb des Pixels in zwei Phasen: • Belichtungsphase • Austaktphase Am Beginn der Belichtungsphase befindet sich die Photodiode in Sperrrichtung, wobei an der n+-Seite keine Spannung liegt. Man sagt, die Photodiode arbeitet im integrierenden Betriebsmodus. Die in der Belichtungsphase durch einfallende Lichtstrahlen erzeugten Elektronen und Löcher werden durch das elektrische Feld in der Raumladungszone voneinander getrennt gespeichert. In der Abb. 3.15 ist zu sehen, dass während der Belichtung das Transfergate auf einem niedrigen Potential φS liegt. Es existiert für die gespeicherten photogenerierten Elektronen eine Potentialbarriere (Potential der n+-Seite liegt noch oberhalb von φS). 101 102 vgl. [23] vgl. [23] 50 Kapitel 3 Webcam-Astronomie In der Austaktphase wird diese Potentialbarriere verringert, indem am Transfergate die Spannung erhöht wird. Die photogenerierten Elektronen können über das Transfergate zum Transportgate, das nun auf einem höheren positiven Potential als das Transfergate liegt, abfließen. Transfergate und Photodiode werden dann wieder auf ein positives Potential gebracht, welches als Ausgangszustand für die Belichtungsphase wieder benötigt wird. CCD mit Photogate Abbildung 3.16: Schematischer Aufbau eines CCD mit Photogate und örtlicher Verlauf des Oberflächenpotentials φS für den statischen Fall (konstante Gatespannung) Zum Sammeln der photogenerierten Elektronen wird der gesamte Raum unterhalb der Gates benützt. Es gibt keine Trennung zwischen photoempfindlichen und ladungsverschiebenden Elementen. Neben dem Vorteil der besseren Ausnützung der Flächen (mehr lichtempfindliche Flächen) bringt es auch einen wesentlichen Nachteil mit sich. Die Photonen müssen nämlich zuerst durch die Gates durchdringen, bevor sie Elektronen-Loch-Paare erzeugen können. Das verringert wiederum die Empfindlichkeit dieser Strukturen (CMOS-Chips sind deshalb auch weniger empfindlich) 51 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.2.1.2 Ladungstransport Der nächste Schritt ist das Auslesen der Ladungen aus den Pixelelementen. Dies geschieht über so genannte Schieberegister, wobei der Inhalt einer Zelle an eine benachbarte Zelle übergeben wird. Dabei werden unterschiedliche Potentialbarrieren an den Zellen aufgebaut, die einen gerichteten Transport der Elektronen gewährleisten. Man nennt dies auch das „Eimerkettenprinzip“, da die Ladungen von einer Zelle in die nächste transportiert werden (siehe Abb.103 3.17). Abbildung 3.17: Schematische Darstellung des Ladungstransportes in CCD-Sensoren und das Analogbild dazu („Eimerkettenprinzip“) Das gerichtete Transportieren der Ladungen geschieht nach dem 2-,3- oder 4-PhasenSchieberegister-Verfahren. Im Folgenden soll kurz das 3-Phasen CCD vorgestellt werden (siehe Abb.104 3.18). Abbildung 3.18: Prinzip eines 3-Phasen-CCD 103 104 vgl. [23] vgl. [23] 52 Kapitel 3 1. Takt: Webcam-Astronomie Anlegen einer Spannung an Steuerelektrode G1 → Potentiallevel 1 wird erreicht (dient als Potentialmulde für erzeugte Ladungsträger) 2. Takt: An der Steuerelektrode G2 wird eine höhere Spannung als an G1 angelegt → die Folge ist ein tieferes Potentiallevel 2→ Ladungen fließen in Mulde unter Steuerelektrode G2 3. Takt: Die Spannung an Steuerelektrode G1 wird auf Grundzustand (Potentiallevel 0) erniedrigt → Spannung an der Steuerelektrode G2 wird auf Potentiallevel 1 gebracht Nach diesen drei Takten sind die Ladungen genau um ein Segment weitergewandert und das CCD ist wieder für den nächsten Transportschritt bereit. Wie schon erwähnt, geschieht das Auslesen über so genannte Schieberegister. Es gibt zwei Arten von Schieberegistern. Vertikale Schieberegister, in diesen werden die von den Pixeln angesammelten Ladungen hinein verschoben und Horizontale Schieberegister, welche die Ladungen von den vertikalen Schieberegistern übernehmen (dies geschieht seriell) und weiter zum Ausgang verschieben. CCDs dieser Art werden auch Interline-Transfer-CCD genannt.105 Die von mir benützte Philips ToUCam besitzt so einen Interline-Sensor von der Firma Sony. Abbildung 3.19: Prinzip des Auslesens 105 vgl. [23] 53 Kapitel 3 Webcam-Astronomie In der Abb.106 3.19 wird das Grundprinzip des Auslesens an einem vereinfacht dargestellten Sensor mit vier mal vier lichtempfindlichen Pixeln, vier vertikalen Schieberegistern und einem horizontalen Schieberegister gezeigt. So wie es hier an einem vereinfachten Sensor dargestellt wird, funktioniert es auch bei großen Sensoren, die viel mehr lichtempfindliche Zellen haben. Ein Auslesevorgang ist beendet, wenn der Sensor komplett ausgelesen wurde. Hat man nun die analogen Bildsignale ausgelesen, müssen diese in eine computergerechte (digitale) Sprache übersetzt werden. Diese Aufgabe erledigt ein Analog/Digital-Wandler (A/D-Wandler), der der jeweiligen analogen Spannung eines Bildsignals einen digitalen Wert zuordnet. Diesem digitalen Wert wird noch zusätzlich die geometrische Position des Einzelpixels hinzugefügt. In Abhängigkeit von der Signalstärke wird ein bestimmter vom Computermonitor darstellbarer Grauwert zugeordnet. Die Anzahl der Graustufen ist über die Bittiefe des A/DWandlers spezifiziert. Dabei ergibt ein Bit107 zwei Graustufen (Schwarz und Weiß). Hat man nun einen 8-Bit A/D-Wandler, ergeben sich 256 Graustufen (28 =256) und bei einem 12-Bit A/D-Wandler ergeben sich sogar 4096 (212=4096) unterschiedliche Grauwerte. Die Webcam läuft im 24-Bit Modus (für die Farben Rot, Grün und Blau werden jeweils 8-Bit verwendet) und es können damit insgesamt 16 777 216 Farbwerte wiedergegeben werden. Das sind erheblich mehr, als das menschliche Auge unterscheiden kann. Der Frame-Transfer-Sensor ist ebenfalls ein Sensor, der in der CCD-Technik zur Anwendung kommt. Der wesentliche Unterschied zum Interline-Sensor besteht darin, dass es keine vertikalen Ausleseregister im herkömmlichen Sinne gibt. Hier werden die Pixel selbst als vertikale Ausleseregister verwendet. Beim Frame-Transfer-Sensor gibt es deshalb zwei große Bereiche: • Bildfeld (Image Array) • Speicherfeld (Storage Array) Neben den vorgestellten Flächensensoren gibt es auch noch Zeilensensoren, die aber in der Webcamtechnik nicht zur Anwendung kommen und deshalb hier auch nicht näher erwähnt werden sollen. 106 107 vgl. [23] kleinste Informationseinheit – Bit ist die gekürzte Zusammenziehung von Binary Digit 54 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.2.1.3 Ausleseverfahren Das Auslesen solcher CCD-Sensoren wird durch die Video-Norm festgelegt. Diese schreibt das Timing und die Pegel zur Übertragung vor. Unterschieden wird zwischen zwei Sensorkonzepten, wobei die einen Sensoren mit der Interlaced-Technik (Halbbildverfahren) arbeiten und die anderen Sensoren die Progressive-Scan-Technik nutzen.108 Bei der Interlaced-Technik, die aus der Fernsehtechnik kommt, wird ein Videobild aus je zwei Halbbilder zu einem Vollbild zusammengesetzt. In Europa geschieht das nach der CCIR-Norm, wobei 25 Vollbilder pro Sekunde bestehend aus 50 Halbbildern erzeugt werden. Fernseh- und Videogeräte arbeiten fast ausschließlich nach dieser Norm. Bei der Progressive-Scan Technik besteht das Bild nicht mehr aus zwei Halbbildern sondern aus einem kompletten Vollbild. Die VGA-Auflösung (640*480 Pixel) ist das typisch auftretende Bildformat. Auch die Philips ToUCam arbeitet mit dieser Technik. 3.2.1.4 CCD-Farbaufnahmen Um mit einem CCD-Element Farbaufnahmen zu machen, können so genannte Drei-ChipKameras eingesetzt werden. Wie schon der Name verrät, werden hier drei CCD-Chips verwendet, von denen jeder davon für die Detektion einer der drei Grundfarben Rot, Blau oder Grün zuständig ist. Dies ist aber sehr teuer und man stellt daher für die Massenproduktion nur Ein-Chip-Kameras her. Hier wird ein optisches System angewandt, mit dem das einfallende Licht in die drei Grundfarben zerlegt wird, bevor es auf das CCD fällt. Als optisches System wird ein Mosaikfilter verwendet. Die Webcam besitzt so einen Mosaikfilter, der direkt auf das CCD aufgebracht wurde. Ein Farbbildpunkt besteht dabei aus je zwei grün-, einem rot- und einem blauempfindlichen Pixel (siehe Abb.109 3.20). 108 109 vgl. [23] vgl. [23] 55 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Abbildung 3.20: Mosaikfilter für eine Ein-Chip CCD-Kamera Um die spektrale Empfindlichkeit der CCD-Kamera an das menschliche Auge anzupassen, ist die Anzahl der grünempfindlichen Pixel doppelt so groß. Das menschliche Auge ist bei 550nm (grünes Licht) am empfindlichsten. 56 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.2.2 Mit der Webcam Kurzvideos erstellen Mit der Webcam kann nun eine ganze Reihe von kurz belichteten Einzelaufnahmen, die zusammengefasst eine kurze Filmsequenz ergeben, aufgenommen werden. Die Belichtungszeiten110 schwanken dabei zwischen 1/25s bis 1/10000s (je nach Helligkeit des gewünschten Beobachtungsobjektes). Das Aufnehmen mit der Webcam bringt zwei wesentliche Vorteile: • sehr kurze Belichtungszeiten unterwandern größtenteils die Seeing- Bewegungen und dadurch werden recht detailreiche Bilder erzeugt • durch die längeren Aufnahmeserien sind auch längere Phasen dabei, wo die Luft ruhiger ist und das Bild somit unverzerrt dargestellt wird Die kurzen Belichtungszeiten bringen aber auch ein gewisses „Bildrauschen“ mit sich, welche durch die digitale Bilderzeugung hervorgerufen wird. Dabei werden direkt benachbarte CCDZellen nicht von gleicher Photonenzahl getroffen und es ergibt sich im Hintergrund des Bildes eine statistische Verteilung etwas hellerer und dunkler CCD-Zellen. Am Monitor ist dies in Form von dunklen und hellen Streifen, die sich über die ganze Bildfläche erstrecken, sichtbar. Beim Arbeiten mit der Webcam gibt es ein paar wesentliche Punkte, über die man sich vor dem Start der Aufnahmen Gedanken machen sollte. • Wetter bzw. Luftbeschaffenheit (Luftunruhe) – zahlt es sich überhaupt aus, Aufnahmen zu machen?! • Welches Objekt will ich beobachten? Dabei spielt die Sichtbarkeit der Planeten111 oder des Mondes eine wesentliche Rolle. Mondaufnahmen sind eher bis zum ersten Viertel (vielleicht ein bis zwei Tage darüber) interessant. Zum einen ist er noch nicht zu hell und die „Terminatorgrenze“112 bietet einen interessanten Anblick und zum anderen sind die Beobachtungszeiten bei zunehmendem Mond günstiger als bei abnehmendem Mond. Bei der Sonnenbeobachtung ist vor allem auf die gefährliche Sonnenstrahlung zu achten (Nie ohne Filter beobachten!!!). 110 die Belichtungszeiten sind über den Computer einstellbar die Sichtbarkeit der Planeten kann man aus diversen Himmelsführern entnehmen 112 damit ist die Licht-Schatten-Grenze auf dem Mond gemeint 111 57 Kapitel 3 Webcam-Astronomie • Welches Teleskop steht mir für die Beobachtung zur Verfügung? Welche Möglichkeiten habe ich mit dem Teleskop (Öffnungsverhältnis, Vergrößerung, Zubehör,…)? • Ein wichtiger Faktor ist die Montierung und wenn vorhanden die Nachführung des Teleskops, da das Himmelsobjekt minutenlang auf der kleinen rund drei mal fünf Millimeter großen Chipfläche nachgeführt werden muss. • Ein Computer mit einem USB-Anschluss muss vorhanden sein. Es sollte auch ein dementsprechend großer Festplattenspeicher zur Verfügung stehen. Eine kleine einminütige avi-Videodatei113 mit rund 1000 Bildern ist bei voller Chipauflösung114 bereits gut 300 Megabyte (8Bit=1Byte; 1024Bit=1KiloByte; 1024KiloByte=1MegaByte) groß. Wenn man nun mehrere Aufnahmeserien machen will, ist sehr bald der Gigabytebereich (1GigaByte=1024MegaByte) erreicht. • Es sollte ein 1 1/4 Zoll (31,7mm) Kameraadapter vorhanden sein, damit die Webcam in den Okularauszug geschoben werden kann. Entweder wird ein Originaladapter115 gekauft, oder man bastelt sich mit Hilfe einer Filmdose (eine normale Filmdose passt genau in den Okularauszug) selbst einen. • Auch das Verwenden eines IR-Sperrfilters bringt einige Vorteile116. Da die Webcam im IR-Bereich sehr empfindlich ist, sollte dieser Filter bei Aufnahmen nicht fehlen. Originaladapter sind bereits mit einem Gewinde für den IR-Sperrfilter ausgestattet und manche Astroshops bieten den Adapter mit dem IR-Sperrfilter gleich als Setangebot an. Beim Aufnehmen mit der Webcam gibt es gewisse Arbeitsschritte, die auch bei unterschiedlichem Arbeitsstil in Gewisserweise doch sehr ähnlich sind. Im Folgenden sollen die möglichen Schritte, die beim Aufnehmen mit einer Philips ToUCam auftreten, kurz vorgestellt werden. Dabei soll die mögliche Vorgehensweise als Hilfestellung dienen. 113 ist jenes Format, mit welches die Kurzfilme erzeugt werden im Falle der Webcam Philips ToUCam ist das die Auflösung 640*480 Pixeln 115 in fast allen Astroshops erhältlich 116 siehe Abschnitt 3.2.1.1 114 58 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Schritt 1 Wenn nun bekannt ist, welches Objekt aufgenommen werden soll, gilt es notwendige Vorbereitungen zu treffen, bevor man wirklich mit den Aufnahmen starten kann. Dazu zählt das Heraussuchen wichtiger astronomischer Daten (Aufgangszeit, Kulmination, Helligkeit,…) aus diversen Himmelsatlanten117. Wird nun das Objekt mit dem Teleskop anvisiert, ist es wichtig es in die Bildfeldmitte des Teleskops zu bringen. Ebenfalls soll die Vergrößerung möglichst hoch gewählt werden, damit das Bild später auch auf dem winzigen Chip der Webcam sichtbar wird. Somit ist beim visuellen Einstellen des Objektes ein Okular mit einer kurzen Brennweite zu verwenden, bevor dieses durch die Webcam ersetzt wird. Nachdem der Computer hochgefahren und die Kamera angeschlossen wurde, wird das Okular herausgenommen und an dessen Stelle die Webcam mit dem bereits aufgeschraubten Adapter in den Okularauszug geschoben (siehe Abb.3.21 und Abb. 3.22). Dabei ist aber Vorsicht geboten, um nicht das Teleskop zu verstellen und dieses dann nicht mehr auf das Objekt zeigt (es ist nämlich sehr schwer mit angesteckter Webcam und dem dadurch kleinen Bildfeld ein Objekt am Computermonitor wieder zu finden). Abbildung 3.21: Webcam mit aufgeschraubtem Adapter und IR-Sperrfilter (schwarzes Teil) 117 Abbildung 3.22: Webcam in den 11/4 Zoll Okularauszug geschoben zum Beispiel den Himmelsführer von Hans-Ulrich Keller: „Kosmos Himmelsjahr JJJJ“ 59 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Schritt 2 Mit Hilfe einer mit der Kamera mitgelieferten Aufnahmesoftware (bei der Philips ToUCam ist es das Programm Philips VRecord) ist am Monitor ein Livebild zu sehen. Anhand dieses Bildes werden am Teleskop noch ein paar Einstellungen gemacht (Objekt in der Chipmitte positionieren und das Bild fokussieren). Danach gilt es wichtige Kameraparameter (Helligkeit, Belichtungszeiten, Signalverstärkung (Gain), Kontrast, Farbsättigung, Auflösung,…) am Programm direkt einzustellen, sodass möglichst viele Oberflächendetails kontrastreich erkennbar werden. Abbildung 3.23 Aufnahmeprogramm Philips VRecord mit dem Fenster für die wichtigsten Kameraeinstellungen Dabei geht man unter „Optionen“ und auf Option „Videoeigenschaften“. Es erscheint ein Fenster das „Eigenschaften“ heißt (siehe Abb. 3.23). In diesem Fenster sind zwei Funktionen besonders wichtig – die Funktionen „Bildregler“ und „Kameraregler“. Hier können nämlich die Einstellungen, die oben erwähnt wurden, vorgenommen werden. 60 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Schritt 3 Sind die Einstellungen zufriedenstellend, werden als nächstes wichtige Einstellungen für das Aufnehmen auf die Festplatte gemacht. Dazu muss zuerst entschieden werden, wie viele Bilder pro Sekunde aufgenommen werden sollen (meine Erfahrungen haben gezeigt, dass es reicht 5-15 Bps (Bilder pro Sekunde) auszuwählen – günstiger sind weniger (5 Bps), da dann das Bild nicht bzw. nicht so stark komprimiert wird). Ebenso wichtig ist es, die Aufnahmezeit (zwei bis drei Minuten dürften je nach Luftunruhe reichen) einzustellen. Beide Einstellungen sind unter der Option „Aufnahme“ → „Bildrate auswählen“ und „Zeitlimit erfassen“ zu finden. Bei beiden müssen aber auch die Kontrollkästchen „Zeitlimit verwenden“ und „Bildrate verwenden“ angehakt werden (siehe Abb. 3.24). Abbildung 3.24: Programm Philips VRecord – Einstellungen für die Aufnahme auf die Festplatte Eine weitere Einstellung ist die Wahl des Aufnahmeformates, wobei man zwischen den meist üblichen Formaten 640*480 oder 358*288 Pixel auswählen kann. Das ganze geschieht unter „Optionen“ und „Videoformat“. Bei meinen Aufnahmen des Planeten Saturn reichte das Format 358*288 vollkommen aus, da sonst mit einem größeren Format zuviel dunkler und verrauschter Hintergrund mitaufgenommen worden wäre. Bei der späteren Nachbearbeitung wäre das Bild dadurch nur verschlechtert worden. Zum Abschluss sollte man noch den Speicherplatz, auf welchen man die Aufnahmen speichern möchte, festlegen. Dabei ist es hilfreich - für spätere Verwendung des Materials den Namen der Datei richtig auszuwählen. Datum und Uhrzeit sollten beim Namen hinzugefügt werden. 61 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Schritt 4 Wurden auch diese Einstellungen vorgenommen, kann mit den Aufnahmen begonnen werden. Während der Aufnahmen kann zwischendurch immer wieder die Schärfe nachgestellt werden. Ebenfalls ist darauf zu achten, dass das Objekt immer in Bildmitte bleibt. Für spätere Nachbearbeitung ist es vorteilhaft, mehrere Aufnahmeserien zu machen, um später genügend Material zu haben. Es dauert also relativ lange bis alles eingestellt ist und man zu seinen Aufnahmen kommt. Je nach der Luftbeschaffenheit bleibt oft nur sehr wenig Zeit, um Aufnahmen brauchbarer Qualität zu machen. Günstig ist es deshalb im Team zu arbeiten und sich die Arbeit aufzuteilen. Eine Person ist für die Einstellungen am Computer, der Andere für Einstellungen am Teleskop verantwortlich. 62 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.3 Nachbearbeitung der Kurzvideos Sind nun einige Kurzvideos auf der Festplatte abgespeichert, können diese mit speziellen Freeware-Programmen, wie etwa „Giotto“ oder „Registax“, nachbearbeitet werden. Dabei werden aus den Videosequenzen automatisch die besten Bilder herausgesucht, zentriert und schließlich noch gemittelt. In dieser Arbeit will ich das Programm „Registax“ vorstellen, da es meiner Meinung nach sehr einfach zu bedienen ist, und rasch brauchbare Ergebnisse liefert. Es eignet sich dadurch auch sehr gut für den Unterricht. „Registax 2.1“ ist ein Freeware-Programm und ist für die Bearbeitung von Videosequenzen – hauptsächlich Webcamvideos – geeignet. Die wesentlichen Funktionen des Programms sind das Heraussuchen, Zentrieren, Mitteln (Aufaddieren) der besten Bilder einer Videosequenz zu einem Mittelwertbild und die Nachbearbeitung (Schärfefilter, Kontrast,…) des entstandenen Bildes. „Registax“ ist unter der Internetadresse http://aberrator.astronomy.net/registax downloadbar. Anhand einer Saturnaufnahme sollen die wichtigsten Funktionen und Arbeitsschritte kurz erläutert werden. Natürlich sind diese Arbeitschritte ebenfalls auf andere Videos (Sonne, Mond, Jupiter,…) leicht anwendbar. Input (Auswählen des Videos – siehe Abb.3.25) Zuerst wird also das gewünschte Video in das Programm geladen. Das hereingeladene Kurzvideo wird dabei in Einzelbilder zerlegt. Select Input Hier lädt man das Planetenvideo als „*.avi.-Datei“ in das Programm. Es können aber auch einzelne „BMP-Bilder“ geladen werden. Color Processing Ist bei Farbvideos (Webcamvideos mit der Philips ToUCam) anzuklicken. 63 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Abbildung 3.25: Startseite bei Registax Processing Area (=512) Dient für die späteren Filter (Wavelets) Berechnungen Show frame list Zeigt alle Einzelbilder (die in der Summe das Video ergeben) an. Die Bilder können einzeln ausgewählt werden. Wenn sie für die Nachbearbeitung verwendet werden sollen, klickt man sie an (grüner Haken) und wenn nicht, dann klickt man sie einfach aus. Mit dem Schieber ganz unten kann zwischen den Bildern ausgewählt werden (es ist wichtig, ein gutes Referenzbild118 herauszusuchen). Alignment box Die Alignment box (weißer Rahmen) um ein gut erkennbares Detail legen (in diesem Fall die „Cassini-Teilung119“). Man sollte ein Detail wählen, welches auf allen Bildern recht gut erkennbar ist (an diesem Detail werden dann alle Bilder ausgerichtet). 118 119 an diesem Bild werden die anderen Bilder angeglichen gut erkennbare dunkle Teilung im Ringsystem 64 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Aligning (Ausrichten der Bilder – siehe Abb. 3.26) Ist alles eingestellt, wechselt man auf die Programmfunktion „Aligning“, wo es wieder einige Parameter zum Einstellen gibt. Abbildung 3.26: Aligning-Prozess FFT-Filter Dieser ist für die Zentrierung der Bilder wichtig und reduziert das Rauschen des Bildes. In der Grafik „Registration properties“ ist dies die rote Linie des Powerspektrums. Weiter links sind die Bilder mit schlechter Auflösung und nach rechts steigt die Qualität der Bilder. Die blaue FFT-Linie ist zwischen der Mitte und dem letzten Drittel der roten Kurve zu setzen. Anschließend drückt man auf „Recalc FFT“. Quality filter band Dieser Filter dient zur Abschätzung der Bildqualität. Wenn das „Seeing“ gut ist, reicht das Powerspektrum (rote Linie) weiter nach rechts in den höher aufgelösten Bereich. Dieser Filter ist so zu setzen, dass in der Grafik „Registration Properties“ der Wert für „quality“ ungefähr bei 0,1 oder niedriger liegt. 65 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Tracking options Wenn das Objekt viel im Bild umher wandert, sollte man diese Kästchen angehakt lassen (sie sorgen für das Nachführen der Alignment box mit dem Objekt). Optimizing options Das „Optimize until“ bestimmt, wie viele Iterationen durchlaufen werden müssen, um die Differenz zwischen der Bildqualität des aktuellen Bildes und des Referenzbildes zu erreichen („optimize until=2“ ist ein guter Wert). Bei „Search area“ kommt man laut meinen Erfahrungen mit der Einstellung „Search area=3“ zu guten Ergebnissen. Die dritte Funktion „Lower quality“ gibt an, welche Bilder optimiert werden sollen. Bei der Einstellung „Lower quality=0“ werden alle Bilder und bei der Einstellung „Lower quality=100“ wird nur das beste Bild optimiert. Bei mir hat sich die Einstellung „Lower quality=75“ bewährt. Um alles automatisch ablaufen zu lassen, sollte man die Kästchen rechts unten „Auto Optimisation“ und „Fast optimize“ auch noch markieren. Wird nun auf „Align“ gedrückt, erscheint wieder eine Grafik „Registration properties“, in der wieder eine rote Linie und eine blaue Zick-Zack-Linie zu sehen ist. Die rote Linie zeigt dabei die Bildqualität der einzelnen Bilder an und die blaue Linie zeigt die Differenz der Einzelbilder zum Referenzbild an (siehe Abb. 3.27) Abbildung 3.27: Während dem Alignment-Prozess – Bilder werden ausgerichtet und optimiert 66 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Stacken (Mitteln der Bilder – siehe Abb.3.28) Nach dem Zentrieren der Bilder (Alignment), wechselt man auf die Programmfunktion „Stacking120“. Abbildung 3.28: „Stacking-Seite“ Durch das Mitteln (stacking) der Bilder wird das Rauschen des Mittelwertbildes verkleinert (Mittelwertbild wird dadurch aber nicht schärfer). Bei „Stackgraph“ ist die Qualität der Bilder zu sehen. Mit dem „Quality Cutoff-Regler“ kann die Anzahl der Bilder, die zum „Stacking“ verwendet werden sollen, variiert werden (in der unteren Leiste ändert sich dabei die Prozentanzeige bei „quality“). Der „Difference Cutoff-Regler“ ist für das Ausschließen stark verschobener Bilder (zum Beispiel durch schlechte Poljustage oder Windböen). Die Anzahl der Bilder, die zum „Stacking“ verwendet werden, ist ebenfalls in der unteren Leiste zu entnehmen (n=…). Die Anzahl sollte aber schon größer als 100 sein, um auch gute Ergebnisse zu erhalten. 120 hier werden dann die ausgerichteten und optimierten Bilder zu einem Mittelwertbild zusammengeführt 67 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Wavelet Processing (siehe Abb. 3.29) Ist das „Stacking“ beendet, wechselt man in die Filterfunktion „Wavelet Processing“ des Programms. Mit dem „Wavelet-Filter“ können aus dem entstanden Mittelwertbild die Details (Oberflächendetails) der Objekte noch besser herausgearbeitet werden. Diese Filter unterliegen keinen festen Einstellregeln, jedoch gilt auch hier wie bei den meisten Bildbearbeitungsschritten: „Um so weniger, um so besser“. Jeder hat ein anderes Empfinden, wie ein perfektes Planetenbild auszusehen hat. Es gilt einfach die richtigen Einstellungen der einzelnen Layer selbst herauszufinden. Des Weiteren können auch noch Kontrast und Helligkeit mit Reglern eingestellt werden („Contrast“ und „Brightness“ – Regler ganz unten). Abbildung 3.29: Filterfunktion „Wavelet Processing“ Final (siehe Abb. 3.30) Mit der Funktion „Final“ können abschließend noch einige Einstellungen getätigt werden. Dabei kann das Bild entweder gedreht, gespiegelt oder es können sogar die Farb- und Hintergrundeinstellungen noch verändert werden. 68 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Abbildung 3.30: Final- Programmfunktion Das zufriedenstellende Ergebnis kann dann als BMP-Datei abgespeichert werden. Wer will, kann dieses Bild noch mit anderen Bildbearbeitungsprogrammen (z.B.: Photoshop) weiterbearbeiten und die eine oder andere Feinheit noch aus dem Bild „herausholen“. Das eben dargestellte sollte nur eine kleine Einführung in das Programm „Registax“ geben und ist auf keinen Fall vollständig. Wer mehr über das Programm und die einzelnen Funktionen wissen möchte, dem kann ich nur empfehlen, sich auf der Homepage von „Registax“ schlau zu machen. 69 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.4 Ergebnisse und Beobachtungsvorschläge Auf den nächsten Seiten möchte ich meine gemachten Aufnahmen, beziehungsweise die Ergebnisse präsentieren. Ich habe mich dabei eher auf Beobachtungsobjekte beschränkt, die auch für Beobachtungsprojekte in der Schule geeignet wären. Dabei sollen sowohl die Rohaufnahmen (ein Einzelbild vom Video der Webcam), wie auch die mit „Registax“ bearbeiteten Aufnahmen gezeigt werden. Es soll verdeutlicht werden, mit welch einfachen und vor allem billigen Mitteln man heutzutage Aufnahmen machen kann, die vor zehn Jahren nur mit den größten und best ausgerüsteten Sternwarten möglich waren. Um zu erfahren, wann die günstigsten Beobachtungszeiten wären, ist es am Besten in so genannten „Himmelsführern“ nachzusehen. Ich persönlich habe das Buch „Kosmos Himmelsjahr 2003121“ von Hans Ulrich Keller verwendet. Natürlich geht auch jeder andere „Himmelsführer“. Der von Hans Ulrich Keller hat jedoch zwei Besonderheiten, zum einen wird jedes Monat mit den dazugehörigen Beobachtungsmöglichkeiten angeführt und zum anderen gibt es zu jedem Monat ein sehr interessantes Monatsthema. Somit wird in jedem Monat durch ein anderes astronomisches- oder oft auch physikalisches Thema, ein interessanter Einblick in die Astronomie geboten. Bei der Mondbeobachtung sollte zusätzlich ein Mondatlas122 verwendet werden, um seine Beobachtungen besser auswerten und dokumentieren zu können. Mit Hilfe des Mondatlas können die Details auf der eigenen Aufnahme besser zugeordnet werden. Es ist dann schwieriger, dass Details einfach dazu erfunden werden. Außerdem stehen in den Mondatlanten interessante Zusatzinformationen. Die Aufnahmen wurden in der Schulsternwarte des BRG-Kepler und in der „Vulkanlandsternwarte-Auersbach“ gemacht. Zur Ausrüstung dieser Sternwarte, die von einem privaten Verein betreut wird, zählen zwei Kuppeln mit fünf und drei Metern Durchmesser. In der fünf Meter Kuppel steht ein 16“ (40cm) Schmidt-Cassegrain-Teleskop und in der drei Meter Kuppel ein 10“ (25cm) Schmidt-Cassegrain-Teleskop. Zusätzlich ist am 16“ Teleskop noch ein 4“ (10cm) Refraktor angebracht, wodurch sich die Einsatzmöglichkeiten der Sternwarte noch erweitern lassen. 121 122 erscheint für jedes Jahr neu vgl. [21] 70 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.4.1 Sonne Bei der Sonnenbeobachtung ist besondere Vorsicht geboten. Durch ungeschütztes Beobachten der Sonne können große Schäden an den Augen auftreten. Deshalb ist es besonders wichtig, für ausreichenden Schutz zu sorgen und Sonnenfilter zu verwenden. Welche dafür besonders geeignet sind, kann in einschlägiger Literatur nachgelesen werden.123 Die Sonnenflecken bieten den interessantesten Anblick bei der Sonnenbeobachtung. Durch die günstige Beobachtungszeit am Tage kann die Sonnenbeobachtung auch sehr gut in den Unterricht miteingebunden werden. Welche Beobachtungsmöglichkeiten sich nun genau bei der Sonnenbeobachtung ergeben und was man dabei beachten sollte, ist in diversen astronomischen Zeitschriften und Büchern über Sonnenforschung bzw. Sonnenbeobachtung nachzulesen.124 Abbildung 3.31: Sonnenfleck vor der Bearbeitung mit Registax Abbildung 3.32: Sonnenfleck nach der Bearbeitung mit Registax Abbildung 3.33: Sonnenfleck vor der Bearbeitung mit Registax Abbildung 3.34: Sonnenfleck nach der Bearbeitung mit Registax 123 124 vgl. [20, 27] vgl. [20, 27] 71 Kapitel 3 Webcam-Astronomie Abbildung 3.35: Sonnenfleck vor der Bearbeitung mit Registax Abbildung 3.36: Sonnenfleck nach der Bearbeitung mit Registax In den obigen Abbildungen (Abb.3.31 bis 3.36) sind verschiedene Sonnenflecken dargestellt. Die Aufnahmen entstanden im Zeitraum vom 27.10.2003 bis zum 03.11.2003 und zeigen riesige Sonnenfleckengruppen125, die während der zahlreichen Sonnenaktivitäten126 im Oktober und November des Jahres 2003 aufgetreten waren. Alle Aufnahmen wurden mit dem 6“ Refraktor und der Philips ToUCam der Schulsternwarte des BRG Kepler gemacht. Als Sonnenfilter wurde eine Sonnenfolie verwendet, die auf das Objektiv des Refraktors gesteckt wurde (Objektivfilter sind sicherer als Okularfilter). Die linken Aufnahmen zeigen Rohbilder ohne Nachbearbeitung und die rechten Bilder zeigen die Ergebnisse der Nachbearbeitung mit Registax. 125 126 vgl. [20, 27] während der Monate Oktober und November kam es zu Sonnenaktivitäten, die zu den größten gezählt werden können, seit es Sonnenaufzeichnungen gibt 72 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.4.2 Mond Der Mond zählt wohl zu den interessantesten Beobachtungsobjekten am Himmel. Alleine durch seine Nähe zur Erde und den vielen Oberflächendetails (Kratereinschläge, Täler, Gebirgszüge,…) bietet er genügend Stoff für viele Physikstunden. Deshalb wurde er bei dieser Arbeit für das Projekt mit den Schülern auch als Beobachtungsobjekt gewählt (siehe Kapitel 4 – Schulpraktischer Teil). Einzelne Ergebnisse sind im Kapitel 4 (in diesem Kapitel sind auch Aufnahmen von Schülern zu finden). Im Folgenden ist noch eine Aufnahme zu sehen, die in der „VulkanlandsternwarteAuersbach“ im Juli 2003 entstanden ist. Wieder soll eine Rohaufnahme der nachbearbeiteten Aufnahme gegenüber gestellt werden. Abbildung 3.37: Mondregion rund um Tycho Abbildung 3.38: Mondregion rund um Tycho nach der Bearbeitung mit Registax 73 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.4.3 Mars Den Mars habe ich vor allem durch seine günstige Stellung zur Erde im Jahr 2003127 in meine Beobachtungen miteinbezogen. Durch diese günstige Stellung zur Erde – sein scheinbarer Durchmesser betrug bis zu 25 Bogensekunden - war er sehr gut beobachtbar. Besonders die Südpolkappe und einige größere Marsregionen (Syrtis Major, Hellas Becken,…) waren an guten Beobachtungsabenden recht gut zu erkennen. Durch die fast zwei Jahre dauernde Umlaufzeit des Mars um die Sonne, ist er auch nur alle zwei Jahre in günstiger Beobachtungsposition (Opposition) zur Erde. Durch die stark elliptische Marsbahn gibt es aber immer unterschiedliche Entfernungswerte bei der Oppositionsstellung und somit schwankt der scheinbare Durchmesser (ca. zwischen 14“ und 25“ bei Opposition) und die Helligkeit des Mars. Am 28. August 2003 war eben die Entfernung so gering wie schon lange nicht mehr und sie wird erst in ungefähr 280 Jahren wieder so gering sein.128 Abbildung 3.39: Mars am 01.08.2003 Abbildung 3.40: Mars am 01.08.2003 – mit Registax bearbeitet Die obigen Aufnahmen vom Planeten Mars sind in der Sternwarte in Auersbach gemacht worden. Sie entstanden Anfang August rund einen Monat vor dessen Oppositionsstellung zur Erde. Sehr gut ist die Südpolkappe zu erkennen. In der Abb. 3.39 ist die Aufnahme vor der Bearbeitung mit Registax zu sehen und das Ergebnis der Nachbearbeitung und die zusätzliche Schärfung im Photoshop sind in Abb. 3.40 dargestellt. 127 Der Mars war im August 2003 in Opposition zur Erde und so nah wie schon lange nicht mehr – 56 Millionen Kilometer Entfernung 128 vgl. [17, S. 166ff] 74 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.4.4 Jupiter Dieser „äußere Planet“129 des Sonnensystems ist, neben dem Saturn, der für die Beobachtungen mit der Webcam wohl interessanteste Planet. Neben den unterschiedlichen Oberflächendetails (Bänder, Zonen, lokale Erscheinungen wie z.B.: der „Große Rote Fleck“) sind auch die Wechselspiele zwischen Jupiter und dessen Monden (Mondbedeckungen, Mondverfinsterungen, Schattenwürfe auf die Jupiteroberfläche) sehr gut zu beobachten. Abbildung 3.41: Jupiter am 21.12.2003 um 0Uhr45 MEZ Die obigen Aufnahmen entstanden Abbildung 3.42: Jupiter am 21.12.2003 um 0Uhr45 MEZ nachbearbeitet mit Registax am 21.12.2003 um 0Uhr45 MEZ in der „Vulkanlandsternwarte-Auersbach“. Gut zu sehen ist der GRF (Große Rote Fleck) auf dem mit Registax nachbearbeiteten Bild. 129 bezeichnet man jene Planeten, deren Bahnen um die Sonne sich außerhalb der Bahn der Erde befinden 75 Kapitel 3 Webcam-Astronomie 3.4.5 Saturn Der Saturn ist vor allem durch sein Ringsystem ein sehr interessantes Beobachtungsobjekt. Die Oberflächendetails (er hat auch Bänder und Zonen) sind bei Saturn zwar nicht so ausgeprägt wie es bei Jupiter der Fall ist, dafür bietet aber das Ringsystem mit seinen unterschiedlichen Ringen (A-,B- und C-Ring sind dabei die bekanntesten Ringe) und Ringteilungen (Cassini-Teilung, Enke-Teilung,…) einen doch sehr imposanten Anblick. Auch Saturn hat viele Monde, wodurch es wieder zu interessanten Wechselspielen zwischen Saturn und seinen Monden kommen kann. Abbildung 3.43: Saturn am 20.12.2003 um 01Uhr45 MEZ – Rohbild einer Webcamaufnahme (Philips ToUCam) Abbildung 3.44: Saturn - Aufaddiertes Mittelwertbild aus 1200 Einzelbilder Abbildung 3.45: Saturn - Mittelwertbild mit Wavelet-Filtern (Registax) nachbearbeitet 76 Kapitel 3 Webcam-Astronomie In den Abbildungen 3.43 bis 3.45 sind einzelne Zwischenergebnisse von einem bearbeiteten Saturnvideo zu sehen. Die Aufnahmen entstanden in der „Vulkanlandsternwarte-Auersbach“. Abbildung 3.43: Aufgenommen am 20.12.2003 um 1 Uhr 45 mit dem 16“ Schmidt-CassegrainTeleskop und der Webcam Philips ToU 740K und IR-Sperrfilter – ein unbearbeitetes Rohbild wurde aus der Videosequenz (1200 Bildern) herausgenommen. Abbildung 3.44: Die Videosequenz wurde mit dem Programm „Registax“ bearbeitet. Dabei wurden die 1200 Bilder gemittelt (aligning), optimiert und addiert (stacking). Das Bild zeigt also das entstandene Mittelwertbild. Abbildung 3.45: Das Mittelwertbild wurde noch mit den Wavelet-Filtern nachbearbeitet. Der Kontrast und die Helligkeit wurden in „Registax“ und in Photoshop noch etwas verändert. 77 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Dieser Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Unterrichtseinheiten in der Schule. Ich durfte den praktischen Teil meiner Arbeit im Bundesrealgymnasium Kepler in Graz mit einer sechsten Klasse und der Mithilfe von Herrn Dr. Gerhard Rath durchführen. Ziel dieser Einheiten war es, den Schülern einen anderen Zugang zur Astronomie im Physikunterricht zu schaffen. Den Schülern sollte ein Einblick in die Arbeitsweisen von Astronomen und Amateurastronomen gegeben werden. Die Arbeit vieler Astronomen besteht aus dem Aufnehmen von Bildern, die sie mit speziellen Programmen überarbeiten um zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen. Später vergleichen sie ihre Ergebnisse mit anderen Astronomen und deren Aufnahmen und stoßen somit auf neue Erkenntnisse und Einsichten. Genau das sollten auch die Schüler in diesen Einheiten machen. Sie sollten ein Video mit der Webcam aufnehmen, dieses mit einem speziellen Programm – in unserem Fall war es das Programm „Registax“130 – bearbeiten und ihre Ergebnisse untereinander oder auch mit bereits vorhandenen Ergebnissen im Internet vergleichen. Den Schülern standen zwar keine hochmodernen Teleskope oder die neueste CCD-Technik131 zur Verfügung, doch sollte ihnen klar gemacht werden, dass sie vom Prinzip her – zumindest teilweise – die Arbeit von Astronomen oder auch Amateurastronomen machten. Ein weiteres Ziel war es, dass die Schüler den Umgang mit dem Teleskop erlernen. 130 131 siehe Kapitel 3 siehe Kapitel 3 78 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Als Beobachtungsobjekt wurde der Mond gewählt. Es gab dafür zwei wesentliche Gründe. Zum einen war er zu diesem Zeitpunkt am Himmel sehr gut beobachtbar und zum anderen bietet der Mond viele Möglichkeiten um unterschiedliche Aufnahmen und Details zu erhalten. Die Schüler bekamen von mir also Aufträge132, die sie in diesen Stunden mit mir zu erledigen hatten. Für den praktischen Beobachtungsteil konnte die eigene Schulsternwarte des BRG Kepler genützt werden. Das war ein großer Vorteil für die Arbeit. Schulsternwarte BRG Kepler (siehe Abb. 4.4) Die Schulsternwarte verfügt über eine 4 Meter und 10-15 Personen fassende Kuppel. Diese ist doppelschalig aus Kunstharz gefertigt und ist außen mit Titanoxid beschichtet. Sie verfügt über zwei Teleskope unterschiedlicher Bauart, wovon eines ein Spiegelteleskop (siehe Abb. 4.1) und das andere ein Linsenteleskop (siehe Abb. 4.1) ist. Das Spiegelteleskop ist vom Typ Cassegrain133 mit einem 32cm Spiegel und einem Öffnungsverhältnis von f:15 bei einer Brennweite von 4760mm. Das 6“(15cm Objektivdurchmesser) Linsenteleskop ist von der Marke Celestron und hat ein Öffnungsverhältnis von f:8 bei einer Brennweite von 1210mm. Für unsere Mondaufnahmen wurde das Linsenteleskop verwendet. Die Gründe waren der große scheinbare Durchmesser des Mondes und die kurze Brennweite des Linsenteleskops. Beide Teleskope sind gemeinsam mit einer parallaktischen Montierung134 auf einer Betonsäule ausgestattet. Die Betonsäule ist schwingungsmäßig vom Kuppelboden entkoppelt um Störungen beim Beobachten so gering wie möglich zu halten. Die Teleskope können auch computergesteuert nachgeführt werden. Dies ermöglicht somit auch Objekte anzusteuern, die nicht mit freiem Auge sichtbar sind. Für Veranstaltungen außerhalb der Schule steht noch ein 5“ Linsenteleskop (siehe Abb. 4.5) zur Verfügung. 132 siehe Seite 92, Abb. 4.11 siehe Kapitel 3 – Abschnitt 3.1 134 siehe Kapitel 3 – Abschnitt 3.1.3 133 79 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Zur weiteren Ausstattung zählen noch: • Okulare verschiedener Brennweiten (von Baader) • Barlow-Linse 2x (von Baader) • div. Filter 2“ und 1,25“ Polarisation, Graufilter, Farbfilter, Nebelfilter(siehe Abb. 4.3) • Herschelkeil (zur Sonnenbeobachtung) • Sonnenprojektionsschirm • Zenitprisma (Abb. 4.2.) • Filterfolienaufsatz für Sonnenbeobachtungen • Webcam, Computer mit Netzwerkanschluss Abbildung 4.1: 6“ Linsenteleskop montiert auf dem 15,4“ Spiegelteleskop der Schulsternwarte BRG Kepler Abbildung 4.2: v.L.n.R: Okular(17mm); Zenitprisma; Okular(30mm) Abbildung 4.3: diverse Filter (2“ und 1,25“) 80 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Da Dr. Gerhard Rath in dieser Klasse im Physikunterricht auch gerade mit Astronomie begann, ergänzte sich meine praktische Arbeit auch hervorragend zu seinem Unterricht. So konnte den Schülern auch gleich die praktische Anwendung von etwas Gelerntem gezeigt werden. In dieser Klasse befanden sich insgesamt 29 Schüler, davon waren 8 Mädchen und 21 Burschen. Insgesamt waren es vier Unterrichtseinheiten, die mit den Schülern durchgeführt wurden, wobei aber die zweite Einheit an zwei Abenden aufgeteilt in der Schulsternwarte und die dritte Einheit – in Form von zwei Schulstunden – im Computerraum abgehalten wurden. Die vier Unterrichtseinheiten waren: 1. Einführung - Vorstellung meiner Arbeit 2. Mondaufnahmen mit der Schulsternwarte und einer Webcam (Philips TuOCam) 3. Nachbearbeitung der Aufnahmen mit dem Programm „Registax“135 4. Auswertung der Schülerarbeiten und Nachbesprechung In der ersten Einheit gab es für die Schüler und Schülerinnen eine kleine Einführung zum Thema „Webcambeobachtung“. Dafür baute ich ein Teleskop auf und die Schüler konnten somit gleich mitverfolgen, welche Möglichkeiten sich mit einem Teleskop, einer Webcam und einem Computer boten. Die zweite Einheit fand, aufgrund der großen Schülerzahl und des doch etwas eingeschränktem Platzes auf der Schulsternwarte, an zwei Abenden statt. Zuvor waren die Schüler aber in Gruppen zu je drei Schüler bzw. Schülerinnen eingeteilt worden. Jede Gruppe hatte nun unter meiner Mithilfe die Aufgabe, ein Kurzvideo eines Mondgebietes mit der Webcam und dem Teleskop aufzunehmen. Die dritte Einheit wurde im Computerraum abgehalten und stand unter dem Motto „Nachbearbeitung und Verfassen eines Protokolls“. Dazu wurden zwei Unterrichtsstunden verwendet. Für die Nachbearbeitung der Kurzvideos wurde das Programm „Registax“ verwendet. 135 siehe Kapitel 3 81 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil In der letzten Einheit wurden die Ergebnisse der Protokolle, die jede Gruppe abzugeben hatte, mit den Schülern und Schülerinnen gemeinsam besprochen und auf etwaige Fehler hingewiesen. Anschließend ließ ich sie noch fünf Fragen, die sich auf den Unterricht bezogen, beantworten. Abbildung 4.4: Sternwarte des BRG Kepler in Graz 82 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 4.1 Erste Unterrichtseinheit 4.1.1 Stundenplanung Lehrziele: - Allgemeine Einführung in das Beobachten mit einem Teleskop - Einführung in die Webcam-Astrofotografie - Schüler sollen die Arbeit der Astronomen und Amateurastronomen kennen Lernziele: lernen - Zeit Schüler sollen mit einem Teleskop und einer Webcam umgehen können Aktivitäten Kommentar 5 min - Vorstellung meiner Person meine Arbeit vorstellen Arbeitsplan für die kommenden Stunden mitteilen 10 min - Besprechen der Informationsblätter136 Zettelinhalt mit Schülern besprechen 30 min - praktische Vorführung wie der Aufbau Teleskop und Webcam aussieht mit dem Teleskop ein Objekt(Kirchturm)erfassen und mit der Webcam auf dem Computerbildschirm darstellen Die wichtigsten Teile am Teleskop direkt erklären Webcam herzeigen(CCDChip zeigen) - 5 min 136 - Zusammenfassung der Stunde siehe Abb. 4.6 und Abb. 4.7 83 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Tatsächlicher Ablauf Ganz am Anfang der Stunde stellte ich mich und meine Arbeit vor. Des Weiteren erklärte ich den Mädchen und Burschen den Ablauf und das Ziel der nächsten Unterrichtsstunden mit mir. Nach Ausgabe der bereits erwähnten Informationsblätter wurden diese von mir genauer erläutert und mit den Schülern gemeinsam besprochen. Anschließend wurde der zuvor theoretisch besprochene Stoff gleich am transportablen 5“ Linsenteleskop – welches in der Zwischenzeit von Dr. Gerhard Rath aufgebaut wurde – praktisch behandelt. Dabei wurden die wichtigsten Teile und Merkmale eines Teleskops und einer Webcam direkt am Gerät besprochen. Es wurden gleich der Aufbau und die Funktionsweise beim Aufnehmen mit der Webcam am Teleskop vorgezeigt. Dazu wurde ein gut sichtbares Objekt in der Stadt mit dem Teleskop anvisiert – gleichzeitig wurde erklärt, wie man das macht – und mit der Webcam gefilmt. 4.1.2 Verwendete Geräte Diese Einheit wurde im Physiksaal abgehalten und es wurden dabei folgende Geräte verwendet: • transportables 5“ Linsenteleskop mit Montierung • Webcam + IR-Sperrfilter • Laptop 4.1.3 Auswertung Diese Unterrichtseinheit wurde in Form eines Frontalunterrichtes abgehalten. Wie sich später aus den Gesprächen mit den Schülern herausstellte, wurde diese Form des Unterrichts als langweilig empfunden. Das Ziel dieser Stunde war aber den Schülern eine Einführung in das Arbeiten mit der Webcam und dem Teleskop zu geben. Aus diesem Grunde war es notwendig, den Mädchen und Burschen die Informationen in Form von Informationsblättern und eines Frontalunterrichtes zu übermitteln. Das praktische Zeigen am Teleskop haben die Schüler als sehr interessant empfunden. Hier wurde wieder einmal bestätigt, wie wichtig es ist, im Physikunterricht den Stoff hin und wieder auch anschaulich zu gestalten. 84 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil In diesem Fall war es der Aufbau des Teleskops, der dazu beitrug. Durch den Zeitmangel und die Größe der Klasse war es nicht möglich, dass die Schüler selber am Teleskop und der Webcam hantieren durften. Abbildung 4.5: transportables 5“ Linsenfernrohr des BRG Kepler mit montierter Webcam (Philips ToUCam 740K) 85 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Abbildung 4.6: Informationszettel 1 86 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Abbildung 4.7: Informationszettel 2 87 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 4.2 Zweite Unterrichtseinheit 4.2.1 Stundenplanung Es gab zwei Beobachtungsabende. An jedem Abend fanden zwei Einheiten zu je 65 Minuten statt. Es sei nun erwähnt, dass sich die Stundenplanung auf nur eine Einheit also 65 min bezieht, da die Einheiten ähnlich abliefen. Lehrziele: - Instrumente auf der Sternwarte zeigen - Funktionsweise und Bedienung der Teleskope erklären - Bedienung der Webcam am Teleskop - Schüler sollen den Umgang mit den Teleskopen auf der Sternwarte erlernen - Schüler sollen Objekte selber mit dem Teleskop einstellen können - Schüler sollen mit der Webcam selbst Aufnahmen erstellen können Lernziele: Zeit Aktivitäten Kommentar 5 min - Kurze Einweisung am Teleskop (wichtige Merkmale und Funktion) 20 min - eine 3er Gruppe nimmt ein Video auf (ca. 30 sec) die anderen zwei Gruppen beobachten dabei ihre Kollegen - 20 min - 20 min - Arbeiten am Teleskop Webcam und Computer verwenden eine 3er Gruppe nimmt ein Video auf(ca. 30 sec) die anderen zwei Gruppen beobachten dabei ihre Kollegen eine 3er Gruppe nimmt ein Video auf(ca. 30 sec) die anderen zwei Gruppen beobachten dabei ihre Kollegen 88 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Tatsächlicher Ablauf Zuerst gab es von mir eine kleine Einführung in der Sternwarte. Für viele Schüler war es das erste Mal, dass sie auf dieser bzw. überhaupt auf einer Sternwarte waren. Ihnen wurden die Teleskope und ihre Handhabung erklärt. Der wichtigste Punkt dabei war das selbständige Ausrichten des Teleskops auf ein bestimmtes Objekt. Dann wurden, wie schon in der Unterrichtseinheit zuvor, nochmals das Befestigen der Webcam am Teleskop und das Aufnehmen137 mit der Kamera gezeigt. Die Dreiergruppe, die ihre Aufnahme machte, teilte sich innerhalb ihrer Gruppe nochmals auf. Zwei waren am Teleskop, wovon einer für das Steuern des Teleskops mit der Handbox138, der andere für das Scharfstellen verantwortlich war. Beide mussten auch darauf achten, dass mit dem Teleskop immer freie Sicht auf den Mond herrschte. Die freie Sicht konnte nämlich durch zwei Umstände beeinträchtigt werden: zum einen waren Wolken am Himmel und zum anderen wurde nur das Teleskop dem Objekt nachgeführt und nicht die Kuppel (so kann es passieren, dass das Teleskop plötzlich in das Kuppeldach blickt - vor allem bei länger dauernden Aufnahmen unbedingt auf freie Sicht achten, da es sonst zu plötzlichen Überraschungen kommen könnte). Der dritte in der Gruppe war am Computer tätig und war für die Einstellungen an der Aufnahmesoftware139 verantwortlich. Die Gruppe musste eine Aufnahme von einem Mondgebiet, das ihnen am besten gefiel, machen. Die Aufnahme sollte ungefähr 30 Sekunden dauern, damit die Schüler später bei der Nachbearbeitung gute Ergebnisse erzielen konnten. Abgespeichert wurde auf einen eigens für jede Gruppe angelegten Ordner. Zusätzlich war noch ein Beobachtungsprotokoll140 zu verfassen. Wenn die Aufnahmen zufrieden stellend waren und das Beobachtungsprotokoll passte, hatte die Gruppe ihre Aufgabe erfüllt. Die restlichen zwei Dreiergruppen beobachteten währenddessen die Arbeit ihrer Kollegen und hatten somit den Vorteil, als sie an der Reihe waren, den Vorgang schon einmal gesehen zu haben. Nach ungefähr einer Stunde waren die drei Dreiergruppen mit ihrer Arbeit fertig und die anderen Gruppen konnten mit ihrer Aufgabe starten. Für diese galt derselbe Ablauf wie schon oben beschrieben. 137 den genauen Ablauf findet man im Kapitel 3 – Mit der Webcam Kurzvideos erstellen siehe Abb. 4.10 139 siehe Kapitel 3 – Abschnitt 3.2.2 140 siehe Abb. 4.11 138 89 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 4.2.2 Verwendete Geräte Für die praktischen Einheiten diente die sehr gut ausgerüstete Sternwarte der Schule. Es wurden für das Aufnehmen der Videos folgende Geräte verwendet: • 15,4“ Spiegelteleskop (diente rein zur Beobachtung mit dem Auge) • Zenitprisma (zur bequemeren Beobachtung mit dem Auge) • Okulare • 6“ Linsenteleskop (hier wurde die Webcam montiert) • Webcam, Computer und Aufnahmesoftware (ist bei der Webcam dabei) 4.2.3 Auswertung Für diese Beobachtungsabende galt es bestimmte Voraussetzungen und Punkte zu beachten: • Wetter ( kann ein sehr problematischer Punkt bei Beobachtungsprojekten sein) • Sichtbarkeit des Mondes und das Mondalter (diese Informationen sind in fast allen astronomischen Jahrbüchern sehr gut nachlesbar) • die große Schülerzahl und das Zeitproblem bei den Schülern machte es notwendig, zwei Beobachtungsabende zu planen (die 29 Schüler wurden nun in 10 Gruppen eingeteilt; davon waren sechs Dreier-, drei Zweier- und eine Fünfergruppe – die ungünstige Aufteilung kam dadurch zustande, weil drei Schüler beim Aufnehmen nicht dabei waren, bei der Nachbearbeitung aber wieder dazu stießen) • weitere Gründe für die Aufteilung der Schüler waren der Platzmangel in der Kuppel und der Umstand, dass es sinnvoller war mit einer kleineren Gruppe zu arbeiten Durch Beachtung dieser Punkte wurden von den Gruppen recht gute Aufnahmeergebnisse erzielt. Auffallend war, mit welcher Begeisterung die Schüler zu Werke gingen. Gründe dafür waren sicher das selbstständige Arbeiten, der praktische Bezug – im Vergleich zur Theoriestunde zuvor – und natürlich der „Glanz des Neuen“, da es für viele das erste Mal war den so „fernen Mond“ auf so eine Art und Weise doch so nah zu sein. Viele waren einfach erstaunt, wie viele Monddetails sie beobachten konnten. 90 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Abbildung 4.8: 15,4“ Spiegelteleskop der Schulsternwarte des BRG Kepler Abbildung 4.9: parallaktische Montierung des Teleskops auf einer Betonsäule Abbildung 4.10: Handbox zum Steuern des Teleskops 91 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Abbildung 4.11: Aufgabenstellung und Beobachtungsprotokoll(ist von den Schülern auszufüllen) 92 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 4.3 Dritte Unterrichtseinheit 4.3.1 Stundenplanung Diese Unterrichtseinheit wurde in Form von zwei Unterrichtsstunden im Computerraum abgehalten. Lehrziele: - Eine Einführung in das Programm „Registax“ geben - Zeigen, wie man aus einer Menge von Daten wichtige Informationen gewinnen kann Lernziele: - Schüler sollen lernen, mit Hilfe des Computers und einem Softwareprogramm (in unserem Fall „Registax“) aus einem Kurzvideo mäßiger Qualität ein Bild guter Qualität zu erzeugen - Schüler sollen ihre Arbeitsschritte in Form von Protokollen richtig dokumentieren lernen Zeit 5 min Aktivitäten - Kommentar Begrüßung und Bekanntgabe des Unterrichtszieles Aufteilung der Schüler auf vorhandene Arbeitsplätze 45 min - Einführung in „Registax“ (die Nachbearbeitung einer Mondaufnahme mit „Registax“ schematisch vorzeigen 5 min - Pause 45 min - Jede Gruppe sollte ihr Video mit „Registax“ bearbeiten Verfassen eines Protokolls - Verwenden eines Videobeamers; Schüler sollen gleich selbst mitarbeiten 93 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Tatsächlicher Ablauf Die Schüler nahmen vor dem Computer Platz. Leider hatte nicht jeder Schüler einen eigenen Computer für sich zur Verfügung. Nachdem ich mich am Computer angemeldet hatte, ließ ich die Schüler die Homepage von „Registax“141 öffnen, auf der auch das Programm als Freewareprogramm zum Gratisdownload bereitsteht. Da aber weder ich noch die Schüler, Administratorenrechte hatten, und wir somit die neue Version nicht runterladen konnten (siehe 4.3.3 Auswertung), ließ ich die Schüler eine ältere Version auf ihre Festplatten speichern. Zusätzlich spielte ich noch eine ältere Mondaufnahme von mir ins Netz, die sie ebenfalls auf ihre Festplatten zu speichern hatten. Nach dem Öffnen des Programms „Registax“ begann ich den Schülern über Videobeamer die wichtigsten Arbeitsschritte zu erklären. Die Schüler durften gleich mitmachen (später stellte sich das als nicht sehr glücklich heraus – siehe 4.3.3 Auswertung). Nach der Bearbeitung der Probeaufnahme und Betrachtung des Ergebnisses wurde eine kleine Pause eingelegt, bevor jede Gruppe mit dem Bearbeiten des eigenen Videos begann. Am Ende der Bearbeitung der Videos musste jede Gruppe ihre Arbeit dokumentieren. Dazu verfassten die Schülerinnen und Schüler Protokolle (siehe Ende des Kapitels). Zusätzlich mussten sie das dabei entstandene Bild eines Mondgebietes beschriften. Dabei hatten sie die auffälligsten Gebiete zu benennen. Die Schüler durften dazu das Internet (sie bekamen von mir zwei mögliche Adressen zum Nachschauen) oder auch meine Unterlagen142 verwenden. Wenn die Schüler diese Aufgabe erledigt hatten, mussten sie ihr Protokoll ausdrucken und mir aushändigen. Zusätzlich sollten sie ihre Arbeit auf den Server legen, von wo ich sie mir auf meine Festplatte geladen habe. Gruppen, die noch nicht fertig waren (aufgrund von Problemen mit manchen Computern – siehe 4.3.3 Auswertung), mussten mir ihre Arbeiten in der nächsten Einheit abgeben. 4.3.2 Verwendete Geräte Da für das Nachbearbeiten der Videos die Computer notwendig waren, fand diese Einheit im Computerraum statt, wo auch folgende Einrichtungsgegenstände verwendet wurden: 141 142 • Computer • Videobeamer (zur Vorführung des Programms „Registax“) • Drucker vgl. [28] siehe Abb. 4.7 94 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 4.3.3 Auswertung Diese zwei Unterrichtsstunden im Computerraum bestätigten mir zwei wichtige Regeln die ein Lehrer beim Unterrichten beachten sollte: 1. Sei stets gut vorbereitet 2. Rechne immer mit dem Schlimmsten Ich muss im Nachhinein eingestehen, dass ich für die Unterrichtsstunden im Computerraum nicht ausreichend vorbereitet war. Ich hatte nicht alle Faktoren bzw. Probleme, die beim Unterrichten im Computerraum auftreten können, berücksichtigt. Bereits beim ersten Problem, als wir nicht die neue Version von „Registax“ runterladen konnten, kam ich aus meinem Konzept. Ich hatte anfangs nämlich vor, die auf der Homepage befindlichen Hilfen für das Programm zu benützen. Da ich aber nun auf eine ältere Version zurückgreifen musste, war auch meine Stundenvorbereitung zu ändern. Weiters war die Entscheidung, die Schüler gleich mitmachen zu lassen, nicht gerade „glücklich“. Durch das gleichzeitige Mitmachen, mussten mir viele Schülerinnen und Schüler immer wieder den Rücken kehren. Manche waren eben schneller als andere und so passierte es immer wieder, dass manche nicht mehr mitkamen und ich vieles doppelt erklären musste, was wiederum viel Zeit und Energie kostete. Ein weiteres Problem – mit dem im Computerraum aber immer zu rechnen ist – waren die zum Teil langsameren Computer. Bei manchen kam es sogar zu Abstürzen und somit zu zeitlichen Problemen und die Schüler konnten ihre Protokolle nicht fertig stellen. 95 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 4.4 Vierte Unterrichtseinheit 4.4.1 Stundenplanung Lehrziele: - Protokoll besprechen - mögliche Nachschlagewerke für Astronomiethemen vorstellen - Die Schüler sollen Fehler in ihren Protokollen erkennen - Sie sollen anhand der gestellten Fragen die letzten Stunden reflektieren Lernziele: Zeit Aktivitäten Kommentar 5 min - Begrüßung und das Ziel dieser Stunde nennen 15 min - Rückgabe der Protokolle etwaige Fehler besprechen 15 min - 5 Fragen143 zu den Einheiten von den Schülern beantworten lassen 10 min - Zwei astronomische Zeitschriften („Star Observer“ und „Sterne und Weltraum“) sowie einen Mondatlas(Rükl) vorstellen 5 min - Zusammenfassung Verabschiedung von den Schülern 143 Diktieren der fünf Fragen und schriftlich beantworten lassen siehe 4.4.3 Auswertung 96 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Tatsächlicher Ablauf Am Anfang gab ich den Schülern die von mir bewerteten Protokolle zurück und wies – falls vorhanden – auf etwaige Fehler hin. Nach der Rückgabe der Protokolle verlas ich fünf Fragen, die ich von den Schülern beantworten ließ (siehe 4.4.3 Auswertung). Nach Beantwortung der Fragen stellte ich den Schülern zwei astronomische Zeitschriften („Star Observer“ und „Sterne und Weltraum“) und den Mondatlas von A. Rükl vor. Am Ende der Stunde fasste ich alles nochmals zusammen. Ich erzählte den Schülern, wie ich sie während der Stunden erlebt hatte, bedankte mich für ihre gute Mitarbeit und verabschiedete mich von ihnen. 4.4.2 Verwendete Geräte In dieser Stunde wurden außer meinen Zeitschriften und meines Buches keine besonderen Geräte verwendet. 4.4.3 Auswertung Diese Stunde setzte sich aus zwei wesentlichen Bestandteilen zusammen. Zum einen war es die Rückgabe der Protokolle und zum anderen wollte ich mit Hilfe von fünf vorbereiteten Fragen Rückmeldungen über den Unterricht erhalten. Mich interessierte unter anderem was für die Schüler interessant war und was ihnen besonders gefallen hatte. Zu den Protokollen muss ich sagen, dass sie im Großen und Ganzen sehr informativ und interessant waren. Obwohl ich nicht vorgegeben hatte, wie sie genau auszusehen hatten, war ich erstaunt über die Ideenvielfalt bei der Gestaltung der Arbeiten. Einige arbeiteten mehr mit Worten, während andere eher Bilder verwendeten, die aber inhaltlich den anderen nichts nachstanden. Auch bei der Beschaffung der nötigen Informationen über die Monddetails, die jede Gruppe für ihre Aufnahmen benötigten, waren alle sehr erfolgreich. Sie recherchierten selbstständig im Internet und fanden fast immer, wonach sie suchten. Durch das fleißige Engagement der Schüler gab es auch bei der Bewertung der Arbeiten keine so großen Unterschiede. 97 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Bei der Benotung der Arbeit legte ich ein besonderes Augenmerk auf die Richtigkeit der Bezeichnung der Mondgebiete. Da gab es nämlich den einen oder anderen Unterschied. Manche hatten nur zwei oder drei auffällige Monddetails bezeichnet, während andere mehrere Details aus diversen Mondkarten heraussuchten. Sehr wichtig war natürlich auch die Art der Dokumentation. Sie sollte inhaltlich richtig sein und eine gewisse Form haben. Zur Auswertung der fünf Fragen die ich stellte sei gesagt, dass die geringe Anzahl der Mädchen keinen direkten Geschlechtervergleich zugelassen hat. Ich habe aber trotzdem versucht, bei den Antworten zwischen Mädchen und Burschen zu unterscheiden. Den Schülern wurden folgende fünf Fragen gestellt. 1. Bist du an Astronomie interessiert? 2. Wie haben dir die Stunden gefallen? (Begründe deine Antwort) 3. Was hat dir besonders gefallen? 4. Welche Erfahrungen werden dir in Erinnerung bleiben? 5. Bist du nun mehr an Astronomie interessiert als vor den Stunden? (Begründe deine Antwort) ad 1) Da ich bei der Frage keine Beurteilungsskala hinzu gegeben hatte, war es nicht so leicht, eine Auswertung zu machen. Ich machte es aber so, dass ich die Antworten in vier Kategorien einteilte. Zwischen dem „JA“ und dem „NEIN“ gab es noch ein „EIN WENIG“ und ein „EHER NICHT“. Mädchen Die Mädchen beantworteten diese Frage zum Großteil mit „EHER NICHT“ und „NEIN“. Burschen Bei den Burschen antwortete die überwiegende Mehrheit mit „JA“. Natürlich lässt die wie eingangs erwähnt geringe Mädchenanzahl keinen allgemeinen Schluss zu, aber eine gewisse Tendenz, dass mehr Burschen an Astronomie interessiert sind als Mädchen, ist doch zu erkennen. 98 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil ad 2) Mädchen Auch wenn laut Punkt 1 die Mädchen nicht so sehr an Astronomie interessiert waren, hatten sie doch Gefallen an den Stunden gefunden. Als Begründung führten sie das selbstständige Arbeiten auf der Sternwarte und die Abwechslung im Unterricht an. Burschen Bei den Burschen gab es größtenteils sehr positive Rückmeldungen. Wieder wurden das selbstständige Arbeiten aber auch das Einbinden des Computers in den Unterricht als Begründungen genannt. Ein allgemeiner Schluss sei zwar wieder nicht erlaubt, aber trotzdem wurde meinem Erachten nach, eine oft gehörte Meinung bestätigt: Burschen sind eher an Computern und allem was damit zusammenhängt interessiert als Mädchen. ad 3) Bei der dritten Frage konzentrierten sich die Antworten der Schüler auf die ersten drei Unterrichtseinheiten: „Einführung in der Klasse“, „Webcamaufnahmen auf der Sternwarte“ und „Nachbearbeitung im Computerraum“. Mädchen Für die Mädchen zählte die Stunde auf der Sternwarte zu den interessantesten Unterrichtseinheiten. Vor allem den Blick durch das Teleskop fanden sie sehr imponierend. Burschen Auch bei den Burschen zählte der Abend auf der Sternwarte zu den Highlights der vier Unterrichtseinheiten. Manche fanden aber auch das Nachbearbeiten im Computerraum sehr interessant. 99 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Die Antworten der Schüler auf diese Frage bestätigten mir auch meinen eigenen Eindruck von den Stunden auf der Schulsternwarte. Ich war sehr überrascht mit welcher Begeisterung und Disziplin die Schüler mitmachten. Für mich stand sofort fest, dass wir zu sehr guten Ergebnissen kommen würden – dies traf dann auch zu. ad 4) Mädchen Der Großteil schrieb, dass die Arbeit mit dem Teleskop und das Aufnehmen der Videos, ihnen am längsten in Erinnerung bleiben würde. Nur wenige meinten, der Umgang mit dem Programm „Registax“ hätte ihr Wissen erweitert. Burschen Die Burschen fanden ebenfalls die Arbeit mit der Webcam und die Teleskopbenützung am interessantesten. Einige meinten aber auch, ihr Wissensrepertoire mit sämtlichen Monddetails erweitert zu haben. Eigentlich war für die Beantwortung dieser Frage zu wenig Zeit vergangen. Für die Schüler war alles noch ziemlich „frisch“. Ich glaube, sie konnten noch nicht objektiv beurteilen, wie viel ihnen an Wissen erhalten geblieben war. Für so eine Frage müsste einfach mehr Zeit vergehen, die ich aber nicht hatte. Zwei Kommentare von Schülern möchte ich aber an dieser Stelle erwähnen. Sie haben mir besonders gefallen, da sie meine Unterrichtsziele144 - für meine Unterrichtseinheiten angesprochen haben. Eine Schülerin schrieb: „Genaues Beobachten…“, und ein Schüler beantwortete die vierte Frage folgenderweise: „…daher weiß ich jetzt, wie Astronomen arbeiten…“. ad 5) Die Antworten zu dieser Frage ließen sich in zwei Kategorien einteilen. In Antworten die besagten, dass die Schüler nun mehr an Astronomie interessiert waren und Antworten die aussagten, dass der Unterricht nichts am Interesse geändert hätte. 144 Den Schülern soll die Arbeit der Astronomen näher gebracht werden; genaues Beobachten ist elementarer Bestandteil der Forschungstätigkeit von Astronomen 100 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil Mädchen Laut Meinungen der Schülerinnen wurde mit diesem Unterricht das Interesse für die Astronomie ein wenig gesteigert. Immerhin meinten drei von sechs Schülerinnen, sie seien nun mehr an der Astronomie interessiert. Die restlichen drei meinten, ihr Interesse hätte sich nicht verändert. Burschen Bei den Burschen kam es zu einem ähnlichen Ergebnis. Ungefähr die Hälfte meinte nun, mehr Gefallen an der Astronomie zu haben. Die restlichen Schüler meinten, es hätte sich nichts geändert. Die Antworten auf diese Frage waren für mich sehr positiv. Sie stimmen mich zuversichtlich, in einigen das Interesse zur Astronomie doch gesteigert zu haben. Eine Schülerin hat dazu einen passenden Kommentar abgegeben. Sie schrieb: „Ich sehe am Abend öfter in die Sterne, schaue den Mond an und rate, welches Alter der Mond heute hat“. 101 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 4.5 Ergebnisse Exemplarisch sollen hier anhand von zwei Protokollen die Arbeiten der Schüler vorgestellt werden. 102 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 103 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 104 Kapitel 4 Schulpraktischer Teil 105 Kapitel 5 Astronomie in der Schule 5.1 Ist-Zustand im Physikunterricht Die TIMS (Third International Mathematics and Science)-Studie145 zeigte, dass unsere Schüler in den naturwissenschaftlichen Fächern im Vergleich zu anderen Ländern einen dringenden Aufholbedarf nötig haben. Im Unterstufenbereich sehen die Ergebnisse einigermaßen erträglich aus (Österreich landete im Mittelfeld), wogegen sich im Oberstufenbereich eine deutliche Verschlechterung der Leistungen der Schüler zeigte. Österreich belegte im Bereich der Oberstufe-AHS in Physik den vorletzten und in Mathematik sogar den letzten Platz. Bei Aufgabenstellungen im Teilgebiet Physik-Fachwissen hat sich gezeigt, dass Maturantinnen und Maturanten nur jeweils etwa zwei von zehn bis fünfzehn Fragen mit mehr als 50% Erfolg lösen konnten. Vor allem bei Verständnisfragen und Anwendungen von fundamentalen Begriffen gab es große Schwierigkeiten bei den Schülern.146 Nach diesen doch sehr niederschmetternden Tests stellte man sich die Frage: „Wie ist er nun wirklich, der Ist-Zustand des Physikunterrichts?“ Um diese Frage auch wirklich untersuchen bzw. beantworten zu können, wurde das IMST (Innovation in Mathematics Science and Technology Teaching)-Projekt147 ins Leben gerufen. 145 bei dieser Studie wurde vor allem das Allgemein- und das Fachwissen in den naturwissenschaftlichen Fächer unserer Schüler überprüft 146 vgl. [24] 147 Das Nachfolgeprojekt heißt IMST2 106 Kapitel 5 Asronomie in der Schule Hinter diesem Projekt verbirgt sich ein Bündel von Programmen, die auf verschiedenen Ebenen ansetzen, um den Unterricht zu verbessern. Es gibt immer wieder Fortbildungsveranstaltungen und ständige Diskussionsrunden um die Meinungen von verschiedenen Personengruppen aus den Bereichen Schulpraxis, Schulaufsicht und Wissenschaft einzuholen. Schwerpunkte dieses Projektes sind die Reflexion über Lehr- und Lernprozesse sowie der Aufbau eines Netzwerkes zwischen den Schulen, damit sich Innovationen im Bereich Bildung schneller verbreiten können. Im Rahmen des IMST-Projektes kam man zu dem Ergebnis, dass unsere Schüler bei anspruchsvolleren Problemstellungen – wo eigene kreative und aktive Denkleistungen erforderlich sind – anderen Ländern schlichtweg unterlegen sind. Laut Experten gibt es eine zu geringe Balance zwischen Schüler- und Fachorientierung. Bei manchen Lehrern steht das Fach oft zu sehr im Vordergrund und auf den Schüler (Interessen, Stärken, Probleme) wird einfach zu wenig eingegangen. Die Art des Physikunterrichts, wie er in den meisten Schulen unterrichtet wird, spricht die Schüler einfach nicht an. Ihnen erscheint der Physikunterricht als zu abgehoben, zu abstrakt und in den meisten Fällen einfach zu lebensfremd. Als logische Folge kann man auch die Ergebnisse von Umfragen über die Beliebtheit von Schulfächern betrachten.148 In diesen Umfragen zählt Physik nicht zu den beliebtesten, sondern eher zu den wenig beliebten Fächern. Leider legen die Schüler diese Meinung auch nicht ab, wenn sie mit der Schule fertig sind. Und so hält die negative Einstellung gegenüber dem Physikunterricht auch im Erwachsenenalter an. Man darf sich dann auch nicht über gewisse Äußerungen in der Öffentlichkeit wundern, wie: „Für was braucht man eigentlich den Physikunterricht?“ So passiert es dann auch, dass bei Stundenkürzungen vor allem die so unbeliebte Physik zum „Handkuss“ kommt und Stunden abgeben muss. Dabei kann man diesen Kritikern mit einigen wichtigen Argumenten sofort entgegentreten. Argumente für den Physikunterricht149 • Moderne Naturwissenschaft hat Denken und Weltverständnis entscheidend geprägt. Die Teilnahme am kulturellen Leben erfordert Einführung in Weltbild, Denk- und Arbeitsweise der Physik. 148 149 vgl. H. Muckenfuß: Lernen im sinnstifteten Kontext. Cornelsen-Verlag 1995 vgl. Bleichroth u.a.: Fachdidaktik Physik. Aulis-Verlag 1991 107 Kapitel 5 Asronomie in der Schule • Die Kritikfähigkeit der Menschen gegenüber Expertenmeinungen ist besonders wichtig. Bereiche, die tief im Leben eingreifen, sollen rational kontrollierbar bleiben. • Der Zugang zu Berufen mit naturwissenschaftlichen Komponenten würde ohne die Physik eingeschränkt werden. • Physikalisch-technische Innovationsfähigkeit ist für den wirtschaftlichen Wohlstand entscheidend. Physikalische Kompetenz allgemein verbessert das Klima, den Boden für die Entwicklung. • Förderung allgemeiner Fähigkeiten wie zum Beispiel Problemlöse-Kompetenz, kreatives Denken, Urteilsvermögen, Objektivität, Skepsis, und genaues Beobachten Zum letzten Punkt muss gesagt werden, dass nicht die Physik alleine einen Anspruch auf die Förderung dieser Fähigkeiten hat. Auch andere Fächer können dazu wichtige Beiträge liefern. Mit Sicherheit ließen sich noch weitere Argumente für die Legitimation des Physikunterrichts finden, doch es würde schon ausreichen, wenn den Schülern bzw. der Öffentlichkeit wenigsten ein paar davon überzeugend vermittelt werden könnten. Denn dann würde das Bild der Physik auch in der Öffentlichkeit ein anderes sein. Nach der doch eher negativen Beschreibung der Situation des Physikunterrichts in unseren Schulen kann die Frage gestellt werden: „Wie könnte der Physikunterricht nun interessanter gestaltet werden?“ Eine Möglichkeit dies zu schaffen, wird in meiner Diplomarbeit vorgestellt – Astronomie im Physikunterricht. 5.2 Astronomie im Physikunterricht Kosmische Phänomene zu untersuchen und aufzudecken, zählte schon immer zu einen der größten Abenteuer der Menschheit. Großartige frühzeitliche astronomische Entdeckungen (Tag-Nacht, Sommer-Winter, Vollmond-Neumond, Kalender,…) zeugen bereits von sehr frühem Interesse an einer der ältesten Naturwissenschaften – der Astronomie. Damals wurden andere Ziele verfolgt (eher praktische und religiöse) um himmlische Phänomene zu deuten. 108 Kapitel 5 Asronomie in der Schule So waren es erst die Griechen, welche durch eine mathematische Beschreibung der Himmelserscheinungen mit der Astronomie (Astro=Stern; Nomos=Gesetz) eine Basis naturwissenschaftlicher Gesetze erschufen.150 Die Astronomie hat ihre Faszination bis heute nicht verloren. Noch immer ist in den Menschen die „göttliche Neugier“, um Einstein zu zitieren, tief verwurzelt. Sie dient oft als Triebkraft, um den menschlichen Wissensdurst zu stillen. Die Astronomie zählt zu den Wissenschaften die auf ein bemerkenswertes Interesse in der Öffentlichkeit stößt. Artikel in diversen Journalen und Zeitungen (z.B.: „Sterne und Weltraum“ oder „Starobserver“) die von Wasserfunden auf dem Mars oder auch Entdeckungen von Planeten in unserem Sonnensystem berichten, werden von Menschen, die normal nicht so viel mit Wissenschaft und Technik zu tun haben, trotzdem immer wieder mit einer gewissen Neugier und Begeisterung gelesen. Aber trotz dieser Begeisterung an astronomischen Themen ist die astronomische Grundbildung dieser Leute leider oft allzu erschreckend. Viele kennen nicht einmal den Unterschied zwischen Planeten und Sternen. Ihnen fehlt es an den einfachsten astronomischen Grundbegriffen. Auf universitärer Ebene ist das Problem der Wissenslücke im Bereich der Astronomie bekannt. In der heutigen Zeit der raschen Fortschritte der Raumfahrttechnik und Entdeckungen in der Astronomie und Astrophysik weiß man sehr wohl, welch wichtige Rolle die Bevölkerung dabei spielt. Eine gut aufgeklärte und positiv motivierte Bevölkerung, wird eher den Sinn der doch sehr teuren Forschungsprojekte im Bereich der Astronomie, Astrophysik und Raumfahrt verstehen und akzeptieren können. In der Wissenschaft steht man diesem Punkt sehr aufgeschlossen gegenüber, deshalb suchen Wissenschaftler auch immer wieder den Kontakt zur Bevölkerung. Sei es entweder in Form von öffentlichen Vorträgen oder auch in Form von Büchern. Wichtig ist es nun, das vorhandene Wissen bzw. „Wissen-Wollen“ über Erscheinungen am Himmel so früh wie möglich sinnvoll zu fördern und schon in der Schule damit anzufangen. Mir ist auch klar, dass es in Österreich nicht möglich ist, ein eigenes Fach „Astronomie“ zu fordern, aber im Rahmen des Physikunterrichts besteht die Möglichkeit, Astronomie zu lehren. Schon Untersuchungen über das Interesse der Schüler an den unterschiedlichen 150 vgl. [22] 109 Kapitel 5 Asronomie in der Schule Teilgebieten der Physik haben gezeigt, dass Astronomie zu einem der wenigen Teilgebiete der Physik zählt, welches die Schüler auch wirklich interessiert.151 Gerade da besteht die Möglichkeit, an diesem Interesse anzuknüpfen und Schüler auf die Seite der Physik zu holen. Der Physik wirft man oft vor, dass behandelte physikalische Themen in keinem Zusammenhang miteinander stehen. Die Astronomie bietet gerade hier die wunderbare Eigenschaft, wenig in Beziehung stehende Sachverhalte (Optik, Mechanik, Wärmelehre, Quanten- und Kernphysik) doch in Verbindung zu bringen. Astronomie wird deshalb oft auch als die „Universalphysik“ bezeichnet. Aber nicht nur innerhalb der Physik gibt es Überschneidungen von verschiedenen Teilbereichen. Aufgrund der wechselseitigen Beziehungen mit anderen verwandten Wissenschaften (Biologie, Chemie, Geowissenschaft, Mathematik) entwickelt sich Astronomie immer mehr zu einer interdisziplinären Wissenschaft. Astronomie in der Schule bietet also hervorragende Voraussetzungen für den so oft im Lehrplan geforderten fächerübergreifenden Unterricht. Mit Hilfe der Astronomie kann der Unterricht abwechslungsreicher gestaltet werden. Neben der Theorie steht auch praktisches Arbeiten in der Astronomie zu Verfügung. Vor allem das Einbinden von praktischen Arbeiten in den Unterricht halte ich für besonders wichtig. Man kann zwar versuchen, den Schülern den Anblick von Saturn oder Jupiter durch ein Teleskop interessant zu schildern, aber so richtig begeistert werden sie erst sein, wenn sie auch wirklich selber den Anblick erleben dürfen. Durch Beobachten rücken ferne Himmelsobjekte in greifbare Nähe. Erscheinungen und Zusammenhänge lassen sich dadurch oft besser verstehen. Welchen Wert nun das selbständige und praktische Arbeiten im Unterricht haben kann, zeigten mir einige Antworten von Schülern, die sie mir auf meine gestellten Fragen (siehe Kapitel 4) gegeben haben. Viele schrieben, dass ihnen die erste Unterrichtsstunde152 – wo nur Theorie besprochen wurde – nicht gefallen hat. Der Stoff hätte sie einfach nicht interessiert. Als sie dann aber auf der Sternwarte selber arbeiten und mit der Webcam Videos aufnehmen durften, zeigten auch die weniger interessierten Schüler ein plötzliches Interesse an dem, was gemacht wurde. Erst als die Mädchen und Burschen selber aktiv am Unterrichtsgeschehen teilnehmen durften, steigerte sich auch das Interesse an dem Unterricht. Meiner Meinung nach spiegelt das auch sehr gut die Tatsache wider, wie wichtig es ist einen abwechslungsreichen Unterricht anzubieten. Der Unterricht sollte mehrere Sinne (nicht nur Sehsinn und Gehörsinn) der Schüler ansprechen. 151 152 vgl. Gotfried Merzyn: Astronomie und Physikunterricht. NiU-Physik 4 (1993) Nr. 20 siehe Kapitel 4 – Abschnitt 4.1 110 Kapitel 5 Asronomie in der Schule Es gibt viele Schüler, die die Dinge auch angreifen, spüren und erleben müssen, bevor sie wirklich einen Bezug dazu herstellen können. Deshalb ist es meines Erachtens auch unbedingt notwendig, hin und wieder eine praktische Arbeit in den Unterricht mit einzubeziehen. Entweder in Form von einfachen Experimenten während des Unterrichts, oder wie es auch in dieser Arbeit vorgestellt wird, in Form von Beobachtungsprojekten in der Astronomie. Im Astronomieunterricht sollen nicht nur Ergebnisse geschildert werden (nur Fakten), sondern den Schülern muss ebenfalls eine nachvollziehbare Darstellung der wissenschaftlichen Forschungsmethoden und auch deren historischer Entwicklungen vermittelt werden. Den Mädchen und Burschen sollte die Chance gegeben werden, selbst Dinge zu entdecken und Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie sollen also genau das machen, was eigentlich die Naturwissenschaftler und somit die Physiker schon über Jahrhunderte weg machen. Wenn also vorher schon die Rede von einer schlechten Grundbildung in Astronomie war, drängt sich hier dann schon die Frage auf: „Was sollte eigentlich zur Grundbildung aus Astronomie gehören?“ 5.2.1 Grundbildung aus Astronomie Nach IMST2-S1 (Innovations in Mathematics Science and Technology Teaching – Schwerpunktsaktion S1:Grundbildung) gibt es gewisse Leitlinien, nach denen naturwissenschaftlicher Unterricht gestaltet werden sollte. Es gilt einige wichtige Ziele zu erreichen. 153 Eines der Ziele ist es, den Schülern ein gewisses Weltverständnis zu vermitteln. Sie sollten ein Verständnis für Dimensionen und Größenordnungen bekommen und die unterschiedlichen Größenordnungen von Planeten, Sterne, Planetensystemen, Galaxien miteinander vergleichen können. Auch die Stellung des Menschen als Teil der Natur sollte diskutiert werden. Des Weiteren ist wichtig, die Naturwissenschaften als Bildungs- und Kulturerbe mit deren Auswirkungen in einem größeren geschichtlichen Zusammenhang zu sehen. Dabei können die Geschichte der Naturwissenschaften und Forscherbiographien viel zum kritischen Verständnis der Bedeutung von Fachinhalten beitragen. 153 vgl. [25] 111 Kapitel 5 Asronomie in der Schule Ebenfalls ist es wichtig, den Schülern ein Wissenschaftsverständnis zu vermitteln. Ihnen sollte klar werden, dass Forschung und Wissenschaft dynamische und weiterentwickelnde Prozesse sind. Sie sollten lernen, Fragen zu stellen, Hypothesen zu entwickeln, kritisch zu denken und richtig zu argumentieren. Ein wichtiges Ziel dabei ist ihnen klar zu machen, dass Astronomie zu verstehen ist und sie sehr wohl ein Verständnis für astronomische Forschungsfragen entwickeln können. 5.2.2 Astronomie unterrichten Durch die Vielseitigkeit der Astronomie gibt es auch mehrere Zugänge, die einem für den Unterricht geboten werden. Anschließend sollen mögliche Zugänge und zwei Möglichkeiten vorgestellt werden, nach dem man seinen Astronomieunterricht orientieren könnte. Mögliche Zugänge • historischer Zugang: Astronomie ist die älteste Naturwissenschaft und ein Basiselement unserer Kultur; Zusammenhänge in Kalenderrechnung und Astrologie u. a. • Amateurszene: keine Naturwissenschaft kann so einen großen Amateurbereich aufweisen wie die Astronomie; Amateure liefern immer wieder wichtige Beiträge für die Wissenschaft (Kometen- und Planetoidenentdeckungen); Himmelsfotografie (Webcam); Teleskopbau u.v.m. • Faszination, Geheimnisse: der Anblick der Sterne versetzt die Menschen immer wieder ins Staunen und bringt sie zum Nachdenken (Was bewegt sich am Himmel? Wie bewegt es sich?) • Raumfahrt: Raumfahrtmissionen (Mond, Mars, Jupiter, Saturn); Satelliten; Raumstationen (MIR, ISS) • Science fiction: UFOs; Außerirdische; Leben auf fremden Planeten (durch jetzige Marsmissionen ein sehr aktuelles Thema) • Aktuelle Forschung in der Astronomie: Großprojekte wie Marsmissionen, Sonnenforschung; Entdeckung neuer Planeten • Kosmologie: verschiedene Weltmodelle (Wer sind wir und wo kommen wir her?) 112 Kapitel 5 Asronomie in der Schule Es gibt also verschiedene Einstiege, Astronomie im Physikunterricht zu unterrichten. Ich möchte nun zwei Vorschläge machen, wie ein Astronomieunterricht aussehen könnte. Der eine Vorschlag ist einen historisch genetischen Zugang zu wählen.154 Im Folgenden soll nur ein grober Ablauf (inhaltlicher Ablauf) skizziert werden. Die Grundfrage könnte lauten: „Wie kam man darauf?“155 historisch genetischer Zugang • Die Kugelform der Erde • Wie bestimmt man die Position auf der Erde? • Die Rotation der Erde • Die Bewegung der Erde • Sonne, Mond und Planeten: Von Kalender und Astrologie zum heutigen Wissen • Wie weit sind Gestirne von der Erde entfernt? • Sterne: Sind sie alle auf einer Kugelschale? Woraus bestehen sie? • Von Nebeln zu Galaxien • Ist die Sonne der Mittelpunkt der Milchstraße? • Ist das Universum unendlich? Wie alt ist es? Die zweite Möglichkeit bezieht sich auf das Buch von Prof. Dr. Arnold Hanslmeier. Es hat den Titel „Astronomie“ und ist aus der Reihe „Physik-compact“. Dieses Buch, welches sich an den interessierten Laien und an Schüler (ab 5. Klasse – Sekundarstufe II) richtet, ist als eine Art „Einführung in die Astronomie“ gedacht. Nach einem allgemeinen Überblick (Was ist die Astronomie? Welche Bewegung führt die Erde aus? Wie hoch steht die Sonne…), gibt es in diesem Buch auch einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung in der Astronomie. Dabei entführt der Autor die Leser zurück in die Steinzeit, in die Zeit der Ägypter, Babylonier, Chinesen, weiter ins Mittelalter – die Zeit der großen Naturwissenschaftler wie Kopernikus, Kepler, Galilei – bis in die Gegenwart mit der Entstehung von Riesenteleskopen und der Raumfahrt. Nach den ersten beiden Kapiteln beginnt dann eine Reise vom „Kleineren“ bis hin zum „Großen“. 154 155 vgl. [25] vgl. [25] 113 Kapitel 5 Asronomie in der Schule Ausgehend von den Planeten unseres Sonnensystems, über die Sonne und die Welt der Fixsterne, zu den Galaxien bis schließlich zur Entstehung und Entwicklung des Universums, gibt der Autor einen guten einführenden Einblick in die Astronomie. Ich will nun wieder einen groben Ablauf – Anregungen die man sich für seinen Astronomieunterricht holen könnte – skizzieren. Dieser Ablauf orientiert sich nach dem erwähnten Buch und sollte nur als kleine Hilfestellung dienen. Das Motto dieses Unterrichtes könnte lauten: „Vom Kleinen zum Großen“. Astronomieunterricht-mögliche Abfolge (nach dem Buch von Prof. Dr. Arnold Hanslmeier: Astronomie156 ) • Allgemeiner Überblick: Eine Reise durch Raum und Zeit; Was ist Astronomie? Wie hoch steht die Sonne? Wie entstehen Ebbe und Flut u.v.m. • Geschichte der Astronomie: Von der Steinzeit bis zur heutigen Zeit • Planeten: Allgemeines; Mond; von Merkur bis Pluto; Wie entstand unser Sonnensystem? • Die Sonne, der Stern von dem wir leben: Alles über die Sonne bis zu allgemeinen Fragen wie: Bestimmt die Sonne unser Wetter? • Die Welt der Fixsterne: Sternhelligkeit; Sternfarbe; Sternspektren; Hertzsprung Russel Diagramm (HRD); Sternentwicklung • Die Welt der Galaxien: Der Raum zwischen den Sternen; Entfernungsbestimmung; unsere Milchstraße • Entstehung und Entwicklung des Universums: Galaxieverteilung; Entstehung von Galaxien…Sind wir allein im Kosmos? In diesem Buch gibt es in jedem Kapitel immer wieder kleinere Aufgabenstellungen, die den Leser dazu bringen soll, das eben Gelesene anzuwenden. Und wenn man die Aufgaben nicht lösen kann, besteht noch immer die Möglichkeit, sich die Lösung am Ende des Buches anzusehen. Mir ist schon bewusst, dass kaum die Zeit reichen wird, das gesamte Buch in der Physikstunde zu besprechen, aber gewisse Anregungen und Teilbereiche könnten jedenfalls aus diesem Buch übernommen werden. 156 vgl. [19] 114 Kapitel 5 Asronomie in der Schule Zum Abschluss will ich noch kurz auf den österreichischen Lehrplan für Physik (Unterstufeund Oberstufe AHS) eingehen. Es soll gezeigt werden, dass dieser sehr wohl Vorschläge beinhaltet Astronomie in den Physikunterricht einzubinden. Lehrplan Unterstufe AHS157 Das Ziel des Physikunterrichtes in der Unterstufe ist es, den Kindern das Modelldenken der Physik (Realwelt – Modell – Modelleigenschaften – Realwelt) zu vermitteln. Physikalisches Wissen soll in größere Zusammenhänge gestellt werden. Vor allem das bewusste Beobachten und das verbale Beschreiben von physikalischen Vorgängen spielen hier eine wesentliche Rolle. Gerade das Einbinden der Astronomie in den Unterricht in Form von einfachen astronomischen Beobachtungen, in dem besonders das Protokollieren von Vorgängen und der Versuch der verbalen Beschreibung eine besondere Rolle spielt, könnte dazu beitragen, den Schülern einen besseren und umfassenderen Einblick in die Physik zu geben. In der vierten Klasse wird speziell in den Kapiteln Gekrümmte Wege auf der Erde und im Weltall (Planetenbewegungen, Satellitenbewegungen, Gravitationskraft) und Die Welt des Sichtbaren (Optik, Teleskope) auf astronomische Themen Bezug genommen. Aber auch im Kapitel Das radioaktive Verhalten der Materie könnte man schon das erste Mal auf die Energieumsetzung in der Sonne und in den Sternen zu sprechen kommen – wenn auch noch nicht bis ins Detail. Man sieht, dass bereits in der Unterstufe einige Möglichkeiten bestünden, Astronomie zu unterrichten. Lehrplan Oberstufe AHS (ab Herbst 2004)158 Ab Herbst 2004 gibt es einen neuen Lehrplan in Physik für die Oberstufe. Bei der Erstellung des neuen Lehrplanes stand vor allem im Vordergrund, was Schüler nach dem Unterricht wissen sollten und nicht was die Lehrkräfte an Stoff bewältigen könnten. Neu an diesem Lehrplan sind die Angabe des Lehrstoffes für mehrere Jahre und das Entfallen der bekannten Trennung zwischen Kern- und Erweiterungsstoff. Der Lehrstoff wird nun über mehrere Jahre (5. und 6. Klasse; 7. und 8. Klasse) angegeben. 157 158 vgl. [26] vgl. [26] 115 Kapitel 5 Asronomie in der Schule In den Jahrgängen 5. und 6. Klasse liegt der Schwerpunkt im Bereich der „klassischen Physik“, während in den Jahrgängen 7. und 8. Klasse der Bereich „moderne Physik“ behandelt werden soll. Im Lehrstoff der 5. und 6. Klasse gibt es zwei wesentliche Bildungsziele, die unmittelbar mit der Astronomie im Zusammenhang stehen. Zum einen sollen Schüler einen Überblick über Größenordnungen im Mikro- und Makrokosmos und unsere Stellung im Universum bekommen, zum anderen sollen sie mit Hilfe der Bewegungslehre ein Verständnis für Vorgänge bei den Planetenbewegungen entwickeln. Im Lehrstoff der 7. und 8. Klasse steht, dass die Schüler die bisher entwickelten methodischen und fachlichen Kompetenzen vertiefen sollen. Ihnen soll ein Einblick in das Weltbild der modernen Physik geboten werden. Als Bildungsziele, die ebenfalls mit der Astronomie in Verbindung gebracht werden können, zählen: Grundzüge der modernen Atomphysik (Spektren bzw. Sternspektren); Einblick in kernphysikalische Grundlagen (Aufbau der Kerne, Energiequelle der Sonne); Einblicke in die Struktur von Raum und Zeit (Entwicklungsprozess von Weltsichten zur modernen Kosmologie, Gravitationsfeld, Aufbau und Entwicklung des Universums). Laut Lehrplan ist es auf jeden Fall möglich bzw. ein Muss, auch Astronomie in Physik zu unterrichten. Ich möchte an dieser Stelle noch von einer Erfahrung berichten, welche ich während meinen Unterrichtseinheiten159 mit den Schülern machte. Da zeigten Schüler, die normal nicht so sehr an der Physik interessiert waren ein plötzliches Interesse an der Physik und meinten dann: „Also, das ist Physik?“ Das hat mir gezeigt, dass Astronomie den Physikunterricht nicht nur interessanter macht, sondern ihn auch durchwegs bereichert. Und genau das versucht diese Diplomarbeit auch zu vermitteln. In der Arbeit wurde ein praktischer Zugang zur Astronomie vorgestellt, der den vielleicht oft schon zu „trockenen“ Physikunterricht abwechslungsreicher gestalten könnte. Dabei wurde darauf geachtet, dass er für jeden Physiklehrer geeignet ist, auch für jene, die bis sich bis jetzt noch nicht so viel mit Astronomie beschäftigt haben. 159 siehe Kapitel 4 – Schulpraktischer Teil 116 Literaturverzeichnis [1] Jürgen Hamel: Geschichte der Astronomie: von den Anfängen bis zur Gegenwart. Birkhäuser Verlag – Basel, Boston, Berlin 1998 [2] Joachim Hermann: Das große Lexikon der Astronomie. Orbis Verlag, München 1996 [3] Zeitschrift Sterne und Weltraum: Europas neue Teleskope. Spezialausgabe 3/2003, Verlag Sterne und Weltraum, Dr.Vehrenberg GmbH, München [4] Norbert Jakober: Vorstoß ins All: Die Erforschung der Sterne und Galaxien mit modernsten Teleskopen und Parabolspiegeln. Aus dem italienischen Original: „L´ UNIVERSO – Grande Enciclopedia dell´Astronomia“ übersetzt, Verlag Neuer Kaiser deutsche Erstausgabe 1998 [5] Arnold Hanslmeier: Einführung in Astronomie und Astrophysik. Spektrum Akademischer Verlag – Heidelberg, Berlin 2002 [6] Günter D. Roth: Planeten beobachten: Praktische Anleitung für Amateurbeobachter und solche die es werden wollen. Spektrum Akademischer Verlag GmbH Berlin 2002, 5. Auflage [7] Gianluca Ranzini: Astronomie: Ein Führer durch die unendlichen Weiten des Weltalls, Sonnensystem-Sterne-Galaxien. Verlegt bei Kaiser 2002, deutsche Erstausgabe [8] Zeitschrift Physik in unserer Zeit: Das Sterninterferometer auf dem Paranel. Ausgabe 2/2003, Wiley-Vich Verlag GmbH & Co. KgaA Weinheim [9] Phillip Henarejos: Der kleine Himmelsführer: Sterne Planeten und das Weltall. Könemann Verlagsgesellschaft mbH 2000 [10] Zeitschrift Star Observer: Astrofotografie. Special Nr. 10, Verlagsunion KG [11] Zeitschrift Star Observer:Die Zukunft der Weltraumforschung. Ausgabe Januar Februar 2003, Verlagsunion KG [12] Dieter B. Hermann: Faszination Astronomie. Cormoran in der Südwest Verlag GmbH & Co. 1997 [13] Sexl-Raab-Streeruwitz: Physik 2. Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 2. Auflage 1992 [14] Zeitschrift Sterne und Weltraum: Mein Teleskop: Fernrohre und Zubehör für Einsteiger. Basics-Ausgabe 2/2003, Verlag Sterne und Weltraum, Dr.Vehrenberg GmbH, München 117 [15] Elvira Gavanelli: Die Fotografie: Geschichte – Physik – Fotografie im Unterricht. Diplomarbeit, Naturwissenschaftliche Fakultät Graz. Juni 2000 [16] Helmut Vogel: Gerthsen Physik. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1999, 20. Auflage [17] Carole Stott: Erlebnis Sternenhimmel: Eine Anleitung zur erfolgreichen Himmelserkundung. BLV Verlagsgesellschaft mbH München Wien Zürich 1999 [18] Hans-Ulrich Keller: Kosmos Himmelsjahr 2003. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart 2002 [19] Arnold Hanslmeier: Astronomie. Aus der Reihe Physik-compact, öbv&hpt [20] Arnold Hanslmeier: Gefahr von der Sonne. BLV Verlagsgesellschaft mbH München 2002 [21] Antonin Rükl: Mondatlas. Verlag Werner Dausien 1999, 2. Auflage [22] W. Winnenburg: Ziele, Inhalte und Aufgaben astronomischer Bildung. Zeitschrift Astronomie Heute – Anregungen und Hilfen für die Unterrichtspraxis, Erhard Friedrich Verlag GmbH & Co. KG 1995 Internetadressen (Stand: März 2004) [23] http://www-user.tu-chemnitz.de/~maeng/ccd Vorlesungsscript einer Vorlesung an der TU-Chemnitz Titel der Vorlesung: „CCD-Technik und Bildaufnahme“ [24] http://imst.uni-klu.ac.at/was_ist_imst „Zum Ist-Zustand des Physikunterrichts in der Oberstufe“ (von Helmut Kühnelt) [25] http://lehrer.brgkepler.at/grath Homepage von Dr. Gerhard Rath – Lehrer am BRG-Kepler in Graz [26] http://www.bmbwk.gv.at/schulen/unterricht/index.xml Homepageseite des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur [27] http://dr.strickling.bei.t-online.de/sonneanf.htm Seite mit Tipps zur Sonnenbeobachtung [28] http://aberrator.astronomy.net/registax Homepage von Registax 118