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Master Shit happens - Zur Uebertragung von Vulgarität in der Untertitelung Analyse am Beispiel des Films "The Departed" von Martin Scorsese BRUNNENMEISTER, Catia Abstract Vulgarität ist verpönt - auch in der Forschung, und das obwohl Vulgarität eine wichtige Funktion in der Sprache erfüllt. Diese Funktion wirk analysiert, um die mit dem Phänomen verbundenen Schwierigkeiten für die Uebersetzung darzustellen sowie anschliessend spezifisch das Problem der Vulgarismen in der Untertitelung zu erläutern und anhand ausgewählter Szenen des Films "The Departed" zu untersuchen. Im Zentrum steht dabei nicht die Frage, ob bei diesem Transfer ein Verlust von Vulgarität festzustellen ist, da dieser in der Untertitelung unumgänglich ist, sondern inwiefern dieser Verlust problematisch ist. Die Analyse zeigt, dass der Verlust von Vulgarität in der Untertitelung auf zahlreichen Ebenen negative Auswirkungen haben kann: von der Verschiebung der Stilniveaus auf lexikalischer Ebene zur Verzerrung der Dynamik zwischen Charakteren auf interpersonaler Ebene und der Verringerung der Kohärenz auf Handlungsebene bis hin zur Abschwächung der Effektivität des Films als sprachlicher Handlung. Ausgehend von diesen Feststellungen werden mögliche Gründe für den Verlust aufgezeigt, um so den [...] Reference BRUNNENMEISTER, Catia. Shit happens - Zur Uebertragung von Vulgarität in der Untertitelung Analyse am Beispiel des Films "The Departed" von Martin Scorsese. Maîtrise : Univ. Genève, 2011 Available at: http://archive-ouverte.unige.ch/unige:18410 Disclaimer: layout of this document may differ from the published version. [ Downloaded 13/01/2017 at 12:53:50 ] CATIA BRUNNENMEISTER Shit happens – Zur Übertragung von Vulgarität in der Untertitelung Analyse am Beispiel des Films „The Departed“ von Martin Scorsese Mémoire présenté à l’École de traduction et d’interprétation pour l’obtention de la Maîtrise en traduction, mention traductologie Directrice de mémoire: Gunhilt Perrin Juré: Ian MacKenzie Université de Genève, 2011 Inhaltsverzeichnis 0. 1. Einleitung......................................................................................................................... 1 Slang & Vulgarität in der Sprache ...................................................................................... 2 a) Begriffsbestimmung: Sprachsystem vs. Sprachvarietäten ..................................................... 2 b) Slang als Sprachvarietät ......................................................................................................... 4 c) Funktion der Vulgarität in der Sprache .................................................................................. 8 d) Ursprung der Vulgärsprache ................................................................................................ 13 e) Vulgarität in der anglo-amerikanischen Sprache & Kultur ................................................... 16 f) Vulgarität in der deutschen Sprache & Kultur ..................................................................... 18 g) Filmzensur ............................................................................................................................ 19 h) Bedeutung für die Übersetzung ........................................................................................... 22 2. Untertitelung ................................................................................................................. 26 a) Definition .............................................................................................................................. 26 b) Geschichte ............................................................................................................................ 28 c) Theoretische Ansätze ........................................................................................................... 30 d) Zukunft ................................................................................................................................. 33 e) Untertitelungsspezifische Schwierigkeiten .......................................................................... 35 f) 3. Untertitelungsspezifische Übersetzungsverfahren .............................................................. 44 Vulgarismen in der Untertitelung .................................................................................... 46 a) Aus soziolinguistischer Perspektive ..................................................................................... 46 b) Aus psycholinguistischer Perspektive .................................................................................. 48 c) Aus audiovisueller Perspektive ............................................................................................ 51 i. Aspekte von Slang und Vulgärsprache in der Untertitelungswissenschaft ..................................................... 51 ii. Vulgärsprache in der Synchronisationswissenschaft ...................................................................................... 55 iii. Vulgärsprache in der Untertitelungswissenschaft .......................................................................................... 56 4. Analyse von Vulgarismen am Beispiel des Films „The Departed“ von Martin Scorsese ...... 61 a) Makrotextuelle Analyse des Ausgangstextes ....................................................................... 61 i. Objekt der Analyse.......................................................................................................................................... 61 ii. Besondere Merkmale ..................................................................................................................................... 64 iii. Funktion von Vulgärsprache im Film .............................................................................................................. 68 b) Mikrotextuelle Analyse von Ausgangs- und Zieltext ............................................................ 73 i. Überblick über den Ausgangstext ................................................................................................................... 73 ii. Ausgangslage & Vorgehensweise ................................................................................................................... 81 iii. Szene 1: Eröffnungssequenz ........................................................................................................................... 83 iv. Szene 2: Colins Beförderung vs. Billys Degradierung ...................................................................................... 88 v. Szene 3: Queenans Tod ................................................................................................................................ 101 c) Feststellungen .................................................................................................................... 104 d) Problematik ........................................................................................................................ 105 e) Erklärungsversuche ............................................................................................................ 108 i. Technische Faktoren ..................................................................................................................................... 108 ii. Kulturelle Faktoren ....................................................................................................................................... 111 iii. Sprachliche Faktoren .................................................................................................................................... 114 iv. Pragmatische Faktoren ................................................................................................................................. 116 v. Multimediale Faktoren ................................................................................................................................. 118 vi. Berufliche und wirtschaftliche Faktoren ....................................................................................................... 121 vii. Persönliche Faktoren .................................................................................................................................... 126 f) 5. Fazit: Ansatz für eine Übersetzungsstrategie ..................................................................... 128 Bibliographie.................................................................................................................133 a) Quellenverzeichnis ............................................................................................................. 133 b) Analysematerial.................................................................................................................. 139 6. Anhang: Niederschrift einzelner Szenen .........................................................................140 Szene 1……………………………………………………………………………………………………………………….…141 Szene 2………………………………………………………………………………………………………….………………145 Szene 3………………………………………………………………………………………………………………………….153 ~ Danksagung An erster Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Betreuerin, Frau Gunhilt Perrin, für das grosse Engagement, die Flexibilität und die tatkräftige Unterstützung bedanken – und dafür, dass sie sich auf dieses Thema eingelassen hat. Auch meinem Experten, Herrn MacKenzie, danke ich, dass er bereit war, sich ein paar Stilniveaus tiefer zu begeben, und mir mit seinem Sprachgefühl und Humor zur Seite stand. Frau Marlene Hall Ashour und ihren Kollegen der Untertitelungsagentur Titra bin ich für die Einblicke in den Untertitleralltag sowie ihre Bereitschaft, mir alle Unterlagen zu The Departed zur Verfügung zu stellen, zu grossem Dank verpflichtet. Dankbar bin ich auch Prof. Ian Mason für die bibliographischen Angaben, welche mir den Blick für andere Sichtweisen geöffnet haben. Mein Dank geht schliesslich auch an meine „Mémoire-Leidensgenossen“, welche auf Durststrecken mit Solidarität und Kaffee stets zur Stelle waren, insbesondere Patrizia Werlen, deren Blick von aussen und die gemeinsamen Diskussionen immer sehr bereichernd waren. Für die technische Unterstützung danke ich Garry Jeromson. Last but not least gilt mein Dank meiner Familie, welche mich nicht nur in vulgärsprachlichen Angelegenheiten, sondern in allen Belangen des Lebens stets unterstützt hat. Merci! ~ Vorwort Es liegt einem auf der Zunge, kitzelt, man schwankt, zögert und dann schluckt man es doch wieder herunter. Weil man das ja nicht sagen sollte. Wurde einem gesagt. Sobald ein Kind zu sprechen beginnt, geben seine Eltern Acht, dass es auch ja keine „falschen“ Wörter lernt. Doch diese schnappt es komischerweise trotzdem auf und gibt sie dann, in den unpassendsten Momenten natürlich, zum Besten. Wieso man aber diese ach so schön farbigen Wörter nicht verwenden darf, ist einem zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Erst in der Jugend wird einem die Bedeutung solcher Ausdrücke bewusst. Mit diesem Bewusstsein geht aber auch die Verlockung einher, vulgäre Ausdrücke und Fluchwörter gezielt einzusetzen: um Eltern zu schockieren, Lehrer zu provozieren oder in der Gruppe Gleichaltriger dazuzugehören. Der Austausch ist rege, das Vokabular wächst, stets kritisch beäugt von der Erwachsenenwelt. So wird Vulgärsprache auch im Fremdsprachenunterricht aussen vor gelassen und stellt gewissermassen die letzte Hürde und zugleich das ultimative Zeichen sozialer Integration dar: Man ist gewappnet für alle Lebenslagen, auch die unangenehmsten. Erwachsenen ist sie aber oft nur in genau jenen Momenten, den unangenehmsten, jene, die einen wütend machen, verletzen oder erschüttern, vorbehalten. Dass ihre Verwendung in den meisten anderen sozialen Situationen unangebracht ist, damit findet man sich irgendwann ab. Ausleben kann man sie aber trotzdem, par procuration, indem man ins Kino geht, sich von der Sprechweise der Charaktere im Film beeindrucken lässt, über besonders originelle Kreationen lacht oder auch ein bisschen schockiert ist. So geht es zumindest mir. Die Lebendigkeit, Originalität, Expressivität und Leichtigkeit von Slang und Vulgärsprache haben mich schon immer beeindruckt. So habe ich mich für dieses Thema denn auch aus rein egoistischen Gründen entschieden: um Kultur, Zensur und Tabus nachzuspüren, mehr über den spannenden Beruf des Untertitlers herausfinden, mich in ein filmisches Werk monatelang vertiefen und mich selbst in einem solch seriösen Rahmen wie einer Masterarbeit verbal austoben zu können. Vielleicht aber auch ein bisschen in der Hoffnung, dieser Form von Sprache aus dem Schatten sogenannt höherer Sprachebenen zu verhelfen und die Faszination dafür auf den Leser übertragen zu können. Wie schon der USamerikanische Dichter Carl Sandburg (1878-1967) sagte: „Slang is a language that rolls up its sleeves, spits on its hands and goes to work“. An die Arbeit! Genf, August 2011 0. Einleitung Diese Arbeit gliedert sich in vier grosse Teile. Im ersten Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, was Vulgarität ist, welche besonderen Merkmale sie aufweist und welche Funktion sie in der Sprache allgemein und in verschiedenen Einzelsprachen erfüllt. Im zweiten Teil soll näher auf das Medium, die Untertitelung, eingegangen werden, um nachvollziehen zu können, inwiefern es den Übersetzer1 in seiner Arbeitsweise und Prioritätensetzung beeinflusst. Nachdem beide Themen einzeln abgehandelt worden sind, geht es in Kapitel 3 darum, herauszufinden, wie sich die beiden Phänomene zueinander verhalten und wie die Forschung zu diesem Problem steht. Theorien der Übersetzungs- und Untertitelungswissenschaft, aber auch Ansätze anderer Forschungsgebiete sollen herangezogen werden in der Hoffnung, die intuitive Annahme, Vulgarität falle in der Untertitelung tendenziell weg, lasse sich dadurch rationalisieren – oder verwerfen. In Kapitel 4 soll dann die aufgestellte Arbeitshypothese am konkreten Beispiel, dem Film The Departed von Martin Scorsese, überprüft und folgende Fragen beantwortet werden: Fällt Vulgarität in der Untertitelung weg? Wenn ja, wie manifestiert sich dieser Verlust? Welche Auswirkungen hat er? Inwiefern kann er problematisch sein? Worauf kann er im vorliegenden Fall zurückzuführen sein? Aber vor allem: Wie könnten diese Probleme zukünftig vermieden werden? Das methodische Vorgehen besteht einerseits aus der vorgängigen Analyse der bestehenden Fachliteratur im Bereich der Übersetzungs- und Untertitelungswissenschaft sowie angrenzender Forschungsgebiete wie den Filmwissenschaften, der Sozio- und Psycholinguistik. Diese theoretischen Ansätze werden anhand von Informationen aus der schweizerischen Untertitelungspraxis sowie einer qualitativen Analyse von aussagekräftigen Szenen eines Films, welcher aufgrund seiner Quantität und Vielfalt an Vulgarismen ausgewählt wird, überprüft und gegebenenfalls ergänzt oder angepasst. Die ausgewählten Szenen werden sowohl als Teil des Ganzen auf ihre Makrostruktur und Textfunktion als auch im Detail auf ihre Mikrostruktur und die Funktion der im Ausgangs- und Zieltext bestehenden Vulgarismen hin untersucht. Ziel dieser Arbeit ist es, rekurrente Muster bei der Übertragung oder Nicht-Übertragung von Vulgarität in der Untertitelung zu erkennen und gestützt auf diese Feststellungen die allgemeine Problematik zu umreissen, mögliche Gründe für einen Verlust aufzuzeigen und den Handlungsspielraum des Untertitlers in Bezug auf die Übertragung von Vulgarität abzustecken, um schliesslich konkrete Lösungsansätze zu entwickeln. 1 Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird auf die geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. 1 1. Slang & Vulgarität in der Sprache Um nachvollziehen zu können, warum Vulgarismen in der Untertitelung ein Übersetzungsproblem darstellen, müssen zuerst einige linguistische Grundbegriffe definiert und voneinander abgegrenzt werden. Mithilfe dieser Terminologie soll Slang als Subsystem des Sprachsystems eingegrenzt werden. In einem weiteren Schritt sollen die kulturellen Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zielsprache in Bezug auf dieses Subsystem beleuchtet und deren Bedeutung für die Übersetzung herausgeschält werden. a) Begriffsbestimmung: Sprachsystem vs. Sprachvarietäten Was versteht man unter Sprache? Der Duden definiert Sprache folgendermassen: 1. <o. Pl.> Fähigkeit des Menschen zu sprechen; das Sprechen als Anlage, als Möglichkeit des Menschen sich auszudrücken: die menschliche S.; S. u. Denken; jmdm. bleibt die S. weg, verschlägt es die S.; jmdm. die S. verschlagen/rauben. 2. <o. Pl.> (meist in bestimmten Wendungen) Das Sprechen; Rede: Die S. auf etw. bringen/etw. zur S. bringen; mit der S. (nicht) herausrücken, herauswollen; heraus mit der S.!; zur S. kommen. 3. a) Art des Sprechens; Stimme, Redeweise: eine flüssige S.; ihre S. klingt rau; man erkennt ihn an der S.; der S. nach stammt sie aus Berlin; b) Ausdrucksweise, Stil: eine schlichte, gehobene, bilderreiche, poetische, geschraubte, gezierte, (un)verständliche S. […]. 4. a) (historisch entstandenes u. sich entwickelndes) System von Zeichen u. Regeln, das einer Sprachgemeinschaft als Verständigungsmittel dient; Sprachsystem: die lateinische, englische S.; lebende und tote, neuere und ältere –n; die afrikanischen –n; verwandte, indogermanische –n; Französisch ist eine schöne, klangvolle S.; Deutsch gilt als schwere S.; diese S. ist schwer, leicht zu lernen; mehrere –n sprechen, beherrschen; sie unterhalten sich in englischer S.; etw. in eine andere S. übersetzen; die S. des Herzens, der Liebe, der Leidenschaft; die S. (Verständigung mithilfe bestimmter Signale) der Bienen, der Buckelwale; dieselbe/die gleiche S. sprechen; eine andere S. sprechen, reden; in sieben –n schweigen; b) System von Zeichen (das der Kommunikation o.Ä. dient): Programmiersprachen und andere formalisierte –n; die S. der (formalen) Logik. (Duden Deutsches Universalwörterbuch 2007:1585) Sprache ist somit ein vielschichtiges Konzept, dessen Definition je nach Kontext variiert. Im Folgenden soll auf den systemischen Charakter von Sprache eingegangen werden, so wie er in der vierten Definition des Dudens zu finden ist. Um zu verstehen, wie sich dieser systemische Charakter der Sprache in der Forschung herauskristallisiert hat, muss man zurückgehen an den Anfang des letzten Jahrhunderts, als Ferdinand de Saussure (s. posthume deutsche Ausgabe von 1931) mit seinen Vorlesungen über allgemeine Sprachwissenschaft den Grundstein für die Linguistik legte. Bei de Saussure (1931:78f.) wird die Sprache als ein System von bedeutungstragenden Zeichen betrachtet, wobei ein Zeichen immer zwei Seiten hat: die Vorstellung (das Bezeichnete, frz. signifié) und das Lautbild (die Bezeichnung, frz. signifiant). Tatsächlich unterscheidet de Saussure drei Aspekte der Sprache: langue (das abstrakte Regelsystem), langage (die menschliche Redefähigkeit) und parole (den Sprachgebrauch). Die langue stellt das theoretische Gefüge dar, so wie es in Grammatiken oder Wörterbüchern aufzufinden ist, während die parole dessen praktische Anwendung ist. Langage wiederum bezeichnet die eigentliche Fähigkeit 2 des Menschen, zu sprechen – das Merkmal, welches ihn vom Tier unterscheidet. De Saussure untersuchte ausschliesslich die Sprache im Sinne der langue. Sprache als abstraktes System manifestiert sich aber in unzähligen Einzelsprachen, die unterschiedlichen Regeln folgen und die die Realität unterschiedlich abdecken. Auch innerhalb einer Einzelsprache gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um zum Beispiel ein und denselben Sachverhalt zu beschreiben oder Gefühle zu äussern. Der Gliederung dieser verschiedenen Sprachverwendungen hat sich ab den 1970er Jahren die Soziolinguistik gewidmet und insbesondere die gesellschaftliche Bedeutung des Sprachsystems und des Sprachgebrauchs erforscht (Dittmar 1997:21). Sprach de Saussure noch von dem Sprachsystem, distanzierte sich die Forschung nach und nach von dieser Auffassung der Sprache als homogenes System und richtete ihren Fokus auf die Vielfalt innerhalb einer Einzelsprache, die sogenannten Subsysteme. Denn die deutsche oder die englische Sprache gibt es nicht: Die Ausdrucksweise ist nicht nur abhängig vom Sprecher, sondern auch vom jeweiligen Umstand, Zeit und Ort – diese Varianten einer Sprache bezeichnet man in der Linguistik als Sprachvarietäten oder auch sprachliche Varietäten. Im gleichnamigen Buch werden diese von Kirsten Nabrings folgendermassen definiert: […] bezeichne ich mit dem Begriff „sprachliche Varietät“ die verschiedenen in sich mehr oder weniger geschlossenen, konventionellen und sozial verbindlichen Typen der Sprachverwendung innerhalb einer Sprachgemeinschaft. (Nabrings 1981:17) Jede Sprache ist ein Konglomerat von Sprachen, zwischen denen jederzeit Koexistenz und Interferenz herrscht (Pelz 2007:219). Essentiell bei Sprachvarietäten ist somit die Sprachverwendung, das Augenmerk wird auf Sprache in einem bestimmten Kontext gerichtet. Ein hoher Grad an Geschlossenheit, Konventionalität und sozialer Verbindlichkeit vereinfachen die Kategorisierung. In Wirklichkeit sind die Grenzen von Sprachvarietäten allerdings meist fliessend. Grob eingeteilt werden sie üblicherweise nach drei Kriterien (Dittmar 1997:181-232): diatopisch, diaphasisch, diastratisch. Bei gewissen Autoren kommen zu den drei Hauptkategorien auch noch die personale Dimension (Dittmar 1997:181) oder die diachrone Dimension (Nabrings 1981:36) hinzu. Die personale Dimension bezieht sich auf die unverwechselbare Sprache eines Individuums (Idiolekt). Diese wird jedoch bei anderen Autoren (vgl. Pelz 2007:222) zu den diastratischen Varietäten gezählt mit dem Argument, dass jeder Sprachteilnehmer per se einen anderen Sprachbesitz aufweist und ein Soziolekt somit lediglich einen Deckungsbereich verschiedener Idiolekte innerhalb einer Gruppe darstellt. Die diachrone Dimension bezieht sich auf die verschiedenen Stadien einer Sprache, der Fokus liegt auf dem Aspekt der Zeit. Wenn man nun aber von den drei Hauptkategorien diatopisch, diaphasisch und diastratisch ausgeht, bezieht sich die diatopische Dimension auf sprachliche Variationen, die geographisch bedingt sind, während sich die diaphasische Dimension auf die Kommunikationssituation bezieht und die diastratische Dimension Aufschluss gibt über die sprachlichen Unterschiede je nach 3 Zugehörigkeit des Sprechers zu einer Gesellschaftsschicht oder Gruppe (Soziolekt). Somit gehören Dialekte, bedingt dadurch, dass sie kleinräumig, nicht kodifiziert und nur gesprochen sind (Dittmar 1997:211), der diatopischen Varietät an, während ein Register, bedingt dadurch, dass es wissensbezogen und situations- und rollengebunden ist (ibid.:212), der diaphasischen Varietät angehört. Ein Register bezeichnet eine Rede- und Schreibweise, die charakteristisch ist für einen bestimmten Kommunikationsbereich, ohne jedoch eine lokale oder regionale Prägung aufzuweisen. Es gibt allerdings auch Varietäten, die sich sowohl durch eine diatopische wie auch durch eine diastratische Dimension auszeichnen (ibid.:193201), so zum Beispiel Stadtsprachen (Urbanolekte), Umgangssprachen (Regiolekte) oder der Substandard (dazu gleich mehr). b) Slang als Sprachvarietät Das Sprachsystem lässt sich also in Subsysteme gliedern. Innerhalb der diastratischen Varietäten, der sogenannten Soziolekte – das heisst jener Sprachen, die von bestimmten Gruppen oder Gesellschaftsschichten gesprochen werden – lassen sich die Sondersprachen ausmachen. Unter diesen Begriff fallen alle Standes-, Berufs-, Fach- und Gruppensprachen (Dittmar 1997:189). Gruppen haben spezifische Interessen und Bedürfnisse, was zur Entwicklung eines Sonderwortschatzes führt, der die Eingeweihten vom übrigen Teil der Gesellschaft abhebt. Auch Argot, Jargon und Slang verfügen über einen solchen Sonderwortschatz. Die drei Begriffe sind fast deckungsgleich. Argot wurde zuerst zur Bezeichnung des Soziolekts der Bettler und Gauner im Frankreich des Mittelalters verwendet. Später wurde der Begriff dann ausgeweitet auf andere Soziolekte. Ähnlich definiert wird nach Anatoli Domaschnev auch Jargon: In Gemeinschaft von Menschen, die eine gemeinsame berufliche oder ausserberufliche Betätigung ausüben, die ständig miteinander verkehren oder enger zusammenleben, entstehen Wörter und Wendungen, mit welchen die Sprechenden die gewöhnlichen Ausdrücke ersetzen. Man nennt ihre Gesamtheit Jargon. […] Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und zugleich eine gewisse Absonderung zu den übrigen Teilen der Gesellschaft spielen dabei bewusst oder unbewusst eine Rolle. (Domaschnev 1987:313) Domaschnev grenzt Jargon von Argot dadurch ab, dass Argot eine Geheimsprache sei, Jargon jedoch nicht. Diese Abgrenzung ist inzwischen problematisch, da sich die Begriffe weiterentwickelt haben und heute zusätzliche Bereiche umfassen. So beinhaltet Argot je nach Definition auch andere Soziolekte als die ursprüngliche Geheimsprache und der Begriff Jargon wird nicht mehr nur für Fachjargon verwendet, sondern umfasst unter anderem auch Szenejargon. Auch der Begriff Slang überschneidet sich inhaltlich mit Argot und Jargon. Karl Sornig zum Beispiel definiert Slang wie folgt: 4 Slang is, as it were, a language in statu nascendi, a language (or at least a lexicon) in the making. Slang is essentially an experimental language. Spoken language is unhampered by considerations of its graphic notation (as is true for dialects), so that one reason for its instability may be sought in its whole (dialogical) character. (Sornig 1981:20) Slangausdrücke bezeichnet er weiter als Slangismen. Hervorgehoben werden in Definitionen des Begriffs Slang dessen Umgangssprachlichkeit, niedrige Stilstufe und das spielerische Element, so auch bei Walter Porzig: Da legen die Sprechenden scheinbar Wert darauf, gerade nicht die alltäglichen Wörter und Wendungen zu gebrauchen, sondern sich ungewöhnlich, gesucht, parodistisch scherzhaft und oft geradezu absichtlich albern auszudrücken. (Porzig 1957 zitiert nach Nabrings 1981:171) Und weiter: Der Slang entschärft den Ernst der Wirklichkeit, er ist gesellschaftliches Spiel. […] So erweist sich also der Slang doch als eine Erscheinung innerhalb der Alltagssprache, nämlich als der Versuch, das Alltägliche und Langweilige an ihr zu überwinden. (ibid.) Werner Veith (2002:80) unterstreicht bei Argot und Slang zusätzlich die lexikalische Innovation, Schnelllebigkeit, Expressivität und Spontaneität. Inhaltlich gesehen, sind die Begriffe Argot und Slang vergleichbar, aber da Argot eher in der Romanistik und der Begriff Slang eher in der anglophonen Soziolinguistik zu finden sind, wird im Folgenden der Ausdruck Slang verwendet. Slang wird von vielen Autoren (u.a. Norbert Dittmar und Kirsten Nabrings) in den diastratischen Varietäten angesiedelt. Auch Connie Eble (2004) sieht Slang als gruppenspezifisch an, sie fasst die Definition einer Gruppe allerdings sehr weit. Oftmals gehen Slangausdrücke aus einer Subkultur und ihrer spezifischen Sprechweise (primary slang) hervor und verbreiten sich in anderen, grösseren Gruppen bzw. Gesellschaftsschichten (secondary slang). Ein Beispiel dafür ist der Ghetto-Slang der Afroamerikaner, welcher dank dem kommerziellen Erfolg der Rap-Musik weltweite Verbreitung fand (Eble 2004:263). So steht bei Slang denn auch nicht der inhaltliche, sondern der soziale Aspekt im Vordergrund. Slang kann aufgrund seiner sozialen Konsequenzen identifiziert werden, aufgrund der Auswirkungen, die der Gebrauch von Slangausdrücken anstelle von neutralem Vokabular auf die Beziehung zwischen Sprecher und Publikum hat (ibid.:262). Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe bedingt auch, dass die Mitglieder Entwicklungen ihres Slangs verfolgen und ihr Vokabular aktualisieren (ibid.:263). Dieser Wille, sprachlich auf dem letzten Stand zu sein, verliert sich mit den Jahren. So könnte die Definition einer Gruppe auf eine ganze Generation ausgeweitet werden, da eine jede ihr eigenes Vokabular an Slangausdrücken hatte und immer noch hat. Alter und Lebenseinstellung lassen sich denn auch bis zu einem gewissen Grad daran ablesen, wie aktuell der Slang einer Person ist (Andersson/Trudgill 1990:16). Im Gegensatz zu Dittmar, Nabrings und Eble zählen Porzig und Domaschnev Slang nicht zu den Gruppensprachen, mit dem Argument, dass die Verwendung von Slang im Gegensatz zu verschiedenen Sondersprachen (Argot, Jargon) in der freien Entscheidung des Sprechers liege (Porzig 1957:254 zitiert nach Domaschnev 1987:312). Somit solle der Terminus Slang 5 nur auf den nicht fachspezifischen Wortschatz angewendet werden, welcher „eine in humoristischer, spöttischer oder gar verächtlicher Weise ‚herabgesetzte‘ Färbung aufweist“ (Domaschnev 1987:312). Für Domaschnev stellt Slang „die Gesamtheit allgemeinverständlicher und weit verbreiteter Wörter und Ausdrücke vorwiegend humoristischen Charakters“ dar, „die bewusst als Ersatzwörter für die üblichen literarischen Ausdrücke verwendet werden“ (Domaschnev 1987:311). Wenn sich aber ein Slangausdruck durch seine inneren Vorzüge (nicht nur durch Ungewöhnlichkeit, sondern auch durch Ausdruckskraft oder die Fähigkeit, eine spezielle Bedeutungsnuance zu vermitteln) bei der breiten Masse durchsetzen kann, so wird er Teil der familiären Umgangssprache (z.B. pub) oder wird sogar ein stilistisch neutrales Wort (ibid.). Was Slang auszeichnet, ist die Fülle an Synonymen, welche Domaschnev zufolge darauf zurückzuführen ist, dass die Originalität eines Ausdrucks nur kurzfristig bestehen kann, da er durch eine breite Verwendung schnell banal wird. Ob Gruppensprache oder nicht, einig sind sich alle, dass die soziale Komponente bei Slang von grundlegender Bedeutung ist. Zusätzlich zu beachten sind aber auch regionale Unterschiede (diatopische Dimension) sowie der Fakt, dass Personen je nach Gesprächssituation ein anderes Register verwenden (diaphasische Dimension). Slang als Sprachvarietät zu bezeichnen, erscheint folgerichtig, auf welcher der drei Ebenen diese allerdings genau einzugliedern ist, ist umstritten und hängt in erster Linie von der Definition der einzelnen Begriffe ab. Dafydd Gibbons multidimensionaler, funktionalistischer Ansatz schafft Abhilfe. Indem Sprachvarietäten auf einem dreidimensionalen Würfel gemäss den Kriterien der sozialen, regionalen und funktionalen Variation eingezeichnet werden, können einzelne Varietäten untereinander in Bezug gesetzt und die Unterschiede visualisiert werden. Abb. 1: Language Variety Space (Gibbon 1998) Die Autoren des Werkes Sprachlicher Substandard (Holtus/Radtke 1986) umgehen das Problem der Abgrenzung geschickt, indem sie Slang zur Sprachvarietät des Substandards zählen. Der Terminus Substandard steht im Gegensatz zur Standardvarietät: Standardvarietät ist Sprache, wie sie zum Beispiel in Grammatiken vorkommt (Soll-Norm), wohingegen Substandard (Ist-Norm) Sprache ist, wie sie real gesprochen wird (Albrecht in 6 Holtus/Radtke 1986:66). Der Substandard stellt demnach eine Abweichung von sprachlichen Normen dar, worunter auch Slang fällt. Wichtig ist aber, anzumerken, dass Slang weder stilistisch einheitlich ist, noch isoliert betrachtet werden kann. So ist Slang ohne standardsprachliche Elemente und die gesprochene Hochsprache der Gegenwart ohne Slangelemente undenkbar (Domaschnev 1987:312). Viele ursprüngliche Slangwörter steigen zur Standardsprache auf (Viereck 1986:225). Die Verschriftlichung von Slang, welcher primär mündliche Sprache ist (Domaschnev 1987:312), stellt denn auch ein grundlegendes Problem für die Übersetzung und insbesondere die Untertitelung dar (mehr dazu in Kapitel 3ci. unter „Mündlichkeit“). In diesem bereits sehr diffusen Wortfeld des Slangs existieren aber weiter noch der Begriff des Vulgarismus und jener der Vulgärsprache (nicht zu verwechseln mit Vulgärsprache im Sinne der von der Masse des Volkes gesprochenen Sprache, s. unterschiedliche Bedeutungen von Vulgärsprache im Duden 2007 sowie Viereck 1986:224 zur Evolution des Begriffs Vulgärenglisch). Diese finden sich bei Nabrings (1981:168-173) im Kapitel der Stilniveaus. Stil zählt die Autorin zur diasituativen Dimension. Die diasituative Dimension entspricht in etwa Dittmars diaphasischer Dimension (vgl. hierzu Nabrings 1981:140 mit Dittmar 1997:206), wozu beide Autoren auch den Stil zählen. Der Stilbegriff wird heutzutage gemeinhin nicht mehr primär ästhetisch definiert, sondern funktional als die „spezifische sprachliche Gebildetheit“ eines Textes (Nabrings 1981:161). Der Wertungsaspekt von Stil (höhere – niedere Ausdrucksweisen) wurde mit dem Aufkommen der Soziolinguistik fallen gelassen. In Wörterbüchern werden oftmals stilistische Schichten von Lexemen angegeben, wobei nicht gekennzeichnete Lexeme die neutrale Schicht darstellen. Unterschieden wird dabei nach dem Kriterium der Formalität oftmals in vulgär, familiär, umgangssprachlich, gehoben und literarisch, wobei vulgär auf Situationen mit minimalem Formalitätsgrad hinweist (ibid.:165-167). Nabrings erfasst Argot, Vulgärsprache, Slang und Jargon als Sprachvarietäten niedriger Stufe. Die Vulgärsprache, auch Gossensprache genannt, bezeichnet gemeinhin einen Sprachstil, der von der Sprachgemeinschaft als in abstossender Weise derb und ordinär wahrgenommen wird. Welcher Gesellschaftsschicht er zuzurechnen ist, ist allerdings umstritten. Wird die Vulgärsprache von einigen Autoren als spezifisch für die unteren Gesellschaftsschichten eingestuft, so erachten sie andere hingegen als nicht gruppen- und schichtgebunden (vgl. Zitate in Nabrings 1981:169-171). Einig scheinen sich hingegen alle, dass die Vulgärsprache ein Teilbereich von Slang ist. Während die Vulgärsprache Tabus verletzt, ist dies beim Slang nicht zwingend der Fall. Da Slangausdrücke aber oft eine gezielte Attacke auf Konventionen oder Formen der Autorität darstellen, ist es nicht verwunderlich, dass sie Bezug nehmen auf Tabuthemen (Eble 2004:264-265). Als Vulgarismen bezeichnet man Lexeme, „die auf der niedrigsten Stufe der ethischen Skala der 7 sich abstufenden Lexik liegen“ (Domaschnev 1987:314) und kann sie in zwei Kategorien gliedern: lexikalische und stilistische Vulgarismen. Lexikalische Vulgarismen drücken Begriffe aus, die man nicht gerne oder kaum im Gespräch erwähnt, sogenannte Tabuwörter, welche man normalerweise umgeht, indem man einen Euphemismus („eine beschönigende, verhüllende, mildernde Umschreibung für ein anstössiges oder unangenehmes Wort“, Duden 2007) oder aber den entsprechenden wissenschaftlichen Terminus verwendet. Stilistische Vulgarismen hingegen haben an sich nichts Anstössiges. Der unpassende Gebrauch besteht in ihrer stilistischen Färbung, welche die Geringschätzung des Sprechers zum Gegenstand der Äusserung verstärkt zum Ausdruck bringt (z.B. old bean für alter Knacker oder darned, dashed als Ersatzwörter für damn, verdammt, ibid.). Ein Vulgarismus muss nicht zwingend ein Schimpfwort sein (pisswarm) und ein Schimpfwort nicht unbedingt ein Vulgarismus (Rabenmutter). Als Fluchwörter bzw. Kraftausdrücke werden jene Vulgarismen bezeichnet, welche dem Ausdruck von Ärger oder Überraschung dienen. Einfach gesagt, wird im Folgenden von der Annahme ausgegangen, dass ein jeder Sprecher die Möglichkeit hat, sich in einer gegebenen Gesprächssituation der Vulgärsprache oder des Slangs zu bedienen, Slang und Vulgärsprache aber auch Charakteristika spezifisch für ein Individuum (idiolektisch) oder eine Gruppe (soziolektisch) sein können. Slang als Ausdrucksform stellt dabei eine Abweichung von sprachlichen Normen dar, seine Ausprägung manifestiert sich von Person zu Person unterschiedlich und ist bedingt durch Faktoren wie Herkunft, Alter, Gruppenzugehörigkeit und Situation. Dass verschiedene Komponenten das, was im anschliessend analysierten Film als Slang wahrgenommen wird, bestimmen, ist ein Hauptgrund, warum sich die Suche nach einem Pendant für die Übersetzung als sehr schwierig erweist. Bevor wir aber zur eigentlichen Übersetzung von Vulgarismen kommen, soll in diesem ersten Kapitel, das sich dem Thema Slang widmet, besonderes Augenmerk auf den Aspekt der Vulgarität gerichtet werden. Diese Funktion von Sprache soll allgemein beschrieben und ihre Bedeutung im Hinblick auf die Übersetzung spezifisch in der Ausgangs- und Zielkultur näher erläutert werden. c) Funktion der Vulgarität in der Sprache In der traditionellen Linguistik werden Slang und Vulgärsprache in erster Linie unter dem Aspekt der Sprachvarietäten auf lexikalische Spezifitäten hin untersucht. Slang und Vulgärsprache haben aber weit mehr zu bieten als einen Sonderwortschatz: Sie erfüllen eine wichtige Funktion in der menschlichen Kommunikation. Um dies aufzuzeigen, lohnt sich ein kurzer Exkurs in die Pragmatik. Die Pragmatik, eine Teildisziplin der Linguistik, versteht 8 Sprache als Handlung, welche in einen gesellschaftlichen Kontext eingebettet ist. Auf diesen Grundsatz stützt sich auch das Zeichenmodell von Charles Sanders Peirce, welches eine Weiterentwicklung des obengenannten dyadischen Saussureschen Zeichenmodells (signifiant-signifié) zu einer triadischen Relation ist: Abb. 2: Das Peirce’sche Zeichenmodell (Pelz 2007:242) Neu ist die Bedeutung, welche dem Sprecher zugeschrieben wird. Denn was als Zeichen für welches Objekt gilt, beruht auf Vereinbarung zwischen den Kommunikationspartnern (Wagner 2001:25) – kurz: ohne Sprecher keine Sprache. Eine Kommunikationssituation besteht immer aus mindestens zwei Personen, wobei beide eigene Interessen vertreten und durch sprachliche und nicht-sprachliche Mittel beim anderen etwas zu bewirken beabsichtigen (Pelz 2007:243). Um denselben kommunikativen Effekt zu erzielen, sind je nach Situationskontext unterschiedliche Äusserungen gefragt; die gleiche Äusserung wiederum kann je nach Kontext anders aufgefasst werden. Was wo wann wie gesagt werden sollte, ist Thema der Sprechakttheorie. Der Grundstein dieser Theorie wurde von John Langshaw Austin gelegt und die Problematik von seinem Schüler John Searle anschliessend vertieft. Bei Austin besteht ein Sprechakt aus drei, bei Searle aus vier Teilakten: Abb. 3: Sprechakt-Modelle (Wagner 2001:88) Bei Austin bedeutet Lokution „das Gesagte“, Illokution „das, was der Sprecher in/mit dem Gesagten beabsichtigt“ und Perlokution „das, was der Sprecher beim Hörer durch das Gesagte erreicht“ (Wagner 2001:88). Searles Kritik richtete sich vor allem gegen die Gliederung des lokutiven Teilaktes in einen phonetischen Akt (lautliche, akustische Seite der Äusserung), 9 einen phatischen Akt (Verknüpfung der Laute des phonetischen Aktes zu Wörtern und Sätzen) sowie einen rhetischen Akt (Bedeutung der im phatischen Akt geäusserten Wörter und Sätze). Searle bringt das Argument vor, der rhetische sei nicht vom illokutiven (auch illokutionären) Akt zu unterscheiden, und ersetzt ihn deswegen durch den propositionalen Akt, den er wiederum in Referenzakt und Prädikationsakt unterteilt. So würde beim Beispiel „die Rose ist rot“ „Rose“ die Referenz und „rot“ die Prädikation der Proposition bilden. Searles Äusserungsakt umfasst Austins phonetischen und phatischen Akt, also das Hervorbringen von Äusserungen nach den Regeln der Phonologie und Grammatik. Demnach besteht bei Searle die Lokution als Ganzes aus den Komponenten der Äusserung (Äusserungsakt) und der lokutiven Bedeutung, die mit den geäusserten Wörtern/Sätzen verbunden ist (propositionaler Akt). Wie Austin, unterscheidet auch Searle den lokutiven und perlokutiven Akt vom illokutiven. Bei der Äusserung „Hier zieht’s!“ ist die propositionale Bedeutung „hier/in diesem Raum“ (Referenz) „herrscht Zugluft“ (Prädikation), während die illokutive Bedeutung des Satzes eine Aufforderung an den Hörer ist, die Tür oder das Fenster zu schliessen (ibid.:89). Ziel des Sprechers ist es, seine Intention so zu formulieren, dass die Illokution des Gesagten glückt, d.h. der Hörer die Illokution erkennt und befolgt und damit die Perlokution eintritt. Der perlokutive Akt vollzieht sich nur dann, wenn die Intention des Sprechers mit der tatsächlich eingetretenen Wirkung beim Hörer übereinstimmt (hier: er schliesst Tür oder Fenster). Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass der Hörer versteht, was der Sprecher will, sich aber entschliesst anders zu handeln. Seine Reaktion ist nicht vorhersehbar. Da der perlokutive Akt nicht regelbar ist, kann die Handlung nur vom Sprecher ausgehend analysiert werden. Den Zweck einer Handlung definiert Searle als illokutiven Punkt. Dieser konkretisiert die illokutive Kraft zu fünf speziellen illokutiven Kräften, die dann die klassenbildenden Merkmale der illokutiven Klassen abgeben: 1.Der direktive Punkt besteht darin, zu versuchen, andere Leute dazu zu bringen, dass sie etwas tun. 2.Der kommissive Punkt besteht darin, dass der Sprecher sich verpflichtet, etwas zu tun. 3.Der deklarative Punkt besteht darin, die Welt durch Sagen zu verändern. […] 4.Der assertive Punkt besteht darin, zu sagen, wie die Dinge sind. 5.Der expressive Punkt besteht darin, Gefühle und Einstellungen auszudrücken. (Wagner 2001:109) Dazu kommen nach Wagner und Poding zwei semi-illokutive Punkte: der emotive Punkt, welcher darin besteht, dass der Sprecher, unabhängig von der Anwesenheit eines Hörers, seine Gefühle zum Ausdruck bringt, und der akkompagnierende Punkt, welcher darin besteht, dass der Sprecher sein Tun mit Worten begleitet (ibid.). Diese zwei Klassen werden deshalb als semi-illokutiv bezeichnet, weil sie auf den Sprecher begrenzt sind, dem Hörer allerdings Auskunft über den Sprecher geben können. So gehört zum Beispiel Angst-Äussern zur Klasse der Emotiven, Angst-Machen hingegen zu den Expressiven. Die illokutiven Klassen setzen sich aus einer Reihe illokutiver Typen zusammen. In Wagners Lexikon der illokutiven Typen 10 fallen vulgärsprachliche Sprechakte in erster Linie in die Klassen der Emotiven (z.B. ÄrgerÄussern oder Sich-Aufregen) und der Expressiven (z.B. Aggression-Zeigen oder Verhöhnen). Die Unterscheidung zwischen emotiv und expressiv ist wichtig, um die unterschiedlichen Funktionen von Vulgärsprache zu verstehen. So können Vulgarismen der rein persönlichen oder aber der an jemand anderen gerichteten Gefühlsäusserung dienen. Allen sogenannten primären Gefühlen (Furcht, Ärger, Freude, Ekel, Überraschung, Schmerz, s. Wagner 2001:159) kann mithilfe von Vulgarismen Ausdruck verliehen werden. Gewisse vulgärsprachliche Äusserungen, die nicht der reinen Gefühlsäusserung dienen, können aber auch in die Klasse der Direktiven fallen (z.B. Auffordern oder Befehlen) oder Mischformen zwischen Assertiven und Expressiven sein (z.B. Beleidigen, Verhöhnen und Reizen). Die Sprechakttheorie ist für die Übertragung von Vulgarität deshalb von Bedeutung, weil die Verwendung von Vulgarismen eine soziale Funktion hat und als sprachliche Handlung die Beziehung zwischen Sprecher und Hörer entscheidend verändern kann. So könnte die Intention des Sprechers sein, mithilfe des Vulgarismus den Hörer zu beschimpfen, zu provozieren, eine Situation abwertend zu beschreiben (und den Hörer so von seiner Meinung zu überzeugen), sexuelle Anspielungen zu machen, zu unterhalten, seinem Unmut (oder anderen Gefühlen) über einen Umstand Luft zu machen oder sich durch das gewählte Vokabular sprachlich an sein Gegenüber anzunähern (wenn Vulgarismen zur Gruppensprache gehören). Die Wirkung auf den Hörer könnte sein, ihn zu schocken, zu verletzen, zu verärgern, einzuschüchtern, zum Schweigen zu bringen, zur Gegenwehr zu veranlassen oder aber, im Gegenteil, ihn zum Lachen zu bringen oder ein Gefühl der Verbündung gegen Dritte zu erzeugen (bei gleicher Sprechweise der beiden Kommunikationspartner). Studien haben gezeigt, dass Fluchen in einem gewissen sozialen Umfeld die Zugehörigkeit stärkt und zudem hilft, Stress abzubauen und Ärger zu mildern (Montagu 2001:87-88). Die Zusammenhänge zwischen Stress, Ärger und Fluchen hat unter anderem Dr. Helen E. Ross der University of Hull im Rahmen einer Arktis-Expedition untersucht. Waren die Expeditionsteilnehmer entspannt und zufrieden, erhöhte sich der Gebrauch der Vulgärsprache spürbar; sie diente als Bindeglied zwischen den Teilnehmern. Die Anzahl verwendeter Fluchwörter nahm auch unter leichtem Stress zu, bei Ärger und Müdigkeit hingegen ab, was die Psychologin dazu veranlasste, soziales Fluchen (social swearing) von verärgertem Fluchen (annoyance swearing) zu unterscheiden (in der Begrifflichkeit von Wagner würde social swearing in die expressive, annoyance swearing in die emotive Klasse illokutiver Sprechakte fallen). Standen die Gruppenmitglieder unter grossem Stress, wichen Fluchwörter Schweigen, worauf Ross schloss, dass Fluchen ein Anzeichen für die Erträglichkeit einer unangenehmen Situation ist. Es ist erwiesen (ibid.:8889), dass jemand, der flucht, weniger unter Stress leidet sowie, dass Fluchen ansteckend ist 11 (Wenig-Flucher fluchen mehr unter Viel-Fluchern), Nicht-Fluchen aber ebenso (eine Mehrheit von Nicht-Fluchern bringt Flucher zum Schweigen). Vulgarität erstreckt sich auf ein weites Spektrum an Funktionen und Situationen, ihre Vielfalt wurde allerdings nie pragmatisch oder gar sprachenpaarbezogen untersucht. Da die Literatur zum Thema Vulgarität dünn gesät ist, muss man den Blick weiter schweifen lassen, auf der Suche nach verwandten Phänomenen. Aus pragmatischer Perspektive betrachtet, kann Höflichkeit als Gegensatz zu Vulgarität betrachtet werden. Beide spielen eine erhebliche Rolle bei der Beziehungsgestaltung zwischen Sprecher und Hörer. Geht man davon aus, dass der Sprecher eine bestimmte Intention hat, er also möchte, dass seine Äusserung eine bestimmte Wirkung auf den Hörer hat, bieten sich ihm zahlreiche Möglichkeiten, seine Intention in Worte zu verpacken. Für welche Variante er sich entscheidet, hängt von der Situation und seiner Beziehung zum Hörer ab. Auf der einen Seite der Skala an Lokutionsmöglichkeiten liegt die Höflichkeit, auf der anderen die Unhöflichkeit. Erstere impliziert, dass er seiner Intention so vorsichtig und indirekt wie möglich Ausdruck verleiht, um den Hörer ja nicht zu brüskieren oder ihn zu verletzen. Entscheidet er sich hingegen für eine vulgärsprachliche Äusserung, nimmt er den direkten oder gar „überdirekten“ Weg: Entspricht diese Ausdrucksweise dem Hörer nicht oder ist sie beleidigend (Schimpfwort), entlädt der Vulgarismus sein Gewaltpotential und übt Druck auf den Hörer aus. Stellt die Vulgärsprache hingegen die von beiden bevorzugte Ausdrucksform dar oder richtet sich der Vulgarismus gegen Dritte, so bindet der Sprecher den Hörer verbal an sich und verweist auf ihre Gemeinsamkeiten. Möchte sich der Sprecher zum Beispiel mit jemandem treffen, von dem er eine berufliche Entscheidung erwartet, könnte er ihn (über)höflich fragen mit „Denken Sie, es wäre Ihnen möglich, dass wir uns eventuell nächsten Dienstag treffen könnten, um uns auszutauschen?“ er kann aber auch einfach sagen „Ich muss das jetzt verdammt noch mal wissen, Lahmarsch! Nächsten Dienstag ist dieses Scheissproblem gelöst!“. Wie stark der Sprecher sich auf der Lokutionsskala Richtung Höflichkeit oder Vulgarität bewegt, ist situationsabhängig. Höflichkeit hat gegenüber Vulgarität den Vorteil, dass sie als Forschungsthema auf weitaus grösseres Interesse seitens der Soziolinguisten stiess. So findet sich in der Bibliothek der Universität Genf in der Abteilung für deutsche Linguistik ein ganzes Regalbrett mit Abhandlungen zur Höflichkeit in der Sprache, zum Thema Vulgarität hingegen nur hie und da vereinzelt ein Buch, wenn nicht nur ein Abschnitt in einem Buch. Es stellt sich nun die Frage, ob die Vulgarität als Spiegelbild der Höflichkeit betrachtet werden kann, die Erkenntnisse aus der Forschung somit angepasst auch auf die Problematik der Vulgarität angewandt werden können. Da es einen Artikel gibt, welcher sich mit der Höflichkeit speziell in der Untertitelung befasst (Hatim/Mason 1997), wird dieser Frage erst in Kapitel 3 (ci. unter „pragmatische Dimension“) nachgegangen, wo 12 sprachliches Phänomen und Medium aufeinander treffen. Bevor auf die Übertragung von Vulgarismen spezifisch in audiovisuellen Texten eingegangen werden kann, muss aber zuerst die Situations- und Kulturgebundenheit des Phänomens der Vulgarität allgemein in der Sprache untersucht werden. Sich der grundlegenden Unterschiede in der Verwendung von Vulgarismen zwischen Ausgangs- und Zielkultur bewusst zu werden, ist eine Grundvoraussetzung für den Übersetzer, welcher sich mit der Übertragung von Vulgarität befasst. d) Ursprung der Vulgärsprache Wie alt die Vulgärsprache ist, lässt sich nicht genau bestimmen. Aus schriftlichen Vermächtnissen geht hervor, dass das Fluchen unter indigenen Völkern, den alten Ägyptern, dem Volk der Israeliten, den alten Griechen und im alten Rom bereits gang und gäbe war (Montagu 2001). Dies besagt schon das dritte Gebot in der Bibel „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbrauchet“ (3. Mose 24.16 nach Luther 1545). Es darf aber angenommen werden, dass die Entstehung der Vulgärsprache diesen ersten schriftlichen Zeitzeugnissen vorausging. Ashley Montagu (2001) stellt zum Ursprung des Fluchens eine interessante Theorie auf. Er behauptet, Fluchen stehe am Anfang der eigentlichen Sprache, sei gewissermassen eine Urform unserer heutigen artikulierten Sprechweise. Denn, wie sich von der Tierwelt ableiten lässt, wurde schon vor der Entstehung eines sprachlichen Zeichensystems kommuniziert. Tiere und auch der Mensch produzieren Laute, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, womit auch das Fluchen (zumindest in seiner lautmalerischen Form) ganz am Anfang der Geschichte der Menschheit steht. Bei Wut, Schmerz oder Überraschung stossen Mensch wie auch Tier universelle Laute aus, welche physiologisch bedingt sind, weshalb es sich beim Fluchen in erster Linie um ein körperliches Bedürfnis und erst in zweiter Linie um ein psychisches handelt. Auf das Fluchen (swearing) folgte das Verfluchen (cursing). Während Fluchen darauf abzielt, Wut zum Ausdruck zu bringen, und eine umgehende Linderung verschafft, so mag beim Verfluchen die Erleichterung unmittelbar sein, die Intention richtet sich jedoch auf die Zukunft und gegen einen nicht anwesenden Feind; sie ist stärker und böswilliger als beim Fluchen. Im Deutschen deckt das Verb fluchen heutzutage beide Aspekte sowohl des swearing als auch des cursing ab, da das Verb verfluchen nach Duden (2007) als veraltend eingestuft wird. Montagu zufolge geht Fluchen aber nicht auf einen Urinstinkt zurück (es gibt auch Völker, denen dieses Phänomen nicht bekannt ist), sondern stellt lediglich eine Verhaltensform dar, welche sich früh in der Geschichte der Menschheit entwickelt hat (ibid.:55-57). Sie ist eine kulturell konditionierte Antwort auf das Erfahren gewisser Situationen. Während ein Säugling auf 13 Frustration mit Um-sich-Schlagen oder Weinen reagiert, gilt dies für einen Erwachsenen als nicht angemessen, er verfügt aber im Gegensatz zum Baby über die Fähigkeit, zu sprechen, und kann daher seiner Wut verbal Luft machen. Auch lässt sich mit der Hypothese der kulturellen Konditionierung erklären, warum Männer mehr Fluchen als Frauen: Bei Männern gilt Weinen als unmännlich, Fluchen als männlich, beim „schwachen“ Geschlecht hingegen wurde die Verwendung von Kraftausdrücken lange als unfein erachtet. Franz Kiener, ein Professor für Psychologie, welcher die verbale Aggression untersucht, spricht beim Fluchen ganz allgemein von einem Katharsis-Effekt: Die Verschiebung physischer Aggressionsimpulse resultiert in Ersatzhandlungen im Vorstellungsbereich, welche feindselige Erregungen abklingen lassen und damit eine Katharsis (Reinigung) herbeiführen können (Kiener 1983:21-26). Montagu listet einige Auslöser für eine Fluchtirade auf: erschütternde Erlebnisse, Überraschungen, Enttäuschungen oder Demütigungen (Montagu 2001:72). Aggression ist, wie sich bereits im Verhalten von Säuglingen zeigt, Teil des Menschen. So bewahrte das Fluchen den Menschen seit frühester Zeit vor brutaleren Formen, seine Wut auszudrücken. Denn wie sich am Zustand ausgegrabener Skelette und kultureller Artefakte erkennen lässt, war der frühe Mensch ein friedliches Wesen, das in der Gruppe lebte. Am Zustand der gefundenen Schädel zeigte sich, dass Waffen vor allem zur Jagd und gegen Feinde (und nicht gegen Mitglieder der eigenen Gruppe) eingesetzt wurden. Auch kann angenommen werden, dass der frühe Mensch in irgendeiner Form an übernatürliche Kräfte glaubte und diese zugleich verehrte und fürchtete. Um ein friedliches Zusammenleben sicherzustellen und den Zusammenhalt der Gruppe nicht zu gefährden, mussten Konflikte aus dem Weg geräumt werden. Eine Gruppe konnte sich nur gegen andere behaupten, wenn sie zusammenhielt. Daher scheint es plausibel, dass eines der ersten Tabus die Heiligkeit des Lebens der Gruppenmitglieder betraf. Töten wurde mit einem Tabu belegt, dem Individuum das Recht, selber Rache zu üben, verwehrt. So blieb ihm nur noch die Möglichkeit, sich mit seiner Bitte um Vergeltung an übernatürliche Kräfte zu wenden in der Hoffnung, diese mögen seine Verwünschungen wahrwerden lassen. Die Gruppe muss jedoch bald bemerkt haben, dass auch dies für sie ein zerstörerisches Potenzial hatte, und belegte das Fluchen ebenfalls mit einem Tabu. Nur der Gruppe war es erlaubt, notfalls Verwünschungen auszustossen; das Individuum musste dies fortan im Geheimen tun. Diese Verhaltensmuster ziehen sich durch die ganze Geschichte der Menschheit. Fluchen und Verfluchen wurde dem Normalsterblichen verboten und war allein Medizinmännern und Priestern vorbehalten. Doch nur Ausdrücke, welche stark emotional besetzt sind, eignen sich als Fluchwörter. Wie Montagu so schön sagt: 14 Any word carrying an emotional charge is capable of serving the swearer as ammunition for his purposes. The words of the swearer are shotted words, words charged with explosives, words invested with the powers of the gods, words bearing the forbidden potencies of the obscene: words violent, and words profanely contagious and polluting – scurrilous, rude, diminishing words, foul words, words polite and words otherwise, so long as they all carry an idea that is, or can be, effectively applied. (Montagu 2001:90) Oder wie Kiener (1983) sein Buch treffend bezeichnet: Das Wort als Waffe. Denn verbale Aggression hat Vorteile gegenüber der physischen: Sie kann erlernt werden, ist dem körperlich Schwachen verfügbar und ist richtig eingesetzt genauso effizient und ausserdem noch weniger verpönt in der Öffentlichkeit (Kiener 1983:13). Nach Montagu erklärt dies auch, warum untere Gesellschaftsschichten seit jeher mehr fluchen: Da sie sonst keinerlei Macht besitzen, ist das Wort ihre einzige Waffe, um sich gegen Staat und Gesellschaft aufzulehnen (Montagu 2001:333). Interessant ist in Bezug auf die diastratischen Unterschiede im Fluchverhalten, dass die Verwendung des Schimpfworts nigger heute der schwarzen Gemeinschaft vorbehalten ist. Nigger stellt eines der grössten sprachlichen Tabus überhaupt dar, wird jedoch von Schwarzen, unter anderem von Rap-Gruppen, inzwischen als Form des Protests zur Selbstbezeichnung verwendet. Bei einem Nicht-Schwarzen kann die Verwendung des Worts allerdings nur rassistisch aufgefasst werden und würde nicht toleriert (Hughes 1991:246). Montagu unterscheidet sieben Formen des Fluchens: Swearing is the act of verbally expressing the feeling of aggressiveness that follows upon frustration in words possessing strong emotional associations. Cursing, often used as a synonym for swearing, is a form of swearing distinguished by the fact that it invokes or calls down some evil upon its object. Profanity, often used as a synonym for swearing and cursing, is the form of swearing in which the names or attributes of the figures or objects of religious veneration are uttered. Blasphemy, often identified with cursing and profanity, is the act of vilifying or ridiculing the figures or objects of religious veneration. Although it has been identified by the Church, and in the past by the State, with profanity, it is better to distinguish between them on the ground that the profane swearer intends no blasphemy. [...] Obscenity, a form of swearing that makes use of indecent words and phrases. Vulgarity, a form of swearing that makes use of crude words, such as bloody. Euphemistic swearing, a form of swearing in which mild, vague, or corrupted expressions are substituted for the original strong ones. (Montagu 2001:104-105) Bei Montagu stellt die Vulgarität eine Unterkategorie des Fluchens dar, obwohl sie als Eigenschaft auch auf jede der anderen Kategorien zutreffen würde (ausser euphemistic swearing). In dieser Arbeit ist sie, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, umgekehrt definiert, als Funktion von Sprache, welche sich unterschiedlich manifestieren kann, so auch im Fluchen. Beim Fluchen wie auch in der Vulgärsprache allgemein, wird Bezug genommen auf Tabus. Das Verhalten des Individuums wird dann eingeschränkt, wenn es Unannehmlichkeiten, körperlichen oder psychischen (dazu zählt auch metaphysischer und moralischer) Schaden verursachen könnte, woraus ein Tabu ensteht. Absolute Tabus gibt es allerdings nicht: Was als Gefahr eingestuft wird, hängt von den Wertevorstellungen und Ängsten der jeweiligen Gesellschaft ab. Allgemein ist es dem Individuum möglich, tabuisierte Verhaltensweisen zu meiden, der Verstoss gegen ein Tabu geschieht zumeist bewusst. Keith 15 Allan und Kate Burridge (2006) gliedern die heutigen Tabus in vier Kategorien: Namen (persönliche verbale Angriffe); Sex und Körperflüssigkeiten; Essen und Gerüche; Krankheit, Mord und Tod. Bei Geoffrey Hughes finden sich zusätzlich noch die Kategorien der rassistischen (Hughes 1991:126-138) und sexistischen Fluchwörter (ibid.:206-235), welche gegen den Grundsatz der Gleichheit der Menschen verstossen. Bedingt durch die Säkularisierung unserer westlichen Gesellschaft haben sexuelle und rassistische Fluchtrends das ursprüngliche Verfluchen verdrängt (ibid.:237). Nur in stark katholischen Ländern wie zum Beispiel Italien wird die Kunst des Verfluchens noch mit Inbrunst und in den vielfältigsten Formen praktiziert (z.B. der Ausruf „porca Madonna!“), wobei auch die Vereinigten Staaten noch über ein grosses Repertoire an profanen und blasphemischen Fluchwörtern verfügen (z.B. der Ausruf „Jesus Christ!“). Doch auch beim Fluchen ist es so, dass erst das Verbot das Fluchen fluchenswert macht, sei es im Hinblick auf Religion, Sex oder andere gesellschaftliche Tabus. Werden die Regeln gelockert, verfällt auch die Versuchung, dagegen zu verstossen. Sexuelle Vulgarismen (motherfucker, bastard, son of a bitch) sind deshalb noch heute so mächtig, weil sie auf von der Gesellschaft seit jeher (s. ÖdipusKomplex) als abnorm eingestufte sexuelle Triebe verweisen, welche beim Subjekt starke Ängste hervorrufen (Montagu 2001:322-326 und Allan/Burridge 2006:144-174). So ist die Vulgärsprache gewissermassen der Spiegel einer Gesellschaft: Verändern sich die Wertevorstellungen und die damit zusammenhängenden Tabus, verändern sich auch die Wortfelder des Fluchwortschatzes. Das Vokabular verändert sich aber so oder so ständig, weil sowohl Fluchwörter als auch Euphemismen kurzlebig sind: Vulgarismen werden durch Wiederholung abgeschwächt, Euphemismen explizit (Hughes 1991:253). Die kulturellen Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und dem deutschen Sprachraum manifestieren sich somit auch in Bezug auf den Ausdruck von Vulgarität. e) Vulgarität in der anglo-amerikanischen Sprache & Kultur Um den heutigen Umgang mit Vulgarismen in den Vereinigten Staaten nachvollziehen zu können, muss die Evolution der amerikanischen Gesellschaft näher betrachtet werden. Da unter den Briten, die im 17. Jahrhundert Amerika kolonialisierten, der Grossteil Puritaner waren, wurde die Organisation des Staates nach puritanischen Grundsätzen verankert: kompromissloser Glaube an Gott, Abkehr von allem Weltlichen, Sex nur als Fortpflanzungsmittel. Noch heute sind die USA eine sehr konservative und stark auf das christliche Wertesystem ausgerichtete Nation. Wie Geoffrey Hughes in seinem Werk Swearing beschreibt, fand in der amerikanischen Öffentlichkeit erst in den 1950er bis 1970er Jahren ein Wandel hin zur Verwendung vulgärer Ausdrücke statt (Hughes 1991:197ff.). Zu der Akzeptanz von Slang und Kraftausdrücken trug in den USA die Berichterstattung im Zweiten 16 Weltkrieg massgeblich bei – die authentische Wiedergabe der Sprache von Kriegsveteranen stellte einen Meilenstein im Krieg gegen die Zensur dar. In den 1960er Jahren fand dank der Hippie-Bewegung auch eine Auflehnung gegen Tabus statt, wobei sexuelles Vokabular rege eingesetzt wurde als Mittel zum Protest. In den 1970er Jahren gewann die Vulgärsprache dank dem Aufkommen der Rap-Musik zusätzlich an Popularität. Dass Gotteslästerung und Sex in der amerikanischen Gesellschaft aber auch heute noch ein grosses Tabu darstellen, zeigt sich zum Beispiel an den impliziten Anforderungen, welche ein US-Präsident zu erfüllen hat. So waren bis auf Kennedy (Katholik) und Obama (Afroamerikaner) bisher alle Präsidenten WASPs (White Anglo-Saxon Protestants). Von einem Präsidenten wird auch heute noch erwartet, dass er seinen Glauben an Gott in regelmässigen Abständen demonstriert und in einer festen heterosexuellen Beziehung lebt (man erinnere sich an die Lewinsky-Affäre). Die amerikanische Prüderie zeigt sich auch an der gesellschaftlichen Akzeptanz von Wörtern wie fuck. Fuck ist noch immer in der Öffentlichkeit verpönt, obwohl seine Verwendung im Alltag beinahe selbstverständlich geworden ist. Fuck ist deshalb ein solch mächtiges Wort, weil es zugleich profan und obszön ist. Es ist ein Ausdruck der Auflehnung gegen die von Kirche und Gesellschaft unterdrückte Sexualität und taucht aus diesem Grund auch in amerikanischen Wörterbüchern bis Mitte des 20. Jahrhunderts nur höchst selten auf. Im amerikanischen Fernsehen wird es noch immer durch einen Piepton überdeckt, genau wie auch andere der berüchtigten four-letter words (fuck, cunt, cock, arse, shit, piss, fart). Noch heute schreien die Medien auf, wenn Personen des öffentlichen Lebens Vulgarismen verwenden. Der neuste Skandal betrifft Mark Halperin, ein Politik-Experte, welcher Präsident Obama am 30.06.11 in einer Morgensendung des TV-Kanals MSNBC als dick betitelte. Da versäumt worden war, diesen Ausdruck mit einem Piepton zu überdecken, kosteten ihn seine Worte den Job. Interessanterweise wird der Begriff auch im Bericht der Los Angeles Times nicht beim Namen genannt, sondern umschrieben: „ ‚I thought he was kind of an ... yesterday‘, Halperin said, using a crude anatomical reference“2. Doch Verbote machen auch den Reiz des Fluchens aus, so verfügen amerikanische Subkulturen über einen reichen, blumigen vulgärsprachlichen Wortschatz, welcher Subkulturen weltweit inspiriert und zum Nachahmen verleitet. Obwohl oder vielleicht gerade weil das Fluchen in der amerikanischen Kultur so verpönt ist, gibt es im allgemeinen Sprachgebrauch unzählige Ausdrücke, um diese Sprechweise zu charakterisieren, so ist unter anderem von „vulgar words“ (Domaschnev 1987:311), „swearing“ (Hughes 1991, Montagu 2001, Chen 2004), „profanity“ (Montagu 2001:90, Hughes 1991:246), „blasphemy“ (Montagu 2001:105, Hughes 1991:246), 2 Link: http://latimesblogs.latimes.com/washington/2011/06/white-house-complained-to-msnbc-over-inappropriate-analysis-ofobama.html [15.08.2011] 17 „obscenity“ (Hughes 1991:247), „indecency“ (Hughes 1991:248) und „bad language“ (Andersson/Trudgill 1990) die Rede. f) Vulgarität in der deutschen Sprache & Kultur C.J. Wells widmet in seinem Werk über die deutsche Sprachgeschichte auch einige Abschnitte der Vulgärsprache. So drehte sich der Streit der deutschen Grammatiker im 18. Jahrhundert über schrift- und literatursprachliche Normen unter anderem auch um Vulgarismen. Als Vulgarismen galten zu dieser Zeit Sprachformen, die als provinziell und archaisch eingestuft wurden und zu vermeiden waren (Wells 1990:321f.). Dialekte wurden als Medium der niedrigen Gesellschaftsschichten angesehen und daher von Autoren, welche ernst genommen werden wollten, nicht verwendet. Erst Ende des Jahrhunderts, als sich die Standardsprache gefestigt hatte, wurden Dialekte wieder beliebter, teils auch aus patriotischen Gründen. Zum Beispiel in der 2. Auflage von Johann Christoph Adelungs Grammatisch-kritischem Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (1793-1801) sind eine ganze Reihe vulgärer Wörter zu finden (u.a. brunzen und scheissen), jedoch mit einem Dolch-Zeichen (†) versehen, um anzuzeigen, dass sie nicht zur Hochsprache gehören und von ihrem Gebrauch abgeraten wird (ibid.:361). So wurde in der deutschsprachigen Literatur noch bis ins 20. Jahrhundert fast ausschliesslich die Hochsprache verwendet, volkssprachliche Ausdrücke traten erst in Erscheinung, als Schriftsteller begannen, mithilfe gesprochener Sprache die Lebensnähe im sozialen Drama hervorzuheben (ibid.:396). Pioniere waren in dieser Hinsicht Fontane und Hauptmann, welche bereits Ende des 19. Jahrhunderts Berliner Umgangssprache in ihren Romanen einfliessen liessen. Die Umgangssprache gewann weiter an Boden mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus. Die charakteristische Form der nationalsozialistischen Sprache war die gesprochene oder geschriebene Rede (so auch in Mein Kampf), wobei Umgangs- und Vulgärsprache bewusst eingesetzt wurden, um eine Verbindung zum Volk aufzubauen, aber auch, um durch verbale Aggressivität die Menge aufzubringen und ihre Kritikfähigkeit zu vermindern (ibid.:441). Für Hitler stand die Vulgärsprache denn auch nicht im Widerspruch zum christlichen Glauben und den dazugehörigen Moralvorstellungen. Mangels einer eigenen zusammenhängenden politischen Philosophie wurde aus den vielfältigsten Quellen geschöpft (ibid.:436). So wurden Schimpfwörter (z.B. Bezeichnung des Juden als Schmarotzer, Parasit, ewigen Spaltpilz der Menschheit oder Schädling, ibid.:446) und Vulgarismen (z.B. jemandem die Fresse kaputtschlagen) mit martialischen, religiösen, pseudomystischen, medizinischen, sportlichen, technischen, fremdsprachigen und euphemistischen Termini (ibid.:443f.) zu einem eigenen Stil verschmolzen, dessen Pathos beim Publikum Emotionen hervorrufen sollte. Somit wurde die Vulgarität von den Machthabern geradezu beworben und nicht wie in den Vereinigten Staaten verboten. Auch auf die Religion stützt 18 sich die Identität der deutschsprachigen Länder viel weniger als die amerikanische, was dazu führt, dass der Umgang mit Vulgarismen allgemein weitaus entspannter ist als in den Vereinigten Staaten. In den letzten Jahren wurde die deutsche Vulgärsprache zudem massgeblich beeinflusst durch den amerikanischen Slang, welcher sich vor allem durch von Viva und MTV ausgestrahlte Rap-Videos verbreitet hat. Der darin porträtierte Lebens- und Sprechstil ist von europäischen Jugendlichen übernommen worden (motherfucker, fuck, shit usw. sind auch hierzulande gang und gäbe) und sogar Lehnprägungen haben sich langsam eingebürgert, wie die Konstruktionen fick dich! (hau ab!/halt’s Maul!), jemanden ficken (es jemandem zeigen bzw. jemanden fertigmachen), gefickt worden sein (schlecht behandelt oder betrogen worden sein) zeigen. g) Filmzensur Unter Zensur allgemein versteht man die „von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä. [...]“ (Duden 2007). Gründe für eine Filmzensur können politischer, ethischer, religiöser oder persönlicher Natur sein (Scandura 2004:126). Auf letzteren Grund, die Selbstzensur, soll erst in Kapitel 4 (evii. persönliche Faktoren) eingegangen werden, hier steht die externe, durch den Staat ausgeübte Zensur im Vordergrund. Diese kann drei Formen annehmen: Änderungen am Titel oder an den Untertiteln, Änderungen an der Handlung (betrifft in erster Linie die Synchronisation), Abschwächen von Kraftausdrücken (ibid.:129-131). Nach Martin Loiperdinger kommt jede Art der Filmeinstufung einem Aufführverbot gleich, da ein Film weder im deutschsprachigen noch im amerikanischen Raum aufgeführt werden darf, ohne zuvor den staatlichen Institutionen zur Genehmigung vorgelegt worden zu sein (Loiperdinger 2004:2). Von einer freiwilligen Kontrolle kann also nicht die Rede sein. Nach welchen Kriterien diese allerdings je nach gesellschaftlichem Kontext durchgeführt wird, schränkt den Handlungsspielraum von Filmschaffenden mehr oder weniger ein. In den Vereinigten Staaten oblag die Zensur von Filmen den einzelnen Bundesstaaten, bis 1930 der Motion Picture Production Code (auch Hays Code genannt) eingeführt wurde, dessen Prinzipien die moralischen Werte wahren sollten. Verboten war die explizite Darstellung von Gewalt, Verbrechen (auch anti-nationalistische Aussagen) und Sünde (Nacktszenen, Rassenmischung, Perversion, Homosexualität), wozu auch blasphemische und vulgäre Ausdrücke zählten. Der Kodex war allerdings nicht rechtlich verankert und verlor deshalb nach und nach an Wirkung. Darauf reagierte die Motion Picture of America (MPAA) mit der Gründung der Production Code Administration. Die Verpflichtungen waren nun verbindlich, und bei Verstössen mussten hohe Strafen gezahlt werden. Der Code bestand bis zum Ende der 19 klassischen Hollywood-Ära (Ende des Zweiten Weltkriegs): Als das Familienmedium Fernsehen immer populärer wurde, nutzte die Filmindustrie die Chance, sich abzuheben, indem sie die Zensur lockerte und sich verstärkt auf ein Erwachsenenpublikum ausrichtete. Die MPAA entschied schliesslich im Jahre 1967, den Code ganz abzuschaffen und ein „freiwilliges“ Bewertungssystem einzuführen, das auch heute noch besteht (Hughes 1991:198ff.). Die Kategorien der Altersfreigabe sind: G — General Audiences. All Ages Admitted. PG — Parental Guidance Suggested. Some Material May Not Be Suitable For Children. PG-13 — Parents Strongly Cautioned. Some Material May Be Inappropriate For Children Under 13. R — Restricted. Children Under 17 Require Accompanying Parent or Adult Guardian. NC-17 — No One 17 and Under Admitted.3 Der Film The Departed wurde ab 17 Jahren freigegeben (unter 17 nur in Begleitung eines Erwachsenen) mit der Begründung: „Rated R for strong brutal violence, pervasive language, some strong sexual content and drug material”4. Grossen Druck üben aber in den Vereinigten Staaten auch private Organisationen aus, welche sich zum Beispiel für den Schutz von Kindern vor anstössigen Filmen einsetzen (mehr dazu bezogen auf den Beispielfilm in Kapitel 4eii. kulturelle Faktoren). In Deutschland gab es bis 1920 kein eigenes Zensurgesetz, die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung fiel in die Zuständigkeit der Ortspolizei (Loiperdinger 2004:3). Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden zwar die Niederlassungen der französischen Filmkonzerne beschlagnahmt, mit der Ausrufung der Weimarer Republik jedoch 1918 jede Form der Zensur wieder abgeschafft, wenig später allerdings um eine Ausnahmeregelung für Lichtspiele ergänzt. Die Befugnis zur Ausstrahlung musste von der Prüfstelle erlangt werden, Filme, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdeten, wurden zensiert oder gekürzt. Da die Nationalsozialisten für das Darniederliegen Deutschlands unter anderem die angeblich volksverderbende Dekadenz des Weimarer Kulturlebens verantwortlich gemacht hatten (Loiperdinger 2004:14), machte sich Propagandaminister Goebbels nach seiner Ernennung umgehend an die Arisierung des Filmwesens. Als deutscher Film galt fortan nur noch ein Film, bei dessen Produktion alle Mitarbeiter arischer Abstammung waren. Doch nicht nur durch Zensur, sondern auch durch Förderung der als wertvoll eingestuften Filme drängte sich der Staat mehr und mehr in den Vordergrund, bis 1939 der grösste Teil des deutschen Filmvermögens im „reichsmittelbaren“ Besitz war (ibid.:17). Der Nationalsozialismus war bald so eng mit der Filmbranche verwoben, dass kaum mehr deutsche Filme verboten werden mussten. Erst mit dem Untergang des Dritten Reichs kehrte sich die Situation um und angloamerikanische Besatzungsmächte bestritten vorerst das Kinoprogramm mit eigenen Produktionen, bis nach 3 4 Webseite der Motion Picture Association of America: www.mpaa.org [15.08.11] Rating-Datenbank der MPAA: www.filmratings.com [15.08.11] 20 und nach Filme aus Zeiten der Weimarer Republik wieder freigegeben wurden. Filme aus Ostblockländern wurden hingegen von der Filmeinfuhrkontrolle bis Anfang der 1970er Jahre blockiert (ibid.:19). Doch die Einfuhrkontrolle ist nicht die letzte Hürde: Ein Film muss, wenn er diese passiert hat, seit 1949 der FSK, der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, vorgelegt werden. Die Aufgabe dieser Organisation ist, die Altersbestimmungen von Kinound Fernsehfilmen ohne Einflussnahme des Staates festzulegen. Gemäss den Kriterien der FSK dürfen weder gewaltverherrlichende Filme noch Filme, die als Propagandamittel gegen die demokratische Grundordnung benutzt werden könnten, gezeigt werden. Bei den Themen Sexualität und Religion ist die FSK allerdings heutzutage tolerant. Seit 2003 sieht das Jugendschutzgesetz folgende Kategorien vor: ohne Altersbeschränkung, ab 6 Jahren, ab 12 Jahren, ab 16 Jahren, keine Jugendfreigabe. Interessant ist, dass der Spielfilm Departed – Unter Feinden ab 16 Jahren eingestuft worden ist, der Kino-Trailer allerdings ab 12 Jahren, der DVD-Trailer gar ab 6 Jahren. Die Kriterien für eine Altersfreigabe ab 16 Jahren lauten wie folgt: Bei 16- bis 18-jährigen kann von einer entwickelten Medienkompetenz ausgegangen werden. Problematisch bleibt die Vermittlung sozial schädigender Botschaften. Nicht freigegeben werden Filme, die Gewalt tendenziell verherrlichen, einem partnerschaftlichen Rollenverhältnis der Geschlechter entgegenstehen, einzelne Gruppen diskriminieren oder Sexualität auf ein reines Instrumentarium der Triebbefriedigung reduzieren. Auch die Werteorientierung in Bereichen wie Drogenkonsum, politischer Radikalismus oder Ausländerfeindlichkeit wird mit besonderer Sensibilität geprüft.5 Ganz so strikt scheint die FSK ihre Richtlinien allerdings nicht zu befolgen, denn Departed – Unter Feinden verstösst gegen die meisten dieser Kriterien. In der Schweiz werden Altersbeschränkungen nicht staatlich, sondern kantonal erlassen. Generell verboten sind auch hier Filme, die Gewalt verherrlichen oder rassistischer Natur sind. Nach Angaben der Untertitelungagentur Titra sei es in der Praxis zwar so, dass die Behörden darauf bestünden, die Filme untertitelt zu sichten, die in den Untertiteln verwendete Sprache aber noch nie in Bezug auf ihre Vulgarität beanstandet worden sei. 6 In Österreich ist die Jugendkommission des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) zuständig für das Begutachten von Filmen in allen Bundesländern ausser in Wien, wo der Filmbeirat der Stadt diese Funktion übernimmt. Departed – Unter Feinden wurde wie in Deutschland ab 16 Jahren freigegeben.7 Interessant ist, dass in den deutschsprachigen Ländern zu keinem Zeitpunkt die Sprache explizit als Kriterium für eine Altersfreigabe genannt wurde, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, wo die Sprache noch heute ein wichtiges Kriterium für die Einstufung von Filmen darstellt. Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang auch, inwiefern Verbote zum 5 Webseite der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft: www.fsk.de [15.08.11] Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour der schweizerischen Untertitelungsagentur Titra [29.06.11]. 7 Webseite des Bundesamts für Unterricht, Kunst und Kultur : http://www.bmukk.gv.at/schulen/service/jmk/jmk-db.xml [15.08.11] 6 21 Verstoss verleiten. So war der Fluchwortschatz zu Zeiten von Repression immer besonders vielfältig (Hughes 1991:256) und ist durch die konservative Haltung des Staates auch heute noch reicher in den USA als in Europa. Dieser Reiz gilt auch für Regisseure wie z.B. Scorsese oder Tarantino, deren Filme Tabubrüche verheissen und vom Publikum unter anderem deswegen geschätzt werden. Für einen Film kann der Einsatz von Vulgärsprache also sowohl negative Auswirkungen haben, wenn er der Zensur unterworfen wird und gewisse Altersgruppen dadurch zumindest vom legalen Konsum ferngehalten werden, aber auch positive, da er dem Film Publicity einbringen und Anziehungskraft verleihen kann. h) Bedeutung für die Übersetzung Slang als Sprachvarietät wurde meist auf seine lexikalischen Besonderheiten untersucht. Spezielle Eigenschaften von Slang und Vulgärsprache sind deren Umgangssprachlichkeit, Spielcharakter, niedrige Stilstufe, Expressivität und die Abweichung von sprachlichen Normen. Die grosse Vielfalt an (auch synonymen) Slangismen ist auf ihren innovativen, spontanen und kurzlebigen Charakter zurückzuführen. Die Schnelllebigkeit stellt denn auch ein grundlegendes Problem für die Übersetzung dar, da sich der Wortschatz sowohl in der Ausgangs- als auch in der Zielsprache laufend erneuert. Lexikalische Hilfsmittel sind schneller veraltet, als sie publiziert werden können. Dies sahen Verleger auch nach der anfänglichen Euphorie der Entdeckung des Slangs als Forschungsobjekt bald ein. Denn Vulgarismen und auch Euphemismen nutzen sich schnell ab und müssen durch neue ersetzt werden. Die berühmtesten Slangwörterbücher8 haben bereits heute historischen Charakter und auch die dünn gesäten neueren Werke9 sind nicht mehr aktuell. Slang findet in schier unendlichen Formen Ausdruck, so kann von keinem Wörterbuchautor erwartet werden, dass er die Ausdrucksweisen aller Gesellschaftsschichten und Subkulturen, deren Zugang zudem häufig Mitgliedern vorbehalten ist, kennt. Ausserdem werden für die Aufnahme eines Begriffs von Wörterbuch zu Wörterbuch unterschiedliche Kriterien angewandt, da Slang und Vulgärsprache nicht klar von anderen Bereichen (Jargon, Argot, Umgangssprache) abgegrenzt werden können. An die Erstellung eines zweisprachigen Slangwörterbuchs hat sich nur höchst selten jemand gewagt10. In zwei Kulturen Entsprechungen zu finden, ist doppelt schwierig, da gesellschaftliche Entwicklungen erstens nicht parallel verlaufen und es einer Person zweitens gar nicht möglich ist, ausreichend mit dem Slang zweier Einzelsprachen 8 Für die englische Sprache: Partridges Wörterbücher „Slang“ (1936), „Origins“ (1958), „A Dictionary of the Underworld“ (1949); Wentworth und Flexners „Dictionary of American Slang“ (1960); Chapmans „New Dictionary of American Slang“ (1986), Lighters „Random House Historical Dictionary of American Slang“ (1994, das umfangreichste Projekt, allerdings ohne Eintrag zu fuck). 9 Für die deutsche Sprache: das Duden „Wörterbuch der Szenesprachen“ (2000); Langenscheidts „Hä?? Jugendsprache“ (2005) Zum amerikanischen Slang: „McGraw-Hill's essential American slang dictionary“ (2007); „The concise new Partridge dictionary of slang and unconventional English” (2008); „The Oxford dictionary of modern slang“ (2010). 10 Leitner und Lanens „Dictionary of French and American Slang“ (1965); Brunet und Mc Cavanas „Dictionnaire bilingue de l'argot d'aujourd'hui: anglais-français, français-anglais“ (2004); Cagliero und Spallinos „Slang Americano – Italiano” (2007). 22 vertraut zu sein, wenn die Varietäten schon in einer einzigen Sprache unüberschaubar sind. Als Übersetzungshilfe eignet sich noch am ehesten Urbandictionary11, ein englischsprachiges Online-Wörterbuch, welches von seinen Benutzern aktualisiert wird (ähnlich Wikipedia). Die darin aufgeführten Informationen sind aufgrund des interaktiven, nicht überwachten Verfassens allerdings mit Vorsicht zu geniessen. Obschon die Lexik in der Forschung der bei weitem am meisten analysierte Aspekt von Slang ist, so wird ihre Beschreibung dem Phänomen der Vulgarität und ihren zahlreichen Facetten kaum gerecht. Lexik ist ohne Einbezug des Kontextes für den Übersetzer nutzlos, denotative und konnotative Äquivalenz ist utopisch (Czennia 2004:505). Im Gegensatz zu einer diastratisch-diaphasisch gegliederten Sprache wie dem Englischen ist das Deutsche eine immer noch relativ stark diatopisch strukturierte Sprache, welche nicht über eine überregionale Umgangssprache verfügt, was stilistische Äquivalenz bei der Übersetzung verunmöglicht (Schreiber 2006:105f.). Denotative, konnotative und stilistische Äquivalenz sind unerreichbare und zugleich nicht ausreichende Ziele; was der Übersetzer anstreben muss, ist pragmatische Äquivalenz. Denn was die Vulgärsprache ausmacht, ist in erster Linie ihre soziale Funktion und erst in zweiter Linie die wörtliche Bedeutung der einzelnen Vulgarismen. Fluchen, wie oben beschrieben, ist eine Verhaltensform, die sich der Mensch als soziales Wesen bereits früh aneignen musste, um seine Aggressionen, welche potentiell fatale Auswirkungen auf seine Gruppe haben konnten, zu kanalisieren. Durch das verbale Ausleben von Gewalt kann bis zu einem gewissen Grad das Ausüben physischer Gewalt kompensiert werden. Abgesehen vom Fluchen als Waffe, kann die Vulgärsprache aber auch ein vereinendes Element unter Menschen sein. Eine Person kann sich einen bestimmten Slangwortschatz mit Mitgliedern einer Gruppe (z.B. im engen Freundeskreis), einer Subkultur (z.B. Rap-Szene), einer Gesellschaftsschicht (z.B. Arbeiter) oder einer Generation (z.B. heutige Jugendliche) teilen. Ob – und wenn ja, wie und wo – dieser eingesetzt wird, liegt aber in ihrer eigenen Entscheidung. So wird angenommen, dass die Verwendung von Slang jedem Individuum freisteht und von ihm eingesetzt werden kann, um persönliche kommunikative Ziele zu erreichen. Während bei Vulgarismen immer ein Verstoss gegen gesellschaftliche Tabus erfolgt, ist dies bei Slangismen (als Oberkategorie) nicht zwingend der Fall. Seiner Intention kann der Sprecher unterschiedlich Ausdruck verleihen, wobei ein neutraler oder gar euphemistischer Ausdruck allgemein näher liegt, da er sozial akzeptiert ist, wohingegen die Verwendung eines Vulgarismus einen mehr oder weniger bewussten Verstoss gegen gesellschaftliche Tabus darstellt. Dabei kann der Sprecher die Intention haben, durch den Tabubruch seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen (monologisch), einen Effekt auf den Hörer zu erzielen (dialogisch) oder sich durch die gleiche Sprechweise mit dem Hörer zu verbünden 11 Link: http://www.urbandictionary.com/ [15.08.11] 23 (soziolektisch). Der Sprecher erreicht sein Ziel aber nur dann, wenn seine Intention auch zu der gewollten Reaktion seitens des Angesprochenen führt (s. Kapitel 1c, Austin und Searles perlokutiver Akt). Grundlegend für die Übertragung von Vulgarität in eine andere Sprache ist deren Funktion in Ausgangs- und Zielkultur. Beim funktionalistischen Ansatz (Kussmaul 2004) geht man davon aus, dass jeder Text in seine Kultur eingebettet ist und darin einem bestimmten Zweck dient. Der Übersetzer muss sich dieses Zwecks bewusst sein, um auf den verschiedenen Ebenen der Übertragung Entscheidungen treffen zu können. Als Referenzrahmen für seine Entscheidungen dient ihm der ermittelte allgemeine Zweck der Übersetzung in der Zielkultur. Jedes Wort, jeder Satz und jeder Sprechakt hat eine bestimmte Funktion, welche zusammen den allgemeinen Zweck des Textes formen (ibid.:4). Dabei zieht der Übersetzer bei seiner Analyse der Funktionsebenen immer weitere Kreise: von der Funktion des Wortes, zur Passage, zum Text und seinem Thema über die Situation bis zur Kultur. Abb. 4: Individual „functional“ steps (Kussmaul 2004:6) Am meisten verpflichtet ist der Übersetzer, welcher pragmatische Äquivalenz zwischen Ausgangs- und Zieltext zu erzielen sucht, dem Empfänger. Die Übersetzung kann ihre kommunikative Funktion nur dann erfüllen, wenn sie vom Leser auf Basis seiner Verstehensvoraussetzungen rezipiert werden kann (Koller 2004:216). Oder um es mit der Begrifflichkeit von Austin und Searles Sprechakttheorie zu sagen: Der Übersetzer muss versuchen, eine Äquivalenz zwischen Ausgangs- und Zieltext herzustellen, indem er jeweils den lokutiven und illokutiven Akt so nachvollzieht, dass der Zieltext dieselbe perlokutive Kraft hat wie der Ausgangstext, also die Gesamtwirkung des Textes dieselbe bleibt (Hatim 2009:205). Das Hauptproblem dabei ist, dass die Reaktion des Hörers nicht vorhergesagt werden kann und die Intention oft nicht explizit durch Wörter ausgedrückt wird, sondern implizit ist. Der Hörer entschlüsselt das Gesagte aufgrund des Kontextes 24 mithilfe seines Weltwissens. Der Kontext wird determiniert durch die persönlichen Eigenschaften der Kommunikationspartner (Alter, Geschlecht, Berufsstand, Herkunft, soziale Schicht, usw.), ihre Beziehung untereinander, die Situation sowie die Kultur. Das Erfassen der aussersprachlichen, kulturgebundenen Realität, auf welche Bezug genommen wird, ist grundlegend, um die Funktion von Vulgarität in einem bestimmten Kontext zu verstehen. So können mit einem solch knappen Wort wie fuck je nach Kontext unzählige, auch gegensätzliche Nuancen ausgedrückt werden: FRAUD: I got fucked by my insurance agent. DISMAY: Oh, fuck it! TROUBLE: I guess I’m fucked now. AGGRESSION: Fuck you! PASSIVE: Fuck me. CONFUSION: What the fuck? DIFFICULTY: I can’t understand this fucking business. DESPAIR: Fucked again. PHILOSOPHICAL: Who gives a fuck. INCOMPETENCE: He’s all fucked up. LAZINESS: He’s a fuck-off. DISPLEASURE: What the fuck is going on? REBELLION: Oh, fuck-off! (Andersson/Trudgill 1990:60) Auch die Wirkung auf den Hörer kann je nach soziokulturellem Kontext unterschiedlich ausfallen. Die Effektivität eines Vulgarismus wird durch den Bezug auf gesellschaftliche Tabus, gegen die er verstösst, determiniert. Je stärker das Verbot, desto stärker der Verstoss ergo desto stärker das Wort als Waffe. Was in einer Gesellschaft als Tabu gilt, lässt sich mit Blick auf deren Vergangenheit und Gegenwart erschliessen. Eingedämmt werden sollen Triebe, welche als schädigend für die Gesellschaft erachtet werden. So vertrat der amerikanische Staat seit jeher eine restriktive Haltung gegenüber sprachlichen Formen, welche die Institutionen der Kirche oder der Ehe angriffen. Europa zeigte und zeigt sich in der Hinsicht toleranter. Daher stellt die Sprache in den USA noch heute explizit ein Kriterium für die Alterseinstufung von Filmen dar, während dies für deutschsprachige Länder nicht zutrifft. Dem Übersetzer müssen die Facetten, welche über die rein sprachlichen Charakteristika weit hinausgehen, bewusst sein, um eine auf die Problematik abgestimmte Übersetzungsstrategie erarbeiten zu können. Für den Untertitler kommt erschwerend das Medium hinzu, welchem seinerseits eine Reihe von Einschränkungen und Spezifitäten zugrunde liegen, die es im Folgenden zu beschreiben gilt. 25 2. Untertitelung Die Untertitelung hebt sich durch zahlreiche Besonderheiten von der Übersetzung ab. Die Untertitelung gilt es daher zuerst zu definieren und von anderen Übersetzungszweigen abzugrenzen, um dann ihre Spezifitäten zu analysieren und deren Auswirkungen auf den Übersetzungsvorgang aufzuzeigen. Auch soll kurz auf die Geschichte der Untertitelung eingegangen werden, um die Entwicklung dieser Disziplin nachvollziehen zu können. Anschliessend soll der Forschungsverlauf aufgezeigt werden, um die für die spätere Beispielsanalyse relevanten Theorien einzuführen und mögliche Zukunftsszenarien daraus ableiten zu können. Ziel ist, ein Bewusstsein für die allgemeinen Problematiken der Untertitelung zu schaffen, um im dritten Kapitel dann auf die spezifischen Schwierigkeiten, welche sich bei der Übertragung von Vulgarität in der Untertitelung ergeben, eingehen zu können. a) Definition Die Untertitelung ist, wie der Name sagt, das Übersetzen eines Films in Form von kurzen Sätzen (Untertiteln), welche am unteren Bildschirmrand eingeblendet werden, oder präziser gesagt: Als Untertitel bezeichnet man die gekürzte Übersetzung eines Filmdialoges, die synchron mit dem entsprechenden Teil des Originals auf dem Bildschirm bzw. auf der Leinwand zu sehen ist. (Hurt/Widler 2006:261) Die Definitionskriterien dabei sind: Übertragung in eine andere Sprache (1) von verbalen Aussagen (2) in filmischen Medien (3) in Form von ein- oder zweizeiligen Texten (4), präsentiert auf Leinwand oder Bildschirm (5) und synchron zur Originalaussage (6). (Gottlieb 2001b:13 zitiert nach Schröpf 2008:37) Die Untertitelung ist eine Form der Übersetzung, welche sich auf audiovisuelle Medien beschränkt. Während Übersetzen meist impliziert, dass ein Text von einer Sprache und Kultur schriftlich in eine andere übertragen wird, das Resultat also ebenfalls ein Text ist, so wechselt beim Untertiteln zusätzlich zu Sprache und Kultur auch das Medium: Der gesprochene Ausgangstext wandelt sich in einen schriftlichen Zieltext. Die Besonderheit dabei ist, dass der Ausgangstext weiter bestehen bleibt, der Zuschauer (und Zuhörer) also sowohl den Ausgangstext hört als auch den Zieltext liest. Dieses Phänomen wird bei Henrik Gottlieb Diasemiotik genannt: 26 In polysemiotic texts […] the translator is constrained (or supported) by the communicative channel: visual or auditory. If the translation uses the same channel – or set of channels – as the original, the result is an isosemiotic translation; where it uses different channels the result is referred to as a diasemiotic translation. (Gottlieb 1998:245) Weiter listet Gottlieb die vier Kanäle auf, welche simultan auftreten und bei der Übersetzung von Filmen und TV-Sendungen zu berücksichtigen sind: (a) The verbal auditory channel, including dialogue, background voices, and sometimes lyrics (b) The non-verbal auditory channel, including music, natural sound and sound effects (c) The verbal visual channel, including superimposed titles and written signs on the screen (d) The non-verbal visual channel: picture composition and flow. (ibid.) Mithilfe dieser Kanäle lässt sich besser erfassen, welche Veränderungen zwischen Ausgangsund Zieltext stattfinden und inwiefern sich die Untertitelung von der von Laien oftmals mit ihr verwechselten Synchronisation unterscheidet. Bei der Synchronisation, dem „Übersetzungsprozess, bei dem die Dialoge aus der Originalsprache übersetzt, von Synchronsprechern oder Schauspielern in der Landessprache aufgenommen und anschliessend in das Videosignal gemischt werden“ (Cedeño Rojas 2007:94), bestehen alle vier Kanäle weiter, wobei das in der Ausgangssprache Gesprochene durch in der Zielsprache Gesprochenes ersetzt wird (isosemiotischer Charakter). Bei der Untertitelung hingegen vollzieht sich eine Verschiebung von Kanal 1 zu Kanal 4 (Dialoge, Hintergrundstimmen und gegebenenfalls gesungene Liedtexte werden als Untertitel eingeblendet). In der Synchronisation wird also der semantische Gehalt von Kanal 1 in der Ausgangssprache durch semantischen Gehalt in der Zielsprache ersetzt (gleicher Kanal), während bei der Untertitelung Kanal 4 um die Informationen aus Kanal 1 ausgebaut wird. Bedingt durch die Verschiebung respektive den Ersatz eines Kanals (Koexistenz von Originalton und Übersetzung bei der Untertitelung vs. Ersatz bei der Synchronisation) unterscheidet sich die Vorgehensweise bei der Untertitelung grundlegend von jener der Synchronisation (mehr zu untertitelungsspezifischen Schwierigkeiten unter Buchstabe e). Weitere mit der Untertitelung verwandte Bereiche sind das Voice-Over, eine Überlagerung des Originaltons mit der gesprochenen Übersetzung (Off-Ton, oft in Dokumentarfilmen verwendet), und die Audiodeskription, bei welcher die Handlung im Film kommentiert wird, um das Verständnis sehbehinderter Personen zu erleichtern. Bei der Audiodeskription spricht man auch von intralingualer Untertitelung (Gottlieb 1998:247) – einem Wechsel des Modus (mündlich zu schriftlich), nicht aber der Sprache. Dies steht im Gegensatz zur Untertitelung, welche interlingual ist (Wechsel der Sprache) und von Gottlieb als diagonal bezeichnet wird, da der Untertitler das in der Ausgangsprache Gesprochene umwandelt in in der Zielsprache Geschriebenes, also sowohl ein Sprach- als auch ein Moduswechsel stattfindet (Gottlieb 1997:107-134). 27 Um die Definition der Untertitelung in ihren Kontext einzubetten und die Dynamik in diesem Bereich besser erfassen zu können, lohnt sich ein kurzer Blick in die Geschichte der Untertitelung allgemein und spezifisch der Untertitelung im deutsch- und englischsprachigen Raum. b) Geschichte Am Anfang war das Licht – und etwas später das elektrische Licht. Und nach dem elektrischen Licht war dann irgendwann auch der Weg frei für die Erfindung des Films. Ende des 19. Jahrhunderts organisierten die Brüder Lumière die ersten öffentlichen Filmvorführungen mit ihrem Cinématographen – die Idee fand Anklang. Da die Erfindung des Tonfilms erst ein Jahrhundert später erfolgen würde, musste sich das Publikum während des ganzen 19. Jahrhunderts mit der musikalischen Untermalung durch ein Orchester begnügen und mit sogenannten Zwischentiteln Vorlieb nehmen, die zwischen den Bildern eingeblendet wurden und Dialoge zusammenfassten oder die Handlung erklärten. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Preise für Vorführgeräte nicht mehr so hoch waren, öffneten Lichtspielhäuser ihre Pforten und erste Filmgesellschaften wurden gegründet. Das Medium Kino gewann an Popularität, auch bei der breiten Masse. Da es sich um Stummfilme handelte, war die Sprache kein Hindernis und so setzten sich Regisseure aus den verschiedensten Ländern mit ihren filmischen Werken durch. Um sich aber gegen das ebenfalls beliebte Medium Radio behaupten zu können, kamen Ende der 1920er Jahre schliesslich Tonfilme in die Kinos. Da die grössten Studios in Hollywood waren, wurden die wichtigsten Filme auf Englisch gedreht, womit sich erstmals die Frage der Übersetzung für anderssprachige Adressatenkreise stellte. Verschiedenste Verfahren wurden angewandt: Aufführung des Originals mit Zwischentiteln in landessprachlicher Übersetzung, stumme Aufführung des Tonfilms mit landessprachlichen Zwischentiteln, Aufführung des unbearbeiteten Originals, Produktion polyglotter Filme (Protagonisten sprechen in ihrer jeweiligen Landessprache), Produktion von Mehrsprachenversionen (dasselbe Filmprojekt mehrfach mit verschiedenen Besetzungen in den jeweiligen Landessprachen der Zielmärkte produziert), Aufführung von Filmen mit Untertiteln, Aufführung von Filmen mit landessprachlicher Synchronisation (Cedeño Rojas 2007:30-32). Die beiden letztgenannten Verfahren setzten sich schliesslich durch. Welches Verfahren – Untertitelung oder Synchronisation – heutzutage wo bevorzugt wird, hängt vom Land ab. Allgemein lässt sich sagen, dass grössere Länder auch über grössere finanzielle Mittel und ein grösseres Publikum verfügen und sich Synchronfassungen deshalb für sie lohnen, während kleinere und/oder mehrsprachige Staaten oft auf die Untertitelung 28 zurückgreifen, welche kostengünstig ist und zudem die Möglichkeit bietet, gleichzeitig zwei Sprachen anzubieten (so auch in der Schweiz üblich). Auch das Publikum hat je nach Land oder Filmgenre andere Präferenzen und zieht das eine dem anderen vor. In Deutschland ging die Synchronisation der Untertitelung voraus. Der erste Film wurde 1930 deutsch synchronisiert, und bereits Mitte der Dreissigerjahre liessen amerikanische Firmen in Deutschland Synchronstudios bauen. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bereitete der Synchronisation jedoch ein jähes Ende. Es war nunmehr verboten, ausländische Filme zu zeigen. Erst mit dem Ende des Kriegs rollte eine regelrechte Synchronisationswelle über Deutschland hinweg und amerikanische Produktionen dominierten alsbald den Markt. Die Untertitelung hingegen etablierte sich erst in den 1980er Jahren mit der Entstehung des Teletexts. Vorerst war die Untertitelung allerdings in erster Linie für Gehörlose und Hörgeschädigte bestimmt, populärer wurde sie erst in den 1980er Jahren. Für das breite Publikum hat die Untertitelung letztendlich mit der zunehmenden Beliebtheit von DVDs an Bedeutung gewonnen – und dies nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (Nagel 2009:3334). In Österreich werden zumeist die Synchronfassungen aus Deutschland gezeigt, während in der deutschsprachigen Schweiz Filme meist in einigen Kinosälen einer Stadt als Synchronfassung, in anderen mit Untertiteln gezeigt werden, die Wahl somit beim Zuschauer liegt. Dadurch, dass sich deutsche Untertitel in der Schweiz den Platz mit französischen meist teilen müssen, steht dem Untertitler weniger Platz zur Verfügung: nur eine anstatt zwei Zeilen (welche Auswirkungen dies auf die Übertragung von Vulgarität hat, wird sich in der Beispielsanalyse in Kapitel 4 zeigen). In den USA machen ausländische Produktionen seit jeher nur einen Bruchteil des Marktes aus, daher sind weder Synchronisation noch Untertitelung weit verbreitet. Auch im Rest der anglophonen Welt sind Synchronisation und Untertitelung ob der schier unüberschaubaren Fülle an englischsprachigen Filmen für die breite Masse eher unwichtig. Und doch finden sich englischsprachige Untertitel auf vielen DVDs. Bei englischsprachigen DVDs richten sich diese sowohl an hörgeschädigte Muttersprachler als auch an Nicht-Muttersprachler mit Englischkenntnissen, denen die Untertitel eine zusätzliche Stütze zum Originalton sein können. Bei nicht-englischsprachigen Filmen, insbesondere bei sogenannten Independentfilmen, welche höhere künstlerische Ansprüche stellen, bevorzugt das Publikum oft die Originalfassung mit Untertiteln, weil so die Authentizität des Films erhalten bleibt (Originalton und –stimmen der Schauspieler). Silke Nagel (2009:35-37) führt den Erfolgskurs der Untertitelung auf ökonomische, sprachpolitische und publikumsbezogene Gründe zurück. Die Untertitelung war schon seit jeher billiger als die Synchronisation. Diese Tendenz verschärft sich mit den laufend neuen 29 Entwicklungen der Untertitelungstechnologie weiter. Da es zudem immer schwieriger wird, Fördergelder für Filme zu bekommen, die keine Blockbuster sind, anerbietet sich die Untertitelung als Möglichkeit, solche Filme trotz kleinem Budget auf Festivals und dem internationalen Markt präsentieren zu können. Mit der zunehmenden Popularität der DVD hat sich die Untertitelung vermehrt in die Wohnzimmer geschlichen und auch bei anderen Multimedia-Produkten etabliert. Bei Fernsehprogrammen wächst die Akzeptanz gegenüber Untertiteln, da diese dank der gesetzlichen Verankerung einer Mindestanzahl von untertitelten Sendungen für Gehörlose und Hörgeschädigte vermehrt in Erscheinung treten. Sogar Musiksender wie MTV und VIVA gewöhnen ihre jungen Zuschauer bereits an Untertitel – ohne auf Ablehnung zu stossen. Die Untertitelung wurde aber auch entdeckt als Mittel, die Fremdsprachenkompetenz, die Lesefähigkeit der Muttersprache sowie das Lernen einer offiziellen Amtssprache zu verbessern (s. d’Ydewalles Studien im nächsten Kapitel). Dank der technologischen Fortschritte in diesem Bereich entwickelt sich die audiovisuelle Übersetzung laufend weiter und bringt neue Formen hervor. Deshalb ist die Forschung gefordert, schnell auf Veränderungen zu reagieren, um Schritt halten zu können mit der Praxis. c) Theoretische Ansätze Die Untertitelung ist eine Disziplin, der von der Forschung lange Zeit wenig Beachtung geschenkt wurde. So taucht der Begriff des audio-medialen Textes in den Übersetzungswissenschaften erst 1971 in einer Arbeit von Katharina Reiss auf. Später stellt der multi-mediale Texttyp im Rahmen ihrer Texttypologie eine eigene Kategorie dar: Schrifttexte, die erst zusammen mit bildlichen Darstellungen [...] oder mit Musik [...] das vollständige Informationsangebot ausmachen, weisen alle eine Interdependenz der verschiedenen Medien bei der Textgestaltung auf. Ohne Beachtung dieser Interdependenzen können solche Texte nicht adäquat übersetzt werden. Wir fassen solche Texte in einem eigenen Typ, dem multi-medialen Texttyp, zusammen [...]. Dieser vierte Typ überlagert die drei Grundtypen, denn sowohl informative als auch expressive und operative Texte können in der Gestalt des multi-medialen Texttyps auftreten. (Reiss/Vermeer 1991:211) Das Definitionskriterium der ersten drei Texttypen ist deren Funktion (informativ, expressiv, operativ), während beim multi-medialen Text der Kanal im Vordergrund steht. Aus diesem Grund können multi-mediale Texte auch informative, expressive und/oder operative Züge aufweisen. Trotz der Hervorhebung des Aspekts der Multi-Medialität durch Reiss musste sich die Untertitelung vorerst mit einer Nebenrolle innerhalb der Übersetzungswissenschaft begnügen. An Bedeutung gewann sie erst Ende der 1980er Jahre, als ihre wachsende Popularität schliesslich auch das Interesse der traductologues weckte. Damit einher ging auch eine stetige Erweiterung des Forschungsfelds von „film translation“ 1988 bei Snell-Hornby 30 über „media translation“ 1994 bei Eguiluz hin zu „multimedia translation“ 2001 bei Gambier und Gottlieb (Pérez González 2009:13). Hie und da finden sich in übersetzungswissenschaftlichen Arbeiten früher schon Abschnitte zur Untertitelung, doch Georg-Michael Luyken (1991) war einer der ersten Autoren, welcher der Synchronisation und Untertitelung ein eigenes Buch widmete. Darin beschreibt er die Mechanismen, Berufsbilder, wirtschaftlichen und zielgruppenspezifischen Faktoren der Synchronisation und Untertitelung im Kontext des europäischen Fernsehens. Er stellt eine Liste von Programmgenres auf und setzt diese in Beziehung mit einem Übersetzungstyp (Untertitelung oder Synchronisation). Ein Jahr später befasst sich auch Jan Ivarsson mit der Thematik und trennt die Untertitelung entschieden von der Übersetzung: „This book is about subtitling, not translation. Translation is a different art. [...] for subtitling is very close to the work of a conference interpreter [...].” (Ivarsson 1992:7). Im Gegensatz zu Luyken fokussiert Ivarsson nur auf die Untertitelung, da er voraussah, dass dieser durch ihr Vordringen in TVProgramme eine grössere Zukunft bevorstehen würde. Das grösste Verdienst Ivarssons aber ist, dass er sich mit seinem Buch für die Aufwertung der Untertitelung einsetzte, welche damals gemeinhin als eine minderwertige Form der Übersetzung galt (Ivarsson 1992:10f.). Neben den technischen Voraussetzungen und der Ausrüstung, den Methoden, Konventionen und unterschiedlichen Formen der Untertitelung, betont der Autor auch die Notwendigkeit einer angemessenen Schulung (Ivarsson 1992:22). Wie genau diese aussehen soll, lässt er vorerst offen. Ein paar Jahre später legt er dann zusammen mit Mary Carroll (Ivarsson/Carroll 1998) einen Code of Good Subtitling Practice vor – eine Zusammenstellung allgemeiner Richtlinien, an die sich Untertitler zur Qualitätssicherung halten sollten. Seit 1996 setzt sich auch die European Association for Studies in Screen Translation (ESIST) für eine engere Zusammenarbeit zwischen Lehre und Praxis ein (Gambier 2004:1048). Eine genaue Definition dessen, was die Untertitelung ist, findet sich aber weder bei Luyken noch bei Ivarsson – vielleicht, weil die Grenzen der Untertitelung damals offensichtlich erschienen? Mit der Evolution des Textbegriffs in der Übersetzung und der Erweiterung der Grenzen der audiovisuellen Translation wurde dann aber eine Ein- und Abgrenzung nötig. Dieser sollten sich Yves Gambier und Henrik Gottlieb später annehmen. Gambiers 1996 publizierter Sammelband befasst sich in erster Linie mit der Situation in verschiedenen Ländern und den zahlreichen Formen der audiovisuellen Übersetzung, während sein 1998 veröffentlichter Sammelband sich zusätzlich den Schulungsmöglichkeiten von Untertitlern widmet (vgl. Gambier 1996 mit Gambier 1998). Gottlieb wiederum hat sich im Rahmen seiner Doktorarbeit mit der Untertitelung auseinandergesetzt und verschiedenste Aspekte aufgegriffen (Gottlieb 1997): didaktische (Hochschulausbildung), psychologische (Studie zum Verhalten beim Lesen von Untertiteln) und linguistische (Untertitelung von Wortspielen). Die 31 anschliessende Zusammenarbeit der beiden Wissenschaftler zeigt sich äusserst fruchtbar und bringt 2001 aus heutiger Sicht ein Standardwerk hervor. In (Multi)Media Translation (Gambier/Gottlieb 2001) findet sich denn auch ein Versuch der Eingrenzung dieser Disziplin. So umfasst die „multimedia translation“ nach Gambier und Gottlieb nebst den Formen der Untertitelung und Synchronisation auch Voice-Over, Bilderzählung (narration), Simultandolmetschen, Übertitelung und bestimmte Formen der Lokalisation und erstreckt sich auf die Medien Radio, Fernsehen, DVD und Internet (Gambier/Gottlieb 2001:xf.). Doch klare Grenzen zu ziehen, erscheint den Autoren unmöglich: Indeed, with audiovisual and multimedia texts, the borders are blurred between centre and periphery in terms of production and reception, between public and private sectors in terms of organization, between distance and proximity in terms of space, between life and pre-recorded in terms of broadcasting, between reality and fiction in terms of reference, between written and oral in terms of code, between verbal and nonverbal in terms of systems of signs. (Gambier/Gottlieb 2001:xi) Die sich ständig verändernde Medienlandschaft zwingt den Untertitler, sich laufend an die neuen Gegebenheiten anzupassen. So haben sich seit der Veröffentlichung des Buches im Jahr 2001 die Formen des Vertriebs und der Digitalisierung und die Auswahl an Computerprogrammen enorm weiterentwickelt, was besonders in den letzten beiden Jahrzehnten Anlass zu einer Reihe von Publikationen gegeben hat. So widmen sich zahlreiche Sammelbände der Ergänzung der vorher genannten Standardwerke um die neuesten Trends, zum Beispiel Chiaro et al. (2008) oder Díaz Cintas et al. (2009). Im Sammelband von Delia Chiaro et al. wird das Augenmerk auf technologische Fortschritte (Datenbanken und Korpora) sowie auf linguistische, empirische, kulturelle, psycholinguistische und sozioökonomische Ansätze gerichtet. Die Autoren um Jorge Díaz Cintas befassen sich eher mit Teilaspekten, welche noch nicht abgehandelt worden sind: Fallstudien zu Dialekten bestimmter Regionen und zu Wortarten oder Genres in bestimmten Sprachen. Auch die Untertitelung von Humor und linguistic variation (Mündlichkeit, Fluchen, Höflichkeit) wird diskutiert. Ebenfalls im Jahr 2009 wurde zum ersten Mal ein Werk über die Untertitelung herausgegeben, das interaktiv ist: Audiovisual Translation: Subtitling (Díaz Cintas/Remael 2009) fasst die aktuell relevanten Untertitelungstheorien übersichtlich zusammen und lädt den Leser am Ende jedes Kapitels ein, sich via diverser Webseiten Informationen zu beschaffen, um sich so seine eigene Meinung zu bilden. Ausserdem verfügt es über eine DVD, auf der sich die Untertitelungssoftware WinCAPS befindet, was dem Leser ermöglicht, selber praktische Erfahrungen zu sammeln. Doch ausser der Übersetzungswissenschaft fand auch die Psychologie Interesse an der Untertitelung. Géry d’Ydewalle untersuchte mit seinem Forscherteam die Untertitelung unter anderem unter dem Aspekt des Leseverhaltens (1991), des Fremdsprachenerwerbs bei Kindern (2001) sowie der visuellen Wahrnehmung (2007). In Bezug auf das Leseverhalten 32 stellte d’Ydewalle fest, dass beim Schauen eines Films in einer Fremdsprache die Sprachkenntnisse und das Ausschalten des Tons keinen Einfluss haben auf die (sehr hohe) Gesamtlesezeit und, dass die Subjekte selbst bei einem muttersprachlichen Film viel Zeit mit dem Lesen von Untertiteln verbringen, was sowohl auf ein Anstreben besseren Verständnisses als auch auf die Dominanz des visuellen Kanals zurückzuführen sein könnte (d’Ydewalle/Praet/Verfaillie/Van Rensbergen 1991). In anderen Studien (1995 mit HighSchool-Schülern und Studenten, 1997 mit holländischsprachigen belgischen Kindern im Alter von 8-12 Jahren) zeigte sich, dass das Lesen von Untertiteln den Fremdsprachenerwerb (vor allem hinsichtlich des Lernens neuer Vokabeln) unterstützt und dieser Effekt, je stärker ist, desto mehr Basiskenntnisse vorhanden sind oder desto mehr Gemeinsamkeiten die Fremdsprache mit der Muttersprache aufweist. Interessanterweise lernen Kinder die Fremdsprache besser im Originalton mit Untertiteln in der Muttersprache, während es bei Erwachsenen genau umgekehrt ist: Die besten Resultate wurden mit dem reversed subtitling mode – Muttersprache im Soundtrack mit Untertiteln in der Fremdsprache – erzielt (d’Ydewalle/Van de Poel 2001). Beim Aufzeichnen der Augenbewegungen 10-12-jähriger Kinder, welche sich einen untertitelten Film anschauten, zeigte sich die Flexibilität des kognitiven Apparats, die Wahrnehmung verschiedener, gleichzeitig bestehender Informationsquellen (Bild, Ton und Untertitel) aufeinander abzustimmen. Auch stellte sich heraus, dass zweizeilige Untertitel ein regelmässigeres Leseverhalten zur Folge haben als einzeilige, da letztere oftmals Informationen enthalten, die auch aus dem Bild entnommen werden können (d’Ydewalle/de Bruycker 2007). Doch trotz Ivarssons Forderung einer getrennten Betrachtung von Untertitelung und Übersetzung und der Eigendynamik, die die Forschung im Bereich der audiovisuellen Übersetzung in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, hat sich die Untertitelungswissenschaft nie von der Übersetzungswissenschaft abgespalten. Sie stellt heute einen wichtigen Zweig dieser dar und übertrifft sie wenn nicht an Grösse, dann zumindest an Innovation. So wird ihr gemeinhin eine grosse Zukunft prophezeit. d) Zukunft Heidrun Gerzymisch-Arbogast und Mary Carroll wagten im Sammelband, der zum 20. Jubiläum des Transforums (einem Forum zur Koordinierung der Praxis und Lehre von Dolmetschen und Übersetzung) veröffentlicht wurde, eine Prognose zu der Entwicklung der Untertitelung. Die Übersetzungswissenschaftlerin Gerzymisch-Arbogast richtete ihr Augenmerk auf die Multidimensionalisierung der Übersetzung, während Carroll sich als „Frau der Praxis“ mit dem Berufsprofil des Multimedia-Übersetzers befasste. Bereits 2005 33 sah Gerzymisch-Arbogast grundlegende Veränderungen in der Übersetzung allgemein, deren Grenzen – wie sie Jakobson einst in intralinguale, interlinguale und intersemiotische Übersetzung unterteilte – mehr und mehr verschmelzen durch das Aufkommen neuer Technologien. So bewegt sich das einst eindimensionale Übersetzen bzw. Dolmetschen hin zu „mehrdimensionalen Kommunikationsszenarien mit multilingualen, multimodalen und polysemiotischen Aspekten“ (Gerzymisch-Arbogast 2005:23). Dies veranlasste sie, den Begriff der Translation neu zu definieren und ihn weiter zu fassen: Wenn wir davon ausgehen, dass – ungeachtet möglicherweise komplexer Formen des „Materials“ – die differentia specifica jeder Translation der „Transfer“ ist und zudem annehmen, dass Translation eine menschliche, keine maschinelle Aktivität ist, dann können wir vorschlagen, dass es einen gemeinsamen (theoretischen) Kern aller Translationsvorgänge gibt, der etwa wie folgt beschrieben werden kann, nämlich dass: ein als Äusserung vorliegendes Anliegen/Interesse eines Sprechers bzw. Schreibers mithilfe eines Zeichensystems 1 in einem Medium 1 formuliert (=Original) für einen Hörer bzw. Leser unter einem bestimmten Zweck mithilfe eines Zeichensystems 1, 2 und/oder 3 und eines Mediums 2 oder mehrerer Medien 3, 4, 5 (=Translat) verstehbar gemacht wird. (ibid.:24f.) Die multidimensionale Translation macht aus, „dass ein Anliegen oder Interesse vorliegt, dass der Transfer zweckgebunden erfolgt und einen Medien- und Zeichensystemwechsel implizieren kann“ (ibid.:25). Die Definition scheint bewusst vage formuliert worden zu sein, um auch komplexe Formen der Translation wie jener von Videospielen und Infotainment einzuschliessen und Raum zu lassen für künftige Entwicklungen. Denn diese Entwicklungen stellen Herausforderungen dar, denen sich sowohl Praxis und Lehre als auch Forschung stellen müssen (ibid.:29). Carroll führt die Veränderungen in der Übersetzerwelt einerseits auf die schnelle Entwicklung immer neuer Informationstechnologien und deren Invasion unseres Alltags zurück, andererseits aber auch auf die Globalisierung, welche unter anderem zu einer Internationalisierung des Fernsehens und Kinos und so auch zu der Lokalisation audiovisueller Medien allgemein geführt hat (Carroll 2005:73). Die Erfindung der DVD machte es zur Selbstverständlichkeit, dass jeder Zuschauer unter zahlreichen sprachlichen Fassungen eines Films auswählen kann, Fernsehkanäle können mittlerweile auf der ganzen Welt empfangen werden, und über Laptops, Bildschirme in öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie über Mobiltelefon ist der Durchschnittsbürger laufend konfrontiert mit audiovisuellem Material. Carroll schätzt, dass die Downloadkultur bald überhand nehmen wird über die traditionellen Medien und die Zukunft dem Video-on-Demand – dem Herunterladen bzw. Streamen (fortlaufende Datenübertragung) von Videomaterial übers Internet – gehören wird. Das Volumen interlingualer Translation nimmt dank der Globalisierung, das Volumen intralingualer Translation bedingt durch die gestärkte rechtliche Stellung sehbehinderter und hörgeschädigter Personen zu (ibid.:77). Carroll listet die Berufsprofile des modernen audiovisuellen Translators auf und definiert seine Aufgaben wie folgt: 34 Screen translators engage in a wide range of polysemiotic activities. All are attempting to communicate and complement the content of images and sounds. Many cross between the spoken and the written word. Most engage in cultural transfer. All must comply with temporal and/or spatial restrictions. (ibid.:78) Jetzt, sechs Jahre später, bestätigen sich die Vermutungen von Gerzymisch-Arbogast und Carroll. Digitale Medien sind Gegenwart und Zukunft. Der Markt für audiovisuelle Translation ist dank dem vermehrten Konsum von Filmen und Werbung übers Internet und der Mobiltelefonie in den letzten Jahren rasant gewachsen. So werden mehr untertitelte Fassungen denn je produziert: von Spielfilmen für DVD-Releases, Filmfestivals oder das Fernsehen über Werbefilme für Firmenzwecke bis hin zu Videos oder Videospiele für Unterhaltungszwecke auf Computer und Mobiltelefon. Auch das digitale Kino (auch D-Cinema genannt), bei welchem die Speicherung und Verbreitung von Filmen digital und nicht mehr auf Filmrollen erfolgt, setzt sich immer mehr durch. Im Jahr 2002 haben sich die grossen Hollywood-Studios Disney, Fox, Paramount, Sony Pictures Entertainment, Universal und Warner Bros. Studios zusammengetan, um mit ihren Digital Cinema Initiatives12 das digitale Kino zu standardisieren. Die qualitative Überlegenheit und die Vereinfachung der Vertriebskette (Wegfallen des kostspieligen Transports von 30 Kilogramm schweren Filmrollen) gegenüber dem seit über hundert Jahren als Standard geltenden 35-MillimeterFilm haben die meisten grossen US-Kinosaalketten veranlasst, sich zum Ziel zu setzen, innerhalb der nächsten Jahre vollständig auf die neue Technologie umzustellen. Dem Druck werden sich mittlere und kleinere Kinos unter Umständen nicht mehr lange entziehen können. Auch der Druck auf die Untertitler wird grösser: Vermehrt finden Amateure Gefallen an der Untertitelung ihrer Lieblingsfilme oder –serien und stellen ihre Werke zum kostenlosen Download ins Internet. Ein Phänomen, welches durch Fansubs – der inoffiziellen Untertitelung japanischer Anime-Produktionen für nicht-japanische Zuschauer – in den späten 1980er Jahren aufkam und sich seither langsam auf andere Bereiche ausweitet (Bogucki 2009:49-57, Díaz Cintas/Remael 2009:26-27). Inwiefern dies eine Gefahr für den Beruf des Untertitlers darstellt, wird sich zeigen. Was bei der Untertitelung trotz all dieser Entwicklungen aber weitgehend unverändert geblieben ist, sind die Herausforderungen, denen sich der Untertitler stellen muss. e) Untertitelungsspezifische Schwierigkeiten Ziel einer guten Untertitelung ist es, dem Zuschauer alle Informationen zu vermitteln, die für das Verständnis des audiovisuellen Materials von Bedeutung sind. In der Praxis ist dabei meist irrelevant, ob das Hörvermögen oder die Sprachkenntnisse des Lesers eingeschränkt sind, da die gleichen Untertitel oft für mehrere Zielgruppen bestimmt sind: Kinder, 12 Digital Cinema Initiatives, LLC (DCI) : http://www.dcimovies.com/ [15.08.2011] 35 Jugendliche, Erwachsene und Senioren; muttersprachliche und fremdsprachliche Personen; hörgeschädigte und nicht-hörgeschädigte und/oder sehbeeinträchtigte Personen; Personen unterschiedlicher Intelligenz und Lesefähigkeit (Ivarsson 1992:43). Schwierigkeiten, die bei der Untertitelung zu den allgemeinen Problematiken des Übersetzens hinzukommen, sind in erster Linie die Begrenzung von Zeit und Raum sowie das gleichzeitige Bestehen verschiedener Kanäle. Bevor aber näher auf diese eingegangen wird, lohnt sich ein Blick in die Forschung, um nachvollziehen zu können, wie das menschliche Gehirn Informationen aus Untertiteln überhaupt verarbeiten kann. Denn daraus ergeben sich die Schwierigkeiten bei der Untertitelung und die Richtlinien für die Praxis. Zoé de Linde und Neil Kay (1999:59-73) liessen die Augenbewegungen hörgeschädigter und nicht-hörgeschädigter Personen beim Schauen von untertitelten Videoclips (ohne Ton) aufzeichnen, mit dem Ziel, Charakteristika, welche das Leseverhalten beeinflussen, zu identifizieren und mögliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zu ermitteln. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Untertitelrate (Anzahl Untertitel pro Zeiteinheit), die Synchronizität zwischen Untertitel und Bild, die Häufigkeit von Weglassungen und die Sichtbarkeit des Sprechers grossen Einfluss auf das Leseverhalten ausüben. Bei beiden Gruppen wurde das Verständnis der Filmausschnitte negativ beeinflusst durch Doppeldeutigkeit oder den Mangel an Referenz, da diese dem Leser mehr Aufmerksamkeit abverlangen und den Lesefluss durch mehrmaliges Lesen des ganzen Untertitels oder durch die Fixierung auf bestimmte Wörter verlangsamen. Insbesondere hörgeschädigte Personen haben Mühe, mit mehrdeutigen oder kontextfreien Aussagen umzugehen. Der Mangel an Kontext wird auch zum Problem, wenn sich zum Beispiel bei einem Dialog nur eine Person im Bild befindet, die Untertitelung asynchron (zu früh oder zu spät) eingeblendet wird oder unklar ist, wer spricht. Wobei allgemein nicht-hörgeschädigte Personen im Vorteil sind, da die Stimme des Sprechers automatisch mit dem gleichzeitig eingeblendeten Untertitel assoziiert wird, der Blick also nicht zur Überprüfung nach oben wandern muss. Verwirrung stiftet hingegen bei beiden Gruppen, wenn ein Filmschnitt während des Einblendens von Untertiteln auftritt: der Blick wird auf das Bild gelenkt und der Untertitel muss danach erneut gelesen werden. Auch das Weglassen von Wörtern stellt ein Problem dar, wenn eine zu grosse Diskrepanz zwischen der Anzahl Mundbewegungen und der Anzahl eingeblendeter Wörter besteht. Auch wird der Zuschauer (insbesondere der hörgeschädigte) stärker abgelenkt, wenn der Sprecher die Handlung aus dem Off kommentiert, als wenn der Sprecher im Bild ist und sich wenig bewegt. Denn obschon hörgeschädigte Personen in letzterem Fall dazu neigen, den Blick zwischen Bild und Untertiteln hin und her schweifen zu lassen, um die Lippenbewegungen zu verfolgen, ist dies für sie weniger anstrengend, als wenn sie zugleich 36 Untertitel lesen und die Handlung im Bild verfolgen müssen, um sie auf die in den Untertiteln vorhandenden Elemente zu überprüfen. Die Crux der Untertitelung ist folglich die Synchronizität. Idealerweise werden Untertitel immer synchron zu Bild und Ton eingeblendet, beinhalten alle wichtigen Informationen und ergänzen sich optimal mit den anderen Informationsquellen – denn dem Zuschauer sollte genügend Zeit bleiben, um zwischen dem Lesen der Untertitel die Handlung zu verfolgen. Auch sollten Untertitel weder zu kurz sein, da dem Zuschauer sonst wichtige Informationen entfallen, noch zu lang sein, da die Untertitel sonst mehrmals gelesen werden. Zudem impliziert die Simultaneität von Bild, Ton und Untertiteln, dass der Ausgangstext in erheblichem Masse reduziert werden muss, da das Lesen von Untertiteln mehr Aufmerksamkeit erfordert als das Hören eines Dialogs. Einer Studie zufolge ist der geschriebene Zieltext allgemein um 43% kürzer als der gesprochene Ausgangstext (de Linde/Kay 1999 zitiert nach Pérez González 2009:15). Wie lang ein Untertitel eingeblendet werden sollte, hängt dabei auch von der Ausgangs- und Zielsprache ab und den Konventionen, an die das Zielpublikum gewöhnt ist. Ein Gleichgewicht zu finden, ist schwierig, da mehrere Kanäle gleichgeschaltet sind, der Mensch aber nicht fähig ist, Sinneseindrücke gleichzeitig zu verarbeiten. Darüber sind sich auch die Untertitelungstheoretiker einig. So umfassen die meisten Standardwerke – mehr oder weniger ausführlich und komplett – dieselben Punkte (vgl. Ivarsson 1992, de Linde/Kay 1999; Pérez González 2009, Díaz Cintas/Remael 2009). Eine umfassende und logisch angeordnete Auflistung legt Frederic Chaume im Jahr 2004 vor. Chaume (2004:167306) schlüsselt die Probleme, welche spezifisch sind für die audiovisuelle Translation, anhand der beiden Kanäle – auditiv und visuell – auf und gliedert sie nach Codes. 37 Abb. 5: Spezifische Probleme der audiovisuellen Translation (Chaume 2004:305) Interessant dabei ist, dass Chaume übersetzungs- und filmwissenschaftliche Theorien in seinem Modell vereint und nicht-verbale Elemente, welche oftmals vergessen oder nur am Rande behandelt werden, in seine Analyse mit einbezieht. Der akustische Kanal umfasst den sprachlichen, die parasprachlichen, den musikalischen (inkl. Hintergrundgeräusche) und den diegetischen Code, während der visuelle Kanal sich aus dem ikonographischen Code, dem photographischen Code, dem Code der Einstellungsgrösse, den Codes der Bewegung, den graphischen Codes sowie den syntaktischen Codes zusammensetzt. Im Folgenden wird nur auf die für die Untertitelung relevanten Punkte eingegangen, wobei die Besonderheiten der Untertitelung für hörgeschädigte Personen beiseitegelassen werden und nur jene Punkte erwähnt werden, welche auch auf die deutschsprachige Untertitelungspraxis zutreffen. Innerhalb des AKUSTISCHEN KANALS stellt der sprachliche Code (ibid.:167-186) durch den Wechsel von mündlich zu schriftlich eine besondere Herausforderung an den Untertitler dar. Mündlichkeit ist allgemein schwierig schriftlich zu übertragen, um so mehr bei der Untertitelung, als dass die Leserlichkeit das oberste Gebot darstellt und das Endprodukt die Konventionen von Länge, Unmittelbarkeit und Relevanz einhalten muss. Die Mündlichkeit im Original ist keine echte, da es sich bei den Sprechern um Schauspieler handelt, welche einen geschriebenen Text vortragen. Die Mündlichkeit in der Übersetzung ist ebenfalls unecht, da 38 sie kompakter ist und mehr Kohäsionsmittel eingesetzt werden. Denn der Untertitler muss ein Gleichgewicht finden zwischen Authentizität und Informationsangebot sowie dem Befolgen sprachlicher und stilistischer Normen. Dabei sollte er die Unterschiede von Ausgangs- und Zielkultur berücksichtigen. Dialoge sollten natürlich und spontan wirken, obschon sie sowohl im Ausgangs- als auch im Zieltext inszeniert sind. Als allgemeine Übersetzungsnorm schlägt Chaume vor, in der Untertitelung auf die Standardsprache zurückzugreifen und gleichzeitig ein Register gesprochener Sprache nachzuahmen (ibid.:172). Dahingestellt sei, wie mit dieser Norm eine Übertragung von Vulgarismen, welche per se im Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Registern und Sprachebenen stehen, erfolgen soll. Ergänzt wird der sprachliche Code durch die parasprachlichen Codes (ibid.:186-201). Unter dem Begriff paralingualer/paralinguistischer Phänomene versteht man: Solche [Phänomene], die sich zwar in der Sprache äussern, die aber an sich nicht sprachlicher Natur sind – die also in der Saussurschen Terminologie wohl zur „Parole“ aber nicht zur „Langue“ gehören. Dabei geht es meistens um akustisch-auditive Phänomene, die sich in den Eigenschaften der Stimme und im Sprechausdruck zeigen, und die der nonverbalen vokalen Kommunikation dienen. (Traunmüller 2004:653) Lange missachtet, da die Parasprache nicht im eigentlichen Sinne übersetzt wird, ist sie doch von grundlegender Bedeutung in der Übersetzung und vor allem in der Untertitelung, da sich der Sinn eines Films erst durch die Kombination von sprachlichen Elementen (den Untertiteln) mit nicht-sprachlichen Elementen ergibt. Parasprachliche Informationen werden akustisch über Stimmcharakteristika wie Intonation, Rhythmus, Tonfall, Timbre, Resonanz, usw. übermittelt, welche beim Hörer bestimmte Emotionen evozieren. Parasprachliche Zeichen sind aber zudem auch kulturgebunden. Während eine Pause im Sprechfluss in fast allen Kulturen auf Zweifel oder Unsicherheit hinweist und ein Gähnen auf Müdigkeit oder Langeweile, so ist zum Beispiel die Intonation von Sprache zu Sprache unterschiedlich. Diesen Unterschieden kann der Untertitler bei seiner Arbeit allerdings kaum gerecht werden – eine Möglichkeit zu Fussnoten wie in der Übersetzung besteht leider nicht. Die einzige Übertragungsmöglichkeit ist die optische. Die wenigen parasprachlichen Elemente, welche übertragen werden, sind Sprechpausen (gekennzeichnet durch „…“ für kurze Pausen oder zeitliche Abstände in den Untertiteln für längere Pausen), Satzzeichen für Ausrufe und Fragen oder der Anfang der Aussage des jeweiligen Sprechers bei Dialogen (gekennzeichnet durch Bindestriche). Von der Möglichkeit, betonte Wörter durch Grossbuchstaben oder kursive Schrift zu kennzeichnen oder getrennt ausgesprochene Silben durch „-“ zu markieren, wird eher selten Gebrauch gemacht. Die musikalischen Codes (Chaume 2004:201-209) werden manchmal untertitelt, allerdings nur dann, wenn der Liedtext als wichtig erachtet wird und im Film nicht zeitgleich gesprochen wird. Mit dem diegetischen Code wird der polyphone Charakter audiovisueller Texte bezeichnet. Diese Polyphonie bezieht sich sowohl auf die 39 Mehrzahl von diegetischen Figuren (in der Szene anwesende aber nicht sichtbare Personen) oder nicht-diegetischen Figuren (Erzählstimme aus dem Off) als auch auf deren räumliche Position während des Sprechens (ibid.:209-216). Bei der Untertitelung spielt die Diegese eine relativ unbedeutende Rolle, lediglich Stimmen aus dem Off werden markiert, indem sie kursiv gesetzt werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Informationen, welche von den verschiedenen akustischen Codes übermittelt werden, nur als Ganzes analysiert werden können, da sie erst im Zusammenspiel einen Sinn ergeben und dem audiovisuellen Text seine Authentizität verleihen. Unter allen akustischen Codes nimmt der sprachliche Code im semiotischen Gefüge eine vorherrschende Stellung ein, da dieser akustische und visuelle Sinneseindrücke vereint, ergänzt oder ihnen widerspricht und so eine Kohäsion des Ganzen sicherstellt. Somit bedarf er der besonderen Aufmerksamkeit des Untertitlers. Der VISUELLE KANAL spielt eine grosse Rolle bei der Übersetzung von audiovisuellen Texten, weil sich der Sinn eines Films aus der Interaktion der auditiven mit der visuellen Narration ergibt und massgeblich das Handeln des Untertitlers beeinflussen sollte. Diese Interaktion führt zu einem Endprodukt, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Nach Chaume stellt das Informationsangebot von Untertiteln verglichen mit dem Informationsangebot des Ausgangstextes denn auch eine höhere Ebene der Kohäsion dar, da die Untertitel die Verbindung zwischen dem Gesehenen und dem Gehörten herstellen, das Ganze zu einem kohärenten Gebilde vereinen (ibid.:225). Wichtig ist der visuelle Kanal auch deshalb, weil es im Bild nebst vielen universellen auch viele kulturgebundene Zeichen gibt, deren Entschlüsselung nicht vom Zielpublikum erwartet werden kann. Womit man wieder bei der Pragmatik und dem Peirce’schen Zeichenmodell wäre. Nach Peirce stehen sprachliche Zeichen in einer pragmatischen Dimension (s. Kapitel 1c): Sprache ohne Benutzer ist undenkbar, da die Elemente des Zeichensystems nur dank der Sprecher auf Teile der aussersprachlichen Wirklichkeit bezogen werden (Pelz 2007:242-243). Die unterschiedlichen Arten des Bezugs zwischen Zeichen und Objekt gliedert Peirce in drei Kategorien: Ikone, Indizes, Symbole. Beim Ikon besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Form des Zeichens und dem, was es ausdrückt (z.B. Piktogramme), ein Index hingegen weist nur auf ein Objekt hin (z.B. Rauch -> Feuer), während ein Symbol keine Ähnlichkeit aufweist, sondern willkürlich festgelegt wurde. Verstanden wird ein Symbol nur, weil seine Bedeutung zur Gewohnheit geworden ist (z.B. das Wort Stuhl als Bezeichnung für den Gegenstand), eine Sprachgemeinschaft sich gewissermassen geeinigt hat, ein Objekt oder einen Sachverhalt so zu nennen. Aber auch nicht-verbale Zeichen hängen von der jeweiligen Gesellschaft ab und werden nicht in jeder Kultur gleich interpretiert. Chaume wendet Peirces Theorie auf audiovisuelle Texte an und befasst sich mit der Bedeutung des ikonographischen Codes für die Übersetzung audiovisueller Texte (Chaume 2004:228-245). 40 Er bezeichnet Hintergrundgeräusche und visuelle Informationen als Indizes. Indizes werden vom Drehbuchautoren oder Regisseur gewollt eingesetzt oder sind ungewollt präsent und richten sich an den Zuschauer und die diegetischen Figuren. Wenn die Konnotation eines Indexes vom Zielpublikum nicht verstanden werden kann, liegt es am Untertitler, aufgrund des Filmgenres, des Texttyps und den Empfängererwartungen zu entscheiden, ob er die Konnotation explizieren will. Das gleiche gilt für Ikone und Symbole, welche dem Zielpublikum fremd sind, wobei der sprachliche Code normalerweise übersetzt wird – mit unterschiedlicher Ausführlichkeit. Auch wenn Ikone, Indizes und Symbole nicht verbalisiert werden, so ist es grundlegend, dass sich der Untertitler ihrer bewusst ist, da dieses Bewusstsein auch seine Arbeitsweise bestimmt und ihm hilft, Schwerpunkte zu setzen. Konkret problematisch sind ikonographische Zeichen, wenn sprachliche Zeichen direkt oder indirekt auf sie verweisen. Im Gegensatz zur Übersetzung, wo entschieden werden kann, Passagen ganz zu streichen oder durch Äquivalente in der Zielkultur zu ersetzen, ist der Untertitler an das im Bild Gezeigte und Gesagte (zumindest in der Länge) gebunden. Macht der Sprecher zum Beispiel ein Wortspiel zu einem im Film vorhandenen Objekt oder Sachverhalt, sollte der Untertitler den gleichen Effekt erzielen wie beim Ausgangspublikum (hier: Lachen), ohne sich zwingend auf dasselbe Objekt respektive denselben Sachverhalt zu beziehen. Er kann und sollte kreativ sein, muss seine Kreativität jedoch innerhalb der Grenzen der erzählten Welt entfalten, um die Kohärenz zwischen auditiver und visueller Narration sicherzustellen. Die Kunst in ihrer kinematographischen Form widerspiegelt die dreidimensionale Realität in zwei Dimensionen. Perspektive, Beleuchtung und Farben (oder Schwarz-Weiss), welche den photographischen Code (Chaume 2004:245-253) ausmachen, stellen wichtige Elemente für die Darstellung der filmischen Realität dar, betreffen die Arbeit des Untertitlers aber nicht direkt, da dieser keine Änderungen am Filmmaterial vornehmen kann. Einzig technische Konsequenzen könnten auftreten, wenn eine allzu starke Beleuchtung die Anpassung der Farbe der Untertitel verlangen würde oder eine zu schwache Beleuchtung in Passagen mit ähnlichen Stimmen die Simultaneität zwischen Ausgangs- und Zieltext erschweren würde. Wichtig sind diese Codes aber in der Hinsicht, dass der Untertitler sich ihrer bewusst sein sollte, um die Bedeutung der kinematographischen Entscheidungen zu erfassen und den Film gemäss seiner Interpretation zu übersetzen. Dies trifft auch auf die Übersetzung von Vulgarismen zu. Als Beispiel nennt Chaume eine Szene aus Blind Date, einem Film von 1987 mit Bruce Willis und Kim Basinger, in dem die weibliche Protagonistin in einer Szene „damn it“ sagt. In der Zielsprache (hier Spanisch) bieten sich sowohl Lexeme familiärer als auch vulgärer Sprachschicht an. Aufgrund der Beleuchtung (Kerzenlicht) und der Situation (traute Zweisamkeit) sollte der Untertitler für einen Euphemismus optieren (¡caray!, euphemistisch für ¡carajo!). Der Code der Einstellung ist 41 vor allem für Synchronsprecher von Bedeutung, da sie Sprechweise, Lautstärke und Genauigkeit der Lippenbewegungen an die Einstellungsgrösse (ibid.:254-260) anpassen müssen; für die Untertitelung ist sie eher zweitrangig. Bei einer Nahaufnahme eines beschrifteten Objekts (z.B. Partitur), dessen Bedeutung der Untertitler als wichtig für das Verständnis des Films erachtet, sollte eine Übersetzung angeboten werden, da dies sonst beim Zuschauer Frustration auslöst. Die Codes der Bewegung (ibid.:260-282) stehen in der Filmwissenschaft sowohl für die Bewegung von Personen und Objekten im Bild als auch für die Kamerabewegung. Die Distanz der Figuren zur Kamera (Proxemik) kann die Untertitelung beeinflussen: Eine grosse Distanz zum Sprecher zeigt an, dass das Gesagte nicht relevant ist, der Untertitler kann sich für eine Ellipse oder eine Weglassung entscheiden. Wenn im Film ein Stimmengewirr herrscht, welches unmöglich in seiner Gesamtheit schriftlich wiedergegeben werden kann, und sich die Kamera dabei auf nur einen Protagonisten richtet, kann entschieden werden, in den Untertitlen nur dessen Äusserungen zu übertragen. Auch die Kinesik (Mimik, Gestik, Pantomimik) kann verbalisiert werden, sofern dies nötig erscheint und möglich ist (zeitlich-räumliche Begrenzungen). Wenn eine Geste die wortwörtliche Bedeutung einer Metapher untermalt (z.B. etwas aus dem Ärmel schütteln) oder aber, wenn die Intention des sprachlichen Codes darin besteht, durch die Verletzung eines nicht-sprachlichen Zeichens Ironie hervorzurufen, sollte dieser Effekt auch im Zieltext weiterbestehen. Weiter gehört zu den Codes der Bewegung auch die Artikulation, welche bei der Untertitelung nur insofern wichtig ist, als Untertitel etwa gleichzeitig eingeblendet werden und der Dauer der Lippenbewegungen entsprechen sollten. Dadurch, dass dem menschlichen Auge weniger Informationen zugemutet als akustisch wahrgenommen werden können, findet zwangsläufig eine Reduktion statt. Doch über den visuellen Kanal werden nicht nur Bilder, sondern auch graphische Codes (ibid.:282-295) übermittelt. So werden schriftliche Informationen in Vor- und Abspann, eingeblendete Schriftstücke oder Texte sowie Zwischentitel oder Untertitel des Ausgangstextes in den allermeisten Fällen übersetzt und in Form von Untertiteln eingeblendet. Bei der Übersetzung des Filmtitels bestehen vier Möglichkeiten: 1) wortwörtliche Übersetzung, 2) Belassung in der Ausgangssprache, 3) partielle Übersetzung, 4) werbewirksame/freie Übersetzung. Der Film The Departed, welcher auf Deutsch unter dem Namen Departed – Unter Feinden bekannt ist, stellt eine Sonderform dar, da ein Wort in der Ausgangssprache belassen wurde, jedoch ergänzt wurde um eine zielsprachliche Wortgruppe, welche vermutlich zu Werbezwecken beigefügt wurde, um dem Zuschauer anzuzeigen, dass es sich um einen Thriller/Gangsterfilm handelt. Der letzte und alle vorherigen visuellen Codes kombinierende Code ist der syntaktische Code (ibid.:295-306), welcher sich auf den Vorgang des Filmschnitts bezieht, bei dem einzelne Einstellungen zu einem Ganzen vereint werden. Die Arbeit des Untertitlers 42 wird durch die Art der Verkettung von Ikonen der visuellen Narration massgeblich beeinflusst. Chaume analysiert die verschiedenen Codes und deren Auswirkung auf die Untertitelungspraxis im Detail, wobei er jeweils anhand von Beispielen mögliche Übersetzungsverfahren aufzeigt. Doch vermeidet er meist, allgemeine Normen zu formulieren. Es überrascht, dass sich auch bei anderen Autoren höchst selten allgemeine Übersetzungsstrategien finden lassen, wie der Ausgangstext verdichtet werden kann, umso mehr, als dass in fast jedem Werk zur Untertitelung seit Ivarssons Subtitling for the Media (1992) die zeitliche und räumliche Begrenzung als wesentliche Merkmale und grundlegende Schwierigkeiten aufgeführt werden. Die meisten Leitfäden führen in erster Linie technische und qualitative Kriterien an und beziehen sich nicht auf die eigentliche Vorgehensweise. So auch Díaz Cintas‘ Plädoyer für gute Spotting Lists (Díaz Cintas 2001:199-211) oder der Code of Good Subtitling Practice von Ivarsson und Carroll (2005). Díaz Cintas’ Artikel ist für den Untertitler nicht relevant, weil dieser auf die Qualität der Spotting List keinen Einfluss ausüben kann. Im Code of Good Subtitling Practice von Ivarsson/Carroll werden unter anderem die externen Grundvoraussetzungen für eine gute Untertitelung, die Aufgaben des Untertitlers, Qualitätsansprüche und technische Bedingungen aufgezählt. Doch ausser den Tipps, auf einfache syntaktische Strukturen zurückzugreifen oder Namen und allgemein verständliche Sätze nicht zwingend zu untertiteln, bietet der Text keine konkrete Hilfestellung. Wieso gibt es keine untertitelungsspezifischen Übersetzungsstrategien, wenn doch die Schwierigkeiten seit jeher die gleichen sind? An der Forschung, welche sich zu wenig mit der Problematik auseinandergesetzt hätte, liegt es nicht. Eher daran, dass das Formulieren allgemeingültiger Normen für die Untertitelung aufgrund der Komplexität des Mediums und der Ungleichheit der Ausgangsbedingungen tückisch ist. Die Komplexität der Untertitelung ergibt sich aus dem Zusammenspiel der oben aufgeführten Codes sowie externer Faktoren (Arbeitsprozesse, Vorgaben des Auftraggebers, Vertrieb, Publikum, usw. – mehr dazu in Kapitel 4e, berufliche und wirtschaftliche Faktoren), welche jede Untertitelung zum Sonderfall machen. Selbst was die technischen Aspekte anbelangt (Zeit und Raum), gibt es keine international verbindlichen Richtlinien. Und das, obwohl der technische Standard weltweit der gleiche ist: In Kinos kommen fast überall 35-Millimeter-Filme zum Einsatz (ausser im D-Cinema), wobei ein Fuss Normalfilm immer aus 16 Bildern besteht und pro Sekunde 24 Bilder über die Leinwand flimmern müssen, um dem Zuschauer den Eindruck von Bewegung zu vermitteln. Demnach entspricht eine Filmsekunde 1.5 Fuss (oder 1 Fuss und 8 Bildern). Als angenehme Lesegeschwindigkeit werden gemeinhin 10 Anschläge (beinhalten Buchstaben, Leerschläge und Satzzeichen) pro Filmfuss (16 Bilder) angesehen (Díaz Cintas/Remael 2009:72). Doch die vorausgesetzte Lesegeschwindigkeit unterscheidet 43 sich je nach Land (vgl. spanische Richtlinien in Chaume 2004:99-100 mit deutschen Richtlinien nach Nagel 2009:63-64), aber auch nach Zeit (das Publikum hat sich mehr und mehr an Untertitel gewöhnt und kann diese heute viel schneller verarbeiten als noch vor zwanzig Jahren, Gottlieb 1992:164-165). So sind viele Angaben, welche Ivarsson 1992 zu Länge, Form und Entstehung von Untertiteln macht, längst überholt. Auch das Medium spielt eine grosse Rolle: Für Fernsehen und Video sind die Untertitel allgemein kürzer und werden 30% länger eingeblendet als für Kinofilme, weil die Untertitel im Kino dank Grösse und Schärfe der Buchstaben besser zu lesen sind (Cedeño Rojas 2007:90). Bei Spielfilmen geht man von 140-150 eingeblendeten Wörtern pro Minute aus gegenüber 180 Wörtern für DVDS (Díaz Cintas/Remael 2009:96-99). Die Vorgaben der Agentur Titra, welche die Untertitel für die schweizerische Kinofassung angefertigt hat, lauten 10 Anschläge pro Fuss13. f) Untertitelungsspezifische Übersetzungsverfahren Eine Übersetzungsstrategie ist nicht zu verwechseln mit einem Übersetzungsverfahren. In dieser Arbeit wird von einer Definition der Übersetzungsstrategie als Methode, welche sich auf einen ganzen Text bezieht und unter anderem von Texttyp und Übersetzungszweck abhängt, und einer Definition des Übersetzungsverfahrens, welches sich auf kleinere Textabschnitte bezieht, ausgegangen (Schreiber 1998:151). Auch wenn jeder Film ein Spezialfall ist, es also wie im letzten Unterkapitel bemerkt nicht die untertitelungsspezifische Übersetzungsstrategie gibt, so lassen sich gewisse Verfahren festhalten, welche vom Untertitler angewendet werden können, um den Zieltext auf das vorgegebene Format zu reduzieren. Ivarssons Auflistung allgemeiner Editing-Techniken liefert einen ersten Ansatzpunkt. Auslassung, Paraphrase, Wandlung in Ellipsen, Straffung kurzer Dialoge, Vereinfachung der Syntax und des Vokabulars werden als Mittel angeführt, den Zieltext auf den vorgegebenen Rahmen zu reduzieren (Ivarsson 1992:90-05). In einem späteren Kategorisierungsversuch reduziert er die Verfahren auf vier: Paraphrase, Auslassung, Vereinfachung der Syntax und des Vokabulars, Zusammenfassung von kurzen Dialogen (Ivarsson/Carroll 1998 zitiert nach Leissner 2009:45-48). Gottlieb erweitert diese Typologie auf 10 Übersetzungsverfahren zur Textverkürzung: 13 Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11]. 44 Abb. 6: Subtitling strategies (Gottlieb 1992:166) Die Verfahren 1-7 ermöglichen eine korrespondierende Übersetzung der Ausgangstextsegmente. Bei Verfahren 7 handelt es sich nur um eine quantitative Reduktion (Reduktion um redundante Merkmale gesprochener Sprache), während Verfahren 8 auch eine semantische Reduktion impliziert. Sowohl bei 8 als auch bei 9 findet eine semantische Reduktion oder eine stilistische Vereinfachung statt. Typ 10 findet sich in jeder Art von Übersetzung, insbesondere bei der Übertragung von kulturspezifischen Elementen (Gottlieb 1992:166-167). Fast zwei Jahrzehnte später nennt Luis Pérez González die gleichen Stichwörter: deleting, condensing, adapting (Pérez González 2009:16). Für das Sprachenpaar Englisch-Deutsch liefern Christina Hurt und Brigitte Widler ein paar anschauliche Beispiele: Auslassung oder Umformulierung von Dialogteilen, die nicht unbedingt zum Verständnis notwendig sind bzw. die aus dem dazugehörigen Bild ersichtlich sind: O: I can’t shut this case (Koffer ist auf dem Bildschirm zu sehen) UT: Ich krieg ihn nicht zu. Auslassungen von Wiederholungen, die aus dem Kontext ersichtlich sind: O: Um – stick it in the fridge. – You can’t put your pregnancy in the fridge! UT: Geben Sie es in den Kühlschrank. – Du kannst es nicht dort hintun. Auslassung von Füllwörtern wie „well“ oder „I say“, von Frageanhängseln wie „isn’t it?“, „don’t you“ oder von kurzen Ausdrücken, die bereits Gesagtes noch zusätzlich betonen sollen, z.B. „you know“: O: Well, I can’t take my foetus skiing Pandy-poos – can I… UT: Ich kann meinen Fötus nicht zum Skifahren mitnehmen. Zusammenfassung kurzer Dialoge zu grösseren Sinneinheiten: O: Mrs. V. Goode? –Yes. – Of 1, The Avenue, Surrey? – Yes … UT: Mrs. Goode? – Ja. – Avenue 1, Surrey? – Ja. Vorschlag: Mrs. V. Goode, Avenue 1, Surrey? – Ja. Vereinfachung der Syntax und des Vokabulars: O: Give me your wallet or I’ll kick your head in. UT: Geld oder Leben! (Hurt/Widler 2006:262) Die Verfahren zur Textverkürzung werden zwar je nach Autor anders benannt, sind aber im Kern die gleichen. Am klarsten unterteilt und am plausibelsten erscheinen noch immer die vier Kategorien von Ivarsson/Carroll (1998). Inwiefern Vulgarität diesen Verfahren zum Opfer fallen kann, soll nun erörtert werden. 45 3. Vulgarismen in der Untertitelung Wie im ersten Kapitel beschrieben, setzt sich das Konzept der Vulgarität aus zahlreichen sprachlichen und nicht-sprachlichen Facetten zusammen und findet in der Sprache in vielen verschiedenen Formen Ausdruck. Die sprachlichen Formen sind kontext- und kulturgebunden, werden aber auch entscheidend durch das Medium beeinflusst. Wie im zweiten Kapitel aufgezeigt wurde, gelten für die Untertitelung nicht die gleichen Regeln wie für die Übersetzung. So müssen Untertitel synchron mit dem Ausgangstext eingeblendet werden, die verschiedenen Informationskanäle optimal ergänzen, einen vergleichbaren Effekt auf den Zuschauer ausüben und dabei die konventionellen zeitlichen und räumlichen Begrenzungen einhalten. Beide Aspekte, sowohl Vulgarität als auch Untertitelung, bieten spezifische übersetzerische Schwierigkeiten, durch die Kombination erhöht sich die Komplexität des Problems weiter. Die Frage der filmischen Übertragung von Vulgarität hat bislang noch niemand erörtert, daher müssen Theorien aus anderen Forschungsdisziplinen sowie Theorien der audiovisuellen Übersetzung zu einzelnen Aspekten der Vulgärsprache herbeigezogen werden, welche dann, angepasst auf die Problematik, zu einer Arbeitshypothese führen sollen. a) Aus soziolinguistischer Perspektive Allan Bell betrachtet in seinem Artikel „Language style as audience design“ (1984) Stil aus soziolinguistischer Sicht. Anders als seine Vorgänger gilt sein Interesse jedoch nicht Stil als interspeaker variation (unterschiedliche Sprechweise zwischen Personen), sondern als intraspeaker variation (unterschiedliche Sprechweise einer Person je nach Situation und Publikum). Seit William Labovs Studien in den 1960er Jahren beschäftigte sich die Soziolinguistik intensiv mit den Unterschieden in der Sprechweise verschiedener sozialer Gruppen (Bell 1984:145). Das Interesse galt jedoch vorrangig der sozialen Achse, während die stilistische kaum untersucht wurde. Bell betrachtet Stil aber nicht wie andere vor ihm als unabhängige, quantifizierbare Variable (wie Alter oder Gesellschaftsschicht), welche die sprachliche Variation beeinflusst und erklärt, sondern als eigene sprachliche Achse soziolinguistischer Variation, welche mit unabhängigen aussersprachlichen Variablen in Beziehung steht (ibid:146). Doch steht die intraspeaker variation in enger Verbindung zur interspeaker variation, da das Erlernen von Stilen den Zugang zu einer Reihe von Gesprächspartnern ermöglicht (ibid.:158). Bell stellt die Hypothese auf, dass Stil die Antwort eines Sprechers auf sein Publikum ist. So passt der Sprecher – bewusst oder unbewusst – seinen Stil an seine Adressaten an. Die Unterschiede innerhalb der Ausdrucksweise des 46 Sprechers sind zurückzuführen auf den Einfluss der zweiten Person und eventuell dritter Personen, welche zusammen das Publikum der ersten Person, des Sprechers, formen. Bell klassifiziert das Zielpublikum in 4 audience roles nach ihrer Priorität für den Sprecher: Abb. 7: Hierarchy of attributes and audience roles (Bell 1984:160) Bell zufolge bestimmen vorrangig die Adressaten (addressees) den Stil des Sprechers, an zweiter Stelle folgen die nicht direkt adressierten Zuhörer (auditors) und an dritter Stelle die nicht-ratifizierten Zuhörer (overhearer). Die Lauscher (eavesdropper) haben hingegen keinen Einfluss, da der Sprecher sich ihrer Anwesenheit nicht bewusst ist (ibid.:159). Von Bedeutung ist diese Theorie deshalb, weil sie auch auf die Untertitelung angewandt werden kann und hilft, sich einen Überblick über die Akteure im Untertitelungsprozess zu verschaffen. Denn im Unterschied zur konventionellen Übersetzung, bei der man von einem Autor und einem Zielpublikum ausgeht, gibt es im Film mehrere Ebenen der Textproduktion und –rezeption. Basil Hatim und Ian Mason (1997) unterscheiden fünf Rollen: Text producer 1 = scriptwriter (film director, etc.) Text producer 2 = character A on screen Text receiver 1 = character B on screen Text receiver 2 = cinema audience (Text receiver 3 = other potential receivers) (Hatim/Mason 1997:83) In einem Filmdialog verhalten sich die Protagonisten des Films wie Adressaten (addressees) in einer fiktiven Welt, in der das Kinopublikum die Rolle des Lauschers (eavesdropper) übernimmt. Tatsächlich aber schreibt der Drehbuchautor den Dialog für eine Anzahl ihm bekannter, ratifizierter aber nicht direkt angesprochener Empfänger: das Kinopublikum (das die Rolle des auditor besetzt). Andere potentielle Empfänger wie Jurys von Filmfestspielen, Zensurinstanzen, usw. können als overhearers betrachtet werden. Hat der Textproduzent wie bei der Massenkommunikation keine Gewissheit darüber, wer sein Rezipient ist, so passt er seinen Stil an sein mentales Bild jener (soziokulturellen) Gruppe an, die er als wahrscheinliche Rezipienten einstuft (von Bell initiative style design genannt). Dadurch kehrt sich die Hierarchie um: Allgemein ist es so, dass ein Drehbuch in erster Linie für die Zuschauer geschrieben wird und erst in zweiter Linie für die unmittelbaren Adressaten innerhalb des fiktiven Dialogs. So haben auch bei der Untertitelung die Zuschauer Vorrang. Die erste Priorität des Untertitlers ist die Schaffung von Kohärenz für den Empfänger 47 (Kinopublikum), erst an zweiter Stelle kommen Kohärenz und Kohäsion innerhalb des Filmdialogs (ibid.:83-84). Hatim und Mason liessen jedoch die anderen Akteure, welche im Rahmen des Untertitelungsprozesses Einfluss nehmen können, ausser Acht. In der Praxis ist ein Untertitler nie alleine für die Übersetzung eines Films zuständig. Die Übersetzungsarbeit erfolgt in der Gruppe, wobei jemand das Spotting (Festlegen der Ein- und Ausblendung von Untertiteln) übernimmt, jemand übersetzt und jemand das Endprodukt revidiert. Zudem müssen sich die Untertitler dem Willen ihres Auftraggebers fügen: Sie unterstehen ihrem direkten Arbeitgeber, der Untertitelungsgesellschaft, erhalten aber unter Umständen auch Anweisungen der Filmgesellschaft oder fühlen sich dem Regisseur (und der Kohärenz des Films als künstlerisches Werk) verpflichtet. Die Rolle der einzelnen Akteure sowie die Arbeitsbedingungen des Untertitlers können jedoch sehr unterschiedlich ausfallen. Da die Situation von Land zu Land und teilweise auch von Untertitelungsagentur zu Untertitelungsagentur anders gelagert ist, sollen die beruflichen Faktoren, welche in Bezug auf den analysierten Film bei der Übertragung von Vulgarität mitspielen können, erst im Rahmen der Beispielsanalyse (4evi. Erklärungsversuche) besprochen werden. b) Aus psycholinguistischer Perspektive Eine weitere Theorie, welche nicht eigentlich aus dem Bereich der Übersetzungsforschung kommt, aber auf die vorliegende Problematik angewandt werden kann, ist die politeness theory von Penelope Brown und Stephen C. Levinson (1987). Brown und Levinson, zwei Psycholinguisten, haben sich mit den universellen Zügen der Höflichkeit in der Sprache befasst. Universell deshalb, weil selbst zwischen sehr unterschiedlichen Sprachen und Kulturen Parallelen bestehen in der Formulierung höflicher Äusserungen (Brown 1987:1411). Neben sprachlichen Faktoren, welche determinieren, in welcher Form sich Höflichkeit in einer Einzelsprache manifestiert, gibt es drei soziale Faktoren, welche bestimmen, inwiefern der Grad der Höflichkeit an die Hörer angepasst wird: Macht, Solidarität sowie kulturelle Normen und Werte (ibid.). Höflichkeit wird jedoch nicht wie im allgemeinsprachlichen Sinne als gesittetes Benehmen aufgefasst, sondern bezieht sich auf alle Aspekte des Sprachgebrauchs, welche interpersonale Beziehungen zwischen Textproduzent und -rezipient herstellen, erhalten oder verändern. Die primäre Funktion von Höflichkeit ist, dass sie von einem Sprecher eingesetzt werden kann, um im Gespräch seine Ziele zu erreichen. Im Rahmen ihrer konstruktivistischen Theorie gehen die Autoren weiter von einer idealen Gesprächssituation aus, in der der Modellsprecher (Model Person, MP) mit zwei Eigenschaften ausgestattet ist: Rationalität und Face. Rationalität bedeutet, dass der Sprecher 48 vernunftbegabt jene Mittel wählt, die ihm ermöglichen, sein Ziel zu erreichen. Das Face (face im Sinne von Gesicht wie in sein Gesicht verlieren) wiederum bezeichnet eine Form des Ichs, die der Sprecher in der Interaktion mit anderen besitzt. Erving Goffman, auf den die Definition des Begriffs zurückgeht, zog zur Erklärung eine Parallele zum Theater und bezeichnete Face als die Maske, welche der Schauspieler je nach Publikum und sozialer Situation aufsetzt. Der Mensch hält in sozialen Situationen an seinem erschaffenen Face fest und baut eine emotionale Beziehung zu ihm auf: wird es gewahrt, fühlt er sich gut, verliert er sein Gesicht, fühlt er sich schlecht (Goffman 1971:10ff.). Daraus ergeben sich zwei Bedürfnisse: Das negative Face beschreibt das Recht oder den Anspruch eines Mitglieds der Gesellschaft auf das Wahren seiner persönlichen Privatsphäre, das Recht nicht gestört oder ungewollt penetriert zu werden sowie die Freiheit zu Handeln. Das positive Face bedeutet die eigene Sicht auf seine Persönlichkeit als integrierungswürdiges Mitglied der Gesellschaft - mit anderen Worten der Wunsch, dass das eigene Selbstbild geachtet, gemocht und gewürdigt wird. (Grzega 2005) In der Kommunikationssituation geht man neben der Annahme, dass beide Kommunikationspartner rational agieren und dabei ihr Gesicht wahren wollen, auch davon aus, dass sie kooperieren. Unter Kooperation versteht man nach Paul Grice (1975), dass beide Kommunikationspartner annehmen, dass das, was der andere sagt, Sinn ergibt. Ergibt die konventionelle Bedeutung der Wörter zusammen keinen Sinn, sucht der Hörer nach Möglichkeiten, die Bedeutung aus dem Kontext abzuleiten (Grice 1975:44). Dieses Phänomen nennt sich konversationelle Implikatur und erklärt, wieso der Sprecher auch dann vom Hörer verstanden werden kann, wenn er seine Intention nicht wortwörtlich zum Ausdruck bringt, sondern sich zum Beispiel der Ironie oder im vorliegenden Fall der Höflichkeit bedient. Kooperation bedeutet hier aber auch, dass wenn jeder sein Gesicht wahren will, es im Rahmen einer Konversation im Interesse beider ist, das Gesicht des jeweils anderen zu wahren (Brown/Levinson 1987:60). Es gibt allerdings auch Situation, in denen die FaceBedürfnisse nicht respektiert werden, sei es absichtlich oder unabsichtlich. Brown/Levinson bezeichnen Sprechakte, welche per se das positive oder negative Face bedrohen, als FaceThreatening Acts (FTAs). Das negative Face des Hörers wird durch alles bedroht, was der Sprecher äussert und so den Empfänger in seiner Freiheit auf die eine oder andere Art einschränkt oder Handlungsdruck auf ihn ausübt (z.B. durch Befehle, Bitten, Ratschläge oder Erinnerungen). Das positive Face des Hörers wird bedroht, wenn Kritik ausgeübt wird oder Beschwerden, Anschuldigungen oder Beleidigungen ausgesprochen werden (Grzega 2005). 49 Abb. 8: Possible strategies for doing FTAs (Brown/Levinson 1987:60) Die Bedrohung ist dem FTA inhärent, doch kann der Sprecher, wenn er sich entscheidet, den Sprechakt doch auszuführen (do the FTA), den FTA indirekt ausführen (off record) oder direkt (on record). Er wird versuchen, seine Intention entweder zweideutig zu formulieren (off record) oder aber eindeutig, jedoch in Kombination mit Höflichkeitsstrategien (redressive action), um den Gesichtsverlust des Hörers zu minimieren. Die Strategien können entweder auf das positive oder das negative Face des Hörers abzielen. Positive Höflichkeit bringt Nähe und Solidarität zwischen Sprecher und Hörer zum Ausdruck (z.B. durch das inklusive Wir), negative Höflichkeit hingegen Distanz, Respekt und Handlungsfreiheit (z.B. durch Passivkonstruktionen oder Modalverben, Brown 1987:1411f.). Und so kommen die oben genannten sozialen Faktoren wieder ins Spiel: Die Entscheidung, ob und wie ein FTA ausgeführt wird, wird beeinflusst durch die subjektive soziale Distanz zwischen Sprecher und Hörer, die subjektive relative Macht von Sprecher und Hörer sowie die subjektive Einschätzung der Intensität eines FTAs je nach Kultur (Grzega 2005). Wenn man jemanden um einen Gefallen bitten möchte, sucht man sich eher einen Freund (soziale Nähe) als einen Vorgesetzten (hierarchische Unterlegenheit) aus, da das Risiko eines FTA dann kleiner ist. Allgemein ist es so, dass je höher die inhärente Gefahr eines Gesichtsverlustes (greater estimation of risk of face loss) ist, desto vorsichtiger ergo höflicher wird man formulieren; ist das Risiko zu gross, kann man entscheiden, von der Ausführung des Sprechaktes ganz abzusehen (don’t do the FTA, Brown 1987:1412). Für die Übersetzung bedeuten die von Brown/Levinson hervorgehobenen universellen Charakteristika von Höflichkeit, dass Höflichkeit von einer Kultur in die andere übertragen werden kann, sofern die nötigen sprachlichen Anpassungen gemacht werden. Uns soll hier aber nicht die Höflichkeit interessieren, sondern die Vulgarität. Diese könnte sich in das Schema von Brown/Levinson je nach Ausprägung der sozialen Faktoren als Strategie positiver Höflichkeit eingliedern, wenn Vulgärsprache die bevorzugte Ausdruckweise der sozialen Gruppe ist, welcher Sprecher und Hörer angehören, und dadurch 50 soziale Nähe geschaffen werden soll. Sie könnte aber auch – wie auf der in Kapitel 1 vorgeschlagenen Lokutionsskala (S. 12 dieser Arbeit) – das Gegenteil von Höflichkeit darstellen: nämlich in jenen Fällen, in denen der Sprecher mit seiner Äusserung absichtlich oder unabsichtlich einen Gesichtsverlust des Hörers herbeiführt (ohne sprachliche Zurückhaltung, baldly), zum Beispiel, indem er ihn mithilfe eines Vulgarismus beschimpft. Für die Übersetzung sind auf diese Weise verwendete Vulgarismen deswegen von Bedeutung, weil sie die Intensität des FTAs entscheidend beeinflussen. In einer guten Übersetzung sollte der Grad des FTA bei der Übertragung von der Ausgangs- in die Zielkultur beibehalten werden. In Kapitel 4, welches sich der Analyse des Films The Departed widmet, sollen die Protagonisten und ihre Beziehung zueinander deshalb mit besonderem Fokus auf die drei von Brown/Levinson genannten Faktoren der sozialen Nähe, der gesellschaftlichen Hierarchie sowie der Normen und Werte von Ausgangs- und Zielkultur untersucht werden. c) Aus audiovisueller Perspektive i. Eine Aspekte von Slang und Vulgärsprache in der Untertitelungswissenschaft Facette der Vulgärsprache, die auf Interesse seitens der Sprach- und Übersetzungswissenschaftler stiess, ist die Mündlichkeit. Während der Soziolinguist Anatoli Domaschnev noch der Ansicht war, dass Slang primär mündliche Sprache sei und wie auch die Lexik der Alltagssprache zum nicht schriftfähigen Sprachgut innerhalb der gesprochenen Sphäre der Hochsprache (Literatursprache) gehöre (Domaschnev 1987:312), hat ihn die Realität inzwischen eines besseren belehrt. Während Slang heutzutage auch in der Literatur rege Verwendung findet, stellt seine Verschriftlichung in der Untertitelung als diagonale Übersetzung (Gottlieb 1997:111) eine conditio sine qua non dar und verweist zugleich auf einen ihrer grössten Widersprüche: Die Fiktion soll so real wie möglich wiedergegeben werden. Denn der filmische Dialog, obwohl vom Drehbuchautor orchestriert und verschriftlicht, zielt darauf ab, natürlich zu wirken. Ein Drehbuch ist aber nicht in Stein gemeisselt, so weichen die Äusserungen der Schauspieler oft davon ab (so auch bei The Departed, vgl. dazu den Film mit William Monahans Drehbuch14). Die gespielte Natürlichkeit soll auch in den Untertiteln vermittelt werden, allerdings gelten für die Übersetzung des gesprochenen Ausgangstextes schriftliche Normen, was Gambier als paradox einstuft: 14 Drehbuch abrufbar unter: http://www.imsdb.com/Movie%20Scripts/Departed,%20The%20Script.html [15.08.11] 51 [...] il faut souligner les spécificités paradoxales du sous-titre (passage de l’oral { l’écrit, d’une langue { l’autre, l’original étant toujours l{): ce double passage [...] n’entraine-t-il pas (jusqu’{ quel point?) un repli sur les conventions et les normes attachées { l’écrit – repli qui ne transgresserait pas les habitudes et attentes du lecteur? (Gambier 2004:2054) In der Tat mag die Verschriftlichung von gesprochener Sprache auf den Zuschauer befremdend wirken. Doch gelten für die schriftliche Sprache andere Normen als für die mündliche Rede. Falsche Redeanfänge, Selbstkorrekturen, Unterbrechungen, unvollendete Sätze, grammatikalisch Zweideutigkeit, Nonsens, inkorrekte Konstruktionen, überlappende Rede Versprecher, und Widersprüche, undeutliche Aussprache (Gottlieb 1997:112f.) sind typisch für die spontane Sprechweise, einer authentischen Wiedergabe stehen aber die untertitelungspezifischen Begrenzungen entgegen. Da ein Untertitel zwangsläufig kürzer ist als der Originaltext, muss er kompakt und schnell verständlich sein. Auf phonetische oder syntaktische Exzentrik wird der Leserlichkeit zuliebe meist verzichtet. Dadurch, dass Schriftsprache gemeinhin mit Standardsprache gleichgesetzt wird, wandelt sich der Substandard des Ausgangstextes im Zieltext in Standardvarietät (Assis Rosa 2001:216). Um den Zuschauer nicht durch die Eigenheiten des verbalen Modus zu stören, fallen deshalb gerade Slangismen und Vulgarismen bei der Übertragung in die standardisierte Schriftsprache häufig weg (Nagel 2009:58). Doch nicht die Quantität der wegfallenden Elemente ist entscheidend, sondern die Auswirkungen, welche deren Streichung auf die Darstellung der filmischen Realität hat. Mündlichkeit in der Untertitelung kann nicht isoliert betrachtet werden, Dialoge finden immer auch in einem bestimmten Kontext statt und erfüllen einen bestimmten Zweck. Eine Analyse der pragmatischen Dimension der filmischen Realität ist notwendig, um bestimmen zu können, ob die Übertragung von einer Sprache in die andere geglückt ist. Dieser Problematik widmet sich Ian Mason seit den späten 1980er Jahren. So hat er insbesondere die interpersonale Dynamik in der Untertitelung untersucht und herausgefunden, dass die untertitelungstypischen Vereinfachungen und Verknappungen die Dynamik zwischen den Protagonisten erheblich verändern kann. 1997 führte Mason zusammen mit Basil Hatim einen Vergleich der lexikalischen und syntaktischen Strukturen eines Films in Ausgangs- und Zieltext durch, um herauszufinden, ob Höflichkeit (als Ausdrucksmittel einer Beziehung) in der Untertitelung äquivalent wiedergegeben wird. Bei der Analyse stellte sich heraus, dass die Informationen des Ausgangstextes zwar wiedergegeben wurden, nicht aber die konversationellen Implikaturen (Hatim/Mason 1997:86). Diese fielen weg oder veränderten sich aufgrund bestimmter lexikalischer Entschlüsse (unterschiedliche Konnotationen, Zweideutigkeit wird zu Eindeutigkeit) und syntaktischer Entscheidungen (Wechsel der Satzart, ganze Sätze anstelle von unvollendeten, Betonung). Syntaktische Entscheidungen können die Sicherheit der 52 Aussagen und somit die Intensität der Face-Threatening Acts (FTAs) verändern. Wenn zum Beispiel rhetorische Fragen plötzlich zu affirmativen Aussagen, affirmative Aussagen hingegen zu Fragen werden, kann dies zu einer Verstärkung bzw. Abschwächung der implikatierten FTAs führen. Bedingt dadurch, dass sich der Untertitlers in erster Linie dem Kinopublikum verpflichtet fühlt und erst in zweiter Linie den Personen im Film, räumt er der Schaffung von Kohärenz für den Zuschauer eine grössere Priorität ein als der getreuen Darstellung der Dynamik zwischen den Protagonisten. Die Schaffung von Kohärenz erfolgt aber nicht durch Kohäsion, welche in der Untertitelung durch die Begrenzung von Zeit und Raum tendenziell eher wegfällt (z.B. durch Weglassen von Konjunktionen, Pronomen und deiktischen Ausdrücken), sondern durch das Zusammenspiel aller Informationskanäle (Mason 2001:23). Die Schaffung von Kohärenz für den Zuschauer kann jedoch zum Problem werden, wenn eine vom Sprecher bewusst zweideutig gehaltene Referenz verdeutlicht wird, da dies den Grad des FTAs erhöht (Hatim/Mason 1997:87). Im von Hatim und Mason analysierten Film verliert sich durch die übersetzerischen Entscheidungen die provokative Art der Protagonistin (starke FTAs, „bald on record“-Strategie) gegenüber dem Protagonisten, welcher versucht, ihr verbal auszuweichen („off record“-Strategie). In der Untertitelung scheint sie versöhnlicher, er bestimmter – ihre Beziehung wechselt von spannungsgeladen im Ausgangstext zu beinahe harmonisch im Zieltext. Die Autoren schliessen aus ihrer Beispielsanalyse, dass bei der Untertitelung allgemein Höflichkeitsstrukturen verloren gehen. Mason führt dies in einem späteren Artikel auch auf die Arbeitsweise des Untertitlers zurück, welcher meist Satz für Satz oder Sprechakt für Sprechakt vorgeht. Interpersonale Beziehungen entwickeln sich jedoch über Sequenzen (Textakte) hinweg, daher ist es wichtig, dass der Untertitler sich nicht auf einzelne Äusserungen versteift, sondern den Kontext jederzeit im Auge behält (Mason 2001:20, 26). In Kapitel 4 sollen die ausgewählten Szenen des Beispielfilms auch auf ihre pragmatische Dimension hin untersucht werden, um herauszufinden, ob der deutschsprachige Zuschauer die unausgesprochenen beabsichtigten Bedeutungen (Implikaturen) verstehen kann und die Intensität der FTAs in Ausgangs- und Zieltext getreu wiedergegeben wird. Denn wenn in der interpersonalen Dynamik der Aspekt der Höflichkeit wegfällt, besteht die Gefahr, dass auch die Vulgarität bis zu einem gewissen Grad verloren geht. Diese Gefahr ist auch deshalb potentiell gross, weil Vulgarismen, wie in Kapitel 1c besprochen, in erster Linie in die illokutiven Klassen der Emotiven und Expressiven fallen, und Analysen (nach Jakobsons sechs Sprachfunktionen, s. Assis Rosa 2001:216) zufolge in der Untertitelung der Fokus allgemein auf der referentiellen Funktion liegt und expressive und phatische Funktionen weggelassen werden. Wie bereits in Kapitel 1 angesprochen, sind Slang und Vulgärsprache stark situations- und kulturabhängig. Kulturspezifik ist denn auch ein Thema, welches in der 53 Übersetzungswissenschaft seit Jahrzehnten heiss diskutiert wird. Das Problem ist weniger, dass die Zielsprache nicht über äquivalente Begriffe oder Ausdrücke verfügt, als dass Fragmente der in der Ausgangssprache beschriebenen Realität in der Zielsprachenkultur nicht existieren (Tomaszkiewicz 2001a:238). Die Frage, welche sich bei jeder Übersetzung stellt ist: Passt Zielsprachenkultur man an kulturspezifische (einbürgernde Elemente Übersetzung der nach Ausgangssprache Friedrich an die Schleiermacher, Domestication nach Lawrence Venuti), oder bringt man dem Leser die fremde Kultur näher und konfrontiert ihn mit den kulturellen und sprachlichen Unterschieden (verfremdende Übersetzung nach Schleiermacher 1813 in Störig 1963, Foreignization nach Venuti 1995)? Während der Übersetzer relativ frei ist in seiner Entscheidung Domestication vs. Foreignization, ist der Untertitler eingeschränkt durch Originalbild und –ton, welche im Zieltext unverändert bestehen bleiben und somit unvermeidlich einen verfremdenden Effekt haben (Schröpf 2008:76). Ramona Schröpf ist der Ansicht, dass gerade wegen dieses verfremdenden Effekts des im Zieltext weiterbestehenden Ausgangstexts das verfremdende Übersetzen für die Untertitelung nicht immer ratsam ist. Der Zuschauer wäre überfordert, wenn ausgangssprachliche Kulturspezifika synchron und unerklärt aus mehreren Kanälen (Bild, Originalton, Untertitel) auf ihn niederprasseln würden. Aber auch eine einbürgernde Übersetzung wäre unangebracht, da ausgangssprachliche Kulturspezifika im Bild so oder so weiterbestehen und diese dann im Widerspruch zu zielsprachlichen Kulturspezifika stehen würden. Auch Peter Fawcett (2003) ist gegen eine einbürgernde Übersetzung, allerdings aus dem Grund, dass sie für ihn einer Manipulation von Sprache und Kultur gleichkommt. Aus seiner Analyse der Untertitelung französischer Filme für ein englischsprachiges Publikum schliesst er, dass die Verunsichtbarung französischer Kultur zugunsten der bewussten oder unbewussten Amerikanisierung des Zieltextes eine Form kultureller Repression respektive Kolonisation ist (Fawcett 2003:154). Die Beibehaltung von kulturellen Referenzen, welche für den englischsprachigen Zuschauer nicht verständlich sind, erscheint ihm jedoch auch nicht ideal (ibid.:155). Sowohl Schröpf als auch Fawcett plädieren deshalb für eine erklärende Übersetzung. Nicht-sprachliche Zeichen, welche als Informationen aus dem Bild hervorgehen und durch ihre Kulturgebundenheit vom Zuschauer nicht entschlüsselt werden, können jedoch nicht erklärt werden, da die Möglichkeit einer kommentierten Übersetzung (Fussnoten, Anmerkungen) in der Untertitelung nicht besteht. Selbst die Erklärung von kulturspezifischen sprachlichen Zeichen ist aufgrund zeitlich-räumlicher Begrenzungen in der Praxis meist nicht möglich. Allgemeingültige Regeln gibt es nicht, der Untertitler muss von Fall zu Fall entscheiden, ob der kulturspezifische Ausdruck vom Zuschauer verstanden werden kann und wenn nicht, ob eine Erklärung im vorliegenden Kontext notwendig und möglich ist. Teresa Tomaszkiewicz (2001a) schlägt für die Übertragung von 54 kulturspezifischen Referenzen in der Untertitelung sieben Verfahren vor: Tilgung des kulturspezifischen Ausdrucks (omission des termes), Übernahme des Ausdrucks ohne Erklärung (transfert direct durch emprunt oder calque), Übernahme des Ausdrucks mit Erklärung (périphrase définitionnelle), Ersatz durch einen äquivalenten Ausdruck in der Zielsprache, Ersatz durch einen äquivalenten Ausdruck in der Ausgangssprache, Adaptation, Ersatz einer kulturellen durch eine kontextuelle Referenz, Tilgung von Anspielungen auf kulturelles Wissen (allusions au „déjà connu“). Andere Autoren, welche sich mit dem Thema befasst haben, schlagen verschiedene Verfahren vor, meist genannt werden aber auch bei ihnen: Auslassung, Übernahme mit oder ohne Erklärung, Erklärung und Anpassung (vgl. Zitate in Leissner 2009:51). Sprechende Beispiele finden sich bei Fotios Karamitroglou: „They were following orders from 10 Downing Street.“ Auslassung: „They were following orders.“ Übernahme: „They were following orders from 10 Downing Street.“ Übernahme mit Erklärung: „They were following orders from 10 Downing Street, the Prime Minister’s House.“ Erklärung: „They were following orders from the Prime Minister.“ Anpassung: „They were following orders from Matignon.“ (Karamitroglou 1998) Welches Verfahren der Untertitler einsetzt, entscheidet er im Rahmen seiner zeitlichräumlichen Möglichkeiten aufgrund der kulturellen Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zielkultur, der Finalität der Übersetzung, des vorausgesetzten Vorwissens des Zielpublikums sowie der Verständlichkeit des kulturspezifischen Ausdrucks im Kontext (Tomaszkiewicz 2001a:238). Deshalb sollen in Kapitel 4 sowohl die bereits in Kapitel 1 diskutierten kulturellen Unterschiede bezüglich der Verwendung von Vulgärsprache verfolgt wie auch auf makrotextueller Ebene Überlegungen zu Zielpublikum und Finalität der Übersetzung angestellt werden. Auf mikrotextueller Ebene soll die Bedeutung der Vulgarismen im Kontext bestimmt und Möglichkeiten der Übertragung mit Berücksichtigung der zeitlich-räumlichen Begrenzungen aufgezeigt werden. Im Rahmen der Überlegungen zu einer möglichen Übersetzungsstrategie für Vulgarismen in der Untertitelung soll auch im Hinblick auf die Dichotomie Domestication vs. Foreignization Stellung bezogen werden. ii. Vulgärsprache in der Synchronisationswissenschaft Die Funktion von Vulgärsprache und daher auch deren Bedeutung für die Übersetzung wurden erst in den letzten Jahrzehnten vermehrt anerkannt. So wurden im Bereich der Filmsynchronisation vereinzelt Fallstudien durchgeführt. Chiara Elefante (2004) untersucht in ihrem Artikel die Übertragung von Varietäten in der Synchronisation französischer Filme ins Italienische. Dabei gilt ihr Interesse insbesondere der typisch französischen langage des cités, deren sowohl diaphasische als auch diastratische und diatopische Dimension eine Einordnung und die Suche nach einer Entsprechung in der Zielsprache erschweren. 55 Standardsprachliche Abweichungen haben sich im Französischen nicht gleich wie im Italienischen entwickelt, zudem existiert in der italienischen Sprache kein Argot nur für Jugendliche, welches wie verlan als Mittel zur Revolte eingesetzt werden könnte. Elefante zeigt lediglich das Problem auf, Lösungen schlägt sie – ausser die Notwendigkeit weiterer Forschung zu betonen – keine vor. María Jesús Fernández Fernández (2009) weist in ihrer Fallstudie über den Film zur TV-Serie South Park in erster Linie auf die Gefahren einer allzu wörtlichen Übersetzung von Fluchwörtern vom Englischen ins Spanische hin, welche zwar grammatikalisch korrekt, jedoch nicht gesellschaftlich, kulturell und kommunikativ angemessen ist. Da ein Muttersprachler sich nicht spontan so ausdrücken würde, wird die Glaubwürdigkeit des Films beeinträchtigt. Um die gleiche Wirkung auf das Ziel- wie auf das Ausgangspublikum zu erzielen, plädiert sie daher für eine Übersetzung, welche die ursprüngliche Bedeutung, Tonalität, Register und Intention beibehält, aber zugleich idiomatisch klingt und sich nahtlos in den soziokulturellen Kontext der Zielsprache einfügt. Wie diese Ziele zu erreichen sind, lässt sie aber offen. Systematischer geht Dídac Pujol (2006) in seiner Fallstudie zum Film From Dusk till Dawn vor; er untersucht die Übertragung des Ausdrucks fuck vom Englischen ins Katalanische auf die lexikalische, kontextuelle, pragmatische, kulturelle und charakterisierende Dimension hin. Die Studie ist interessant, da sie einen Überblick über die Vielfalt an grammatikalischen Möglichkeiten und Verwendungszwecken von fuck bietet, allerdings ist sie durch ihre Ausrichtung auf das Sprachenpaar Englisch-Katalanisch und die Synchronisation als Medium sowie ihre Fokussierung auf einen einzigen Begriff nur bedingt hilfreich für die Übertragung von Vulgarismen vom Englischen ins Deutsche in der Untertitelung. iii. Vulgärsprache in der Untertitelungswissenschaft Auch in der Untertitelungswissenschaft sind in den letzten Jahren einige Studien zur Übertragung von Vulgarität entstanden. Der Übersetzungswissenschaftler Chapman Chen (2004) will mit seiner Untersuchung in erster Linie auf die schlechte Übersetzung amerikanischer Schimpfwörter in Hong Kong aufmerksam machen. Amerikanische Fluchwörter werden in der Regel entweder gar nicht, überformell (z.B. durch medizinische Ausdrücke für Fluchwörter, welche Körperteile bezeichnen) oder mithilfe von Euphemismen (z.B. mit einem Wort, welches mit einem Fluchwort reimt) übersetzt. In den seltenen Fällen, in denen Slangwörter verwendet werden, entstammen diese dem Hochchinesischen und nicht dem von der Mehrheit der Hongkonger gesprochenen Kantonesisch, was Effektivität und Verständlichkeit der Aussage vermindert. Interessant ist Chens Artikel deshalb, weil er sich auf ein Sprachenpaar bezieht (Amerikanisch -> Hongkonger Chinesisch), das sowohl sprachlich als auch kulturell nicht unterschiedlicher sein könnte, weswegen die Faktoren, 56 welche bei der Übertragung von Vulgarität mitspielen können, zahlreicher und weitaus evidenter sind als zum Beispiel beim Sprachenpaar des im Anschluss analysierten Films (Amerikanisch -> Deutsch). So führt Chen die mangelnde Vulgarität in der Hongkonger Untertitelung ausser auf sprachliche und kulturelle Unterschiede auch auf die psychosexuelle und religiöse Verschiedenheit sowie die staatliche Filmzensur zurück. Im Vergleich dazu weisen die Sprachenpaare, welche Anne Jäckel (2001), Lena Hamaidia (2007) und PierreAlexis Mével (2009) in ihren jeweiligen Artikeln untersuchen, weitaus mehr sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeiten auf. Alle drei untersuchen, wie die obengenannte Chiara Elefante, die langage des cités im Film La Haine von Mathieu Kassovitz (1995). Elefante analysiert die italienische Synchronfassung des Films, wohingegen Hamaidia, Mével und Jäckel die englischen Untertitel untersuchen. Während Hamaidia nur von einer untertitelten Fassung ausgeht, die Konnotationen des Zieltextes kritisiert und stellenweise verbessernde Vorschläge macht, geht Mével von zwei untertitelten Fassungen aus: der ersten, welche zur Veröffentlichung des Films 1995 erstellt wurde und zahlreiche Merkmale afroamerikanischen Slangs aufweist, und der zweiten, welche zum zehnjährigen Bestehen des Films für die Veröffentlichung einer DVD vom Regisseur aufgrund des Misserfolgs des Films in den Vereinigten Staaten neu angefordert wurde. Interessant ist, dass Mével darauf hinweist, inwiefern Prosodie (z.B. Wiederholung von Satzteilen als Zeichen von Unsicherheit oder Hektik) zur Charakterisierung der Figuren beiträgt, bei der Untertitelung aber meist wegfällt. Die erste Untertitelung des Films stellt eine der extremsten Formen einbürgernder Übersetzung dar, da kulturelle Referenzen sowie Slang an die amerikanische Kultur angepasst werden (z.B. „Astérix et Obélix“ -> „Snoopy and Charlie Brown“), was zwar den Grad an Vulgarität erhält, aber eine Verschiebung der Handlung sowie der Identität der Figuren zur Folge hat. Während aber Jäckel den Misserfolg dieser Fassung auf die geringe Affinität des amerikanischen Publikums zu fremdsprachigen Filmen und der Untertitelung (Jäckel 2001:233) sowie die grossen, ihr zufolge unüberbrückbaren kulturellen Unterschiede zurückführt (ibid.:234), macht Mével dafür die Inkohärenz zwischen den Untertiteln, deren Sprache der Zuschauer als zu seiner kulturellen Sphäre zugehörig einstuft, und dem Ausgangstext, welcher ihm eine fremde Sprache und Kultur zeigt, verantwortlich (Mével 2009:274). Die zweite untertitelte Fassung ist neutraler gehalten und in britischem Englisch verfasst, welches manchmal umgangssprachliche, meist aber standardsprachliche Züge aufweist. Folgende Frage drängt sich auf: Ist eine einbürgernde Übersetzung, bei der der Aspekt der Vulgarität auch für das Zielpublikum verständlich ist, jedoch Referenzen der Ausgangskultur ausgemerzt werden, einer weniger zieltextorientierten Übersetzung vorzuziehen, bei der die Authentizität und Kohärenz durch die Beibehaltung kultureller Elemente der Ausgangssprache gewahrt werden, aber die Vulgarität auf Kosten der 57 Anpassung an die Standardsprache verloren geht? Keiner der vier Autoren stellt sich diese Frage; sie begnügen sich damit, Nachteile beider Fassungen aufzuzeigen. Da in den zum Thema Slang und Vulgärsprache durchgeführten Studien, wie sich zeigt, in erster Linie Probleme beschrieben und wenn, dann nur auf den analysierten filmischen Text bezogen punktuell Lösungsvorschläge gemacht werden, sind sie für den Untertitler nur bedingt von Nutzen. Konkrete Hilfe findet sich eher in den neueren allgemeinen Werken zur Untertitelung, in denen dem Thema Slang oder Vulgarität ein Abschnitt oder gar ein paar Seiten gewidmet werden. Die Meinungen, wie Sprachvarietäten in der Untertitelung gehandhabt werden sollten, gehen allerdings weit auseinander: Die Mehrheit spricht sich dafür aus, dass der Untertitler versuchen sollte, Slang und Vulgärsprache bis zu einem gewissen Grad zu übertragen, es gibt aber auch Stimmen, welche eine Weglassung befürworten. Zuerst zur Minderheit: Unter anderem Chaume (2004:219), Gottlieb (2002:191f.) sowie Ivarsson/Carroll (1998:126f.) sprechen sich gegen eine Übertragung von Vulgarismen aus. Chaume schlägt als Verhaltensnorm auf lexikalisch-semantischer Ebene vor, ein mündliches Register zu wählen, das dem sozialen Kontext der Protagonisten gerecht wird, jedoch ohne auf allzu vulgäre Begriffe („términos excesivamente vulgares“) zurückzugreifen. Eine Definition von „excesivamente vulgar“ bleibt er dem Leser jedoch schuldig. Gottlieb sowie Ivarsson/Carroll bringen als Argument für eine Streichung von Vulgarität die drastischere Wirkung von Schimpfwörtern in geschriebener im Vergleich zu mündlicher Sprache an. Ob der Unterschied zwischen schriftlicher und mündlicher Sprache ein legitimer Grund ist, um Vulgarismen wegzulassen, erscheint diskutabel, gerade da sich die Untertitelung ja auf der Schnittstelle zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit befindet. Noch fragwürdiger erscheint es aber, den Untertitler in die Rolle des Sittenrichters zu katapultieren, welcher entscheidet, was seinem Publikum zuzumuten ist und es so entmündigt. Diese Vorschläge stossen aktuell auf wenig Gehör: In den letzten Jahren zeichnete sich sowohl in der Praxis als auch in der Untertitelungstheorie die Tendenz zur vermehrten Verwendung von Schimpfwörtern ab. Wie weit der Untertitler bei der Übertragung von Vulgarität gehen darf, ist allerdings umstritten. Die Problematik auf den Punkt bringt Fawcett (2003:157-161). Da Konnotationen zwischen Ausgangs- und Zielsprache selten übereinstimmen, erfordert die Übertragung von Slang besonderes Feingefühl. Schlechte Untertitel sind Fawcett zufolge oft auf die Ignoranz des Untertitlers oder eine zu stark auf die Domestication ausgerichtete Übersetzungsstrategie zurückzuführen. So kann ein französischer Soziolekt nicht einfach durch Black American Slang ersetzt werden, da dieser auf die Klassenideologie einer amerikanischen Subkultur verweist und zudem für Nicht-Amerikaner nur schwer verständlich ist. Bei der Vulgärsprache weist Fawcett auf den Einfluss hin, dem der Untertitler ausgesetzt ist. So können 58 Instruktionen des Auftraggebers sowie Alter und Sensibilität des Zielpublikums eine „Zähmung“ der Sprache zur Folge haben, was einer Homogeneisierung des Textes und der Unterdrückung des Fremden (repressing the Otherness) gleichkommt. Das Gegenteil kann aber auch der Fall sein, wenn der Auftraggeber oder Untertitler befindet, dass sich die untertitelte Fassung an ein spezifisches Publikum richtet, welches Vulgärsprache mag, und die Sprache vulgärer darstellt als sie im Ausgangstext ist. Dafür gibt der Autor allerdings nur einzelne Sätze als Beispiel an, was vermuten lässt, dass diese Strategie in der Praxis nur punktuell Anwendung findet und vielleicht einfach der Kompensation von vulgärsprachlichem Verlust an anderen Stellen dient. Díaz Cintas/Remael (2009:195-200) befinden die Übertragung von Schimpfwörtern aufgrund ihrer phatischen oder expressiven Funktion als wichtig, betonen aber ausser der zu erzielenden Äquivalenz auch, dass von Fall zu Fall entschieden werden müsse, ob der zielsprachliche Ausdruck äquivalenter Stärke und konnotativer Bedeutung im Zieltext erlaubt werden dürfe (ibid.:196). Ob der Respekt gesellschaftlicher Tabus vereinbar ist mit Wirkungsäquivalenz, scheint jedoch äusserst fraglich. In der Praxis (zumindest im Vergleich von Díaz Cintas/Remael 2009:198) scheint es aber durchaus so zu sein, dass die Sprache an das Medium angepasst wird und DVDFassungen sprachlich „gewagter“ sind als Video-Fassungen. Marlene Hall Ashour, eine professionelle Untertitlerin von Kinofilmen, ist der Ansicht, dass Untertitel einerseits den gesprochenen Sprachstil widerspiegeln und andererseits so klar und knapp wie möglich sein sollten (Hall Ashour 2003). Insbesondere bei Action- oder Polizeistreifen sollte der Zuschauer nur so viel lesen müssen, dass er mühelos der Handlung folgen kann. Hall Ashour spricht sich klar gegen jede Art von Beschönigung aus, da der Stil des Films nicht verfälscht und der Zuschauer, welcher – zumindest in der Schweiz – meist ein bisschen Englisch versteht, nicht verärgert werden sollte. Allerdings müsse auch nicht jeder Kraftausdruck übersetzt werden; es reiche, mit einigen präzisen, klaren Kraftausdrücken anzuzeigen, dass geflucht werde. Gleicher Meinung ist auch Karamitroglou und stellt für die Untertitelung von Tabuwörtern folgende Richtlinie auf: „Taboo words should not be censored unless their frequent repetition dictates their reduction for reasons of text economy“ (Karamitroglou 1998). Heike Jüngst (2010:50-52) ist der Ansicht, dass Dialekte und Soziolekte nur dann dargestellt werden sollten, wenn sie für die Charakterisierung der betreffenden Figur sehr wichtig sind. Auch Nagel (2009:73) spricht von der Charakterisierung von Figuren mithilfe von Dialekten, Slang, Akzenten und Kraftausdrücken. Vom Ersetzen eines englischen durch einen deutschen Dialekt rät sie ab, da Dialekte in Grossbritannien viel stärker mit Klassenzugehörigkeit verbunden sind als deutsche, welche nur eine geographische Komponente aufweisen. Bei Slang ist sie der Ansicht, dass eine Übertragung grundsätzlich möglich ist, da es in der Ausgangs- wie auch in der Zielsprache soziale Gruppen gibt, welche sich durch Slang 59 definieren und als tertium comparationis dienen können. Auch diese Position erscheint diskutabel, da Varietäten meist – wie in Kapitel 1b besprochen und durch Gibbons dreidimensionalen Würfel veranschaulicht – ganz bestimmte soziale, regionale und funktionale Komponenten haben, also eine ausgangssprachliche Realität abbilden, die es in dieser Form in der Zielsprache und –kultur nicht gibt. Ganz so einfach ist es also nicht. Der Untertitler muss sich bewusst sein, wo sich die Sprechweise einer Figur im Hinblick auf ihre diatopische, diaphasische und diastratische Dimension eingliedert, und muss versuchen, durch nicht regional gefärbte Umgangssprache eine ähnliche Wirkung zu erzielen. Oder wie Mason sagt: I believe that the expectations of cinema audiences have increased and that, whereas the search for equivalent social dialects is unlikely to bear fruit, it is possible to represent in subtitles in some way stigmatised or rejectionist non-standard uses of language […]. (Mason 2001:22) Dies allein reicht aber nicht aus, um der Funktion von Vulgarität gerecht zu werden. Denn diese sollte im Zentrum der untertitelungstheoretischen Überlegungen stehen. Die Grundfragen, welche sich der Untertitler vorab stellen sollte sind: Welche Funktion erfüllt die Vulgärsprache im Film? Inwiefern ist sie wichtig für die Charakterisierung der Figuren, die Gestaltung interpersonaler Dynamik zwischen den Protagonisten und somit für die Handlung und Tragweite des Films? Wie kann sie im Rahmen der gegebenen Arbeitsbedingungen und unter Berücksichtigung der kulturellen Unterschiede sowie des Vorwissens des Zielpublikums wiedergegeben werden, um eine Wirkungsäquivalenz zu erzielen? Nachdem das Bewusstsein für die Schwierigkeiten sowohl der Übertragung von Vulgarität als auch der Untertitelung geschärft und beide Phänomene in Kombination untersucht wurden, soll nun der theoretische Rahmen einer praktischen Analyse weichen. Einfach gesagt ist die Arbeitshypothese, dass bei der Untertitelung allgemein die Vulgarität verloren geht; inwiefern, mit welchen Auswirkungen und aus welchen Gründen soll am Beispiel gezeigt werden. Dazu sollen unter Berücksichtigung textinterner und –externer Faktoren auf makrotextueller Ebene Überlegungen zur Finalität der Übersetzung angestellt werden. Im Rahmen der mikrotextuellen Analyse soll anschliessend aufgezeigt werden, welche Probleme sich konkret bei der Übertragung von Vulgarität manifestieren können, inwiefern diese durch die oben genannten theoretischen Ansätze erklärt werden können sowie, ob und wie man sie vermeiden könnte. 60 4. Analyse von Vulgarismen am Beispiel des Films „The Departed“ von Martin Scorsese a) Makrotextuelle Analyse des Ausgangstextes i. Objekt der Analyse Vulgarität soll konkret am Beispiel des Films The Departed (2006) untersucht werden. Um zu verstehen, was wichtig ist für die Übertragung von Vulgarität, muss der Ausgangstext zuerst auf makrotextueller Ebene betrachtet werden. In diesem Unterkapitel soll in einem ersten Schritt die Einordnung des Spielfilms in das Gesamtwerk des Regisseurs zu einer Hervorhebung inhaltlicher und filmtechnischer Besonderheiten führen. Durch die Analyse rekurrenter Themen in Scorseses Schaffen soll in einem zweiten Schritt dann die Aussage des Regisseurs ermittelt und die Funktion, welche Vulgärsprache im Ausgangstext einnimmt, bestimmt werden. Dies soll ermöglichen, im nächsten Unterkapitel, welches der mikrotextuellen Analyse von Ausgangs- und Zieltext gewidmet ist, den Blick fürs Ganze nicht zu verlieren. Abb. 9: Cover der im deutschsprachigen Raum vertriebenen DVD Departed - Unter Feinden (Special Edition, 2 Disc DVD). Der Film The Departed, auf Deutsch auch unter dem Namen Departed – Unter Feinden bekannt, ist ein im Jahre 2006 veröffentlichter Spielfilm des amerikanischen Regisseurs Martin Scorsese. 61 Der heute 68-jährige Scorsese zählt zu den bedeutendsten Regisseuren des 20. Jahrhunderts und hat in seiner über 40-jährigen Karriere über 20 Spielfilme gedreht. In Berührung mit der Filmwelt kam der im New Yorker Stadtteil Little Italy aufgewachsene Enkel italienischer Einwanderer schon früh. Als Asthmatiker blieben ihm viele Aktivitäten verwehrt, weshalb ihn seine Eltern oft ins Kino mitnahmen (Schaller/Trosset 2004:8). Bedingt durch seine angeschlagene Gesundheit, hielt sich der kleine Martin aus Raufereien und Bandenangelegenheiten heraus und nahm eine Beobachterposition ein – sein Auge fürs Detail sollte ihm später bei seinen Filmen von grossem Nutzen sein, um das Klima seiner Jugend so realistisch wie möglich wiederzugeben. Dieses Klima wurde durch die Kirche entscheidend beeinflusst. Das Leben in seinem Quartier richtete sich stark nach der gesellschaftlichen Struktur in Italien, mit der Kirche als indirekten und der Mafia als direkten Machtquelle. Scorsese wurde erst später bewusst, dass es damals eigentlich nur zwei Möglichkeiten gab: entweder Priester oder Gangster zu werden (Brion 2004:18). Da er von klein auf jeden Sonntag mit Begeisterung in die Messe ging und als Gangster physisch zu schwach gewesen wäre, begann er nach der Schule mit dem Priesterseminar, während viele seiner Freunde langsam in die Kriminalität abrutschten. Weil jedoch sein Interesse für Frauen und auch für Rock’n’Roll stetig zunahm, wurde ihm nach einem Jahr im Seminar nahegelegt, sich einen anderen Beruf zu suchen (ibid.:20f.). Auf diesem Umweg gelangte er schliesslich an die Universität und studierte Schauspielkunst und später Englisch und Film. Seinen ersten Erfolg konnte er bereits mit seinem Abschlussfilm erzielen, in welchem es – wie in vielen seiner weiteren Filme – um einen Einwanderer geht, der auf die schiefe Bahn gerät. Seine Kindheit hat Scorsese nie losgelassen und findet bis heute Ausdruck in seinen Filmen. Als Künstler sieht er sich sowohl in der Rolle des Gangsters als auch des Priesters (ibid.:7). Auch in seinen grössten Erfolgen – Alice Doesn’t Live Here Anymore (1974), Taxi Driver (1976), Raging Bull (1980), Goodfellas (1990) – dreht sich alles um Gewalt, Religion und Schuld. Denn obwohl sein eigener Glaube inzwischen an Kraft verloren hat, ist seine Faszination für die Religion und ihre Symbole sowie deren Einfluss auf das Denken und Handeln des Menschen bis heute ungebrochen. Die meisten seiner Filme weisen zudem autobiographische Züge auf, sei es, wegen der Präsenz religiöser Symbolik in seinen Filmen oder, weil deren Hauptfiguren italienische Immigranten sind, welche dem American Dream nacheifern. So fand Scorsese im Laufe der Jahre drei Schauspieler, welchen die Rolle als sein Alter Ego zuteil wurde (Sotinel 2007:25): Zuerst der ebenfalls aus New York stammende Sohn jüdischer Einwanderer Harvey Keitel (zu sehen in Mean Streets (1973), Alice Doesn’t Live Here Anymore (1974), Taxi Driver (1976), The Last Temptation of Christ (1988)), dann der italienischstämmige Robert de Niro (u.a. in Mean Streets (1973), Taxi Driver (1976), Raging Bull (1980) und Goodfellas (1990)) und schliesslich, in den letzten Jahren, Leonardo DiCaprio 62 (Gangs of New York (2002), The Aviator (2004), The Departed (2006) und Shutter Island (2010)). Scorseses Filme beruhen meist auf Gegensätzen. Seine Protagonisten sind hin- und hergerissen zwischen Gut und Böse, zwischen irdischen Verlockungen wie Geld und Sex und dem Streben nach Erlösung und Freiheit. Ihre Absichten sind gut, doch früher oder später werden sie eingeholt von der Realität – ein Happy End ist selten. Was Scorsese an den meist auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichten fasziniert, ist, wie ein Mensch, der nur Gutes will, durch gesellschaftliche Umstände verdorben werden kann. Dieser innere Kampf und seine äusseren Erscheinungsformen sind Gegenstand von Scorseses Überlegungen. Sein Ansatz ist, die Realität in all ihren Facetten abzubilden, und seien diese noch so grausam. Die Gewalt in seinen Filmen dient denn auch nur der Feststellung und wird keineswegs glorifiziert (s. DVD-Special Crossing Criminal Cultures). Denn Gewalt, sei sie physischer oder psychischer Natur, bestimmt den Alltag des Menschen seit jeher, Scorsese zeigt sie nur in ihren extremeren Formen (Brion 2004:64). Auch kann sich der Zuschauer leicht mit Scorseses Anti-Helden identifizieren, was Nicolas Schaller und Alexis Trosset treffend formulieren: „Combien de ses anti-héros, courant frénétiquement vers un destin inéluctable, reflètent nos propres errements existentiels?“ (Schaller/Trosset 2004:5). Die Kluft zwischen den moralischen Werten des Protagonisten und seinem amoralischen Umfeld bringt ihn oft in letzter Instanz dazu, seiner Verzweiflung durch Gewalt Ausdruck zu verleihen (z.B. in Taxi Driver (1976)). Die Gegensätze äussern sich aber nicht nur in der Handlung, sondern auch in der Umsetzung der Geschichte, welche Thomas Sotinel auf Mean Streets (1973) bezogen eine neue Grammatik der Gewalt nennt (Sotinel 2007:27). Actiongeladene Momente in Kontrast zu ruhiger Musik oder Bildsprache (Zeitlupe oder statische Kameraführung) zu stellen, war damals revolutionär und ist bis heute eines der Markenzeichen von Scorsese. Um es mit Chaume zu sagen (s. Kapitel 2e): Die Diskordanz zwischen den Themen wird durch das Aufeinanderprallen gegensätzlicher Informationen aus den verschiedenen Informationskanälen (akustisch, visuell) weiter verstärkt, die Spannung steigert sich. Das Interesse des Regisseurs gilt aber nicht den Gegensätzen an sich, sondern der Grauzone dazwischen. Denn, wie er selber sagt, ist die Realität nicht schwarz oder weiss: „Wenn Menschen etwas Gutes tun wollen und am Ende furchtbare Dinge tun. [...] Wo ist die Grenze? Wo beginnt die Grauzone? Wie grau kann es im Hinblick auf die Moral werden?“ (Scorsese in Toennies/Phillips 2007). Das Porträtieren dieses Absturzes, also die Grauzone, steht im Zentrum von Scorseses Schaffen. Der Protagonist, welcher nach und nach in die Kriminalität abrutscht, ist zugleich Opfer der Gesellschaft und Täter. Einerseits ist er gnadenlos unmoralisch, andererseits hält er sich penibel an die Wertvorstellungen der Mafia. Scorseses Ziel ist es, durch die Ambivalenz der Charaktere die Faszination und gleichzeitige Abscheu, 63 welche er in seiner Kindheit seinem Umfeld gegenüber empfunden hat, auf den Zuschauer zu übertragen und ihn dadurch zum Nachdenken anzuregen (Schaller/Trosset 2004:178). ii. Besondere Merkmale Die oben genannten typischen thematischen und filmtechnischen Grundzüge teilt auch The Departed (2006). So sind die porträtierten Gegensätze, denen sich die Protagonisten zu stellen haben, Wahrheit und Lüge, Loyalität und Verrat und, in letzter Instanz, Gut und Böse. Der Film dreht sich dabei, wie viele andere Filme Scorseses, um die Themen der Korruption und Gewalt in Mafiakreisen sowie dem Verfolgen von Zielen, die nicht im Einklang mit dem sozialen Konsens stehen. Der daraus resultierende Absturz des Protagonisten und seine Reaktionen stehen im Mittelpunkt. Neu für Scorsese ist aber, dass er das Geschehen auch aus der Perspektive der Polizei zeigt. Seine kritische Auseinandersetzung mit dem Staatsapparat macht The Departed zu Scorseses politischstem Film überhaupt (Sotinel 2007:85f.). Ebenfalls innovativ ist, dass Scorsese in diesem Film die irische Gemeinschaft in New York genauer unter die Lupe nimmt und nicht die italienische, aus welcher er stammt. Sein Interesse für die Geschichte der irischen Immigration wurde als Kind geweckt, als ihm bewusst wurde, dass die Kirche, welche er Woche für Woche besuchte, einem irischen Heiligen gewidmet war (St. Patrick) und ihm seine Eltern, auf seine Frage nach dem Warum, erklärten, dass dieser Stadtteil früher den Iren gehört hatte (Brion 2004:19). Diesem geschichtlichen Aspekt – der Entstehung des heutigen Amerikas dank der Einwanderer sowie der damit verbundenen Frage nach Identität und Werten der Nation – ging er dann 2002 im Film Gangs of New York nach (Sotinel 2007:73). Der Film, von dem The Departed inspiriert wurde, entspringt aber einem anderen Kulturkreis: Infernal Affairs (2002) stammt von den Hongkonger Regisseuren Andrew Lau und Alan Mak und spielt im Triaden-Milieu. Die Idee, diesen Gangsterfilm auf amerikanische Begebenheiten umzumünzen und ihn in Boston anzusiedeln, stammt von Drehbuchautor William Monahan, welcher in South Boston aufgewachsen ist. The Departed ist aber kein simples Remake von Infernal Affairs, in dem die chinesischen Triaden einfach durch irische Mafiosi ersetzt werden, sondern die ganze Handlung wurde in den kulturellen, sozialen, geschichtlichen und religiösen Kontext Bostons versetzt und so realitätsnah wie möglich inszeniert. Authentizität hat denn auch in jedem von Scorseses Filmen oberste Priorität. Um den Zuschauer überzeugen zu können, muss die Handlung glaubwürdig dargestellt werden – umso mehr, wenn sie an sich schon stranger als fiction erscheint (s. gleichnamigen Dokumentarfilm über Scorseses Inspirationsquellen). Der Glaubwürdigkeit wegen orientiert sich der Film an der Geschichte von James Joseph „Whitey“ Bulger, einem Mafiaboss, welcher in den 1970er und 1980er Jahren ganz Boston unter Kontrolle hatte. Trotz des Wissens um seine zahlreichen Delikte wurde nie gegen ihn Anklage erhoben, 64 wodurch sich das Gerücht verbreitete, er sei ein FBI-Informant. In den 1990er Jahren bestätigte sich dieses Gerücht und Bulger tauchte ab. Über zehn Jahre lang war er nach Osama Bin Laden die Nummer 2 auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher des FBI, lange ohne Erfolg. Am 22. Juni 2011, konnte er schliesslich doch noch gestellt werden15. Faszinierend ist, dass trotz aller Medienberichte und Beweise selbst heute noch Menschen in South Boston an das von ihm verbreitete Märchen des Saubermanns, welcher versucht, Drogen von der Stadt fernzuhalten, glauben (Toennis/Phillips 2007). Der Grund dafür könnte kultureller Natur sein: Die Menschen in South Boston (im lokalen Slang Southie genannt) bildeten damals eine Art Parallelgesellschaft irischer Einwanderer. Die Grundpfeiler der Gesellschaft waren Familie, Kirche, die irischen Wurzeln und die Gemeinschaft. So wurde jedes Mitglied gegen aussen verteidigt und die Aussenwelt als Bedrohung empfunden. So erklärt sich William Monahan, der Drehbuchautor von The Departed, das Ansehen, welches Bulger in seiner Gemeinschaft genoss, aber auch den Rassismus in den 1970er Jahren (ibid.). Ein Gericht entschied damals, dass Bostoner Schulbusse Kinder fortan nicht mehr auf verschiedene Schulen verteilen durften, um eine Durchmischung ethnischer Gruppen zu erwirken. Die Busfahrer reagierten darauf mit einem Streik, welcher als busing strike landesweit für Aufmerksamkeit sorgte. Auf diesen Vorfall wird in der Eröffnungssequenz angespielt (mehr dazu in Kapitel 4biii.). Scorsese recherchierte die historischen Begebenheiten akribisch, befragte Zeitzeugen und heuerte einen Ex-Polizisten an, welcher sich jahrelang mit dem Fall Bulger befasst hatte, um Handlung und Dialoge in Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor und den Schauspielern so realistisch wie möglich zu gestalten (in Toennies/Phillips 2007). Er will mit seinem Remake zeigen, dass Gangster verschiedener ethnischer Gruppen alle gleich agieren, was Verbrechen anbelangt, dabei aber ihre Ethnizität ins Spiel bringen (s. DVD-Special Crossing Criminal Cultures). Die Handlung, kurz zusammengefasst, ist, dass der irische Mafiaboss Frank Costello (Jack Nicholson) die Massachusetts State Police mithilfe seines Spitzels Colin Sullivan (Matt Damon) infiltriert. Dieser arbeitet offiziell unter der Führung von Captain Ellerby (Alec Baldwin) für die Spezialermittlungseinheit gegen organisiertes Verbrechen, versorgt aber inoffiziell Costello mit Informationen. Parallel dazu wird der ebenfalls aus South Boston stammende Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) von der Undercoverabteilung unter Leitung von Captain Queenan (Martin Sheen) und Staff Sergeant Dignam (Mark Wahlberg) angeheuert, um über die Machenschaften von Costello zu informieren. Als Costello durch Colin erfährt, dass ein Spitzel seine Organisation unterwandert, und die Polizei von Billy informiert wird, dass sich in ihren Reihen ein Spion eingenistet hat, beginnt das Katz-und15 Artikel im Daily Telegraph: http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/northamerica/usa/8594919/James-Whitey-Bulgercaptured-after-16-years-on-the-run.html [15.08.11] 65 Maus-Spiel. Während Colin beauftragt wird, die Ratte – also sich selbst – zu finden, versucht Billy mit aller Macht, den Verdacht, er sei der Spitzel, von sich zu lenken, und zugleich die Polizei weiter auf dem Laufenden zu halten. Da beide Spione wissen, dass ihre Informationen auch an den anderen Spion gelangen, wird versucht, den anderen durch Desinformation zu entlarven. Costello streut gezielt falsche Informationen, um zu testen, ob diese über Billy bis zur Polizei (also Colin) dringen, während Queenan und Dignam versuchen, den Kreis der Verdächtigen in ihrer Einheit dank Billys Hinweisen einzugrenzen. Jede der Hauptfiguren (Colin, Billy, Costello) spinnt sich ein immer grösseres und komplexeres Lügengebilde, dessen Aufrechterhaltung mehr und mehr Energie kostet. Costellos Fassade bekommt erste Risse, als sich die Indizien mehren, dass er als Informant fürs FBI tätig ist. Dadurch wird vielen anderen (Freunden wie Feinden) die Grundlage für ihr Agieren entzogen, sie sehen sich konfrontiert mit der Sinnlosigkeit ihrer Handlungen. Als Colin und Billy sich schliesslich gegenüber stehen, kommt es zur verbalen und physischen Abrechnung, wobei nur einer bzw. keiner überleben kann. Die Beziehungen im Film sind komplex dadurch, dass viele Protagonisten mehrere soziale Rollen erfüllen, zwischen denen sie hin und her wechseln müssen. Abb. 10: Beziehungsnetzwerk der Protagonisten in The Departed 66 Zwischen den Fronten stehen Madolyn Madden, eine Psychiaterin, welche mit Colin liiert ist, aber Billy als Patienten betreut und schliesslich eine kurze Affäre mit ihm hat, sowie Costello, der mit beiden Hauptfiguren in stetigem Kontakt ist. Auch Costellos Crew (Mr. French, Delahunt, Fitzy), die man anfangs ihrem Anführer zuordnet, wechselt teilweise im Verlauf des Films die Fronten. Im ganzen Film geht es um Macht: Macht, andere physisch zu kontrollieren oder verbal zu manipulieren, um das eigene Ziel zu erreichen. Jeder der Charaktere verfolgt dabei seine eigenen Interessen, die er zu vertuschen sucht. Da niemand der ist, den er vorgibt zu sein, aber seine Intention umzusetzen versucht, indem er sich ausmalt, was andere wollen und wie sie reagieren könnten, laufen viele Aktionen ins Leere. Als sich herausstellt, dass Costello fürs FBI arbeitet, bricht eine Welt zusammen für all jene, die glaubten, gegen das Böse zu kämpfen, aber auch für all jene, die sich ihm anschlossen in der Hoffnung, zumindest er vertrete klare Positionen, halte sich an seinen Ehrenkodex und schütze seine Männer. Die Sache, für die man kämpfte, stellt sich plötzlich als Fata Morgana heraus. Billy wird sich im Laufe seiner Tätigkeit als Undercoveragent immer mehr der Realität, in der keine klare Grenze zwischen Gut und Böse besteht, bewusst, kann sich ihr aber nicht entziehen, da er schon zu stark involviert ist. Obwohl er sich der Zwecklosigkeit seiner Mission bewusst ist, macht er weiter und wird so zu einer Art moderner Märtyrer. Der Titel des Films ist denn auch religiös zu deuten: mit „the departed“ sind die Verstorbenen gemeint. Der Begriff taucht erstmals im Gebet, welches der Priester an der Beerdigung von Billys Mutter spricht, auf, kurz darauf in der Beileidskarte von Costello an Billy und im weiteren Verlauf des Films bei all jenen, die gerade verstorben sind (Jackie Costigan, Myles Kennefick, Frank Costello, Billy Costigan). Es handelt sich dabei um einen Euphemismus (s. Definition auf S. 8 dieser Arbeit), denn genau genommen waren die Toten ja eher Ermordete denn Verstorbene. Auch andere Euphemismen für den Tod ziehen sich durch den Film, was darauf hindeutet, dass es sich um ein Tabu handelt. Dieses könnte auf den katholischen Glauben zurückzuführen sein, welcher, wenn er auch von den Protagonisten abgelehnt wird, sie doch indirekt prägt. Ausser Queenan haben alle ihren Glauben an die Kirche, den Rechtsstaat und das Gute im Menschen verloren. Da sich die Verheissungen des American Dream, welche ihre Vorfahren veranlasst hatten, ihre Heimat zu verlassen, als Scheinbild entpuppten, flüchteten sie sich von der Kirche und Gesellschaft in ihr eigenes Wertesystem mit ihrer Hierarchie. Die Mafia stellt daher eine Art Parallelgesellschaft dar, deren Wertvorstellungen sich die Mitglieder zu fügen haben. Dies erklärt auch, wieso die Bemühungen Billys, die Welt zu verbessern, zum Scheitern verurteilt sind. Bei der Polizei wird er aufgrund seines sozialen Hintergrunds nicht aufgenommen; ihm bleibt nur die Rolle zwischen den Fronten (als Spitzel der Polizei in Costellos Crew), den Weg aus dem mafiösen System findet er hingegen nie. Die Drohung, seine Identität aus der Polizeidatenbank zu löschen (von Dignam ausgesprochen, von Colin später ausgeführt), zeigt, 67 wie unbedeutend Intentionen sein können. Für einen Aussenstehenden, welcher nicht weiss, dass Billy seine Taten nur begeht, um nicht als Agent aufzufliegen, sieht es aus, als sei er einfach einer von Costellos Männern. Womit sich schliesslich die Frage stellt, ob der Zweck die Mittel heiligt. Und was es braucht, damit jemand seine Seele an den Teufel (hier Costello) verkauft. Doch wie immer kann Gut nicht klar von Böse unterschieden werden, so hätte selbst Held Billy seinen Bandenkumpan Delahunt ohne Zögern umgebracht, um sich zu schützen, wäre dieser nicht von selber gestorben, während sich herausstellt, dass selbst der grausame Costello menschliche Züge hat und der unsympathische Dignam schliesslich zum Ritter der Gerechtigkeit mutiert. The Departed ist einer von Scorseses grössten kommerziellen Erfolgen und wurde auch von Kritikern bejubelt (z.B. The Guardian16) und als ein Wiederaufblühen von Scorseses Kunst bezeichnet. Unter anderem wurden der clevere verbale Schlagabtausch, die schnelle, präzise Kameraführung und die glaubwürdige Performance der Schauspieler gelobt. Jack Nicholson verleiht der Figur des Frank Costello mit seinem „numéro baroque“ (Sotinel 2007:86) eine Exzentrik, die stark kontrastiert mit den anderen Protagonisten. Diese bewegen sich unter anderem dank der angsteinflössenden Undurchdringlichkeit in Matt Damons und der Zerrissenheit und Verzweiflung in Leonardo DiCaprios Spiel in der Kulisse eines Film Noir (ein Filmgenre, welches sich durch eine pessimistische Weltsicht und düstere Bildgestaltung auszeichnet). iii. Funktion von Vulgärsprache im Film Waltraud Kolb hebt in ihrem Artikel zur Übersetzung von Sprachvarietäten hervor, dass diese in literarischen Texten, Theaterstücken und Filmen der Charakterisierung von Protagonisten, zur Markierung des soziokulturellen Hintergrunds und zur Verstärkung des Lokalkolorits dienen (Kolb 1998:278). In The Departed ist Vulgärsprache aber nicht nur ein punktuell eingesetztes Stilmittel, um Figuren lebendiger und facettenreicher zu gestalten. Der Film ist regelrecht gespickt mit Vulgarismen, was ihm einen Platz unter den Filmen mit der häufigsten Verwendung von fuck einbringt17. Vielfalt und Zweck von Vulgarismen gilt es daher genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Handlung kann erst in Zusammenspiel mit Einstellung, Schnitt, Hintergrundmusik, und der passenden Sprache kohärent umgesetzt werden und eine Aussage vermitteln. Im Ausgangstext ergänzt der auditive Kanal die anderen Informationskanäle perfekt. Die inhaltlichen Gegensätze werden einerseits filmtechnisch umgesetzt, so unterlegt Scorsese 16 Kritik von The Departed in The Guardian vom 06.10.2006: http://www.guardian.co.uk/film/2006/oct/06/thriller.mattdamon [15.08.11] 17 Wikipedia-Artikel „List of films that most frequently use the word fuck“: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_films_that_most_frequently_use_the_word_%22fuck%22 [15.08.11] 68 zum Beispiel Bilder von Gewaltorgien mit Opernmusik, springt zwischen zwei gegensätzlichen Handlungssträngen hin und her oder kombiniert eine statische Kameraführung mit einer spannungsgeladenen Szene. Andererseits lassen sich die Gegensätze auch in der Sprache finden: Der Wortlaut steht oft in starkem Kontrast zur Intention des Sprechers, sodass der Hörer nur durch seine Fähigkeit, Körper- und Parasprache des Sprechers zu entziffern, die implikatierte Bedeutung der Aussage erfassen kann. So manifestiert sich Dignams Zynismus im Telefongespräch mit Billy dadurch, dass er ihn durch Kosenamen, welche ja eigentlich positiv konnotiert sind, herabsetzt. Costello wiederum ist je höflicher er sich ausdrückt, desto verärgerter. Seine Drohungen verpackt er meist in nette Worte. Auch wird im Film eine Art von Codesprache verwendet. Wenn Colin mit Costello telefoniert, um ihn über Neuigkeiten im Ermittlungsverfahren zu informieren, spricht er zu ihm, als wäre er sein Sohn. Während Costello dabei die Vaterrolle einnimmt, spielt seine rechte Hand, Mr. French, die Mutter. Als Fitzy, ein Gangmitglied Costellos, ihn aus der Untersuchungshaft anruft, um ihn zu warnen, spricht er ihn mit „mum“ an. Das Gesprächsthema zwischen den Mafiabossen und ihren Untergebenen ist dabei immer das Essen. Informieren Colin oder Fitzy, dass sie nicht zum Essen zuhause sind, wissen die Gangster, dass ihnen etwas (eine Razzia resp. eine Verhaftung) dazwischen gekommen ist. Sagt Colin, seine Freunde kämen trotzdem zum Abendessen, meint er damit seine Polizeikollegen, die im Anmarsch sind. Dass sich Mafiosi als Mitglieder derselben Familie bezeichnen, rührt daher, dass die Mafia in gewisser Weise ein Ersatz der traditionellen Familie mit ihren Werten und Normen darstellt. Doch nicht nur der Einsatz von Codesprache macht es schwierig, zu verstehen, was mit dem Gesagten gemeint ist, auch die verschiedenen Identitäten, die ein und dieselbe Person haben kann, tragen dazu bei. Dadurch, dass jede Figur ihre eigenen Ziele verfolgt, diese aber den anderen nicht preisgeben will, müssen Intentionen geschickt in Worte gehüllt werden, um den Gesprächspartner zu manipulieren. So besteht neben der interspeaker variation, also der unterschiedlichen Sprechweise zwischen den Protagonisten, auch eine intraspeaker variation, da ein Sprecher seine Ausdrucksweise an Publikum und Ziel anpasst (s. Bells „audience design“-Theorie in Kapitel 3a). Die drei von Brown/Levinson (1987) aufgezählten sozialen Faktoren – soziale Nähe, Macht und Kultur – spielen dabei in The Departed eine grosse Rolle. Da jeder vorgaukelt, jemand anderes zu sein, in dieser Rolle aber echt erscheinen will, ist es umso wichtiger, die Zugehörigkeit zu seiner Gruppe durch sprachliche Anpassung zu markieren. So schafft Vulgärsprache Nähe, sei es unter Polizisten, welche gemeinsam ihre Rugby-Gegner als Schwule betiteln, oder unter Gangstercousins, die sich anerkennend als „corrupt fuck“ bezeichnen. Eingesetzt als Waffe, kann sie aber auch Distanz schaffen. 69 Hierarchie wiederum bestimmt (sowohl in der Polizei als auch in der Mafia), wer wen beschimpfen darf (z.B. Dignam Billy). Die intraspeaker variation zeigt sich am deutlichsten bei Colin: Als Polizist wählt er eine ungeschliffene Sprache, um Macht und den Willen, die Ratte zu fangen, zu demonstrieren; als Mann, der eine Frau (die Psychiaterin Madolyn) mit seiner Intelligenz und Charme verführen will, drückt er sich weitaus gewählter aus; mit Costello, den er aus frühester Kindheit kennt, spricht er meist Slang und verwendet viele Vulgarismen, um seine Entschlossenheit und Coolness zu unterstreichen. Seine Macht demonstriert er verbal gegenüber ihm untergeordneten Polizisten; in Costellos Crew ist er hingegen der Untergebene und muss sich verbal von Costello dominieren lassen. Zu Billy pflegt er ein gespaltenes Verhältnis: Während er beim ersten Kontakt noch versucht, soziale Nähe herzustellen, um sein Vertrauen zu gewinnen, markiert er am Ende seine hierarchische Überlegenheit und die damit einhergehende höhere Glaubwürdigkeit, um Billy von seinem Vorhaben, ihn an die Polizei auszuliefern, abzubringen. Auch kulturelle Aspekte determinieren die Verwendung von Vulgärsprache entscheidend. Während der deutsche Polizist eher als Hüter von Recht und Ordnung wahrgenommen wird, entspringt der amerikanische Cop dem Klischee nach einer sozial schwächeren Schicht und kämpft oft mit einer schwierigen Vergangenheit. Der Umgangston unter Cops ist dementsprechend rau, rassistische und sexistische Äusserungen werden toleriert. Obwohl Vulgarismen von allen Figuren eingesetzt werden, ist interessant zu sehen, dass die Pole der Lokutionsskala Höflichkeit vs. Unhöflichkeit (S. 12 dieser Arbeit) unterschiedlich ausfallen. Über die kleinste Bandbreite verfügen Queenan und Dignam. Queenan als gläubiger Katholik drückt sich allgemein äusserst höflich aus und lässt sich nur in Ausnahmezuständen (z.B. in Todesangst) zu einem Vulgarismus hinreissen. Dieses Verhaltensmuster steht in Kontrast mit der Sprechweise seines Assistenten Dignam: Selbst in positiver oder neutraler Stimmung verwendet dieser unzählige Vulgarismen, bei extremer Wut reiht sich dann Schimpfwort an Schimpfwort und die Fäuste fliegen. Über die grösste Bandbreite verfügt, wie bereits erwähnt, Colin, bedingt durch die sehr unterschiedlichen sozialen Rollen, in die er schlüpfen muss. Nicht nur die kulturellen Unterschiede zwischen dem sozialen Status von Polizisten spielt eine Rolle. Auch die Ansiedelung der Handlung in Boston determiniert die Sprache der Protagonisten. Sie alle sprechen Boston English, einen Dialekt, der sich durch schwache Rs (non-rhotische Varietät) und breite As kennzeichnet18. Dieser Dialekt wird vorwiegend von irischen und italienischen Immigranten der Bostoner Arbeiterklasse gesprochen. Somit gibt der Akzent sowohl über die geographische Herkunft als auch über das soziale Umfeld Auskunft. Typisch amerikanisch ist auch der Polizeijargon, welcher rege Verwendung findet 18 The Language Samples Project der University of Arizona: http://www.ic.arizona.edu/~lsp/Northeast/BostonEnglish/bosintro.html [15.08.11] 70 (SIU, the Staties, Homeland Security) und auf ein System verweist, das dem amerikanischen Zuschauer bekannt sein dürfte, dem deutschsprachigen aber nicht. So gliedert sich der amerikanische Polizei-Apparat in zahlreiche Hierarchiestufen: von den lokalen Sheriffs, zur Metropolitan-Police, welche für eine ganze Stadt zuständig ist, über die Highway Patrols, die Autobahnpolizei, bis zu den State Troopers (auch State Police genannt) auf Bundesstaatenebene. Der State Police von Massachusetts gehören im Film alle Protagonisten an. Die State Police teilt sich allerdings in verschiedene Abteilungen, wozu die Special Investigation Unit (kurz SIU), eine Sonderermittlungseinheit für besonders wichtige Angelegenheiten, zählt. Im Film stehen Captain Ellerby und Captain Queenan beide auf derselben hierarchischen Stufe, genau wie Staff Sergeant Colin Sullivan und Staff Sergeant Sean Dignam. Während Ellerby für die SIU zuständig ist, hat Queenan die Undercoverabteilung unter sich und hält die Daten seiner Informanten gegenüber seinem Kollegen strikt geheim. Assistiert werden Ellerby und Queenan von ihren Staff Sergeants, welche ihrerseits die Troopers (z.B. Colins Freund Barrigan und Billys Kumpel Brown) unter sich haben. Der Begriff Trooper bezeichnet einen Polizisten unterster Stufe bei der Polzei des Bundesstaats, also jemanden, der die Police Academy, die amerikanische Polizeischule, erfolgreich abgeschlossen hat. Auf höchster Ebene, jener der US-Regierung, gibt es noch eine Reihe weiterer polizeilicher Einrichtungen, wozu das Federal Bureau of Investigation (kurz FBI), das Department of Justice (DOJ) sowie das Department of Homeland Security (DHS) zählen. In Amerika ist die Rivalität unter den verschiedenen Stellen gemeinhin bekannt, daher dürfte es einen muttersprachlichen Zuschauer auch nicht verwundern, dass der FBIKollege Frank Lazio von der SIU eher als Konkurrent denn als Verbündeter im Kampf gegen Verbrecher wahrgenommen wird. Durch die Verankerung des Films in der amerikanischirischen Kultur ist auch die Religion eine Determinante. Die Protagonisten sind alle in einem religiösen Umfeld aufgewachsen, was sich sowohl in ihrer Sprache als auch in ihrem Verhalten zeigt. Wirklich gläubig scheint nur Queenan, welcher sich kurz vor seinem Tod noch bekreuzigt, der Rest der Protagonisten hat sich vom Glauben entfernt und sein System um einen neuen Gott, verkörpert von Frank Costello, gebildet. Der Mafiaboss wird von anderen als solcher bezeichnet (von Billys Cousin als „God“, von seiner Geliebten Gwen wird er – ironisch – mit „your highness“ angesprochen) und hält sich auch selber dafür, aufgrund seiner Macht, über Leben und Tod anderer entscheiden zu können. Merkwürdigerweise zeigen die Gangster im Film, obwohl sie alle gegen das Gebot „Du sollst nicht töten“ verstossen, grossen Respekt vor dem Tod. Von ihm sprechen sie fast ausschliesslich mithilfe von Euphemismen. Das weist darauf hin, dass sie trotz ihrer Abkehr vom Glauben in gewisser Weise kulturell konditioniert sind – Verstösse gegen gesellschaftliche Tabus werden auch im Kreise von Gangstern als solche wahrgenommen. Diese Tabus hängen in erster Linie mit der 71 Sexualität (der Geschlechtsakt als Triebbefriedigung, Impotenz, Homosexualität), der respektlosen Verwendung von Gottes Namen (Gotteslästerung), der Erwähnung von Krankheit, Mord und Tod sowie des Verstosses gegen den biblischen Grundsatz, dass alle Menschen vor Gott gleich sind (Rassismus und Sexismus), zusammen. Auch tiefliegende sexuelle Komplexe beschäftigen die Protagonisten, so legt Ellerby Colin nahe, zu heiraten, um dem Rest der Welt zu zeigen, dass er nicht schwul ist und sein Penis funktioniert. Costello und Colin wiederum bezeichnen immer wieder Feinde als Schwule, als handle es sich bei Homosexualität um eine ansteckende Krankheit, vor der man Angst haben müsste. Auch sind die Protagonisten sehr auf ihre Kultur zentriert und äussern sich pejorativ über andere ethnische Gruppen (Italiener, Inder, Chinesen). Kulturgebunden ist auch der Humor. Dieser ergibt sich in The Departed einerseits aus dem teilweise makabren Kontrast von Bild und Sprache (z.B. Costellos besorgte Ausdrucksweise, als er French damit beauftragt, die abgehackte Hand eines Ermordeten an dessen Frau zu schicken, s. dazu auch Besprechung von Chaumes ikonographischem Code, S. 40-41 dieser Arbeit) und andererseits aus vulgärsprachlichen Wortspielen. Wenn Colin meint, Feuerwehrmänner hätten zum ersten Mal eine „pussy“ gesehen, kann damit sowohl das weibliche Geschlechtsteil als auch eine Katze gemeint sein. Als Ellerby zu Colin sagt „you’ll rise fast“, meint er dies anerkennend. Dignam dreht ihm allerdings das Wort im Mund um und zieht eine Parallele zum Geschlechtsteil eines 12-Jährigen, um Colin zu beleidigen. Aus all diesen Facetten setzt sich der Fluchwortschatz von The Departed zusammen. Zusammenfassend lässt sich seine Funktion auch hier, wie bereits im theoretischen Teil angesprochen (s. Kapitel 1c), grob in zwei Kategorien einteilen: der Klasse emotiver Sprechakte (oder annoyance swearing nach Ross) und der Klasse expressiver Sprechakte (social swearing nach Ross). Sie finden aber auch in Kombination mit assertiven oder direktiven Sprechakten Verwendung mit der Funktion, den Wahrheitsgehalt der Aussage oder den Willen des Protagonisten zu unterstreichen. Im Film verwenden die Protagonisten in Situationen grossen Stresses oder Ärgers vermehrt Vulgarismen, die oft nur dem Ablassen von Druck dienen und an niemanden gerichtet sind (z.B. Billy als er Queenans Leiche sieht). Im sozialen Kontext kann Vulgärsprache sowohl Nähe als auch Distanz schaffen. Wie bereits erwähnt wurde, können sowohl vulgärsprachliche als auch höfliche Äusserungen gezielt eingesetzt werden, um das Gegenüber für seine Zwecke zu gewinnen. Beide können dem Ausdruck von Respekt dienen: Höflichkeit durch die Anerkennung des Hörers als Person, seiner Lage und Gefühle, Vulgärsprache durch die Betonung von Gemeinsamkeiten und somit der Zugehörigkeit zur selben Gruppe. Vulgärsprache kann aber auch mit dem gegensätzlichen Ziel eingesetzt werden: als bald, on record strategy zur Ausübung eines Face-Threatening Acts (s. Brown/Levinsons politeness theory unter Kapitel 3b). Jemanden mithilfe von Vulgarismen 72 zu beschimpfen und ihn gesellschaftlich, ethnisch oder sexuell herabzusetzen, stellt eine Form des gezielten Angriffs dar. Als humoristisches Mittel kann Vulgärsprache als Neckerei, Nähe, als Angriff (den Hörer lächerlich machen) jedoch Distanz schaffen. Erfolgt ihre Verwendung in Situationen extremer Wut, ist sie ein Zeichen des Sprechers an den Hörer, ihn nicht weiter zu provozieren. Durch die verbale Äusserung von Wut kann deren physische Manifestierung unterdrückt werden. Reicht verbale Gewalt jedoch nicht mehr aus, um der wachsenden Wut Ausdruck zu verleihen, oder nimmt der Hörer den Sprecher nicht ernst, greifen viele Protagonisten auf physische Gewalt zurück und verprügeln ihr Gegenüber (oft in Kombination mit einem Schwall an Beschimpfungen). b) Mikrotextuelle Analyse von Ausgangs- und Zieltext i. Überblick über den Ausgangstext Nach dieser allgemeinen Betrachtung des Films, sollen nun konkrete sprachliche Beispiele gegeben werden, um die obengenannten Muster zu illustrieren. Da die Länge des Films und der Rahmen dieser Arbeit eine gründliche Analyse, das heisst die Untersuchung jedes Vulgarismus in seinem ausgangs- und zielsprachlichen Kontext (mit Einbezug des Übersetzungsverfahrens), verunmöglicht, soll auf mikrotextueller Ebene erst anhand der Kategorisierung der Vulgarismen im Ausgangstext ein Überblick über die sprachlichen Merkmale des Films als Ganzes verschafft werden, um anschliessend die Untertitelung einzelner Schlüsselszenen im Detail zu betrachten. Wie sich bereits bei der makrotextuellen, thematischen Analyse im vorhergehenden Unterkapitel gezeigt hat, lassen sich Regelmässigkeiten bei der Verwendung von Vulgarismen feststellen, welche durch deren Funktion und kulturelle Verwurzelung bedingt sind. Die Vulgarismen, welche im Film vorkommen, können nach ihrem Verweis auf gesellschaftliche Tabus gegliedert werden (angelehnt an die in Kapitel 1d erwähnte Tabu-Kategorisierung von Allan/Burridge und die in Kapitel 3cii. angesprochene Auflistung der grammatikalischen Formen von fuck durch Pujol): Tabu Lexem Wortart Syntagma (Beispiel) Funktion Konnotation Sex & Körperflüssigkeiten fucking/fuckin’ Adjektiv Adverb Infix I’m no fucking cop I fucking kill you. whoopdie fucking do; la di fucking da; Sigmund fucking Freud; guaran-fucking-teed; contra-fucking-band; abrafucking-cadabra; Jesus fucking Christ fucking what? friggin’ bow friggin’ crazy Betonung der Aussage Betonung der Aussage Negative Betonung der Aussage (auch der Ironie) 111 51 7 Betonung einer Frage Euphemismus für fucking (abgeschwächter 1 1 2 frigging/friggin’ Kollokation Adjektiv Adverb & Okkurrenz 73 fuck Substantiv the/a fuck Substantiviertes Verb all that fucking Kollokation: V + the fuck + Adv. get the fuck down; shut the fuck up; get the fuck out of here; wake the fuck up what/where/when/why/who /how the fuck(?) Kollokation: Fragewort + the fuck Kollokation: V + for the fuck of it to lie for the fuck of it Kollokation: V + a (not) to give a fuck fuck to fuck Verb fuck you!; fuck yourself fuck it/this I’m tired from fucking your wife. fuck with someone fuck around fuck off fucked Partizip fuck sth up to be fucked fucked up How fucked up are you? fucked out The car’s fucked out with graffiti on the side fuck Interjektion Fuck! fuckhead Substantiv motherfucker Substantiv Hey, fuckhead, that’s Jackie’s nephew. Shoot this motherfucker! whore Substantiv son-of-a-bitch Substantiv bastard Substantiv pussy Substantiv money-grubbing whore At least somebody can stand the son-of-a-bitch. the poor bastard Firemen getting pussy (rescuing it from a tree) You lace-curtain Irish fuckin’ pussy! Vulgarismus) -> leichte Betonung der Aussage Pejorative Bezeichnung für eine Person Ursprüngliche Bedeutung (pej. für den Geschlechtsakt) Verstärkung des Imperativs 4 1 9 Betonung einer direkten oder indirekten Frage 36 Nichts (Betonung der Grundlosigkeit der eigenen Handlung) Nichts (Betonung des eigenen Desinteresses, der Unbedeutsamkeit einer Sache) Äusserung von Wut / Respektlosigkeit gegenüber einer Person Äusserung von Wut / Respektlosigkeit gegenüber einer Sache Ursprüngliche Bedeutung (pejorativ für Geschlechtsverkehr) Pej. für jemanden respektlos (als wäre er nichts) behandeln (z.B. durch anlügen, hänseln, herabsetzen) Nichts machen (Betonung der Unbedeutsamkeit) Äusserung von Wut gegenüber eine Person (unhöfliche Aufforderung zu gehen) Zunichte machen Betonung der Aussichtslosigkeit der Lage / Bez. einer Person als Lügner Pej. Bez. für psychischen Zustand einer Person Pej. Bez. für den Zustand eines abgenutzten Gegenstands / Person Äusserung von Überraschung/Wut Pej. Bez. f. eine Person 1 Pej. Bez. f. einen Mann (Ursprung s. ÖdipusKomplex) Ursprüngliche Bedeutung (pej. für eine Prostituierte) Pej. Bez. für eine Frau Pej. Bez. für einen Mann (Herabsetzung durch Beleidigung dessen Mutter) Ursprüngliche Bedeutung (pussycat=Katze) Pej. Bez. für einen Mann (Vergleich zu einer Katze 6 11 4 3 1 1 1 3 2 1 1 5 1 7 - 1 1 4 2 1 74 Firemen getting pussy (getting women/sex) cunt Adjektiv Substantiv Kollokation douchebag Substantiv fuck stick Substantiv pecker Substantiv dick Substantiv prick Substantiv dickhead Substantiv cock Substantiv I don’t need pussy anymore either. cunt cop that shrink cunt / We [people of the undercover section] would be cunts. to get cunt You’re a fucking douchebag. Kollokation Look it, fuck stick. little boys sucking on their peckers like a twelve-year old’s dick I’m gonna find the prick. Who forged your transcript, dickhead? They know your cock must work. to suck on one’s cock cocksucker Substantiv nuts Substantiv (Plural) Kollokation to go nuts Substantiv (Plural) Substantiv Verb Don’t get your balls in an uproar. I get a blow job again. Blow me. balls blow job to blow someone [Costello zu den pädophilen Priestern] Enjoy your clams, cocksuckers. You fucking cocksucker! Blow me. to shoot in one’s pants jerk off Kollokation Adjektiv Verb ass(hole) Substantiv Kollokation Calm down, or you’ll shoot in your pants. jerk-off cousin the hand he jerked off with; jerking off in a theatre the ass of a camel; wipe my ass; looking up their own ass; a whiff of my ass; crawling up asses What’s the matter, smart ass? sth is a pain in the ass -> impliziert schwach und effeminiert) Ursprüngliche Bedeutung (pej. für das weibliche Geschlechtsteil) Pej. Bez. für den Geschlechtsakt Betonung der Aussage Ursprüngliche Bedeutung (pej. für das weibliche Geschlechtsteil) Pej. Bez. für eine Frau / einen Mann 2 1 1 - 2 Pej. für Frauen finden, um Geschlechtsverkehr zu haben Wortwörtliche Bedeutung (vaginale Saugpumpe) Pej. Bez. für einen Mann Wortwörtliche Bedeutung (pej. für das männliche Geschlechtsteil) Pej. Bez. f. einen Mann Pej. für das männliche Geschlechtsteil Ursprüngliche Bedeutung (pej. für das männliche Geschlechtsteil) Pej. Bez. für einen Mann Ursprüngliche Bedeutung (pej. für das männliche Geschlechtsteil) Pej. Bez. für einen Mann Pej. Bez. für einen Mann 1 Pej. für das männliche Geschlechtsteil Wortwörtliche Bedeutung (pej. für Fellatio) Wortwörtliche Bedeutung (pej. für Homosexuelle, s. Tabu-Kategorie „Namen“) Pej. Bez. für einen Mann Ursprüngliche Bedeutung (pej. für Hoden) Pej. für den Verstand verlieren Ursprüngliche Bedeutung (pej. für Hoden) Pej. für Fellatio. Wortwörtliche Bedeutung (pej. für praktizieren einer Fellatio) Äusserung von Wut gegenüber einer Person Vulgärsprachlich für ejakulieren. Pej. Bez. einer Person (im Sinne von nichtsnutzig) Pej. für masturbieren 3 Wortwörtliche Bedeutung (pej. für Anus / Gesäss) 5 Pej. Bez. für eine Person 1 Pej. für Probleme 1 3 - 1 1 2 - 9 1 1 1 6 1 1 2 1 2 1 1 2 75 shit Namen (persönlicher verbaler Angriff) Substantiv He talks like his shit don’t stink. We’re not even supposed to be doing this shit. piece of shit to be up shit’s creek to be full of shit to know shit; to feed someone shit; to give a shit to be hot shit You’re shitting me? shit! Ursprüngliche Bedeutung (pej. für Exkremente) Pej. Bez. für eine Sache 1 Pej. Bez. für eine Person Pej. für Probleme (haben) Pej. Bez. für einen Lügner Nichts (Betonung der Unbedeutsamkeit) Pos. Bez. für eine Person Pej. für Belügen Äusserung von Überraschung / Wut personal bullshit Pej. für Probleme (haben) no bullshit; psychiatry bullshit Pej. für Lügen / Nonsens 3 1 1 3 This shithole has more fucking leaks than the Iraqi navy. He’s scared shitless. You do not want to miss it if Costello takes a dump. Pej. Bez. für einen Ort 1 Betonung der Aussage. Pej. Bez. für das Ausscheiden von Exkrementen Pej. Bez. für einen Mann Rassistische Bez. für Pers. italienischer Herkunft Rassistische Bez. für Afroamerikaner 1 1 to shit someone shit Kollokation Kollokation Kollokation Kollokation: V +( a) shit Kollokation Verb (transitiv) Interjektion bullshit Substantiv shithole Substantiv shitless to take a dump Kollokation Kollokation pissant guinea Substantiv Substantiv that Irish pissant true guineas nigger Substantiv black chappy Substantiv mick Adjektiv That’s what the niggers don’t realize. If I got one thing against the black chappies, it’s this. mick cops Rican Substantiv Babu Chinaman Substantiv Substantiv chink Substantiv queer homo Substantiv Substantiv cocksucker Substantiv faggot girl sister Substantiv Substantiv Substantiv prom queen Substantiv hump Substantiv donkey Substantiv lace-curtain Adjektiv shrink Substantiv little Miss Freud Kollokation moron Substantiv jerk lox (kurz für Substantiv Substantiv Fucking Ricans think they know everything. Come on, Babu. I’m concerned about a Chinaman.... If these Chinks want to nuke Taiwan... Fucking queers. Hey, go save a kitten in a tree, you fucking homos. [Costello zu den pädophilen Priestern] Enjoy your clams, cocksuckers. you two-faced faggot You, girls, have a good day. I hope you’re not turning into one of them sob sisters. Look who’s here. The prom queen. Your old man was a fucking hump. with your daddy, the fucking donkey lace-curtain motherfucker; lace-curtain Irish fuckin’ pussy See a court-ordered shrink Some other guy will be putting his fat cock up Little Miss Freud’s ass. Oh, come on, you fucking moron. Jerk ass! He’s a lox. 2 1 1 2 1 3 1 5 2 1 Rassistische Bez. für Personen irischer Herkunft Rassistische Bez. für Puerto Ricaner Rassistische Bez. für Inder Rassistische Bez. für einen Chinesen 1 2 3 2 1 Pejorative Bez. für Homosexuelle 1 3 1 Pej. Bezeichnung für Männer 1 2 1 1 Pej. Bez. für einen Arbeiter 1 1 Pej. Bez. für Personen der oberen Mittelschicht 2 Pej. Bez. für eine(n) Psychiater(in) Pej. Bez. für eine Psychiaterin 3 Pej. Bez. für Personen mit eingeschränktem Intellekt 1 1 1 1 76 Religion lummox) Jesus Christ Jesus Christ jeez chrissake for Christ’s sake hell Interjektion Interjektion Jesus fucking Christ Kollokation: Fragewort + the hell Interjektion goddamn damn Adjektiv Adverb Jesus Christ! Jesus! Christ! Jeez! For chrissake, be smart! Eat something, for Christ’s sake! Where the hell’s Frank? Äusserung von Überraschung / Verzweiflung Betonung einer Frage 1 Jesus fucking Christ! Blasphemische Äusserung von Überraschung / Wut Negative Betonung der Aussage 1 goddamn standards damn bad; damn near found him Betonung des Imperativs 3 1 1 1 1 1 3 2 Bereits auf den ersten Blick offenbart sich die quantitative und qualitative Fülle an Vulgarismen in The Departed, wobei die meisten Bezug nehmen auf sexuelle Tabus. Darunter befinden sich der Geschlechtsakt als Triebbefriedigung (fuck und seine Varianten sowie damit verbundene Aktivitäten wie to blow, to jerk off), Bezeichnungen für Geschlechtsteile (pussy, cunt, fuck stick, pecker, dick, prick, cock, nuts, balls) und deren Flüssigkeiten (shit, piss) sowie Verweise auf gesellschaftliche Tabus wie den ausserehelichen Geschlechtsakt (whore, bitch, son-of-a-bitch, bastard) oder tiefer liegende innere Konflikte wie den Ödipus-Komplex (motherfucker). Der persönliche verbale Angriff kann abzielen auf die Verletzung einer Person durch deren Reduzierung auf ihre Nationalität (rassistische Bezeichnungen für Italiener, Schwarze, Iren, Puerto Ricaner, Inder und Chinesen), Sexualität (Homosexuelle und Frauen), Gesellschaftsschicht (Arbeiter, obere Mittelschicht), Intelligenz oder Berufsstand (z.B. Psychiater). Unter den religiösen Begriffen wird vor allem der Name von Christus in all seinen Variationen verwendet, aber auch dessen Widersacher der Teufel in seinem Umfeld (hell, goddamn, damn). Interessant zu sehen ist, dass viele der Vulgarismen zwar ihrer Etymologie nach in direktem Bezug stehen zu Tabus, ihre Bedeutung sich aber weit davon entfernt hat. So beinhaltet fuck in phrasal verbs (fuck around, fuck off, fuck sth up; to be fucked, to be fucked up, to be fucked out) lediglich die negative Konnotation der Triebbefriedigung ohne Fortpflanzung, als etwas, das sinnlos ist, und unterstreicht die Nichtigkeit im Sinne von jemanden anlügen (ihm nichtige, inkorrekte Informationen geben, to fuck with someone), nichts machen (to fuck around), zunichte machen (fuck sth up), jemanden ins Nichts, in die Wüste schicken (to fuck off). In passivischen Konstruktionen dient fuck der Bezeichnung des Zustands einer Person oder Sache als nichtig (to be fucked, to be fucked up, to be fucked out). Fucking konnte sich gar seiner negativen Konnotation entledigen. Obwohl der Begriff durch seinen Verweis auf ein Tabu noch immer geringe gesellschaftliche Akzeptanz erfährt (fuck wird auch weiterhin am amerikanischen Fernsehen mit einem Piepton überdeckt), kann er durchaus zur positiven Hervorhebung eines Sachverhalts oder einer Person verwendet werden (z.B. „Wow, what a fucking great car!“) – und das nicht nur in Gangsterkreisen. Auch 77 motherfucker ist inzwischen so geläufig, dass der Sprecher wohl kaum Freud und seinen Ödipus-Konflikt damit verbinden dürfte (Achtung aber, wenn ein geläufiger Begriff als gezielter Angriff mit Verweis auf seine wortwörtliche Bedeutung eingesetzt wird, wie cocksucker von Costello zur Bezeichnung pädophiler Priester). Die Unterschiede zwischen der ursprünglichen Bedeutung eines Begriffs, seiner vulgärsprachlichen Verwendung und eventuellen Entwicklung müssen beachtet werden. So hatten viele Begriffe, welche der Tierwelt entlehnt wurden, ursprünglich nichts Anstössiges an sich (pussy für Katze, pecker für Schnabel und prick für Stachel). Erst durch ihre Analogie zu einem Geschlechtsteil erhielten sie eine vulgärsprachliche Konnotation. In einem ersten Schritt wurden sie verwendet als Ersatz für die medizinischen Begriffe von Geschlechtsteilen, inzwischen haben viele aber eine weitere Entwicklung durchgemacht und finden vermehrt Einsatz als allgemeines Schimpfwort für eine Person. Dabei wird eine Person auf ihr Geschlechtsteil (Männer manchmal auch auf das weibliche, wie bei cunt oder pussy) reduziert, der Begriff steht somit für das Ganze (rhetorische Figur des Pars pro toto). Die negative Konnotation entsteht einerseits aus dieser Reduzierung eines Menschen auf einen Aspekt, andererseits aus dem gesellschaftlichen Konsens, dass Sexualität etwas Schmutziges ist und dadurch negativ behaftet ist. Dieser gesellschaftliche Konsens geht auf das christliche Wertesystem zurück, welches die westliche Gesellschaft, trotz des Machtverlustes der Kirche im letzten Jahrhundert, immer noch stark bestimmt. Wie in Kapitel 1e besprochen, verfügt die Kirche als Institution in den Vereinigten Staaten auch heute noch über grossen Einfluss, weswegen auch religiöse Vulgarismen einen Teil ihrer Aussagekraft beibehalten konnten. Ausrufe wie Jesus Christ! dienen aber heutzutage lediglich der Äusserung von Überraschung, blasphemisch aufgefasst würde höchstens noch Jesus fucking Christ!. Auch for Christ’s sake oder what the hell dienen nur mehr der Betonung und sind nicht zwingend negativ, während damn und goddamn auch heute noch negativ aufgefasst werden – als abschätzige Äusserung über eine Person, Sache oder Situation. Blasphemisch ist im Film nicht die Lexik, sondern eher der Kontext. Für einen streng gläubigen Katholiken wäre es wahrscheinlich ziemlich schockierend, wenn ein amoralischer Gangster wie Costello Kirchenlieder singt, biblische Zitate als Rechtfertigung für seine Taten verwendet oder sich selber als Gott bezeichnet. Doch nicht nur blasphemische, auch rassistische Bezeichnungen haben sich weiterentwickelt, wie bereits am Begriff nigger, dessen Entwicklung auf Seite 15 dieser Arbeit beschrieben ist, aufgezeigt wurde. Wie nigger wird auch queer von den ursprünglich Beschimpften inzwischen zur Selbstbezeichnung verwendet. Doch wenn auch alle aufgelisteten Begriffe vulgär sind, so sind sie nicht alle gleich vulgär. Bedingt durch den Ursprung bzw. die individuelle Evolution der Begriffe bestehen Unterschiede hinsichtlich der Konnotation. Auf die Lexik bezogen lässt sich nicht pauschal eine Hierarchie aufstellen, da ein Lexem immer 78 erst in seinem Kontext die volle Bedeutung entfalten kann. Allgemein kann gesagt werden, dass fuckhead, motherfucker und cunt als sehr anstössig erachtet werden, wohingegen dickhead, douchebag und pussy gesellschaftstauglicher sind. So ist cunt das einzige Wort, welches im britischen Fernsehen bis heute zensiert wird. Auch bestehen Unterschiede zwischen amerikanischem und britischem Englisch: So wird dick vorwiegend in Amerika und prick im Vereinigten Königreich verwendet, durch den medialen Einfluss der amerikanischen Kultur wird inzwischen aber auch dick benutzt. Pussy ist ebenfalls ein amerikanischer Begriff, der sich auf dem europäischen Kontinent eingebürgert hat. Bastard wiederum ist die britische Version des amerikanischen son-of-a-bitch. Pecker ist ein schwacher Vulgarismus, beinahe schon verniedlichend – zumindest nach Empfinden eines befragten Briten19. Denn nicht nur Kontext, sondern auch Faktoren wie Region, Bildung und soziale Position des Sprechers, Gesprächssituation, Gesprächsgegenstand oder Zweck der Kommunikation sowie Art und Grad der Inferenz mit anderen Sprachen (hier Sprachvarietäten) können Auswirkungen auf die Sensibilität einer Person gegenüber Vulgarismen haben (Viereck 1986:219 gliedert nach diesen Faktoren die synchronischen Varietäten des Englischen). Im Falle der Vulgärsprache können auch Geschlecht, Alter und religiöser Hintergrund der Kommunikationspartner sowie soziale Nähe, Hierarchieunterschiede und Kultur (Brown/Levinson 1987) einen Einfluss haben. Einig wären sich jedoch wahrscheinlich die meisten Muttersprachler, dass motherfucking eine Steigerung von fucking ist, frigging dagegen eine Abschwächung ist. Frigging aber auch black chappies sind gewissermassen „Zwittererscheinungen“. Sie befinden sich zwischen Euphemismus und Vulgarismus und werden von denen verwendet, die zwar fluchen respektive sich abschätzig äussern wollen, jedoch ohne allzu stark gegen Tabus zu verstossen. So wird mit frigging zwar das Tabuwort fucking umgangen, dem Hörer ist aber klar, was gemeint ist. Colin zum Beispiel setzt frigging ein, als er zum ersten Mal auf Madolyn trifft und seinen Äusserungen Ausdruck verleihen, jedoch nicht das Risiko eingehen will, seine neue Bekanntschaft zu schockieren oder gar zu vergraulen. Andererseits können einzelne Vulgarismen aber auch gesteigert werden, indem man sie kombiniert. So sind Komposita möglich (cunt cop, jerk ass, cop prick, IRA motherfucker, shrink cunt, rat bastard, rat fuck), aber auch die Addition von einem vulgärsprachlichen Adverb und einem vulgärsprachlichen Substantiv (goddamn motherfucker, fucking queers, homos, douchebags usw.) oder sogar noch stärker in zusätzlicher Kombination mit einem negativ behafteten Adjektiv (stupid fucking asshole). Den Rekord stellt Dignam mit „you lace-curtain Irish fuckin’ pussy“ auf. Doch auch positiv behaftete Begriffe können mit Vulgarismen kombiniert werden, meist um Ironie oder Sarkasmus zu verdeutlichen (Mr. fucking genius, fucking smart). Ironie stellt denn auch eine 19 Schriftliche Kommunikation von Herrn Ian MacKenzie [01.08.11]. 79 Form verbalen Angriffs dar; auf sie kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht vertieft eingegangen werden, besprochen werden soll sie im Anschluss nur im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die interpersonale Dynamik zwischen den Figuren im Film. Das gleiche gilt für Euphemismen. Krankheit, Mord & Tod bilden, wie beschrieben in Allan/Burridge 2006, ein starkes gesellschaftliches Tabu, dessen Macht sich allerdings nicht in erster Linie im Fluchwortschatz, sondern in der Verwendung von Euphemismen widerspiegelt. Doch auch Euphemismen sind nicht Thema der Arbeit und sollen deswegen, wie auch Humor und Ironie nur in Bezug auf ihre pragmatische Dimension analysiert werden. Denn grundlegend für die Übersetzung ist nicht der eigentliche Wortlaut, sondern die Intention, die der Sprecher zum Ausdruck bringen will. So kann ein simpler Ausdruck wie fucking zahlreiche Funktionen haben. Er kann sowohl zur illokutiven Klasse der Emotiven (fuck!) und Expressiven (fuck you!), als auch zu den Assertiven (I’m no fucking cop!) und Direktiven (fucking do it!) gehören – je nach Kontext. Einzig dem Wortlaut folgen darf der Untertitler nicht, so werden im Film oft gerade besonders höfliche Formulierungen zum Ausüben von Druck verwendet. Entweder durch das Herstellen emotionaler Bindung oder aber gar als unterschwellige Drohungen oder verbale Angriffe, wie in der Szene, in welcher zwei italienische Gangster einen indischen Laden überfallen und der eine Gangster mithilfe von Höflichkeitsstrategien, der andere mithilfe von Gewalt das gemeinsame Ziel, nämlich die Zahlung von Schutzgeld, erwirken wollen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vulgarismen in The Departed direkt oder indirekt auf die gesellschaftlichen Tabus der Sexualität, des respektlosen Gebrauchs von Namen sowie der Religion verweisen. Verwendung finden sie in zahlreichen und immer zahlreicher werdenden Formen, welche sich mehr und mehr von der ursprünglichen Bedeutung entfernen. So kann ein Vulgarismus als Substantiv zur pejorativen Bezeichnung einer Person, Sache oder Handlung verwendet werden (ursprünglicher Zweck des Vulgarismus), als Interjektion durch seine Emotionsgeladenheit der Äusserung von Gefühlen (an sich selber oder den Hörer gerichtet) dienen oder als Adjektiv bzw. Adverb die Betonung einer Aussage, einer Frage oder eines Befehls verstärken, wobei die Betonung nicht zwingend negativ ausfallen muss (s. Entwicklung des Begriffs fucking). Als phrasal verb kann ein vulgärsprachliches Substantiv in Kombination mit einer Präposition in bestimmten Fällen seine eigene Bedeutung verlieren und nur mehr die negative Konnotation des ursprünglichen Begriffs tragen. 80 ii. Ausgangslage & Vorgehensweise Für den Ausgangstext – und somit auch für die Übersetzung – hat Glaubwürdigkeit oberste Priorität. Denn in The Departed geht es Scorsese nicht in erster Linie um die Handlung, sondern um die Darstellung der Psychologie der einzelnen Figuren (s. DVD-Special Crossing Criminal Cultures). Der Film kann also nur effizient sein, wenn er auch in der Übersetzung authentisch erscheint. Dies gilt aber nicht nur für Filme von Scorsese, sondern dem Übersetzungswissenschaftler Chaume zufolge für die Untertitelung aller Filme: Der Skopos eines fiktiven Textes ist, das Publikum durch die Wiedergabe und Darstellung einer glaubhaften Situation zu unterhalten (Chaume 2004:225). Daher muss der Untertitler der Wahrung der Authentizität der individuellen Sprechweise der Charaktere besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Doch Authentizität hängt nicht nur von der individuellen Sprechweise ab: Der Film – wie jedes Werk – kann erst als Ganzes seine Bedeutung entfalten. Nachdem in Kapitel 3 bereits die Wichtigkeit der interpersonalen Dynamik hervorgehoben wurde, soll diese nun mit Schwerpunkt auf Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien untersucht werden. Da die interpersonale Dynamik nicht isoliert Untertitel für Untertitel betrachtet werden kann und sollte, sondern sich meist über einen Textakt hinweg entwickelt (Mason 2001:20, 26, angesprochen in Kapitel 3ci.), werden im Folgenden einzelne Szenen analysiert, wobei Kotext (vor- und nachhergehende Szenen), Kontext (intra- und extratextuell) sowie Zusammenspiel mit anderen Informationskanälen (Originalton und – bild) trotz mikrotextueller Perspektive mit einbezogen werden sollen. Nach einer kurzen Situierung der Szene in ihrem Kotext (was vorher bzw. nachher geschieht) soll analysiert werden, wie sich die interpersonale Dynamik im Text entfaltet. Bei der Analyse wird vom Wortlaut im Film ausgegangen, gestützt auf die Spotting List. Eine Spotting List zu definieren ist schwierig, da sie je nach Produktionsfirma mehr oder weniger detailliert ausfällt. So kann sie minimalistisch sein und sich auf die schriftliche Wiedergabe von Dialogen beschränken (idealerweise genau wie diese im Film vorkommen, weniger idealerweise wie sie ursprünglich im Drehbuch standen, Ivarsson 1992:84) oder kann aber, wie im vorliegenden Falle, neben Beschreibungen der Handlung im Bild auch Anmerkungen zu sprachlichen Besonderheiten (u.a. zu Slangismen und Vulgarismen) sowie Kommentare zu Kulturspezifika beinhalten. Die Firma Warner Bros., Auftraggeber von The Departed, hat unter Untertitlern den Ruf, sehr ausführliche Spotting Lists zu liefern20. Dass die Spotting List von der Filmgesellschaft in house redigiert wird, hat den Vorteil, dass der Verfasser im Zweifelsfalle beim Produktionsteam nachfragen kann – oder gar beim Regisseur. So beinhaltet die Spotting List von The Departed auch Anweisungen von Scorsese, zum Beispiel: 20 Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11]. 81 „TRANSLATORS PLEASE NOTE: MR. SCORSESE DOES NOT WANT ANY OF THE GREEK DIALOGUE TRANSLATED EITHER FOR DUBBED VERSIONS OR FOR SUBTITLED VERSIONS”. Diese Bemerkung bezieht sich auf die Konversation im Restaurant bei der Festnahme von Jimmy Pappas’, das Gleiche gilt aber auch für Chinesisch in der Mikroprozessoren-Szene sowie für Punjabi in der Szene, in welcher zwei italienische Gangster in einem indischen Laden versuchen, Schutzgeld zu erpressen. Auch werden in der Spotting List punktuell sogenannte alternate titles, zusammengefasste Untertitel, vorgeschlagen, wenn der Ausgangstext zu lang für eine ausführliche Übersetzung scheint. Die Spotting List ist, wie aus Scorseses Kommentar zu entnehmen ist, Ausgangspunkt sowohl für die untertitelte als auch die synchronisierte Fassung. Wenn sie qualitativ hochstehend ist, stellt sie eine grosse Stütze dar (Díaz Cintas 2001:199-211) und beeinflusst die Arbeitsweise des Untertitlers massgebend. Den extratextuellen Faktoren (Arbeitsabläufe, Akteure im Untertitelungsprozess, externe Vorgaben, usw.) muss auch im Rahmen dieser Analyse Rechnung getragen werden. Wie eine Analyse von Untertiteln nicht ohne Beachtung der anderen Informationskanäle durchgeführt werden darf, stünde sie auch ohne die Miteinbeziehung der Arbeitsbedingungen im luftleeren Raum. Ursprünglich sollte einzig von der DVD-Fassung der Firma SDI Media Group ausgegangen werden. Da diese aber für Auskünfte nicht erreichbar war, ging die Suche nach einer anderen Fassung, zu der auch Informationen zum Arbeitsprozess eingeholt werden können, weiter. Eine geeignete Fassung fand sich schliesslich in der Genfer Untertitelungsagentur Titra, welche The Departed für das schweizerische Kino-Publikum 2006 auf die Leinwand brachte. Beim ersten Durchlesen hinterliess diese Fassung jedoch einen ganz anderen Eindruck als jene der SDI Media Group. Daraus entstand die Idee, beide Fassungen in die Analyse mit einzubeziehen und sie zu vergleichen, in der Hoffnung, Unterschiede auf übersetzungsstrategische Entscheidungen der Untertitler zurückzuführen und eine rationale Erklärung für die eigene intuitive Wahrnehmung zu finden. Da für die DVD-Fassung keine Informationen zu den Umständen ihrer Entstehung vorliegen, können nur vorsichtig Mutmassungen angestellt werden. Eindeutig ist, dass der Zieltext von SDI sich an deutschsprachige Zuschauer aller drei Länder richtet, da die DVD sowohl in Deutschland, Österreich als auch der Schweiz vertrieben wird. Während Titra von den meisten Kunden die Vorgabe erhält, ihre Untertitel schweizerisch zu gestalten, Helvetismen also ausdrücklich erwünscht sind21, wurde die DVD-Fassung bedingt durch die Heterogenität ihres Zielpublikums bewusst „neutral“ gehalten. Aufgrund der sprachlichen Merkmale im Text sowie dem Fakt, dass die SDI eine Niederlassung in Deutschland hat, darf aber von einem deutschen Untertitler ausgegangen werden. Ins Auge fällt auch, dass die Fassung von Titra um einiges kürzer ist als jene von SDI. Dies ist darauf 21 Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11]. 82 zurückzuführen, dass sich in der Schweiz der deutschsprachige Untertitler den verfügbaren Platz mit dem französischsprachigen Untertitler teilen muss. So zeigt die erste Zeile jeweils die deutschen, die zweite Zeile die französischen Untertitel, wobei beide gleichzeitig und mit dem Ausgangstext synchron eingeblendet werden müssen. Da in der Forschung oft von den zeitlich-räumlichen Begrenzungen als unantastbare Bedingung der Untertitelung, deren Kriterien weltweit vergleichbar sind (s. Besprechung dieser Problematik unter Kapitel 2e, S.43-44), ausgegangen wird, könnte es besonders interessant sein, den Sonderfall Schweiz mit seinen halb so langen Untertiteln mit dem Fall Deutschland zu vergleichen, um herauszufinden, inwiefern die Zeichenquantität Auswirkungen auf die Untertitelqualität hat. Ausschnitte der beiden Zieltexte sowie des Ausgangstextes (in Szenen gegliedert) befinden sich aus Platzgründen im Anhang dieser Arbeit, wobei der Ausgangstext auf der Spotting List basiert (stellenweise ergänzt oder um zusätzliche Kommentare gestrafft), Zieltext 1 für die DVD-Fassung und Zieltext 2 für die Kino-Fassung stehen. Doch genug der theoretischen Worte, die Praxis wartet! iii. Szene 1: Eröffnungssequenz The Departed katapultiert den Zuschauer nicht wie in Gangsterfilmen üblich direkt ins Geschehen, sondern konfrontiert ihn zu Beginn des Films mit der Lebensphilosophie von Mafiaboss Frank Costello. Dieser spricht aus dem Off, das heisst von ausserhalb der Kameraeinstellung, über seine Einstellung zu anderen ethnischen Gruppen und dem Leben allgemein. Untermalt wird seine Stimme durch Filmausschnitte aus der Zeit des Bostoner Rassenkriegs in den 1970er (s. busing strike, S. 65 dieser Arbeit) sowie dem Song Gimme Shelter der Rolling Stones. Die Stimme aus dem Off wird von Scorsese oft und gerne eingesetzt, seine Funktion beschreiben Schaller/Trosset folgendermassen: L’utilisation fréquente de la voix off – certains films en sont parcourus de bout en bout – participe également { l’intensité spirituelle dont l’œuvre scorsesienne est empreinte. Le réalisateur affectionne la présence de cette entité invisible qui couvre le drame, offrant au héros cette grandeur rédemptrice qui l’obsède. Au-delà d’accroître l’implication personnelle du spectateur, la voix off enrichit le film d’une seconde lecture plus documentaire, généralement prodiguée par les protagonistes eux-mêmes qui, par le biais de ce discours, font œuvre d’introspection. (Schaller/Trosset 2004:163) Diese spirituelle Intensität wird dadurch verstärkt, dass Costello sich in der ersten Minute nicht im Bild befindet und während weiterer zwei Minuten nur an seinem Umriss zu erkennen ist. 83 Screenshot des Schattens von Mafiagott Costello [00:01:10] Die „entité invisible“ von der Schaller/Trosset sprechen verkörpert Costellos Schatten, welcher das Geschehen, ähnlich Gott, lenkt. Durch den Einsatz des Off-Kommentars verschmelzen in gewisser Weise die Ebenen zwischen Adressaten in der fiktiven Welt und Adressaten in der realen Welt, da Costello sich aus dem Off an beide richtet (s. Hatim/Mason 1997 in Kapitel 3a). So klärt Costello den Zuschauer, und wie später aus dem Bild entnommen werden kann, auch Colin über seine Beweggründe auf. Der Schluss, den Costello persönlich aus der Geschichte der Einwanderer in Boston zieht, ist, dass einem nichts geschenkt wird, man es sich also selber nehmen muss. Die Schwarzen sind seines Erachtens selber schuld an ihrer Situation, weil sie sich nicht genug gewehrt haben. Dies erklärt auch, wieso sich im Film die italienische und die irische Mafia bekriegen: Beide sind bereit, ihre Ziele notfalls auch mit Gewalt zu erreichen. In dieser kurzen Sequenz offenbart sich dem Zuschauer nicht nur Costellos negatives Weltbild, sondern auch seine Homophobie. Obschon er durch seine irischen Wurzeln strenggenommen auch kein „richtiger“ Amerikaner ist, scheut er sich nicht, andere ethnische Gruppe herabzusetzen und von Amerika als seinem Land zu sprechen. Sotinel sieht in diesem Prolog eine grausame Feststellung des Versagens der amerikanischen Gesellschaft – ein Beweis dafür, dass sich die amerikanische Gesellschaft nach den Tumulten der 1960er-1970er Jahren weiter gespalten hat (Sotinel 2007:85). Wie Costello selber sagt, kann auch die Kirche den Menschen nicht mehr helfen. Früher förderte sie den Zusammenhalt in der Gemeinschaft, heute aber hat sie keine Macht mehr. Gefolgt wird der beinahe dokumentarische Prolog von einem Flashback, einer filmischen Rückblende, die Costellos erste Begegnung mit Colin zeigt. Colins Wirken als Messdiener (nächste Einstellung) und der religiöse Hintergrund, auf den angespielt wird, halten ihn aber nicht davon ab, Costello in der L Street zu besuchen. So sieht man anschliessend Costello in einer Garage, wie er Colin und anderen Kindern predigt, dass man sich der Kirche nicht unterwerfen, sondern nach seinen eigenen Massstäben handeln sollte und sich von anderen nichts gefallen lassen muss. Auf die Andeutung, was jenen geschehen kann, die seine Macht 84 nicht respektieren, sagt Costello, dass es im Angesicht des Todes sowieso nicht darauf ankomme, ob man Polizist oder Verbrecher sei. Die Szene endet, nach einer Rückblende, in der der angetönte Mord an zwei italienischen Bandenmitgliedern gezeigt wird, mit einem visuellen Sprung vom Kind zum erwachsenen Colin, der jetzt dank Costello den Weg in die Polizeischule gefunden hat. In dieser Szene ist die Beibehaltung der konnotativen Intensität von Vulgarismen umso wichtiger, als dass der deutschsprachige Zuschauer mit den Archivbildern nicht viel assoziieren dürfte. Da eine Fussnote, welche die Bostoner Krawalle und deren Verweis auf den grassierenden Rassismus in Boston näher erläutern würde, in der Untertitelung nicht möglich ist, entgeht dem deutschen Zuschauer unter Umständen anfangs die rassistische Färbung von Costellos Aussagen. Der Untertitler muss deshalb besonders Acht geben, dass in seinen Formulierungen das Ausmass von Costellos Rassismus durch scheint. Die Szene ist auch in Bezug auf die interpersonale Dynamik zwischen den Charakteren interessant, da sie die Entwicklung der Beziehung zwischen Costello und Colin im Schnelldurchlauf zeigt. Macht demonstriert Costello den Zuschauern gegenüber in seinem Monolog und dem Ladenbesitzer Vin durch unterschwellige Drohungen, Colin gegenüber verhält er sich allerdings väterlich und versucht ihn durch Geschenke (Esswaren) sowie durch Sprache für sich einzunehmen. Die Andeutung eines Vater-Sohn-Verhältnisses zwischen Costello und Colin durch Verwendung des Possessivs „my boy“ ist äusserst wichtig für den späteren Verlauf des Films. Denn kurz vor seinem Tod stellt sich heraus, dass der sonst so herzlose Costello in Colin einen Sohn sah. Woraus Colin schliesst, dass Costellos ultimative Triebfeder für „all that murdering and fucking“ seine Impotenz ist. Auch Erektionsprobleme stellen im Film ein grosses Tabu dar. Nach einer gemeinsamen Nacht spricht Madolyn Colin auf seine Erektionsschwierigkeiten an, dieser blockt aber ab. Als Ellerby ihm später nahelegt zu heiraten, um dem Rest der Welt zu zeigen, dass sein Geschlechtsteil funktioniere, brüstet sich Colin damit, dass es Überstunden leiste. In den Kreisen, in denen sich Colin und Costello bewegen, scheint sich die Identität über die Männlichkeit ergo über die Funktionstüchtigkeit der Sexualorgane zu definieren. Bleibt diese aus, wird kompensiert – bei Costello tätlich mit „murdering and fucking“, bei Colin verbal. Leider fällt die Andeutung von Costellos Sehnsucht nach einem Sohn in ZT 2 („braver Junge“) aber weg, dem Zuschauer entgeht somit eine interpretative Spur. Auch sonst erhält man einen leicht anderen Eindruck von Costello in der Übersetzung als im Original. Costellos Sprechstil wirkt im Prolog abgehackter, weil die Sätze teilweise kürzer und semantisch kompakter ausfallen. Die rhetorischen Mittel der Wiederholung („I don’t want“ im Gegensatz zu „I want“, hier Form der Antithese) oder der deiktischen Determinative („that 85 was“, „that’s what“, „it’s this“), welche Costellos Prolog Rhythmus und Schwere (Macht) verleihen, fallen teilweise weg. Auf rein lexikalischer Ebene beeinflussen ausser Vulgarismen auch andere mit Vulgarität in Zusammenhang stehende sprachliche Besonderheiten wie Slang und Polizeijargon, aber auch Höflichkeitsformen, Formen der Anrede einer Person sowie indirekte Verweise auf gesellschaftliche Tabus die interpersonale Dynamik. Aus diesem Grund wurde diese in den Szenen jeweils ebenfalls farbig markiert (s. Erklärung der Markierungen im Anhang, S. 140). Denn obwohl Höflichkeit eigentlich positiv konnotiert ist, werden Euphemismen oder überhöfliche Formulierungen stellenweise gezielt als Angriff eingesetzt. So fasst der Ladenbesitzer Costellos Bemerkung „Carmen’s developing into a fine young lady“, gepaart mit ihr zugeflüsterten Obszönitäten (die der Zuschauer zwar nicht hört, jedoch an Costellos dreckigem Lachen erahnen kann) und der anschliessenden Frage nach deren Periode keineswegs als Kompliment auf, sondern eher als Drohung Costellos, sich an ihr zu vergreifen. Nicht am eigentlichen Wortlaut, sondern erst durch den Kontext (Situation, Körpersprache, Betonung) lässt sich die Intention erkennen. Bei den Vulgarismen ist der Angriff offensichtlich, da diese im klassischen Sinne eingesetzt werden, zur negativen Bezeichnung von Personen, insbesondere von Personen anderer Herkunft. Wichtig für die Übertragung sind hier, wie sich im Folgenden zeigt, die vulgärsprachliche Konnotation (+=stärker; -=schwächer, ≈=vergleichbar mit AT) sowie der Kontext, in dem ein Begriff Verwendung findet: AT ZT 1 2x guineas fucking job niggers black chappies Jeez! 2x Itaker Scheissjob Neger Negerlein Ist ja ‘n Ding! Vulgärspr. Konnotation ≈ ≈ ≈ + 0 (banal) Kontext ZT 2 2. Weltkrieg ≈ ≈ ≈ 0 2x Spaghettifresser 0 Neger Neger Mensch! Vulgärspr. Konnotation ≈ 0 ≈ + 0 (banal) Kontext ≈ 0 ≈ ≈ 0 Problematisch ist Übersetzung von „guinea“ in ZT 1. „Itaker“ ist eine Abkürzung von Italienischer Kamerad und wurde im 2. Weltkrieg von deutschen und österreichischen Soldaten verwendet. In den 1960er und 1970er Jahren fand der Begriff mit einer –er Endung dann seinen Weg in die Umgangssprache, wobei er negativ behaftet war22. Mal abgesehen davon, dass der Begriff der heutigen Generation nicht mehr so geläufig sein dürfte, schwingt bei seiner Verwendung der Kontext des 2. Weltkriegs mit. Dieser hat aber so gar nichts mit den geschichtlichen Begebenheiten, auf die Costello Bezug nimmt, zu tun, weshalb Itaker hier unpassend erscheint. Auch „black chappies“ stellt eine grosse übersetzerische Herausforderung dar. In der Spotting List wird zu dem Begriff „chappies“ vermerkt, er sei „condescending for ‚fellows‘“. Da „black“ aber eigentlich ein Euphemismus ist (vergleichbar mit „Schwarzer“ im Deutschen), bewegt sich die Kollokation „black chappies“ zwischen 22 Wikipedia-Artikel „Itaker“: http://de.wikipedia.org/wiki/Itaker [15.08.11]. 86 Euphemismus und Vulgarismus und ist weder sehr rassistisch noch politisch korrekt. „Neger“ ist dafür zu stark, „Negerlein“ vermittelt zwar durch das Diminutiv die gleiche Idee der Überheblichkeit, ist aber ebenfalls zu stark. Da aber Costello, wäre er deutschsprachig, durchaus von „Negern“ oder „Negerlein“ sprechen könnte, bleibt die Glaubhaftigkeit der Aussage erhalten. Bei der Interjektion „Jeez!“ stellt sich ein kulturelles Problem. Wie in Kapitel 1 besprochen, ist die Verwendung von Gottes Namen in Amerika ein viel grösseres Tabu als im deutschsprachigen Raum, was erklären könnte, wieso sich keiner der Untertitler für eine wörtlichere Übersetzung à la „Oh mein Gott!“, „Ach du meine Güte!“ oder „Grosser Gott!“ entschieden hat, da diese heutzutage nur mehr in katholischen Regionen (Bayern oder Wallis zum Beispiel) oder von älteren Personen verwendet werden. Sowohl „Ist ja ’n Ding“ wie auch „Mensch!“ vermitteln Costellos Überraschung, wenngleich sie auch weitaus banaler sind. Mit dem Wegfallen der religiösen Komponente fällt aber auch die Blasphemie und der Humor der Aussage weg, welche daraus entstehen, dass Costello den Ausruf „Jeez!“ verwendet, nachdem er jemanden ermordet hat. Blasphemie und Ironie werden durch den Kontrast von Bild und Text verstärkt: Die beiden Erschossenen fallen zu Boden und bilden eine Art makabres Stillleben von Mann und Frau beim Geschlechtsakt, wobei die Rollen vertauscht sind. Dies findet Costello „funny“, was wiederum Mr. French veranlasst, ihm einen Besuch beim Psychiater nahezulegen. Makabrer Bild-Text-Humor [00:04:18] Dass Costello ganz offensichtlich nichts von der Kirche hält, aber trotzdem sagt, John F. Kennedy „möge in Frieden ruhen“, verleiht der Aussage in ihrem Kontext einen etwas zynischen Beigeschmack. Auch mit seinem Zitat von James Joyce, „non serviam“, bringt Costello seine Respektlosigkeit der Kirche gegenüber zum Ausdruck. Der Spotting List zufolge wird „non serviam“ in Joyces Werk A Portrait of the Artist as a Young Man von Satan ausgesprochen, als Verweigerung, Gott zu dienen. Für die Untertitelung ist diese Form von 87 Intertextualität jedoch nicht relevant, da eine erklärende Übersetzung durch Medium sowie zeitlich-räumliche Begrenzungen verunmöglicht wird. iv. Szene 2: Colins Beförderung vs. Billys Degradierung Szene 2 wird mit einer filmtechnischen Spielerei eröffnet. Colin taucht in einem Kreis auf, welcher von schwarz umgeben ist, und sich nach und nach weitet, bis man das ganze Polizeigebäude sieht. Dadurch entsteht eine Illusion des Zoom-In. Doch diese Spielerei erfüllt einen ganz bestimmten Zweck: Es scheint, als komme Colin aus einem Tunnel – oder einem Rattenloch. So kennt man dieses Verfahren aus Tom-und-Jerry-Filmen, in welchen sich Tom, die Katze, und Jerry, die Maus, bekriegen, und das Mäuseloch heran- bzw. herausgezoomt wird. Der Regisseur deutet mit einem Augenzwinkern die Entwicklung der Geschichte, das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Mafia und Polizei, an. Wie in Szene 1 ist auch diese Okkurrenz von Intertextualität für die Untertitelung irrelevant (hier weil sie sich nicht in der Sprache niederschlägt), der Untertitler sollte sich ihrer trotzdem bewusst sein. Ratte infiltriert Polizei [00:08:12]- [00:08:16] Colin marschiert in das Polizeihauptquartier, genauer ins Büro von Queenan und Dignam. Ersterer beglückwünscht ihn zu seiner Beförderung zum Staff Sergeant, letzterer macht ihn lächerlich. Colin zeigt sich überrascht ob so viel Feindseligkeit, bleibt allerdings höflich. Als er das Büro verlässt, kreuzen sich seine und Billys Wege, da dieser nach ihm einen Termin hat. Billy erwarten jedoch keine Glückwünsche: Trotz Bestehen der Polizeiakademie steht ihm keine Karriere in der State Police bevor, er soll als Undercoveragent arbeiten. Um ihn dahingehend zu manipulieren, versucht Dignam ihn erst kleinzumachen, bevor Queenan ihm das Angebot unterbreitet. Im Verlaufe des Gesprächs folgt Beschimpfung auf Beschimpfung, wobei Billys Defensivstrategien bedingt durch seine hierarchisch schwache Position äusserst eingeschränkt sind. Nachdem seine Illusion vom Polizist-Sein in alle Einzelteile zerlegt ist, macht ihm Queenan, welcher sich sonst zurückhält, den Vorschlag, undercover zu ermitteln. Queenan und Dignam geben dabei, wie man es aus Kriminalfilmen kennt, das klassische Polizistenduo bestehend aus good cop vs. bad cop. Bei dem Verhör von Verdächtigen spielt der eine den „Bösen“, welcher den Verdächtigen bedroht, beschimpft oder anderweitig unter 88 Druck setzt, während der „Gute“ vorgibt, seinen Kollegen besänftigen und so den Verhörten schützen zu wollen. Dadurch fühlt sich der Verhörte zum good cop hingezogen und gibt sich kooperativ. So übt Dignam mithilfe von Beschimpfungen und rhetorischen Fragen, Queenan hingegen durch die Betonung seiner Solidarität und seines Vertrauens in Billy Druck auf diesen aus. Die Gesprächsstrategie zeigt sich an der Körpersprache der Protagonisten sowie an ihren verbalen Äusserungen. Billy wird zu Beginn des Gesprächs von Queenan gefragt, ob er wisse, was Aufgabe ihrer Einheit sei. Bevor Billy aber eine höfliche, vorsichtige Aussage machen kann („Sir, yes, sir, I have an idea...“) unterbricht ihn Dignam und unterstellt ihm, sie beleidigen zu wollen. Die Frage “are you calling us cunts?” ist rein rhetorisch. Obwohl Dignam keine ernsthafte Antwort auf eine solche Frage erwarten kann, wartet er ab und bringt Billy in Verlegenheit. Beim ersten Mal rettet Queenan Billy, indem er sich indirekt für die Art seines Kollegen entschuldigt („Staff Sergeant Dignam has a style of his own“) und Billy die Antwort erspart. Anschliessend zieht Queenan sich jedoch aus der Konversation zurück, studiert Dokumente und überlässt Billy Dignams rhetorischen Fragen. Bad cop greift an, good cop wartet erstmal ab [00:13:12] Dignam konfrontiert Billy mit seiner Meinung, formuliert diese aber nicht als Aussage, sondern als Frage, um von Billy ein Eingeständnis zu erwirken. Während sich Dignam drohend vor Billy aufbaut und vorgibt, auf eine Antwort zu warten, nestelt Billy sichtlich verlegen an seiner Krawatte. Als sich dieses Gesprächsmuster einige Male wiederholt und Dignam die schwarze Vergangenheit von Billys Familie genüsslich in ihre Einzelteile zerlegt und zu jedem Detail eine rhetorische Frage stellt, um dessen Wahrheit bestätigt zu bekommen, sieht man, wie sich Billys anfängliche Verlegenheit in blanke Wut wandelt. Liest man das Skript aber, ohne vorher den Film gesehen zu haben, könnte man seine Aggressionen leicht unterschätzen. Da Billy weiss, dass er Dignam durch dessen Wissen über ihn und die hierarchische Überlegenheit ausgeliefert ist, versucht er seine Wut zu unterdrücken und die Demütigungen über sich zu ergehen lassen. Der Wortlaut sagt darüber 89 nichts aus. Erst an seinem Tonfall, wenn er spricht, und seinen angespannten Kiefermuskeln, wenn er versucht rhetorische Fragen zu ignorieren, merkt man ihm jedoch an, wie viel Anstrengung es ihn kostet, nicht körperlich aggressiv zu werden. Seine Aussagen würden hors contexte höflich erscheinen, doch im Film, durch das Zusammenspiel von Bild und Text, erschliesst sich dem Zuschauer, wie wütend er eigentlich ist, und, dass er nur schwer seinen sarkastischen Unterton unterdrücken kann (z.B. in „and one priest, since you seem to know everything“, der Frage „you a psychiatrist?“ oder dem ironischen „I’m all set without your own personal job application, right, Sergeant”). Dieser Unterton wird in ZT 2 abgeschwächt, da „since you seem to know everything“ mit „ordnungshalber“ wiedergegeben wird. Dignam lässt sich von Billys Sarkasmus nicht beirren und macht so lange weiter, bis dieser sich verzweifelt an Queenan wendet und ihn fragt, was das Ganze eigentlich soll, worauf ihm dieser dann ein Angebot unterbreitet. So hat Dignam mit seinen Sticheleien gute Vorarbeit geleistet: Billy hat vor Augen geführt bekommen, dass er nichts ist und deswegen auch kein Polizist werden kann. Das bestätigt ihm auch Queenan, was Billy wahrscheinlich bedingt durch Queenans „good cop“-Rolle und die Hoffnung, die Billy in ihn gesetzt hatte, weitaus mehr zu treffen scheint, als Dignams Angriffe. Als er nachfragt („you sure of that?”) bricht seine Stimme, er ringt kurz um Fassung. Queenan bemerkt mit einem Blick auf Billys Akte, dass dieser nicht viel Familie habe. Obwohl er das in einem netten Tonfall und mit einem besorgten Blick sagt, verfolgt er auch da eine Strategie. Indirekt will er Billy damit sagen, dass er alleine ist und nichts zu verlieren hat. Die Einzigen, die bereit sind, ihn aufzunehmen, sind sie, die Undercoverabteilung. Nach einem Flashback zum Tod von Billys Mutter und der parallelen Entwicklung von Colin, welcher in ein Luxusappartment zieht und so seinen gesellschaftlichen Aufstieg zementiert, geht die Kamera zurück in Queenans Büro. Der Ton hat sich geändert: Queenan klärt Billy sachlich über seine Aufgabe und Arbeitsbedingungen auf, während Dignam seinen Job getan hat und entspannt ans Fenster gelehnt wartet. Gegen Ende des Gesprächs schlägt er sogar kameradschaftliche Töne an. Bei „we need you, pal“ stellt das „we“ eine Verbindung zwischen Sprecher und Hörer her, „pal“ implikatiert, dass Billy, wenn er das Angebot annimmt, aufsteigt und den Status eines Kollegen erhält. Der soziale und berufliche Aufstieg vom Sprössling einer Verbrecherfamilie zum ehrenwerten Agenten wird ihm dadurch indirekt schmackhaft gemacht. Auch Queenan betont die soziale Nähe abschliessend mit „do it again...for me”. Billy, der bis anhin nichts war und niemanden hatte, könnte plötzlich für jemanden etwas wert sein – die Strategie ist erfolgreich, er willigt ein. Billys Einstellung als Undercoveragent wird in Kontrast gesetzt zu Colins Aufstieg, filmisch durch das Hin- und Her-Zappen zwischen den beiden Handlungssträngen und sprachlich durch die machtbedingten unterschiedlichen Kommunikationsmöglichkeiten und -strategien. Während sich Billy aufgrund seiner Vergangenheit und niedrigen Hierarchiestufe vieles 90 gefallen lassen muss, kann Colin seine neue Macht voll auskosten. Sein Ansehen erlaubt ihm, auszusuchen, mit wem er soziale Nähe herstellen will (z.B. „thanks, hon“ zur Sekretärin) oder wen er schlecht behandelt. So kann er sich erlauben, das Hinterteil einer Arbeitskollegin zu mustern und anerkennend zu pfeifen, ohne dass diese wütend wird, oder seinen ehemaligen Kollegen Barrigan von oben herab zu behandeln („do you like coming to work dressed like you’re gonna invade Poland?”). Humoristische Mittel wie Ironie, Spott und Witz werden denn auch im Film in erster Linie als Machtinstrument eingesetzt, zum Ausdruck von Überlegenheit oder als subtile Form der Auflehnung gegen den Überlegenen. Entsprechend seiner Funktion im Ausgangstext sollte Humor auch im Zieltext wiedergegeben werden. Denn ein als Witz getarnter Angriff ermöglicht dem Sprecher, Toleranz und Belastbarkeit des Hörers zu testen, und fordert diesen heraus. Dem Opfer bleiben nur zwei unattraktive Reaktionsmöglichkeiten: es dem Sprecher gleich zu tun und auf der humoristischen Ebene zu bleiben oder aber diese zu verlassen und zum direkten Angriff überzugehen (s. hierzu Chaimowicz 2011:84). So oder so erhöht diese Art von Humor den Druck auf den Hörer, wie sich am Beispiel von Dignam und Billy zeigt. Die subtile Manipulation durch Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien in der Übersetzung beizubehalten und die interpersonale Dynamik treu wiederzugeben, ist weder in ZT 1 noch in ZT 2 ganz geglückt. Um die Unterschiede klarer erkennen zu können, wurden im Text zusätzlich zu Vulgarismen, Slangismen und Höflichkeitsformen auch rhetorische Fragen (grau) und Empathie-Strategien (weiss auf schwarz) markiert. Zuerst zu den rhetorischen Fragen: Im Ausgangstext finden sich 22, in ZT 1 nur 17 und in ZT 2 gar nur 12 davon. Hier eine Auflistung der Verluste: AT If you had an idea about what we do, we would not be good at what we do, would we? Why don’t you tell us about your Uncle Jackie. You tell anybody up at Deerfield, that is, before you got kicked out for whaling on a gym teacher with a folding chair... ...you had an uncle met his demise like that? What you got? Staff Sergeant? ZT 1 Wenn Sie ’ne Ahnung hätten, wären wir nicht gut in dem, was wir tun, oder? Erzählen Sie von Ihrem Onkel Jackie. Und, wusste das irgendwer in Deerfield? Haben Sie deswegen einen Lehrer verprügelt und sind rausgeflogen? Dass Sie ’nen Onkel hatten, der so abgetreten ist? Right? Richtig? ≈ 0 2x , huh? 2x , was? ≈ 2x 0 You did, didn’t you, you little fucking snake. Ja, und wie Sie die kennen, Sie verlogene kleine Ratte. ≈ Bestimmt, du verdammte Schlange. , am I right? 0 Was steht an, Staff Sergeant? Effekt ≈ Imperativ ≠ ind. Frage Zynismus + Verständlichkeit gehen verloren Frage ≠ rhet. Frage; ≠ Sinn Aussage ≠ rhet. Frage ZT 2 Hättest du eine, wären wir nicht gut. Effekt Aussage ≠ rhet. Frage Erzähl von deinem Onkel Jackie. Hast du an der Deerfield, bevor du rausflogst, weil du einen Lehrer verprügeltest, erzählt, dass ein Onkel von dir so starb? Was bist du? Staff Sergeant? Imperativ ≠ ind. Frage ≈ 0 ≈ Aussage ≠ rhet. Frage Aussage ≠ rhet. Frage Weniger sichere/ betonte Aussage Aussage ≠ rhet. 91 , right? , ok? , okay? 0 ≈ Frage Aussage ≠ rhet. Frage Aussage ≠ rhet. Frage 0 Aussage ≠ rhet. Frage 0 Sowohl in ZT 1 als auch in ZT 2 scheint Dignam durch das Wegfallen rhetorischer Fragen weniger aggressiv. ZT 2 ist in erster Linie ein Monolog, da Dignam seine Informationen in Aussagesätze packt, Billy also nur dem Druck, zuzuhören, nicht aber dem Druck, zu antworten, aussetzt. Auch Barrigans rhetorische Frage fällt weg, zumindest in ZT 1, wo „was steht an, Staff Sergeant?“ als aufrichtige Frage verstanden werden könnte. Dadurch gehen der Neid und die Kritik, welche in Barrigans Äusserung mitschwingen, verloren und dem deutschsprachigen Zuschauer wird unter Umständen nicht klar, dass Colins Aufstieg auch Misstrauen und Neid mit sich bringt. Empathie-Strategien wurden in der Übersetzung meist erhalten, nur im Fall von Queenans Entschuldigung für Dignams Verhalten („I’m afraid we all have to get used to it “) fällt „I’m afraid“ in ZT 2 weg, was Queenans Resignation und die Verbindung, welche er zu Billy herstellt, verschwinden lässt und der Aussage Feststellungsoder gar Befehlscharakter verleiht („Wir müssen uns dran gewöhnen“). Auch das Wegfallen von Imperativen wie „look it“,“ und „so tell me“ in ZT 2 verändert die interpersonale Dynamik. Denn „look it“ ist eine Aufforderung an den Hörer, aufmerksam zu sein und kündigt hier an, dass eine wichtige Information folgt, während „so tell me“ eine Aufforderung ist, zu antworten, und somit den Druck auf den Hörer erhöht. Negativen Druck üben auch Beschimpfungen aus. Je stärker diese sind, desto mehr verletzen sie den Hörer ergo desto grösser ist der ausgeübte Druck. Nur wenn die konnotative Intensität der Vulgarismen wiedergegeben wird, kann der deutsche Zuschauer Billys Wut und seine Mühe, sich zu beherrschen, nachvollziehen. Hierzu eine Auflistung aller Beschimpfungen: AT Whoopdie fucking do You’ll rise fast ZT 1 Jippie-ficki-yey Konnotation ≈ Sie kommen schnell hoch. - dick 2x cunts Schwanz 2x Arschlöcher ≈ - small-time bookie fucked up That maggot uncle of yours Tommy Costigan’s another goof. off the boat psycho kleiner Buchmacher ≈ Kontext / Effekt 0 Kontext (calque) ; ≈Effekt Doppeldeutigkeit geht etwas verloren ≈ ≈ Kontext; - Effekt ≈ abgefuckt Ihr Penner von Onkel Tommy Costigan, ist noch so eine Pfeife. ≈ ≈ ≈ ≈ frisch immigrierter Psychopath ≈ fucking hump kleiner Arbeiter fucking family 0 ≈/0 0 ZT 2 Juhu-fucking-hu Konnotation ≈ Sie werden rasch aufsteigen. 0 Schwanz 2x Fotzen ≈ ≈ Kontext 0 Kontext (calque) ; ≈Effekt Doppeldeutigkeit geht ganz verloren ≈ ≈ kleiner Buchmacher abgefuckt Dein Onkel Tommy Costigan ist ein Trottel. ≈ ≈ ≈ ≈/0 ≈ ≈ / 0 -> 1 Vulgarismus fällt weg ≈ ein Spinner aus Irland (verharmlost) ≈ (ein bisschen schwächer) Beschimpfung fällt weg Arbeiter Nationalität expliziert; zeitl. Aspekt fällt weg Beschimpfung fällt weg Beschimpfung fällt weg 0 0 92 three decker men at best La di fucking da enge Sozialgrotten ≈ ≈ schlimmste Mietskaserne affektierter Kerl ≈ ≈, aber veraltet todschick - fucking donkey Packesel ≈ little fucking snake verlogene kleine Ratte ≈ Sigmund fucking Freud lace curtain motherfucker smart ass der Scheiß Sigmund Freud irischer Milchkuhfotzenlecker Klugscheisser ≈ bezogen auf Ort/Sache anstatt Person vergleichbar beleidigend ohne vulgärsprachlich zu sein Anspielung auf gespaltene Zunge fällt weg ≈ - zu schwach (Vulg. fällt weg) Esel - zu schwach (Vulg. fällt weg) verdammte Schlange ≈ „little“ fällt weg Sigmund Freud 0 neutral, sachlich ≠ Bedeutung nobler Irenarsch - ≈ ≈ ≈ 0 0 Shakespeare 0 Shakespeare 0 Nigger du Penner Du kleiner Wichser bist kein Cop! Kriegst ’ne Garantieurkunde Gerichtspsychiater ≈ ≈ + Neg. Bez. fällt weg ≈ ≈ Betonung wird zu Beschimpfung ≈ (Ironie bleibt erhalten) Beschimpfung fällt weg Niggers 0 Du bist kein Bulle, verdammt! Garantiert. ≈ 0 ≈ Beschimpfung fällt weg Neg. Bez. fällt weg ≈ Besch. fällt weg ≈ fucking Shakespeare nigger you punk You’re no fucking cop! Guaranfucking-teed. court-ordered shrink Gerichtspsychiater 0 + (bildlicher) 0 0 0 Vulg. + Ironie gehen verloren Beschimpfung fällt weg Wie sich zeigt, schwächt sich die konnotative Intensität von Vulgarismen in den untertitelten Fassungen tendenziell ab oder fällt ganz weg. Die einfachsten und besten Lösungen sind, insofern sie sich in der Zielkultur eingebürgert haben, Lehnprägungen, da diese nicht nur Stärke des Vulgarismus, sondern auch den Lokalkolorit zum Ausdruck bringen (z.B. „abgefuckt“ für „fucked up“). Schwieriger zu handhaben sind doppeldeutige oder erfundene vulgärsprachliche Aussagen. So beinhaltet „you’ll rise fast“ eine Doppeldeutigkeit und kann im übertragenen Sinne gemeint sein wie von Queenan („aufsteigen“ im Sinne einer Beförderung) oder aber bildlich auf das männliche Geschlechtsteil bezogen werden wie von Dignam („sich aufrichten“ im Sinne von eine Erektion bekommen). Das Problem ist, dass diese Doppeldeutigkeit aufgrund der Kopräsenz von AT und ZT in der Untertitelung nicht einfach unterschlagen und der Rest des Dialogs angepasst werden kann wie in der Übersetzung. Also muss aus der Formulierung hervorgehen, dass Dignams Kommentar auf Queenans Aussage Bezug nimmt, sonst wird die intratextuelle Kohärenz erheblich gestört. Praktisch kann man dieser Doppeldeutigkeit in der Zielsprache jedoch nur schwer gerecht werden, wobei der Zusammenhang in ZT 1 doch weitaus klarer ist („Sie kommen schnell hoch“) als in ZT 2 („Sie werden rasch aufsteigen“). Auch die Übersetzung von „whoopdie fucking do“ fordert dem Untertitler einiges ab. Während die sogenannte expletive infixation, das Einfügen eines Vulgarismus in der Wortmitte (klassisches Beispiel: „absofuckinglutely“), sich in der englischen Sprache grosser Popularität erfreut, da der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind, ist dieses Phänomen in der deutschen Sprache weitgehend unbekannt. Der Untertitler steht also vor der Wahl, entweder den vulgärsprachlichen Mittelteil fallen zu 93 lassen oder dem Zuschauer eine ungewöhnliche Konstruktion zuzumuten. Beide Untertitler haben sich für Letzteres entschieden – zu Recht. In diesem Fall ist „whoopdie fucking do“ eine onomatopoetische Äusserung. Solange dies in die deutsche Sprache übertragen wird (interessanterweise unterschiedlich mit „jippie yey“ und mit „juhu hu“) und mit einem „eingeschmuggelten“ Vulgarismus (eingedeutscht in ZT 1 mit „ficki“, auf Englisch belassen in ZT 2 mit „fucking“) kombiniert wird, bleiben der humoristische Effekt und somit auch die Funktion erhalten. Vulgarität muss aber nicht um jeden Preis erhalten werden. Zum Beispiel in der Wiedergabe von „guaran-fucking-teed“ in ZT 1 mit „Kriegst ’ne Garantieurkunde“ fällt zwar die vulgärsprachliche Konnotation weg, der Zweck der Äusserung, hier die Ironie, wird aber beibehalten. Bei „you’re no fucking cop!“ muss im Deutschen nicht zwingend wie in ZT 1 eine vulgärsprachliche Beschimpfung stehen („du kleiner Wichser bist kein Cop!“), da der Vulgarismus in der Ausgangssprache nicht eigentlich der Beschimpfung, sondern lediglich der Betonung der Aussage dient (s. Besprechung der semantischen Entwicklung von Vulgarismen in Kapitel 4bi.). In erster Linie zählt nicht die Quantität an Vulgarismen, sondern die Beibehaltung deren illokutiver Bedeutung. Insbesondere Untertitler 1 unternimmt grosse Anstrengungen, um kreative Lösungen für dieses Problem zu finden. Manchmal schiesst er dabei allerdings übers Ziel hinaus, wie in seiner Übersetzung von „lace curtain motherfucker“ mit „irischer Milchkuhfotzenlecker“. „Lace-curtain“ spielt auf die Spitzenvorhänge an, welche die Mittelschicht vor ihren Fenstern zu haben pflegte. Da Spitzenvorhänge aber im deutschsprachigen Raum nicht per se mit einer bestimmten Gesellschaftsschicht assoziiert werden, ist die Entscheidung, sich vom Wortlaut zu entfernen, an sich richtig. Doch kommt bei „Milchkuhfotzenlecker“ die implikatierte Bedeutung von „lace-curtain“, der Verweis auf die obere Mittelschicht, nicht zum Tragen. Auch ist „motherfucker“ inzwischen solch ein gebräuchliches Schimpfwort, dass es beim englischen Zuschauer wohl kaum mehr Inzestassoziationen hervorrufen dürfte. Das Kompositum „Milchkuhfotzenlecker“ ist durch seine Ungewöhnlichkeit weitaus plastischer und somit obszöner. Der Sinn verschiebt sich von einer Beschimpfung, die auf die soziale Herkunft Billys anspielt, auf die Unterstellung, dass Iren zoophile Vorlieben hätten. Auch die Assoziation eines Ausdrucks mit einem bestimmten situativen Kontext sind bei der Übertragung von Vulgarität wichtig, wie sich bereits in Szene 1 gezeigt hat („Itaker“). In dieser Szene stellen Vulgarismen, welche an die Ausgangstextkultur gebunden sind oder in einem bestimmten sprachlichen oder situativen Kontext verwendet werden, ein übersetzerisches Problem dar. „Three decker men“ evoziert beim amerikanischen Leser das Bild von sozialen Gruppen, welche zwar alle im gleichen Gebäude untergebracht sind, die Höhe des Stockwerkes, in dem sie leben, allerdings Aufschluss gibt über die Höhe sozialen 94 Rangs23. Wenn Dignam sagt, Billys Familie wohne maximal im dritten Stock, spielt er auf deren prekäre finanzielle Lage an, die es ihnen verunmöglicht, sich eine bessere Wohnung zu suchen, sowie auf ihre niedrige Gesellschaftsschicht. Im deutschsprachigen Kulturraum werden Stockwerke allerdings nicht mit dem sozialen Standing einer Person in Verbindung gebracht, weswegen der Untertitler eine umschreibende Übersetzung wählen muss. Bedingt dadurch, dass eine Umschreibung des ganzen mentalen Bildes aufgrund des verfügbaren Platzes und der Relevanz nicht möglich ist, muss der Untertitler aus dem allgemeinen mentalen Bild, welches ein Ausdruck evoziert, die wichtigste implikatierte Bedeutungskomponente, auf welche angespielt wird, herausschälen. Da diese im vorliegenden Fall der Beschimpfung dienen soll, muss zudem die Übersetzung kurz und knapp ausfallen und den Kern treffen. „Enge Sozialgrotten“ in ZT 1 ist zwar eher auf die Grösse der Wohnung bezogen als auf deren Bewohner, verweist allerdings wie der AT auch auf finanzielle Schwierigkeiten (sie können sich keine grössere Wohnung leisten) und indirekt durch den Status als Sozialhilfeempfänger auf die niedrigste Gesellschaftsschicht. Durch die Bezeichnung der Wohnung als Grotte fällt zwar die Vulgarität bis zu einem gewissen Grad weg, der Zweck (die Beschimpfung) bleibt allerdings erhalten, was „enge Sozialgrotten“ zu einer zwar vom Ausgangstext entfernten aber doch passenden Lösung macht. In ZT 2 ist von „schlimmste Mietskaserne“ die Rede. Auch diese Lösung trifft den Kern der Aussage, doch ist der Begriff veraltet und weckt dadurch unter Umständen bei der heutigen Generation keine Assoziationen mehr. Auch fällt die monetäre Komponente weg (nicht jeder, der zur Miete wohnt, ist arm). Doch nicht nur die Konnotation eines Ausdrucks kann ein Problem für die Übersetzung von Vulgarismen darstellen, auch die Denotation (Wort-Welt-Bezug). So muss bei der Übersetzung von Vulgarismen auch die Beziehung zwischen sprachlicher Form und der damit bezeichneten Sache in der realen Welt berücksichtigt werden. „Little fucking snake“ in ZT 1 mit „verlogene kleine Ratte“ wiederzugeben, erscheint auf den ersten Blick als gute Entscheidung, da sowohl die negative Konnotation als auch die Beschimpfung beibehalten werden. Durch seinen Bezug zum Kotext sowie zur aussersprachlichen Realität muss „snake“ hier aber zwingend mit „Schlange“ wiedergegeben werden. Denn Dignam spricht zuvor von Billys „Doppelleben“ in zwei sozialen Schichten und seinen zwei auf das jeweilige Umfeld abgestimmten Akzenten. Die anschliessende Betitelung von Billy als Schlange geht weiter als eine reine Beschimpfung. Sie spielt auf ein ganz bestimmtes Wesensmerkmal der Schlange an: ihre gespaltene Zunge. Dadurch, dass dieser Wort-Welt-Bezug verloren geht, verliert der Vulgarismus an Effektivität. Auch bei der Übersetzung von „la di fucking da“ verschiebt sich der Sinn in ZT 1 durch den 23 Kommentar der Spotting List: „Maybe some of them have made enough money to live in a three-decker house rather than a tenement building“. 95 aussersprachlichen Bezug. Während sich „la di fucking da“ auf Billy bezieht, verweist „todschick“ eher auf eine Sache oder einen Ort (z.B. Billys Umfeld), wodurch der verbale Angriff abgeschwächt wird. Noch problematischer ist allerdings, wenn der Bezug ganz wegfällt und auch nicht aus dem Bild abgeleitet werden kann wie bei der Wiedergabe von „She’s [Fitzy’s mother is] straight out of ‚Going My Way‘“ in ZT 2 durch „Mutter, die sehr typisch ist“, wobei das „typisch“ in der Luft hängt, der Bezug fehlt. Doch nicht nur der negative Druck durch rhetorische Fragen und Beschimpfungen fällt in der Untertitelung teilweise weg, auch der positive Druck, welcher aus dem sprachlichen Herstellen sozialer Nähe erwächst, fällt in ZT 2 mit der nicht übersetzen Anrede „pal“ weg. Die ganze Szene verliert dadurch an Intensität und Aussagekraft. Anreden sind denn auch im ganzen Film sehr wichtig. Bei der Polizei und im Militär ist es normal, sein Gegenüber mit dessen Titel anzusprechen. Dies wurde in der Übersetzung so gehandhabt, dass in der Regel der ausgangssprachliche Term beibehalten wurde, was den Dialogen Lokalkolorit und Authentizität verleiht. Doch auch Anreden, welche nicht für offizielle Titel stehen, werden von den Charakteren gerne zur Herstellung von Nähe (wie beim obengenannten „pal“) oder Distanz verwendet und sind deshalb für die Darstellung der interpersonalen Dynamik von grundlegender Bedeutung. So muss sich der Untertitler immer bewusst sein, ob Nähe oder Distanz geschaffen werden soll, insbesondere, wenn die Anrede im Ausgangstext sowohl positiv als auch negativ konnotiert sein kann. Ein gutes Beispiel dafür ist „kid“. Während es in dieser Szene von Dignam verwendet wird („you got quite the family tree here, kid“), um Billy klein zu machen (treffend übersetzt in ZT 1 mit „Kleiner“, in ZT 2 leider weggelassen), wird es im späteren Verlauf von Queenan eingesetzt, um den aufgebrachten Billy zu beruhigen und seine väterlichen Gefühle zum Ausdruck zu bringen („hang tight for me, kid“). In Bezug auf die soziale Nähe stellt sich dem Untertitler auch ein grundlegendes, sprachenpaarbedingtes Problem: die Übersetzung von „you“. Dieses kann im Deutschen sowohl mit „du“, „Sie“ oder „man“ wiedergegeben werden, oder besser gesagt: muss. Denn einer Entscheidung kann sich der Untertitler nicht entziehen. Interessant ist, dass beide Untertitler sich, wie es scheint, bewusst für eine Strategie entschieden haben, diese allerdings unterschiedlich ausfällt. Während Queenan in beiden Fassungen Billy siezt und zurückgesiezt wird, wird Billy in ZT 1 von Dignam ebenfalls gesiezt, in ZT 2 jedoch geduzt. Beide Entscheidungen sind vertretbar, so kann Dignams Siezen die Distanz, die er zwischen sich und Billy erhalten will, markieren, sein Duzen in diesem Kontext dem Ausdruck seines Mangels an Respekt dienen. Besonders interessant ist letztere Strategie, weil Billy Dignam ja im Gegenzug nicht duzt, was das Ungleichgewicht – die hierarchische Distanz zwischen den beiden – verdeutlicht. Auch Ellerby siezt in ZT 1 seine Spezialeinheit, duzt sie jedoch in ZT 2, wobei hier das „ihr“ eher als Markierung von Teamgeist und sozialer Nähe empfunden wird, denn wie bei Dignam als 96 Respektlosigkeit. Wie sich der Untertitler auch entscheidet, wichtig ist, dass seine Strategie in sich kohärent ist. So sollte nicht wie in ZT 2 ohne Grund plötzlich vom „Du“ zum „Sie“ übergegangen werden: „Ihr seid die neuen Mitglieder der neuen Einheit. Sie wurden aufgrund Ihrer Intelligenz und Eignung ausgewählt“. Dieser Wechsel verwirrt den Zuschauer, weil damit impliziert wird, dass sich das „Sie“ auf jemand anderen, welcher gesiezt wird, bezieht oder, da es am Anfang des Satzes steht und in jedem Falle gross geschrieben wird, es auf das „Sie“ der dritten Person Plural verweist. Ebenfalls einen grossen Einfluss auf die interpersonale Dynamik zwischen Charakteren hat die Syntax. Die Auswirkungen einer vereinfachten Syntax zeigen sich besonders gut in ZT 2, da Untertitler 2 in Bezug auf die Länge der Untertitel stärker eingeschränkt war als Untertitler 1. Der Verknappung der Syntax fallen vor allem Kohäsionsmittel zum Opfer. Der Eindruck auf den Leser ist dadurch ein ganz anderer, wie dieser Vergleich von AT mit ZT 1 und ZT 2 zeigt: AT COLIN TO BARRIGAN All right, look it. I know you’re a worker. Maybe I can do something for you. You got any suits at home or do you like coming to work dressed like you’re gonna invade Poland? ZT 1 Hör zu, ich weiß, was du draufhast. Vielleicht kann ich was für dich tun. Hast du ’n paar Anzüge oder siehst du gern aus, als wolltest du den Straßenverkehr regeln? ZT 2 Du schuftest. Vielleicht kann ich dir helfen. Hast du einen Anzug oder siehst du gern aus, als wolltest du in Polen einmarschieren? Während in AT und ZT 1 Colin sprachlich eine Beziehung zu Barrigan herstellt , indem er sich durch Imperativ (auf das „Du“ bezogen) und der ausdrücklichen Formulierung seines Verständnisses (auf das „Ich“ bezogen) zu ihm in Beziehung setzt, fällt diese Beziehung in ZT 2 weg. Dadurch wird auch die Logik geschwächt. In ZT 1 weiss Colin, dass Barrigan hart arbeitet, und will sich deshalb für ihn einsetzen. In ZT 2 ist diese Schlussfolgerung und Colins Herstellung von Nähe nicht erkennbar. „Du schuftest“ ist eine Aussage, ein Fakt. Die Verbindung zum nächsten Satz ist deshalb unklar: „Vielleicht kann ich dir helfen“ könnte auch bedeuten, dass Colin Barrigan bei der Erledigung seiner Arbeit helfen will und nicht dabei, hierarchisch aufzusteigen. Das gleiche Problem stellt sich auch hier: AT DIGNAM TO BILLY He can’t help you. I know what you are, okay? I know what you are and I know what you’re not. I’m the best friend you have on the face of this earth and I’m gonna help you understand something, you punk. You’re no fucking cop! ZT 1 ZT 2 Hey, er kann dir nicht helfen. Ich weiß, was du bist. Ich weiß, was du bist und was du nicht bist. Ich bin der beste Freund, den du hast, und jetzt verrat ich dir noch was, du Penner. Er kann dir nicht helfen. Ich weiss Bescheid. Ich weiss, was du bist und nicht bist. Ich bin dein bester Freund auf der Welt. Du kleiner Wichser bist kein Cop! Du bist kein Bulle, verdammt! Der Zusammenhang zwischen den letzen beiden Sätzen geht in ZT 2 durch das Wegfallen der ausdrücklichen Formulierung seiner Intention nicht hervor; sie scheinen sogar im Widerspruch zueinander zu stehen. Zudem ist die Intensität von Dignams Aussage geringer, da die lexikalischen Wiederholungen wegfallen. Im AT wird „I know“ drei Mal wiederholt 97 und beim dritten Mal negiert – im Vergleich wirkt ZT 2 weitaus weniger bestimmt. Dies kann auch an anderen Stellen beobachtet werden, wie in Billys Frage „you sure of that?“ und Queenans Antwort „I’m sure of that“ oder Queenans „you don’t have much family“ und Billys Entgegnung „I don’t have any family“. Dass die Antwort ausformuliert, also das Verb wiederholt wird, hat einen Grund: Die Wiederholung verleiht der Aussage Schwere. In der Übersetzung geht diese hingegen verloren. Doch auch das umgekehrte Phänomen kann auftreten: eine Verstärkung des Grades an Sicherheit, zum Beispiel wenn Modalpartikel wegfallen, wie dieses Beispiel zeigt: AT COLIN TO BARRIGAN Hey, I don’t mind going it alone. You know, if you went alone every once in a while, you might get somewhere. ZT 1 Hey, ich finde ’nen Alleingang nicht schlecht. Würde dich auch weiterbringen, wenn du’s mal versuchen würdest. ZT 2 Ich machs ganz gern alleine. Tätest du mal was allein, erreichtest du was. Wie bei den vorhergehenden Beispielen werden zwar die Informationen rein faktisch wiedergegeben, die pragmatische Dimension fällt allerdings weg. Im AT schwächen die „hey“, „you know“ (phatischer Konnektor), „every once in a while“ und „you might“ die Sicherheit der Aussage ab. Colin wirkt in ZT 2 weitaus forscher und unhöflicher als im AT. Welch grossen Unterschied das simple Einfügen eines Modalpartikels macht, zeigt ZT 1, wobei „ich finde“ und der Konjunktiv II die Aussage zusätzlich abschwächen und dem Effekt des Originals dadurch sehr nahe kommen. So ist auch die Wahl der richtigen Modi und Tempora entscheidend. In ZT 2 wird aus Platzgründen oft der Konjunktiv I anstelle des Konjunktiv II (s. oben) verwendet oder das Präteritum anstelle des Perfekts. In der mündlichen Sprache finden Konjunktiv I und Präteritum allerdings äusserst selten Verwendung, weswegen es in Untertiteln unnatürlich anmutet (und teils fehlerhaft ist!) und die Authentizität des Films beeinträchtigt, wie man hier schön sieht: AT DIGNAM TO BILLY *…+ You were kind of a double kid, I bet, right? One kid with your old man, one kid with your mother. You’re upper middle class during the week, then you’re dropping your r’s and you’re hanging in the big bad Southie projects... ...with your daddy, the fucking donkey, on the weekend. I got that right? Did you have different accents? You did, didn’t you, you little fucking snake. You were like different people. ZT 1 ZT 2 Als Kind ’n Doppelleben geführt, was? Eins bei Ihrem alten Herrn und eins bei Ihrer Mutter? In der Woche gehobene Mittelklasse, dann den Ghettoslang ausgepackt, um am Wochenende schön bei Daddy, dem Packesel, abzuhängen. So ungefähr in der Art? Ja. Sie kennen beide Seiten, oder? Ja, und wie Sie die kennen, Sie verlogene kleine Ratte. Sie gibts gleich 2 Mal. Ein Doppelkind, was? Eines beim Alten, eines bei der Mutter. Mittelklasse während der Woche, dann hingst du in den Sozialsiedlungen rum... am Wochenende mit deinem Papa, dem Esel. Ja? Sprachst du unterschiedlich? Bestimmt, du verdammte Schlange. Du warst zwei verschiedene Menschen. Ebenfalls aus Platzgründen wird in ZT 2 stellenweise statt einer Präpositionalgruppe der reine Kasus verwendet: Das Präpositionalattribut wird zum Genitivattribut. Der Genitiv wird aber beinahe ausschliesslich in der Hochsprache verwendet und mutet in filmischen Dialogen komisch, in Kombination mit einem Vulgarismus geradezu absurd an, wie sich in ZT 2 bei der Übersetzung von „like a twelve-year old’s dick“ mit „wie der Schwanz eines 12-Jährigen“ 98 zeigt. In ZT 1 scheint die Aussage glaubwürdiger, erstens, da die Präpositionalgruppe mit „von“ verwendet wird und zweitens, da der Artikel verkürzt wird („wie der Schwanz von ’nem 12-Jährigen“), was die mündliche Note zusätzlich betont. Die Unterschiede zwischen ZT 1 und ZT 2 sind aber nicht nur durch die unterschiedliche Längenvorgabe bedingt, sondern lassen sich ganz allgemein auf eine unterschiedliche Übersetzungsstrategie zurückführen. Spricht man in Venutis Terminologie (s. Kapitel 3ci., Aspekt der Kulturspezifik), verfolgt Untertitler 1 eher eine Domestication-, Untertitler 2 hingegen eher eine Foreignization-Strategie. Dies zeigt sich an der Wiedergabe folgender Kulturspezifika: AT SIU. What a country. ZT 1 Sonderermittlung You got any suits at home or do you like coming to work dressed like you’re gonna invade Poland? federal officers Hast du ’n paar Anzüge oder siehst du gern aus, als wolltest du den Straßenverkehr regeln? a fucking hump from Southie ‘n kleiner Arbeiter im Süden dropping your r’s. den Ghettoslang auspacken Did you have different accents? Sie kennen beide Seiten, oder? a statie ’n Statie ≈ jobbst in the Staties bei den Staties ≈ bei der Polizei in America hier You had 1400 on your SATs, kid. Du hattest 1.400 Punkte beim Hochschultest. Bundesbeamte Effekt Verallgemeinerung: Zentrierung auf Ausgangskultur fällt weg. Verweis auf Geschichte der Ausgangskultur fällt weg. ZT 2 SIU. Was für ein Land. Effekt ≈ Hast du einen Anzug oder siehst du gern aus, als wolltest du in Polen einmarschieren? ≈ Verallgemeinerung: Verweis auf spez. Bez. könnte in ZKultur falsch bezogen werden. Verallgemeinerung: Bezug zu Geographie der Ausgangskultur fällt weg -> Achtung: Süden könnte auf Zieltextkultur bezogen falsch verstanden werden Verallgemeinerung: Verweis auf Ausgangssprache fällt weg, aber Sinn bleibt erhalten. Verweis auf Ausgangssprache fällt weg, aber Sinn bleibt erhalten. FBI-Leute Deiktisches Problem: Könnte fälschlicherweise auf Zieltextkultur bezogen werden. Verallgemeinerung: Verweis auf System der Ausgangskultur fällt weg. ≈ (umgangssprachlicher) Arbeiter Geographischer Bezug fällt ganz weg 0 Sprachst du unterschiedlich? in Amerika Du hattest 1’400 bei deinem SAT-Test. Sinn und Verweis auf Ausgangssprache fallen weg Verweis auf Ausgangssprache fällt weg, fraglich, ob Bezug auf AT-Realität verständlich für ZT-Leser Verweis auf Hierarchie des Polizeiapparats in der Ausgangskultur fällt weg. Verweis auf Hierarchie des Polizeiapparats in der Ausgangskultur fällt weg; umgangssprachliche Note bleibt erhalten. ≈ ≈ Interessanterweise gehen die beiden Untertitler genau umgekehrt vor: Da, wo der eine sich für eine einbürgernde Übersetzung entscheidet, wählt der andere eine verfremdende und umgekehrt. Untertitler 1 behält die Bezeichnungen für Hierarchiestufen der amerikanischen Polizei bei, übersetzt den Rest allerdings so, dass Kulturspezifika verallgemeinert werden. 99 Problematisch ist dies nur, wenn ein ausgangssprachlicher potentiell als zielsprachlicher kultureller Verweis aufgefasst werden könnte, welcher eine andere Realität abdeckt. Ein Beispiel dafür ist das Zitat von Hawthorne, „families are alway rising and falling in America“. In ZT 1 wird „in America“ durch den deiktischen Ausdruck „hier“ wiedergegeben, welchen der deutschsprachige Leser auch auf sein Land beziehen könnte. Rein theoretisch könnte diese Aussage auch auf die Realität im deutschsprachigen Kulturraum zutreffen, da aber der Autor des Zitats, Nathaniel Hawthorne, Amerikaner war und zudem indirekt verwiesen wird auf den American Dream, muss der geographische Bezug klar sein. Der American Dream und die ethnozentrische Weltsicht der Charaktere ist, wie sich bereits in der Makroanalyse gezeigt hat, ein wichtiges Thema in The Departed, weswegen das Wegfallen in ZT 1 von „what a country“ ebenfalls bedauernswert ist. Ein Bezug, welcher in ZT 1 auch unklar wird, ist die Wiedergabe von „South Boston“ mit „im Süden“, da dies für ein deutschsprachiges Publikum normalerweise mit dem Süden Europas oder eventuell mit den Ländern der südlichen Hemisphäre in Verbindung gebracht wird. Da „South Boston“ und „Southie“ etliche Male im Film erwähnt werden, wäre es im späteren Verlauf des Films, wo der Bezug klar ist, durchaus vertretbar, nur mehr vom Süden zu sprechen. Zu Beginn des Films sollte der Zuschauer allerdings nicht unnötig verwirrt und daher der Verweis auf Boston beibehalten werden. Untertitler 1 geht aber noch weiter als die „Ambiguisierung“ von Bezügen oder die Verallgemeinerung von kulturspezifischen Begriffen: Stellenweise tauscht er Fetzen der ausgangssprachlichen Realität durch zielsprachliche aus. So wird Polen durch den Strassenverkehr ersetzt, wobei der Verlust von Colins Anspielung auf den Einsatz amerikanischer Soldaten in Polen im 2. Weltkrieg an und für sich verschmerzbar wäre. Denn Barrigan als Verkehrspolizist zu bezeichnen, ist auch negativ und vielleicht für den Zieltextleser tendenziell verständlicher. Durch seine Political Correctness büsst die Übersetzung allerdings an Schlagkraft ein, der verbale Angriff fällt schwächer aus. So geht der Untertitler mit einer einbürgernden Strategie ein grosses Risiko in Bezug auf den Erhalt von Kohärenz ein, da die Realität in Ausgangs- und Zielkultur nicht die gleiche ist. Das Gleiche gilt aber auch für die verfremdende Strategie: Auch sie kann fehl am Platz sein. Als Dignam Billy aufgrund seines sozialen Hintergrunds und seines „Doppellebens“ kritisiert, lässt er zwei Ebenen verschmelzen: Mit „dropping your r’s“ spielt er darauf an, dass der Mittelschicht-Billy an den Wochenenden in South Boston von seiner standardsprachlichen Aussprache zum Dialekt des Boston English wechselt und dadurch zum Unterschicht-Billy wird. In der englischen Sprache werden Dialekte mit der Gesellschaftsschicht gleichgesetzt, in der deutschen Sprache ist dies aber nicht der Fall (s. Besprechung dieser Problematik in Kapitel 3cii., S. 59-60). Auf einen ausgangssprachlichen Sachverhalt hinzuweisen, der für den Zieltextleser nicht nachvollziehbar ist, stört das Verständnis erheblich. Während 100 einbürgerndes Übersetzen also die Kohärenz des Films beeinträchtigen kann, kann die verfremdende Übersetzung die Kohärenz für den Zuschauer stören. Die goldene Mitte zu finden, ist schwierig. Insbesondere in der Untertitelung, in welcher der Ausgangstext im Endprodukt bestehen bleibt, reicht es nicht aus, wenn die Untertitel in sich kohärent sind, sie müssen den Ausgangstext ergänzen und mit ihm ein kohärentes Ganzes bilden. An die Informationen, welche durch das Bild vermittelt werden, muss sich der Untertitler halten. Er sollte weder durch eine einbürgernde Strategie falsche oder potentiell falsch interpretierbare Bezüge schaffen, noch durch eine verfremdende Strategie den Zuschauer allzu stark mit seinem eigenen Unwissen konfrontieren. Der Zieltext muss aber meines Erachtens nicht immer verständlich sein, Unverständlichkeit kann in der Untertitelung durchaus sinnvoll sein. Als Massstab dafür, was verständlich gemacht werden bzw. unverständlich bleiben sollte, kann das Zielpublikum des Ausgangstextes genommen werden. Dies könnte dem Untertitler zum Beispiel die Entscheidung, Polizeijargon nicht immer zu übersetzen, erleichtern. Denn, dass alle muttersprachlichen Zuschauer (wozu auch Nicht-Amerikaner gehören!) die genaue Hierarchie des amerikanischen Polizeisystems im Kopf haben und sich über den Sinn von Abkürzungen wie SAT oder SIU bewusst sind, ist eher unwahrscheinlich (mehr Überlegungen zum Publikum des Zieltextes und seinen Bedürfnissen später, in Kapitel 4e unter „pragmatische Faktoren“). Dadurch, dass es sich nicht um einen Dokumentarfilm über das amerikanische Polizeisystem handelt, sondern um ein künstlerisches Werk, in welchem Polizeijargon nur ein sprachliches Mittel darstellt, um die authentische Darstellung eines Milieus zu erzielen, kann dieser Lokalkolorit im Deutschen einfach mit der Wiedergabe der Originaltermini erzielt werden. v. Szene 3: Queenans Tod Während Vulgarität in Szene 1 fast ausschliesslich im Rahmen eines Monologs zum Ausdruck kam, wurde sie in Szene 2 in erster Linie in Dialogen eingesetzt und würde nach Wagners Terminologie vor allem in die Klasse expressiver Sprechakte fallen. Die Analyse von Szene 3 soll nun einen weiteren Aspekt von Vulgarität beleuchten: das Fluchen in Situationen grossen Stresses (annoyance swearing in Ross’ Terminologie oder Klasse emotiver Sprechakte in Wagners Terminologie, s. Kapitel 1c). Da die drei von Brown/Levinson (1987) aufgezählten sozialen Faktoren – soziale Nähe, Macht und Kultur – in Szene 2 bereits detailliert analysiert worden sind in Bezug auf ihren Einfluss auf die interpersonale Dynamik, soll in Szene 3 ausschliesslich auf Vulgärsprache als Mittel zur Äusserung von Gefühlen – gerichtet an sich selbst oder einen Hörer – eingegangen werden. Diese Szene befindet sich in der zweiten Hälfte des Films – der Kreis der Verdächtigen ist inzwischen auf beiden Seiten gefährlich klein geworden. Billy ist sich bewusst, dass er 101 Costellos Hauptverdächtiger ist, und auch Colin befürchtet, dass er entlarvt werden könnte, nachdem er von Billy in den Strassen Bostons verfolgt wurde und ihm nur knapp entkommen konnte. Um an Billy heranzukommen, beauftragt Colin seine Männer, Queenan zu beschatten. Diese folgen der Aufforderung nur widerwillig, da sie an dessen Integrität glauben. Ein Detective äussert seine Bedenken an der Rechtmässigkeit der Beschattung mit der ironischen Frage „Why the fuck are we following Capt. Queenan? To find out about the good Catholic life?“. Schliesslich fügen sie sich aber Colins Anweisungen und folgen Queenan, welcher sich zu einem verlassenen Gebäude, 344 Washington Street begibt, um Billy zu treffen. Als Colin per Funk davon erfährt, informiert er Costello. Dieser wiederum beauftragt seine Männer, sich zu der Adresse zu begeben. Also ruft Delahunt Billy an und fordert ihn auf zur Nummer 314 Washington Street zu kommen. Trotz der falschen Hausnummer (314 anstatt 344), die ihm Delahunt gibt, taucht Billy an der richtigen Adresse auf – weil er ja bereits da ist. Während Costellos Crew sich im Anmarsch befindet, geraten Billy und Queenan in Panik. Sie einigen sich darauf, dass Billy die Feuerleiter nimmt und Queenan versucht, Zeit zu schinden. Als gläubiger Katholik bekreuzigt er sich, bevor er sich auf den Tod gefasst macht. Costellos Männer erreichen Queenan und werfen ihn, nachdem dieser sie verbal anstachelt, aus dem Fenster. Der Körper Queenans schlägt vor Billy, welcher soeben das Gebäude verlassen hat, auf, was auch die Polizisten mitbekommen. Alle stehen unter Schock. Aus ihrer Starre lösen sie sich erst, als Costellos Männer das Gebäude verlassen und Billy beschimpfen, weil dieser erst so spät dazu gestossen ist. Die Polizisten im Auto informieren Colin über Funk über die Geschehnisse, worauf dieser befiehlt, nicht einzugreifen. Die Detectives widersetzen sich aber Colins Anweisungen und eröffnen das Feuer auf den Van der Gangster. Nach einer Schiesserei, bei welcher Delahunt sowie ein Officer ihr Leben verlieren und ein Trooper verletzt wird, gelingt Costellos Crew die Flucht. Die Palette an Gefühlen, welche mithilfe von Vulgarismen ausgedrückt wird, ist breit. Billys anfängliche Verzweiflung, als er Queenan von Costellos unberechenbarem Verhalten erzählt („he’s losing his fucking mind“) und die Gefahr, in welcher er sich befindet, unterstreicht (2x „he’s gonna fucking kill me“), weicht purer Angst, nachdem ihn der wutentbrannte Delahunt auffordert („where the fuck are you? We’ve been trying to reach you. We found the rat“), sich an die Adresse zu begeben, an der er und Queenan sich gerade befinden. Als Costellos Männer alle an der Washington Street auftauchen, äussern die Polizisten, welche vor dem Gebäude warten, ihre Überraschung („what the fuck is going on?“) und betonen die Schwere der Lage gegenüber Colin („those guys aren’t fucking around“). Queenan und Billy lassen Druck ab, indem sie ihrer Todesangst Ausdruck verleihen (Queenan mit dem Ausruf „Christ!“, Billy mit „shit!“). Als sie sich entscheiden, dass Billy flüchten soll, während Queenan die Gangster aufhält, entschliesst sich dieser, Zeit zu schinden, indem er seine Widersacher verbal 102 provoziert („one of you mugs got a light?“) und vortäuscht, die Frage nicht zu verstehen (er bezieht Fitzys „where’s your fucking boy?“ auf seinen leiblichen Sohn und nicht wie von Fitzy intentiert auf seinen Verbündeten). Die Gangster antworten ihm mit verbaler Gewalt („goddamn motherfucker! Where’s your fucking boy?“), da diese aber nicht erfolgreich ist, greifen sie schliesslich zu physischer Gewalt und stossen Queenan aus dem Fenster. Die Polizisten unten im Auto äussern ihren Schock („what the fuck was that? Did you fucking see that?“) ob des toten Körpers, der plötzlich aus dem Haus fällt, genauso wie Billy, der in dem Moment vor die Tür tritt („what the fuck...?“, „fuck!“). Die Handlung springt von den durcheinander geschrienen Fluchtiraden der Polizisten im Auto („something came off the fucking roof“, „Sarge, it’s a fucking body“, „it’s a fucking body“) zu Billys vulgärsprachlichen Ausrufen („fuck!“). Als Fitzy mit seinen Bandenkollegen das Gebäude verlässt und Billy erblickt, lässt er seine Wut an ihm aus und fordert von ihm eine Antwort für sein spätes Erscheinen („where the fuck where you?!“). Billy umgeht die Frage allerdings, indem er seinerseits wütend nach einem Grund für Queenans Tod fragt („what the fuck happened?!“). Doch auch Fitzy beantwortet die Frage nicht und befiehlt ihm lediglich, sich ins Auto zu begeben („you’re fucking late! Get in the van!“) und wiederholt diese Aufforderung erneut, als Billy nachhakt („what the fuck’s going on?“). Währenddessen wiederholen die Detectives ihre Information („it’s a fucking body“) und erwarten Anweisungen. Colin befiehlt ihnen deutlich, nicht einzugreifen („do not pursue“ anstelle des geläufigeren, aber weniger betonten „don’t“). Seine Untergebenen zeigen sich verärgert („fuck! no fucking pursue!“) und entscheiden sich dann, als Colin um mehr Informationen bittet, sich seinen Anweisungen zu widersetzen und trotzdem zu handeln („no pursue“, „fucking shit“, „fuck this“). Als die Polizisten auf den Plan treten, zeigt sich Fitzy erschrocken und kommandiert seine Leute sofort zurück ins Auto („get in the fucking van!“). Wechselbad der Gefühle, von oben links nach unten rechts: Verzweiflung [01:39:54], Panik [01:41:23], Todesangst [01:41:34], Wut [01:41:53], Schock [01:42:32], Trauer [01:42:46] 103 Die quantitative und qualitative Fülle an Vulgarismen geht leider in der Untertitelung verloren: Von den 32 (respektive 34, mit den beiden schwer verständlichen) Vulgarismen im Ausgangstext finden sich in ZT 1 nur mehr 21 und in ZT 2 noch weniger, nämlich gerade mal 6 (!). Die Auswirkungen eines Verlusts von Vulgarismen, welche dem Ausdruck von Gefühlen dienen, sind, dass die Handlung weitaus weniger dramatisch, die ausgedrückten Gefühle weniger intensiv und die Figuren in ihrer Sprechweise weniger charakteristisch dargestellt werden. Queenans Wandel vom guten Katholiken, der aus Respekt vor Gott kein Fluchwort in den Mund nimmt, zu einem Mann in Todesangst, der erst Gott anfleht und dann aber entscheidet, sich seinem Schicksal nicht ohne (verbalen) Kampf zu fügen, geht in ZT 2 komplett verloren, da sowohl die religiöse Komponente (durch den Ausruf „Christ!“) als auch Queenans Beschimpfung seiner Gegner (verbale Herausforderung durch Bezeichnung als „mugs“) wegfallen. c) Feststellungen Wie erwartet, fällt Vulgarität in der Untertitelung weg. Die Arbeitshypothese hat sich – whoopdie fucking do! – bestätigt, doch damit ist das Problem nicht gelöst. Denn, dass auch Vulgarität von den in der Untertitelung unumgänglichen zeitlich-räumlichen Begrenzungen nicht verschont werden würde, war vorhersehbar. Interessant ist aber nicht zu sehen, dass sie verloren geht, sondern wie, mit welchen Folgen und aus welchen Gründen. Dem Wie (übersetzerische Entscheidungen und ihre Auswirkungen) soll in diesem Unterkapitel nachgegangen werden, der Wichtigkeit und Schwierigkeit eines Erhalts von Vulgarität in der Untertitelung (Problematik) im nächsten und möglichen Gründen für die übersetzerischen Entscheidungen (Erklärungsversuche) im übernächsten. Auf lexikalischer Ebene haben sich bei der Übertragung folgende Formen des Verlusts von Vulgarität gezeigt, wobei die Auswirkungen die Äquivalenz auf formaler und/oder auf funktionaler Ebene betreffen können (für eine detaillierte Besprechung des Äquivalenzbegriffs s. Nida 1964): Grund für die Antivalenz zwischen AT und ZT Verschiebung auf denotativer Ebene (Wort-Welt-Bezug) Formale Äquivalenz? Ja/Nein Dynamische (funktionale) Äquivalenz? Nein Verschiebung auf konnotativer Ebene (-/0/+) Ja Nein Inkohärenz mit sprachlichem Kontext Ja Nein Beispiel “todschick” (verweist auf Sache/Ort) für „la di fucking da“ (verweist auf Person) „Arschlöcher“ für „cunts“ (-); „Gerichtspsychiater“ für „court-ordered shrink“ (0); „Negerlein“ für „black chappies“ (+) „Ratte“ für „snake“ (Anspielung auf gespaltene Zunge) 104 Verschiebung des situativen Kontexts Verschiebung auf Ebene der Tabus Wegfallen von Doppeldeutigkeit in der Übersetzung Keine Wiedergabe des Vulgarismus Ja Nein Ja Ja (bedingt)/Nein Nein Nein Nein Ja bedingt (nur durch Kompensation)/Nein (wenn ganz weggelassen) „Itaker“ (Kontext 2. Weltkrieg) für „guineas“ „Scheisse!“ für „Christ!“ „aufsteigen“ (neutral) für „rise fast“ (Doppeldeutigkeit: neutral & vulgärsprachlich) Ja: „Kriegst ’ne Garantieurkunde“ für „guaran fucking teed“ (funktionale Äquivalenz); Nein: besonders häufig weggelassene „fucking“ (Adj./Adv.) mit Funktion der Betonung Wie sich in der Beispielsanalyse herausgestellt hat, entstellt funktionale Antivalenz den Text mehr als formale. Somit geht in der Untertitelung die funktionale Äquivalenz der formalen vor. Ein Vulgarismus muss nicht zwingend mit einem Vulgarismus wiedergegeben werden, insofern die funktionale Äquivalenz erhalten bleibt. So dient der Vulgarismus in „guaran fucking teed“ in erster Linie der Betonung von Ironie. Diese geht auch aus der deutschen Übersetzung „kriegst ’ne Garantieurkunde“ klar hervor. Besteht allerdings die Möglichkeit, beides – Funktion und Form – zu erhalten (hier wäre „da kannste einen drauf lassen“ denkbar), wäre dies in jedem Fall vorzuziehen. Doch nicht nur der Verlust von Vulgarität wurde konstatiert, sondern auch eine Verstärkung von Vulgarität. Diese trat aber nur vereinzelt auf und ist entweder auf die Ungewöhnlichkeit der vulgärsprachlichen Wortschöpfung seitens des Untertitlers oder auf die wortwörtliche Auffassung eines Vulgarismus, welcher in der Ausgangssprache inzwischen lediglich der Betonung dient, zurückzuführen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass der Untertitler vulgärsprachlich auf dem neusten Stand ist und sowohl Entwicklungen in Ausgangs- als auch Zielkultur mitverfolgt. Als gute Lösung haben sich Lehnprägungen erwiesen, da das Problem der Vereinigung konnotativer und funktionaler Äquivalenz wegfällt. Unter die Lehnprägungen fallen sowohl der semantische Aspekt der Lehnbedeutung (Beispiel: „abgefuckt“ für „fucked up“) als auch der syntaktische Aspekt der Lehnbildung (Beispiel: „jippie-ficki-yey“ für „whoopdie fucking do“). Voraussetzung für die Verwendung von Lehnprägungen ist allerdings, dass sie dem Zuschauer geläufig sind. d) Problematik Zwar wurden aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit nur wenige Szenen im Detail analysiert, doch konnte beobachtet werden, dass alle hervorgehobenen übersetzerischen Probleme auch im restlichen Film wiederholt auftreten, wodurch sich der Effekt multipliziert und sich der globale Eindruck auf den Zuschauer verändert. Wenn funktionale Äquivalenz von Vulgarität im Zieltext nicht erreicht wird, betrifft dies nicht nur die lexikalische Ebene, 105 sondern hat weitaus schwerwiegendere Folgen. So führt der Verlust von Vulgarität zu einer Art Dominoeffekt, welcher auf Ebene des Wortes beginnt und erst auf jener des Textes als Ganzes zum Stillstand kommt. Zuerst führt der Verlust von vulgärsprachlichen Lexemen zu einer Verschiebung der Stilniveaus. Auf der Sprecherebene lässt er die Ausdrucksweise der Figuren im Film und deren Gefühle blasser erscheinen sowie ihre charakteristischen Merkmale verschwimmen. Dadurch, dass die illokutive Kraft der Äusserungen durch die übersetzerischen Entscheidungen verstärkt oder abschwächt wird, ändert sich die Intensität der Aussagen, was wiederum zu einer nicht äquivalenten Darstellung von sozialer Nähe (auch der Gruppenzugehörigkeit), Macht und kulturellen Normen und Werten führt und so die Darstellung der Beziehungen von Protagonisten untereinander verzerrt (interpersonale Ebene). Dies hat negative Auswirkungen auf die Kohärenz der Handlung im Film (makrotextuelle Ebene) und beeinträchtigt dadurch die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Regisseurs: Der Film als sprachliche Handlung verliert letzten Endes an Effektivität (Ebene des Films als Ganzes). Glaubwürdigkeit sollte in der Untertitelung oberstes Gebot haben. Eine Beeinträchtigung dieser hat sich in den untertitelten Fassungen des Beispielfilms insbesondere aus dem Verlust von Vulgarität, der Verringerung der Mündlichkeit (Kasus- und Tempuswahl sowie standardsprachliche anstatt phonetische Schreibweise z.B. nichtverkürzte unbestimmte Artikel) sowie der Übertragung von Kulturspezifika ergeben. In Bezug auf den Erhalt der Authentizität des Originals in der Untertitelung wurde festgestellt, dass eine Strategie verallgemeinernder oder verfremdender Übersetzung allgemein einer kulturell ambiguen oder einbürgernden Übersetzung vorzuziehen ist. Die Problematik der Analyse von Vulgarität ergibt sich aus deren Komplexität. So hat sich in der Beispielsanalyse herausgestellt, dass Vulgarität in einem filmischen Ausgangstext verschiedenste Funktionen erfüllen kann, welche durch die Entwicklung der Vulgärsprache immer zahlreicher werden und sich immer weiter von deren ursprünglicher Funktion, der Beschimpfung oder dem Fluchen, entfernen. Die Analyse der Funktion von Vulgärsprache darf sich aber nicht auf die lexikalische Ebene beschränken, sondern muss mindestens einen Textakt (hier eine Szene) umfassen, um eine Abwägung der Tragweite übersetzerischer Entscheidungen zu ermöglichen. Übersetzerische Entscheidungen, welche zu einem Verlust von Vulgarität führen, können sich, wie oben beschrieben, insbesondere auf die Darstellung interpersonaler Dynamik negativ auswirken. Diese ergibt sich in erster Linie aus dem Zusammenspiel von Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien, wobei Vulgarität, welche sowohl als Höflichkeits- als auch als Unhöflichkeitsstrategie eingesetzt werden kann, nur einen Aspekt darstellt. Vulgarität ist nur eines unter vielen Mitteln zur Gestaltung interpersonaler Dynamik und stiftet erst im Zusammenspiel mit anderen Höflichkeitsund Unhöflichkeitsstrategien Sinn. Aus diesem Grund wurden im Rahmen der 106 Beispielsanalyse auch übersetzerische Entscheidungen besprochen, welche zwar nicht direkt mit Vulgarität in Verbindung stehen, aber ebenfalls zu einer Verschiebung der interpersonalen Dynamik im Zieltext beigetragen haben. Zusammenfassend können folgende nicht-vulgärsprachliche Muster genannt werden, welche ebenfalls einen Einfluss auf die Wiedergabe von Höflichkeit bzw. Unhöflichkeit haben können: Slang und Jargon, Satzart (Aussage, Befehl, direkte oder indirekte Frage), Modalität (Modalpartikel, Modalverben, Modi, lexikalische Wiederholungen, phatische Konnektoren), Anredeformen (offizielle Titel, Vornamen, Übernamen, Kosenamen), rhetorische Mittel (Euphemismen, Dysphemismen, Repetitionen, Redundanzen, Wortspiele, Ironie, Blasphemie, Witz, Empathie, rhetorische Fragen, deiktische Determinativen), Possessiva sowie die Übersetzung von „you“ (duzen vs. siezen). Wichtig zu beachten ist, dass die meisten nichtvulgärsprachlichen Muster genau wie die vulgärsprachlichen bei der Umsetzung beider Kommunikationsstrategien, Höflichkeit und Unhöflichkeit, verwendet werden können. Zu welchem Zweck sie eingesetzt werden, ergibt sich erst aus dem Kontext. Was als höflich bzw. unhöflich gilt, wird von der sozialen Nähe, den Machverhältnissen sowie den geteilten Normen und Werten der Akteure bestimmt. Will der Sprecher beim Hörer etwas erreichen, bieten sich ihm verschiedene Möglichkeiten, seine Intention in Worte zu fassen – Brown/Levinsons FTA strategies (ausführlich besprochen in Kapitel 3b). Solche Strategien können direkter, offensichtlicher Natur sein, zum Beispiel, indem Vulgarismen zur Beschimpfung einer Person eingesetzt werden. Sie können aber auch indirekter Natur sein, wenn die Intention des Sprechers dem Hörer erst durch konversationelle Implikatur verständlich wird (s. Besprechung von Grices Kooperationsprinzip auf Seite 49 dieser Arbeit). So werden im Film The Departed überhöfliche Formulierungen gerne als Drohung, Ironie als Machtinstrument oder Doppeldeutigkeit zum Lächerlich-Machen eingesetzt. Die in Kapitel 1h aufgestellte Hypothese, dass denotative, konnotative und stilistische Äquivalenz unerreichbare und zugleich nicht ausreichende Ziele sind, hat sich in der Beispielsanalyse bestätigt, und pragmatische Äquivalenz als erstrebenswert herausgestellt. Aus diesem Grund soll auch der später folgende Ansatz für eine Übersetzungsstrategie funktionalistisch ausgerichtet sein. Im analysierten Film wurde pragmatische Äquivalenz jedoch weder in der DVD- noch in der Kinofassung erzielt, da gewisse übersetzerische Entscheidungen zu einer Abschwächung von Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien geführt haben. Das umgekehrte Phänomen, eine Verstärkung dieser Strategien, trat zwar ebenfalls auf, doch überwog die Abflachung bei weitem. Da die Pole der Lokutionsskala Höflichkeit vs. Unhöflichkeit in der Übersetzung tendenziell näher rücken, ergibt sich eine allgemeine Verwässerung der 107 Darstellung interpersonaler Dynamik. Feinheiten in der Entwicklung der Beziehungen von Protagonisten gehen dadurch verloren. So müsste eine umfassende Analyse der Gründe für den Verlust von Vulgarität auch andere Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien umfassen. Da die grössten Veränderungen interpersonaler Dynamik allerdings dem Wegfallen von Vulgarität zuzuschreiben sind und es zudem unmöglich ist, beiden Phänomenen im Rahmen einer Masterarbeit gerecht zu werden, soll sich die nachfolgende Suche nach Erklärungen auf die Gründe des Wegfallens von Vulgarität beschränken. e) Erklärungsversuche Im Rahmen der theoretischen Abhandlung von Vulgarität und Untertitelung sowie in der Beispielsanalyse kamen einige Faktoren zum Vorschein, welche zur Erklärung des tendenziellen Verlusts von Vulgarität in der Untertitelung herangezogen werden können. Dabei soll im Folgenden vom offensichtlichsten Faktor, dem technischen, ausgegangen und dann zu allgemeinen Faktoren wie Sprache, Kultur und Pragmatik übergegangen werden, um abschliessend auf die Besonderheiten des Mediums (multimediale Faktoren) sowie der damit verbundenen Arbeitsprozesse (berufliche und wirtschaftliche Faktoren) einzugehen. Die persönlichen Faktoren sollen zum Schluss genannt werden, da sie, wie der Name besagt, schwer objektivierbar sind und ihr Einfluss deswegen schwierig einzuschätzen ist. Ziel dieser Überlegungen ist, abzuwägen, auf welche Faktoren der Untertitler positiven Einfluss ausüben kann und welchen er sich fügen muss. Dies soll ermöglichen, den Handlungsspielraum des Untertitlers in Bezug auf seine realen Möglichkeiten, Vulgarität wiederzugeben, abzustecken, um anschliessend, im nächsten Kapitel, eine Übersetzungsstrategie zu umreissen. Auch sollen diese Überlegungen einen Ausblick geben auf mögliche theoretische Spuren, deren Verfolgung neue Wege in Bezug auf den Umgang mit Vulgarität in der Untertitelung eröffnen könnte. i. Technische Faktoren Wie gross die Auswirkungen technischer Faktoren auf die Untertitelung allgemein und auf die Übertragung von Vulgarität im Besonderen sind, hat sich in der Beispielsanalyse deutlich gezeigt. Wie bereits in Kapitel 4bii. angesprochen, musste sich der Untertitler der schweizerischen Fassung an weitaus striktere Vorgaben halten als jener der deutschen Fassung. In beiden Ländern wird für die Veröffentlichung einer DVD oder eines Films im Kino jeweils nur eine Fassung für alle Zielgruppen erstellt, was bedeutet, dass sich die mehrsprachige Schweiz den Platz auf dem Bildschirm teilen muss. Da sich das Tessin in der Regel nach Italien richtet und synchronisierte Filme importiert, bleiben noch zwei Sprachen: 108 Deutsch und Französisch – eine Sprache pro Zeile. Beide Zeilen müssen, um den Zuschauer nicht zu verwirren, zeitgleich eingeblendet werden, was bedeutet, dass sich die Untertitler strikte an das vorgegebene Spotting (Ein- und Ausblendung von Untertiteln) halten und sich auch bis zu einem gewissen Grad syntaktisch an die andere Sprache anpassen müssen. Im Gegensatz dazu ist der deutsche Untertitler weitaus flexibler: Ihm steht fast doppelt so viel Platz zu sowie die Freiheit, gegebenenfalls die Aufteilung der Untertitel zu verändern. So war schon zu Beginn der Analyse vorhersehbar, dass in ZT 1 mehr Vulgarismen vorkommen würden als in ZT 2, da dieser allgemein kürzer ausfallen und somit gesamthaft mehr Verluste hingenommen werden mussten. Interessant wäre aber zu untersuchen, inwiefern sich Verluste von Vulgarität zu Verlusten anderer sprachlicher Merkmale verhalten: Treten solche häufiger oder weniger häufiger auf? Erst das Verhältnis sowie die Auswirkungen der einzelnen Arten von Verlusten auf den Text würden Aufschluss geben über den tatsächlichen Verlust. Denn egal wie grosszügig die externen Vorgaben ausfallen, eine Verknappung der Aussage ist in jedem Fall unumgänglich, da es physisch nicht möglich ist, gleich viele Informationen visuell wie auditiv aufzunehmen. Synchronizität zwischen den verschiedenen Informationskanälen, Untertitel-Bild-Ton, ist grundlegend. Der Untertitel muss mit Schnitt und Bildkomposition übereinstimmen und sollte Stil, Sprechtempo und bis zu einem gewissen Grad die Reihenfolge dialogischer Elemente des Originaltons widerspiegeln (Gottlieb 1992:165). Je mehr pro Zeiteinheit gesprochen wird, desto mehr Text fällt logischerweise in der Untertitelung weg. So hängt die Untertitelungsstrategie sowohl vom Verhältnis der Quantität des Ausgangstexts pro Zeiteinheit als auch von den externen Vorgaben ab. Die Kriterien, nach denen der Untertitler im Rahmen seiner zeitlich-räumlichen Möglichkeiten agiert, sind Sichtbarkeit, Leserlichkeit und Verständlichkeit (Gambier 2009:190). Mit Sichtbarkeit ist die Reaktion auf die physische Beschaffenheit von Untertiteln gemeint; sie zu erzielen, heisst unter anderem, einen visuellen Kontrast zwischen Untertitel und Bild zu schaffen. Die Leserlichkeit zielt auf die kognitiven Aspekte ab und bedeutet für den Untertitler, dem Zuschauer genügend Zeit zum Erfassen der Untertitel zu gewähren. Die Verständlichkeit wiederum ist gleichzusetzen mit semantischer Kohärenz – der Zuschauer soll der Handlung ohne grosse Anstrengungen folgen können (ibid.). Denn die Untertitelung ist, was Erik Skuggevik eine „Einbahnstrasse“ nennt: Versteht der Leser etwas nicht, kann er nicht einfach zurückgehen, um sich Klarheit zu verschaffen (Skuggevik 2009:210). Deshalb muss ein Untertitel auf Anhieb verständlich sein. Um semantische Kohärenz zu erzielen, bieten sich dem Untertitler folgende Übersetzungsverfahren zur Textverkürzung an: Paraphrase, Auslassung, Vereinfachung der Syntax und des Vokabulars, Zusammenfassung von kurzen Dialogen (s. Besprechung in 109 Kapitel 2f). Da Schimpfwörter oft redundant sind und deshalb geringen informativen Wert haben, fallen sie Verknappungen meist als erstes zum Opfer. Gambier (2009) ruft in einem Artikel dazu auf, dem Untertitler mehr Handlungsmacht zu verleihen, sein Selbstvertrauen zu stärken und seine Kreativität zu fördern. Diesen Zielen wirken seiner Ansicht nach unter anderem die technologischen Hilfsmittel entgegen, welche den Untertitler zu mehr Effizienz in der Kommunikation anspornen und ihn dazu verleiten, die Kommunikation übertrieben zu vereinfachen, anstatt sie zu vertiefen (Gambier 2009:180). In einem Untertitelungsprogramm haben auch Vulgarismen einen schweren Stand: Sie kosten viel Platz. Wort- und Buchstabenlänge sind ein wichtiges Kriterium bei der Untertitelung: Buchstaben wie i, l oder t sind am schmälsten, m oder w am breitesten (Bogucki 2004). Überschreitet ein Untertitel die vorgegebene Länge, wird er rot markiert. Somit ist die Verlockung, einen breiten Vulgarismus wie „verdammt“, welcher zudem „nur“ der Betonung der Aussage dient und keinen informativen Wert hat, wegzulassen, nachvollziehbar. Auch der polysemiotische Charakter der Untertitelung verstärkt, gesamthaft gesehen, den Verlust von Vulgarität, da aufgrund der Synchronizität zu Originalbild und –ton kein weggefallener Vulgarismus im späteren Verlauf eingebaut werden kann. Inhaltliche Kompensation, die Wiedergabe eines Lexems an anderer Stelle, welche in der Übersetzung oft und gerne angewendet wird, ist in der Untertitelung unmöglich, da der Ausgangstext im Zieltext bestehen bleibt und davon ausgegangen werden darf, dass vielen Zuschauer die zeitlich verschobene Wiedergabe auffallen und sie verwirren würde. So können Vulgarismen, welche in einem schnellen Dialog weggelassen werden, nicht später nachgeholt werden. Die Synchronizität zwischen Ausgangs- und Zieltext determiniert auch die Arbeitsweise des Untertitlers. Dieser geht in den allermeisten Fällen Untertitel für Untertitel vor. Dabei fällt der Überblick leicht weg, da er im Untertitelungsprozess im Gegensatz zum Übersetzungsprozess nicht ständig seine vorher- und nachhergehenden übersetzerischen Entscheidungen vor Augen hat. Nach Mason erklärt dies den Verlust interpersonaler Dynamik (Mason 2001:20), könnte aber auch zu einem Verlust von Vulgarität führen. Es könnte durchaus sein, dass der Untertitler sich durch seine Satz-für-Satz-Arbeit des Ausmasses des Verlusts von Vulgarität weniger bewusst wird, als wenn Ausgangs- und Zieltext physisch nebeneinander liegen würden. Um diese Hypothese zu überprüfen, müssten allerdings die mentalen Vorgänge beim Untertiteln näher untersucht werden. Leider haben sich Studien zur Deverbalisierung und der Bedeutung der Rolle der Interpretation im Übersetzungsprozess meines Wissens bislang auf die Bereiche des Dolmetschens und des klassischen Übersetzens beschränkt (s. Studien von Seleskovitch/Lederer und ihren Nachfolgern). 110 Einen ganz anderen Standpunkt vertritt Peter Fawcett. Er behauptet, dass die zeitlichräumlichen Begrenzungen, welche von den meisten Untertitelungswissenschaftlern als Fakten betrachtet werden, in Tat und Wahrheit nur Konventionen seien, deren Begründung auf wackligen Beinen stehe, da sie nicht rational, sondern kulturell und ideologisch bedingt seien (Fawcett 2003:146). Erstens sei die Zielgruppe, von deren Fähigkeiten bei der Berechnung der Untertitellänge ausgegangen wird – die averagely educated audience – ein undefiniertes soziales Konstrukt, welches sich auf die gesellschaftliche Mittelschicht ausrichte (ibid:147). Die vorgebrachten Werte würden nicht durch empirische Studien gestützt, sondern sie beruhten auf Mutmassungen, was dieser fiktiven Zielgruppe zugemutet werden könne. So seien sich alle Theoretiker einig, dass das Publikum Untertitel schneller und schneller verarbeiten könne, doch empirische Studien, welche diese Theorie bestätigt oder entkräftet hätten, seien keine durchgeführt worden (ibid.:147f). Auch die Synchronizität zwischen Ausgangs- und Zieltext werde dem Untertitler als Norm vorgegeben, gründe aber ebenfalls nicht auf Studien, sondern auf Gewohnheiten. So unterscheidet sich die Definition von Synchronizität in der Untertitelung je nach Kultur unter anderem in Bezug auf die Länge der Untertitel, die Farbe, die Positionierung, die Anzahl eingeblendeter Sprachen (ibid.:148). Für den Alltag des Untertitlers sind Fawcetts Überlegungen nicht relevant, da der Untertitler sich den Vorgaben seines Auftraggebers zu fügen hat. Sie stellen aber auf theoretischer Ebene eine interessante Spur dar, deren Verfolgung – das heisst die Durchführung von Studien zur Erforschung der Zuschauerreaktionen – die Arbeitsweise und Übersetzungsstrategie des Untertitlers in Zukunft grundlegend verändern könnte. ii. Kulturelle Faktoren Kulturelle Faktoren spielen bei der Übersetzung immer eine grosse Rolle. Einzelsprachen sind in ihrer Kultur verwurzelt und nehmen Bezug auf diese Realität. Sprecher einer Einzelsprache entschlüsseln das Gesagte (oder bei einem Film das Gezeigte) mithilfe ihres kulturgebundenen Weltwissens. Bei der Übersetzung stellt sich also nicht nur die Frage nach der Nähe von Ausgangs- und Zielsprache, sondern auch nach der Nähe von Ausgangs- und Zielkultur. So muss sich der Untertitler fragen, welches Vorwissen beim Leser vorausgesetzt wird, und ob dieses auf geteilten kulturellen Referenzen beruht (Gambier 2009:188). Wenn nicht, muss er sich überlegen, ob und wenn ja, wie er diese seinem Publikum zugänglich macht. Für den Untertitler kommt erschwerend hinzu, dass sein Ausgangstext kulturgebundene Informationen sowohl akustisch als auch visuell vermittelt, seine Arbeit sich aber fast ausschliesslich nach dem sprachlichen Code richtet und anderen akustischen Codes wie dem parasprachlichen, musikalischen und diegetischen sowie dem visuellen Kanal und seinen zahlreichen Codes (s. ausführliche Besprechung von Chaumes Aufstellung 111 untertitelungsspezifischer Probleme in Kapitel 2e) kaum Rechnung tragen kann. Im vorliegenden Beispiel The Departed schliesst ein Amerikaner unter Umständen aufgrund seines Weltwissens bereits in der ersten Szene (Einblendung von Archivbildern) darauf, dass sich die Handlung in Boston abspielt und assoziiert diese Stadt mit historischen Ereignissen wie der Immigration von Italienern und Iren im 19. und 20. Jahrhundert, oder dem busing strike und Whitey Bulgers Herrschaft, welche in den 1970er Jahren landesweit Aufmerksamkeit erregten. Auch erkennt er vielleicht den von den Protagonisten gesprochenen Dialekt, Boston English, und verbindet diesen mit der irischen und italienischen Arbeiterklasse. Dadurch, dass ihm der Akzent Aufschluss gibt über die soziale Schicht der Sprecher und er zudem mit dem Klischee des amerikanischen Cops sowie den Machtkämpfen unter den verschiedenen polizeilichen Einrichtungen vertraut ist, dürfte ihn der raue Umgangston im Film eher weniger überraschen. Den deutschsprachigen Zuschauer unter Umständen eher, da ihm der Zugang zu diesen nebenbei vermittelten Informationen verwehrt bleibt. Legt sich der Untertitler eine einbürgernde Übersetzungsstrategie zurecht, könnte er durchaus argumentieren, aufgrund der kulturellen Unterschiede zwischen amerikanischen Cops und deutschen Polizisten die Stilniveaus anzuheben und Vulgarismen abzutönen bzw. wegzulassen, um sein Zielpublikum nicht zu brüskieren. Dass extreme Domestication keine empfehlenswerte Strategie ist, da die Authentizität eines Films dadurch verloren geht, wurde allerdings schon ausführlich besprochen (im Rahmen der Analyse von Szene 2, s. 99-101, zusammengefasst in Kapitel 4d). Doch ist der Untertitler oft nicht einfach frei in seiner Entscheidung, da er sich externen Vorgaben (s. vorhergehendes Unterkapitel) zu fügen hat. Für die Schweiz beinhalten diese auch, dass Untertitel nicht zu deutsch klingen dürfen, da allzu Deutsches angeblich weder üblich noch beliebt ist (Hall Ashour 2003). Der Untertitler bewegt sich mit einer solchen Strategie aber auf einem schmalen Grat zwischen neutraler deutscher Ausdrucksweise und der „Verschweizerung“ des Ausgangstextes, welche durchaus zu ungewollt komischen Effekten führen kann (zum Beispiel, wenn Dignam das mundartliche Verb „pfunden“ für „to take a dump“ in den Mund gelegt wird). Doch Vulgärsprache ist nicht nur durch die soziale Herkunft ihrer Sprecher kulturgebunden, sondern auch durch ihren Bezug auf gesellschaftliche Tabus. Bedingt dadurch, dass sowohl Ausgangs- als auch Zielsprache in der westlichen Zivilisation mit ihrer vom christlichen Glauben geprägten Vergangenheit verankert sind und sich ihre politische Ordnung, der Staat, in etwa auf dieselben gesellschaftlichen Prinzipien, Normen und Werte stützt, sind auch die Tabus vergleichbar: Namen, Sex und Körperflüssigkeiten, Essen und Gerüche, Krankheit, Mord und Tod (Allan/Burridge 2006, s. Besprechung Kapitel 1d). Doch die Toleranz gegenüber der sprachlichen Bezugnahme auf diese Tabus unterscheidet sich grundlegend: Die Vereinigten Staaten sind weitaus prüder und religiöser, Vulgärsprache und Blasphemie 112 daher sozial immer noch geächtet. So ist in den USA im Gegensatz zu Deutschland auch die Sprache in Filmen ein Kriterium für deren Alterseinstufung (s. Kapitel 1g). Zensur kann aber nicht nur von offiziellen Zensurbehörden ausgeübt werden. So betont Fawcett, dass auch Auftraggeber die Möglichkeit hätten, Zensurrichtlinien vorzugeben, insbesondere was obszöne oder rassistische Äusserungen anbelangt (Fawcett 2003:149). Wie in Kapitel 1g besprochen, scheinen sowohl Filmzensurbehörden als auch Auftraggeber (mit Ausnahme der USA, deren Untertitelungsindustrie allerdings mikroskopisch klein ist, da ausländische Filme, wenn, dann meist als Remake in die Kinos kommen, s. The Departed) zumindest in der westlichen Zivilisation kaum noch Gebrauch von dieser Möglichkeit zu machen (vgl. dazu die Situation in Hongkong, Chen 2004 besprochen unter Kapitel 3ciii.). Das Gegenteil scheint eher der Fall zu sein: So schilderte Marlene Hall Ashour, welche im Auftrag von Warner Home die Untertitel der schweizerischen Kinofassung von The Departed erstellte, dass ihr Auftraggeber explizit eine äquivalente Wiedergabe von Vulgarismen fordere, und wenn, dann eher eine allzu schwache, denn eine allzu starke Wiedergabe bemängle24. Eingeschränkt in seinen vulgärsprachlichen Handlungsmöglichkeiten wurde der Untertitler also in diesem speziellen Fall sicher nicht. Ausser Zensurbehörden und Auftraggebern gibt es aber in den Vereinigten Staaten noch andere private Organisationen, welche zwar keine konkrete Zensurbefugnis haben, sich aber für den Erhalt von Moral und Sittlichkeit einsetzen und Empfehlungen aussprechen. Ein gutes Beispiel dafür ist Screen It, eine Webseite, welche Filme als empfehlenswert bzw. nicht empfehlenswert für Kinder einstuft. Deutschsprachige Eltern würden dem Urteil von Screen It, dass The Departed kein geeigneter Film für Kinder und Jugendliche ist, sicher zustimmen, aus europäischer Perspektive betrachtet, erscheinen gewisse Kriterien allerdings als übertrieben, wenn nicht gar absurd. So haben sich die Autoren zum Beispiel die Mühe gemacht, alle Okkurrenzen von „fuck“ zu zählen (237) und aufzulisten, wer wann Alkohol trinkt oder raucht, wobei auch vermerkt wird, dass Colin und Madolyn zum Abendessen im Restaurant Wein trinken oder Barrigan Colin zu einem Bier einlädt, dieser aber ablehnt. Die Szenen, in denen Dignam ein Furzgeräusch macht und Costello eine Fliege totschlägt und diese danach verspeist, fallen unter die Kategorie „Blood/Gore“. Die Erwähnung des Menstruationszyklus in der Szene, als Billy in einer Bar Cranberry-Saft bestellt und jemand Witze darüber macht, fällt unter „Disrespectful/Bad attitude“, und auch die Szenen, in denen man Tätowierungen oder Graffitis sieht, werden als gefährliches „Imitative behaviour“ eingestuft. Bei „Sex/Nudity“ reicht schon ein Kameraschwenker auf das – wohlbemerkt bekleidete – Hinterteil einer Frau oder die nackten Oberkörper von Gefängnisinsassen für einen Eintrag, oder aber, dass Colin und Madolyn im 24 Mündliche Kommunikation [29.06.2011]. 113 Bett liegen…und reden25. Doch Amerikas konservative Einstellung gegenüber Tabus hat auch positive Seiten. Sie macht Tabus für jenen, welcher gegen sie verstösst, zu einer viel mächtigeren Waffe. Denn die Stärke eines Tabus determiniert, wie schwer ein Verstoss dagegen ist und folglich auch wie gross deren Auswirkungen sind. So schockiert ein Verstoss gegen sexuelle Tabus in den USA, bedingt dadurch, dass er gesellschaftlich nicht toleriert wird, viel mehr als im liberaleren Europa. Zugleich ist aber auch der Fluchwortschatz in Amerika reicher, da der Anreiz zu fluchen durch das Verbot grösser ist. In der Analyse von The Departed hat sich die Vielfalt an vulgärsprachlichen Ausdrücken in der englischen Sprache und ihre Effektivität eindrücklich gezeigt. Bedingt dadurch, dass in der deutschen Sprache weniger Tabus bestehen, ist auch der Fluchwortschatz allgemein kleiner und die Effektivität geringer, womit ein Verlust von Vulgarität wahrscheinlicher ist. Doch bieten sich dem Untertitler durch den Einfluss der amerikanischen Sprache und Kultur mehr und mehr Möglichkeiten, Anglizismen einzusetzen (s. Lehnprägungen in Szene 2, S.93 dieser Arbeit) und dadurch konnotative und funktionale Äquivalenz sicherzustellen. Während sich einige diese sprachliche Entwicklung zunutze machen (z.B. Hall Ashour, welche dafür plädiert, eingebürgerte Slangismen und Vulgarismen nicht zu untertiteln), sehen andere darin eine Gefahr (z.B. Fawcett 2003 und Gottlieb 2001a). So stellt Gottlieb eine immer grössere Anglifizierung seiner Sprache, des Dänischen, fest und macht dafür die Medienschaffenden – Untertitler, Synchronsprecher, aber auch Journalisten – verantwortlich, welche bei ihrer Arbeit oft von einem englischsprachigen Ausgangstext ausgehen und ihre Sprache dabei Lexik und Syntax der Ausgangssprache unterwerfen (Gottlieb 2001a:257). Er befürchtet, dass wenn sich die Sprachen mehr und mehr dem Englischen angleichen, Übersetzer und Untertitler bald überflüssig werden könnten (ibid.:258). Wie das Problem der Untertitelung konkret zu lösen wäre, bespricht er nicht. Bleibt abzuwarten, ob sich seine Vorhersagen bewahrheiten. Allerdings zeichnet sich in der untertitelungswissenschaftlichen Literatur eine andere Tendenz bezüglich der Übertragung von Vulgarität zeichnet ab: Da die gesellschaftliche Akzeptanz sprachlicher Vulgarität wächst, sprechen sich mehr und mehr Autoren explizit für ihre Übertragung aus. Verstärkt sich diese Tendenz weiter, sollte der Verlust von Vulgarität in der Untertitelung in Zukunft geringer ausfallen – und diese Arbeit veraltet erscheinen lassen. iii. Sprachliche Faktoren Für den Verlust von Vulgarität sind auf sprachlicher Ebene hauptsächlich vier Faktoren verantwortlich, auf welche bereits im Detail eingegangen wurde: der Mangel an denotativer Äquivalenz aufgrund der unterschiedlichen Realität von Ausgangs- und Zielkultur 25 „Screen It! Parental Review: The Departed”: http://www.screenit.com/movies/2006/the_departed.html [15.08.11]. 114 (s. vorhergehendes Unterkapitel), der Mangel an konnotativer Äquivalenz aufgrund der nicht-parallelen Entwicklung der Einzelsprachen und ihrer Kulturgebundenheit, der Mangel an stilistischer Äquivalenz zwischen den diastratisch-diaphasisch gegliederten englischen und den diatopisch gegliederten deutschen Sprachvarietäten (s. Kapitel 1h) sowie die „Normenkollision“ zwischen gesprochener und schriftlicher Sprache (s. Besprechung von Chaumes sprachlichem Code in Kapitel 1e und Kapitel 3ci unter „Mündlichkeit“). Zudem zwingen die zeitlich-räumlichen Begrenzungen den Untertitler, gewisse sprachliche Muster aufgrund seiner Auffassung der Textfunktion zu priorisieren. Werden Vulgarismen im Vergleich zu anderen sprachlichen Mustern als weniger wichtig eingestuft, fallen sie weg. Doch auch wenn Vulgarismen hohe Priorität eingeräumt wird, stellt sich die Frage nach Qualität und Quantität der Wiedergabe. Die Meinungen dazu gehen stark auseinander. Während Nagel sich die Frage stellt, ob eine Äquivalenz von Slang auf sprachlicher Ebene wirklich notwendig ist, da die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu und der dazugehörigen Sprache auch durch aussersprachliche Mittel (z.B. Kleidung) ausgedrückt wird (Nagel 2009:73), ist nach Karamitroglou ein Verlust von Vulgarismen nur dann tolerierbar, wenn er aufgrund textökonomischer Gründe erfolgt (Karamitroglou 1998), und auch Fernández Fernández betont, dass Fluchwörter, so schockierend diese für das Zielpublikum auch sein mögen, in ihrer vollen Intensität wiedergegeben werden müssen, um die künstlerische Integrität des Originals zu wahren (Fernández Fernández 2009). Hall Ashour befindet sich mit ihrer Meinung zwischen diesen beiden Extremen. Sie ist der Ansicht, dass bei Kraftausdrücken nicht jedes Wort übersetzt werden muss, sondern dass es ausreicht, mit einigen präzisen, klaren Ausdrücken zu zeigen, dass geflucht wird (Hall Ashour 2003). Sie stützt sich dabei auf die Annahme, dass bei ihrem Zielpublikum (dem schweizerischen) gewisse Fremdsprachenkenntnisse vorausgesetzt werden dürfen (ibid.). Insbesondere bei Filmen, welche sich in erster Linie an Jugendliche richten, müssten gewisse Slangausdrücke gar nicht übersetzt werden (ibid.). Nagel geht noch weiter und behauptet, dass die Zuschauer zumindest bei englischsprachigen Filmen erkennen können, wann Hochsprache, Dialekt oder Slang gesprochen wird (Nagel 2009:75). Ob dazu tatsächlich die Mehrheit aller Zuschauer in der Lage ist und ob dieses Erkennen von Sprachvarietäten auch mit Verstehen gleichgesetzt werden kann, erscheint allerdings fraglich. Eine solche Übersetzungsstrategie würde aber zumindest einen vulgärsprachlichen Verlust in den Untertiteln erklären. Hinsichtlich des Dilemmas Quantität vs. Qualität stellt sich auch die Frage, ob eine Kompensation des Wegfallens von Vulgarismen, wenn schon nicht quantitativ (von einer inhaltlichen Kompensation wird abgeraten, s. „technische Faktoren“) dann wenigstens qualitativ erzielt werden darf: Darf man den Verlust konnotativer Intensität bei der 115 Übertragung von Vulgarität an anderer Stelle kompensieren? Zu dieser Frage hat sich meines Wissens niemand geäussert. Vielleicht taucht sie aber auch in keinem Untertitelungshandbuch auf, weil ihre richtige Verwendung ein grosses sprachliches Feingefühl und Kreativität seitens des Untertitlers voraussetzt, weswegen sie Untertitlern auf keinen Fall als pauschales Mittel gegen Übersetzungsprobleme verschrieben werden, sondern nur punktuell Verwendung finden darf. Kompensation, egal welcher Art, ist immer mit Vorsicht zu geniessen. In der Untertitelung darf sie – wenn überhaupt – nur da eingesetzt werden, wo sie mit dem Sprechakt, der Ausdrucksweise des Sprechers sowie der Entfaltung interpersonaler Dynamik vereinbar ist. Dass sie aber durchaus zu gelungenen Übersetzungen führen kann, zeigt dieses Beispiel: AT [00:05:25] SCENE: EXT. BOSTON COMMON - DAY. COLIN, BARRIGAN AND OTHER POLICE TRAINEES ARE PLAYING RUGBY AGAINST A GROUP OF FIREFIGHTERS. THE GAME ENDS. ZT 1 ZT 2 COLIN TO FIREFIGHTERS Fuck you! Fucking queers. Firemen getting pussy for the first time in the history of fire or pussy. Hey, go save a kitten in a tree, you fucking homos. Fickt euch doch! Ihr schwulen Schlauchträger. Feuerauspisser. Haben noch nie eins aus der Nähe gesehen, geschweige denn irgend‘ne Muschi. Hey, geht und rettet Kätzchen aus den Bäumen, ihr Scheisshomos! Leckt mich am Arsch! Verdammte Homos! Feuerwehrmänner kriegen erstmals... in deren Geschichte eine Pussy. Holt eine Mieze vom Baum, ihr ScheissHomos. Das Wortspiel im Ausgangstext, welches auf der Doppeldeutigkeit des Wortes „pussy“ (neutraler Begriff für eine Katze vs. vulgärsprachliche Bezeichnung des weiblichen Geschlechtsteil) gründet, ist nicht auf die deutsche Sprache übertragbar, da es keinen Begriff gibt, welcher beide Bedeutungsaspekte vereint. Der humoristische Effekt der Äusserung sowie Colins sprachliche Gewandtheit fallen also in der Übersetzung weg. Untertitler 1 hat allerdings Anstrengungen unternommen, um Colins Scharfzüngigkeit einen Satz vorher zum Ausdruck zu bringen: mit den kreativen vulgärsprachlichen Wortschöpfungen „schwule Schlauchträger“ und „Feuerauspisser“. Mit Erfolg: Stilebene, illokutive Kraft des Sprechakts sowie Effekt bleiben erhalten. Denotative, konnotative und stilistische Äquivalenz sind meist nicht möglich und auch nicht wirklich relevant, was zählt, ist die pragmatische Äquivalenz (s. Besprechung von Kussmauls funktionalistischem Ansatz in Kapitel 1h). Diese kann aber gestört werden und die Funktion von Vulgarität wegfallen. Welche Faktoren zu einem solchen Verlust führen können, soll im Folgenden erläutert werden. iv. Pragmatische Faktoren Die pragmatische Dimension kann sich auf zwei Ebenen beziehen: auf jene der filmischen oder jene der realen Situation. Die pragmatische Dimension im Film – bezogen auf das 116 Wegfallen der expressiven und phatischen Funktionen von Sprache in der Untertitelung und die daraus resultierende Vereinfachung der Darstellung interpersonaler Dynamik zwischen Adressaten im Film – wurde bereits im theoretischen Teil abgehandelt (s. Kapitel 3a und 3ci). Auf die Bedeutung von Vulgarität für die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen wurde dann im praktischen Teil ausführlich eingegangen (s. makro- und mikrotextuelle Analyse in Kapitel 4). Nur angetönt (in Kapitel 2e, S. 35-36) wurde hingegen die pragmatische Dimension bezogen auf die Untertitelungssituation: das Verhältnis des Autors zu seinem Publikum und jenes des Untertitlers zu seinem Publikum. Da der Ausgangstext im Zieltext bestehen bleibt, der Untertitler also nicht wie der Übersetzer die Möglichkeit hat, zum Beispiel unverständliche Kulturspezifika zu streichen und zu ersetzen oder aber zu erklären, spielt das Vorwissen, welches der Untertitler beim Zielpublikum voraussetzt, eine grosse Rolle. So bestimmen sowohl Kenntnisse der Ausgangssprache (s. „sprachliche Faktoren“), der Ausgangskultur als auch die Vertrautheit mit dem Medium seine übersetzerischen Entscheidungen. Die Rolle des Untertitlers ist aber keineswegs, das Gesagte wie ein Übersetzer zu interpretieren (vgl dazu Mason 2001:24 mit Gambier 1998:145), sondern vielmehr für den Zuschauer Kohärenz zu schaffen, indem er Vermutungen anstellt, was dieser bereits weiss oder aufgrund anderer Stimuli erfassen kann (z.B. durch Inferieren unausgesprochener Intentionen), und dieses Wissen um die Untertitel ergänzt (Mason 2001:23). Kohärenz kann aber nur zustande kommen, wenn sich diese Vermutungen bewahrheiten. Oder wie Tomaszkiewicz es ausdrückt: L’activité de sous-titrage remplit cette tâche à ces conditions près : son rôle est d’accompagner l’image ; l’accès au sens est facilité par la présence d’autres éléments signifiants de la matière filmique ; le spectateur est conscient de l’existence de certaines amputations du texte original et reconstruit mentalement les parties absentes, à la base de son expérience des conversations quotidiennes. (Tomaszkiewicz 2001b:397) Dazu muss sich der Untertitler aber ein akkurates Bild vom Durchschnittszuschauer und dessen „expérience“ machen können, was in der Praxis äusserst schwierig ist. Für Fawcett führt diese Kluft zwischen Theorie und Praxis gar zu einer Infragestellung der SkoposTheorie: It is a simple fact that films, like the vast majority of books, can only be translated once rather than being brought out in different versions for different receptors (which casts doubt on the main tenet of Skopostheorie for anything other than very specific text types aimed at very specific audiences). (Fawcett 2003:162) Gerade ein Film wie The Departed kann ein sehr durchmischtes Publikum haben: Jene, die wegen Scorsese kommen (Autorenfilm-Liebhaber), jene, die wegen dem Genre kommen (Gangsterfilm-Liebhaber), jene, die sich die untertitelte Fassung anschauen, um von den spritzigen Dialogen im Original auch etwas mitzubekommen (und zugleich die schärfsten Kritiker des Untertitlers sind) sowie das breite Publikum, da The Departed zugleich auch ein 117 Blockbuster ist. So sind entsprechend die Anforderungen an den Untertitler je nach Genre unterschiedlich. Hall Ashour meint, dass der Zuschauer gerade bei Action- oder Polizeistreifen nur so viel lesen wolle, dass er der Handlung folgen kann (Hall Ashour 2003). Ein Film wie The Departed richtet sich sowohl an regelmässige Kinogänger, welche an Untertitel gewohnt sind, als auch an sporadische, denen die Übung im Umgang damit fehlt. Bedingt durch diese Heterogenität ist es schwierig, ein Phantombild des Publikums zu zeichnen. Hall Ashour beschränkt sich auf die unterschiedlichen Sprachkenntnisse und betont, wie wichtig, aber zugleich auch schwierig es sei, den einen Zuschauer nicht zu überfordern, den anderen nicht zu unterfordern (Hall Ashour 2003). So könnte denn auch eine Überschätzung der Kenntnisse des Zuschauers zu einem Verlust von Vulgarität führen, wenn der Untertitler diese als geläufig einstuft. Gerade Slangismen und Vulgarismen sind oft nur dem jüngeren Publikum bekannt, weswegen bei einem Film wie The Departed, welcher durch seinen Cast (sowohl bekannte junge als auch beliebte ältere Schauspieler) Zuschauer aller Altersklassen in die Kinosäle lockt, auch die anderen Altersgruppen nicht im Stich gelassen werden dürfen. Auch darf nicht überschätzt werden, wie viele Informationen der Zuschauer parallel zum Lesen der Untertitel visuell und, was die Vulgärsprache anbelangt, vor allem akustisch aufnehmen kann. Womit wir bei den multimedialen Faktoren wären. v. Multimediale Faktoren Informationen prasseln bei einem untertitelten Film zeitgleich aus zwei Kanälen auf den Zuschauer nieder (für eine auführliche Besprechung s. Kapitel 2e, S. 38-43): aus dem akustischen (bestehend aus dem sprachlichen, parasprachlichen, musikalischen und diegetischen Code) und dem visuellen (bestehend aus dem ikonographischen, photographischen und graphischen Code sowie den Codes der Einstellung und der Bewegung, plus den Untertiteln). Vulgarität könnte potentiell durch alle diese Codes übermittelt werden. In The Departed zeigt zum Beispiel Dignam Colin den Mittelfinger (ikonographischer Code) oder macht nach Billys Hawthorne-Zitat ein Furzgeräusch zur Betonung seiner Geringschätzung (parasprachlicher Code). Auch schwenkt die Kamera in einer Szene auf das Hinterteil einer Frau, als Colin ihr nachpfeift (Code der Bewegung) und Billy und Madolyn werden in Grossaufnahme gezeigt, als sie sich gegenseitig ausziehen (Code der Einstellung). Hört man genau hin, finden sich selbst im Soundtrack zum Film Vulgarismen (musikalischer Code). Hier einige Illustrationen der facettenreichen Wiedergabe von Vulgarität: 118 Akustische Vulgarität: Furzgeräusch (s. Lippen) [00:13:56] // Visuelle Vulgarität: Mittelfinger [01:36:34] Illustration von Doppeldeutigkeit: Ratte (Mensch) vs. Ratte (Tier) [02:18:44] Glücklicherweise für den Untertitler sind die beiden ersten Beispiele auch für das Zielpublikum verständlich, da die Geste bzw. das Geräusch auch im deutschen Kulturraum als vulgär eingestuft wird. Denn erklären könnte er sie aufgrund des Platzproblems und der Unmöglichkeit, Fussnoten zu setzen, nicht. Sie indirekt in die Untertitel mit einfliessen zu lassen, wäre zwar rein theoretisch möglich, in der Praxis aber schwierig. Einfluss nehmen und gegebenenfalls explizieren kann der Untertitler nur Informationen des sprachlichen Codes, worunter hier auch das dritte Beispiel fällt, da es eine Illustration des Wortes „rat“ ist, welches im ganzen Film zur Bezeichnung von Spitzeln eingesetzt wird. Die Ratte steht symbolisch für den Triumpf des Bösen über das Gute. Da das Schlusswort hier ein Schlussbild ist, müssen die Untertitel im Rest des Films damit kohärent sein. So müssen Spitzel zwingend im Deutschen als „Ratten“ bezeichnet werden, und nicht wie in diesem Zusammenhang eigentlich geläufiger als „Maulwürfe“, da sonst der Bezug verloren ginge. Was das Weglassen von Vulgarismen des sprachlichen Codes anbelangt, stellt sich die Frage, wie viel man dem Zuschauer zumuten kann. Erfasst er Vulgarismen, welche im Originalton vorkommen und ihm geläufig sind, automatisch oder müssen diese untertitelt werden? Wie im letzten Unterkapitel angetönt, darf nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass jeder Zuschauer über Kenntnisse der Fremdsprache verfügt. Und auch angenommen, dies wäre tatsächlich der Fall – dass also jeder Zuschauer über gute bis sehr gute 119 Englischkenntnisse verfügen würde – wäre das Risiko, dass ihm Informationen entgehen, trotzdem gross. Denn Studien haben gezeigt, dass die meisten Zuschauer Untertitel mitlesen, auch jene, die die Ausgangssprache beherrschen. Sobald der Zuschauer aber mitliest, kann er nicht zeitgleich die Informationen anderer Kanäle verarbeiten, sondern muss seine Aufmerksamkeit hin- und herzappen lassen, wodurch ihm zwangsläufig etwas entgeht. Fraglich ist nicht nur wie viele Informationen ein Zuschauer aufnehmen kann, sondern auch welcher Kanal dabei der wichtigste ist. Wüsste man zum Beispiel, dass der Zuschauer sich in erster Linie auf die Untertitel konzentriert und fast keine Informationen aus dem Originalton herausfiltert, müssten Untertitel viel präziser, umfassender und in Bezug auf die interpersonale Dynamik kohärenter sein, als wenn feststehen würde, dass der Zuschauer in erster Linie einen Film schaut und hört und seinen Eindruck vom Ausgangstext durch schnelles Überfliegen der Untertitel ergänzt. Entspricht ersteres der Realität, wären die in der Beispielsanalyse festgestellten quantitativen und qualitativen Verluste von Vulgarität von noch grösserer Bedeutung; ist allerdings letzteres der Fall, wären die festgestellten Verluste nicht absoluter, tatsächlicher Natur, was das logische Gerüst dieser Arbeit zum Einstürzen bringen würde. Leider lässt sich dies nicht überprüfen, da trotz der Verfügbarkeit geeigneter Methoden (z.B. des eye tracking, der Blickbewegungsregistrierung mithilfe von Kameras) keine Studien zu diesem Thema vorliegen – ausser jener von de Linde/Kay (s. Besprechung in Kapitel 2e, S. 36-37). Diese fokussiert allerdings auf die Untertitelung für Gehörlose; ihre Ergebnisse können somit nicht 1:1 auf ein hörendes Publikum übertragen werden. Ian Mason schloss 2001 in seinem Artikel zur Kohärenz in der Untertitelung mit den Worten, er hoffe, jemand nehme sich der Untersuchung der mentalen Verarbeitung von Informationen, welche bei der Untertitelung auf den Zuschauer einwirken, an. So sollten seiner Ansicht nach insbesondere die Fähigkeit seitens der Zuschauer, auch ohne Fremdsprachenkenntnisse prosodische Merkmale (z.B. Intonation) zu erfassen, oder Kohärenz herzustellen, wenn die Hinweise verschiedener Kanäle widersprüchlich sind bzw. Ausgangs- und Zielkultur sich stark voneinander unterscheiden, untersucht werden (Mason 2001:30). Auf Nachfrage informierte Mason26, dass seines Wissens aktuell zwei Doktorarbeiten zur empirischen Untersuchung der audience response durchgeführt würden: eine von Xiaohui Yuan der Universität Nottingham, welche auf die Untertitelung vom Chinesischen ins Englische ausgerichtet ist, und eine von Mar Parra der Universität Strathclyde, welche sich dem Aspekt der Humorübertragung in audiovisuellen Medien widmet. Yuan hat in seiner Studie muttersprachliche Zuschauer, welche einen Film im Original sahen, und fremdsprachliche Zuschauer, welche den gleichen Film mit Untertiteln schauten, dazu befragt, was ihre Eindrücke von den Charakteren und deren Beziehung 26 Schriftliche Kommunikation [18.07.2011]. 120 untereinander sind. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich diese stark unterscheiden, wofür Yuan das Weglassen von gewissen Face-Markern, der veränderten Darstellung von „face management“-Strategien (s. Besprechung von Goffmans Face-Begriff in Kapitel 3b) sowie die kulturell bedingt nicht verstandenen oder falsch verstandenen parasprachlichen Merkmale verantwortlich macht. Beide Studien sind aber noch nicht ganz abgeschlossen, eine Veröffentlichung von Ergebnissen steht noch aus. Es bleibt aber zu hoffen, dass sie neue Erkenntnisse in Bezug auf die Wichtigkeit der einzelnen Informationskanäle hervorbringen, welche es dem Untertitler ermöglichen, in seiner Arbeit neue Prioritäten zu setzen und den Bedürfnissen seines Zielpublikums besser gerecht zu werden. vi. Berufliche und wirtschaftliche Faktoren Bei der bisherigen Auflistung der Faktoren hat sich gezeigt, dass die Bedeutung vulgärsprachlicher Verluste aufgrund des polysemiotischen Charakters der Untertitelung schwierig einzuschätzen und die Gewichtung der einzelnen Kanäle bei der Sinnstiftung noch wenig erforscht ist. Der Untertitler kann aber, wenn er Vulgarität als für den Film wichtig erachtet und davon ausgeht, dass der Zuschauer diese aufgrund kultureller, sprachlicher, pragmatischer oder multimedialer Gründe nicht erfassen kann, positiven Einfluss nehmen und die Wiedergabe von Vulgarität im Zieltext priorisieren. Es gibt jedoch auch Faktoren, die sich seiner Macht entziehen: die erst genannten technischen Faktoren, welche den Konventionen seines Landes entsprechen, sowie berufliche und wirtschaftliche Faktoren. Zu den beruflichen Faktoren zählt die Hierarchie im Arbeitsablauf, das heisst die Chronologie der Intervention einzelner Akteure im Herstellungsprozess eines Films und ihre Macht, den anderen Akteuren Richtlinien vorzugeben. Da diese aber von Land zu Land, von Untertitelungsagentur zu Untertitelungsagentur und sogar innerhalb einer Untertitelungsagentur je nach Auftraggeber unterschiedlich ausfallen können, wurde im Vorfeld (in Kapitel 2) nicht näher darauf eingegangen. Interessant ist im Hinblick auf die Untersuchung beruflicher und wirtschaftlicher Faktoren Karamitroglous (2000) Ansatz. Dieser hat Even-Zohars Polysystem-Theorie herangezogen und auf die Situation in Griechenland angewandt. Da viele Informationen aber inzwischen veraltet sind und Griechenland zudem nicht mit dem deutschsprachigen Raum vergleichbar ist, sollen hier nur Karamitroglous Analysekategorien audiovisueller Normen berücksichtigt werden: the human agents (Akteure), the products (Endprodukte), the recipients (Zielpublikum), the audiovisual mode (Kino, Fernsehen, Video, heute auch DVD), the institution (Kritiker, Vertreiber, Regierungen, usw.), the market (Netzwerk aus Käufern und Verkäufern). In Beziehung zueinander stehen die verschiedenen Elemente dadurch, dass das Endprodukt das Resultat des normativen Verhaltens aller Akteure ist und auf dem Markt angeboten, vom 121 Zielpublikum akzeptiert und schliesslich von der Institution angenommen werden soll (ibid.:71). Der aktuellste Überblick über die Arbeitsabläufe in der Untertitelung im deutschsprachigen Raum findet sich in Heike Jüngsts Lehr- und Arbeitsbuch Audiovisuelles Übersetzen (Jüngst 2010:30ff.), eine global ausgerichtete Perspektive in Jorge Díaz Cintas und Aline Remaels Neuauflage von Audiovisual Translation: Subtitling (2009). Im Folgenden soll aber nur auf den konkreten Fall des Beispielfilms und die damit zusammenhängenden bekannten Gegebenheiten (jene des schweizerischen Marktes) eingegangen werden. Bei The Departed ging der Impuls, ein Remake des Hongkonger Films Infernal Affairs zu drehen, vom Drehbuchautor William Monahan aus, welcher sein Script an den Regisseur Martin Scorsese schickte. Dieser veränderte und entwickelte das Script in Zusammenarbeit mit Monahan, externen Kennern der Bostoner Mafiaszene sowie seinen Schauspielern weiter, sodass das Originalscript nurmehr wenig mit dem tatsächlich gedrehten Film gemein hat (vgl. dazu den Film bzw. die Spotting List mit dem Drehbuch27). Glücklicherweise für den Untertitler musste er bei seiner Arbeit aber nicht vom Originaldrehbuch oder anderen nicht endgültigen Versionen des Ausgangstexts ausgehen (was in der Praxis oft der Fall zu sein scheint, s. Gambier/Gottlieb 2001:xi, „intermediate texts“). Ihm wurde von der Firma Warner eine Spotting List zur Verfügung gestellt. Diese beinhaltet neben der Niederschrift der Dialoge auch Beschreibungen zur Handlung im Bild sowie Kommentare zu sprachlichen Besonderheiten. Bei der Fassung von Titra ist augenscheinlich, dass der Untertitler von diesen Kommentaren ausgegangen ist, bei der Fassung von SDI hingegen kommen Zweifel auf, denn bei der Übersetzung von stark kulturgebundenen Ausdrücken wie „lace curtain motherfucker“ weicht die Interpretation von jener der Spotting List ab. Doch obwohl eine Spotting List helfen kann, solche Missverständnisse zu vermeiden, und dem Untertitler viel Recherchearbeit erspart, ist sie mit Vorsicht zu geniessen. Denn sie stellt immer auch eine Interpretation des Textes dar und könnte dadurch potentiell auch zu einem Wegfallen interpretativer Spuren führen. Da sie von der Produktionsfirma hergestellt wird, hat sie grosse Autorität. Sie beeinflusst den Untertitler in seiner Übersetzungsstrategie, indem sie bei gewissen Dialogteilen, welche als zu schnell oder voluminös eingestuft werden, eine abgekürzte Paraphrase des Ausgangstextes anbietet, auf die sich der Untertitler stützen kann/soll. Hier einige Beispiele: 27 Drehbuch abrufbar online: http://www.imsdb.com/Movie%20Scripts/Departed,%20The%20Script.html [15.08.11]; Spotting List auszugsweise im Anhang. 122 Beispiel 1 ELLERBY TO COLIN You have an immaculate record. Some people don’t trust a guy with an immaculate record. I do. Beispiel 2 COLIN INTO CELL PHONE TO COSTELLO You killed the guy who had all the information. Now Dignam’s gone. Forget about him. Beispiel 3 COLIN TO ELLERBY THEN ELLERBY TO COLIN -There’s no need to surveil him. -What the fuck are you talking about? ALTERNATE TITLE You have an immaculate record. I trust a guy with an immaculate record. ALTERNATE TITLE You killed the guy with all the information. Now Dignam’s gone. ALTERNATE TITLE -Stop the surveillance. -What are you saying? Kritisch ist die Verwendung einer Spotting List dann, wenn Aussage und dadurch interpersonale Dynamik sich verschieben (Beispiel 1, Gegensatz andere vs. ich geht verloren), die Aussage doppeldeutig wird (Beispiel 2, Bezug von „with all the information“ auf „kill“ oder „guy“) oder Vulgarismen schon vor der Übersetzung gestrichen werden (Beispiel 3, „what the fuck“). Auch kann es vorkommen, dass gewisse Dialogteile nicht in die Spotting List aufgenommen wurden (absichtlich oder aus Versehen) und diese dann in der Version von Titra auch nicht vorkommen, in der SDI-Fassung hingegen schon. Ebenfalls problematisch ist, dass der Ausgangstext in der Untertitelung nicht wie in der Übersetzung von einer Einzelperson erstellt wird, sondern das Produkt zahlreicher Beteiligter ist, deren Einfluss auf das Dokument, von welchem der Untertitler ausgeht, nicht mehr klar zu unterscheiden ist. Die Kommentare des Autors (bzw. der Autoren?) der Spotting List mischen sich mit Anweisungen des Regisseurs (z.B. bei fremdsprachlichen Dialogteilen, welche nicht zu übersetzen sind), wobei diese alle von der Produktionsfirma abgesegnet werden müssen. Sie ist es, die entscheidet, wie eine Untertitelung auszufallen hat. Doch selbst die Produktionsfirma erfüllt ihre Funktion nicht alleine, sondern teilt sie sich in der Praxis oft mit anderen Akteuren. So verkaufen viele Produktionsfirmen die Rechte an ihren Filmen stückweise: für bestimmte Regionen oder bestimmte Medien wie Kino, Flugzeugfernsehen, Pay-TV, Free-TV, Video-on-Demand, DVD oder Video (Carroll 2005:74). So kann der Verleiher (zuständig für den nationalen Markt), der Vertreiber (zuständig für den internationalen Markt) oder die Produktionsfirma der Auftraggeber für eine Untertitelung sein (Nagel 2009:99), was es für den Untertitler schwierig macht, bei Fragen zum Ausgangstext den richtigen Ansprechpartner zu finden. Allerdings scheint sich der Markt durch die schnelle Internationalisierung des Vertriebs in den letzten Jahren dahingehend entwickelt zu haben, dass die Grossen der Branche (Columbia, Fox, Warner, Disney, MCA/Universal, Paramount, Metro-Goldwyn-Mayer) ihre Vertriebskette selber kontrollieren, entweder durch Niederlassungen in den einzelnen Ländern oder indirekt durch die Fusion oder Zusammenarbeit mit lokalen Vertreibern (Gambier/Gottlieb 2001:xii). Dies war auch der Fall bei The Departed. So gab Warner der Untertitelungsagentur Titra den Auftrag, deutsche und französische Untertitel für die schweizerische Kinofassung zu erstellen. Für den Untertitler hat dies den Vorteil, dass er eine Ansprechperson hat, welche sowohl die Politik der 123 amerikanischen Mutterfirma kennt, aber auch über Wissen bezüglich der Zielsprache und – kultur sowie der Modalitäten der Untertitelung verfügt28, was das Konfliktpotential erheblich reduziert. Auch für den Auftraggeber erwachsen daraus Vorteile: Er kann mehr Einfluss auf Qualität und Umsetzung seiner Marketingstrategien ausüben. Die Richtlinien, welche der Untertitler zu befolgen hat, gehen denn auch in erster Linie vom Auftraggeber und erst in zweiter Linie von seinem direkten Arbeitgeber, der Untertitelungsagentur, aus. Bei der Untertitelung von The Departed muss festgehalten werden, dass diese Richtlinien äusserst förderlich für den Erhalt von Vulgarität ausfielen. So ist Warner in der Branche bekannt dafür, die Untertitler zur Übertragung von Vulgarität und der Verwendung von Anglizismen zu ermutigen29. Und auch Titras Politik in Bezug auf Fluchwörter und andere Vulgarismen ist, dass nicht beschönigt werden soll (Hall Ashour 2003). Die Ansage an den Untertitler war also einheitlich und klar. Bei allen anderen Fragen schiebt sich aber die Untertitelungsfirma zwischen den Untertitler und seinen Auftraggeber. Diese handelt in der Regel die Konditionen aus und fragt danach bei einzelnen Untertitlern an, ob sie bereit wären, den Auftrag anzunehmen. Der Untertitler kann also nicht selber die Deadline für einen Auftrag aushandeln. Dazu sei angemerkt, dass in Bezug auf die allgemeine Qualität der Übertragung sowie auf die Übertragung von Vulgarität im Besonderen sicher auch die Fristen sowie die eigentliche Arbeitsweise einen Einfluss haben. Bei Titra sind die meisten Untertitler Freiberufler und arbeiten von zuhause aus. Sie kommen lediglich nach Annahme des Auftrags in die Agentur, um sich den Originalfilm anzuschauen, da dieser die Firma nicht verlassen darf aus Copyright-Gründen und wegen des erhöhten Risikos von Raubkopie. Dies bedeutet aber, dass der Untertitler den Film vor der Untertitelung nur einmal sieht und danach ohne Originalbild und -ton und innerhalb eines zeitlich sehr begrenzten Rahmens arbeiten muss – für die eigentliche Untertitelungsarbeit bleibt meist nicht mehr als eine Woche Zeit. Dadurch ist auch verständlich, dass andere Informationskanäle wenig berücksichtigt werden können und dem Untertitler keine Zeit bleibt, vor Beginn eine gründliche makro- und mikrotextuelle Analyse durchzuführen, um sich eine gezielte Übersetzungsstrategie zurecht zu legen. Wird aber die Textfunktion nicht im Vorfeld analysiert, kann es gut sein, dass die Funktion von Vulgarismen unterschätzt wird und diese dadurch wegfallen. Um eine fehlgeleitete Übersetzung zu vermeiden, wird die erste Rohfassung des Untertitlers mehreren Qualitätskontrollen unterzogen. Der Zieltext wird zuerst von einem anderen Untertitler auf Papier gegengelesen, französischsprachiger dann Untertitler) im auf Team (beteiligter Grossleinwand deutschsprachiger gesichtet, wobei auf und das Zusammenspiel der Kanäle sowie auf Lesbarkeit und Verständlichkeit geachtet wird. Auch 28 29 Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11]. Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11]. 124 die deutschsprachige Kontaktperson der Produktionsfirma überprüft bei einem als kompliziert eingestuften Film den Zieltext noch einmal und kann gegebenenfalls noch Veränderungen beantragen, bevor die Endversion schliesslich gelasert wird und in die Kinos kommt30. Der Auftraggeber ist also bei jeder Etappe von der Finanzierung über die Herstellung und Untertitelung bzw. Synchronisation bis zur Vermarktung eines Films involviert. Sein Handeln richtet er nach Vertriebs- und Marketingstrategien aus, welche sich wiederum nach dem zu erwartenden Verhalten der Konsumenten ausrichten und darauf abzielen, die Erwartungen und Bedürfnisse des Zuschauers noch vor Veröffentlichung des Films zu hervorzurufen, anzudeuten und zu lenken (Gambier 2009:189). Ziel der Vermarktung eines Films ist, wie in der Massenkommunikation ganz allgemein, das Publikum von sich zu überzeugen. Doch ist dieses Publikum nicht real, sondern fiktiv (s. notional addressee bei Bell 1984:172), so basieren die Entscheidungen eher auf Vermutungen oder Erfahrungswerten denn auf Fakten, und können sich erst im Nachhinein als richtig oder falsch erweisen. Da die Reaktionen des – realen – Publikums für Erfolg oder Misserfolg eines Films und somit auch die zukünftige Karriere eines Regisseurs entscheidend sein können, hat sich auch dieser den Marketingstrategien der Filmgesellschaft zu unterwerfen, wie Scorseses Kompromissbereitschaft und gleichzeitige Manipulation der Institution (hier einer Kritikerin) beim Film Taxi Driver zeigt: Le carnage final a à la fois inquiété la Columbia qui devait distribuer le film et ses producteurs. Afin d’atténuer l’horreur sanglante de certains plans, Scorsese a choisi de les filtrer afin que le film obtienne un certificat R au lieu de l’infamant X. Mais la Columbia restait circonspecte. Julia Cameron [Scorseses 2. Ehefrau und damalige Mitarbeiterin] obtint de son amie Pauline Kael, chroniqueuse redoutée, qu’elle publie une colonne en faveur du film dans The New Yorker. Le pari de Scorsese était dès lors gagné et le succès critique et public du film fut immédiat. (Brion 2004:391) Dieses Beispiel zeigt eindrücklich wie komplex die Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren sein können – und wie wenig Einfluss der einzelne Mensch hat. Die Anzahl Akteure hat sich über die Jahre verringert: durch die geographische Ausweitung der Produktionsfirmen, die Digitalisierung (bereits angesprochen in Kapitel 2d), welche broadcasting zu narrowcasting und dadurch die breite Masse der Zuschauer in spezifischere (und somit homogenere und für den Untertitler greifbarere) Zielgruppen teilt, sowie durch die Entwicklung von Untertitelungsprogrammen, welche einfach in der Benutzung sind und dem Untertitler ermöglichen, den Prozess vom Spotting über die Übersetzung bis hin zur Gestaltung der Untertitel alleine zu kontrollieren (Gambier/Gottlieb 2001:xii-xiv). Doch daran, dass er das letzte Glied in der Kette ist wird sich wohl nichts ändern. Auch mit dieser Vereinfachung der Abläufe gerät der Untertitler in einen Prioritätenkonflikt, denn er ist sowohl dem Zuschauer, als auch dem Regisseur als auch dem Text verpflichtet (Nagel 2009:98). Die mutmasslichen Erwartungen des Zuschauers können im Widerspruch 30 Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11]. 125 stehen zu den eventuellen Richtlinien seines Arbeitgebers oder Auftraggebers oder zu seinen eigenen Präferenzen (Gambier 2004:1053). So kann auch der Untertitler mit seinen Präferenzen, Kompetenzen und angeborenen sowie anerzogenen Eigenschaften bewusst oder unbewusst verantwortlich sein für den Verlust von Vulgarität. vii. Persönliche Faktoren Die persönlichen Faktoren sind hier die letztgenannten, in der Realität eines Kinosaals oft aber die ersten, welche dem Zuschauer einfallen. Oft war mein erster Gedanke beim Schauen von untertitelten Filmen, der Untertitler habe sicher keine Ahnung von Slang, da er sich in gehobeneren Kreisen bewege, oder aber er habe Hemmungen, Fluchwörter einzusetzen. Dies ist das schwere Los des Untertitlers: Jeder – und besitze er noch so wenig Kenntnisse der Ausgangssprache oder der Modalitäten der Untertitelung – kann Kritik äussern. Denn anders als bei der literarischen Übersetzung, wo der Übersetzer unsichtbar agieren kann, der Zieltext den Ausgangstext ersetzt und eine Übersetzung oftmals nicht bewusst als eine solche wahrgenommen wird, steht der Untertitler durch das gleichzeitige Einblenden von Ausgangsund Zieltext am Pranger. Skuggevik macht die Angst vor Kritik, welche Novizen aber auch erfahrene Untertitler befallen kann, dafür verantwortlich, dass Untertitler sich zu stark an die Syntax und denotativen Bedeutungen des Gesprochenen halten (Skuggevik 2009:197). Gabriela Scandura spricht gar von Selbstzensur, wenn der Untertitler entweder sein Publikum schützen will und deshalb den Ausgangstext in Bezug auf anstössige Elemente abschwächt oder er, wie gerade erwähnt, die Kritik des Zuschauers fürchtet und deswegen die Übereinstimmung mit dem Ausgangstext der Idiomatik vorzieht (Scandura 2004:125, Gottlieb 2001a:252). Ist er sich bei einer übersetzerischen Entscheidung nicht sicher, könnte ihn diese Strategie dazu verleiten, zum Beispiel Vulgarismen nicht zu übersetzen und sich auf das Verständnis des Zuschauers zu berufen, wie es Hall Ashour indirekt ausdrückt. Sie ist der Ansicht, dass das schweizerische Publikum meist etwas Englisch verstehe und somit nicht jeder Kraftausdruck übersetzt werden solle, respektive der Zuschauer sich ärgere, wenn der Ausdruck seiner Meinung nach falsch übersetzt worden sei (Hall Ashour 2003). Beschönigt werden soll aber ihrer Ansicht nach auf keinen Fall, da dies die Zuschauer, welche die Originalsprache verstehen, ebenfalls verärgern könnte. Ihre Lösung ist, mit einigen klaren, präzisen Kraftausdrücken anzuzeigen, dass geflucht wird (ibid.). Sich auf die Eigenständigkeit des Zuschauers und seine Fähigkeit mitzudenken, zu berufen, ermöglicht dem Untertitler, durch Nicht-Übersetzen Risiken zu umgehen, sich der Kritik zu entziehen und letzten Endes den Verlust von Vulgarität zu rechtfertigen. Diesbezüglich helfen dem Untertitler auch die zeitlich-räumlichen Begrenzungen, welche er als Argument für jede Art von Verlust vorbringen kann. 126 Der Verlust von Vulgarität muss aber nicht zwingend in Form unbewusster oder bewusster Selbstzensur erfolgen, er kann auch auf persönliche Eigenschaften des Untertitlers zurückzuführen sein, welche es diesem erschweren, Vulgärsprache einzusetzen. Eine Studie zur Okkurrenz des Wortes fuck und seiner Variationen im British National Corpus31 (einer aus 100 Millionen Wörtern bestehenden Datenbank, welche durch ihre vielfältigen Quellen einen guten Überblick über das schriftliche und gesprochene moderne Englisch verschafft) hat gezeigt, dass die Verwendung von Vulgarismen, statistisch gesehen, korreliert mit dem Geschlecht des Sprechers, seinem Alter, seiner Gesellschaftsschicht sowie seinem Bildungsniveau (McEnery/Xiao 2004). So verwenden Männer fuck mehr als doppelt so oft wie Frauen (ibid.:240), Teenager und junge Erwachsene mehr als Kinder und ältere Menschen (ibid.:241), Personen aus den unteren Gesellschaftsschichten mehr als jene aus den oberen (ibid.:243f.), ungebildete Menschen mehr als gebildete (ibid.:245f.). Interessant ist, dass die Verwendung von Vulgärsprache erst zu- und dann wieder abnimmt und besonders gering ist im Alter von 35-44 Jahren, was darauf hinweisen könnte, dass Eltern versuchen, ihre Kinder vom Erlernen dieser abzuhalten (ibid.:241). Auch fällt bei den Gesellschaftsschichten auf, dass nicht die oberste, sondern die zweitoberste Gesellschaftsschicht am wenigsten flucht, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass die obere Mittelschicht versucht, sich durch ihre Sprechweise der Oberschicht anzunähern, und deren Ausdrucksnormen als nicht-vulgärsprachlich einstuft, was aber nicht der Realität entspricht (ibid.:244). Aus den Feststellungen der Autoren könnte man, übertragen auf die Untertitelung, schliessen, dass ein junger, männlicher Untertitler, welcher aus einer eher niedrigen Gesellschaftsschicht stammt, die besten Voraussetzungen mitbringt, um vulgärsprachliche Filme zu übersetzen, eine weibliche Untertitlerin mittleren Alters mit Kindern dafür aber die denkbar schlechtesten Bedingungen hat. So pauschal kann aber nicht geurteilt werden, da die vulgärsprachliche Kompetenz erstens nur eine unter zahlreichen anderen weitaus wichtigeren Kompetenzen des Untertitlers darstellt, und diese zweitens auch antrainiert werden kann. So erwähnte Marlene Hall Ashour beim Gespräch, dass sie sich anfangs unwohl fühlte beim Untertiteln vulgärsprachlicher Filme und ihr auch einmal von einem Auftraggeber gesagt worden war, dass man ihren Untertiteln anmerke, dass sie eine Frau sei. Auch die Unterschiede zwischen Schweizerdeutsch und Deutsch bereiten ihr in Bezug auf Vulgärsprache Kopfzerbrechen, denn das deutsche Vokabular kann nur dann eingesetzt werden, wenn es dem Schweizer Zuschauer geläufig ist, während Helvetismen zwar geläufig sind, aber nicht verschriftlicht werden können32. Inzwischen hat sie sich aber, 31 32 British National Corpus abrufbar unter: http://www.natcorp.ox.ac.uk/ [15.08.11] Mündliche Kommunikation [29.06.11]. 127 wie die Analyse ihrer untertitelten Fassung von The Departed gezeigt hat, einen vielfältigen und schlagkräftigen Fluchwortschatz aneignen können. Fairerweise muss an dieser Stelle auch betont werden, dass die persönlichen Faktoren nicht nur die Arbeitsweise des Untertitlers betreffen, sondern auch die Wahrnehmung des (kritischen) Zuschauers. So war im Rahmen der Beispielsanalyse die Abgrenzung von Umgangssprache zu Slang oder Vulgärsprache sowie die Abstufung der Intensität von Konnotationen in erster Linie meiner eigenen Subjektivität unterworfen. Um zu kritisieren, hatte ich ausser meinem Alter auch die Zeit auf meiner Seite. Seit der Veröffentlichung von The Departed sind fast fünf Jahre vergangen – fünf Jahre, in denen sich Slang und Vulgärsprache weiterentwickelt haben, gewisse Begriffe weggefallen und viele neue dazugekommen sind. So hatte ich erstens die Distanz zum Ausgangstext und konnte diesen dadurch besser in das Schaffen des Regisseurs einordnen sowie Textfunktion und Funktion von Vulgarität einfacher herausschälen, und zweitens konnte ich mir bei der Analyse das Zeitfenster dieser Arbeit (welches viel grösser ausfiel als die Frist eines Untertitlers) sowie die neusten Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zunutze machen. So kann abschliessend gesagt werden, dass der Untertitler zwar technischen und beruflichwirtschaftlichen Faktoren unterworfen ist und vielleicht aufgrund persönlicher Eigenschaften nicht über die besten Grundvoraussetzungen zur Übertragung von Vulgarität verfügt, er aber, wenn er bereit ist sein Wissen zu erweitern und sich sowohl in der Ausgangs- als auch in der Zielsprache vulgärsprachlich „weiterzubilden“, zumindest lernen kann, seine Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Auf den Erkenntnissen dieses Kapitels über den Einfluss der einzelnen Faktoren stützt sich auch die folgende Übersetzungsstrategie. f) Fazit: Ansatz für eine Übersetzungsstrategie Eine einzige richtige Strategie zur Übertragung von Vulgarität gibt es nicht, soviel wurde in den letzten hundert Seiten klar. Sich aber auf den Umstand zu berufen, dass es sich bei Vulgarität um ein komplexes sprachliches und kulturelles Phänomen handelt, mit dem von Fall zu Fall unterschiedlich umgegangen werden muss, wäre zu einfach und bringt vor allem den Untertitler in seiner alltäglichen Arbeit nicht weiter. Deshalb sollen im Folgenden, basierend auf den Erkenntnissen aus den theoretischen und dem praktischen Teil dieser Arbeit, einige vorsichtige Vorschläge zum möglichen Umgang mit Vulgarität in der Untertitelung gemacht werden, welche so allgemein formuliert sind, dass sie auf alle Arten filmischer Ausgangstexte angewandt werden können, zugleich aber so konkret sind, dass sie dem Untertitler beim Umgang mit der Problematik der Vulgarität, wenn nicht eine Lösung, zumindest einen Denkanstoss geben sollen. 128 Wie sich in der Szenenanalyse gezeigt hat, kann Vulgarität als sprachliches Phänomen nicht isoliert betrachtet werden. In Dialogen allgemein stellt sie denn auch nur eine von zahlreichen anderen Strategien zur Gestaltung interpersonaler Dynamik dar. In filmischen Dialogen ist ihr Anteil am Ganzen sogar noch kleiner, da sie nicht nur in Kombination mit anderen sprachlichen Mustern, sondern auch mit Informationen anderer semiotischer Kanäle auftritt. Der Sinn eines Films ergibt sich erst durch das Zusammenspiel aller Kanäle, wobei der Zweck von Untertiteln sein sollte, Originalbild und -ton für den fremdsprachlichen Zuschauer zu ergänzen. Im Hinblick auf die Übertragung von Vulgarität sollte sich der Untertitler zum Ziel setzen, pragmatische Äquivalenz zu erreichen. Denn ein quantitativer Verlust von Vulgarität kann nicht pauschal mit einem qualitativen Verlust gleichgesetzt werden. Entscheidend ist die Funktion, welche Vulgärsprache in einem Text erfüllt. Diese gilt es aufgrund der Makro- und Mikrostruktur des Textes sowie extratextueller Faktoren zu ermitteln. Folgendes Diagramm gibt einen Überblick über die möglichen Schritte des Untertitlers auf dem Weg zu pragmatischer Äquivalenz: Abb. 11: Ansatz für eine Übersetzungsstrategie zur Übertragung von Vulgarität in der Untertitelung Chronologisch gesehen, sollte der Untertitler mit einer Analyse der externen Vorgaben, anfangen. Aufgrund der Restriktionen, welche durch das Medium bedingt sind (multimediale 129 Faktoren), und solcher, welche dem Untertitler von den verschiedenen Akteuren im Untertitelungsprozess auferlegt werden (technische, berufliche und wirtschaftliche Faktoren), muss der Untertitler seine konkreten Möglichkeiten bezüglich Intensität und Quantität von Vulgarismen im Zieltext abwägen. Doch nicht nur die externen Vorgaben schränken den Untertitler ein, er steht sich in gewisser Weise auch selber im Weg. Als letztes Glied im Herstellungsprozess eines Films kann er sich die ihm en amont gewährten Möglichkeiten nur insofern zunutze machen, als dass er über die nötigen Fertigkeiten verfügt, also aus einem facettenreichen Inventar aus vulgärsprachlichen Lexemen, festen Wendungen und syntaktischen Mustern schöpfen kann, und zudem auch keine Hemmungen hat, dieses Wissen einzubringen. Das individuelle bagage cognitif des Untertitlers determiniert indirekt dessen Umgang mit Vulgarismen. Um eine äquivalente Übersetzung produzieren zu können, muss der Untertitler mit den sprachlichen und kulturellen Besonderheiten von Ausgangs- und Zieltext vertraut sein und sich der dadurch bedingten Unterschiede in Verwendung und Funktion von Vulgärsprache bewusst sein. Die soeben genannten Gedankenschritte werden jedoch meist nicht bewusst vollzogen, sie stellen vielmehr eine indirekte Anforderung dar, welche der Untertitler im Vorfeld zu erfüllen hat. Denn nur, wenn er sich im Umgang mit Vulgärsprache wohl fühlt, kann er diese auch sinngemäss übertragen. Ist dies nicht der Fall, sollten ihm diese Überlegungen helfen, ein Bewusstsein für seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln und, falls ihm diese als ungenügend erscheinen, entweder daran zu arbeiten oder aber sich zu entschliessen, auf die Untertitelung stark vulgärsprachlicher Filme zu verzichten. Ist der Untertitler sich der Problematik der Übertragung von Vulgarität vollumfänglich bewusst und entscheidet sich, einen entsprechenden Auftrag anzunehmen, sollte er nun den Ausgangstext auf makrostruktureller Ebene beurteilen. „Tout est pour le mieux dans le meilleur des mondes“ sagte schon Voltaire (in Candide) – idealerweise würden Verluste natürlich ganz vermieden. Da diese aber aufgrund der zeitlich-räumlichen Begrenzungen in der Untertitelung unumgänglich sind, ist die Frage, ob etwas wegfällt, überflüssig. Die Frage, die sich dem Untertitler stellt, ist eher, was er gewillt ist zu opfern. Da Vulgarität zudem kein eigenständiges sprachliches Phänomen ist, es seinen Zweck erst in Kombination mit anderen sprachlichen Mustern erfüllen kann, welche ihrerseits vom Sprecher mit einer bestimmten Intention eingesetzt werden, gilt es, die Priorität von Vulgarität gegenüber dem Erhalt anderer sprachlicher Merkmale abzuwägen. Hat der Untertitler die Funktion von Vulgärsprache auf makrostruktureller Ebene (in Bezug auf die Aussage des Regisseurs, die Charakterisierung der Figuren und die Darstellung der Handlung) eruiert und ihre Wichtigkeit für die Funktion des Zieltextes als Ganzes determiniert, kann er daraus eine Übersetzungsstrategie für Vulgarismen ableiten und diese auf mikrostruktureller Ebene 130 anwenden. Eine Übersetzungsstrategie ist aber nicht in Stein gemeisselt, die anschliessende mikrotextuelle Analyse kann eine neue Sicht auf die Makrostruktur des Textes eröffnen und umgekehrt. Der Blick des Untertitlers sollte, ähnlich einer Filmkamera, stets in den Text hinein- und herauszoomen, um weder die Details noch das grosse Ganze zu vernachlässigen. Am wichtigsten ist, dass die Kohärenz des Films insgesamt erhalten bleibt und sich sowohl auf mikro- als auch auf makrostruktureller Ebene manifestiert. Doch zur Kohärenz des Films kommen in der Untertitelung – bedingt durch deren polysemiotischen Charakter – noch zwei weitere Kohärenzebenen dazu, jene der Textrezipienten. Wie Hatim und Mason aufgezeigt haben, sind die Rollen in der Textproduktion und –rezeption von untertitelten Filmen weitaus komplexer als in klassischen Arten der Übersetzung. So produziert zwar ein Drehbuchautor den Ausgangstext für ein Kinopublikum, sein Produkt muss aber nicht nur für dieses kohärent, sondern auch in Bezug auf die Darstellung der Handlung im Film und die Beziehungen der Protagonisten untereinander stimmig sein. Der Untertitler ist also zugleich seinem Publikum (hier dem deutschsprachigen), wie auch dem Film als künstlerischem Werk (hier dem amerikanischen Regisseur und dessen Message) sowie der interpersonalen Dynamik im Film verpflichtet. Idealerweise sollte er allen gerecht werden und Kohärenz auf allen drei Ebenen schaffen. Welche er allerdings in der Praxis wann wie wo privilegiert, liegt in seiner Verantwortung. Die Kohärenzanforderungen aller Ebenen bei übersetzerischen Entscheidungen im Hinterkopf zu haben, kann der Qualität der Untertitel aber nur zuträglich sein. Die Erhaltung der Kohärenz des Films als künstlerisches Werk dürfte dem Untertitler nach einer makrotextuellen Analyse leichter fallen. Die Möglichkeiten einer Erhaltung der Kohärenz für sein Zielpublikum dürften sich ihm durch seine Kenntnis von Ausgangs- und Zielkultur sowie seinem Bild des „Standardzuschauers“ oder – wenn bekannt – der Zielgruppenfokussierung der Filmgesellschaft eröffnen. Die Kohärenz innerhalb des Films wird insbesondere durch die interpersonale Dynamik der Charaktere bestimmt, welche es zu wahren gilt. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Untertitler den Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien zukommen lassen, welche abhängig sind von sozialer Nähe, Macht und Kultur, und sich unter anderem in Form von Vulgarismen niederschlagen können. Auf mikrostruktureller Ebene gilt zu beachten, dass ein Vulgarismus nicht einfach um der Vulgarität willen beibehalten werden sollte. Viele Vulgarismen englischer Sprache haben sich semantisch weiterentwickelt und können inzwischen auch lediglich der Betonung einer Aussage dienen oder gar positiv konnotiert sein. Bei der Übersetzung von Lexemen muss sich der Untertitler bewusst sein, dass weniger geläufige Sprachkreationen bildlicher sind als der vielleicht inzwischen „abgenutzte“ ausgangstextliche Begriff. Dies sollte aber kein Plädoyer gegen vulgärsprachliche Kreativität sein, im Gegenteil. Wie sich in der Beispielsanalyse gezeigt hat, sind oft die originellsten Übersetzungen die besten und nicht die dem Wortlaut 131 nach vulgärsten. Wie Kreativität in der Übersetzung gefördert werden kann, ist ein anderes Thema; Grundvoraussetzung dafür ist aber sicher, dass der Untertitler über die nötigen übersetzerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügt, sich mit dem Medium der Untertitelung und dessen Besonderheiten gut auskennt, mit den technischen Hilfsmitteln vertraut ist, Terminologie- und Recherchekompetenzen besitzt, teamfähig ist, unter Zeitdruck und Stress gute Arbeit leisten kann, einen Sinn für Relevanz hat, in seiner Arbeit entsprechend der von ihm ermittelten Textfunktion die richtigen Prioritäten setzt und sich sowohl in seiner eigenen als auch in der fremdsprachlichen Kultur gut auskennt. Kreativität in der Untertitelung darf sich immer nur innerhalb der Grenzen der Authentizität des Films entfalten. Diese zu wahren, hat oberste Priorität und sollte bei jeder übersetzerischen Entscheidung im Vordergrund stehen. Die Wahrung von Authentizität stellt jedoch insbesondere bei der Übertragung von Vulgarität ein grosses Problem dar, da Schnelllebigkeit eine Grundeigenschaft von Slangismen und Vulgarismen ist, der Untertitler also immer sprachlich up to date sein muss, um den Charakteren im Film eine realitätsnahe Stimme verleihen zu können. Slang verliert schnell seine Aussagekraft, so weist veralteter Slang nur eine geringe Effizienz bei der Umsetzung von Kommunikationsstrategien auf und kann der Funktion von Vulgarität im Ausgangstext nicht mehr gerecht werden. Um immer auf dem neusten Stand zu sein, müsste sich der Untertitler also – idealerweise – in seinem eigenen Land und im Land der Ausgangssprache in einem Milieu bewegen, wo viel Vulgärsprache verwendet wird. Da diese Milieus aber meist Eingeweihten (Personen gleicher sozialer Schicht, gleichen Geschlechts, gleichen Berufsstandes oder gleichen Alters) vorbehalten sind und das Hin-und-Her-Jetten zwischen zwei Kulturen, die geographisch so weit auseinanderliegen wie die deutschsprachige und die amerikanische, zudem utopisch ist, bleibt dem Untertitler nur die kulturelle Immersion par procuration. Denn auch dem sprachlich und kulturell versiertesten Untertitler mit der gründlichsten makro- und mikrotextuellen Analyse nützt die akkurateste Bestimmung der Funktion von Vulgarität im Ausgangstext nichts, wenn er seine Erkenntnisse nicht effizient und effektiv im Zieltext umsetzen kann, weil sein Vokabular veraltet oder begrenzt ist. Um Slang und Vulgärsprache richtig einsetzen zu können, muss man sich mit ihnen anfreunden, sie sich aneignen. Dies sollte aber nicht Zwang, sondern Motivation sein. So ist ein Untertitelungsauftrag wie The Departed eine gute Ausrede dafür, Gangsterfilme zu schauen, um sich zum Beispiel mit dem Slang von Polizisten in amerikanischen oder deutschen Filmen vertraut zu machen. Um das vulgärsprachliche Feingefühl zu schulen, gibt es denn auch nur eine wirklich realistische Lösung, nämlich die offensichtlichste: Ab ins Kino und rein in die Welt von Gangstern, Ganoven und Verbrechern! Abrafuckingcadabra! 132 5. Bibliographie a) Quellenverzeichnis Albrecht, Jörn (1986): Substandard und Subnorm: die nicht-exemplarischen Ausprägungen der ‚Historischen Sprache‘ aus varietätenlinguistischer Sicht in Holtus, Günther/Radtke, Edgar (Hrsg.): Sprachlicher Substandard. Band I. Tübingen: Max Niemeyer. Allan, Keith/Burridge, Kate (2006): Forbidden Words: Taboo and the Censoring of Language. Cambridge: Cambridge University Press. Andersson, Lars G./Trudgill, Peter (1990): Bad Language. Oxford: Basil Blackwell. 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Anhang: Niederschrift einzelner Szenen Markierungen: Rot = Vulgarismen & Schimpfwörter Pink = Slangismen Violett = Polizeijargon Gelb = Höflichkeitsformen & Euphemismen Grün = Anrede Blau = Verweis auf gesellschaftliche Normen, Werte & Tabus Halb markiert = Doppeldeutige Aussage - = Markierung des Sprecherwechsels, wenn mehrere Sprecher pro Untertitel. [sic!]=Fehler (in Spotting List oder Untertiteln) [ ]=Zusatz zur Spotting List GROSSBUCHSTABEN IN DEN UNTERTITELN = Dialogteil, der in der Spotting List weggelassen, in der Untertitelung berücksichtigt wurde. 140 Szene 1: Eröffnungssequenz [00:00:00]- [00:04:52] Ausgangstext: Spotting List Zieltext 1: DVD-Untertitel (SDI Media Group) Zieltext 2: Schweizer Kino-Untertitel (Titra) EXPLOITATION TITLE BOSTON Some years ago Einige Jahre zuvor Vor einigen Jahren SCENE: EXT. BOSTON, MASSACHUSETTS/SOUTH HARBOR HOUSING PROJECTS - DAY. A SCHOOL BUSING PROTEST IS IN PROGRESS. AS A LINE OF SCHOOL BUSES, FILLED WITH BLACK CHILDREN, MOVES DOWN THE STREET, WHITE PROTESTORS ARE PUSHED BACK BY THE POLICE. COSTELLO TO AUDIENCE (voice over) I don‟t want to be a product of my environment. I want my environment to be a product of me. WHITE PROTESTORS - Den da holen wir uns. - Schnappt ihn euch! Ich will kein Produkt meiner Umwelt sein. Ich will, dass meine Umwelt ein Produkt von mir ist. Ich will nicht ein Produkt meiner Umgebung sein. Meine Umgebung soll... ein Produkt von mir sein. WHITE PROTESTORS - Nein! Nein! - Nein! COSTELLO TO AUDIENCE (voice over) Years ago, we had the Church. That was only a way of saying we had each other. Früher hatten wir die Kirche. Was ein anderes Wort war für: wir hatten einander. Vor Jahren hatten wir die Kirche. Ein Weg, auszudrücken, dass wir einander hatten. (A BLACK MAN IS INTERVIEWED) BLACK MAN INTO MICROPHONE But now, I don‟t know. It‟s a funny thing. It put hate in your heart. Aber jetzt, weiß auch nicht, ist „ne komische Sache. Es erfüllt einen nur noch mit Hass. Aber jetzt... Es ist komisch. Unsere Herzen sind voller Hass. SCENE: INT. AUTO BODY SHOP – DAY. COSTELLO. COSTELLO TO AUDIENCE (voice over) The Knights of Columbus were real head-breakers. True guineas. They took over their piece of the city. Twenty years after an Irishman couldn‟t get a fucking job... ...we had the presidency. May he rest in peace. Die Ritter von Kolumbus waren richtige Knochenbrecher. Echte Itaker. Sie nahmen sich ihren Teil der Stadt. 20 Jahre, nachdem kein Ire hier einen Scheissjob kriegen konnte, wurde einer von uns Präsident. Möge er in Frieden ruhen. That‟s what the niggers don‟t realize. If I got one thing against the black chappies, it‟s this. No one gives it to you. You have to take it. Das ist es, was die Nigger einfach nicht begreifen. Und wenn ich den Negerlein was auf den Weg gebe, dann das: Niemand schenkt dir etwas. Du musst es dir nehmen. Die Ritter des Kolumbus waren brutale Kerle. Wahre Spaghettifresser. Sie regieren einen Teil der Stadt. 20 Jahre, nachdem ein Ire... keinen Job fand, hatten wir einen Präsidenten. Möge er in Frieden ruhen. Das realisieren die Neger nicht. Wenn ich etwas gegen Schwarze habe, ist es das. Es wird einem nichts geschenkt. Man muss es sich nehmen. 141 SCENE: INT. PARK LUNCHEONETTE - DAY. FRANK COSTELLO, A MAN IN HIS FIFTIES, LEANS OVER THE COUNTER TO VIN, THE PROPRIETOR. VIN HANDS COSTELLO SOME BANKNOTES. COSTELLO TO VIN [Vin,] Don‟t make me have to come down here again for this. Vin, lass mich für so was nicht noch mal hier antanzen. Vin. Zwing mich nicht, zurückzukommen. VIN TO COSTELLO It won‟t happen again, Mr. C. Kommt nicht wieder vor, Mr. C. Kommt nicht wieder vor, Mr. C. (COSTELLO EYES CARMEN, VIN‟S PRETTY YOUNG DAUGHTER) COSTELLO TO VIN Carmen‟s developing into a fine young lady. You should be proud. Carmen entwickelt sich zu einer richtigen jungen Dame. Du kannst stolz auf sie sein. Carmen wird zu einer feinen jungen Dame. Du solltest stolz sein. (COSTELLO GESTURES TO CARMEN WHO COMES OVER TO HIM) COSTELLO TO CARMEN You get your period yet, Carmen? Kriegst du schon deine Periode, Carmen? Hast du schon deine Periode, Carmen? (COSTELLO LOOKS OVER AT YOUNG COLIN SULLIVAN, WHO IS SITTING AT THE COUNTER WATCHING THEM) COSTELLO TO YOUNG COLIN You Johnny Sullivan‟s kid? Bist du Johnny Sullivans Junge? Bist du Johnny Sullivans Junge? (COLIN NODS) COSTELLO TO YOUNG COLIN You live with your grandmother? -Und wohnst bei deiner Großmutter? Wohnst du bei deiner Oma? YOUNG COLIN TO COSTELLO (optional) Yeah. -Ja. COSTELLO TO VIN Vin, get him a couple of loaves of bread... Vin, gib ihm ‟n paar Brote mit, „n paar Liter Milch. Vin, hol ihm ein paar Laibe Brot... COSTELLO TO VIN THEN TO YOUNG COLIN ...couple half gallons of milk. You like bologna and cheese? Magst du Mortadella und Käse? Noch ein bisschen Fleisch und Milch. Magst du Mortadella und Käse? und gib noch Mayo dazu. Liest du gern Comics? Gib ihm Aufschnitt und Mayonnaise. COSTELLO TO VIN Give him some cold cuts. Throw some mayo in. (VIN QUICKLY PUTS THE ITEMS IN A PAPER BAG. COSTELLO PICKS UP A COMIC BOOK) COSTELLO TO YOUNG COLIN Do you like comic books? Magst du Comics? 142 (YOUNG COLIN NODS) COSTELLO TO YOUNG COLIN You do good in school? Bist du gut in der Schule? Bist du gut in der Schule? YOUNG COLIN TO COSTELLO THEN COSTELLO TO YOUNG COLIN -Yeah. -That‟s good. -Ja. -Das ist gut. War ich auch. - Ja. - Gut. Das war ich auch. Das nennt man ein Paradox. COSTELLO TO YOUNG COLIN I did, too. They call that a paradox. Das nennt sich Paradoxon. (COSTELLO HANDS CARMEN SOME MONEY FOR THE GROCERIES AND COMIC BOOKS) COSTELLO TO CARMEN Just keep it. Buy yourself some makeup. Behalt es. Kauf dir ein bisschen Make-up. Behalt es. Kauf dir Make-up damit. (COSTELLO PUTS SOME COINS IN YOUNG COLIN‟S HAND) COSTELLO TO YOUNG COLIN You ever want to earn a little extra money... ...you come by L Street. You know where I am on L Street? Falls du dir mal Geld dazuverdienen willst, dann komm in die L Street. Weißt du, wo ich bin in der L Street? Wenn du dir einen Zustupf verdienen willst, komm an die L Street. Weisst du, wo an der L Street ich bin? COSTELLO TO YOUNG COLIN THEN YOUNG COLIN TO COSTELLO [Good] -Good boy. -Thanks. Gut. -Guter Junge. -Danke. Braver Junge. Wir vertrauen dir, oh, Herr, die Seele deines Dieners Alphonsus an. Dir, o Herr, vertrauen wir Alphonsus' Seele an, dein Diener. Für diese Welt ist er tot. In den Augen dieser Welt ist er nun tot Vergib ihm seine Sünden, die er aus menschlicher Schwäche begangen hat. Vergib ihm seine Sünden. Der Mensch hat Schwächen. -Amen. Amen. (YOUNG COLIN EXITS WITH A BAG OF GROCERIES) SCENE: INT. CHURCH - DAY. YOUNG COLIN IS SERVING WITH A PRIEST AT A FUNERAL MASS. PRIEST AS IF TO GOD To You, O Lord, we commend the soul of Alphonsus, Your servant. In the sight of this world, he is now dead. Forgive whatever sins... ...he committed through human weakness. YOUNG COLIN AS IF TO GOD (optional) Amen. 143 COSTELLO TO BOYS The Church wants you in your place. Kneel, stand, kneel, stand. If you go for that sort of thing, I don‟t know what to do for you. A man makes his own way. No one gives it to you. You have to take it. Non serviam -Die Kirche will, dass du gehorchst. Niederknien, aufstehen. Niederknien, aufstehen. Wenn dir das gefällt, weiß ich nicht, wie ich dir helfen kann. Ein Mann geht immer seinen eigenen Weg. Niemand schenkt dir was. Du musst es dir nehmen. Non serviam. Die Kirche will euch am richtigen Ort. Knien, stehen, knien, stehen. Sagt euch das zu, kann ich euch nicht helfen. Ein Mann macht seinen eigenen Weg. Niemand zeigt ihn euch. Ihr macht ihn selbst. Non serviam. YOUNG COLIN TO COSTELLO James Joyce. -James Joyce. James Joyce. COSTELLO TO YOUNG COLIN Smart, Colin. -Sehr gut, Colin. Sehr klug, Colin. Die Itaker aus North End unten in Providence wollten mir Vorschriften machen. Und ganz plötzlich ist denen etwas zugestoßen. Vielleicht war es ungefähr so. Spaghettifresser aus Providence... wollten mir befehlen. Es könnte ihnen etwas zugestoßen sein. Vielleicht... das. Ist ja ‟n Ding. Sie ist lustig hingefallen. Mensch! Sie fiel komisch hin. Francis, du solltest dich mal auf die Couch legen. Francis, du brauchst echt Hilfe. Wenn du etwas willst, schaffst du es. That‟s what they don‟t tell you in the Church. When I was your age, they would say we could become cops or criminals. Today what I‟m saying to you is this: When you‟re facing a loaded gun... ...what‟s the difference? Wenn du beschließt, etwas zu werden, dann kannst du es werden. In der Kirche sagen sie dir das nicht. Als ich so alt war wie du, hieß es, man wird entweder Cop oder Verbrecher. Heute sag ich dir dazu Folgendes: Wenn du eine geladene Waffe vor der Nase hast, wo ist da der Unterschied? COSTELLO TO YOUNG COLIN (voice over) That‟s my boy. Das ist mein Junge. Braver Junge. COSTELLO TO BOYS Guineas from the North End, down Providence... ...tried to tell me what to do. And something maybe happened to them. Maybe... ...like that. SCENE: EXT. REMOTE BEACH - DAWN - FLASHBACK. COSTELLO EXECUTES A MAN AND A WOMAN AS FRENCH LOOKS ON. THE WOMAN FALLS FACE DOWN WITH HER LEGS SPREAD. COSTELLO TO FRENCH Jeez! She fell funny. FRENCH TO COSTELLO Francis, you really should see somebody. SCENE: INT. AUTOBODY SHOP - DAY. COSTELLO AND YOUNG COLIN. COSTELLO TO YOUNG COLIN (voice over) When you decide to be something, you can be it. Das sagen sie dir nicht in der Kirche. Als ich in deinem Alter war, konnte man Bulle oder Verbrecher werden. Heute sage ich dir Folgendes: Wo liegt der Unterschied, wenn du... ...eine geladene Waffe im Gesicht hast? 144 Szene 2: Colins Beförderung zum Staff Sergeant vs. Billys Degradierung zum Undercoveragenten [00:08:12]-[00:15:09];[00:17:19]-[00:17:50] Ausgangstext: Spotting List Zieltext 1: DVD-Untertitel (SDI Media Group) Zieltext 2: Schweizer Kino-Untertitel (Titra) SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. COLIN, IN SUIT AND TIE, STANDS BEFORE CAPTAIN QUEENAN AND STAFF SERGEANT DIGNAM. QUEENAN TO COLIN (voice over) Congratulations on passing... ..the detective‟s exam, and welcome to the Special Investigation Unit. Herzlichen Glückwunsch zum Detective-Examen und willkommen - in der Sonderermittlungseinheit. Gratuliere zur Detektiv-Prüfung... und willkommen bei den Sonderermittlern. DIGNAM TO COLIN (flatly) Whoopdie fucking do. - Jippie-ficki-yey. Juhu-fucking-hu! QUEENAN TO COLIN We won‟t be working together directly. You‟ll be working for Captain Ellerby, but I like to see everybody. You‟re a worker. You‟ll rise fast. Wir werden nicht zusammen arbeiten. Jedenfalls nicht direkt. Sie sind Captain Ellerby zugeteilt. Ich will mir nur jeden ansehen. Sie sind „n Arbeitstier. Sie kommen schnell hoch. Wir werden nicht zusammen arbeiten. Sie arbeiten für Captain Ellerby, aber ich sehe gern alle. Sie sind fleissig. Sie werden rasch aufsteigen. DIGNAM TO COLIN (sarcastically) Like a twelve-year old‟s dick. Wie der Schwanz von „nem 12-Jährigen. Wie der Schwanz eines 12-Jährigen. COLIN TO DIGNAM Thank you, Sergeant. - Danke, Sergeant. - Danke, Sergeant. DIGNAM TO COLIN My pleasure. - Keine Ursache. - Gern geschehen. COLIN TO QUEENAN THEN QUEENAN TO COLIN -Thank you, sir. -Good luck. - Danke, Sir. - Viel Glück. - Danke, Sir. - Viel Glück. SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE/WAITING ROOM - DAY. COLIN EXITS FROM QUEENAN‟S OFFICE. QUEENAN‟S SECRETARY LOOKS ADMIRINGLY AT HIM. QUEENAN‟S SECRETARY TO COLIN Congratulations. - Herzlichen Glückwunsch. - Gratuliere. COLIN TO QUEENAN‟S SECRETARY Thanks, hon. - Danke, Süsse. - Danke, Schätzchen. (COLIN EXITS. QUEENAN‟S SECRETARY TURNS TO BILLY, WHO IS SITTING OFF TO ONE SIDE) QUEENAN‟S SECRETARY TO BILLY You can go in there now. Sie können jetzt reingehen. Sie können reingehen . 145 SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. QUEENAN AND DIGNAM. BILLY ENTERS. QUEENAN TO BILLY You can sit. Do you know what we do here? My section? Sie dürfen sich setzen Also... Wissen Sie was wir tun? In dieser Einheit? Setzen Sie sich. Wissen Sie, was meine Abteilung macht? BILLY TO QUEENAN Sir, yes, sir, I have an idea. - Sir, ja, Sir, ich habe eine Ahnung... Ja, Sir. Ich habe eine Ahnung. DIGNAM TO BILLY Let‟s say you have no idea and leave it at that, okay? No idea. Zip. None. If you had an idea about what we do, we would not be good at what we do, would we? We would be cunts. Are you calling us cunts? - Einigen wir uns auf „gar keine Ahnung“, ok? Keine Ahnung. Nichts, nicht mal ‟ne Ahnung von ‟ner Ahnung. Wenn Sie ‟ne Ahnung hätten, wären wir nicht gut in dem, was wir tun, oder? Wir wären Arschlöcher. Halten Sie uns für Arschlöcher? Du hast keine Ahnung, okay? Keine Ahnung. Null Ahnung. QUEENAN TO BILLY Staff Sergeant Dignam has a style of his own. I‟m afraid we all have to get used to it. Staff Sergeant Dignam hat so seine eigene Art. Ich fürchte, wir müssen uns alle dran gewöhnen. Staff Sergeant Dignam hat einen eigenen Stil. Wir müssen uns dran gewöhnen. DIGNAM TO BILLY You got family connections down in Southie, right? Through your father. Why don‟t you tell us about your Uncle Jackie. Also, Sie haben familiäre Beziehungen im Süden, richtig? Durch Ihren Vater? Erzählen Sie von Ihrem Onkel Jackie. Die Familie deines Vaters lebt in Southie, nicht? Erzähl von deinem Onkel Jackie. BILLY TO DIGNAM He was a carpet layer for Jordan Marsh. Er war Teppichleger in einem Einrichtungshaus. Er war Teppichleger bei Jordan Marsh. Onkel Jackie war ‟n kleiner Buchmacher und Barkeeper bei den Veteranen in Summerville[sic!]. 95 hat Nicastro ihn gekillt, seine Leiche lag am Flughafen. Onkel Jackie war ein kleiner Buchmacher... in der Veterans Hall in Somerville. Nicastro liquidierte ihn 1995. Die Leiche lag beim Flughafen. BILLY TO DIGNAM & QUEENAN That‟s right. I remember his funeral. Ja, richtig. Ich war auf der Beerdigung. -Oh, gut. Richtig. Ich erinnere mich an die Beerdigung. DIGNAM TO BILLY Closed casket? Geschlossener Sarg? Geschlossener Sarg? BILLY TO DIGNAM That‟s right. Ja, korrekt. Ja. DIGNAM TO BILLY Uncle Jackie was a small-time bookie who tended bar at the Vets in Somerville. He got popped by Nicastro in ninety-five. We found his body out by the airport. Hättest du eine, wären wir nicht gut. Wir wären Fotzen. Sind wir Fotzen für dich? 146 DIGNAM TO BILLY You tell anybody up at Deerfield, that is, before you got kicked out for whaling on a gym teacher with a folding chair... ...you had an uncle met his demise like that? I got a question. How fucked up are you? Und, wusste das irgendwer in Deerfield? Haben Sie deswegen einen Lehrer verprügelt und sind rausgeflogen? Hast du an der Deerfield, bevor du rausflogst, weil du einen Lehrer verprügeltest, Dass Sie ‟nen Onkel hatten, der so abgetreten ist? Eine Frage: Wie abgefuckt sind Sie? erzählt, dass ein Onkel von dir so starb? Ich habe eine Frage. Wie abgefuckt bist du? SCENE: INT. POLICE BUILDING/CORRIDOR - DAY. COLIN WALKS ALONG THE CORRIDOR. DARLENE, A SECRETARY, WEARING FORM-FITTING SLACKS, ENTERS. COLIN WHISTLES APPRECIATIVELY. COLIN TO DARLENE (optional) Hi, Darlene. Hi, Darlene. Tag, Darlene. (COLIN STOPS IN FRONT OF BARRIGAN‟S CUBICLE) BARRIGAN TO COLIN What you got? Staff Sergeant? In no time you made sergeant. Was steht an, Staff Sergeant? In null Komma nichts zum Sergeant. Was bist du? Staff Sergeant? Wurdest im Nu Sergeant. Sonderermittlung. -Perfekt. SIU. Was für ein Land. COLIN TO BARRIGAN SIU. What a country. BARRIGAN TO COLIN (wryly) Perfect. Perfekt. COLIN TO BARRIGAN Hey, I don‟t mind going it alone. You know, if you went alone every once in a while, you might get somewhere. Hey, ich finde ‟nen Alleingang nicht schlecht. Würde dich auch weiterbringen, wenn du‟s mal versuchen würdest. Ich machs ganz gern alleine. Tätest du mal was allein, erreichtest du was. Wir sind Cops. Ok, ist nicht die große Nummer. Wir sind Bullen. Ich weiss, das ist nichts. Hör zu, ich weiß, was du draufhast. Vielleicht kann ich was für dich tun. Hast du ‟n paar Anzüge oder siehst du gern aus, als wolltest du den Straßenverkehr regeln? Du schuftest. Vielleicht kann ich dir helfen. Interessanter Stammbaum, Kleiner. Ihr Penner von Onkel Tommy Costigan, ist noch so eine Pfeife. Er sitzt, weil er Waffen Was für ein Stammbaum. Dein Onkel Tommy Costigan ist ein Trottel. an Bundesbeamte verkauft hat. Abgesehen von ‟ner Menge anderer Abweichungen eines gutbürgerlichen Verhaltens. Er verkaufte Waffen an FBI-Leute, neben vielen anderen Abweichungen vom normalen Benehmen. BARRIGAN TO COLIN We‟re cops. All right, this isn‟t somewhere. COLIN TO BARRIGAN All right, look it. I know you‟re a worker. Maybe I can do something for you. You got any suits at home or do you like coming to work dressed like you‟re gonna invade Poland? SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. BILLY, DIGNAM AND QUEENAN. DIGNAM FINGERS THROUGH SOME PAPERS. DIGNAM TO BILLY (voice over) You got quite the family tree here, kid. That maggot uncle of yours Tommy Costigan‟s another goof. He gets busted selling guns to federal officers... ...among many, many, many other departures from our normative behavior. Hast du einen Anzug oder siehst du gern aus, als wolltest du in Polen einmarschieren? 147 BILLY TO DIGNAM What‟s this got to do with me, huh? –Und was hat das alles mit mir zu tun? Was hat das mit mir zu tun? DIGNAM TO BILLY Why are you pretending to be a cop? Warum tun Sie so, als wären Sie ‟n Cop? Warum tust du, als wärst du Bulle? SCENE: INT. SIU CONFERENCE ROOM - DAY. ELLERBY ADDRESSES A GROUP OF SIU DETECTIVES. ELLERBY TO GROUP This unit is new, and you are the newest members of it. You have been selected for it on the basis of intelligence and aptitude. This is an elite unit. Our job is to smash or-- marginally disrupt-- Diese Einheit ist neu und Sie sind ihre neuesten Mitglieder. Sie wurden ausgewählt, weil Sie klug und fähig genug sind. ...organized crime in this city by enhanced cooperation... ...with the FBI, represented here today by Agent Frank Lazio. And we will do it. And by organized crime in this city... ...you know who we mean. Das hier ist eine Eliteeinheit. Unsere Aufgabe ist die Zerschlagung oder zumindest geringfügige Störung des organisierten Verbrechens in der Stadt in enger Zusammenarbeit mit dem FBI, heute hier vertreten durch Agent Frank Lazio. Und das werden wir tun. Und Sie wissen, wen ich meine, wenn ich organisiertes Verbrechen sage. Ihr seid die neuen Mitglieder der neuen Einheit. Sie wurden aufgrund Ihrer Intelligenz... und Eignung ausgewählt. Dies... ist eine Eliteeinheit. Unsere Aufgabe besteht darin, organisiertes Verbrechen in dieser Stadt... zu zerschlagen oder zu verhindern, indem wir mit dem FBI zusammen arbeiten, hier von Agent Frank Lazio vertreten. Und wir werden es schaffen. Sie wissen, wen wir mit... "organisiertem Verbrechen" meinen. (A PHOTOGRAPH OF JACKIE COSTIGAN IS PROJECTED ON A POWERPOINT SCREEN) ELLERBY TO GROUP That‟s Jackie Costigan. That‟s an old picture. Jackie met his demise. Jackie Costigan, ein altes Foto, er ist mittlerweile abgetreten. Das ist Jackie Costigan. Das ist ein altes Foto. Er ist tot. (THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF JACKIE COSTIGAN LYING DEAD IN A DITCH) ELLERBY TO GROUP Last known photograph. Costello uses three key guys. Das letzte, uns bekannte Foto. Costello hat 3 Hauptvertraute. Das letzte bekannte Foto. Costello hat drei wichtige Männer. (THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF FITZ) ELLERBY TO GROUP That‟s Fitzy... off the boat psycho... ...lives in Brockton with his mother. She‟s straight out of “Going My Way”. Das ist Fitzy, frisch immigrierter Psychopath, lebt bei der Mutter in Brockton, Irin, wie sie im Buche steht. Fitzy... ein Spinner aus Irland. Wohnt in Brockton mit seiner Mutter, die sehr typisch ist. (THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF DELAHUNT) ELLERBY TO GROUP Delahunt, muscle. Delahunt, Mann fürs Grobe. Delahunt, der Schläger. (THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF FRENCH) ELLERBY TO GROUP French, the number one. But, of course, the rock star... French, die Nr. 1, aber der Rockstar ist natürlich Sie-wissen-wer. French, die Nummer 1. Aber der Rockstar, (THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF COSTELLO) 148 ELLERBY TO GROUP ...you know who. You‟ve got a briefing book... ...so read up. I want any and all ideas... ...so I can pass them off as my own. Work hard and you‟ll rise fast. You‟re in the best possible position in the department. Let‟s go to work. Sie haben sein Dossier, arbeiten Sie sich ein, damit ich Ihre Ideen dazu als meine ausgeben kann. Strengen Sie sich an, dann steigen Sie schnell auf. Das hier ist der beste Platz dafür. An die Arbeit. ihr wisst wer. Steht im Info-Heft, lest es. Gebt mir eure Ideen, ich geb sie als meine aus. Seid ihr fleissig, steigt ihr auf. Ihr seid gut positioniert. An die Arbeit. Ihr alter Mann war 'n kleiner Arbeiter im Süden. Gepäckdienst am Flughafen. Richtig? Dein Alter war Arbeiter. Gepäckdienst am Flughafen. Bis auf ihn gibt‟s nur Verbrecher in Ihrer Familie, was? Eine Kriminellen-Familie, ausser dem Alten. BILLY TO DIGNAM And one priest, since you seem to know everything. Und einen Priester, da Sie ja alles wissen. Und einem Priester, ordnungshalber. DIGNAM TO BILLY Last I heard he was happily married to a 12-year-old boy living on a beach in Thailand. Ja, wohl glücklich verheiratet. Mit ‟nem 12-Jährigen am Strand in Thailand. Der einen 12-Jährigen heiratete... und am Strand von Thailand lebt. DIGNAM TO BILLY Fucking family‟s dug into the Southie projects like ticks. Three decker men at best. You, however, grew up on the North shore, huh? Well, la di fucking da. You were kind of a double kid, I bet, right? One kid with your old man, one kid with your mother. You‟re upper middle class during the week, then you‟re dropping your r‟s and you‟re hanging in the big bad Southie projects... ...with your daddy, the fucking donkey, on the weekend. I got that right? Did you have different accents? You did, didn‟t you, you little fucking snake. You were like different people. Ihre Familie hängt in den südlichen Ghettos fest wie die Zecken. In engen Sozialgrotten. Sie sind aber am Nordufer aufgewachsen, was? Na, da ist es doch todschick. Als Kind ‟n Doppelleben geführt, was? Eins bei Ihrem alten Herrn und eins bei Ihrer Mutter? In der Woche gehobene Mittelklasse, dann den Ghettoslang ausgepackt, um am Wochenende schön bei Daddy, dem Packesel, abzuhängen. So ungefähr in der Art? Ja. Sie kennen beide Seiten, oder? Ja, und wie Sie die kennen, Sie verlogene kleine Ratte. Sie gibts gleich 2 Mal. Leben wie Zecken in einer Sozialwohnung. Schlimmste Mietskaserne. Du bist in North Shore aufgewachsen. Affektierter Kerl. Ein Doppelkind, was? Eines beim Alten, eines bei der Mutter. Mittelklasse während der Woche, dann hingst du in den Sozialsiedlungen rum... am Wochenende mit deinem Papa, dem Esel. Ja? Sprachst du unterschiedlich? Bestimmt, du verdammte Schlange. Du warst zwei verschiedene Menschen. BILLY TO DIGNAM THEN DIGNAM TO BILLY -You a psychiatrist? -Well, if I was, I‟d ask you... - Sind Sie ‟n Psychiater? Sind Sie Psychiater? DIGNAM TO BILLY ...why you‟re a statie making thirty grand a year. And I think if I was Sigmund fucking Freud I wouldn‟t get an answer. So tell me, what‟s a lace curtain motherfucker like you doing in the Staties? Dann würde ich fragen, warum Sie ‟n Statie mit 30.000 im Jahr sind. Und auch wenn ich der Scheiß Sigmund Freud wäre, würd ich keine Antwort kriegen. Sagen Sie mir, wieso ist ‟n irischer Milchkuhfotzenlecker wie Sie bei den Staties? Der würde fragen, wieso du für 30'000 jobbst. Und wäre ich Sigmund Freud, ich bekäme keine Antwort. Sag, was macht ein nobler Irenarsch bei der Polizei? SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. QUEENAN, DIGNAM AND BILLY. DIGNAM TO BILLY (voice over) You‟re[sic!] old man... ...was a fucking hump from Southie. Baggage handler at the airport. Right? Family‟s all criminals except for the old man, huh? 149 BILLY TO DIGNAM Well, families are always rising or falling in America, am I right? QUEENAN TO BILLY Who said that? Tja, Familien sind hier schon immer aufgestiegen oder abgestürzt. In Amerika steigen Familien auf und fallen wieder. Wer hat das gesagt? -Hawthorne. - Wer sagt das? - Hawthorne. Was ist, Klugscheisser, kannst du nichts von Shakespeare? Was ist, kennst du Shakespeare nicht? Wir haben eine Frage. Wollen Sie Polizist sein, oder wollen Sie so tun, als wären Sie einer? Wir haben eine Frage. Willst du ein Bulle sein, oder willst du einen Bullen spielen? Eine berechtigte Frage. Das wollen viele. BILLY TO QUEENAN Hawthorne. DIGNAM TO BILLY What‟s the matter, smart ass? Don‟t you know any fucking Shakespeare? QUEENAN TO BILLY We have a question. Do you want to be a cop or do you want to appear to be a cop? It‟s an honest question. A lot of guys want to appear to be cops. Gun. Badge. Pretend they‟re on TV. Ist ‟ne ehrliche Frage. Viele wollen nur so tun, als ob. Waffe, Dienstmarke, denken, es ist wie im Fernsehen. Waffe, Marke. Tun, als wären sie am TV. DIGNAM TO BILLY Well, a lot of „em just want to slam a nigger‟s head through a plate glass window. Ja, und einige wollen nur mal ‟nen Nigger mit dem Kopf durch ‟ne Scheibe donnern. Viele wollen Niggers die Fresse einschlagen. BILLY TO DIGNAM I‟m all set without your own personal job application, right, Sergeant. Ich muss ja nicht unbedingt dieselben Gründe haben wie Sie, ok, Sergeant? Ich brauche Ihre Beweggründe nicht. DIGNAM Was hast du gerade gesagt? BILLY TO QUEENAN With all due respect, sir, what do you want from me? DIGNAM TO BILLY He can‟t help you. I know what you are, okay? I know what you are and I know what you‟re not. I‟m the best friend you have on the face of this earth and I‟m gonna help you understand something, you punk You‟re no fucking cop! QUEENAN TO BILLY He‟s right. We deal in deception here. What we do not deal with is self deception. Five years from now you can be anything else in the world. But you will not be a Massachusetts state trooper. -Bei allem Respekt, was wollen Sie? Bei allem Respekt, was wollen Sie von mir? Hey, er kann dir nicht helfen. Ich weiß, was du bist. Ich weiß, was du bist und was du nicht bist. Ich bin der beste Freund, den du hast, und jetzt verrat ich dir noch was, du Penner. Du kleiner Wichser bist kein Cop! Er kann dir nicht helfen. Ich weiss Bescheid. Ich weiss, was du bist und nicht bist. Er hat recht, Betrug ist zwar etwas, womit wir uns hier befassen, aber nicht mit Selbstbetrug. Er hat Recht. Wir geben uns mit Täuschung ab, aber nicht mit Selbsttäuschung. In 5 Jahren kannst du sein, was du willst. Ausser einem Massachusetts Staatspolizisten. In 5 Jahren können Sie wahrscheinlich alles Mögliche sein, aber kein Massachusetts State Trooper. Ich bin dein bester Freund auf der Welt. Du bist kein Bulle, verdammt! 150 [00:15:09] [00:15:09] [00:15:09] BILLY TO QUEENAN You sure of that? -Sind Sie da sicher? Sind Sie sicher? QUEENAN TO BILLY I‟m sure of that. -Ja, bin ich. - Ganz sicher. DIGNAM TO BILLY Guaran-fucking-teed. Kriegst ‟ne Garantieurkunde. - Garantiert. DIGNAM TO BILLY You had 1400 on your SATs, kid. You‟re an astronaut, not a statie. Du hattest 1.400 Punkte beim Hochschultest. Du bist ‟n Astronaut, aber kein Polizist. Du hattest 1'400 bei deinem SAT-Test. Du bist ein Astronaut, kein Bulle. QUEENAN TO BILLY You don‟t have much family. Sie haben nicht viel Familie. Du hast kaum Familie. BILLY TO QUEENAN & DIGNAM I don‟t have any family. Gar keine Familie. Ich habe gar keine Familie. [00:15:09] [00:15:09] [00:15:09] [Flashback: Tod von Billys Mutter] [Colin zieht in Luxusappartment ein] [...] [...] 151 [00:17:19] [00:17:19] [00:17:19] SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. QUEENAN, DIGNAM AND BILLY. BILLY TO QUEENAN AND DIGNAM So what do I do? Also, was soll ich tun? Was ist meine Aufgabe? QUEENAN TO BILLY There‟s money behind this operation. You won‟t be paid as a regular cop, but there‟s a bonus involved. Tax free. We can‟t conceal... ...that you were a trainee. You‟ll be convicted of a crime. We‟re thinking a guilty plea to assault and battery would make sense. Es gibt Geld für diese Operation. Sie bekommen kein normales Gehalt, dafür aber einen Bonus. Steuerfrei. Dass Sie auf der Akademie waren, lässt sich nicht verschleiern. Das heißt, Sie werden verurteilt. Wir denken, ein Schuldgeständnis zu Körperverletzung würde Sinn ergeben. Hinter diesem Einsatz steckt Geld. Es gibt kein Bullensalär, dafür einen Bonus. DIGNAM TO BILLY Given your nature. Passt zu Ihnen. Bedenkt man deine Natur. QUEENAN TO BILLY You‟ll do enough jail time to convince anyone this is no setup. You‟ll be on probation. See a court-ordered shrink. The whole nine yards. Sie bleiben lang genug im Gefängnis, um es echt aussehen zu lassen, kommen auf Bewährung raus, gehen zum Gerichtspsychiater, das ganze Programm. Wirst so lange sitzen, keiner wird Fragen stellen. Wirst Bewährung kriegen, zum Gerichtspsychiater gehen, alles. DIGNAM TO BILLY You want to serve the Commonwealth, this is your chance. We need you, pal. Wenn Sie dem Staat dienen wollen, ist das Ihre Chance. Wir brauchen Sie, Kumpel. You‟ve already pretended to be a Costigan from South Boston. Sie haben schon früher den harten Costigan aus Süd-Boston gespielt. Willst du dem Staat dienen, ist dies deine Chance. Wir brauchen dich. Du gabst dich als Costigan aus South Boston aus. BILLY TO DIGNAM Every weekend, Sergeant. - Jedes Wochenende, Sergeant. - Perfekt. DIGNAM TO BILLY Perfect. Steuerfrei. Wir können nicht verheimlichen, dass du ein Trainee warst. Wirst eines Verbrechens verurteilt werden. Ein Schuldgeständnis auf... Körperverletzung wäre angebracht. Jedes Wochenende, Sergeant. Perfekt. QUEENAN TO BILLY Do it again... ...for me. Tun Sie‟s wieder. Für mich. EXPLOITATION TITLE THE DEPARTED Departed: Unter Feinden [00:18:20] [00:18:20] Tu es nochmals... Für mich. [00:18:20] 152 Szene 3: Queenans Tod [01:39:26]-[01:44:00] Ausgangstext: Spotting List Zieltext 1: DVD-Untertitel (SDI Media Group) Zieltext 2: Schweizer Kino-Untertitel (Titra) SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. BILLY IS WAITING ON THE ROOF. QUEENAN ENTERS. BILLY TO QUEENAN He‟s got dope coming in. I don‟t know where. He‟s getting spooky, Captain. Er kriegt ‟ne Lieferung, ich weiss nur noch nicht, wo. Er… Er wird mir unheimlich, Captain. Er erwartet Stoff. Wo, weiss ich nicht. Er wird unheimlich. QUEENAN -Was meinen Sie? QUEENAN - Wie das? I just saw him. He had blood all over his hands. He‟s losing his fucking mind. SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. DETECTIVE #1 EXITS THE BUILDING AND JOINS THE OTHER DETECTIVES IN THE CAR, WHICH IS PARKED NEARBY. DETECTIVE #1 TO CAR DETECTIVES I don‟t know what we‟re doing here, boys. SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. BILLY AND QUEENAN. BILLY TO QUEENAN He‟s not including his regular guys. But I‟ll tell you something. Sooner or later he‟s gonna find out who I am and he‟s gonna fucking kill me. I know it. He‟s gonna fucking kill me! -Seine Hände waren voller Blut, ich war gerade da, er verliert seinen verfickten Verstand. - Ich sah ihn eben. Er war voller Blut. Er dreht durch. Ich weiß nicht, was wir hier machen, Jungs. Ich weiss nicht, wieso wir hier sind. Er setzt seine alten Leute nicht ein. Aber ich sag Ihnen mal was. Irgendwann kriegt er raus, wer ich bin. Und dann wird er mich kaltmachen. -Das weiß ich. Haben Sie gehört? Er nahm nicht seine üblichen Leute. Hör zu, er wird mich entlarven und mich umbringen. Ich weiss es. Er wird mich umbringen! QUEENAN -Schon gut, schon gut! SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN DIALS A NUMBER ON HIS CELL PHONE. COLIN INTO CELL PHONE TO COSTELLO I think we got him. I think Queenan‟s meeting with him right now. Ich glaube, wir haben ihn. Ich glaube, er trifft sich gerade mit Queenan. Wir haben ihn. Queenan trifft sich mit ihm. SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. BILLY AND QUEENAN. QUEENAN TO BILLY All right. Listen to me. I‟m really sorry for your trouble. I swear to God I am. I‟ll get you out of this. I cannot do it overnight, but I will get you out. Ok, ok, hören Sie mir zu. Es tut mir leid, dass Sie da drinstecken, ich schwöre es. Ich hol Sie da raus. Ich kann es nicht sofort machen, aber ich hol Sie da raus. Na gut. Hör zu. Tut mir Leid, dass du Ärger hast. Ich schwörs. Ich hol dich da raus. Nicht über Nacht, aber ich tus. 153 SCENE: EXT. CHARLES STREET BRASSERIE - DAY. DELAHUNT AND FITZY. DELAHUNT‟S CELL PHONE RINGS. HE ANSWERS IT AND LISTENS. DELAHUNT TO FITZY Hey, get the van. We‟re moving. Heavy work. DELAHUNT Ja? Hey, hol den Van, wir fahren. Drecksarbeit. Hol den Van. Es geht los. Schwerarbeit. SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. BILLY AND QUEENAN. BILLY TO QUEENAN THEN QUEENAN TO BILLY -What about the FBI? -They‟re compromised. -Was ist mit dem FBI? -Die sind kompromittiert. - Und das FBI? - Kompromittiert. BILLY TO QUEENAN THEN QUEENAN TO BILLY -They what? -They‟re fucked! -Die sind was? -Gefickt sind die. - Was? - Das sind Ärsche! BILLY -Ja. (BILLY‟S CELL PHONE RINGS. HE ANSWERS IT) DELAHUNT INTO CELL PHONE TO BILLY [Billy,] Where the fuck are you? We‟ve been trying to reach you. We found the rat. Listen, we‟re gonna take him out. Now look it. The address is 314 Washington St. You got it? All right, we‟ll see you there. BILLY TO QUEENAN You were followed. (QUEENAN SAYS SOMETHING QUESTIONINGLY) BILLY TO QUEENAN THEN QUEENAN TO BILLY -By Costello‟s people. -Impossible. BILLY TO QUEENAN One of the cops he‟s got on the inside tipped him. (BILLY STARTS TO RUN TOWARD THE ROOFTOP DOOR) BILLY TO QUEENAN Come on. Come on. Come on! -Billy, ich versuch‟s schon die ganze Zeit, verdammt noch mal. Wir haben die Ratte! Wir machen ihn kalt, also pass auf. Die Adresse ist 314 Washington Street, alles klar? Ok, bis gleich. Wo bist du? Wir haben die Ratte. QUEENAN -Was? QUEENAN - Was? -Wir wurden verfolgt. - Jemand folgte dir. Hör zu, wir liquidieren ihn. Die Adresse ist 314 Washington St. Okay? Wir sehen uns dort. QUEENAN -Von wem? -Na, von Costellos Mannschaft. -Unmöglich. - Costellos Leute. - Unmöglich. -Nein, sein Spitzel in Ihrer Einheit hat es ihm gesteckt. Kommen Sie. Ein Polizeispitzel gab ihm den Tipp. Kommen Sie! Komm. Komm! 154 SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. FITZY‟S VAN PULLS UP AND STOPS OUTSIDE THE BUILDING. FITZY, DELAHUNT AND TWO OTHER OF COSTELLO‟S CREW GET OUT AND HURRY INTO THE LOBBY. DETECTIVE #1 AND THE CAR DETECTIVES REACT. DETECTIVE #1 TO CAR DETECTIVES What the fuck is going on? Scheiße, was wird das denn jetzt? Was für Scheisse geht hier ab? DETECTIVE #2 TO CAR DETECTIVES Looks like Queenan‟s meeting with all of them. Sieht aus, als würde Queenan sich mit allen treffen. Sieht aus, als treffe Queenan alle. SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN SITS AT HIS DESK, LISTENING ON THE WALKIE-TALKIE. COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO DETECTIVES Yeah, he must be our guy. Ja, er muss unser Mann sein. Ja, er muss unser Mann sein. Sarge, wir können ihn nicht rausholen, es sind zu viele. Wir müssen ihn rausholen. Die scherzen nicht. DETECTIVE #1 OVER WALKIE-TALKIE TO COLIN [Sarge,]We got to get him out of here. Those guys aren‟t fucking around. COSTELLO‟S GANG Los, ganz nach oben. SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. STAIRWELL - DAY. QUEENAN AND BILLY RUN DOWN THE STAIRS. THEY HEAR FOOTSTEPS BELOW. QUEENAN TO BILLY Christ, it‟s too late. Let‟s go back up. Herrgott, zu spät. Zurück nach oben. Scheisse, zu spät. Wir gehen wieder hoch. SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/TOP FLOOR ELEVATOR LANDING - DAY. QUEENAN AND BILLY ENTER. THEY NOTICE THAT BOTH ELEVATORS ARE ON THEIR WAY UP. BILLY TO QUEENAN THEN QUEENAN TO BILLY -Shit! -You got to get out of here! -Scheiße. -Sie müssen raus, da, die Feuertreppe. Du musst raus! - Nimm die Feuertreppe. QUEENAN TO BILLY THEN BILLY TO QUEENAN -Take the fire escape. -What about you? -Und Sie? - Und du? 155 QUEENAN TO BILLY I‟ll be fine. But if you get made, I can‟t protect you. Now go, go! -Ich schaff das. Wenn Sie auffliegen, kann ich Sie nicht schützen. Verschwinden Sie, los! Keine Sorge. Bist du dran, kann ich nicht helfen. SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. QUEENAN COMES ONTO THE ROOF [CROSSES HIMSELF] AND TAKES OUT A CIGARETTE. FITZY AND DELAHUNT ENTER. QUEENAN TO GROUP THEN FITZY TO QUEENAN -One of you mugs got a light? -Where‟s your boy? -Hat einer von euch Pennern Feuer? -Wo ist Ihr Junge? - Hat jemand Feuer? - Wo ist dein Junge? QUEENAN TO FITZY THEN FITZY TO QUEENAN -He‟s studying law at Notre Dame. -Where‟s your fucking boy?! -Er studiert Jura in Notre Dame. -Wo ist Ihr verdammter Junge. - Er studiert Jus an der Notre Dame. - Wo ist er? (BILLY EXITS ONTO THE FIRE ESCAPE) QUEENAN -Hey, hey. (TWO OF COSTELLO‟S MEN ENTER) FITZY TO QUEENAN Goddamn motherfucker! Where‟s your fucking boy?! -Du Arschloch! Elender Scheisskerl! Wo ist dein Junge? (DELAHUNT, FITZY AND THE OTHERS GRAB QUEENAN) [QUEENAN Schlecht verständlicher Vulgarismus] QUEENAN -Was ist los, ihr Wichser. [FITZY Schlecht verständlicher Vulgarismus] FITZY -Wo ist die Verräterratte SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. BILLY JUMPS OFF THE FIRE ESCAPE AND RUNS DOWN THE ALLEY. JUST AS BILLY TURNS THE CORNER, QUEENAN‟S BODY SMASHES TO THE PAVEMENT IN FRONT OF HIM. THE DETECTIVES IN THE INTERNAL INVESTIGATIONS CAR PARKED NEARBY REACT. DETECTIVE #1 TO DETECTIVES What the fuck was that? Did you fucking see that? Was zum Teufel war das? Was war das, habt ihr das gesehen? Was war das? Habt ihr das gesehen? (DETECTIVE #1 PICKS UP HIS MICROPHONE) DETECTIVE #1 INTO MICROPHONE TO COLIN Sarge, something just came off the building. Da ist was aus dem Haus gefallen. Etwas fiel vom Gebäude runter. (BILLY LOOKS DOWN AT QUEENAN‟S BODY) BILLY TO HIMSELF (optional) What the fuck...? [Fuck] So ‟ne Scheiße. Scheiße. 156 SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN TALKS INTO THE WALKIE-TALKIE. COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO DETECTIVES What do you mean, something came off the building? Was meinen Sie mit “aus dem Haus”? Wiederholen Sie das! Etwas fiel vom Gebäude runter? SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. THE DETECTIVES IN THE INTERNAL INVESTIGATIONS CAR. DETECTIVE #2 TO CAR DETECTIVES THEN DETECTIVE #1 INTO MICROPHONE TO COLIN -Something came off the fucking roof. -[Sarge,] It‟s a fucking body. -[It‟s a fucking body] -Sarge, irgendwas ist vom Dach gefallen. -‟n Mensch. Das war ‟n Mensch. - Ein Körper. - Etwas flog vom Dach. DETECTIVE #1 INTO MICROPHONE TO COLIN [Sarge,] We can‟t get a visual. Do you want us to get out of the car? We got to get on foot if you want me... ...to get up on this thing. Sarge, können nicht sehen, was es war. Wir müssten aussteigen und rüberlaufen, wenn wir klären sollen, was da los war. Wir sehens nicht. Wir müssen zu Fuss gehen, ums rauszufinden. (FITZY, DELAHUNT AND THE TWO OTHER THUGS COME OUT OF THE BUILDING. THEY LOOK OVER AT BILLY AND THE DEAD QUEENAN) FITZY TO BILLY THEN BILLY TO FITZY -Where the fuck were you?! -What the fuck happened?! -Wo warst du? -Was ist passiert? - Wo warst du? - Was war los? FITZY TO BILLY You‟re fucking late! Get in the van! Du bist zu spät, steig in den Van! Hast Verspätung! Steig ein! SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN TALKS INTO THE WALKIE-TALKIE. COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO CAR DETECTIVES What do you mean something came off the roof?! Wie, „irgendwas ist vom Dach gefallen“? Wie, etwas flog vom Dach? SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. BILLY, FITZY, DELAHUNT AND THE TWO THUGS. BILLY TO FITZY & DELAHUNT What‟s -[the fuck‟s] going on? I came to meet you. Ich sollte euch doch hier treffen. Was ist hier los? Was ist los? Ich kam zum Treffen. FITZY TO BILLY Get in the van! Wo warst du, du Penner? Steig in den Van ! In den Van! [BILLY Fuck!] 157 (THE CAR DETECTIVES WATCH FROM THEIR CAR) DETECTIVE #1 INTO MICROPHONE TO COLIN [I don‟t know, Sarge] It‟s a fucking body. I got four armed men right out front. Do you want us to pursue? Ich weiß nicht, aber hier sind 4 bewaffnete Männer. Sollen wir sie verfolgen? Ich habe 4 Bewaffnete. Verfolgen wir sie? SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN TALKS INTO THE WALKIE-TALKIE. COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO CAR DETECTIVES No, do not pursue. Stay in the car. Nein, bleiben Sie im Wagen, Sie verfolgen sie nicht. Nein, bleibt im Auto. SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. THE DETECTIVES IN THE INTERNAL INVESTIGATIONS CAR. DETECTIVE #1 TO CAR DETECTIVES Fuck! No fucking pursue. -Keine Verfolgung DETECTIVE #2 -Scheiße. Fuck! Keine Verfolgung. COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO CAR DETECTIVES [I need some information] What came off the roof? Ich brauche Informationen. Was ist da vom Dach geflogen? Was flog vom Dach? DETECTIVE #1 TO CAR DETECTIVES No pursue. [-Fucking shit!] Fuck this. -Nicht verfolgen! -So eine verdammte Scheiße! Ach scheiss drauf. Keine Verfolgung. Der kann mich mal. (DETECTIVE #1 GETS OUT OF THE CAR AND STARTS SHOOTING. DELAHUNT AND DETECTIVE #1 ARE HIT IN THE SHOOTOUT) FITZY TO COSTELLO‟S CREW Get in the van! Get in the fucking van. Let‟s go! Move it! Steigt in den Van! Scheiße. Steigt endlich ein, weg hier, los! In den Van! Steigt in den Van! Los! Bewegt euch! (ONE OF COSTELLO‟S CREW PULLS DELAHUNT INTO THE VAN AND THE VAN EXITS. COSTELLO‟S GANG -Ich hab ihn. -Drück drauf, mach schnell! DETECTIVE #2 LEANS OVER THE WOUNDED DETECTIVE #1) DETECTIVE #2 INTO MICROPHONE TO HEADQUARTERS 32X to CP. We‟re being fired upon! SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN LISTENS ON THE POLICE RADIO. DETECTIVE #2 OVER RADIO TO HEADQUARTERS An officer‟s down. I repeat, an officer‟s down. A trooper‟s been shot! Send some backup! 32X an Zentrale. Schusswechsel, 32X an CP. Wir werden beschossen! ein Beamter getroffen. Ich wiederhole, ein Beamter getroffen! Eine weitere Person tot, brauchen Verstärkung… Officer am Boden. Es hat einen Officer erwischt! Schicken Sie Verstärkung! 158